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Viele Erinnerungen an die Schulzeit verblassen mit der Zeit. Einiges relativiert sich auch, wenn man aus dem Blickwinkel eines Erwachsenen auf Geschehnisse zurückblickt, die man als Schüler ganz anders empfunden hat. Aber wenn ich an Herrn J., meinen Mathelehrer aus der Mittelstufe des Gymnasiums denke, relativiert sich nichts. Dann keimt in mir immer noch diese Wut und vor allem Fassungslosigkeit auf, dass solche Menschen als Lehrer auf Schüler losgelassen worden sind. Ich kann mich an einzelne Szenen noch so gut erinnern, als wären sie gestern passiert und nicht vor mittlerweile 25 Jahren. Und das nicht nur, weil ich noch Tagebuchaufzeichnungen aus dieser Zeit besitze, sondern weil sie sich mir einfach eingebrannt haben.

 

Ich besuchte die Mittelstufe in den späten 80er Jahren. Der ganz autoritäre Stil von früher war also schon passé; so „offen“ wie heute war das Lehrer-Schüler-Miteinander aber auch noch lange nicht. Ich ging gerne zur Schule, war eine gute Schülerin und eher ruhig und zurückhaltend. Das muss ich vorausschicken, da man ansonsten im Folgenden den Eindruck bekommen könnte, ich wäre schon immer renitent und aufsässig gewesen, was ich definitiv nicht war. Aber dieser Lehrer hat mich einfach dermaßen auf die Palme gebracht ...

 

Wir bekamen Herrn J. also in der 8. Klasse als Mathelehrer zugeteilt. Diejenigen aus meiner Klasse, die in der 7. Klasse Latein als zweite Fremdsprache gewählt hatten und ihn schon seit einem Jahr als Lateinlehrer hatten, stöhnten auf: „Oh nein, nicht den Joschi!“ („Joschi“ war der Spitzname dieses Lehrers, den man tunlichst nicht in seiner Gegenwart verwenden sollte.) Er war bekannt als der strengste Lehrer, einer vom „ganz alten Schlag“. Der es besonders den Schülern schwer machte, die in seinen Unterrichtsfächern nicht gut waren. Ich hatte allerdings Französisch als zweite Fremdsprache gewählt, daher hatte ich bis dato noch nicht das Vergnügen mit ihm gehabt. Mir reichte auch schon sein Anblick: Er erinnerte stark an die Büsten von antiken Philosophen und hob sich von der Masse der Lehrer stets durch sein Auftreten ab – er „schritt“ förmlich durch die Schule (ausschließlich allein, nie in Begleitung von Kollegen), wobei er immer den Blick nach oben gerichtet hatte. Er lebte seine Arroganz und Hochnäsigkeit also schon in der Art seines Auftretens aus, die stets eine Aura von „Hier bin ich, der König – werft euch in den Staub, ihr Untertanen!“ verbreitete. Auch war eine seiner Grundthesen weitläufig bekannt, da er sie gern bei jeder Gelegenheit anbrachte. Diese besagte, dass es für ihn unverständlich sei, warum so viele Mädchen heutzutage das Gymnasium besuchen würden, da dieses Ausmaß an Bildung ihnen doch gar nicht zuträglich sei, weil sie sich auf ihre gottgegebene Rolle als Hausfrau und Mutter konzentrieren sollten. Soviel dazu. Ich betone noch einmal: Ende der 80er Jahre!

 

Aber ich ließ das Ganze mal auf mich zukommen. Ich war schon damals so, dass ich unvoreingenommen an neue Dinge heranging und mir stets erst ein eigenes Urteil bilden wollte. Was sollte auch schon großartig schief laufen? Ich war sehr gut in Mathe, eine ruhige Schülerin und hatte noch nie Probleme mit irgendeinem Lehrer gehabt. So schlimm könnte es schon nicht werden.

Wurde es auch erst einmal nicht. Davon abgesehen, dass mir Herr J. allein vom Anblick schon unsympathisch war, machte er sich zunächst nicht großartig unbeliebt. Klar, er war sehr streng, forderte ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit und duldete absolut keinen Widerspruch, aber da unsere Klasse gemeinhin als sehr „brav“ bekannt war, gab es keine nennenswerten Probleme. Ich muss zugeben, dass ich es sogar mochte, dass er mit seinen Steckenpferden Latein und Griechisch auch gerne nebenbei immer ein paar Geschichten um berühmte Philosophen und Staatsmänner aus der Antike zum Besten gab, wofür ich mich ebenfalls sehr interessierte.

Meine beste Freundin Nicole, die ihn schon vom Lateinunterricht kannte, warnte mich vor: „Das macht der immer so, am Anfang schleimt der sich bei den Schülern ein. War in Latein genauso. Irgendwann zeigt der sein wahres Gesicht.“

Und das kündigte sich nach ein paar Monaten dann auch allmählich an. Es war offensichtlich, dass er Spaß daran hatte, schlechte Schüler zur Schau zu stellen, sich vor der Klasse über sie lustig zu machen. Er war dazu übergegangen, etwa einmal in der Woche einen Schüler nach vorne an die Tafel zu ordern, der dann eine recht komplexe Aufgabe von ihm bekam und sie vor der Klasse lösen musste; dafür trug Herr J. auch eine Benotung in sein kleines rotes Büchlein ein. Erstaunlicherweise holte er sich immer eher die schlechten Schüler nach vorne, manchmal auch das „Mittelmaß“. Auf jeden Fall lief das fast immer darauf hinaus, dass die Aufgaben von dem entsprechenden Schüler nicht gelöst werden konnten, was von Herrn J. mit reichlich Sticheleien und Spötteleien begleitet wurde und mit einer notierten 5 oder 6 in seinem Büchlein endete. Was er natürlich auch mit großer Theatralik zum Besten gab. Die typischen „Opfer“ für diese Vorführungen von Herrn J. hatten mittlerweile richtig Angst vor den Mathestunden und dieser öffentlichen Demütigung.

Als er eines Tages wieder Sandra zu sich nach vorne an die Tafel rief, die ihren letzten „Auftritt“ vor gar nicht allzu langer Zeit gehabt hatte (und die wir nach der Stunde trösten mussten, weil sie bitterlich weinend auf ihrem Tisch lag), wagte ich es, unaufgefordert aufzustehen. Herr J. zog es nämlich vor, dass man aufstand, wenn man mit dem Lehrer sprach. Etwas verwirrt schaute er in meine Richtung.

Ich fragte: „Herr J., warum holen Sie sich eigentlich immer nur Schüler zum Benoten nach vorne, die nicht so gut in Mathe sind?“

Herr J. schaute mich irritiert ob meiner ungefragten Einmischung an und entgegnete: „Weil ich denen so die Möglichkeit geben möchte, sich auch einmal eine gute Note abzuholen und sich so zu verbessern. Und nun setz dich.“

Ich merkte im Hinsetzen noch an: „Aber irgendwie klappt das so doch nicht ...“

Von da an wurde es immer schlimmer. Herr J. fing an, die Schüler vorne an der Tafel persönlich zu beleidigen und gab Aussprüche wie „Blödheit vergeht nicht von alleine“ und „So dumm kannst doch nicht einmal du sein“ von sich.

Eines Tages rief er Bärbel wieder zu sich nach vorne – unsere schlechteste Matheschülerin. Man sah ihr das Unbehagen schon an und als sie an der Tafel stand, mit den ersten Ansätzen der Formel schon nicht klarkam und Herr J. seinen Auftritt als Spötter wieder einmal sichtlich genoss, fing Bärbel direkt an zu weinen. Sie stand dort an der Tafel, schluchzte immer wieder laut auf, obwohl sie versuchte, das zu unterdrücken und dicke Tränen kullerten ihr die Wangen runter. Die ganze Klasse guckte betreten schweigend vor sich hin, mir schnürte es vor Mitleid fast die Kehle zu und ich hätte am liebsten mitgeheult. Anstatt dass Herr J. jetzt einfach mal Ruhe gegeben hätte, setzte er noch einen drauf und tönte theatralisch: „Du bist so dumm – du bist es nicht wert, von diesem Erdball getragen zu werden. Geh mir aus den Augen!“

Während die gesamte Klasse sich in noch betreteneres Schweigen hüllte und Bärbel hilflos weinend vorne in der Klasse stehen blieb, ging mir die Hutschnur hoch. Ich stand so schwungvoll von meinem Stuhl auf, dass dieser fast umgekippt wäre und sagte empört: „Wie können Sie sich so etwas herausnehmen?!? So etwas dürfen Sie doch nicht zu einem Schüler sagen ...“

Herr J. wandte sich mir ruckartig zu, zeigte mit dem Finger auf mich und schrie mich an: „Wie kannst du es wagen, mir zu widersprechen? Schweig!“

Ich schwieg aber nicht, sondern beharrte darauf, dass ich solche Aussprüche absolut unverschämt fände und dass Bärbel ein ganz toller Mensch sei, deren Wert sich garantiert nicht an mathematischen Fähigkeiten bemessen lassen könnte.

Als Herr J. mich daraufhin des Klassenraumes verwiesen hatte, war ich ganz froh, die Klasse verlassen zu können, da mir mittlerweile heiße Tränen der Wut in den Augen brannten und ich Herrn J. nicht auch noch diese Genugtuung gönnen wollte. Ich hörte im Hinausgehen noch, wie Nicole anfing, mich zu verteidigen und kurz darauf musste sie den Klassenraum auch verlassen. Da standen wir beide wütend und doch recht bedröppelt auf dem Flur (bei uns war noch nie jemand aus der Klasse geflogen) und beschlossen, dass wir jetzt in die Pausenhalle abhauen würden. Zu dem Arschloch in den Klassenraum wollten wir ganz bestimmt nicht mehr!

Bärbel kam später zu mir in die Pausenhalle und sagte kleinlaut: „Danke Saskia. Dass du versucht hast, mich in Schutz zu nehmen.“

 

Später sahen Nicole und ich, dass wir beide einen Eintrag ins Klassenbuch bekommen hatten, auch eine Premiere. Dort stand:

a) Saskia benimmt sich ungehörig.

b) Nicole ist ungezogen.

 

Das war dann auch der Auftakt zu vielen weiteren Eintragungen ins Klassenbuch, die folgen sollten. Und sie hatten immer den gleichen Wortlaut; manchmal stand ich alleine dort, ab und zu von der ungezogenen Nicole begleitet.

Die nächste Episode ließ keine zwei Wochen auf sich warten. Dieses Mal war Andreas dran, fast das gleiche Szenario wie bei Bärbel, nur konnte er das Schluchzen unterdrücken, die Tränen liefen aber auch. Das endete mit dem Ausspruch: „Ich weiß gar nicht, was du auf dieser Schule überhaupt willst. So dumm wie du bist, reicht es bei dir doch sowieso nur zum Straßenkehrer.“

Tja, ich mischte mich wieder ein, konnte mir eine Standpauke anhören von wegen man müsse Respekt vor dem Lehrer haben, worauf ich erwiderte: „Respekt muss man sich verdienen – und das schaffen Sie mit solchen Aussprüchen bei mir bestimmt nicht!“, und von da an war unsere Feindschaft besiegelt. Ich lief völlig auf Konfrontationskurs und ging bei der kleinsten fiesen Bemerkung von Herrn J. hoch, er verwies mich daraufhin immer direkt des Klassenraumes. Beim zweiten Mal bin ich auch sofort wieder abgehauen, was Herrn J. wohl so gar nicht passte, als er mich nach 10 Minuten wieder in die Klasse rufen lassen wollte. Daher sollte ich von da an außen immer die Türklinke herunter drücken, damit er innen sehen könnte, dass ich noch da stünde. Nachdem ich einmal dämlich klinkendrückenderweise eine Viertelstunde vor der Klasse gestanden hatte, bin ich danach dazu übergegangen, einen der vor der Klasse an der Garderobe hängenden Turnbeutel an die Klinke zu hängen und einen anderen vor die Tür zu legen, damit diese nicht aufgeht. Und mich dann auf die Fensterbank zu setzen, bis Herr J. mich wie gewöhnlich kurz vor Stundenende von einem Schüler in die Klasse rufen ließ, damit ich die Hausaufgaben notieren konnte.

Was in diesem Zusammenhang ganz witzig war: Unsere Klassenlehrerin Frau P. konnte Herrn J. auch nicht ab. Wie auch, passte sie doch so gar nicht in sein Frauenbild „Heimchen am Herd“! Frau P. war eher der Typ Alt-68er und Kampfemanze, gut drauf, wenn auch als Lehrerin ein wenig ... sagen wir mal „schludrig“. Sie hatte meinen ersten Eintrag ins Klassenbuch auch spöttisch lächelnd zur Kenntnis genommen: „So so, Saskia benimmt sich also ungehörig ... meint der gute Joschi.“ Ja, sie benutzte auch den von ihm so verhassten Spitznamen! Und sie wusste, dass ich regelmäßig von ihm vor die Tür gesetzt wurde. Eines Morgens, als ich schon direkt zu Beginn der Mathestunde rausgeflogen war und auf der Fensterbank im Flur saß, hastete sie (wie immer verspätet) über den Flur und warf mir nur ein aufmunterndes „Na Saskia, wieder Mathe bei Joschi?“ entgegen.

 

Kurze Zeit später stand bei uns eine Klassenfahrt in Form von „Pädagogischen Tagen“ an. In der Parallelklasse wurde ein Schüler davon ausgeschlossen, da er drei Einträge im Klassenbuch hatte. Ich hatte mittlerweile schon mehr als drei eingesammelt und war doch ein wenig beunruhigt. Daher ging ich zu Frau P. und fragte nach, ob die Gefahr bestünde, dass ich deswegen nicht mitkommen dürfte.

Da lachte Frau P. laut auf und sagte: „Saskia, da mach dir mal keine Sorgen. Wir beide wissen, dass man das absolut nicht ernst nehmen kann! Oder sollte ich lieber „den“ sagen?“ Ich hätte sie knutschen können ... Und sie merkte noch an, ob ich nicht versuchen könnte, Joschi etwas mehr zu ignorieren. Sie wüsste zwar, dass das total schwer wäre, aber es wäre für mich im Endeffekt doch auch besser. Daraufhin habe ich ihr erst einmal genauer erzählt, was für mich die Auslöser waren. Bisher wusste sie nur von gewissen Auseinandersetzungen, aber Joschis wortgetreue Aussprüche bezüglich der Dummheit einzelner Schüler und wie er sich offensichtlich daran weidete, wenn diese weinend dastanden, waren ihr nicht bewusst.

Sie starrte mich fassungslos an: „Das gibt’s doch gar nicht ...“

Ich weiß nicht, ob und inwiefern da eventuell etwas im Kollegium in den Gang gesetzt wurde - auf jeden Fall warf Herr J. von da an nicht mehr mit diesen persönlichen Beleidigungen um sich. Natürlich schaffte er es trotzdem, vereinzelt Schüler bei seinen Vorführungen zum Weinen zu bringen.

Ich flog daher seltener aus der Klasse, da ich mich nicht mehr so oft dazu gezwungen sah, für einzelne wehrlose Schüler Partei zu ergreifen, aber es fanden sich auch andere Anlässe.

So zum Beispiel eines Tages, als wir direkt vor der Mathestunde eine Deutscharbeit geschrieben hatten. Wie immer kam Frau P. zu spät zum Unterricht, sodass wir die Pause noch mit durchgeschrieben haben und alle noch unsere Pausenbrote in der Hand hielten, als Herr J. zur Mathestunde erschien.

Ein kurzer Befehl: „Die Brote in die Tasche! Sofort! Der Unterricht hat begonnen.“

Irgendwer versuchte eine Erklärung: „Wir haben gerade eine Arbeit geschrieben und hatten keine Pause ...“, was Herrn J. natürlich nicht interessierte. Er bestand noch einmal darauf, dass die Brote zu verschwinden hätten und keiner mehr einen Bissen nehmen dürfte, was Nicole löste, indem sie sich ihr restliches halbes Brot in den Mund stopfte und hektisch dagegen ankaute. Herr J. sah das, kam zu unserem Tisch gestürmt und zeigte anklagend mit dem Zeigefinger auf Nicole: „Hast du mich nicht verstanden? Ich habe das verboten!“

Nicole, deren Mund wirklich übervoll war, versuchte es mit einem kaum verständlichen „Aber ich habe Hunger“ aus vollen Backen, worauf Herr J. anfing, hektisch mit dem Zeigefinger rumzufuchteln und auf unseren Tisch zu zeigen: „Spuck es aus – spuck es sofort aus!“

Nicole guckte entgeistert und nuschelte: „Aber ich kann doch nicht ...“

Herr J. war mittlerweile puterrot im Gesicht angelaufen und schrie nahezu hysterisch: „Ich befehle es dir!“, und mit jeder Silbe von „Spuck-es-aus!“ deutete er ruckartig auf den Tisch vor uns. Auf den Nicole dann auch kurzerhand den riesigen halbdurchgekauten Batzen spuckte. Ich weiß auch nicht warum, aber ich fand die ganze Szene so absurd, dass ich anfangen musste zu lachen, während die ganze Klasse nur entsetzt guckte. Daraufhin richtete sich der Zeigefinger auf mich und Herr J. brüllte: „Und du! Du machst das jetzt weg!“

Ich entgegnete: „Das mache ich ganz bestimmt nicht“, und wollte eigentlich schon aufstehen, da ich mir sicher war, dass das Ganze sowieso damit enden würde, dass er mich wieder aus der Klasse werfen würde. Aber dieses Mal endete das damit, dass ich meinen Eltern ausrichten sollte, sie sollten sich unverzüglich mit ihm in Verbindung setzen, er würde sie beide sprechen wollen. Auf meinen wirklich berechtigten Einwand, ob auch meine Mutter ausreichen würde, da meine Eltern getrennt lebten, rastete er vollkommen aus.

Naja, was soll ich dazu jetzt großartig sagen? Meine Mutter war immer recht desinteressiert und daher auch noch nie auf Elternsprechtagen oder Elternabenden auf dem Gymnasium gewesen. Ihr hatte ich bislang auch kaum etwas von meinen Turbulenzen mit Joschi erzählt; eher meiner Schwester, die Freundinnen hatte, deren Geschwister auch auf dem Gymnasium waren und daher schon viel Klage über Joschi gehört hatte. Daher versuchte ich, meine Mutter zumindest kurz ins Bild zu setzen über meinen Mathelehrer, hatte aber wenig Hoffnung, dass dabei etwas Vernünftiges rauskommen würde.

Als ich an dem Mittag aus der Schule kam, an dem meine Mutter das Gespräch mit Joschi hatte, empfing sie mich gleich mit: „Also Kind, ich weiß gar nicht, was du immer hast. Der Herr J. ist doch so ein netter Mann! Du musst dich nur etwas mehr zusammenreißen.“ Ich wäre vor Wut am liebsten ausgerastet und hätte meiner Mutter sonst was an den Kopf geknallt – verbal und gegenständlich! Dass meine Mutter doch tatsächlich so wenig Verständnis für mich aufbringen konnte! Hinterher habe ich mitbekommen, dass meine Mutter und meine acht Jahre ältere Schwester sich lautstark gestritten haben und meine Schwester ihr unter anderem vorwarf, warum sie sich so wenig für mich engagieren würde. Sie wüsste doch ganz genau, dass ich ein liebes und vernünftiges Mädchen sei, dass garantiert nicht grundlos irgendwelche Lehrer provozieren würde.

 

Wenn ich jetzt im Nachhinein darüber nachdenke, ist es mir absolut unbegreiflich, wie ein Lehrer sich so ein Verhalten gegenüber Schülern rausnehmen konnte; zu der Zeit. Heute würden die Eltern auf die Barrikaden gehen. Vor allem war Bärbel, wie beschrieben eins seiner Lieblingsopfer, die Tochter einer Lehrerin, die auch auf unserem Gymnasium unterrichtete. Allerdings eine, die in den Augen von Joschi keinen Pfifferling wert war: eine geschiedene Frau (das war schon die größte Schande), von der er einmal abfällig bemerkte, es gäbe an der Schule ja sogar Lehrkräfte, die sich nicht einmal Socken leisten könnten und ihre ungewaschenen dreckigen Füße in alten Latschen präsentieren würden. Eindeutig auf Bärbels Mutter gemünzt, da diese von der absoluten „Öko-Fraktion“ war und als einzige barfuß in Ökolatschen herumlief.

 

Da mir die Wörter leider ausgehen, muss ich auf einige Szenen mit Joschi verzichten, es gäbe noch viele:

... als er mich einmal auch mit einer besonders kniffligen Aufgabe an der Tafel vorführen wollte und dabei hoffnungslos gescheitert ist, da unser Mathegenie Volker (mein bester Kumpel schon aus Grundschulzeiten) darauf bestand, dafür hätte ich aber eine 1+ verdient – das hätte er so nicht hinbekommen

... als er mir auf dem Zeugnis eine 4 geben wollte, obwohl ich nur Einsen geschrieben hatte (erstaunlich bei der wenigen Zeit, die ich effektiv im Klassenraum verbracht habe!) und Frau P. das aber zu verhindern wusste

... als ich einmal aus Protest nach ein paar Sekunden ein leeres Klassenarbeitsheft abgegeben habe

... als er mich ernsthaft in missionarischer Absicht für seine Theaterspielgruppe gewinnen wollte, da er in mir die ideale Verkörperung von Eva aus Adam und Eva sah

... als ich Latein nur als 3. Fremdsprache gewählt habe, nachdem mir versichert wurde, dass er diesen Kurs nicht übernehmen würde ...

 

Aber es tat gut, das Ganze mal im Rückblick niederzuschreiben!

 

 

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Bildmaterialien: pixabay / Public Domain
Tag der Veröffentlichung: 02.02.2014

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