Die Katastrophen kamen unerwartet. Beschäftigt mit sich selbst und der Gier nach Macht und Geld, sahen es die Menschen nicht kommen.
Durch die massive Umweltverschmutzung war am Ende des fünfundzwanzigsten Jahrhunderts die Erde am Rande ihres Untergangs. Flutkatastrophen ungekannten Ausmaßes fegten ganze Landstriche leer. Stürmische Windböen, Bodenerosion, verheerende Hurrikane und Tornados, die an Stärke und Häufigkeiten zunahmen, verwandelten große Gebiete in Mondlandschaften. Felsstürze, Erdrutsche, ruhende Krater, die wieder aktiv wurden, die Wiederkehr der Sandwüsten, Atomreaktorunfälle, Austreten von Naturgas und darauf folgende unterirdische Feuer, machten große Teile der Kontinente unbewohnbar. Es folgten schwerwiegende wirtschaftli¬che Differenzen und Rüstungseskalation. Religiöse Sekten versuchten ihre eigenen Weltanschauungen der Allgemeinheit aufzuzwingen.
Nach Regierungsinterventionen kamen kriegerische Auseinandersetzungen. Unter dem Vorwand, den Terrorismus zu bekämpfen, fanden verhängnisvolle Kriege statt, begleitet von Zwischenfällen mit Viren als Biowaffen. Die Menschheit war im Begriff sich selbst auszulöschen.
Viele Kontinente, die für ihre Formung Milliarden an Jahren benötigten, versanken in Bruchteilen dieser Zeit im steigenden Wasser der Ozeane. Die Übergebliebenen bekamen eine neue Gestalt.
Man schrieb das Jahr 2450. Wo früher Weißrussland war, befand sich jetzt eine Insel. Mit dem Festland nur mit einer Brücke verbunden, von deren Anfang man, auch beim hellen Sonnenschein, das Ende nicht zu sehen vermochte. Ihre meterdicken Drahtseile waren tief in den Felsen verankert, die rund um das Eiland, aus dem Meer, in die Höhe ragten. Grüne Wiesen zogen sich die hohen Berge hinauf, umsäumt von dunklen Wäldern. An den seltenen Tagen, wo sich der Nebel legte, konnte man von unten die Gipfel der hohen, kahlen Berge sehen. Im Schutz dieser, in einem Bergsattel am Rande des Forstes, befand sich die Shadow-Connection. Auf dem gegenwärtigen Weltmarkt war es eines der führenden Unternehmen in den Bereichen der Computertechnologie, Biogenetik, Energiegewinnung und medizinischer Forschung.
Nach unzähligen Felsensprengungen und jahrelangem Einsatz schwerer Gerätschaften wurden untertage Labors und Arbeitsräume erschaffen. Jetzt gingen hier rund um die Uhr hunderte von Menschen ihrer Beschäftigung nach.
In den vom Licht durchfluteten Gemäuern an der Erdoberfläche war eine ganze Stadt untergebracht. Die Bauherrn dachten an alles. Die Büroräume der Verwaltung waren mit genau der gleichen Sorgfalt errichtet, wie die Räume für die Freizeitgestaltung. Die Krankenstation war entsprechend groß bemessen, die Lebensmittelversorgung zu jeder Stunde gewährleistet. Der Shoppingsektor und der Wellnessbereich hinkten einer Einkaufsmeile der Großstädte im nichts nach.
In den oberen Geschossen herrschte meist Ruhe. Dort wohnten die Mitarbeiter in ihren individuell eingerichteten Unterkünften.
Geplant war ein Komplex für Generationen und die Bauunternehmen setzten jedes geforderte Detail um. Dazu gehörten auch die Tagesstätten für die Kinder und die Unterrichtsräume. Die Geschäftsleitung legte besonders großer Wert auf die Ausbildung der Nachwuchsmitarbeiter durch das eigene Hauspersonal. Dennoch war die Tür stets offen und es stand jedem frei aufs Festland zu fahren, oder sich mit den Versorgungslieferungen etwas zukommen lassen. Das war von Anfang an so. Seit einiger Zeit nicht mehr…
„Nur in deinen Träumen kann ich zu dir sprechen.
Es ist ein böser Zauber, den nur du kannst brechen.
Nur in deinen Träumen kann ich dir berichten,
von all denen, die dich wollen vernichten.
Nur in deinen Träumen kann ich mich dir zeigen.
Um dich zu beschützen, muss ich tagsüber schweigen…“
Riddick riss die Augen weit auf. Im Schlafzimmer war es stockfinster. Er hob seinen nackten Oberkörper hoch und setzte sich auf. Die Schweißperlen kullerten ihm das blasse Gesicht hinab und glitten über das zitternde Kinn in die Tiefe. Seine Lunge dehnte sich bis an ihre Zerreißgrenze. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn, versuchte ruhiger zu atmen. Sein ganzer Körper war nass geschwitzt. Er rutschte die Matratze entlang bis an deren Ende. Mit einem Seufzer begleitet stürzten seine schweren Beine über die Bettkante. Mit einem dumpfen Geräusch landeten die Fersen auf dem Teppich.
Seine Atemzüge wurden ruhiger. Mit müden Augen suchte er in der Dunkelheit nach der Uhr. Ihre blau leuchtenden Zahlen lachten ihn aus. Es war zwei Uhr am Morgen. „Das ist schon das dritte Mal in dieser Woche, dass mich dieser Alptraum aus dem Schlaf reißt und zu Tode erschreckt.“ Eigentlich waren ihm solche Gefühlsbekenntnisse zu wider. Aber jede seiner Muskelfaser lechzte nach Entspannung. Sein Körper und Geist hatten Erholung bitter nötig.
Mysteriöses ging seit drei Tagen in der Connection vor. Unheimlich genug war schon das Auftauchen des ominösen Sevick samt seinem Gefolge und die darauf folgende Leitungsübernahme des Unternehmens. Doch seit diesen besagten drei Tagen fand man einen von Sevicks Leuten nach dem anderen tot auf. Die Leichen wiesen keine Spuren auf, die auf die Täter hinweisen würden. Auch das Tatmotiv war bislang unbekannt. Trotzdem erlaubte dieser Sevick nicht, die Garde zu rufen, um die Morde zu untersuchen.
So unerklärlich die Tötungsdelikte waren, genau so unklar war auch der spätere Verbleib der Leichen. Sie verschwanden einfach. Riddick tappte im Dunkeln. Und als ob sich sogar die Götter gegen ihn verschworen hätten, fand er auch in seinen Träumen keine Ruhe. „Ob es da einen Zusammenhang gibt?“, fragte er laut, ohne selbst an so was zu glauben. Nacht für Nacht wurde er in seinen Träumen von einer Frau heimgesucht. „Dieser Blick“, schüttelte er sich ab, wie ein nasser Hund. Die Unbekannte machte ihm Angst. Ihr Äußeres, die Art, wie sie ihn ansah, wie sie zu ihm sprach, was sie zu ihm sagte. Am meisten beschäftigte ihn jedoch, dass es nur ein Traum war, vor dem er sich so fürchtete.
Riddick stand auf, streckte den geräderten Körper durch und ging zum Fenster. Steif wie ein Brett, jede einzelne Zelle meines Körpers tut mir weh. Ein Königreich für eine Massage. Er kreiste stöhnend mit den Schultern. Ihm war klar: Solange sich die Situation im Haus nicht beruhigte, brauchte er an Entspannung nicht mal denken.
Er sah aus dem Fenster. Der Himmel war schwarz. Die Sterne versteckten sich hinter den Wolken, nur der Mond schimmerte durch. Ich bekomme sie nicht mehr aus dem Kopf. Seine Gedanken kreisten weiterhin um den Traum herum. Diese smaragdgrünen Augen. Jedes Mal fror ihm bei dem Gedanken daran das Blut in den Adern ein. Dieser Blick, so erschreckend böse und doch so unschuldig. Erfahren, weise und doch naiv, wie eines kleinen Kindes. Voller Lebensfreude und doch so traurig und bedrückt. Ihm lief es jetzt noch kalt den Rücken runter. So vertraut und doch so fremd. Solche Augen hatte er in seinem Leben noch nie gesehen.
Mit der Hand tastete er sich die Wand entlang, bis zum Lichtschalter. Das grelle Licht durchflutete den Raum. Er runzelte die Stirn vor Schmerz und kniff die Augen zusammen. „Was für eine beschissene Nacht.“
Gleich nach dem ersten Todesfall hatte Sevick alle Zusatzaktivitäten verboten. Jetzt waren die Tage noch langweiliger als die Nächte. Keine Sondervorträge und auch kein zusätzlicher Sportunterricht für die Studenten. Sogar auf das Training mit den Männern der Sicherheitsabteilung musste er verzichten. Niemand durfte das Areal verlassen. Der Kontakt mit der Außenwelt war untersagt, alle Telefongespräche wurden überwacht. Die Versorgungslieferungen nahmen ausschließlich Sevicks Leute entgegen.
Wie gerne würde ich jetzt ausgehen. Ordentlich etwas trinken, im Rausch die erstbeste Frau flachlegen und danach einfach weiter saufen. Riddick war kein Alkoholiker. Nur wenn er betrunken war, träumte er nicht.
Er duschte, zog sich an, steckte seine Waffe ein. Man kann nie wissen, dachte sich Riddick, bevor er die Streifen aus Kunststoff, die als Handschellen dienten, in seiner Hosentasche verschwinden ließ. Sein Dienst als Sicherheitskraft begann zwar erst in vier Stunden. Nach diesem Alptraum würde er jedoch kein Auge mehr zubekommen. Ich werde die Überstunden nicht aufschreiben.
Er verließ seine Wohnung und begab sich in die finsteren Gänge des Gebäudes. Warum ist die Nachtbeleuchtung nicht an?, blickte er verwundert nach oben. Die winzigen, rot leuchtenden Pünktchen an den Bewegungsmeldern der Lichtkörper signalisierten Bereitschaft. Riddick hob die Hand und winkte. Einer der Punkte fing daraufhin an, zu blinken. Der Sensor hat seine Bewegung wahrgenommen, aber das Licht ging nicht an. Wieso wurde der Fehler noch nicht behoben?, fragte sich Riddick weiter und suchte in der Dunkelheit nach der Sprechanlage. In der Zentrale müssen sie es doch auf den Monitoren sehen. Über die Sprechanlage wollte er seine Kollegen danach fragen. Aber trotz der angezeigten Funktionstüchtigkeit konnte er seine Männer nicht erreichen. Was ist hier los, was geht hier vor? Er wurde langsam nervös und begab sich zum Stützpunkt.
Riddick kam vor fünf Jahren nach Herroldstat. Nach einem Vorfall musste er seine Heimat Hals über Kopf verlassen. Hier stieß er nach seiner Ankunft zufällig auf einen guten Freund aus der Studienzeit.
Nach dem Verschwinden seiner Schwester und dem Tod seines Vaters übernahm Simon Shadow die Leitung der Connection. Durch den plötzlichen Verlust geschwächt und mit der Firma überfordert, war er froh, seinen besten Freund wieder gefunden zu haben. Simon fragte nicht danach, was Riddick hierher führte. Er nahm ihn mit auf die Insel und bot ihm die leitende Stelle in der Sicherheitsabteilung an. Als promovierter Chemiker übernahm er gerne auch den Lehrerposten von Simons Schwester und machte zusätzlich sein Hobby zum Beruf. In seinen freien Stunden trainierte er freiwillige Studenten im Nahkampf, wenn…
Wenn er nicht gerade in dunklen Gängen über etwas stolperte. „Mist“, kniete er sich nieder. Es war so dunkel, dass er nicht erkennen konnte, ob es sich hierbei um einen Menschen handelte, oder nur etwas dort lag, wo es nichts zu suchen hatte. „Eine Taschenlampe wäre toll.“ Die Stromversorgung dieses Komplexes war am neuesten Stand. Für Notfälle war das Unternehmen mit Notstromaggregaten ausgestattet. In all den Jahren hatte er noch kein einziges Mal das Wort Taschenlampe in den Mund nehmen müssen. Er war sich gar nicht sicher, ob es im Haus so was überhaupt gab.
Riddick fasste dieses Etwas an und spürte Wärme. Er suchte nach dem Hals, versuchte den Puls zu fühlen. Doch es gab keinen mehr. Seiner wurde dafür umso schneller. Die Tatsache, dass der Täter noch in der Nähe sein konnte, ließ sein Herz auf Hochtouren laufen. Vielleicht beobachtet er mich gerade. Er sah sich um. In der Abgeschie¬denheit des Ganges konnte er nichts entdecken. Er bemühte sein Gehör. Aber außer seines lauten Herzschlages hörte er nichts. Er widmete sich wieder der Leiche. Ist es jemand aus der Connection oder wieder ein Arschkriecher von Sevick?
Dieser Mann, Sevick, war Riddick von der ersten Sekunde an unsympathisch. Er und seine Männer tauchten hier vor fünf Monaten aus dem Nichts auf. Sie nisteten sich ein und so wie es aussah, wollten sie noch lange bleiben. Obwohl Simon nach außen weiterhin als Leiter des Unternehmens galt, hatte sonst Sevick bei allem das Sagen. Auf einer spontan organisierten Versammlung legte Simon dem gesamten Personal nahe, Sevicks Anweisungen zu folgen. Aus welchem Grund er und seine Männer gekommen waren und was sie vorhatten, wurde nicht verraten. Simon wirkte seitdem bedrückt und sprach nicht mehr mit Riddick, oder nur sehr selten. Als ob er Angst vor Sevick hätte. Als setzte ihn dieser unter Druck. Jedes Mal, wenn ihn Riddick darauf ansprach, wechselte Simon das Thema, oder verließ wortlos den Raum. Offensichtlich trug Simon ein Geheimnis mit sich herum und Riddick wollte ihn nicht löchern. Schließlich hatte er selber auch etwas zu verbergen.
Währenddessen brütete Sevick Geheimes im Biolabor aus. Gleich, nach dem er und seine Männer aufgekreuzt waren, hatte er einen ganzen Sektor sperren lassen. Nur er und seine Leute durften ihn betreten. Kein Anderer, auch nicht Simon. Was dort drinnen geschah, ob sie eine Biowaffe entwickelten, oder eine Mutation züchteten, konnte Riddick nicht einmal erahnen. Doch dieser Möglichkeiten war er sich bewusst. Denn alles, was dafür von Nöten war, war in diesem Haus vorhanden.
Riddick durchsuchte den Toten. Seine Taschen waren leer. Um seinen Hals ertastete er ein Lederband mit Anhänger und riss ihn runter. „Wenn ich nur etwas erkennen könnte.“ Kaum ausgesprochen, als ob ihn der Himmel erhört hätte, gingen die Wolken auseinander und der Mond schien heller den jäh. „Es ist also wieder einer von Sevicks Ratten.“ Jeder der Männer trug so einen um den Hals. „Dann kann ich mir ja die Wiederbelebung ersparen.“ Jeder der gefunden Toten hatte ein gebrochenes Genick. Riddick ging davon aus, dass es hier auch nichts mehr ausrichten könnte. Er sah den Toten nochmals an. Sevicks Männer sahen sich zum Verwechseln ähnlich. Gleich gekleidet, die gleichen Frisuren. Sie sprachen mit niemandem aus dem Unternehmen, unterhielten sich nur untereinander. Sie schienen nie zu schlafen, arbeiteten Tag und Nacht. Was führen sie im Schilde, was haben sie für Absichten? Riddick schnaufte laut. Grausliches Pack. Erschauerte er vor Ekel.
Ein Geräusch holte ihn aus seinen Gedanken. Vielleicht der Mörder?, schoss ihm durch den Kopf. Sein Puls schnallte erneut in die Höhe. Rasch steckte er den Anhänger ein, nahm die Waffe in die linke Hand und ging langsam, leise und vorsichtig diesem Geräusch nach. Der Mond verschwand hinter der nächsten Wolke und die Gänge hüllten sich sofort wieder in den Mantel der Nacht ein. Er sah die Hand vor Augen nicht. Blind folgte er seinem Gehör.
„Herrlich“, murmelte er verärgert zwischen den Zähnen und schlich ums nächste Eck. Überall herrschte erdrückende Stille. Habe ich mir das nur eingebildet? Spielt mir mein müdes Gehirn einen Streich? Riddick blieb stehen und wollte schon wenden, um endlich in die Sicherheitszentrale zu kommen. Da war es wieder. Dieses Rascheln, ich habe es deutlich gehört. Es war keine Einbildung. Endlich wird es interessant und ich komme diesem Morden auf den Grund. Mit dem Rücken an der Wand näherte er sich dem nächsten Gang und blickte vorsichtig um die Ecke. Am Ende dieses Korridors war es heller. Das Licht kam von den gebrochenen Leuchtstäben. Sie lagen zerstreut auf dem Boden. Er versteckte sich hinter einer Stutzsäule und sah nach oben. In der Ecke unter dem Plafond befand sich eine Überwachungskamera. Wie all die anderen Geräte, war auch diese aktiv. Verdammt, wo sind meine Leute? Sind die blind, oder schlafen sie vor den Monitoren? Und warum reagiert der Computer nicht?
In dieser Festung, elektronisch geschützt durch das neueste Sicherheitssystem, das je erfunden wurde, waren drei fremde Personen eingedrungen. Der Anblick traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Wie um Gottes Willen gelang es ihnen, hier unbemerkt rein zu kommen? Riddick starrte die schwarz gekleideten Männer an. Jeder von ihnen trug eine Kappe und… Sonnenbrillen? Schüttelte er unbewusst den Kopf. Was zum Kuckuck soll das? Im Gebäude ist es so finster, dass man seine eigene Nasenspitze nicht erkennen kann und die tragen Sonnenbrillen? Verwundert drückte er sich noch fester an die Wand hinter der Säule. Bei seiner Gestalt war es gar nicht so leicht. Als ob ein ausgewachsener Tiger in ein Hasenloch kriechen wollte.
Was er sah, fand er unglaublich. Diese drei Eindringlinge, Diebe, Terroristen, Industriespione oder was sie auch sein mochten, hatten es mit sieben Sevicks Männern aufgenommen. Was ist das für eine Kampftechnik? Grübelte Riddick beeindruckt.
Mann gegen Mann. Das war für Riddick nicht nur ein Hobby, sondern eine Lebensphilosophie. Es gab nichts Schöneres für ihn, als sich mit eigener Kraft und Überlegenheit zu beweisen. Anderen zeigen, wo es langging. Die Macht genießen und andere bezwingen. Trotz seines Alters frönte er virtuellen Actionspielen. In seiner Phantasie hielt er sich selber für einen dieser Helden und daher kam auch sein Spitzname – Riddick. Deswegen war er von diesem Geschehen so fasziniert.
Die Bewegungen der Fremden waren anmutend und sahen sehr leicht aus. Er kam aus dem Staunen nicht raus, denn Sevicks Leute schienen mit dieser Kampftechnik auch betraut zu sein. Was geht hier vor? Wer sind diese Drei? Wer sind Sevicks Männer in Wirklichkeit? Wer ist Sevick? Fragen über Fragen zermarterten sein übermüdetes Gehirn. Und plötzlich wurde ihm klar: er hatte hier nichts zu suchen.
Vier Sevicks Männer lagen mittlerweile leblos auf dem kalten Marmorboden. Riddick war sich der Gefahr bewusst, in der er sich befand. Aber er war wie festgewachsen. Er konnte nicht weglaufen und so sah er zu, wie auch den restlichen Drei der Hals umgedreht wurde. Saubere Arbeit. Geräuschlos. Unblutig. Schnell und effizient. Er war kein Gewalttäter und schon gar nicht ein kaltblutiger Mörder. Trotzdem fand er es erregend und das erschreckte ihn. Zuerst der Traum und jetzt das hier. Langsam hab ich das Gefühl, mit mir stimmt etwas nicht.
Riddick versteckte seinen Kopf hinter der Säule. Zu spät. Einer der Fremden bemerkte ihn. Er verabsäumte es, sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Wie wild schlug das kleine Herz in seiner riesigen Brust. Bald könnte ihn das gleiche Schicksal ereilen, wie Sevicks Männer.
Einer der Fremden kam langsam auf ihn zu. Sich weiterhin verstecken machte keinen Sinn mehr. Mutig stieg er aus dem Schatten der Säule hervor. Er atmete tief durch, um sich zu beruhigen, damit ihn sein eigener Herzschlag nicht in den Wahnsinn trieb. Währendessen überlegte er verbissen, was er tun sollte. „Lauf, lauf weg! Rette dich!“, riet ihm das Gehirn. Aber seine Beine müssen in dem Marmorboden Wurzeln geschlagen haben, denn sie folgten der Aufforderung nicht. Er sah die Waffe an, die er verkrampft in seiner linken Hand hielt.
Der kleinste und schmächtigste von den Eindringlingen schritt auf seinen Komplizen zu. Er legte ihm die Hand auf die Schulter. Ohne den Blick von Riddick abzuwenden, sprach er zu seinem Partner: „No samine. Me aruminate Sevick.“ Was ist das für eine Sprache? Viele Sprachen der vergangenen Kulturen gerieten in den letzten zwei Jahrhunderten in Vergessenheit, oder gingen mit ihren Völkern bei den Kriegen oder Katastrophen unter. Die Wichtigsten von heute beherrschte er perfekt. Diese Sprache war ihm vollkommen unbekannt. Ich liege bestimmt in meinem Bett und wache jeden Augenblick auf. Er wollte sich schon in den Arm zwicken, da meldete sich der Größere zum Wort: „Se mariban.“ Er deutete auf die Waffe, die Riddick fest mit seinen Fingern umklammerte. Soll ich schießen? Sofort vertrieb er den Gedanken. Er würde höchstens einen von ihnen erledigen.
Dieses Gerät arbeitete auf dem Prinzip der elektrischen Entladung. Es hatte keine Widerhaken, die sich in der Kleidung des Gegners verfingen. Auch die Drähte, die früher den Strom leiteten, waren heutzutage überflüssig. Wie vom Blitz getroffen, lähmte der elektrische Impuls das Nervensystem des Getroffenen. Nach Stärke der Einstellung bescherte der Treffer einen lähmenden Krampf, oder führte zur stundenlangen Bewusstlosigkeit. Nicht zum Tod. Ein Nachteil dieser Waffe war die länge der Zeit, die sie zum Nachladen brauchte. Zeit, die Riddick nicht hatte. Kostbare Sekunden, in denen ihn die Anderen in seine Einzelteile zerlegen würden.
„No samine“, ermahne der Zierliche nochmals seinen Partner und stellte sich dazwischen, als wollte er Riddick mit seinem schmalen Körper Schutz bieten. „Une lumine amato“, schickte er seine Komplizen fort. Diese verbeugten sich vor ihm und verschwanden wortlos in der Dunkelheit. Er muss der Anführer sein, kombinierte Riddick. Warum haben sie mich nicht umgebracht? Zu dritt hätten sie ein leichtes Spiel. Dem nach, was er gesehen hatte, war er ihnen trotz seiner Größe, Kraft und Können weit unterlegen. Warum flüchtet er nicht gemeinsam mit ihnen? Warum?... Warum? Da leuchtete es ihm ein. Er will mich ablenken. So lange beschäftigen, bis die Zwei in Sicherheit sind. Er stellt sein Leben in Gefahr, damit sie Zeit haben, zu flüchten. So eine noble Geste war Riddick fremd. Für ihn und seine Männer galt in solchen Situationen: keine Heldentaten.
Nun waren sie alleine. Er und der Fremde. Riddick, ein zweimetriger Felsen. An seinen starken Schultern hingen Oberarme wie Baustämme. Mit einer einfachen Handbewegung würde er ihn zerquetschen wie einen Käfer.
Ist er verrückt? Er kann sich doch nicht alleine mit mir anlegen wollen? Riddick musterte den Unbekannten. Sein Gegner war wesentlich kleiner als er. Diese zerbrechliche Gestalt würde er mit einem kräftigen Atemzug umpusten. Doch auch bei einem solchen Gedanken war ihm nicht zum Lachen zumute. Der Mann richtete ihm die leeren Handflächen entgegen. „Ja ne mariban.“ Soll wohl bedeuten, er ist unbewaffnet. Deutete Riddick die Geste. Ist diesem Idioten bewusst, dass er so gut wie erledigt ist? Riddick war überzeugt, jetzt ein leichtes Spiel zu haben. Trotzdem wollte er sich von seiner Waffe nicht trennen. Solch einen Vorteil dazu nutzen, um einen Unbewaffneten zu besiegen, hielt er für feige. Sie haben mich auch nicht kaltgemacht, als sie noch in der Überzahl waren. Riddick war überzeugt, der Andere hätte ihn getötet, wäre dieser Mann nicht dazwischen gegangen. Aber warum? Was sagte er zu den anderen? Warum läuft er jetzt nicht davon? Sieht er denn nicht ein, dass er im Kampf mit mir keine Chance hat? Riddicks Kopf war voll mit Fragen, auf die ihm die passenden Antworten fehlten.
„Wer bist du?“, fragte er nach. Der Fremde antwortete nicht. Sie gingen auf sich zu, bis auf eine kleine Distanz. Riddick hielt immer noch seine Waffe fest in der Hand. Der Unbekannte streckte ihm nochmals seine leeren Handflächen entgegen. Da fiel Riddick der Blick des Mannes auf. Das flackernde Licht der Leuchtstäbe war zwar schwach und die Gläser der Sonnenbrille zu dunkel. Trotzdem war sich Riddick sicher. Nicht ihn fixierte er die ganze Zeit, sondern die Mündung seiner Waffe. Kennt er das Gerät nicht? Es ist doch das meist verkaufte Teil auf der Welt.
Schwarzpulverwaffen waren weltweit verboten. Nach der großen Katastrophe vor 200 Jahren blieben zu wenige Menschen übrig, um sich damit zu bekämpfen. In diesem einen Punkt waren sich alle Regierungen einig. Die alten Waffen wurden eingezogen, sämtliche Bestände der Rüstungsindustrie vernichtet. Nichts wurde mit einer höheren Strafe geahndet, als der Besitz einer solchen Schusswaffe. Außer Mord und jedwedes Vergehen an Kindern.
Der Fremde starrte den Impulssender an. Er wird doch nicht denken, dem Blitz ausweichen zu können? So schnell und so vorausschauend ist niemand. Riddich bekam ein drittes Mal die leeren Hände präsentiert. „Rede mit mir, oder verstehst du mich nicht?“ Der Unbekannte flüsterte leise: „No samine ty, aruminate...“ „Sevick“, unterbrach ihn Riddick. „Ja, das habe ich schon gehört“, murmelte er grimmig. „Ich bin keiner von seinen Leuten.“ So ist es also, sie sind also nur hinter Sevick her. Er fühlte sich erleichtert. Nein, er war richtig froh. Wenn die so weiter machen, bleibt nach einigen Tagen von Sevicks Bagage niemand mehr übrig und alles wird wieder wie früher. Ein Teil von Riddick wollte ihm die Hand schütteln und ihn dankend zum Ausgang begleiten, aber…
Es bedrückte ihn zugleich. Ich sollte wirklich nicht hier sein. Verzwickte Situation. Es missfiel ihm, zwischen den Fronten zu stehen. „Wenn es nach mir ginge, würde ich Sevick sogar festhalten, damit du ihm den Hals umdrehen kannst.“ Riddick verstummte kurz. Der Fremde schien sich von seinen Worten nicht beeindrucken zu lassen. „Meine Position in diesem Haus erlaubt es mir nicht, dich einfach so gehen lassen.“ Riddick war für die Sicherheit aller verantwortlich und hatte seine Vorschriften. Auch wenn sie ihm momentan zu wider waren. Und so gehörte es zu seinen Pflichten auch Sevick zu schützen, egal wie sehr er ihm den Tod wünschte.
Mit etwas Glück und der Hilfe des Fremden könnte sein Wunsch jedoch in Erfüllung gehen. Seinem Gewissen zuliebe traf Riddick eine folgenschwere Entscheidung. „Ich biete dir einen fairen Kampf an.“ Ich komme mir vor, wie in einem schlechten Film. Versteht er mich überhaupt? Riddick bezweifelte es. Aber er stand zu seinem Wort und warf seine Waffe weg. Die Pistole verschwand in der Dunkelheit. Er zeigte ihm seine leeren Hände. Jetzt war auch er unbewaffnet.
Sie starrten sich gegenseitig an. Wer macht wohl den Anfang? Riddick verfluchte seinen rothaarigen Alptraum und auch seine Neugier und wünschte sich, er wäre im Bett geblieben. Trotz der Sonnenbrille konnte er den Blick seines Gegners genau spüren. Aufgeregt taxierte er den zierlichen Mann, der vor ihm stand. Krampfhaft suchte er nach einer Regung des bewegungslosen Körpers. Atmet er? Nicht mal dessen Brust hob sich. Auf Riddicks kahl rasierten Kopf glänzten in dem flackernden Licht der Leuchtstäbe die ersten Schweißperlen. So aufgeregt war er schon lange nicht mehr.
Er wagte den ersten Schritt. Lange genug hatte er seine Beute beobachtet. Wie eine Raubkatze sprang er seinen Gegner an. Doch er sprang ins Leere. So schwach der Mann auch aussah, er war flink. Riddick ließ sich nicht entmutigen. Anfängerglück. Er griff erneut an. Blitzschnell warf sich der Unbekannte auf den Boden und rollte zur Seite. Dann trat er mit beiden Beinen kräftig gegen Riddicks Knöchel. Die Gestalt eines Mädchens, aber treten tut er, wie ein ausgewachsener Kerl. Riddick kam ins Straucheln und stieß mit der Schulter gegen die Büste, die auf einem Podest stand. Sie fiel vom Sockel und schlug auf dem Marmorboden auf. Man mag uns vielleicht nicht sehen, aber das hätte auch ein Tauber gehört. Sie werden uns bald finden. Riddicks Anspannung verflüchtigte sich augenblicklich. Ab jetzt bestimmte er nicht mehr alleine über das Schicksal des Eindringlings. Sein Gewissen fand endlich Ruhe.
Der Gegner stieß sich mit den Armen vom Boden ab und sprang auf die Beine. Riddick streckte ihm wieder seine Faust entgegen. Dieses Mal stoppte er seinen Angriff mit der rechten Hand. Riddick kam es vor, als ob er gegen eine unsichtbare Mauer geschlagen hätte. Ist dieses smarte Wesen aus Fleisch und Blut, oder ist es eine Maschine? Ich sitze hier an der Quelle und hab es zum Schluss doch noch verpasst? Kann die künstliche Intelligenz den Menschen bereits so perfekt imitieren? Verunsichert durch diesen Gedanken griff er dem Fremden ins Gesicht und riss ihm die Brille runter. Braune Augen. Menschliche Augen. Der eigenartige Blick des Gegners irritierte Riddick noch mehr.
Durch die weiten Gänge hallten die ersten Schritte. Der Fremde nutzte das kurze Zaudern des Sicherheitsmannes und schlug ihm mit der flachen Hand gegen die Brust. Der Hieb erinnerte Riddick an einen Reitunfall. Ein scheuendes Pferd rannte ihn vor Jahren nieder. Die Wucht schob ihn nach hinten. Sein Gegner breitete die Arme aus, als wären es Flügel. Er stieß sich mit dem linken Fuß ab und sprang hoch. Riddick sah ihm apathisch zu und bemerkte erst viel zu spät, wie gefährlich nahe ihm sein Fuß kam. Da wurde er auch schon am Unterkiefern getroffen. Der kräftige Tritt druckte ihn endgültig gegen die Wand. Er schlug mit dem Kopf auf, rutschte benommen runter.
Sanft wie eine Katze landete der Fremde auf dem Boden. Schnell kam er zu Riddick und kniete sich über ihn. Er beugte sich vor und fühlte seinen Puls. Der kräftige Sicherheitsmann lag benommen auf den kalten Steinplatten. Er nahm die Brille aus Riddicks Hand und setzte sie sich wieder auf. Die Nachtbeleuchtung ging an, in den Gängen wurde es hell. Laute Schritte hallten durch die nächtlichen Gänge. Die Sicherheitsmänner waren schon ganz nah.
Riddick kam zu sich. Der Schreck fuhr durch ihn durch, wie ein Blitz, als er den Fremden über sich erblickte. Ich Idiot. Nur weil er nichts in den Händen hält, muss er noch lange nicht unbewaffnet sein. Er wird ein Messer eingesteckt haben und ersticht mich noch, bevor ich einen Laut von mir geben kann. Riddick verabschiedete sich langsam von seinem Leben, zutiefst bedauernd, seine Waffe aufgegeben zu haben. Der Mann beugte sich zu ihm runter. Brust an Brust flüsterte er ihm ins Ohr: „Ja lue no samine te, Cèsar Encore.“ Danach stand er auf, drehte sich von Riddick weg, nahm Anlauf und sprang hoch. Er hielt sich an der Kannte eines offenen Lüftungsschachtes in der Decke fest. Im Eifer des Gefechtes hatte Riddick das Loch nicht bemerkt. Er schaukelte kurz hin und her und zog sich dann mit den Füßen voran in den Schacht hinein. Bevor die Männer auch nur einen Schuss abgeben konnten, war er verschwunden.
Als hätte eine Maus einen Elefanten besiegt – wie demütigend. Riddick rappelte sich mühsam hoch und setzte sich langsam auf. Er blutete am Hinterkopf.
Ein Sicherheitsmann von der Nachtschicht wollte dem Fremden in den Lüftungsschacht folgen. Er kam nicht an die Öffnung rann, brauchte Hilfe. Wie beschämend, sah ihm Riddick zu und ließ sich von den Anderen auf die Beine helfen. „Wo seid ihr die ganze Zeit gewesen? An jeder Ecke hängt eine Kamera! Ihr müsst uns doch gesehen haben?!“ Brüllte er seine Leute an. „Die komplette Anlage war ausgefallen. Wir konnten sie erst vor einigen Minuten hochfahren. Ich weiß auch nicht, wie das möglich ist. Nicht einmal die Außensensoren haben etwas angezeigt. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich an Sabotage denken.“ Schmetterte der Mitarbeiter Riddicks Vorwürfe ab.
Mittlerweile waren auch Simon und Sevick angekommen. „Was war hier los?“ Während sich Simon die Schleife um den Morgenmantel festzog, fasste Riddick kurz die Ereignisse zusammen. „Können Sie die Männer beschreiben?“, mischte sich Sevick ein. Seinen toten Männern schenkte er keine Beachtung. „Nichts Auffälliges“, schüttelte Riddick den Kopf, „alle waren schwarz gekleidet, trugen Kappen und Sonnenbrillen. Ihre Sprache habe ich nicht verstanden.“ Simon wurde plötzlich blass im Gesicht. „Wie klang die Sprache, können Sie sich an irgendein Wort erinnern?“, drängte Sevick weiter. Simon starrte Riddick an, als ob er ihn beschwören wollte, nichts zu verraten. Riddick entschied sich zu lügen. „Bei bestem Willen, ich weiß es nicht mehr“, deutete er dabei auf die blutende Wunde an seinem Kopf. „Gehen Sie zum Arzt und falls Ihnen noch etwas einfällt, kommen Sie sofort zu mir.“ Sevick drehte sich um und bemerkte Simons fahles Gesicht. „Verschweigst du mir etwas?“ Simon erzitterte. „Nein, Raphael. Du kannst mir glauben. Ich weiß genau so wenig, wie du.“ Sevick starrte ihn eine Weile an, als wollte er seine Gedanken lesen und drehte sich anschließend zu Riddicks Männern. „Teilt euch auf und durchkämmt das Gebäude. Er muss hier noch irgendwo sein.“ Aus dem Lüftungsschacht kroch der Sicherheitsmann raus. Alle hofften auf gute Neuigkeiten. „Keine Spur, wie vom Erdboden verschluckt.“ Er sprang runter. „Sucht weiter!“, schrie Sevick erzürnt, schnippte mit den Fingern und ging fort. Seine Männer schufen die Leichen weg.
Achtzehn Opfer gab es bereits zu beklagen, sieben Männer hatte er noch übrig.
Und wieder wurde die Garde nicht gerufen.
Warum, warum meldet er das nicht?, rätselte Riddick. Was hat er zu verbergen, dass er gegen die systematische Liquidation seiner eigenen Leute nichts unternimmt? Wohin lässt er die Leichen bringen? Er kann sie doch nicht einfach so verschwinden lassen? Schließlich können sich tote Körper nicht in Luft auflösen. Sevick war für ihn ein Buch mit sieben Siegeln. Er sah ihn öfters nachts bei seinen Rundgängen in einem der verglasten Büros sitzen. Er kniete im Kerzenlicht und betete. Doch seine unheimliche Art ließ Riddick vermuten, dass es nicht der Gott war, zu dem er aufsah. Sondern der Teufel, den er beschwor.
Nach der erfolglosen Suche schickte Riddick die Männer von der Nachtschicht fort. Danach nahm er den zitternden Simon an den Schultern und schüttelte ihn. „Was geht hier vor, verrate es mir!“ Blickte er ihm dabei ins Gesicht. Statt einer Antwort auf seine Fragen begegnete er in seinen Augen bodenloser Angst. Sein ganzer Körper schauerte. „Wovor fürchtest du dich so sehr?“, fragte er weiter. Simon starrte ihn nur an, sprach dabei kein einziges Wort. „Ich bin es, dein Freund, vertrau dich mir an! Lass dir helfen!“ Simon schüttelte nur den Kopf und versuchte ihn von sich wegdrü¬cken. Riddick wartete noch einen Moment und gab letztendlich auf. Er ließ von ihm ab, ging einige Schritte. Dann drehte er sich um. „Solltest du es dir anders überlegen, ich bin für dich da. Jederzeit.“ Aber Simon schwieg weiter und so ließ er ihn alleine. Kaum war er im nächsten Gang verschwunden, rutschte Simon auf die Knie und fing an zu weinen. Er konnte nicht mehr. Er wollte nicht mehr. Seine Kraft war erschöpft. So gern würde er Riddick erzählen, was ihn seit Monaten quälte, was ihn so erbeben ließ, würde ihn um Hilfe bitten. Aber er konnte nicht, durfte nicht. Er war ein Gefangener der eigenen Angst.
Riddick begab sich in seine Wohnung. Während er alleine durch die ruhigen Gänge streifte, meldete sich der Schmerz zurück. Die Wunde an seinem Kopf pochte, als würde man auf eine Trommel schlagen.
Worum ging’s? Was war geschehen? Wer war dieser Mensch mit den tiefen, dunkelbraunen Augen? Woher nahm dieser Haufen von Nichts solche Kraft? Er atmete tief durch. Je mehr er über die letzten Stunden nachdachte, umso unerträglicher wurde das Pochen. Woher kannte der Fremde meinen richtigen Namen? Außer Simon weiß in diesem Haus niemand, wie ich in Wirklichkeit heiße. Nicht einmal in den Personalunterlagen scheint es auf. Er schüttelte den Kopf, als wollte er den Schmerz und die Gedanken abschütteln. Verdammt auch! Waren das etwa Weiberbrüste, die mich da vorhin berührten?
Texte: Copyright by Zoe Zander
Cover by JAA-Energiebilder (www.jaa.at)
Tag der Veröffentlichung: 20.06.2011
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