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Ein Abschiedsbrief

23. März 1991

Hallo Vater und Mutter,

es tut mir Leid, dass ich mich die letzten Wochen nicht mehr gemeldet habe. Ich schaffe das aber nicht mit euch in meinem Leben. Ich bin jetzt 19 Jahre und ich will mein Leben so leben wie ich es möchte, das heißt auch dass ich meine eigenen Entscheidungen treffe und mir von euch nicht vorschreiben lasse was ich zu tun habe und was nicht. Ich bin mir bewusst, dass ich Probleme habe und werde versuchen meinen eigenen Weg zu finden. Ich werde mir mit Fabrizio die Welt ansehen, reisen und mir etwas eigenes Aufbauen, auf euer Geld bin ich nicht angewiesen. Das war ich noch nie. Ihr glaubt garnicht wie
leicht es als hübsches brünettes Mädchen mit rehbraunen Augen ist an Geld zu kommen. Zum Glück habe ich dein Aussehen geerbt, Mutter. Ich sage euch gleich, sucht mich nicht. Ihr werdet mich sowieso nicht finden. Ich werde heute noch das Land verlassen denn Fabrizio möchte in den Süden und sich dort sein Geschäft neu aufbauen. Ich habe versprochen, ihm dabei zu helfen. Ich kenne eure Meinung zu dem Thema, aber ich nehme das Zeug ja nicht selber, ich bringe es nur unter die Leute. Nehmt das als mein Abschiedsgeschenk an euch. Ihr könnt damit machen was ihr wollt, für mich hat es keinen Wert. Ihr könnt es auch wem anderes weitergeben falls es euch nicht gefällt. Wie gesagt, ich habe keine Verwendung mehr dafür. Fabrizio weiß nicht, dass ich euch diese Zeilen schreibe. Ebenso wenig, dass ich euch die Sachen zurückbringe und auch das andere Ding dazulege. Er ist der Meinung ich bringe alles zur Wohlfahrt. Ganz gelogen ist das wenigstens nicht, ihr habt euch ja auch immer sehr wohltätig engagiert, zumindest habt ihr gerne so getan.

Wie du immer sagst Vater, man sieht sich zweimal im Leben, vielleicht treffen wir uns tatsächlich wieder einmal irgendwann und ihr seid dann stolz auf mich und auf das was ich mir dann Aufgebaut haben werde.

In der Hoffnung, dass ihr wohlauf seid,
Patricia

 

Patricia legte den Karton auf die Türschwelle, klebte den Zettel darauf und läutete an der Tür. Bevor jedoch noch das Licht anging sprang sie zurück in den Wagen und verließ eilig die Auffahrt vor dem imposant aussehenden Haus. Sie fühlte sich endlich frei um mit der Liebe ihres Lebens dort hinzugehen wo immer er hin wollte. Ein kleiner Teil in ihr schmerzte zwar, aber sie ignorierte es und freute sich auf die vielen Abenteuer die jetzt auf sie und Fabrizio warteten.

In dem Haus von dem Patricia davonfuhr, ging indes Licht im oberen Stockwerk an und jemand ging langsam die Treppe ins Erdgeschoss hinunter. „Moment, ich komme ja schon. Was ist das überhaupt für eine unchristliche Zeit! Ich hoffe es ist wichtig!“ rief eine Männerstimme. Als der Mann bei der Eingangstüre angekommen war und öffnete, war niemand mehr weit und breit zu sehen. Er entdeckte stattdessen einen mittelgroßen Karton an dessen Lasche ein Stück Papier klebte sowie eine Ecke wollartigen Stoffes, der aus dem Karton oben herausragte.

Massimo

Massimo öffnete langsam seine Augen. Er lag in seinem grau-weiß bezogenen Bett und kämpfte sichtlich damit seine Lider offen zu halten und sich nicht der bittersüßen Melancholie hinzugeben. In seinem Kopf toben schon wieder diese Gedanken. „Wieder einer dieser grauen Tage. Er reiht sich an die anderen und bildet mit ihnen gemeinsam etwas wie einen endlos langen Schal der sich durch mein Leben zieht. Nicht nur durch mein Leben, nein er beeinflusst auch meine Taten, meine Wahrnehmung. Ich sehe aus dem Fenster, schon wieder Regen. Ich denke voller Wehmut an die wenigen bunten Szenen zurück welche diese Filmrolle mit grauen Bildern ab und an glänzen lassen. Ist das alles im Leben? Was macht das Leben eigentlich bedeutsam? Sind es viele Freunde auf Facebook? Viele Follower auf Instagram? Viele Likes? Ich finde sowieso wieder einmal mehr keine Antwort auf die Frage.“ Er hörte ganz entfernt einen Hund bellen und erinnerte sich wie er sich als Kind gefühlt hat wenn er mit dem Hund seiner Großeltern gespielt hat. Da war die Welt noch in Ordnung, da hatte er zumindest die Illusion geliebt zu werden. Sein innerer Monolog ging erneut los: „Was ist diese Liebe eigentlich? Was bewirkt sie? Was definiert sie? Alles in allem ist es unerheblich, in meinem Kopf finde ich dazu sowieso keine Antworten auf diese Fragen. Wären diese Antworten dort, hätte ich sie bereits gefunden.“, lautete sein innerer Monolog. Langsam, sehr sehr langsam, begann er die Decke wegzuschlagen und sich mit dem Gedanken anzufreunden seinen Fuß aus dem Bett auf den harten und kalten Fußboden zu stellen. Während er nach rechts sieht und die Gitterstäbe am Fenster wahrnimmt wird es ihm wieder bewusst. Er ist gefangen. Gefangen im eigentlichen Sinne und gefangen in seiner scheußlichen grauen Welt. „Wieso bin ich nochmal hier? Was hab ich eigentlich getan?“ Nichts als unbeantwortete Fragen in seinem Kopf.


Na? Hast du wiedermal einen Anflug von Amnesie?“ höhnte es von oben. Sein ‚Zimmergenosse‘ Paul sah hämisch grinsend auf ihn herab. „Was willst du...“ fragte Massimo den ‚Jungen‘ mit pechschwarzen Haaren. „Mich an deinem Leid erfreuen, was sonnst? Dumme Frage.“ entgegnete Paul ihm. Massimo bemerkte wie er immer mehr erstarrt, wie die Wut in ihm hochkommt. Es kochte förmlich in ihm. Sein Magen krampfte sich zusammen und seine Finger ballten sich zu Fäusten. Blitzschnell sprang er aus der sitzenden Position von seinem Bett hoch und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Sein Gesicht nur wenige Millimeter von Pauls entfernt. Er sah ihn eiskalt und durchdringend an. „Ich hab dir schon einmal gesagt, spar dir deinen Sarkasmus. Ich kann auch anders. Und nochmal sag ich es dir nicht, das nächste mal so eine Ansage und du wirst meine Wut zu spüren bekommen.“ presste Massimo durch seine Lippen. Paul jedoch wirkte unbeeindruckt. Er sah Massimo mit seinem üblich gelangweilten Dackelblick an und wich keinen Zentimeter vor ihm zurück. „Ach komm schon, ich weiß, dass du mir nichts tun würdest, du magst mich einfach zu sehr. Außerdem wäre dir langweilig wenn du mich nicht hier hättest.“ spottete Paul, grinste, und lehnte sich auf seiner Matratze zurück.


Massimo hasste Paul, er war ein gut aussehender junger Mann, dunkle Haare, braune Augen, leichter Bartwuchs, einen Kopf kleiner als Massimo und hatte leichte Ansätze von Muskeln. Paul war der Inbegriff dessen wie Massimo immer aussehen wollte. Massimo war hingegen normal groß und ‚durchschnittlich‘ wie man so schön sagt. Undefinierbare Haarfarbe, undefinierbare Augenfarbe, auffallend unauffälliges Gesicht. „Warum sollte mir ohne DIR langweilig sein?“ spuckte Massimo die Worte heraus. „Nun, erstens weil es deine Wut ist, die dich immer wieder aus deiner Depression reißt und ich derjenige bin, der sie mit nur wenigen Worten heraufbeschwören kann. Und zweitens, weil es doch sehr viel ‚langweiliger‘ im ‚Süden‘ wäre.“. Beim zweiten Teil setzte Paul ein leichtes Grinsen auf und zog dabei seine Augenbraue nach oben. „Halt deine scheiß Fresse du abartige Schwuchtel!“ schrie Massimo ihn an. Er ertrug es nicht, wenn Paul diesen Gesichtsausdruck aufsetzte. „Ich… ich wollte… ich habe dich nie um irgendwas gebeten oder dir zu verstehen gegeben, dass ich sexuelles Interesse an dir hätte! Du hast einfach während ich geschlafen habe beschlossen mich zu vergewaltigen!“ fuhr Massimo ihn an. Paul wirkte gelangweilt und gähnte. „Nun, solltest du wirklich ‚geschlafen‘ haben, frage ich mich wieso du dann andauernd gestöhnt hast ich solle weiter machen. Aber ehrlich, ich bin es langsam leid mit dir darüber zu streiten. Du willst es dir nicht eingestehen. Schön. Deine Körpersprache hingegen, spricht dennoch Bände.“, erwiderte Paul.


Massimo wandt' sich ab und setzte sich auf seinem Bett direkt unter Paul hin. „Meine Körpersprache… Welche Körpersprache? Natürlich reagiert mein Körper wenn jemand an mir 'herumspielt'. Vollidiot. Wenn ich schlafe weiß ich ja nicht wer an mir herumfummelt. Die physische Reaktion kann ich nicht beeinflussen.“ sagte Massimo in einem ziemlich provokativem Ton und ergänzte „in meinem Traum kam eine heiße Blondine vor. Ich bin mal mit ihr zur Schule gegangen und habe mir vorgestellt wie sie jetzt wohl aussehen mag. Ich kann mich genau an diesen Traum erinnern.“. Paul sprang von seinem Bett herunter und landete so, dass er Massimo sein Hinterteil genau in dessen Augenhöhe präsentierte. Er ging langsam zum Waschbecken, welches gegenüber des Stockbettes an der Wand montiert war und begann damit seine Blase zu entleeren. Massimo sah Paul angewidert dabei zu und räusperte sich deutlich hörbar. „Probleme?“ fragte Paul ohne sich dabei umzudrehen. „Du bist eine Drecksau. Das ist mein Problem.“ erwiderte Massimo und drehte seinen Kopf demonstrativ in Richtung des Fenster.


In Massimos Kopf hallten Pauls Worte immer und immer wieder. Er soll es genoßen haben, seine Körpersprache, bla bla bla. Alles Unsinn. „Hey, wie siehts aus, magst du mir vielleicht beim saubermachen helfen? Darfst dir sogar aussuchen ob du es mit dem Mund oder mit deinen Händen machst.“ flüsterte Paul unüberhörbar laut während er seinen Penis wieder in die Hose zurücksteckte. Massimo hingegen tat so als ob er es schlicht überhört hatte während er sich gedankenverloren in seine eigene Welt zurückzog. Die Stimmen in seinem Kopf begannen wieder an ihm zu nagen. Konnte es sein, dass er es wirklich ‚mochte‘? Wäre es möglich, dass er es wirklich nur verdrängte? Massimo‘s Augen wurden feucht während er darüber nachdachte wieso er überhaupt hier saß.


Es war damals in dieser Disco wo er mit seinen sogenannten Freunden war. Da war dieser Typ der ihn andauernd anstarrte und schüchtern anlächelte. Er versuchte es ja zu ignorieren, er hat sogar demonstrativ mit einer Frau gesprochen, dennoch hat der Typ es nicht aufgegeben, nein er ist sogar rüber gekommen zu ihm und hat ihn angesprochen und gefragt ob er was trinken wolle während er mit seinem Handrücken zufällig über seinen Schritt gestreift hat. Hätte Thomas das nicht bemerkt wäre alles anders verlaufen. Aber nein, Thomas, dieser Vollidiot musste natürlich die ganze Gruppe sofort darauf aufmerksam machen, dass Massimo grade von ner Schwuchtel abgegraben wird. Es hatte keine 2 Sekunden gedauert bis alle von seinen Freunden bei ihm Standen und den Typen anpöbelten. Massimo war es unangenehm, unangenehm einerseits, dass er solche Proleten als Freunde hatte und andererseits, dass der Typ ihn offensichtlich ‚scharf‘ fand. Das hieß, dass Massimo nicht männlich genug wirkte, sonst wäre ein Schwuler ja überhaupt nicht auf ihn Aufmerksam geworden. Er versuchte seine Leute zu irgendwie dazu zu bringen zu gehen. Keiner hörte ihm wirklich zu. Thomas stieß währenddessen den jungen Typen an der Schulter weg und wollte ihn offensichtlich provozieren. Nie hörte man ihm zu wenn er was zu sagen hatte. NIE. Keiner nahm ihn wahr. Der junge Mann sah Massimo direkt in die Augen und sagte unbeeindruckt von Thomas‘ Angriff, dass er nicht verstehe wieso ein so gut aussehender und selbstbewusster Mann mit solchen Idioten abhängt. Er könne bessere Freunde haben wenn er wolle. Massimo fasste dies sofort als Angriff seiner Person gegenüber auf.


Klar waren seine ‚Freunde‘ nicht die hellsten Birnen am Luster, dennoch waren sie für ihn da. Mehr oder weniger. Eher weniger, aber dennoch waren sie bereit und gingen mit ihm fort und lenkten ihn ab wenn es ihm schlecht ging. In Massimo stieg die Wut. Er griff nach einem Bierkrug der am Tresen stand und schlug der Schwuchtel direkt auf den Kopf. „Du weißt überhaupt nichts über mich! Was willst du? Stellst du dir vor wie ich deinen Schwanz lutsche? Oder du meinen? Stellst du dir vor wie ich dich küsse?“ er schlug erneut zu. „Das würde dir gefallen? Oder soll ich dich doch hart in den Arsch ficken? Drecks Tunte!“ Massimo wusste nicht warum er das tat, der Mann hatte ihm überhaupt nichts getan, er hatte ihm nur ein Getränk angeboten. Aber er konnte sich nicht bremsen. Wenn er in diesem Zustand der Wut war konnte nichts ihn bremsen, keine Logik, keine Vernunft. Nur Hass. Massimo holte mit dem Bierkrug in der Hand nochmals aus und traf den Mann direkt auf der Schläfe worauf hin dieser nach links taumelte und mit dem Kopf auf die Kante des Tresens schlug. Danach klappte er zusammen und fiel reglos zu Boden. Blut sickerte langsam aus den Wunden an seinem Kopf. Thomas und die anderen grölten vor Freude. Thomas spuckte auf den Mann und spottete, dass er jetzt genau da sei wo er hingehöre, am Boden zu seinen Füßen. Massimo war wie gelähmt. Es fühlte sich alles so surreal an. Als würde er einen Film betrachten, dessen Handlung fernab von ihm spielte. Die Türsteher stürmten währenddessen herein, schlugen ihm den Bierkrug aus der Hand und warfen Massimo zu Boden. Er wehrte sich nicht einmal. Er ließ es geschehen. Nichtmal als die Polizei eintraf versuchte er sich zu verteidigen oder zu wehren. Thomas sprach mit einem der Beamten. Er erzählte ihm irgend eine Geschichte, dass Massimo ein psychisches Problem habe und der tote Typ ihn angepöbelt haben soll. Tot? Hat er tot gesagt? Hat er, Massimo, jemanden getötet? Nein, das kann nicht sein. Es war schon merkwürdig, zugegeben, dieser eine Sanitäter der den Mann untersuchte, hatte Tränen in den Augen als er etwas zu seinem Kollegen sagte. Aber dennoch, er ist kein Mörder. Mörder haben schwarze Handschuhe an und Waffen. Mörder erschießen Menschen. Er ist kein Mörder.


Das nächste woran er sich danach erinnern konnte war, dass die Sanitäter eine Decke über den Körper des Mannes gelegt haben während die Beamten ihn mit Handschellen ins Polizeiauto verfrachteten. Die verachtenden Blicke dieses einen Sanitäters begleiteten ihn und brannten wie Feuer. Dann nahm die Justiz ihren Lauf. Er wurde vor Gericht gestellt und verurteilt. Er sei gefährlich, psychisch krank, unberechenbar, meinte die Staatsanwältin. Von seinen angeblichen Freunden saß niemand im Gerichtssaal, nichtmal Thomas. Der Sanitäter war jedoch anwesend. Er saß in einer der hinteren Reihen und ließ Massimo nicht aus den Augen. Massimo sah ihm einmal kurz in die Augen, es wirkte als hätte er sehr viel geweint und sehr wenig Schlaf die letzte Zeit über bekommen. Warum weinte er? War das vielleicht ein Freund dieses Mannes? Kannte er ihn? War er sein Bruder? Die Fragen in Massimos Kopf stiegen wieder an aber er wollte sich nicht damit beschäftigen. Er wollte gar nicht erst darüber nachdenken. Er verstand ‚Gefühle‘ und alles was damit zu tun hatte sowieso nicht. Das hat er noch nie. Er hatte Angst davor. Das einzige Gefühl welches er einigermaßen verstand und kannte war Wut. Wut war pure Energie, roh, ungebändigt. Wie Feuer. Er liebte Feuer, es war beruhigend, es war vernichtend, es war der Inbegriff von Kraft. Kraft die er irgendwie auf eine seltsame Art auch in sich spürte aber nicht wusste was er damit machen sollte oder wie er sie nutzen konnte.


Klatsch. Massimo schreckte hoch. Paul stand vor ihm und hatte ihm eine Ohrfeige gegeben die ihn aus seinen Gedanken riss. „Spinnst du?“ fauchte Massimo. „Sorry Alter, aber du warst schon wieder abwesend.“ entgegnete Paul grinsend. „Ich war nicht abwesend, ich habe nachgedacht. Das machen Menschen mit Intelligenz, sie DENKEN. Aber das kennst du vermutlich nicht. Du kennst nur deine Triebe und Instinkte denen du dich einfach hingibst.“ fuhr Massimo zurück. Paul sah ihn hasserfüllt an und hob langsam die Hand. „Für die meisten Menschen, außer für dich, ist es normal sich den Gefühlen, Trieben und Instinkten hinzugeben und im HIER und JETZT zu leben, du Spasst.“ fauchte Paul zurück und schlug halb fest, halb im Spaß auf Massimo‘s Oberarm der erschrocken zusammenzuckte. Massimo hasste es, wenn man ihn berührte. Er hasste Gewalt, er hasste Berührungen, er hasste es mit Menschen physisch zu interagieren. Obwohl er auch spürte wie eine gewisse Sehnsucht nach eben diesen Dingen in ihm war. Es war seltsam, es war angenehm unangenehm von Paul berührt zu werden. „Wieso heulst du eigentlich schon wieder rum? Was geht denn schon wieder in deinem süßen Köpfchen vor?“ fragte Paul mit einem süffisanten Lächeln. Massimo sah ihn fragend an. „Nun, deine Augen sind unverkennbar feucht, ähnlich wie mein…“ Paul führte diesen Satz nicht zu Ende aber Massimo wusste, was er sagen wollte. „Ich ähm, dachte nur grade daran wie schön es war als ich mit meiner Familie auf Urlaub gefahren bin bevor ich...“ Paul verzog sein Gesicht. „Es war damals in Italien, wir gingen Schwimmen und ich habe dort meine erste Freundin kennengelernt.“ Paul lachte los. „Massimo, bitte… Du redest soviel Blödsinn, das is echt grandios. Und du willst MIR einreden du seist intelligent. Erbärmlich wenn du denkst, ich durchschaue deine Lügen nicht sofort.“ In Massimo‘s Augen blitze kurz Panik auf, woher wusste Paul, dass er sich das grade alles ausgedacht hat? Paul schien die Änderung in Massimos Mimik jedoch zu bemerken denn sein Blick wurde spöttisch. Er beließ es abere dabei und ging zu seinem Bett und suchte etwas in seinem Kissenbezug.


Als es Punkt 9 Uhr war, schrillte die Sirene und die Türen der ‚Zimmer‘ wie sie genannt wurden, wurden entriegelt. Massimo konnte es nicht erwarten endlich seine Zelle zu verlassen und zum Frühstück zu gehen. Er beeilte sich extra damit er womöglich fernab von Paul sitzen konnte. Noch mehr Zeit mit diesem Typen zu verbringen konnte und wollte er beim besten Willen nicht ertragen. Doch warum ihm das so unangenehm war konnte er nicht sagen, er konnte nicht benennen weshalb Paul ihn so fertig machen konnte, weshalb er so ‚emotional‘ auf Paul reagierte.


Als er den Speisesaal erreichte und eine der Pflegefachkräfte ihm am Eingang seine Tabletten überreichte, nahm er sich anschließend Kaffee und ein Stück Brot mit Butter. Er setzte sich fernab von allen seinen Mitgefangenen in eine Ecke. Er genoß es, alleine zu sein. Er genoß es einfach seine Ruhe zu haben und in seinen Gedanken zu versinken. Er wusste, dass er nach dem Frühstück sowieso zu seiner nächsten Gesprächstherapie gehen müsse und es dann wieder vorbei sein wird mit Stille und Ruhe. Anschließend würde er in die Küche zum Küchendienst müssen, bevor er sich dann endlich sein Mittagessen verdient habe. All das nur um anschließend in die Gruppentherapie zu gehen und sich erneut dem Stress auszusetzen mit diesen ganzen seltsamen Gestalten Zeit zu verbringen. Er aß sein Brot, trank seinen Kaffee und dachte wehmütig daran wie schön es doch vor diesem ‚Zwischenfall‘ war, der ihn hier her gebracht hat. Geschlossene psychiatrisch betreute Verwahrung für 2 Jahre. So lautete das Urteil damals. Er kann immer noch die Stimme des Richters in seinem Kopf hören als wäre es gestern gewesen. Immerhin, 8 Monate waren schon fast vorbei. Massimo stand auf, trug sein Tablett zum Sammelwagen und verließ den Speisesaal. Duschen müsse er noch bevor er zu seiner Psychologin gehen konnte. Er trottete, die ganzen Menschen rund um Ihn ignorierend, zu seiner Zelle, holte seine Waschsachen und begab sich in die Gemeinschaftsdusche. Er hasste es abgrundtief hier zu duschen. Diese ganzen Menschen, und dann noch nackt. Er hasste es ihre Körper sehen zu müssen. Aber es half nichts, 2 Jahre nicht duschen war auch keine Option.


In der Dusche angekommen, hörte er bereits andere reden. Ihm schlief förmlich das Gesicht ein. Sofern man bei ihm überhaupt von einer Gefühlsregung reden konnte, dann in jenen Momenten wenn sich seine Miene verhärtete. Er kam sich dann immer vor wie ein Roboter, einfach ein Programm abspulen und alles andere rundherum ausblenden. Er entkleidete sich, warf seine Klamotten in den Sammelbehälter und nahm sich neue vom Stapel. Um nicht gänzlich nackt in die Dusche zu gehen, band er sich sein Handtuch um und trottete geistesabwesend in den Feuchtraum. Drei andere waren bereits anwesend und dabei sich zu duschen, rasieren oder zu befriedigen. Typische morgendliche Handlungen bemerkte Massimo zu sich selbst.


Er hing das Handtuch bei der Trennwand auf und begann damit zu duschen, peinlichst genau darauf achtend immer Richtung Wand zu schauen. Er wollte die anderen einfach nicht ansehen müssen. „Hey, Sonderling! Sieh mal hier“ rief einer der drei ihm zu. Massimo versuchte es zu ignorieren, so wie er es immer tat. Keinen Streit eingehen, nicht aggressiv werden, die Wut nicht hochkommen lassen. Diese Flamme in ihm darf nicht erneut entzündet werden. Nie wieder. „Ich rede mit dir, Massimo. Das ist doch dein Name oder? Du bist doch der Psycho der diese Tunte gekillt hat oder?“ „Hast du gut gemacht, muss ich schon sagen, ich hätt‘s selber nicht besser machen können.“ Alle drei Männer lachten. Massimo drehte sich halb um und blinzelte in deren Richtung. Anscheinend war ‚der Wichser‘, so nannte Massimo ihn in seinen Gedanken immer, derjenige der ihn angesprochen hat. „Ich ähm ja, mein Name ist Massimo. Und ich bin nicht stolz darauf jemanden getötet zu haben. Es ist abscheulich, es ist verstörend, es ist falsch.“ erwiderte Massimo relativ emotionslos. Er versuchte immer völlig emotionslos zu sein. Wobei, er musste sich dafür nicht mal großartig verstellen. Der überaus muskulöse und tätowierte 190 cm Typ spielte immer noch an seinem voll erigierten Penis, während er Massimo betrachtete. „Es war kein Mensch, es war ne Schwuchtel, jeder hätte gleich reagiert wie du. Du musst dich deswegen nicht schlecht fühlen. Ich heiße übrigens Andreas“ sagte ‚der Wichser‘ mit rasierter Glatze und kantigem Gesicht. Massimo war das sehr peinlich, dennoch versuchte er zu lächeln und gleichzeitig cool dabei zu wirken und nickte einfach nur. Was hätte er auch sonst machen sollen? Er wollte keinen Streit, er wollte einfach seine Ruhe.


Paul betrat die Duschen und ließ prompt ein Kommentar zu Andreas‘ Handlung fallen. „Na Andi, hat das Überdruckventil wiedermal angeschlagen?“ Andreas grunzte, „Ja, was soll ich sonst machen, die Alte von Zimmer K98 hat ihre Tage. Da will die scheiß Fotze ja nie ficken. Nichtmal blasen. Dumme Schlampe.“ Paul und die anderen lachten. Massimo wusste nicht was er dazu sagen sollte, drehte sich um und duschte fertig. „Yo Zimmergenosse, du könntest dich auch wieder mal rasieren da unten, nimm dir mal ein Beispiel an mir“ scherzte Paul an Massimo gewandt. Massimo sah ihn skeptisch an, erwiderte jedoch nichts. „Hast du nicht gehört Toyboy, dein Zuhälter hat dir was gesagt!“ höhnte Andreas. Wieder lachten alle. Massimo ignorierte es. Er wollte sich nicht auf dieses von Testosteron gesteuerte Balzverhalten einlassen. Er wusch sich rasch überall, vermied jedoch all zuviel an seinem Penis oder Arsch zu reiben um nicht weitere dumme Kommentare zu provozieren. Er konnte es spüren, jeden Moment könnte sonst sowas wie ‚Na, gefällt dir am Ende noch was du hier siehst, weil du an dir selbst rumspielst‘ oder ähnliches kommen. Er hatte diese merkwürdige Eigenschaft immer zu einem gewissen Prozentsatz das Handeln von Menschen vorauszuahnen. Oder, wie er es empfand, zu berechnen.


Er ließ Paul, Andreas und die anderen beiden deren Namen ihn überhaupt nicht interessierten, zurück und ging in sein Handtuch gewickelt zum Umkleidebereich wo er seine Sachen gelassen hatte. In der ferne hörte er noch wie Paul und die anderen lachten und sich unterhielten. Bestimmt über ihn, dachte er sich. Aber es war ihm egal. Er zog sich an, griff nach seiner Bürste um sich die Haare zu frisieren und entdeckte dabei, dass jemand ein Kondom um den Griff gestülpt hatte. Ein benutztes, ekliges, mit Sperma gefülltes. Den Würgereiz konnte er nur mit Mühe unterdrücken. Das war bestimmt Paul dieser Idiot. Er zog das Kondom runter, machte einen Knoten oben rein und verstaute es in seiner Hosentasche. Das würde Paul zurückbekommen. Dies ging einfach zu weit. Als er seine Bürste gereinigt hatte und mit seinem morgendlichen Ritual fertig war schliff er sich lustlos zu seiner Therapiestunde.


Die Sitzung verlief diesmal erstaunlicherweise angenehm, seine Therapeutin war Krank und der Typ der sie vertrat, ließ es auch zu, dass Massimo einfach schwieg. Ab und an kamen so bescheuerte Fragen wie „Wo sind sie denn gerade?“ was er mit einem „Na hier, oder ist das eine philosophische Frage nach der Existenz und dem Platz der Menschheit im Universum?“ abschmetterte. Massimo war gut darin dumme aber dennoch entkräftende Antworten zu geben. Sein Ersatz-Therapeut, Dr. Weigner wie er sich vorstellte, beließ es dann dabei auf seinem Handy vermutlich seine Emails zu lesen und ließ ihn in Ruhe. Nach gefühlt acht Stunden verließ Massimo endlich den Therapieraum und begab sich zur Küche wo Paul ihn schon erwartete.


Na sieh einer an, wer kommt denn da? Mein allerbester Freund und Zimmerkollege.“ wurde seine Ankunft kommentiert. „Halts Maul du Scheißkreatur, ich weiß genau, dass du das warst. Du bist einfach dermaßen ekelhaft und unverantwortlich.“ fauchte Massimo Paul an. „Aber aber, jetzt gehst du dir erstmal deine Hände und den Mund schön brav mit Seife waschen. Sonst vergiftest du am Ende noch das Essen mit deinem Gift, welches du hier verspritzt.“, lachte Paul los und betonte das letzte Wort ganz besonders. Massimo sah auf den Dienstplan an der Wand weil er nicht glauben konnte, dass Paul mit ihm gemeinsam in der Küche sein würde. Sonnst waren doch Petra und Claudia mit ihm gemeinsam eingeteilt. Was hat dieser Arsch schon wieder gedreht, fragte sich Massimo. Doch, es stimmte, er und Paul waren zusammen mit Claudia heute in der Küche, so stand es auch am Plan.


Was ist mit Petra? Hast du sie BEstochen oder ABgestochen?“ fragte Massimo unverblümt. Paul sah ihn verwirrt an. „Was denkst du von mir? Ich könnte doch nie jemandem etwas zu leide tun. Also bitte, so gut solltest du mich schon kennen.“ entgegnete er und setzte dabei seine ‚Unschuldsmine‘ auf. „Klar. Bis auf deine ganzen Sticheleien mir gegenüber. Also? Warum sind wir hier, besser gesagt, warum bist DU hier? Wo sind Claudia und Petra?“. Paul sah abschätzend in Massimo‘s Augen und erwiderte trocken: „Offensichtlich nicht hier, wenn du sie nicht sehen kannst. Auch in diesem Moment zweifle ich erneut an deiner Intelligenz mein lieber.“


Massimo reichte es, er Griff nach einer Metzgergabel und stürmte auf Paul zu. „Hör zu du Wichser, verarschen kann ich mich alleine, dazu brauche ich dich nicht. Du hast doch irgendwas gedreht. Zuerst das Kondom und jetzt das. Was hast du vor?“ brüllte er Paul an während er ihn mit der Gabel bedrohte. Paul verzog keine Miene und sah ihm nur tief in die Augen ohne zu blinzeln. „Sag schon!“ bohrte Massimo nach, „los oder stech‘ dir die hier in den Hals, warte bis du genug Blut verloren hast und rufe dann ganz aufgeregt nach Hilfe und erkläre denen du seist wohl auf den Kartoffelschalen ausgerutscht und hattest das Teil hier in der Hand. Aber ich kam leider zu spät aus dem Kühlraum, da warst du schon Ohnmächtig“. Paul schluckte. „Du bist echt ein Psychopath. Gratuliere, immerhin sitzt du nicht grundlos hier ein. Ich bin fast beeindruckt. Aber nur fast. Ich weiß, dass du es mit deinem Gewissen nicht vereinbaren könntest NOCH jemanden auf dem Gewissen zu haben. Dazu leidest du zu sehr an dem Vorfall von damals. Du bist kein MÖRDER.“ Das letzte Wort betonte er außerordentlich und beobachtete genau wie Massimo‘s Augen sich weiteten.


Woher wusste Paul immer so genau was in Massimo‘s Kopf vorging? Das konnte nicht sein. Er fand immer genau die richtigen Worte. In jeder Situation um ihn entweder extrem wütend zu machen oder ihn wie mit einem Kill-Schalter sofort abzuschalten und erstarren zu lassen. In Massimo‘s Gedanken spulte sich jetzt tatsächlich die ganze Szene aus der Kneipe erneut ab und er war regungslos. Paul nutzte diesen Moment um sich die Gabel zu greifen und aus Massimo‘s Hand zu reißen. Er warf sie Richtung des Spülbeckens wo sie klappernd am Fußboden landete. Paul ließ Massimo jedoch nicht aus den Augen. In Massimo kamen die Erinnerungen alle wieder hoch, gefangen in seinem Kopf, in seinen Gedanken, war er unfähig auch nur einen Muskel zu bewegen. Paul hob jetzt langsam seine rechte Hand hinter Massimo‘s Rücken in die Höhe. Sollte er ihm jetzt eins überziehen? Ihn Melden? All das fragte sich Paul in diesem Moment während er in die Augen seines Zimmergenossen blickte und merkte wie sie erneut feucht wurden und sich eine Träne bildete. Paul näherte sich mit seinem Gesicht immer näher an Massimo‘s heran, den Blick immer noch in seine leeren Augen gerichtet. Er spürte nun Massimo‘s Atem, er roch ihn, er roch seine Tränen. Ganz langsam öffnete Paul seinen Mund, immer noch darauf bedacht den Blickkontakt aufrecht zu halten. Die letzten Zentimeter bewegte Paul sich in Zeitlupe. Völlig behutsam berührte er Massimo‘s Lippen mit den seinen, jederzeit bereit zurück zu weichen. Massimo rührte sich nicht. Paul machte weiter, er drückte seine Lippen auf Massimo‘s und begann ganz langsam seine Zunge in den Mund seines Gegenübers zu schieben. Er schmeckte Salzig, aber auf eine gute Art. Seine Hand legte er vorsichtig auf Massimo‘s Hinterkopf


In Massimo‘s Gedanken spielten sich jetzt viele Dinge gleichzeitig ab. Einerseits sah er den toten Mann, den Sanitäter wie er weinte, wie er im Gerichtssaal saß und mit welchem Hass er von dem Sanitäter angesehen wurde. Gleichzeitig nahm er ganz weit entfernt wahr, dass jemand mit ihm körperlich interagierte, ihn anfasste, sein Genick stützte. Es merkwürdig fremdartig in seinem Mund schmeckte, sich in seinem Mund was bewegte, Paul ihn anstarrte, er die Gabel nicht mehr in der Hand hatte, sich nicht bewegen konnte, weinen musste. Dazu kamen die Gedanken über alles, was zuvor in der Dusche geschehen war. Paul‘s Gespräch mit Andreas, Andreas‘ Aussage über ‚die Schwuchtel‘. Es traf ihn wie ein Blitz und mit einem Schlag war er wieder bei sich und Herr seines Körpers. Er stieß Paul mit aller Kraft von sich weg und gegen den Kühlschrank. Paul war sichtlich überrascht. „Sag mal spinnst du eigentlich? Was zum Teufel? Willst du mich jetzt erpressen? Willst du Andreas erzählen ich sei auch eine Schwuchtel und habe dich geküsst? War das dein Plan? Wolltest du deswegen mit mir alleine hier sein?“ sprudelten die Worte aus Massimo heraus.


Paul sah ihn an, und zum ersten mal in Paul‘s Leben überlegte er einen Moment was er nun Antworten und wie er es formulieren soll. Der Hass in Massimo‘s Augen war nicht zu übersehen. Paul wählte seine nächsten Worte mit bedacht und sehr behutsam aus. „Ich bin Schwul.“ sagte er schlicht. Diese drei Worte, völlig in Ruhe und ganz ohne Hohn oder ähnlichem ausgesprochen trafen Massimo dennoch wie ein Ziegelstein. Er sah Paul an, er musterte ihn, er versuchte irgendwie etwas an ihm zu entdecken, was auf einen Scherz oder ähnliches hindeuten könnte, eine versteckte Kamera vielleicht. Er fand nichts. Paul stand regungslos mit dem Rücken an den Kühlschrank gepresst und erwiderte den Blick.


Massimo ging einen Schritt auf Paul zu, jederzeit gefasst darauf sich zu verteidigen oder anzugreifen sollte er ein Anzeichen in Paul‘s Mimik entdecken, welches einen feindlichen Akt andeuten würde. Er wartete aber umsonst, Paul rührte sich immer noch nicht. Massimo stand nun direkt vor ihm und legte den Kopf leicht schief als er Paul betrachtete. Es hatte etwas von einem Hund der nicht ganz verstand was man von ihm wolle. Paul brach das schweigen. „Es tut mir leid.“ sagte er ganz ohne ironischem oder sarkastischem Unterton. Massimo zog die Stirn in falten. „Was tut dir leid? Mich geküsst zu haben, oder meine Bürste mir deinem vollgewichsten Kondom verdreckt zu haben? Oder, dass du Schwul bist?“ fragte Massimo den Blick auf Pauls Gesicht gerichtet. Paul atmete tief ein und komplett aus bevor er schließlich antwortete „Das erste ein wenig, das zweite ein wenig mehr, aber für das dritte Entschuldige ich mich garantiert nicht.“ sagte er in ruhigem Ton und setzte noch nach, „Du entschuldigst dich wohl auch nicht für die Farbe deiner Haare oder die Form deines Gesichtes“ Da war es wieder, diese merkwürdige Art von Paul, Dinge zu sagen die Massimo innehalten ließen, ihn ‚blockierten‘, ihn bannten. Massimo brauchte einen Moment das Gesagte zu erfassen und darauf zu reagieren. „Das ähm nein, ja, nein natürlich nicht. Das ist genetisch bedingt, für so etwas kann ich mich nicht entschuldigen, weil ich dazu überhaupt nichts beigetragen habe.“ stammelte er verwirrt.


Hey ihr Turteltäubchen, jetzt wird nicht geflirtet sondern gekocht!“ rief es von weiter vorne. Claudia, eine durchschnittlich gebaute junge Frau mit Aschblonden schulterlangen Haaren, hat die Küche betreten. Massimo bekam Panik. Er sah Paul mit einem unergründlichen Blick an und zischte zwischen den Lippen „Halt deine Fresse, wehe du sagst irgendwas von dem was hier gerade passiert ist. Wir unterhalten uns später in unserem Zimmer wenn es sein muss, aber bis dahin will ich keinen Ton darüber hören.“. Paul grinste hämisch und sagte unüberhörbar auch für Claudia, „Na endlich jemand der weiß wie man den Kochlöffel richtig schwingt, Claudia, wo warst du so lange? Mein Freund hier und ich sind überfordert ohne Weibliche Unterstützung.“ Beim Wort ‚Freund‘ zog es Massimo in der Magengegend und er sah Paul hasserfüllt an. Dieser zog es jedoch vor zu Claudia zu gehen und dabei noch einen Sack mit Kartoffeln aus dem Regal mitzunehmen. Paul scherzte mit Claudia herum und ließ keine Gelegenheit aus Massimo zu kritisieren oder ihm anderweitige Sticheleien zukommen zu lassen. Als Claudia gerade das Wasser aufdrehte, murmelte Paul zu Massimo „Wir wollen ja normal wirken, also scheiß dich nicht an, ich diss dich sonst auch immer den ganzen Tag wenn wir zusammen sind.“. Das stimmte sogar. Massimo konnte darauf nichtmal etwas entgegnen, es war die Wahrheit. Außerdem war Claudia damit fertig den Topf mit Wasser zu füllen und konnte jetzt wieder jedes Wort hören. Somit konnte Massimo nichtmal etwas erwidern ohne, dass es auch Claudia mitbekommen hätte.


Nachdem das Essen zubereitet und ausgegeben war, aß Massimo seine Portion, jedoch fernab von Claudia und Paul die sich für seinen Geschmack viel zu gut verstanden. Da stimmte doch irgendwas nicht. Da ist bestimmt irgendwas im Busch, vermutete er, sonst würden die beiden nicht soviel Lachen. Vielleicht erzählte Paul gerade was in der Küche passiert ist bevor Claudia dazukam. Er schob die Gedanken beiseite und auch die Hälfte seines Essens. Jetzt hieß es die Gruppentherapie durchzustehen. Nachdem er es nicht mochte wenn ihn alle ansahen sobald er einen Raum betrat, ging er immer früher los damit er der Erste war. Er ging in den Raum und atmete erleichtert auf, kein anderer war noch da. Er war der Erste. Spiel, Satz, Sieg. Naja, zumindest ein kleiner Sieg an diesem absolut kranken und bescheuerten Tag.


Nach und nach trafen seine, ja was waren sie eigentlich? Mitgefangene? Kollegen? Freunde? Er hatte keinen passenden Ausdruck für die anderen Menschen hier. Er unterteilte sie schlicht in ‚nervt mich‘, ‚hasse ich‘ und ‚nervt mich am wenigsten‘. Wobei die letzte Kategorie genau 3 Leute umfasste. Das waren Claudia, Petra und der eine ältere Pfleger der ab und an in der Nacht die Runde drehte um zu schauen ob alles in Ordnung war. Es dauerte wieder gefühlt ewig bis endlich alle ihren Arsch auf einem ihnen bequemen Sessel gepflanzt hatten und die Scheiße hier losging ärgerte er sich still. Zuerst das übliche Händeschütteln und jedem anderen dabei ein Kompliment machen, wie sinnlos. Was soll man da schon großartig komplimentieren? Die Tatsache, dass diese Idioten es immerhin alleine schafften zu atmen und zu schlucken ohne dabei zu ersticken?


Massimo hasste diesen Schwachsinn. Er bemühte sich dennoch es sich nicht anmerken zu lassen und erklärte jedem, auch dem Trottel mit der Glatze, dass dessen Frisur heute ganz besonders gut aussieht. Der ‚Glatzentrottel‘ sah ihn daraufhin etwas verstört an, vermutlich dachte er Massimo meint dies sarkastisch, aber ganz im Gegenteil. Erstens meinte er Dinge selten wirklich sarkastisch sondern gab nur seinen Senf dazu ohne unnötige Euphemismen dabei zu verwenden oder aber dachte schlicht garnicht darüber nach was er sagte, weil er gedanklich irgendwelche Erlebnisse analysierte. Er war eben anders. Er war wie ein Computer. Ein Computer beleidigt seinen Anwender auch nicht absichtlich wenn er ihn darauf hinweist, dass der Drucker kein Papier hat, und bei einem Computer würde auch niemand Sarkasmus vermuten.


Massimo war wieder in seiner Welt versunken und hörte seinen Gruppenmitgliedern nicht wirklich zu als diese von ihren Problemen redeten. Er hatte eigene. Er könne sich jetzt nicht auch noch fremde Probleme anhören, noch dazu von lauter Menschen der Kategorie „nerven mich“. Sein einziges Kommentar das er heute abließ war „Dann friss einfach weniger. Entweder du verhungerst oder du nimmst ab und dein Rücken wird‘s dir danken.“ als diese fette Kreatur wieder begonnen hat sich darüber auszuweinen, dass ihr ja andauernd ihr Rücken wehtue und sie wegen der andauernden Schmerzen ja schon über Selbstmord nachgedacht hat. Massimo erntete dafür postwendend einen Vermerk von der Therapietussi in ihrem Notizbuch. Toll, das hat man also davon wenn man den Menschen einfach die Wahrheit sagt. Alles Idioten. Die Therapietussi ist damit offiziell von ‚nervt mich‘ zu ‚hasse ich‘ aufgestiegen, dachte Massimo. Aber das beschäftigte ihn nur marginal, was ihn wirklich beschäftigte war das verhalten von Paul. Was ging ab mit Paul, was wollte Paul von ihm?

Zwischenmenschlichkeiten

Nach dieser doch eher sehr langweiligen Gruppenstunde ging Massimo erstmal in Richtung des Speisesaals. Er hatte mittlerweile Hunger bekommen und wenn er Hunger hatte bedeutete dies, dass er schneller von den anderen als Reizbar wahrgenommen werden würde. Schneller als es ohne hin schon der Fall war. Reizbar, dieses Wort alleine ‚nervte‘ ihn schon. Er empfand sich selbst überhaupt nicht als ‚reizbar‘. Er konnte es nur nicht ausstehen wenn Menschen ‚dumm‘ waren, wie er es für sich selbst benannte. Und mit ‚dumm‘ meinte er nichtmal ihre unmittelbare Fähigkeit Probleme zu lösen, obwohl dies bei vielen seiner Artgenossen auch nicht sonderlich gut ausgeprägt zu sein schien. Nein er meinte mit ‚dumm‘ viel eher sich oberflächlichen und nutzlosen Selbstdarstellungen und Ähnlichem hinzugeben. Permanent darauf zu achten, dass man ja nicht die Gefühle anderer zu verletzen. Er empfand es schlicht als ‚dumm‘ wenn Menschen unnötig emotional agierten. Die Wahrheit ist nunmal die Wahrheit, sie ist weder gut noch schlecht im wörtlichen Sinn. Sie ist einfach so wie sie ist. Für manche kann die Wahrheit schmerzhaft sein, für andere erfreulich, ja sogar die gleiche Wahrheit kann für eine Person etwas negatives bedeuten und für eine andere Person etwas positives. Aber dies ist etwas total subjektives und auf keinen Fall sollte man die Wahrheit zugunsten von subjektiven Befindlichkeiten unnötig verzerren oder schönen. Ein Spiegel zeigt auch nur die Wahrheit, außer es ist ein Spiegel der verzerrt, aber das ist ja gewollt und zusätzlich ist dem Betrachter in diesem Moment auch bewusst, dass er belogen wird. Bei Menschlicher Interaktion ist dies nicht immer so klar. Wenn man jemanden ‚schonen‘ möchte, aber auch sicherstellen will, dass der ‚Empfänger‘ das auch so wahrnimmt, als geschönt, müsse man ihm das im Anschluss an die Botschaft mitteilen. Wenn man es ihm dann aber mitteilt, hat es doch erst recht keinen Sinn ihn zuerst schonen zu wollen.


What the Fuck“ - Claudia tauchte wie aus dem nichts hinter Massimo auf und unterbrach seine Gedankengänge. „Ähm, wie bitte? Was stört dich jetzt wieder?“ fragte er sie leicht genervt und versuchte ob er aufgrund ihrer Mine vielleicht einen Hinweis finden könnte, ob Paul seine Fresse nicht halten konnte. „Hier, sieh mal, die Spinnen doch! Aufgrund von Renovierungsmaßnahmen werden in den kommenden Wochen manche Zimmerbelegungen angepasst und eventuell neu aufgeteilt oder erweitert. Ich hab‘ null Interesse mit dieser Haus-und-Hof-Hure aus der Wäscherei ein Zimmer zu teilen, ich bin froh so wie es derzeit ist. Alleine mit Petra.“ kommentierte Claudia einen Zettel am schwarzen Informationsbrett. „Wow. Grandios. Ich kann mich nicht halten vor Freude. Noch ein Primat mehr in meiner unmittelbaren Schlafumgebung. Ich hoffe ja nur, dass es nicht ‚der Wichser‘ Andreas wird. Aber ehrlich, was habt ihr Frauen, ich mein ihr seid doch sowieso so ‚offen‘ und ‚lieb‘ und total umgänglich. Ich denke Maria oder wie die aus der Wäscherei heißt ist bestimmt ein einigermaßen ‚netter‘ Mensch.“ erklärte Massimo an Claudia gewandt in monotoner Stimme. Nicht, dass dies bedeuten würde, dass er Maria deswegen in die Kategorie ‚nervt mich am wenigsten‘ stecken würde, aber seine Maßstäbe gelten ja auch nicht unbedingt für andere Menschen. Seiner Erfahrung nach, empfinden die ‚normalen‘ Menschen die meisten anderen ‚normalen‘ Menschen auch immer als ‚nett‘. Wieso sollte es hier anders sein.


Ach bitte, Massimo, mach dich nicht lächerlich. Du weißt genauso gut wie ich, dass ich hier mit den Tussen nicht klarkomme. Entweder sie haben einen Dachschaden, oder sind Sexsüchtig. Oder beides. Hauptsache einen Schwanz in ihrem Schlitz, bei jeder Gelegenheit. Oder aber sie sprechen mit irgendwelchen unsichtbaren Haustieren. Wahnsinnig tolle Auswahl.“ fauchte Claudia ihn an. „Ach ehrlich, Claudsch, gib ihr ne Chance. Vielleicht überrascht sie dich mit ungeahnten Talenten und kann am Ende noch ein Instrument spielen. Oder sie kennt deinen Lieblingsautor, diesen ‚Marquis de Sade‘“ murmelte Massimo während er gedankenverloren das Informationsbrett betrachtete. Manchmal fand er hier den ein oder anderen Lacher. Also Lacher für ihn, die anderen fanden es meistens überhaupt nicht witzig.


Beispielsweise hing mal ein Zettel, mit Buntstiften geschrieben, worauf es hieß ‚Ich sucche Freund/innen midd Interese an Handbearbeit. Bitte bei Carola, Zimmer L10 melden.‘ Er dachte sich, Handarbeit selbst kann ja vieles bedeuten und stattete Carola einen Besuch ab. Carola hatte, wofür sie ja nichts konnte, eine Lernschwäche und so ‚ein Schimpfwort-Syndrom‘ weswegen sie permanent fluchen musste. Carola begrüßte ihn mit den Worten ‚Hallo, komst du wegen der Handbearbeiten her? ARSCHFOTZE!‘. Im Laufe eines sehr holprigen Gespräches mit Carola stellte Massimo dann endlich fest, dass sie den Leuten eine Maniküre anbieten möchte. Genau genommen wollte sie irgendwelchen Menschen einfach die Fingernägel lackieren, da Sie das vor gefühlten tausend Jahren mal gelernt hatte.


Massimo erklärte ihr auf seine sehr direkte Art, dass sie das nächste mal vielleicht jemanden anderen das Marketing für ihr grandioses Start-Up überlassen sollte. Dann wäre zumindest die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass die Werbung auch zielgruppenorientiert wahrgenommen werden würde und fügte noch ein ‚Drecksfotze‘ hinzu. Er dachte, es würde ihr helfen wenn er ebenfalls Worte benutzt die sie selbst zuvor schon verwendet hat um ihre Sätze zu beenden. Tja weit gefehlt, sie fing zu an weinen und schrie ihn an. Allerdings war es äußerst unterhaltsam für ihn wenn eine Tourettekranke fluchte. Er war sich nicht sicher welche Teile des Satzes von ihr kamen und welche von der Krankheit und brach in schallendes Gelächter aus. Seit dem sieht Carola immer in eine andere Richtung wenn er vorbei geht. Aber er schweifte schon wieder ab gedanklich. Er hatte sich fest vorgenommen, jetzt das Essen ohne mit irgendjemandem ein Gespräch führen zu müssen hinter sich zu bringen und dann in nur mehr seine Zelle zu gehen. Und anschließend, sobald er da war, mit Paul zu sprechen. Er hasste es schlichtweg wenn offene Fragen in seinem Kopf waren die er aufgrund von mangelnden Informationen nicht beantworten konnte.


Hallo, Erde an Massimo? Befindet sich da irgendwo etwas mit dem ich Kommunizieren kann? Oder bist du wieder in deinem Disneyland?“ raunzte Claudia und stupste ihn an. „Hey, spinnst du? Nimm deine Griffel weg!“ fuhr er sie an, „Du weißt ich mag das nicht!“. Claudia ignorierte ihn und zeigte auf einen weiteren Zettel. „Oh. Einer weniger in der Kategorie ‚nervt mich am wenigsten‘.“ murmelte er. Es war die Todesanzeige dieses schon etwas betagteren Pflegers der die Nachtrunden ab und an drehte. Klaus hieß er also, jetzt wird er wohl als ‚der tote alte Pfleger‘ in seinem Kopf gespeichert werden. Massimo sah Claudia an und überlegte kurz, rang mit sich selbst, und holte Luft. Sie sah ihn fragend an. Er tat nun etwas, was er sich nie hätte träumen lassen. Nie, in all den 26 Jahren seines Lebens. Er wich von seinem Plan ab. Er fragte sie tatsächlich ob sie mit ihm zusammen essen wolle.


Normalerweise genoß er stille beim Essen, sofern man in diesem Affenzirkus überhaupt von Stille sprechen konnte. Aber irgendwas in seinem Kopf sagte ihm, er solle sich mit ihr beschäftigen. Es könne ja nicht schaden, dachte er sich, immerhin hat sie vielleicht Informationen bezüglich Paul welche sie, mitteilungsbedürftig wie sie nunmal war, hinausposaunen wolle. Informationen waren, sind, und werden immer das A und O in seiner Welt sein. Wissen ist Macht, sagt man ja so schön. Claudia willigte halb überrascht, halb belustigt ein und sie setzten sich zusammen an einen Tisch. Aber, wie sollte es anders sein, an einen Tisch weitab von den anderen. Nur weil er mit Claudia Informationsaustausch betrieb hieße das ja nicht, dass er deswegen plötzlich auch seine Mitmenschen mehr mögen würde. „Meinst du Petra ist sehr sauer, wenn du nicht bei Ihr sitzt?“ fragte er Claudia beiläufig und hoffte, dass dies dazu führt, dass Claudia Petra NICHT zu ihnen an den Tisch winkt sondern sich vorab gedanklich damit beschäftigte und auch zu dem Schluss zu kommt, dass es in dieser Situation besser wäre ihn nicht mit zu viel Gesellschaft zu überfordern.

 

Ähm woher soll ich das wissen. Wenn du sie nicht bei dir haben willst, sag das einfach.“ erwiderte Claudia in ruhigem Ton. Massimo stockte, dies waren diese Momente weswegen er Claudia als ‚nervt mich am wenigsten‘ einstufte. Sie konnte ab und an auch sehr direkt sein. Er verstand nur nicht wann und warum und wie er das bei ihr ‚aktivieren‘ konnte. „Egal, wir werden ja sehen. Lieber wäre mir dennoch wenn sie sich nicht zu uns setzt. Am Ende denken andere auch noch ich habe Interesse an zwischenmenschlicher Interaktion.“ sagte er zu ihr und betrachtete den Fraß auf seinem Teller. Claudia rührte in ihrer sehr dünnen Nudelsuppe um und machte das ein oder andere Kommentar über den scheußlichen Dosenfraß. Massimo nahm ihr gesagtes zwar wahr, wusste aber nicht so recht was er darauf sagen sollte. Es war eine Feststellung ihrerseits, was solle er dazu kommentieren? Sie sah ihn erwartungsvoll an. „Was?“ fragte er sie knapp. „Ich dachte, wenn ich bei dir sitzen darf, hast du das Bedürfnis dich mit mir zu unterhalten“. „Ich ähm ja schon, klar unterhalten wir uns über etwas. Ich wusste lediglich nicht was ich zu deinen Bewertungen des Essens betreffend sagen soll. Es waren keine Fragen sondern Feststellungen. Was soll ich dazu groß beitragen?“. „Massimo, du bist echt ein Trottel.“ sagte sie kopfschüttelnd. „Eine Unterhaltung beginnt meistens damit, dass man das Schweigen bricht und über Belanglosigkeiten oder Offensichtliches spricht.“. Er sah sie an und dachte kurz über ihre Aussage nach. „Aha. Ich bin zwar kein Trottel, aber gut lassen wir das mal dahingestellt. Warum beginnt eine Unterhaltung so? Warum kann man nicht einfach ein Thema einwerfen und unterhält sich darüber, bis man genug von diesem Thema hat und das nächste Aufgreift?“ fragte er und sah sie dabei neugierig an.


Claudia seufzte. „Weil das so nicht funktioniert. Menschen sind keine Maschinen die ‚auf Knopfdruck‘ einfach einen Algorithmus abspulen, auf ihr Wissen zugreifen und es ausgeben wie ein Drucker.“. Sie wunderte sich gelegentlich über Massimo‘s seltsames verhalten und vor allem seine merkwürdigen Ansichten. „Also da muss ich dir widersprechen“, sagte er, „Menschen sind sehr wohl Maschinen. Menschen sind genau genommen, biochemische Maschinen. Unser Gehirn ist nichts anderes als eine auf Neuronen basierende CPU. Es steuert alles im menschlichen Körper, es sorgt für die Steuerung dieser komplexen Vorgänge und kann Dinge speichern, verarbeiten und manchmal auch etwas neues ausgeben oder ‚erfinden‘.“ Claudia verdrehte die Augen. „Massimo, ich mag dich, auf eine merkwürdige und verdrehte Art. Aber, nein. So funktioniert das nicht.“ bevor er noch ansetzen konnte, fügte sie hinzu „ja ich weiß, es mag sein, dass es biologisch, physikalisch, was auch immer, so funktioniert, aber KEIN Mensch betrachtet sich selbst so. Jeder Mensch agiert einfach. Er denkt nicht drüber nach, dass er jetzt ‚denkt‘. Er tut es einfach. Er denkt nicht drüber nach, dass er jetzt sprechen will, er tut es. Und genauso ist es mit Unterhaltungen. Die Menschen denken nicht zuerst darüber nach, dass sie sich jetzt Unterhalten werden und einigen sich vorher auf ein Thema. Nein, sie beginnen ein Gespräch und versuchen dann, dieses am Laufen zu halten. Sie versuchen in das Ein oder Andere einzuhaken und nachzufragen oder ihre Meinung dazu zu äußern. Im Normalfall ergibt sich so ein Gespräch, welches manchmal sogar von einem Thema zum nächsten springt. Voll automatisch. Und ohne, dass man sich vorher auf ein Thema geeinigt hat oder gar einen Fahrplan festgelegt hat.“


Massimo hörte ihr aufmerksam zu. Das waren Informationen über menschliches Verhalten, welche er so noch nie dargestellt bekommen hat. Das bedeutete also, er habe die Chance etwas neues für sich zu adaptieren, eine weitere Verhaltensform um ihn ‚normaler‘ wirken zu lassen. Dies konnte er sich nicht entgehen lassen. Er legte den Kopf leicht schief, denn er hat mal beobachtet, dass Menschen dies als ‚Nachdenken‘, ‚Skepsis‘, ‚Interesse‘ auffassen. Genau das wollte er ihr signalisieren. Sie sollte ihre Ausführungen weiter erläutern. Claudia sah ihn durchdringend an, „War das nicht verständlich genug für dich?“ fragte sie. „Doch, also den Inhalt an sich habe ich schon verstanden, jedoch fehlt mir der praktische Ansatz es anzuwenden oder besser gesagt eine Situation.“ erwiderte er. Massimo wusste es wirklich nicht, er konnte sich nicht vorstellen wie er das soeben gehörte auch umsetzen soll. Es ergab keinen Sinn in seinem Kopf. Er konnte zwar Interesse ‚vortäuschen‘ oder ‚spielen‘ aber dies erlaubte ihm nicht über ein Thema auch zu sprechen. Es funktionierte einfach nicht. Gespieltes Interesse konnte seinen Verstand nicht dazu bewegen sich mit dem Gespräch wirklich auseinander zu setzen. Zumindest nicht in der Form die dazu notwendig wäre eine Konversation zu führen.


Was verstehst du daran nicht?“ fragte Claudia unglaubwürdig. Massimo seufzte. „Das ist schwierig zu erklären, da du nicht verstehst warum ich nicht verstehe weshalb das so ist. Ich versuche es dennoch. Stell dir zum Beispiel vor, du hättest noch nie in deinem Leben ein Auto gesehen. Stell es dir einfach mal vor. Dir sagt das Wort Auto überhaupt nichts. Ebenfalls alles, was damit zu tun hat. Und jetzt erkläre ich dir, wenn du die Motorhaube öffnest, findest du beim Motor eine Verschlusskappe direkt am Motorblock, diesen öffnest du und ziehst den Stab heraus um zu sehen wieviel Öl drinnen ist. Was denkst du dir jetzt?“. Claudia schaute verwirrt auf ihren Löffel. Sie dachte anscheinend über diese Erklärung nach und versuchte sich vorzustellen wie es wäre. Nach einigen Minuten antwortete sie ihm. „Ich denke, ich hab jetzt eine leise Vorstellung davon was du meinst, ja“. Massimo war erleichtert und kaute auf einem Zahnstocher herum.


Der Rest der Nahrungsaufnahme war eher von schweigen geprägt bis auf zwei Versuche seitens Claudia ein Gespräch zu beginnen. Leider endete es jedesmal auf die gleiche Art. Nämlich, dass sie verwirrter dreinschaute als er. Massimo war einerseits froh darüber, dass er neuen Input zum Thema ‚soziale Interaktion von Menschen‘ bekommen hat, andererseits hätte er lieber etwas über Paul erfahren. Er wusste eigentlich nichts über Paul. Gar nichts. Er wusste lediglich, dass Paul für drei bis fünf Jahre hier her geschickt wurde und, dass er sowas wie einen Selbstmordversuch hinter sich hatte. Er wusste aber auch nicht wie er das Gespräch mit Claudia einleiten sollte. Informationen, er brauchte mehr Informationen. Anders wäre es ihm schlicht nicht möglich sich über Paul ein genaueres Bild zu machen und ihn, sowie seine Intentionen besser zu verstehen. Diese Tatsache nagte sehr an ihm. Claudia sah Massimo an und fragte ihn anschließend mit bemüht beiläufigem Ton warum er genau heute das erste mal mit ihr zusammen essen wollte. Nach alldem was sie mittlerweile über ihn wusste, vermutete sie hierbei etwas mehr als einen reinen Zufall. Er wich ihr geschickt aus indem er ihr erzählte was in der Gruppentherapie passiert sei. Die Reaktion welche alle seine Gruppenkollegen und die Therapeutin auf seinen Kommentar gezeigt hatten, führte ihn zu dem Schluss sich etwas mehr mit dieser ‚sozialen Interaktion‘ beschäftigen zu müssen. Es war logisch betrachtet der einzige Weg, sein Verhalten zukünftig diesem ‚normal sein‘ zu nähern. Claudia schien sich, zumindest ihrer Körpersprache zufolge, mit dieser Erklärung zufrieden zu geben.




Paul lief der Schweiß am gesamten Körper herab. Noch fünf, noch vier, noch drei. Er stöhnte, es war echt ein harter Kampf mit sich selbst. Paul spürte wie sein ganzer Körper bereits schmerzte und seine Muskeln sich verkrampften. Er wusste, dass dies nicht passieren dürfe, das Risiko einer Verletzung würde dadurch unnötig ansteigen. „Ach scheiß drauf!“ rief er und ließ die Hantelstange zurück in die Halterung fallen. Paul hatte, als er hier her kam, damit begonnen die Kraftkammer aufzusuchen. Eigentlich mochte er das nicht, es war ihm zu sehr ‚Klischee‘ durchtrainiert zu sein. Alle Homos sind durchtrainiert, daran hatte er kein Interesse. Ihn interessierte weder die farbenprächtige fabulöse Szene noch diese übertriebene Körperfixierung die dort gefragt und geboten wurde. Was Paul dennoch dazu brachte zu trainieren, jedenfalls seit er hier war, war eher die Tatsache, dass Paul früher als er noch ‚draußen‘ war sehr gerne laufen ging. Es war aber nicht das Training an sich was ihn motivierte. Seine Vorliebe dazu war eher in der Tatsache begründet, dass es ihn unheimlich beruhigte. Es entspannte ihn wenn er seine Kopfhörer aufsetzte, Musik anmachte und sich bewegte. Die Bewegung selbst war es, was in seinem Kopf für Ruhe und Ordnung sorgte und seinen Geist in seinem Körper festhielt.


Er blieb einige Minuten regungslos auf der Hantelbank liegen, schloss seine Augen und konzentrierte sich auf das Gefühl in seinem Körper. Er versuchte jede Region seines Körpers bewusst zu wahrzunehmen und vor allem die Schmerzen überall zu spüren. Es war nicht so, dass er Schmerzen über die Maßen mochte, zumindest nicht in diesem Zusammenhang. Dennoch erfüllte es ihn mit einer inneren Zufriedenheit zu ‚spüren‘ und damit den Beweis zu haben noch am Leben und im hier und jetzt zu sein. Paul zählte in seinen Gedanken die Monate. Wenn er sich nicht verrechnet habe, würde der Spaß hier in zehn Monaten ein Ende haben, dachte er sich. 3 Jahre und 2 Monate waren es die er bereits hier verbracht hat. Ja sogar wirklich hauptsächlich ‚hier‘, denn die meiste Zeit nahm er das Sportangebot in Anspruch. Einerseits weil es die Möglichkeit bot den ein oder anderen ‚heißen Anblick‘ zu ergattern, andererseits weil es ihm schlichtweg gut tat. Sogar die ein oder andere Aktion mit Christian hat sich hierdurch ergeben. Christian war ein eher einfacher und von seinem Testosteron gesteuerter Mittdreißiger der ebenfalls viel Zeit hier verbrachte um ‚bei den Chicks besser anzukommen‘.


Gelegentlich kam es jedoch vor, wenn sich genügend sexuelle Energie in ihm angestaut hatte, dass Christian auch mal ‚fürs eigene Team spielte‘. Paul kam dies sehr gelegen. Er hatte niemanden hier über seine Orientierung aufgeklärt und Christian war es nach dem Akt jedesmal so dermaßen peinlich, dass er niemals ein Wort darüber verlieren würde. Paul musste bei dem Gedanken an Christian schmunzeln. Er öffnete die Augen, richtete sich langsam auf, griff nach seiner Getränkeflasche und wischte sich den Schweiß von der Stirne. „Na Paul, hast du dein Ziel heute erreichen können?“ fragte Micha, einer der jüngsten ‚Patienten‘. „Fast, leider um 2 Wiederholungen verfehlt.“, „Wie siehts bei dir aus, Micha?“. „Ich mach‘s mir einfach, ich setze mir einfach kein Ziel, somit kann ich keines erreichen oder verfehlen.“ gab Micha zurück. Paul lachte, „Eigentümliche Logik. Aber immerhin scheint es dir Spaß zu machen, das ist das wichtigste dabei.“. Er lächelte Micha an und verließ den Trainingsraum in Richtung der Duschen. Eigentlich hatte er sich vorgenommen der Sauna heute noch einen Besuch abzustatten, einerseits weil Christian dort des öfteren anzutreffen war und zusätzlich es nach dem Training ab und an ganz schön war sich die anderen verschwitzten Männerkörper anzusehen und sich mit ihnen zu vergleichen. Paul überlegte kurz, er sah auf die große Uhr über dem Durchgang zum Feuchtraum. Nein, das ging sich nicht aus. Wenn er noch etwas zu essen wolle, müsse er die Sauna ausfallen lassen und sich beeilen. Das Duschen war also im Schnelltempo erledigt, anschließend eilte er in Richtung des Speisesaales davon.


Gerade als er den Speisesaal betreten hatte, sah er Claudia und Massimo wie sie ihr benutztes Geschirr wegräumten. Was hat Claudia mit Massimo zu schaffen, kam es in ihm hoch. Er war sich ziemlich sicher, Massimo würde nicht ausplaudern was in der Küche geschehen war. Schon alleine die Aktion mit der Gabel würde zu gröberen Konsequenzen führen. Das würde er nicht riskieren, zumal allgemein bekannt ist, dass Claudia in solchen Belangen die ‚Einhaltung der Regeln‘ über ‚Loyalität zu Freunden‘ stellt. Also was war es dann, was die beiden dazu veranlassen könnte zusammen zu essen? Massimo wollte sich nie beim Essen mit anderen abgeben. Er genoß es alleine zu sitzen. Keine Konversation führen zu müssen. Versunken in seiner kleinen Welt. Paul überlegte, soll er offen auf die beiden zugehen und Massimo damit zeigen, dass er es mitbekommen hat? Nein, lieber nicht. Er agiert manchmal unvorhersehbar und irrational wenn er sich in die Enge getrieben fühlt. Später im Zimmer würde sich immer noch die Gelegenheit bieten Massimo auf den Zahn zu fühlen, vielleicht sogar in mehr als einer Hinsicht. Paul musste bei der Vorstellung an Massimo‘s versteinertes Gesicht lachen.


Paul ging also bedacht unauffällig und im Schutz der Menschenmassen zur Essensausgabe und wusste nicht so recht was er eigentlich essen soll. Er hätte Lust auf das Putengericht, das aber strotzt nur so vor Knoblauch. Eigentlich perfekt, aber… Wäre es dumm, das Essen jetzt nur aufgrund seiner naiven Hoffnungen den weiteren Verlauf des Abends betreffend abzuändern? Er überlegte. „Wird das heute noch was?“ sagte die junge Frau hinter der Essensausgabe.


Ich will auch irgendwann ins Bett. Entweder du entscheidest dich bald oder du kriegst gar nichts.“ maulte sie ihn an. „Ja doch, meine Güte. Scheiß dich nicht an, ist ja nicht so, dass du heute noch ein Date oder Kinokarten hättest!“ fuhr Paul sie an. „Ob ich ein Date habe kannst du wohl kaum wissen, Schnucki.“. „Na so wie du dich hier aufführst, hättest es offensichtlich wieder mal bitter nötig… Jetzt gib mir dieses Zeug was hier als Pute deklariert ist.“ sagte Paul, nahm anschließend den Teller entgegen und suchte sich einen freien Platz. Während er sich über die ekelhafte Suppe, wohl eher das Spülwasser von Gestern so wie das schmeckte, ärgerte dachte er über die Geschehnisse des heutigen Tages nach. Zuerst die langweilige Gruppentherapie ohne besondere Vorkommnisse. Dann der Zwischenfall in der Küche. Bei dem Gedanken daran, merkte er wie sich ein merkwürdiges Gefühl in seinem Bauch ausbreitete, tat es aber als Nebenerscheinung des schlechten Essens ab. Anschließend die Meditationsgruppe, er gähnte bei dem Gedanken daran. Und jetzt, Claudia und Massimo gemeinsam hier, dies behagte ihm nicht sonderlich. Gerade Massimo verhielt sich jeden Tag gleich. Nichts konnte bis jetzt seine Routine großartig verändern. War es seine Schuld? Lag es an dem Kuss? Hat dieser Massimo dazu bewegt sich anders zu verhalten? Hat ihn das so aus der Bahn geworfen? Paul schaute gedankenverloren in die Gegend.


Na hallo! Heute bist‘ aber spät dran!“ riss Petra ihn aus seinen Überlegungen. „Oh, ja… Habe beim Training die Zeit aus den Augen verloren. Willst du dich kurz setzen?“ bot er Petra an. „Klar, dann trinke ich noch einen Tee mit dir.“ gab sie zurück. „Wie war dein Tag heute so?“ fragte er sie. „Na, dank dir nicht so besonders wie er hätte sein sollen, du Arsch.“ sagte sie scherzhaft. „Wie? Was ist denn passiert?“. „Na ganz einfach, wegen deinem Tausch mit mir durfte ich die Kotze der ganzen Bulimiker aufwischen. Manchmal habe ich das Gefühl die betreiben sowas wie Gruppenkotzen als Hobby.“. Paul sah sie grinsend an, „Oh, sorry Petra daran hab ich ehrlich gesagt garnicht gedacht. Stimmt, meine Schicht heute war ja bei den ‚Kotzbrocken‘ eingeteilt. Das war echt nicht beabsichtigt“. „Naja, dafür Schuldest du mir jedenfalls etwas mein lieber.“. Sie nahm einen Schluck und sprach weiter, „warum wolltest du überhaupt unbedingt heute in die Küche? Du siehst Massimo doch sowieso jeden Abend. Warum wolltest du den armen Kerl extra noch quälen? Er konnte dich gleich anfänglich nicht sonderlich leiden, das hab ich dir doch schon mal gesagt.“


Paul dachte kurz nach wie er auf Petra‘s Frage am besten eingehen sollte. Sie war immerhin die Zimmergenossin von Claudia, wenn Claudia irgendetwas bemerkt hatte, würde Petra spätestens in ein paar Stunden davon sowieso erfahren. „Nun, um ehrlich zu sein, ich habe gehofft wenn wir nicht in unserem Zimmer sind, sondern ‚auf neutralem Gebiet‘ und zusammen arbeiten, dass wir vielleicht so etwas wie Sympathie aufbauen könnten. Wie du sagst, wir teilen das Zimmer miteinander und er mag mich nicht besonders. Das ist etwas anstrengend. Daher dachte ich, dass es vielleicht zur Verbesserung des ‚Zimmerklimas‘ beitragen würde. Aus diesem Grund habe ich versucht ihm näher zu kommen. Also in einer freundschaftlichen Art und Weise.“ Petra sah ihn skeptisch an. „Glaubst du das selbst was du da gerade redest? Du und Freundschaft mit Massimo? Er erzählt uns regelmäßig beim Küchendienst wie du ihn fertig machst und wie sehr ihn es kränkt.“ Paul verzog sein Gesicht. „Der dramatisiert.“ gab er knapp zurück. „Paul. Ich kenn dich schon seit wir hier eingeliefert wurden. Ich weiß, dass du ein Rüpel bist und deine Wortwahl oft sehr extreme Ausmaße annimmt.“ „Bullshit. Ich bin immer sehr ausgeglichen.“ lachte Paul. „Ernsthaft Paul. Lass ihn einfach zufrieden. Er tut sich schwer mit allem was Emotionen und Zwischenmenschlichkeit betrifft. Wenn er irgendwann das Bedürfnis hat sich mit dir anzufreunden, wird ER auf dich zukommen. Du solltest eigentlich wissen wie es sich anfühlt wenn man sowieso instabil ist und dann noch unnötig unter Druck gesetzt wird.“.


Paul dachte an seinen sogenannten Selbstmordversuch und die Zeit davor. Was ihn dazu getrieben hatte. Es war eigentlich nur der Versuch wieder etwas zu fühlen, sich selbst den Beweis zu liefern, dass er noch lebte. Er hatte nie darüber nachgedacht, dass es auch schiefgehen hätte können als er sich auf die Bahngleise legte. „Ich werde deine Worte im Hinterkopf behalten Petra, versprochen.“ sagte er zu ihr. Petra sah ihn prüfend an. „Im Hinterkopf behalten wenn du ihn weiter quälst? Paul, ich sag dir das jetzt in aller Freundschaft. Sollte Massimo das nächste mal wenn Claudia und ich zusammen mit ihm Küchendienst haben wieder eine Erwähnung machen, lernst du mich von einer anderen Seite kennen.“ Paul war sichtlich überrascht von dieser plötzlich doch sehr direkten Ansage. Petra war normalerweise nicht so. Sie mischte sich selten in die Belange anderer ein. „Ist ja schon gut!“ murmelte Paul kleinlaut. „Ich werde ihn in Ruhe lassen.“ Paul hatte Angst, wenn Claudia nun bemerkt hätte, dass die Gabel am Boden lag und keiner der beiden in der Nähe war. Wenn sie nun den Verdacht hätte, er habe Massimo damit bedroht oder sie hätten eine Rangelei gehabt. Was wenn sie Petra ihre Verdächtigungen erzählen würde.


Also Petra, wie gesagt, ich werde mich bemühen Massimo nicht mehr so ‚fertig‘ zu machen und netter zu ihm zu sein. Versprochen. Ich würde nie riskieren Probleme mit der Klinik zu bekommen, das weißt du hoffentlich.“ Petra nickte, „Ja das weiß ich nur zu genau. Deswegen bedenke es auch, wenn du das nächste mal mit Massimo sprichst. Wir wollen ja nicht, dass du in den Hochsicherheitsbereich verlegt wirst oder deine Zeit hier verlängert wird.“. Paul lächelte. „Petra, du bist eine hinterhältigere Bitch als ich es dir zugetraut hätte.“ Petra verdrehte die Augen, trank den letzten Schluck ihres Tee‘s, stand auf und ließ ihn mit den Worten „Schönen Abend noch.“ zurück.


Paul war verunsichert. Was sollte er jetzt tun? Er wollte den Vorfall in der Küche nicht unkommentiert stehen lassen. Er wollte aber auch nicht riskieren, wenn Massimo etwas falsch auffasste oder falsche Schlüsse zog, dann mit Petra ein Problem zu bekommen. Wieso hatte er sich nur auf diese idiotische Idee eingelassen. Es half nichts. Erstens musste er so oder so in diesem Zimmer schlafen und zweitens wollte Massimo selbst auch darüber sprechen, dies hatte er ja deutlich gesagt. Er erhob sich also und entsorgte die Reste seines Essens. Nach Petras Ansprache ist ihm der Appetit mehr oder weniger vergangen. Den Weg zu seinem Zimmer legte er nur sehr langsam zurück. Er hatte Schiss was jetzt kommen könnte. Vielleicht würde Massimo auch komplett austicken, immerhin war das ja der Grund weshalb er hier war. Er wäre Massimo zwar vermutlich körperlich überlegen, aber eine körperliche Auseinandersetzung war das letzte was er wollte. Petras Worte konnte er nicht ignorieren. Weshalb nur hatte er sich erneut einem Gefühl hingegeben. Er hätte es dabei belassen sollen Massimo zu ärgern.


Der Kuss war total unnötig, dumm, unüberlegt. Damit hatte er jetzt alles nur komplizierter gemacht, sowohl emotional als auch generell. Am liebsten hätte er sich geohrfeigt, er wollte in diesem Moment doch nur dieser Emotion, diesem Gefühl nachgehen welches er in sich hochkommen spürte. Er war so froh darüber wenn er Gefühle mit seinem ganzen Körper wahrnehmen konnte, sich selbst spürte, das Leben spürte. Das letzte mal als er ein Gefühl so intensiv und bewusst wahrgenommen hatte war als er sich seine Hand verbrannte. Der Schmerz durchzuckte seinen ganzen Körper. Es war das unvermutete auftreten eben jenes Schmerzes, was es so besonders machte. Wenn er Trainierte schmerzte sein Körper auch, jedoch führt er es bewusst herbei. Bewusst herbeigeführte Schmerzen oder Gefühle sind nicht das Gleiche. Genau genommen war es sogar zweitrangig für ihn, dass es sich um Schmerzen handelte. Es war das spontane und gleichzeitig heftige Auftreten des Gefühls was ihm gefiel. So als würde er in diesem Moment ins hier und jetzt gezogen und im Leben fixiert. Dieser Kuss mit Massimo fühlte sich ähnlich an, sehr ähnlich aber doch auch anders. Er hatte eben jenes Gefühl auch in diesem Moment gehabt. Das Gefühl in seinem Körper und ‚am Leben‘ zu sein. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen als er merkwürdige Geräusche aus der Toilette hörte.


Es klang nach Andreas, anscheinend hatte er eine Andere gefunden an der er seine Geilheit auslassen konnte. Er blieb stehen und lauschte, weil er hoffte herauszufinden ob es am Ende noch die Dame von der Essensausgabe war. „Haltet ihn fest!“ hörte er Andreas deutlich sagen. Ihn? Was hat der Idiot jetzt schon wieder gemacht fragte er sich. Paul kam zwar mit Andreas aus, dennoch mochte er ihn nicht sonderlich. Andreas war der Inbegriff eines Heteromannes der mit übertriebener Homophobie sein mutmaßliches Interesse überspielte weil er Angst vor negativen gesellschaftlichen Reaktionen hatte. Paul öffnete die Türe. Er sah Massimo der von zwei von Andreas‘ Kompanen festgehalten wude. Andreas stand vor ihm und fuchtelte mit einem Kondom in Massimos Gesicht herum. Massimos Augen waren leer und rot, auf seinen Wangen liefen Tränen herab.


Hey Andi, seit wann vergehen wir uns an schwächeren? Noch dazu zu dritt?“ rief Paul betont cool als er einen Schritt in den Raum machte. Er hielt die Türe dabei mit seiner linken Hand fest, damit sie sich nicht automatisch schließen konnte. „Paul! Sieh mal was wir gefunden haben. Dieser kleine perverse Hund hatte dies hier“, er zuckte mit der Hand in welcher er das Kondom hielt, „bei sich. Wollte es hier ins Waschbecken entleeren als ich grade am Weg zum Pissen war Ich hab ihn gefragt ob er das von seinem Ex-Freund bekommen hat. Als Andenken, wie er eingewiesen wurde Er wollte einfach nicht antworten, die kleine Drecksau. Wir dachten uns aber es wäre doch schade drum. Wenn es ein wirklich Andenken ist, sollte er es nicht einfach so wegwerfen.“


Paul erschrak. Das war das jenes Kondom mit welchem er Massimo heute früh geärgert hatte. Warum hatte der Idiot es nicht einfach weggeworfen? „Wir finden, er sollte den Saft seines Ex-Freundes noch ein letztes mal schmecken dürfen.“ spottete Andreas. Massimo zuckte heftig, aber schaffte es nicht sich von Andreas‘ Helfern loszureißen. Andreas riss das Kondom am unteren Ende mit seinen Fingernägeln auf und hielt es über Massimos Gesicht. „Komm schon, du willst es doch auch, du weißt, dass das Lecker ist!“ sagte Andreas in spöttischem Ton. „Los öffnet sein Maul. Die Sau soll das schlucken.“ fügte er im Befehlston an seine Gehilfen hinzu. Paul dachte nach, er konnte es nicht mit allen aufnehmen. Hilfe holen könnte zu lange dauern. Der Pflegestützpunkt war gut 20 Meter entfernt. Hören wenn er Rief würde ihn auch nur vielleicht jemand. Er sah sich im Raum um. Während die ersten Tropfen aus dem beschädigten Präservativ auf Massimos Lippen tropften schlug Paul mit seiner rechten Hand auf den Auslöser des Feueralarms.


Sofort schrillte ohrenbetäubender Lärm aus allen Sirenen, die Beleuchtung wurden auf maximale Lichtstärke angehoben und die blitzenden Signalgeber an der Decke gingen los. Andreas und seine Kumpels erschraken. Die beiden ließen zwar Massimo los, dieser bewegte sich aber keinen Millimeter mehr. Er war wieder erstarrt. „Raus hier!“ schrie Andreas seine Begleiter an und ließ das Kondom auf Massimo‘s Gesicht fallen. Als die drei die Toilette verließen rempelten sie Paul hart an und Andreas schlug ihm im Vorbeigehen noch in den Magen. Paul verkrampfte kurz, aber eilte zu Massimo. Er nahm das Kondom von seinem Gesicht und warf es in einen der Mülleimer. „Hey, hörst du mich? Alles okay mit dir? Haben sie dich geschlagen?“ fragte Paul während er ein paar Papierhandtücher befeuchtete. Er wischte Massimo‘s Gesicht vorsichtig ab und versuchte das Sperma dabei nicht noch mehr zu verteilen. „Massimo, sag doch irgendwas. Bitte. Von mir aus Schlag mich, aber bitte komm zu dir. Rede mit mir Mann, bitte.“ flehte Paul. Massimo bewegte keinen einzigen Muskel. Paul versuchte ihn irgendwie zum gehen zu bringen und zog an ihm rum. Keine Chance, Massimo stand einfach nur da.


Pfleger betraten hektisch den Raum. „Ihr müsst sofort raus, los! Hört ihr den Alarm nicht?“ schrie einer der Pfleger Paul und Massimo an. „Er hat einen Schock!“ brüllte Paul zurück, „er bewegt sich einfach nicht und reagiert auch auf nichts!“. Einer der Pfleger kam herbeigelaufen, packte Massimo und warf ihn sich über die Schulter. Paul eilte den Pflegern, und vor allem Massimo hinterher. Paul hatte Angst. Was würde Massimo den Pflegern erzählen, was würden Claudia und Petra sagen wenn sie die Pfleger mit Massimo und ihm dahinter gleich am Sammelpunkt sehen würden? Er fluchte innerlich mit sich selbst. Weshalb hatte er das scheiß Kondom überhaupt über die Bürste gezogen, weshalb hatte er sich überhaupt diesen dummen Scherz ausgedacht. Alles was heute passiert war, war allein seine Schuld.

Angst

Claudia und Petra hatten es sich gerade im Fernsehraum bequem gemacht. Die beiden liebten diese Talentshows über alles. Claudia unterhielt sich über Petra angeregt darüber wer ihrer Meinung nach heute ins Finale kommen könnte und wer im Anschluss daran zum Gewinner gekürt werden wird. Eine Pflegerin, welche ihre Passion teilte, gesellte sich zu ihnen und bot ihnen Popcorn an. Eigentlich ist es dem Pflegepersonal ja untersagt irgendwelche Lebensmittel mit den Patienten zu teilen. In diesem Fall aber nachdem sie nur zu dritt waren und sich bereits ein wenig besser kannten, ging dies aber in Ordnung meinte die Pflegerin als sie Claudia‘s skeptischen Blick sah. Gerade als das Intro der Show zu Ende war, ging der Feueralarm los. Claudia und Petra fluchten. „Die machen allen Ernstes JETZT um diese gottverdamte Zeit einen Probealarm?“ fragte Claudia die Pflegerin leicht angesäuert. „Nicht, dass ich wüsste. Normalerweise werden Probealarme bei der Dienstübergabe erwähnt.“ antwortete diese leicht besorgt. „Ich befürchte, dies ist echt. Wir sollten sofort raus hier und uns zum Sammelpunkt begeben. Geht schon mal vor, ich muss noch vom Stützpunkt die Patientenlisten holen.“ Claudia und Petra taten wie ihnen geheißen und verließen den Raum und schlossen sich dem Strom der Patienten an.


Claudia fragte den Ein oder Anderen am Weg nach unten ob jemand etwas bemerkt hatte und ob jemand Rauch gerochen habe. Petra hingegen hielt Ausschau nach Massimo und Paul. Als sie fast am Sammelpunk angekommen waren, fragte Petra die Personen in ihrer unmittelbaren Umgebung ob jemand die Beiden irgendwo gesehen habe. Nein, niemand konnte ihr zum Verbleib der beiden etwas sagen. Petra sah Claudia etwas besorgt an. „Die werden schon noch kommen, sind ja noch nicht alle draußen“ versuchte Claudia sie und auch sich selbst zu beruhigen. „Ich habe Paul das letzte mal am Nachmittag in der Kraftkammer gesehen.“ sagte Micha zu Petra gewandt, „aber das ist auch schon Stunden her. Er wollte denke ich noch in die Sauna, so wie meistens nach dem Training.“. Petra stutzte, wieso Sauna? Der wird doch nicht nach dem Essen noch irgend einen Scheiß mit Massimo abgezogen haben, ich bring ihn um, dachte sie und malte sich bereits die schlimmsten Szenarien aus.

Die letzten kamen aus dem Gebäude, es waren Andreas und seine zwei Begleiter. „Claudia, findest du es nicht auch merkwürdig, dass ausgerechnet diese 3 Hohlbirnen als letzte raus kommen?“ fragte Petra. „Nein, wieso? Vielleicht waren sie grade am Klo oder duschen als der Alarm losging.“ erwiderte Claudia. „Ich weiß nicht, ich finde das verdächtig.“ - „Du findest alles verdächtig, Petra. Das nennt man schizoide Paranoia, deswegen bist du hier.“ gab Claudia unverblümt zurück. „Ich nehme Tabletten dagegen.“ verteidigte sich Petra. „Was nichts daran ändert, dass du in deinen Gedankenmustern dennoch gerne in diese Richtung tendierst. Erinnerst du dich, als du letztens deine Zahnbürste nich gefunden hast und meintest der Geheimdienst habe sie gestohlen um deine DNA zu bekommen? Letzten Endes hast du sie im Waschraum vergessen. Also bitte, komm wieder runter.“ sagte Claudia zu ihr und hielt jetzt ebenfalls Ausschau nach Massimo und Paul. „Die Pflegerin von vorhin fehlt zum Beispiel auch noch.“ ergänzte sie.


Aufstellen bitte. Immer 4 Leute hintereinander. Rechts die Frauen, Links die Männer. Nicht bummeln, meine Herrschaften.“ rief die Stationsleiterin durch ihr Megaphon. „Wir müssen die Anwesenheitskontrolle durchführen womöglich noch bevor die Feuerwehr eintrifft.“ Langsam setzten sich der chaotische Haufen aus Menschen in Bewegung. Die beiden Pfleger und hinten nach gleich Paul kamen gerade zu der Gruppe geeilt. „Diese Beiden hier haben wir noch auf der Toilette gefunden, Frau Trassler. Der da sagt, dieser hier habe einen Schock.“ berichtete der Pfleger welcher Massimo trug an die Schichtleiterin gewandt während er zuerst auf Paul zeigte und dann mit der Schulter auf der Massimo hing zuckte. Frau Trassler bedeutete dem Pfleger er solle Massimo auf eine der Parkbänke in der Nähe der bereits formierten Gruppe setzen und Paul, dass er sich hinstellen solle. „So meine Damen und Herren, jetzt werde ich die Anwesenheit kontrollieren. Ich rufe jetzt ihre Namen auf und sie werden ihren Arm deutlich nach oben strecken und mit einem lauten ‚Ja‘ antworten.“ verkündete Frau Trassler erneut durch ihr Megaphon. Als sie Massimo‘s Namen aufrief, dieser aber nicht reagierte, meldete sich Paul stattdessen und erklärte ihr, dass Massimo wohl immer noch unter Schock stünde.


Petra sah Claudia mit einem bedeutsamen Blick an. „Siehst du, ich sagte dir doch, da stimmt was nicht! Weswegen sollte Massimo einen Schock haben, wenn nicht durch irgend eine Aktion von Paul?“ flüsterte sie Claudia zu. „Vielleicht durch die lauten Sirenen?“ flüsterte diese zurück. „So ein Blödsinn, hörst du dir manchmal selber zu? Kein Mensch bekommt einen Schock durch Sirenen.“ erwiderte Petra. „Natürlich, du weißt nicht was er erlebt hat. Es ist bewiesen, dass Menschen die zum Beispiel in einem Kriegsgebiet gewohnt haben sehr wohl durch das Geräusch einer Sirene traumatisiert sein können und dieses Geräusch dieses Trauma erneut hervorrufen kann.“ gab Claudia als Antwort. Petra schnaubte und gerade als sie erneut etwas sagen wollte, wurde sie von der Schichtleiterin unterbrochen. „Meine Herrschaften, bitte beruhigen sie sich. Es kann nicht mehr all zulange dauern.“ Paul versuchte indes sich unauffällig in Massimo‘s Richtung zu beugen. „Hey Massimo, bitte sag doch irgendwas“ flüsterte er ihm zu. Keine Reaktion. „Massimo, es tut mir leid, es war meine Schuld. Ich hätte dir diesen Streich mit dem Kondom nicht spielen dürfen. Bitte, sag doch endlich etwas.“ versuchte Paul es erneut. Nichts, kein Blinzeln und auch sonst kein Anzeichen, dass er ihn überhaupt Wahrgenommen hat. Paul beobachtete Massimo eindringlich, versuchte Blickkontakt mit ihm herzustellen, aber Massimo sah einfach mit glasigem Blick durch ihn hindurch. Nach weiteren erfolglosen Versuchen irgendwie mit Massimo zu kommunizieren gab Paul es schließlich auf und stellte sich wieder gänzlich in die Gruppe.


Nach 20 Minuten kam endlich der Einsatzleiter zu Frau Trassler und erklärte ihr, dass es kein Feuer gab und dass Jemand wohl den Feueralarm manuell ausgelöst haben muss. Frau Trassler sah einmal zu Massimo und Paul hinüber während der Kommandant mit ihr sprach. Dies entging natürlich Petra nicht welche dies sofort Claudia mitteilte und hinzufügte, dass es wohl etwas mit den Beiden zu tun haben muss. Wahrscheinlich war sogar Massimo derjenige der aus Panik vor Paul den Alarm ausgelöst hat. Claudia hörte ihr nicht mehr zu, sie mochte Petra zwar sehr, aber wenn sie begann mit ihren ‚Miss Marple Theorien‘ loszulegen wurde es ihr meistens zu bunt. In den letzten 4 Monaten gab‘s laut Petra bestimmt 4 Anschläge auf das Leben von irgendwem, mindestens 7 Schwangerschaften und bestimmt an die 10 Liebschaften zwischen Pflegepersonal und Patienten. Frau Trassler verkündete indes, dass die Patienten jetzt geordnet wieder das Gebäude betreten dürfen und sich danach sofort alle in ihre Zimmer zurückzuziehen haben. Sämtliche weiteren Abendaktivitäten werden heute nicht mehr stattfinden. Sehr zum Unmut von Claudia, die hoffte, dass Petra eventuell still sein würde wenn sie das Finale noch zu sehen bekommen würden. Dies würde eine anstrengende Nacht werden, seufzte sie in ihren Gedanken.


Als Paul nicht so recht wusste ob er Massimo alleine hier sitzen lassen sollte oder bei ihm bleiben und recht unentschlossen hin und her tänzelte, kam Frau Trassler auf die beiden zu. „Meine Herren, sie beide wurden in der Toilette aufgefunden von welcher der Alarm ausgelöst wurde. Dürfte ich erfahren wer und vor allem weshalb sie den Knopf gedrückt haben?“ fragte sie mit dem Blick einer Schuldirektorin welche gerade zwei Schüler bei einem sehr bösen Streich aufgegriffen hatte. Massimo rührte sich immer noch nicht. Sie sah jetzt Paul direkt in die Augen, nun dann erklären Sie mir bitte was vorgefallen ist. „Nun Frau Trassler, es war so, ich habe merkwürdige Geräusche aus der Toilette gehört, lief daraufhin zum Stützpunk wo aber niemand war. Also ging ich zurück zur Toilette und sah nach was los war. Dann fand ich meinen Zimmerkollegen erstarrt drinnen stehen, ich weiß nicht was da drinnen los war und ob davor jemand bei ihm war oder nicht. Als ich den Raum betrat war nur mehr er drinnen und stand wie angewurzelt da. Ich wollte mehr Licht machen und hab dabei anscheinend mit der Hand statt des Lichtschalters auf den Feueralarm gedrückt. Ich weiß, dass das unverantwortlich war, es hätte nicht passieren dürfen. Ich weiß wieviel Unannehmlichkeiten dies jetzt für alle hier bedeutet hat. Es tut mir unendlich leid. Ich übernehme dafür auch die Volle Verantwortung.“ erklärte Paul.

Frau Trassler sah ihn prüfend an. Würde sie ihm das abkaufen? Zufällig aus versehen den Feueralarm gedrückt? Hätte er ihr die Wahrheit sagen sollen? Dann hätte er aber auch von dem Kondom erzählen müssen und warum Massimo es überhaupt bei sich hatte. „Sind Sie sicher, dass dies genau so geschehen ist?“ fragte sie leicht ungläubig. „Ja absolut, Frau Trassler. Genau so ist es passiert. Wenn er reden könnte würde er es ihnen sicher bestätigen.“ gab Paul zurück und merkte, wie seine Handflächen feucht wurden. Frau Trassler schien fürs erste zumindest keine Indizien für eine gegenteilige Geschichte zu haben, also erlaubte sie Paul, dass er nun ebenfalls auf sein Zimmer gehe. Indes instruierte sie einen Pfleger, Massimo mittels eines Rollstuhls zurück ins Gebäude bringen. Er würde die Nacht wohl unter ärztlicher Aufsicht verbringen müssen, erklärte Sie dem Pfleger. Paul begleitete den Pfleger und Massimo solange bis sich ihre Wege trennen mussten, da sich die Station zur ärztlichen Überwachung ein Stockwerk unter jener befand wo Paul‘s Zimmer angesiedelt war.


Paul saß gerade auf seinem Bett und grübelte über Massimo nach. Würde er auspacken? Würde er jemandem die Wahrheit erzählen? Hatte er gehört welche Geschichte Paul Frau Trassler erzählt hat und ihn decken? Es war ihm sehr unwohl. Grade als er versuchen wollte zu schlafen, obwohl es eigentlich viel zu Früh war, kam Petra ins Zimmer geplatzt. „Du! Was hast du ihm angetan? Los! Sag schon! Ich weiß, dass du dahinter steckst.“ schrie Petra ihn an. „Ich stecke tatsächlich dahinter, ich hab den Feueralarm ausgelöst um ihn vor Andreas und seinen Idioten zu retten.“ gab Paul kleinlaut als Antwort. „Was? Feueralarm um ihn zu retten? Was redest du für einen Unsinn, das glaubt doch kein Mensch. Du warst es, du hast ihm irgendwas angetan und er hat in seiner Panik den Feueralarm gedrückt, wars nicht so?“ bohrte Sie energisch weiter. „Petra, du sollst doch im Zimmer bleiben!“ murrte Claudia entnervt als sie ebenfalls das Zimmer von Paul betrat. Er war leicht genervt. „Ich hab echt keine Lust auf eine Pyjamaparty mit euch.“ sagte er mit leicht bitterem Ton. Claudia schaute ihn verwundert an und fragte ihn was los sei. „Er war es, er hat es grade zugegeben, er hat den Feueralarm gedrückt!“ rief Petra aufgeregt. „Petra, entweder du gehst jetzt auf der Stelle, nimmst dir ein Glas Wasser, setzt dich hin und beruhigst dich erstmal oder ich ruf die Stationsleiterin, dass sie dich mit Beruhigungsmitteln nieder spritzen. Such‘s dir aus.“ sagte Claudia zu Petra und sah sie vernichtend an.


Petra gehorchte, sie setzte sich auf Massimos Bett und trank ihr Wasser aus einem der Pappbecher die beim Waschbecken hingen. „Also, was ist jetzt genau passiert, Paul“ fragte Claudia. „Dieser Andreas, er hat Massimo in der Toilette fertig gemacht. Ich habs durch Zufall gehört als ich am Weg in unser Zimmer war und bin hinein. Ich konnte es aber nicht mit allen dreien aufnehmen also hab ich den Feueralarm gedrückt damit sie abhauen.“ erklärte Paul. Petra verschluckt sich beinahe an ihrem Wasser als sie was einwerfen wollte, jedoch bedeutete Claudia ihr mit einem Blick jetzt besser nichts zu sagen und setzte das Gespräch mit Paul fort. „Das heißt also du hast ihn da drinnen gefunden, in diesem Zustand? Was haben die gemacht mit ihm als du reinkamst? Das letzte mal als Massimo so verstört war, war der erste Tag als er hier angekommen ist nachdem er festgestellt hatte, dass es wie im Gefängnis sei“ Paul sah Claudia nicht an. „Sie haben ihn festgehalten und … mit einem Kondom vor seinem Gesicht herumgespielt. Einem benutzten Kondom.“ erklärte er ihr weiter. Claudia sah ihn leicht angewidert an. „Es war von mir“ sagte Paul und senkte den Blick. „Ich habe ihn damit heute Früh ärgern wollen und er hat‘s anscheinend nicht einfach weggeworfen sondern behalten. Und als er es dann irgendwann entsorgen wollte kam Andreas dazu und hat ihn damit erwischt und das zum Anlass genommen ihn zu traktieren.“ sagte Paul kleinlaut.

Du bist echt der dümmste der Dummen Idioten hier drinnen“ fuhr Claudia ihn an und gab ihm eine Ohrfeige. „Was zum Teufel stimmt nicht mit dir? Was hast du überhaupt damit bezweckt? Weißt du, ich dachte bis jetzt du seist ganz Okay bis auf deine gelegentlichen Späße, aber jetzt weiß ich echt nicht was ich davon halten soll.“ Paul reagierte nicht. „Ich überlege echt ob ich dich nicht Melden werde, das weißt du hoffentlich. Andere Patienten so zu Quälen geht echt zu weit.“ fuhr sie fort. Paul hob langsam seinen Blick und sah Claudia an. „Dann musst du Andreas und seine Gang auch gleich Melden.“ sagte er mit dünner Stimme. „Das ist mir bewusst. Keine Sorge.“ zischte sie. „Gibt es vielleicht noch etwas, was ich wissen sollte? Heute in der Küche vielleicht?“ fragte sie ihn mit kaltem Blick. Paul erschrak. „Was? Küche? Was meinst du?“ fragte er sie panisch. „Als ich heute in die Küche kam, wart ihr Beide in der hintersten Ecke und beim Spülbecken lag eine Fleischergabel am Boden. Das ist auch nicht gerade eine normale Szene für eine Küche.“ antwortete Claudia.

Nun also… Wir hatten einen kleinen Streit und es könnte sein, dass ich ihn provoziert habe und er vielleicht nach der Gabel gegriffen hat und als er damit Gestikuliert hat, is sie ihm aus der Hand gefallen.“ log Paul. „Mehr war da nicht.“ fügte er noch hinzu. Claudia verzog das Gesicht, „das soll ich dir glauben?“ Paul zuckte mit den Schultern, „so war es. Mehr war da nicht, ehrlich.“ Das Signal welches ankündigte, dass die Zimmer in 10 Minuten geschlossen wurden, rettete Paul vor weiteren Fragen. „Das Thema ist noch nicht durch, Paul“ sagte Claudia als sie Petra am Oberarm schnappte und mit sich bei der Tür raus zog. Das befürchtete er auch. Er legte sich auf sein Bett und hörte wie die Tür verschlossen wurde. Es dauerte eine Ewigkeit bis er endlich irgendwann einschlafen konnte. Zu viele Gedanken plagten ihn. Er hatte Angst, was wäre wenn Massimo den Kuss erwähnen würde. Oder, dass er von Paul in der Nacht mal berührt wurde. Paul konnte echt in Teufels Küche kommen, wenn Massimo alles erzählen würde was Paul ihm so angetan hatte. Gut er könnte zwar nichts davon wirklich beweisen aber durch sein Geständnis gegenüber Claudia und Petra wäre alles was Massimo erzählen könnte auf einen Schlag bedeutend glaubwürdiger. Seltsamer weise verletzte es ihn jetzt sogar wo drüber nachdachte was schon Massimo so alles durchmachen musste, durch und wegen ihm. Irgendwann, nach einigen Stunden des Grübelns, versank er endlich in einen sehr unruhigen Schlaf.


Alles ist verschwommen, unscharf und die Welt bewegt sich wie in Zeitlupe. Einzelne Farben und Lichtpunkte erscheinen immer wieder und verblassen in diesem Gemisch von Artefakten und Formen. Was ist los, wo bin ich, was geschieht mit mir, bin ich tot, sterbe ich gerade, ist das überhaupt alles real? Die Fragen schwirren nur so durch Massimo‘s Kopf während er bemerkt, dass sein Körper sich bewegt. Es ist aber nicht er selbst der ihn bewegt, das kann er ausschließen. Was war noch mal geschehen? Was ging hier vor? Er versucht einen klaren und schlüssigen Gedanken zu fassen und ihn zu ende zu denken. Manchmal half es wenn er das Alphabet durchging und für jeden Buchstaben ein Wort suchte welches seine Wahrnehmung beschreibt. A-Andreas, B-Beklemmend, C-Chaotisch, D-Desorientierung, E-Ekelhaft, F-Falsch, G-Gewalt, H-Hände, I-Irrsinn, J-Jammerlappen, K-Kampf, L-Laut, M-Männer, N-Nass, O-Ohrenschmerzen, P-Paul, Q-Quälen, R-Resignieren, S-Sirene, T-Türe, U-Umgedreht, V-Verlassen, W-Waschen, X, Y, Z-Zerren. Für X und Y ist ihm aber noch nie was brauchbares eingefallen. Es half tatsächlich, er merkt wie er sich langsam beruhigte.


Der Strom an Farben und unscharfen Formen nimmt langsam ab. Er realisiert wie seine Atmung wieder regelmäßiger und tiefer wird. Er wurde getragen, die Luft wurde kühler, sein Gesicht fühlte sich klamm an. Er überlegt wie er in diese Situation gekommen ist, wie er auf die Schulter dieses Mannes gekommen ist. Er saß mit Claudia beim Essen, das wusste er noch. Der Tag war merkwürdig, das konnte er auch noch mit Sicherheit sagen. Er hatte einen merkwürdigen Traum, aber er konnte nicht mehr genau sagen worum es ging. Paul kam darin vor, daran konnte er sich auch erinnern. Sie waren Kollegen, oder so etwas ähnliches. Beim Gedanken an Paul sprangen ihm ein paar Worte in sein Bewusstsein: Kartoffelschalen, Kühlschrank, Tot, Haarbürste, Mörder, Sexualität. Er verstand aber nicht was das alles miteinander zu tun haben soll. Paul ist sein Zimmergenosse, das wusste er mit Sicherheit. Er wusste aber nicht was er mit Paul anfangen sollte, dessen war er sich auch gewiss. Paul ärgert ihn die ganze Zeit, auch das konnte er mit Sicherheit sagen. Es war Abends, er sitzt draußen im Innenhof. Langsam kam seine Orientierung auch wieder zurück. Er wurde von einem Pfleger hergetragen und auf eine Bank gesetzt, genau.


Während er die Menschengruppe vor sich betrachtet hört er wie eine Frauenstimme, unnatürlich laut, etwas verkündet. Frau – Claudia ist eine Frau, wo ist Claudia? Er war doch mit ihr gemeinsam beim Essen. Er versuchte also sich die Szene in seinem Kopf erneut abzurufen. Er war es, der Claudia gefragt hat ob sie mit ihm Essen will, es war untypisch für ihn so etwas zu fragen. Warum hat er Claudia das nochmal angeboten? Therapiegruppe, er hat etwas in der Therapiegruppe gesagt und wurde dafür bestraft. Deswegen wollte er mit Claudia etwas besprechen, es ging um menschliches Verhalten oder so ähnlich. Er hat ihr etwas mit einem Auto erklärt, richtig, Autos kamen vor. Fuhr Paul mit einem Auto? Wieso musste er jetzt an Paul denken? Hat er mit Claudia über Paul gesprochen? Was hat sie ihm gesagt, oder was hat Paul gesagt? Paul – er will etwas von mir, er spricht mich an, er beugt sich zu mir rüber. Er sagt, dass es ihm leid tut, was tut ihm leid? Was für ein Kondom? Er hat kein Kondom, er hatte so etwas noch nie, er benutzte so etwas nicht. Paul sah ihn an, er starrte förmlich, was wollte er? Nebensächlich, ich war gerade dabei herauszufinden was beim Essen passiert ist. Claudia hat sich mit mir unterhalten, richtig. Das Essen war ekelhaft, er hatte nicht aufgegessen. Er hat den Speisesaal mit Claudia zusammen verlassen als Paul ihn betreten hatte. Paul sah fertig aus, er vermied es Claudia oder ihn anzusehen. Er wollte uns ausweichen, er hat sich in einer Gruppe von Menschen versteckt. Die Szene endet.


Der Gang, er benutzte den Gang und stattete der Bibliothek einen Besuch ab. Bücher, ganz viele Bücher, er wollte etwas nachschlagen, er wollte ein Buch lesen. Er suchte bei den Büchern rund ums Thema ‚soziales Verhalten‘ nach etwas, er wusste aber nicht nach was, er hatte kein Wort dafür um es zu beschreiben. Er hat sich ein Buch genommen und sich in die Leseecke gesetzt, an der Schnur gezogen, das Licht angemacht. Er hat das Buch durchgeblättert. Gespräche, Körpersprache, Smalltalk, einzelne Sätze aus dem Buch kamen in seiner Erinnerung hoch. Smalltalk war es, wenn man über etwas belangloses sprach lautete eine Erklärung. Er wird häufig dazu benutzt um mit jemandem den man nicht so gut kennt ein Gespräch zu beginnen. Claudia machte Smalltalk beim Essen, das war es also. Er versuchte sich vorzustellen wie das Essen verlaufen wäre, wenn er ‚Smalltalk‘ benutzt hätte. Was hätte er zu ihr sagen sollen? Der Löffel ist zu flach, oder das Essen ist sehr würzig? Ein Beispiel in diesem Buch skizzierte eine Szene in einem Lokal, ein Abendessen, es wird über den Geschmack des Weines gesprochen. Für ihn schmeckt Wein einfach süß, sauer oder ekelhaft. Er hat noch nie Blumen oder ähnliches darin feststellen können. Vielleicht war seine Zunge ja defekt? Er bemerkte wie spät es schon war, er spürte, dass seine Blase sich gefüllt hatte und er noch aufs WC gehen wollte bevor er auf sein Zimmer ging. Warum war es Spät? Es war gerade mal 8 Uhr abends. Er hatte doch nichts mehr vor gehabt soweit er wusste. Dennoch erinnerte er daran, dass ein Verlangen da war, welches ihm ins Zimmer zog. Das Buch würde er mitnehmen, er könne dann im Bett noch etwas mehr recherchieren.


Er ging mit dem Buch in seiner Hand zu seinem Zimmer. Er realisiert, dass Paul mit der lauten Frau spricht, er erzählt ihr etwas über eine Toilette und sagt meinen Namen. Das Ergibt aber keinen Sinn, ich war schon auf der Toilette, nach der Bücherei, mit dem Buch, drehten die Gedanken sich in seinem Kopf. Der Pfleger kommt und setzt mich in einen Rollstuhl, ich werde schon wieder extern bewegt. Paul verfolgt mich. Ich mag es nicht, wenn man mich anfasst oder mich bewegt. In seinem Kopf blitzt ein Bild von ihm auf, wie er von zwei gesichtslosen Menschen festgehalten wird, jemand steht vor ihm, es werden Fotos gemacht. Das Bild verschwindet aber so schnell wie es aufgetaucht war. Wie ging es also weiter nach der Bibliothek? Ah, auf dem Weg zu seinem Zimmer nahm er die erste Toilette die er finden konnte, er benutzte sie, er legte das Buch auf den Spülkasten, erledigte sein Geschäft, spülte, nahm es wieder in die Hand, verließ die Kabine, legte das Buch am Rand des Waschbeckens ab, wusch sich die Hände, nahm ein Papierhandtuch.

Papierhandtuch – jemand hat an ihm mit einem Papierhandtuch herum gewischt. Es war schmierig und nass. Er mochte es nicht. Er war hilflos in dieser Situation, dieses Bild blitzte vor seinem geistigen Auge kurz auf nur um sofort wieder zu verschwinden. Er nahm das Buch vom Waschbecken und ging zu seinem Zimmer. Er legte das Buch auf sein Bett. Er setzte sich auf sein Bett, nahm das Buch und suchte die Stelle über Smalltalk. Etwas spürte er in seiner Hosentasche. Er Griff hinein. Es war etwas weiches, elastisches. Er zog den merkwürdigen Ballon heraus, er war durchsichtig und mit etwas weißem gefüllt. Ekel, er ekelte sich davor. Er wollte dieses Ding wo hin bringen. Warum hatte er es in der Tasche, wieso musste er an Paul denken während er es betrachtete? Vielleicht weil er Paul ekelhaft fand? Ekelhaft, richtig, Paul hat heute ins Waschbecken gepisst, das fand er auch Ekelhaft. Er stand auf und ging mit dem Ding in seiner Hand auf die nächstgelegene Toilette. Er musste sich die Hände waschen, das war ekelhaft. Wo soll er das ekelhafte Ding hinwerfen? In den Mülleimer dürfen nur Papierhandtücher geworfen werden. Er hielt es unschlüssig in der Hand. Wenn er sich jetzt die Hände wusch und das Ding anschließend anfassen würde, müsse er sich die Hände erneut waschen. Er könne das Ding in ein Papierhandtuch einwickeln und so wegwerfen, dann sieht man es nicht. Er nahm ein Papierhandtuch, drehte das Wasser auf und machte das Papierhandtuch nass damit es sich besser zusammendrücken lässt.


Paul folgte ihm nicht mehr, der Pfleger ist mit ihm alleine unterwegs. Unwohlsein macht sich in ihm breit. Liegt es an der Erinnerung oder am Pfleger? Andreas war das, Andreas ist in die Toilette gekommen und hat ihn gesehen, erneut blitzt ein unscharfes Bild kurz in seinem Geist auf. Der Pfleger öffnet eine Tür und schiebt ihn in den Raum. Angst legte sich in diesem Moment um seine Gedanken, Panik blockiert ihn. Tür. Was war mit dieser Tür? Paul hatte auch eine Tür aufgemacht und sich an ihr festgehalten. Paul hatte Angst. Warum hatte Paul Angst, vor wem hatte Paul Angst. Hatte Paul Angst vor ihm, er stand alleine in diesem Raum, er war immer alleine. Die Panik, die in ihm hochkam, färbte alles in seinem Kopf grau. Er spürt wie sein Körper auf ein Bett gelegt wird. Es war ein anderes Bett als jenes auf dem er sonst schlief. Es war härter. Der Pfleger zog ihm sein Oberteil aus. Etwas kaltes berührte für einige Sekunden seine Brust. Nein! Nicht die Hose! Er schrie, aber seine Ohren konnten seine eigene Stimme nicht hören.


Der Pfleger konnte ihn allem Anschein nach auch nicht hören. Keine Reaktion auf den Protest. Er schämte sich, es war ihm unangenehm von dem Mann so gesehen zu werden. Er bemerkte wie seine Augen leicht flimmerten und übermäßig feucht wurden. Der Pfleger schien es jedoch nicht zu bemerken, er drehte sich um, griff in einen der Kästen und nahm etwas heraus. Es war ein Nachthemd, eines jener Dinger mit offenem Rücken. Der Pfleger hebt meinen rechten Arm und zieht ihn durch das Kleidungsstück, anschließend das gleiche mit dem linken Arm. Danach hebt er meinen Oberkörper an, stützt mich mit einem seiner Arme und zieht mit der andren Hand die Enden des Nachthemds nach hinten. Er berührt meinen nackten Rücken. Ich mag das nicht, mag es nicht, lass mich, brülle ich ihn an. Wieder keine Reaktion. Der Pfleger legt mich vorsichtig wieder ab und zieht seinen Arm unter meinem Genick hervor.

Genick – Paul hat mich am Genick berührt, warum hat er das getan? Es hatte etwas mit dem Kühlschrank zu tun. Wollte er mich in einen Kühlschrank drücken und dort einsperren? Der Pfleger nimmt eine Klemme mit einer Schnur und setzt sie auf meinem Finger, es drückt leicht, es ist unangenehm, die Klemme leuchtet eigenartig. Das erkannte er, als Kind hatte er so etwas schon einmal gesehen. Es hatte etwas mit Blut zu tun. Er versuchte auf den Namen der Klemme zu kommen, es war schwierig. Seine Gedanken waren immer noch von einem dichten grauen Nebel umschlossen. Endlich verließ der Pfleger den Raum. Endlich war er alleine. Jetzt könne er endlich weiter nachdenken was geschehen war, warum er hier war, wo er war. Jemand betrat den Raum, es war den Umrissen zufolge eine Frau. Er spürte wie sein Arm angehoben wurde, und ein kurzes schmerzendes Gefühl sich in seiner Armbeuge ausbreitete. Die Frau sagte etwas von Schlafen. Schlafen würde auch gut tun, überlegt er kurz. Die Frau betrachtete irgendetwas Helles hinter ihm an der Wand. Nach einigen Minuten spürte er wie seine Atmung langsamer und sein Körper schwerer wurde. Es fühlte sich beinahe so an als würde die Matratze ihn verschlingen. Er merkte noch wie etwas über ihn gelegt wurde, es war etwas weiches, warmes. Es war angenehm. Es war etwas Positives und Entspannendes was jetzt seine Gedanken erfüllte. Das Letzte was in seinem Kopf noch kurz aufflackerte, war ein Bild von Paul‘s Gesicht, ganz nah an seinem. Dann schlief er ein.


Die Ärztin stand noch eine Weile vor dem Bett, in dem Massimo gerade einschlief, und betrachtete den Bildschirm mit den Daten des Pulsoximeters. Sie verfolgte wie seine Herzfrequenz langsam abfiel. Der Pfleger, welcher ihn auf die Station gebracht hatte, informierte sie vorhin, dass das Herz des Patienten regelrecht raste. Sie habe darauf hin beschlossen Massimo ein Sedativum und Muskelrelaxans zu verabreichen. Sie wollte lieber auf Nummer sicher gehen, er solle genügend Schlaf bekommen und die Gefahr von eventuellen Herzkomplikationen sollte ausgeschlossen werden können. Sie kannte Massimo von früher schon. Er wurde einmal, vor ein paar Monaten, auf ihre Station geschickt nachdem er seiner Therapeutin erklärte, er könne nicht einschlafen solange jemand im Bett über ihm lag. Er müsse die ganze Zeit darüber nachdenken, was dieser Mensch alles mit ihm anstellen könne wenn er schlief. Damals behielt sie ihn eine Nacht unter Beobachtung und schickte ihn am darauf folgenden Tag mit einer Verordnung, worin sie ihm schwach wirkende Schlaftabletten verschrieb, wieder zurück. Die Tabletten halfen ihm zwar beim Einschlafen, waren aber nicht stark genug um ihm selbst bei Überdosierung ernsthaft schaden zu können.


Andreas lag hellwach in seinem Bett und ärgerte sich vor sich hin. „Was ist denn? fragte Christian ihn langsam genervt von seinen Lautäußerungen. „Geht dich ‘nen feuchten Dreck an. Kümmer‘ dich um deinen eigenen Scheiß, Christian.“ murrte Andreas zurück. Christian ballte die Fäuste. Er hätte gut Lust, Andreas endlich mal die Meinung zu geigen, vor allem wenn seine Bodyguards mal nicht in der Nähe waren. „Dann hör endlich auf damit unverständlich vor dich hin zu murren“, antwortete er säuerlich. „Is‘ ja schon gut, penn einfach.“ murmelte Andreas. Es machte ihn rasend was vorhin in dieser Toilette passiert ist. Er dachte immer Paul sei ‚einer von Ihnen‘. Was dachte sich dieser kleine Arschficker nur dabei, sich neuerdings für diesen Spassten stark zu machen? Er selber lässt doch auch keine Gelegenheit aus ihn zu quälen, überlegte er. Er werde Paul definitiv noch eine Abreibung verpassen, soviel ist sicher. Er duldete es nicht, dass man ihn so bloßstellte und seine Autorität untergrub. Auch seiner Ehefrau musste er dies des öfteren erklären. Bei dem Gedanken daran wurde er unruhig und lächelte selbstzufrieden. Es machte ihn regelrecht geil als er an ihre Schreie dachte. Sonja hatte ihn angefleht aufzuhören, aber warum hätte er das tun sollen? Er spürte deutlich wie sein Schwanz langsam anschwoll.

Er stellte sich vor wie er damals in der Küche saß und auf seinen Kaffee wartete. Er hatte Sonja eine einfache Anweisung gegeben, wenn er Heim kam haben Kaffee und Zeitung am Tisch zu sein. Während er sich entspannte, durfte sie sein Abendessen zubereiten. Eigentlich nicht zu viel verlangt von einer Ehefrau, war dies doch auch der Grund weshalb er sie geheiratet hat. Ficken konnte er sowieso an jeder Straßenecke, irgend eine Schlampe war immer willig. An diesem Tag hatte diese Fotze weder den Kaffee noch die Zeitung vorbereitet. Sie habe sich nicht gut gefühlt, war ihre Ausrede. Andreas zeigte ihr natürlich sofort was echte schmerzen waren und schlug ihr mit dem Handrücken ins Gesicht. Es war ein schönes Gefühl, sein Handrücken kribbelte danach so herrlich. Als er an den Ausdruck in Sonjas Gesicht zurückdachte, konnte er nicht anders als seine Hand in seine Hose zu schieben und langsam seinen Schwanz zu reiben. Er hatte heute zwar mehrmals gewichst, aber diese Erinnerungen machten ihn einfach zu sehr an.

Auch musste er an diese angsterfüllten Augen dieses Spassten denken als er ihm das Sperma aus dem Kondom ins Gesicht tropfen ließ. Es war der gleiche Gesichtsausdruck, die gleiche Angst, was er bei Sonja auch immer gesehen hatte wenn er sie schlug. Sein Penis zuckte bei diesen Gedanken mehrmals. Seiner Frau stiegen auch oft die Tränen ins Gesicht. Er setzte sich damals also an den Küchentisch und wartete, dass die dumme Hure ihm seinen Kaffee servierte. Er ahnte, dass dies noch anstrengender Feierabend werden würde. Als der Kaffee endlich fertig gekocht war, fragte Sonja ihn allen ernstes ob er Milch holen könne, es sei keine mehr im Kühlschrank. Das war zu viel, er ging schließlich Arbeiten, sie hatte ja den ganzen Tag um sich des Haushaltes anzunehmen. Eigentlich eine sehr einfache Aufteilung. Und dann schaffte diese Fotze es nichtmal genügend Milch vorrätig zu haben. Andreas stand auf, packte Sonja am Handgelenk und zog sie aus der Küche. Sie ahnte vermutlich schon was jetzt folgen wird, denn sie weinte und schrie und flehte ihn an es nicht zu tun. Sie würde sich sofort anziehen um zum Laden zu fahren und Milch kaufen gehen, es tue ihr unendlich leid. Er ignorierte sie, seine Hand wie ein Schraubstock um ihr Handgelenk gelegt, zog er sie ins Schlafzimmer und warf sie vor sich aufs Bett. Damals wurde sein Schwanz auch richtig hart, erinnerte er sich zufrieden und massierte sich zärtlich seine Eier.


Er dachte daran zurück wie er sie auf den Rücken gedreht hatte und ihr 20 Ohrfeigen verpasste, zehn Links und zehn Rechts. Einmal musste er abgerutscht sein denn irgendwann fing ihre Lippe an zu bluten. Das störte ihn aber nicht, sie werde dennoch seinen Schwanz sauber lecken wenn er mit ihr fertig war. Sonja weinte und zappelte und wehrte sich anfänglich sogar noch, aber sie hatte keine Chance. Er hat sich auf ihren Brustkorb gesetzt und ihre Arme mit seinen Knien fixiert. Er öffnete seinen Reißverschluss und zog seinen Schwanz heraus um ihn ihr vor die Nase zu halten. Sie wollte den Kopf wegdrehen aber das ließ er nicht zu, er schlug ihr mit der Faust auf ihr dummes Maul und gab ihr zu verstehen wenn sie seinen Prügel nicht augenblicklich lutschen würde, bräuchte sie mehr als nur Make-Up um ihr Gesicht wieder in der Öffentlichkeit zeigen zu können. Sie gehorchte, sie nahm schluchzend seinen Penis in den Mund und begann ihn zu befriedigen. Er grunzte zufrieden und stieß sein Teil tief in den Rachen worauf hin sie zu Husten und Würgen begann. Er schlug sie erneut und sagte ihr, dass er das Recht auf einen ordentlichen Blowjob habe und sie sich nicht so anstellen solle. Andreas merkte wie bei dieser Erinnerung sein Glied ordentlich feucht wurde, er verrieb den ganzen Vorsaft mit seiner Hand und verteilte ihn auf seinen Hoden. Christian dürfte schon eingeschlafen sein und bekam von Andreas‘ Handlungen nichts mit. Und selbst wenn, es war ihm egal, er gab sich völlig seiner Geilheit hin.


Sonja hatte es noch nicht verstanden, er musste ihr zeigen wer der Mann in diesem Haus war. Er erhob sich von ihr, drehte sie um und zog ihre Jogginghose mitsamt der Unterhose herunter wodurch ihr entblößter Arsch zum Vorschein kam. Er spuckte ihr zwischen die gespreizten Arschbacken und schob mit roher Gewalt zwei Finger gleichzeitig in ihr viel zu enges Arschloch. Sie wimmerte und schrie vor Schmerzen wodurch er noch fester zustieß. Er nahm einen dritten Finger dazu und dehnte ihr das Loch auf. Entweder es würde zerreißen oder nicht, es war ihm egal. Als Sonja sich irgendwann nicht mehr wehrte sondern still ihre Tortur über sich ergehen ließ, zog er seine Finger aus ihrem Loch und benutzte stattdessen seinen immer noch harten Prügel. Er rammte ihn bis zum Anschlag rein, zog ihn raus und wiederholte das ganze mehrmals wobei er genau darauf achtete wie jedesmal ihr gesamter Körper zusammenzuckte. Nichts konnte ihn mehr halten, bei dieser Erinnerung wie er sie brutal in den Arsch fickte begann sein Schwanz mehrmals heftig zu zucken und katapultierte in mehreren Schüben eine beachtliche Menge Sperma heraus. Er verrieb es in seiner Hose und wischte die letzten Reste an seiner Hand noch in sein Oberteil bevor er anschließend zufrieden und glücklich einschlief.

Die helfende Hand

Am nächsten Morgen, die Nacht gestaltete sich außerordentlich kurz für sie, öffnete Claudia gequält ihre Augen. Petra hatte sie gefühlt die ganze Nacht niedergeredet und wollte mit ihr ‚das Thema Paul‘ durchgehen. Irgendwann, es musste so gegen 5 Uhr gewesen sein, ist Claudia dank ihrer Erschöpfung dann endlich eingeschlafen. Claudia überlegte kurz ob sie Petra jetzt wecken sollte, so als Retourkutsche für diese Folter durch Schlafentzug. Besser nicht, dachte sie sich, ansonsten würde Petra‘s Geschwafel sofort weitergehen. Was werde sie nun unternehmen? Den Vorfall mit Paul und Andreas der Anstaltsleitung melden? Es war eine Art der Folter was diese Männer Massimo angetan hatten, soviel stand fest. Paul und ein ‚Mann‘, dies passte irgendwie nicht, sie sah ihn nicht als ‚Mann‘, eher als eine Art Sohn. Es trennten sie zwar nur 13 Jahre, dennoch empfand sie das Verhältnis zu ihm stark durch Mütterlichkeit und Fürsorge geprägt. Was machte man also mit einem Sohn der so eine Scheiße gebaut hat? Hausarrest konnte sie ihm ja schwer auferlegen, ebenso wie Fernseh- oder Handyverbote hier auch nicht in frage kamen. Eine Ohrfeige hatte sie ihm zwar bereits gegeben, aber dies war nicht wirklich die Art der Strafe nach der sein Verhalten verlangte. Bei Andreas hatte sie hingegen keine Gewissensbisse ihn zu verpfeifen aber dabei würde sie unweigerlich auch Paul in die Sache mit hineinziehen. Verdammte Zwickmühle, ärgerte sie sich und gab ein genervtes Seufzen von sich.


Der Lattenrost über ihr knarzte, anscheinend war Petra soeben wach geworden. „Claudia? Schon wach?“ flüsterte Petra aufgeregt. Claudia antwortete nur mit einem undefinierbaren und lustlosen brummen. Sie wollte sich Petra‘s hektisch dargebotenen Theorien nicht erneut anhören. „Konntest du denn schlafen?“ fragte Petra während sie herzhaft gähnte und sich aufsetzte. „Einigermaßen zumindest.“ erwiderte Claudia knapp während Petra indes begann angeregt herumzukramen. Claudia fragte Petra was sie denn so dringend suche, worauf Petra irgendetwas von einem Buch murmelte. „Sag Claudia was ist jetzt, wie soll das weiter gehen? Wirst du Paul wenigstens verpfeifen? Das was er uns da gestern erzählt hat, geht eindeutig zu weit!“. Claudia verdrehte die Augen. „Hör zu Petra, ich weiß es nicht. Prinzipiell geb ich dir recht, er hat sich wie ein gottverdammter Idiot benommen, dennoch ist es Paul. Wir kennen ihn beide schon lange und selbst wenn er sich zeitweise wie ein pubertierendes Kind benimmt, ist er doch im Grunde genommen kein schlechter Mensch. Hast du vergessen wie er dich, als es dir wegen deinen Medikamente nicht so gut ging, gedeckt hat als ihr zusammen Wäschereidienst hattet?“. Petra begann stotternd „J-j-a i-ich weiß schon. A-aber wenn er Massimo so quält, fast schon misshandelt, dürfen wir das einfach nicht für uns behalten. Wenn du es nicht tust, werde ich es melden, i-ich lasse nicht zu, dass Massimo mit diesem Menschen weiterhin sein Zimmer teilen muss.“ Claudia kam eine Idee, vielleicht hatte Petra ja ausnahmsweise mal recht mit dem was sie sagte. Allerdings würde sie einen anderen Weg gehen als den offiziellen über eine Beschwerde. „Okay Petra, halt einfach noch bis morgen die Füße still. Ich werde die Sache regeln.“. Claudia war sich nicht sicher ob Petra diesmal ausnahmsweise den Mut aufbringen würde um sich offiziell an die Stationsleiterin zu wenden. Normalerweise musste Claudia immer als ihr Sprachrohr fungieren, aber aus irgend einem Grund schien bei allem was Massimo anbelangte die Sachlage eine andere zu sein.


Claudia begann mit ihrem Tagesritual. Zuerst duschen, einen Spaziergang im Innenhof, eine halb-legale Zigarette in der hintersten Ecke des Innenhofes und danach ab zum Frühstück. Lange würde sie dies sowieso nicht mehr tun können denn die Vorräte ihrer Zigaretten neigten sich langsam dem Ende zu. Als sie hier her kam war es noch legal und erlaubt zu rauchen, dann irgendwann hieß es das Gesundheitswesen müsse mit strahlendem Beispiel vorangehen. Es wurde ein Rauchverbot am gesamten Gelände verhängt. Die Patienten bekämen jedoch eine kostenlose Nikotin-Ersatztherapie falls sie dies wünschten. Als ob Claudia dies tun würde, was hatte man schon für einen großartigen Genuss von einem Pflaster am Oberarm oder der Arschbacke. Beim Frühstück sah Claudia sich um, kein Massimo, kein Paul. Massimo würde heute noch unter ärztlicher Aufsicht bleiben müssen schon klar, aber wo war Paul? Sie beendete ihr Frühstück und legte auf ihrem Weg zu ihrer Therapiesitzung noch einen kurzen Zwischenstopp beim Stützpunkt des Pflegepersonals ein.

Hallo, Guten Morgen! ‘Tschuldigen‘s die Störung Schwester Berta, aber könnten Sie mir vielleicht sagen ob ihre Kollegin die Schwester Annemarie heute wieder die Spätschicht hat?“ fragte Claudia höflich die etwas untersetzte ältere Dame die gerade den Medikationsplan durchging. Schwester Berta sah kurz auf, „Ah Claudia, wünsch‘ ihnen ebenfalls an guaden Moagen! Wie gehts ihna denn? I hob scho‘ ghört, gestern ging hier jo die Post ob!“, antwortete sie in ihrem freundlichen Dialekt. Do muass i jetzt nochschaun, ob‘d Annemarie heut kemmt“ ergänzte sie noch. „Huh ja, da haben‘s Recht Schwester Berta, gestern war ganz schön was los hier. Aus diesem Grund wollte ich auch mit der Schwester Annemarie noch reden weil‘s gestern Dienst ghabt hat und grade als wir uns das Finale der Talentshow anschauen wollten ging der Alarm los. Schrecklich sag ich ihnen. Meine Zimmerkollegin, die Petra war so hysterisch nachand weil sie ned erfahren hat wer ‘gwonnen hat. Die konnt‘ die ganze Nacht nimma schlafen“ lachte Claudia. „Oisdaun, d‘ Annemarie kommt heit auf‘d Nacht erst. Oba ich könnt ihnen auch sogn wer ‚gwunna hat.“, erklärte die Pflegerin. „Na lieber nicht, is lieb von Ihnen, aber ich denk die Petra wird mich schon aufklären sobald sie ihre Zeitungen glesen hat. Ich will meinen überraschten Gesichtsausdruck nicht verlieren wenn ichs dann erzählt bekomm. Aber danke für‘s Nachschaun, gellns! Ich wünsch ihna noch an schönen und ruhigen Arbeitstag, Schwester Berta, ich muss mich beeilen. Wissen‘s eh, die Gesprächstherapie is ja gleich.“ sagte Claudia mit einem freundlichen Lächeln auf dem Gesicht und verließ den Stützpunk. Berta rief ihr noch ein „Pfiat ihna Frau Claudia, hot mi gfreit!“ hinterher.


Claudia ging jedoch nicht zur Therapie, sie machte sich stattdessen auf den Weg zum Fitnessraum. Nicht gerade ihr persönlicher Lieblingsort hier denn es stank nach Schweiß und auf die Macho-Sprüche konnte sie auch verzichten. Sie hielt Ausschau nach Micha. Sie hatte Glück, dass er nicht grade irgendwo Arbeitsdienst verrichtete oder in einer Sitzung war. Sie bedeutete ihm, dass sie kurz mit ihm sprechen wolle woraufhin er schweißtriefend zu ihr kam. Mit einem kurzen Kopfnicken gab sie ihm zu verstehen, dass er ihr auf den Gang folgen sollte. „Micha, oder?“ fragte sie ihn höflich. „Ja? Und du bist…?“ fragte er und sah er sie schüchtern an. „Ach entschuldige, wo sind denn meine Manieren geblieben. Vermutlich noch im Bett.“ lachte sie, „ich bin Claudia! Eine gute Freundin von Paul und Massimo“ stellte sie sich ihm vor und streckte ihm die Hand entgegen. Er zögerte kurz, nahm sie dann doch und schüttelte sie. „Ah Claudia, freut mich. Paul hat dich mal kurz erwähnt. Was willst du von mir? Hast du Paul heute schon gesehen?“ begrüßte Micha sie „Nein hab nicht, ich weiß nicht was los ist mit ihm oder wo er steckt. Meine Hoffnung war, dass er vielleicht hier ist. Schade, werd ich wohl weiter suchen müssen. Du aber was mir gerade einfällt, weißt du zufällig wann Christian immer hier her ist?“ fragte sie unvermittelt? „Puh, soweit ich weiß, jeden zweiten oder dritten Tag, der hat da keinen fixen Rhythmus.“ antwortete er und sah sie fragend an. „Was willst du von Christian? Nicht sag, dass er mit seinem ‚bei den Chicks ankommen‘ am Ende sogar recht hatte und du ihm nachläufst?“ sagte er während er einen skeptisch grinsenden Blick aufsetzte. Claudia lachte auf, „Nein nein, keine Sorge, ich will nichts von ihm. Das heißt, ich will doch was von ihm und von dir genau genommen auch.“.

Micha grinste, „Uhhhh ein Dreier mit Chris und dir? Das könnte interessant werden!“ Claudia schlug sich die Hand auf die Stirn und seufzte. Wieso dachten Männer nur andauernd an Sex.Daraus wird nichts Kleiner, du könntest locker mein Sohn sein. Nein, es geht um was anderes. Paul steckt in gewissen Schwierigkeiten. Ich will dich nicht mit Details langweilen, aber kurz gesagt geht‘s darum, dass du mit Paul das Zimmer tauschst und Christian mit deinem Zimmergenossen. Sprich du würdest mit Massimo das Zimmer teilen und Paul mit Christian. Dein Mitbewohner würde dann zu Andreas wandern. Kannst du mir folgen?“ Micha stutzte, „Mein Zimmerkollege würde sich bestimmt freuen zu Andreas zu kommen, aber wieso sollten Paul, Massimo und Christian da einwilligen? Und wieso sollte ich da mitspielen?“ fragte er skeptisch. „Wie gesagt Micha ich will die Details nicht genau erläutern, aber es geht im Großen und Ganzen um etwas das Paul ausgefressen hat wodurch er Gefahr läuft offiziell angeschwärzt zu werden.“

„Wenn du und Christian einverstanden wärt, könnte ich das vermutlich in die Wege leiten.“ fügte sich noch hinzu. Micha überlegte kurz, sein jetziger Mitbewohner war sowieso nicht der angenehmste Zeitgenosse. Massimo war hingegen soweit er wusste, ein eher ruhiger Mensch der froh war wenn man ihn in Ruhe ließ. Auch er zog es auch vor ‚sein Ding‘ machen zu können und dabei in Ruhe gelassen zu werden. „Okay, also ich hab keine Einwände, aber Christian musst du überzeugen, ich misch‘ mich da nicht ein.“ antwortete er. „Gut passt, darum kümmere ich mich noch. Aber jetzt muss ich los, bin schon wieder zu spät dran.“ sagte sie zu ihm und machte sich hastig auf den Weg da ihre Therapiestunde bereits begonnen hatte.


Paul gestikulierte wild mit den Händen, Ach kommen sie schon, nur 5 Minuten. Ich verspreche auch, dass ich ihn nicht aufregen werde!“. „Nein! Ich hab ihnen bereits mehrmals erklärt, er befindet sich noch nicht in einem stabilen Zustand um ihren Besuch empfangen zu können. Außerdem sind wir hier kein Krankenhaus wo einfach mal eben irgendwer auf Besuch kommen kann wann es ihm beliebt.“ beharrte die Stationsleiterin. „Ich bin nicht irgend jemand, ich bin sein Zimmerkollege und ein Freund“ raunzte Paul sie an während er versuchte seinen liebsten, nettesten, freundlichsten und treuherzigsten Blick aufzusetzen. Frau Trassler resignierte langsam, dieser Patient kostete sie bereits eine Stunde ihrer kostbaren Zeit. Die Stationsschwester hatte sie zuvor Informiert, dass ein Patient seit fast 2 Stunden am Eingang zur medizinischen Station wartete und darauf beharrte mit ihr zu sprechen. „Hören Sie, wenn die Ärzte das OK geben, kommt er sowieso wieder zurück in sein Zimmer und damit zu ihnen. Dann haben sie genug Gelegenheit sich mit ihm zu unterhalten. Bis dahin bitte ich sie sich zurück auf ihre Station zu begeben und ihren Tätigkeiten nachzugehen. Ansonsten werde ich disziplinäre Maßnahmen ergreifen müssen.“ sagte Frau Trassler bestimmt und sah ihn genervt an. Er erwiderte ihren Blick mit einem leisen Anflug von Angriffslust. „Ich kann ihnen nur sagen, dass es ihm soweit gut geht und keine Lebensgefahr oder ähnliches besteht, und er bestimmt heute noch oder spätestens morgen Früh wieder zurückgeschickt wird. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen“ fuhr sie in einem sanfteren Ton fort. Er resignierte und verabschiedete sich knapp von Frau Trassler während er im Zeitlupentempo die medizinische Abteilung verließ. Es besorgte ihn schlichtweg und er wollte wissen wie es Massimo ging. Ob er sich an etwas von dem erinnern könne was gestern vorgefallen war. Ausnahmsweise ging es nicht darum ihn zu ärgern, Paul war wirklich und ernsthaft besorgt. Auch wenn er es nie zugeben würde, außer vielleicht unter Folter, aber ab und zu war er doch auch ein liebevoller Mensch. Allerdings gab er diese Seite von sich nur in den seltensten Fällen preis. ‚Folter‘ - bei diesem Wort, musste er innerlich schmunzeln, es war aber tatsächlich wie eine Art der Folter für ihn als er Massimo in der Toilette vorgefunden hat. Was er beim besten Willen nicht beantworten konnte war aber, warum es ihm so weh tat Massimo leiden zu sehen. Er wusste nur, dass er es zwar genoß Massimo zu ärgern, es aber überhaupt nicht mitansehen konnte wenn jemand anderer dies tat.


Paul begab sich direkt zu seiner Schicht beim ‚Putztrupp‘. Das Frühstück hatte er verpasst, besser gesagt ausfallen lassen, und im Grund genommen störte es ihn nicht. Er war sowieso nicht hungrig. Es war Massimo der ihm förmlich wie ein Stein in seinem Magen lag. Während er also seine Arbeit verrichtete dachte er immer wieder an die gestrigen Ereignisse. Was würden Claudia und vor allem Petra unternehmen jetzt wo sie einen Großteil der Wahrheit kannten. Petras Drohung beängstigte ihn jetzt umso mehr. Er hätte wohl doch zum Frühstück gehen sollen, dann hätte er vielleicht mit den Mädels reden können, kreiste es in seinem Kopf während er die Gemeinschaftsdusche der Männer schrubbte. Das wäre wohl die logischere Entscheidung gewesen, aber es war eher Massimo‘s Art logisch zu handeln, Paul hörte da lieber auf sein Bauchgefühl - und dieses war es was ihn nunmal zur Krankenstation gezogen hatte. Er war sich jedoch nicht sicher warum, lag es nur an seinem schlechten Gewissen da die Geschehnisse mehr oder weniger seine Schuld waren? Oder an der Angst, dass seine restlichen Taten ans Tageslicht kommen könnten? Eine Mischung aus beidem? Der Stil des Wischmobs bog sich unter seinem Druck durch - er befand sich definitiv in einer angespannten Gefühlslage, wie seine Therapeutin dies auszudrücken pflegte. Sollte er mit seiner Therapeutin am Ende sogar darüber sprechen? Ungewiss wie sie darauf reagieren würde, einerseits stand sie unter Schweigepflicht, andererseits war sie auch den anderen Patienten gegenüber verpflichtet.


Als die Dusche fast glänzte setzte er die Reinigung am Gang fort. Zum Glück waren keine Leute weit und breit zu sehen, alle befanden sich irgendwo in Therapiestunden oder waren anderweitig beschäftigt. Er hatte irgendwie ein ungutes Gefühl, was wäre wenn er Andreas in die Hände laufen würde? Während des Putzens näherte er sich langsam der Toilette wo die Geschehnisse ihren lauf genommen hatten. Merkwürdige und unbehagliche Gedanken machten sich in ihm breit. Plötzlich fiel ihm ein wenn er mit Reinigungsdienst heute dran war, konnte er so zumindest das Kondom endgültig verschwinden lassen. Eilig betrag er die Toilette. Vor seinem geistigen Auge sah er erneut wie Massimo mitleidserregend dort stand. Wieder machte sich dieses beklemmende Gefühl in seiner Brust breit. Wenn er so drüber nachdachte, mochte er dieses Gefühl nicht sonderlich, es war beängstigend. Man konnte also sagen, Massimo berührte ihn auf eine ‚beängstigende‘ Art. Immerhin tat es ihm sogar körperlich weh, er verspürte also einen körperlichen Reiz als Reaktion auf seine Gefühle.

Merkwürdig war das schon, sonst war es eher umgekehrt und er brauchte körperliche Reize oder andere extreme Situationen um sich gewiss sein zu können, dass er noch was fühlte. Anders jetzt, Gefühle verursachten physische Reize in seinem Körper, etwas ungewohntes für ihn. Er suchte während er so nachdachte in den Papierkörben neben den Waschbecken nach und fand schließlich wonach er suchte. Ein leichter Ekel zuckte in seiner Magengegend als er den Gummi heraus holte und sein eigenes kaltes Sperma an den Fingern spürte. Er reinigte es im Waschbecken zusammen mit seinen Händen und entsorgte das Ding anschließend im Restmüllbehälter an seinem Aufwaschwagen. Damit war dieser schandhafte Beweis seiner Dummheit zumindest endgültig entsorgt. Paul setzte seine gewissenhafte Reinigung der Toiletten sowie des Bodens und der Waschbecken fort und machte sich im Anschluss auf zum nächsten Raum.


Claudia langweilte sich währenddessen in der Therapiesitzung. Sie konnte nicht bei der Sache sein da sich ihre gesamte mentale Energie auf das ‚Paul-Problem‘ konzentrierte. Das ein oder andere mal fragte sogar ihre Therapeutin nach warum sie sich heute so untypisch zurückhaltend verhielt. Das Liebste wäre ihr gewesen einfach alles erzählen zu können was gerade in ihrem Kopf vorging, dies war jedoch keine Option. Sie wusste, dass die Therapeuten die Anweisung von Frau Trassler hatten, schwerwiegende Vergehen insbesondere wenn sie zu lasten anderer Patienten gingen, unverzüglich zu melden waren. Annemarie hatte ihr dies im Vertrauen einmal erzählt da Annemarie es als moralisch sehr fragwürdig empfand die ärztliche Schweigepflicht auszuhebeln. Claudia konnte beide Seiten verstehen und in manchen Fäll wäre es ja sogar angebracht. Schließlich sollten die Patienten sich erholen und das Funktionierte nur wenn man sich auch sicher fühlte. Was Claudia außerdem noch stark beschäftigte war das merkwürdige beharren Petras. Eines nach dem anderen“ murmelte sie wortlos zu sich selbst. Hier Licht ins Dunkle zu bringen stand als nächstes auf ihrer ToDo-Liste, ein Problem nach dem anderen. Sie war sehr froh dank ihrer Verhaltenstherapie gelernt zu haben sich selbst Prioritäten zu setzen und nach diesen zu handeln. Früher war dies nicht nicht der Fall und stellte ein riesiges Problem dar, nicht zu wissen wo sie anfangen sollte. Letztendlich führte es dann dazu, dass am Ende gar nichts mehr geschah. Wirklich gar nichts, sie ging nicht mehr zur Arbeit, vernachlässigte ihren damaligen Partner, ihre Sozialkontakte und einfach alles - ein Teufelskreis. Ganz schlimm wurde es dann, als sie auch nicht mehr auf Briefe und Rechnungen reagierte. Irgendwann nahm das Chaos überhand und sie wurde von mehreren Gläubigern verklagt. Da sie jedoch vom Gericht als nicht zahlungsfähig eingestuft wurde musste sie hier in therapiegestützte Haft. Im Gegenzug stimmten die Gläubiger zu ihre Schulden teils zu erlassen sowie die Rückzahlung aufzuschieben bis sie wieder einer geregelten Arbeit nachgehen könne.


Ihre Sitzung war zu Ende und Claudia begab sich erneut auf die Suche nach Christian. Wen sie stattdessen unverhofft am Gang traf, war Paul. „Hey Paul!“, rief sie ihm entgegen. Sein Gesichtsausdruck erstarrte. „Ähm hallo, Claudia, wie äh, wie geht es dir heute?“ fragte er sie zögernd. „Mir gut, mehr oder weniger. Die Nacht war sehr, nun ja, nennen wir es kurz. Wie geht es DIR denn? Du siehst fertig aus.“ erwiderte sie mit sanftem Ton. „Nun…“, begann er stammelnd, „ich habe auch nicht sehr ausgiebig geschlafen. Vor allem aber sehr unruhig. Viel nachgedacht und so, weißt du.“. „Wo warst du denn heute beim Frühstück?“ fragte sie neugierig. Paul sah betreten drein, „Ich wollte Massimo besuchen, aber sie haben mich nicht zu ihm gelassen. Ich wollte mit ihm reden und mich entschuldigen. Und ihn fragen wie‘s ihm geht, und ob er sich an was erinnern kann. Und natürlich ob er mir böse ist“ erklärte er. Claudia sah ihm einige Sekunden schweigsam in die Augen. „Was ist? Überlegst du grade ob du mich verpfeifen wirst?“ fragte er sie resignierend. „Nein ich habe mich nur gefragt was deine Motive waren ihn zu besuchen. Seinetwegen oder Deinetwegen - Schuldgefühle oder Angst.“. Paul starrte traurig in Claudia‘s Richtung. „Paul, kannst du mir ehrlich und aufrichtig in die Augen sehen und versichern, dass du wirklich um IHN besorgt bist?“ fragte sie ohne den Blickkontakt zu unterbrechen. „Ja.“ sagte er knapp und sah sie bestimmt an. Claudia betrachtete ihn genau und überlegte kurz, er wirkte tatsächlich aufrichtig.

Gut. Ich glaube dir. Und ich habe bereits einen Plan wie wir dich und Massimo trennen. Ihr tut einander nicht gut, sein Verhalten ist ein andauernder Anreiz für dich ihn zu ärgern und du gibst dem Impuls dann jedesmal nach und quälst ihn. Das muss jetzt aufhören bevor noch mehr passiert. Ich habe bereits mit Micha gesprochen und Christian suche ich auch schon die ganze Zeit. Ich werde meine Kontakte spielen lassen um die Zimmeraufteilung dahingehend zu verändern so, dass du und er nicht mehr zusammen seid. Das wird euch beiden gut tun.“ erklärte sie ihm bestimmt. Sie versuchte die schärfe aus ihrer Stimme mit einem gütigem Blick, den normalerweise Mütter gegenüber ihren Kinder aufsetzen, etwas abzumildern. Paul sah sie ungläubig an, „W-was sagst du da? Mich und Massimo trennen? Micha? Christian? Was? Wie? Warum? Nein, ich … ich will nicht weg von ihm. Ich hab‘ doch gesagt ich werde mich bessern. Ich hab doch schon erklärt, dass ich aufhöre auf ihn zu ärgern. Wie soll ich dir das denn beweisen wenn ich ihn überhaupt nicht mehr sehen werde?“ sagte Paul verwirrt und wehmütig bei dem Gedanken nicht mehr mit ihm zusammen in einem Zimmer sein zu können.

Glaub mir Paul, es ist besser für euch beide. Ihr tut einander nicht gut. Akzeptier es einfach, ansonsten wird es zu ernsten Konsequenzen für dich kommen. Ich kann das ehrlich gesagt sowieso nicht ausschließen, denn wenn Massimo jemandem erzählt was passiert ist, hast du so oder so ein Problem. Wenn er sich nicht erinnern kann, was ich mir in diesem Fall sogar wünsche, müssen wir dennoch verhindern, dass ihr beide weiterhin zusammen seid. Sieh einfach das was da passiert ist als Warnung an.. Er nickte stumm und senkte seinen Blick. Gar keinen Kontakt mehr zu Massimo haben können schmerzte ihn. Ebenso wenn er sich vorstellte mit Micha oder Christian im Zimmer zu sein, dennoch widersprach er ihr nicht. Im Gegenteil, nach einer gefühlten Ewigkeit rang er sich dazu durch ihr zu antworten und meinte kleinlaut „Okay... Ich…“, begann er und änderte dann seinen Meinung und sagte schlicht „Du hast recht. Es wird das Beste sein.“. Eigentlich wollte er etwas anderes sagen, aber es hatte keinen Sinn jetzt mit Claudia sein Gefühlsleben durchzugehen.

Es fühlte sich aber alles andere als richtig an und schon garnicht als ob es das Beste wäre. Im Gegenteil, es fühlte sich total falsch an. Aber er musste sich geschlagen geben, Konsequenzen wie eine Verlängerung seines Aufenthaltes oder geschlossene Verwahrung wollte er auch nicht in kauf nehmen. „Weißt du wo ich Christian finden kann?“ fragte Claudia und riss ihn aus seinen Gedanken. Ich denke mal, der könnte eventuell beim Mittagessen sein. Es wäre jedenfalls an der Zeit.“ sagte Paul mit einem Anflug von Wehmut in seiner Stimme. „Ah, ja stimmt, dann werde ich dort weiter nach ihm suchen.“ sprach sie noch ihre letzten Worte bevor sie ihn dann kurzerhand stehen ließ. „Danke!“ rief sie noch, während sie schnellen Schrittes in Richtung des Speisesaals davoneilte. Paul stand immer noch regungslos da. Er fühlte sich gerade als hätte man ihm Verkündet, er ganz allein habe den Tot von zwei Duzend Welpen zu verantworten. Der Appetit jedenfalls war ihm erneut vergangen.


Im Speisesaal angekommen sah Claudia sich um. Wo war Christian nur. Ah, da - er saß mit Andreas am Tisch. Mist, vor Andreas wollte sie Christian nicht ansprechen. Nicht, dass der am Ende noch die Chance haben würde zu interveniert oder anderweitig dazwischenzufunken. Sie setzte sich, sobald sie ihr Essen geholt hatte, in die Nähe der Beiden um sie beiden besser im Auge behalten zu können. Irgendwie müsse sie Christian ein Zeichen geben oder anderweitig dafür sorgen, dass er mit ihr alleine ins Gespräch kommt. Ihr kam eine Idee, sie schnappte sich eine Serviette und borgte sich von einem der herumschwirrenden Pfleger einen Stift. ‚13:30. Nur du&ich. Innenhof, ganz hinten. Küsschen C.‘ notierte sie und faltete die Serviette anschließend sorgfältig zusammen bevor sie den Stift zurück gab und in Richtung von Christian und Andreas ging. Sie sah Christian mit einem verführerischen Lächeln an und ging mit vorgestreckter Brust auf ihn zu, beugte sich seitlich zu ihm runter und gab ihm ein kurzes Küsschen auf seinen Mund. Währenddessen drückte sie ihm die Serviette unauffällig in die Hand. So tief war sie also schon gesunken, irgendwelche Männer hier anzubaggern und das alles nur wegen Paul. Andreas riss die Augen auf und kommentierte mit einem, was er anscheinend für sehr männlich hielt, grunzendem Lachen die Szene. Er sagte irgendwas von ‚mit mir weitermachen‘ was Claudia aber nur bruchstückhaft wahrnahm. Christian hingegen war schlichtweg überrascht und wusste nicht wie ihm geschah. So wie sie erschien, verschwand Claudia auch wieder. In 30 Minuten würde sie dann wissen ob Christian ihrer Einladung folgen würde. Sie machte sich schon mal auf den Weg in den Innenhof denn jetzt würde sie erstmal eine Zigarette brauchen - ausnahmsweise ihre Zweite heute.


Christian hatte die Serviette bemerkt, er schaute verstohlen und las die Botschaft. War das wirklich geschehen? Hatte ihn gerade eine Frau in aller Öffentlichkeit angebaggert? Er musste unentwegt grinsen. Andreas konnte nicht umhin ihm gute Tipps zu geben, wie er sich am besten verhalten solle und wie er ‚die Alte‘ garantiert flachlegen könne. Christian hörte ihm aufmerksam zu, er war für jeden Tipp dankbar, immerhin hatte er noch nie großartig Glück bei den Frauen gehabt. Nach seinem Briefing durch Andreas und mit gestärktem Selbstbewusstsein machte er sich auf den Weg zu Claudia. „Erzähl mir dann ganz genau wie sich ihre Fotze anfühlt du alter Hurenbock!“ rief Andreas ihm noch hinterher was Christian mit einem dümmlichen Lachen quittierte. Er konnte es nicht glauben, er würde also endlich wieder mal mit einer Frau intim werden. Es war doch schon einige Zeit her seit er das letzte mal seinen Schwanz in der feuchten Lustgrotte einer Frau versenken konnte dachte er sich. Er konnte es garnicht erwarten und beeilte sich um seine ‚Zukünftige‘ nicht warten zu lassen. Dennoch musste er sich selbst immer wieder beruhigen um nicht schon alleine von dem Gedanken an das bevorstehende abzuspritzen. Er konnte bereits fühlten wie sein Schwanz leicht feucht wurde. Endlich im Innenhof angekommen hielt er Ausschau nach Claudia, das klar Denken fiel ihm zunehmend schwerer. Er fand sie schlussendlich in der hintersten Ecke auf einer Bank sitzend und hastete zu ihr. Voller sehnsüchtiger Erwartung fragte er sie „Na süße? Was tust du denn ganz alleine hier?“ und gab sich dabei betont lässig. „Nun, schön, dass du gekommen bist Christian. Ich wusste nicht wo und wann ich dich sonst alleine antreffen könnte.“ sagte sie, ohne auf seinen seltsamen Tonfall, welchen sie als Flirtversuch deutete, einzugehen. „Warum wolltest du mich denn alleine antreffen Zuckerschnecke?“ sagte er und zwinkerte ihr zu während er sich ihr näherte und anschließend auf ihre Brust starrte. Claudia ahnte schlimmes, es war vielleicht nicht der beste Einfall seine Aufmerksamkeit auf diese Art zu erregen, oder genauer gesagt ‚ihn‘ zu erregen. „Christian, du denkst bestimmt ich wäre auf Zweisamkeit aus, aber eigentlich...“ begann sie, wurde jedoch von ihm Unterbrochen, „Was heißt hier ich denke? Du hast mich doch gerade vorhin aufgegeilt!“ gab er entrüstet zurück. „Nun, also, es ist so, ich wollte mit dir etwas Besprechen, Paul betreffend.“ Christian schaute Claudia verwirrt und unsicher an. „Was hat Paul damit zu tun?“ fragte er skeptisch. „Also Christian, ich habe bereits mit Micha gesprochen, Paul steckt in Schwierigkeiten und ich habe einen Plan ihm zu helfen. Dafür brauche ich aber deine Hilfe.“ begann sie zu erklären. Christian unterbrach sie, „Was interessieren mich Pauls Schwierigkeiten?“ schnauzte er sie an.

Claudia seufzte, warum waren Männer nur so kompliziert. „Also, es geht darum, dass Paul etwas dummes getan hat, und ich verhindern möchte, dass er seine Dummheit wiederholt oder eine noch größere begeht. Aus diesem Grund habe ich mir überlegt, dass er mit dir in ein Zimmer ziehen sollte und Micha mit Massimo. Andreas bekommt einen seiner Kumpels ins Zimmer und alle sind Glücklich. Massimo und Micha kommen bestimmt gut aus und du kommst mit Paul ebenfalls gut aus soweit ich weiß.“ erörterte sie ihren Plan. Christian sah sie stirnrunzelnd an. „Was soll das heißen, ich komme gut mit Paul aus? Was hat er dir erzählt?“ bohrte er weiter. Claudia sah jetzt ihrerseits verwirrt drein, „Was genau meinst du? Er hat erwähnt, dass ihr euch sehr gut versteht und euch regelmäßig in der Sauna trefft.“ antwortete sie mit einem Anflug von Skepsis in ihrer Stimme. Christian wurde heiß, „Wir trainieren nur ab und an zusammen! Sonst nichts!“ sagte er knapp und spürte wie die Röte ihm ins Gesicht stieg. Das letzte betonte er für Claudias Geschmack etwas zu sehr, aber dafür hatte sie jetzt keine Zeit also setzte sie erneut an, „Also Christian, bist du dabei? Kann ich mit dir rechnen? Mein Plan steht und fällt jetzt mit dir“. „Also bei mir steht jetzt gar nichts mehr. Du bist eine typische hinterhältige Schlange, du setzt deine Weiblichkeit ein um Männer zu manipulieren!“ warf er ihr vor.

Dein fucking ernst? Ich setze meine Weiblichkeit ein um Männer zu manipulieren? Ich wusste nicht wie ich dir sonst mitteilen hätte können, dass ich mit dir reden möchte und das ohne, dass Andreas etwas mitbekommt und stutzig wird. Es tut mir leid wenn ich falsche Erwartungen in dir geweckt habe. Ich erwarte mir auch nicht, dass du MIR einen Gefallen tust aber vielleicht tust du es für Paul.“ gab Claudia sachlich von sich. Christian sah sie prüfend an. „Nun wenn du auch etwas für mich tust können wir darüber reden.“ er grinste schmutzig während er diesen Satz sagte. Claudia ahnte schon worauf das hinauslaufen würde. „Ich vermute ich weiß schon worauf du hinaus willst. Meinetwegen, ich gebe dir einen Handjob wenn du mitspielst.“ sagte Claudia und begann allmählich sich zu ärgern. Das hatte man also davon wenn man einem Freund helfen will. Christian lachte, „Wichsen kann ich alleine auch, da brauch ich dich nicht dafür.“ verkündete er. Sie verdrehte die Augen, jetzt musste sie sich doch tatsächlich auch noch erpressen lassen von diesem aufgeblasenen Idioten. „Gut ein wenig Mundarbeit, aber dein Schwanz muss gründlich gewaschen sein“ resignierte sie. Christian öffnete den Mund, sie unterbrach ihn aber sofort. „Ich weiß, dass du Andreas auch nicht sonderlich magst, also bitte stell dich nicht so an. Am Ende gewinnst du auch.“

Da hatte sie schon recht, dachte er und meinte „Gut, ein Handjob und du nimmst meinen Schwanz in den Mund. Dann bin ich mit deinem Plan einverstanden und wir sind quitt. Ahja noch was, eine Zigarette kannst du mir noch geben. Die brauche ich dann für danach, wenn du verstehst was ich meine.“ Claudia war genervt, sie hasste es wenn jemand so agierte und eine Situation für sich ausnutzte. Dennoch willigte sie schlussendlich ein denn sie hatte nicht vor es auf der stelle mit ihm zu treiben. Wenn er mal umgezogen war bestand immer noch die Chance sich da noch irgendwie rauszuwinden. „Deal.“ meinte sie schlicht. Christian war zufrieden, „Wann hast du Zeit?“ fragte er sie unvermittelt. „Zuerst der Umzug! Sonst machst du am Ende noch einen Rückzieher.“ setzte sie an und griff ihm zwischen die Beine. „Aber die Zigarette kannst du sofort haben.“ fügte sie hinzu. Christian nickte, „Gut dann gib die Kippe schon mal her. Ich halte mein Wort, keine Sorge. Ich hoffe du deines auch.“ sagte er in fast schon geschäftlichem Ton.


Claudia verabschiedete sich von Christian und machte sich auf den Weg zu ihrem Zimmer. Das alles nur um Paul aus der Klemme zu helfen. Niemals würde er ihr das gebührend danken können, davon war sie überzeugt. Jetzt würde sie am Abend nur mehr mit Annemarie sprechen müssen und ihr Plan würde aufgehen. Petra wartete bereits auf sie in ihrem Zimmer. Claudia ahnte schreckliches, entweder es ginge um das Finale der Talentshow – was sie im Moment überhaupt nicht interessierte – oder es ging erneut um Paul. In beiden Fällen hatte sie ungefähr gleich wenig Lust mit Petra zu diskutieren. Petra hielt eine Kette an der etwas kleines baumelte in der Hand. Claudia fragte sich, was das sei und wo sie das her hatte, beim ‚Einzug‘ wurden solche Gegenstände doch eigentlich beschlagnahmt. Sie nahm sich im Vorbeigehen noch einen Becher mit Wasser und setzte sich stöhnend auf ihr Bett. „Claudia. Ich muss mit dir reden.“ gab Petra ernst von sich. „Äh ja?“ stammelte sie verwirrt, „was gibts denn?“. Petra kletterte von Ihrem Bett und setzte sich neben Claudia, die dadurch sichtlich verwirrt war. „Was ist denn Petra?“ fragte sie. „Also. Vor 26 Jahren habe ich einen Fehler begangen“ begann Petra. „Nur einen?“ unterbrach Claudia sie scherzend.

Petra sah Claudia tief in die Augen, ihr war offenbar nicht zu scherzen zumute. „Ich spreche von jener Art Fehler den man als Frau gewöhnlich nur einmal im Leben begeht.“ setzte Petra ihre Ausführungen ernst fort. Claudia sah sie fragend an und verstand nicht ganz worauf Petra hinaus wollte, Petra hatte ihres Wissens nach viel Blödsinn begangen in ihrem Leben und war viel herumgekommen. „Also Claudia, das was ich dir jetzt erzähle muss unter uns bleiben. Unter allen Umständen. Versprichst du mir das bei deinem Leben?“ sagte Petra. Claudia schluckte, „Ja natürlich Petra aber was ist denn in Gottes Namen nur los?“ fragte sie die aufgelöste Frau neben ihr. Petra begann zu erzählen und hielt die Kette fest umschlungen:

Es fing alles damit an als ich mit fast 16 von daheim weg gelaufen bin. Meine Eltern waren wohlhabende angesehene Leute der Gesellschaft. Ich wurde von Anfang an in das gesellschaftliche Leben voll integriert. Manchmal kam es mir so vor als wäre ich ein Modeaccessoire meiner Mutter. Ich wurde herausgeputzt und hergerichtet wie ein Püppchen, musste zu jedem Gala-Diner erscheinen und mein Leben drehte sich nur um Prestige. Eines Tages, bei einem dieser Abendessen, lernte ich einen Jungen – er war vermutlich in meinem alter - kennen der sich augenscheinlich genau so langweilte wie ich. Wir beschlossen also uns davon zu schleichen und draußen Spaß zu haben. Als wir uns dann in irgend einem nahe gelegenen Park hingesetzt haben erzählte er mir ein wenig von sich. Er ging regelmäßig mit ein paar Freunden fort und feierte wilde Parties. Ebenso erzählte er mir auch wie toll es es fand Nächte lang unterwegs zu sein. Anfangs dachte ich er sei ein Angeber, denn mit 15 so ein Partyleben fand ich merkwürdig. Er bot mir aber an mich mal auf eine seiner Party‘s mitzunehmen. Ich willigte ein, sowieso in dem glauben, dass er übertreiben würde. Er regelte sogar alles mit seinen und meinen Eltern so, dass ich zu ihm auf Besuch kommen durfte und bei ihnen übernachten. Soweit so gut, da seine Eltern sowieso permanent im Stress waren um von Veranstaltung zu Veranstaltung zu hetzen bekamen sie nicht mal mit, dass sie an besagtem Tag nicht zuhause sein würden. Ich freute mich, endlich mal ein wenig Abenteuer dachte ich. Ich ging also an diesem Abend bzw. in dieser Nacht das erste mal mit ihm und seinen Freunden fort, es war eine heruntergekommene Gegend wo dieses Lokal war, nicht gerade das was ich bisher so kannte. Es störte mich aber nicht, im Gegenteil. In diesem Club wo wir die ganze Nacht verbrachten, lernte ich dann Fabrizio kennen. Er war ein hübscher, mitte 20 jähriger junger Mann mit mediterranen Wurzeln. Dunkle mittellange Haare, ein stück kleiner als ich und gut trainiert. Wie man sich einen Mann eben so vorstellt als junge Frau. Fabrizio handelte dort gerne mit Drogen denn was gab es schöneres für verwöhnte Kinder reicher Eltern als das verbotene Zeug zu probieren. Ich habe zuerst mit den leichten Dingen begonnen, hier mal ein Joint und da mal eine Ecstasy.

Nach einigen Monaten wo ich diesen Club dann immer wieder besucht hatte, fragte Fabrizio mich ob ich mal das Zeug der Großen testen möchte, er würde es mir sogar schenken. In der Euphorie meiner Gefühle, damals dachte ich noch Fabrizio hätte aufrichtige Gefühle für mich, willigte ich natürlich ein. Es war ein merkwürdiger Trip, aber es gefiel mir ihm zu gefallen. Die Dinge entwickelten sich, ich verbrachte immer mehr Zeit mit Fabrizio und brachte ihm das Geld meiner Eltern um weiter von ihm mit Drogen versorgt zu werden. Eines Tages kamen meine Eltern jedoch dahinter, dass ich heimlich Geld aus dem Safe nahm und stellten mich zur Rede. Als Strafe bekam ich Hausarrest und durfte meine neuen Freunde nicht mehr sehen. Getrieben durch meine bereits entstandene Sucht hielt ich es jedoch nicht aus. Damals dachte ich noch es wäre Fabrizio den ich vermissen würde, in Wirklichkeit waren es jedoch die Drogen. Ich tat also was mir damals logisch erschien, packte ein paar Dinge und das gesamte Bargeld von zuhause ein und verließ mein Elternhaus. Da ich natürlich nicht wusste wo ich hin sollte mit meinen 16 Jahren bin ich zu Fabrizio. Zuerst dachte er ich wolle nur mit ihm feiern, ich erklärte ihm dann was passiert war und, dass ich ihn liebe und jetzt endlich mit ihm zusammen sein kann. Zuerst gefiel ihm das noch, ich hatte ja Geld bei mir. Die Dinge entwickelten sich dann aber, mein Geld neigte sich dem Ende und ich konnte mir die Drogen nicht mehr leisten.

Er meinte dies sei kein Problem, ich könne das Zeug ja verkaufen und so meine Schulden bei ihm bezahlen. Das ein oder andere mal schenkte er mir auch eine Dosis und wir hatten Sex miteinander. Die Jahre vergingen, ich war mittlerweile so etwas wie seine Freundin. Mit 18 wurde ich dann schwanger von ihm was ich zuerst für mich behielt, da ich Angst hatte wie er reagieren könnte. Als ich es dann nicht mehr verbergen konnte gab es einen riesigen Streit und ich bin daraufhin zurück zu meinen Eltern. Sie waren aber nicht begeistert mich zu sehen, vor allem in diesem Zustand. Anscheinend dachten sie es ginge mir um mehr Geld. Ich fühlte mich zuhause noch fremder als jemals zuvor. Ich wohnte ein paar Wochen wieder in meinem alten Zimmer aber versuchte Fabrizio wieder zu beruhigen. Es gelang mir, und er willigte ein, dass ich wieder zu ihm ziehen dürfe. Überglücklich wieder mit ihm vereint zu sein zog ich natürlich wieder bei ihm ein, hielt aber den Kontakt mit einen Eltern. Fabrizio dachte wohl zu diesem Zeitpunkt, dass er als Vater des Kindes so an mehr Geld meiner Eltern kommen würde. Dem war aber nicht so, meine Eltern schenkten mir diese Kette hier zur Geburt meines Sohnes und gaben mir immer wieder kleine Aufmerksamkeiten und Kleidung aber nicht in dem Ausmaß welches Fabrizio sich erhoffte. Er stellte mich also vor die Wahl, entweder ich würde mit ihm zurück in seine Heimat, nach Italien gehen und das Kind irgendwo loswerden oder ich könne ja auch zurück zu meinen Eltern. Ich traf also die folgenschwere Entscheidung und ich ließ meinen Sohn zurück. Er war sowieso nur eine Last meinte Fabrizio und ich empfand es damals genauso. Ich konnte ihn aber nicht einfach irgendwo aussetzen so wie Fabrizio es vorgeschlagen hatte. Ich ließ ihn in einem Karton mit allem was meine Eltern mir für ihn geschenkt hatten und einem Brief auf ihrer Türschwelle stehen. Lediglich diese Kette hab ich mir behalten.“. Petra zeigte Claudia die Halskette. Auf einem runden kleinen goldenen Anhänger war der Buchstabe ‚M‘ eingraviert. dies hier trug Massimo um den Hals bevor ich ihn bei meinen Eltern abgelegt hatte. Es erinnert mich seit jener Nacht daran was ich getan habe. Das ist auch der Grund warum ich es nicht mehr ertragen habe mit anzusehen wie Paul ihn behandelt.“

Claudia‘s Augen wurden feucht als sie abwechselnd die Kette und Petra betrachtete, das Schmuckstück zitterte in Petras Händen. Claudia konnte nicht anders, sie schloß Petra in die Arme und beide Frauen begannen zu weinen. Nach ein paar Minuten als Claudia sich wieder gefasst hatte, meinte sie zu Petra „Wieso hast du das früher nie erwähnt?“. Petra sah sie schluchzend an. „Ich konnte nicht, es war mir peinlich was ich meinem eigenen Sohn angetan hatte. Ich war mir auch lange Zeit nicht sicher, ob Massimo wirklich mein Massimo ist. Es wurde mir klar als er vor ein paar Wochen erzählte, dass er mit seiner Familie mal in Italien auf Urlaub war. Er hat dabei das Verhalten meines Vaters so treffend beschrieben ebenfalls auch wie mein Vater meine Mutter immer nannte wenn er mal zu viel getrunken hatte und sie ihn bremsen wollte. Ich kenne sonst niemanden der seiner Ehefrau dann den Spitznamen ‚Satania‘ gibt. Ich wollte aber Massimo nicht damit überfallen, im Gegenteil es ist besser für ihn wenn er nichts davon erfährt wer ich wirklich bin.“.

Claudia sagte nichts drauf, sie hielt noch eine weile Petra‘s Hand und sie verbrachten so noch einige Minuten schweigend bis Claudia dann meinte sie müssen langsam zum Abendessen. Auch hier schwiegen sie die meiste Zeit. Lediglich Claudia wechselte ein paar Worte mit anderen Patienten, unter anderem auch mit Paul, dem sie erklärte er solle Petra und sie und heute besser in ruhe lassen. Paul sah zwar irritiert drein, tat aber was sie sagte und gesellte sich zu Micha. Nach dem Essen verbrachte Claudia noch einige Zeit mit Petra auf ihrem Zimmer und erfuhr noch einige Details von Petra‘s früherem Leben mit Fabrizio und, dass sie eigentlich Patricia hieß. Diesen Namen hatte sie aber abgelegt als sie Fabrizio endgültig verließ. Als die Nachtschicht begann suchte Claudia noch schnell den Stützpunk des Pflegepersonals auf und sprach mit Annemarie um die Zimmeraufteilung anzupassen. Sie achtete darauf, dass sie Annemarie nicht zu viele Details verriet, aber machte ihr klar, es besser wäre Paul und Massimo zu trennen. Annemarie willigte schließlich ein und meinte sie werde sehen was sie tun könne.

Überraschungen

Massimo fühlte sich schlichtweg kaputt. Er verbrachte jetzt einen Tag und zwei Nächte unter medizinischer Aufsicht. Gestern wurde er auf Herz und Nieren geprüft, ein EKG, ein EEG und ein Bluttest. Aus medizinischer Sicht war alles in Ordnung mit ihm. Das war doch immer schon so, dachte er sich genervt. Er durfte den ganzen gestrigen Tag nichts anderes machen als Fernsehen und im Bett liegen, dabei hatte er so viele Fragen in seinem Kopf denen es nach Klärung bedurfte. Klärung die ihm nur Claudia oder eventuell Paul liefern konnte. Wieso ist überhaupt niemand auf der Suche nach ihm gewesen? Gerade Claudia oder Petra hätte er gehofft kurz zu sehen. Tolle Menschen, echt. Vielleicht sollte er sie neu bewerten und zu ‚nerven mich‘ verschieben, ärgerte er sich. Die Ärztin welche ihn am ersten Tag das Schlafmittel verabreicht hatte, betrat den Raum. „Guten Morgen, wie geht es uns heute?“ fragte sie ihn freundlich. „Wie es ihnen geht kann ich nicht beurteilen, ich fühle mich gelangweilt und kaputt.“ antwortete er ihr mechanisch. „Ich wollte ihnen nur Bescheid geben, dass sie zum Frühstück bereits auf ihre Station zurück dürfen. Wir konnten nichts finden was ihnen fehlt. Sie sind medizinisch betrachtet Kerngesund.“ klärte sie ihn höflich auf. Sie war es gewohnt von ihm solche Antworten zu bekommen, er war einfach seltsam, dachte sie sich. Massimo erhob sich aus dem Bett, „Wo sind meine Anziehsachen?“ fragte er sie. „Sie bekommen neue, gehen sie einfach in den Waschraum und erledigen ihre Morgentoilette und ich lasse sie ihnen bringen.“. „OK.“, sagte er und nickte zustimmend. Er ging in den Waschraum, ließ sich aber viel Zeit und begann mit Zähne putzen. Er mochte nicht wenn vielleicht jemand rein kommen und ihn nackt sehen würde. Keine zwei Minuten später kam tatsächlich ein Pfleger und brachte ihm eine Garnitur neuer Klamotten. Massimo versperrte daraufhin das Badezimmer des Krankenzimmers und begann sich zu duschen. Er genoß es sehr alleine duschen zu können und nicht mit irgendwelchen Idioten die Dusche teilen zu müssen. Gut 40 Minuten verbrachte er unter dem angenehm heißen Wasser und wusch sich ausgiebigst an jedem einzelnen cm seines Körpers. Irgendwie fühlte er sich schmutzig, wusste aber nicht genau warum.

Es war schon einige Zeit her, seit er das letzte mal an sich herumgespielt hat - in der Gemeinschaftsdusche ging das ja nicht. Er würde nie, so wie ‚der Wichser‘, vor allen anderen so etwas tun. Also begann er damit langsam seinen Penis zu massieren und glitt immer wieder über seinen Sack. Er schloss seine Augen und versuchte an etwas schönes und entspannendes zu denken. Er stellte sich vor wie ein Mädchen mit langen blonden Haaren, blauen Augen und wunderschön prallen Lippen nackt vor ihm Stand. Wie sie an ihren Brüsten zärtlich herumspielt und immer wieder ihre Vagina streichelte. Sie lächelte ihn an und bedeutete ihm, er solle doch eine Hand auf ihre Brust legen. Er stellte sich vor wie es sich anfühlen musste über ihre prallen Titten zu streicheln und mit seinem Zeigefinger an ihren harten Nippeln herumzuspielen. Irgendwie jedoch wollte sein Schwanz nicht so richtig hart werden. Er massierte direkt seine Eichel und das Bändchen unterhalb ganz sanft. Irgendwie nützte auch das nichts, sein Penis spielte nicht mit. Es wunderte ihn schon ein wenig, normalerweise half das immer wenn er sich auf diese Art anfasste. Erneut schloss er seine Augen und versuchte sich das Bild der Frau wieder ins Gedächtnis zu rufen. Zack – es durchfuhr ihn wie ein elektrischer Schlag. Das Bild der Frau in seinem Kopf wurde zu einem Bild von Paul der sich nackt in der Gemeinschaftsdusche neben ihm duschte. Angewidert hörte er auf sich zu befriedigen. Nicht mal in seinen Gedanken hatte er mittlerweile vor Paul Ruhe. Ein Grund mehr endlich mit ihm zu reden, offensichtlich beschäftige sich sein Gehirn so sehr mit Paul, dass er sich nichtmal mehr das Bild einer Frau vorstellen könne wenn er sich einen runterholen wollte. Frustriert ließ er es bleiben beendete seine dusche und zog sich an. Vielleicht hätte er ja nach dem Frühstück die Gelegenheit kurz in ihrem Zimmer mit Paul zu sprechen.

 

Beim Frühstück angekommen wurde ihm wieder bewusst wie gut es ihm eigentlich gestern erging. Keine Menschen, kein Lärm und Frühstück im Bett. Als er gerade seinen Kaffee trinken wollte, kam eine ältere fette Frau zu ihm. Berta hieß sie, zumindest war er sich ziemlich sicher, für ihn war sie die ‚alte fette Pflegerin die mich nervt‘. Berta lächelte ihn breit und freundlich an, er hingegen überlegte ob sie wohl Hunger habe und wolle ihn aufessen wolle. „Jo guadn Moagn Massimo, sans oiso wieda zruck von da Med. Wie geht‘s ihna denn?“ sagte sie strahlend vor guter Laune. Massimo irritierte das, warum war die alte so freundlich zu ihm? Generell, warum war die alte überhaupt immer so freundlich? Konnte sie nicht einfach nur sagen was sie von ihm wollte? „Mir geht es gut, danke. Was wollen sie von mir?“ fragte er sie in seinem normalen sachlichen Ton. „Oisdann, jetzt wo‘s wieda bei uns herobn san, hob i fantastische Neiigkeitn. Sie kriagn a neigs Zimmerl, is des ned grandios?“ lächelte Berta unbeeirrt weiter. Massimo‘s Züge erschlafften, es fiel allerdings nicht weiter auf da er davor schon nicht wirklich von seiner Mimik gebrauch machte. Was sollte daran Grandios sein? Ein neuer Prolet mit dem er sich nun ärgern musste. „Und warum?“ fragte er sie genervt. „Des weiß i leida a ned, wissens. I hob nua vorhin in da Früh von da Frau Trassler an Schrieb kriagt, dass a Neiaufteilung vo de Zimman gibt, wissen‘s? Hängt woascheindlich mit de Renovierungsorbatn zaumman, gellns. Sie sand jetzan mitn Micha beinanda, do hobn‘s ihr neiches Oambandl wo‘s draufsteht gellns. erklärte Berta lächelnd. Massimo merkte wie er langsam wütend wurde, dieses dämliche Grinsen der fetten Kuh nervte ihn. Er versuchte sich zu beruhigen. „Aha.“ sagte er nur griff sich das Armband, wandt sich wieder seinem Kaffee zu und ließ Berta einfach stehen ohne sie eines weiteren Blickes zu würden. Berta verließ daraufhin sichtlich irritiert den Speisesaal aber dachte sich, das würde wohl am Aufenthalt auf der medizinischen Abteilung liegen.

Massimo überlegte kurz wer dieser Michal nochmal war, er hatte den Namen schon mal gehört, vermutlich hatte Paul ihn mal erwähnt. Ob Paul dahinter steckte? War Micha vielleicht ein Handlanger von Paul oder von diesem Andreas? Es behagte ihm nicht, soviel stand fest. Als er so in seinen Gedanken versunken war, setzte sich Claudia zu ihm. „Ja sieh einer an, wie geht es dir? Wie war der Tag Erholungsurlaub gestern?“ Massimo hob die Augenbraue. „Na wie schon, langweilig aber besser als das hier. Das Essen ist zwar genauso beschissen, aber immerhin keine Idioten rund um mich.“ sagte er zu ihr. Claudia verzog den Mund. „Ich hoffe du meinst mit Idioten nicht mich Freundchen, sonst haben wir ein Problem!“ antwortete sie und ihr Mund formte ein Lächeln. „Wir haben sowieso ein Problem, oder ich zumindest. Die alte fette Kuh war gerade bei mir und sagte ich solle in ein neues Zimmer. Mit einem Micha oder so. Weißt du was das soll? Wieso werde ich verlegt? Hat Paul damit was zu tun?“ fragte er leicht genervt.

Claudia setzte ein verlegenes Lächeln auf und hantierte mit ihrem Kaffee herum. Massimo sah sie ungeduldig an. „Weißt du jetzt was oder nicht?“ raunzte er sie an. „Nein, ich weiß auch nur dass ein paar Verlegungen stattgefunden haben sollen bei den Männern. Ich vermute mal, das hat was mit den Renovierungsmaßnahmen zu tun, du weißt doch noch das Plakat was ich dir erzählt habe.“ sprudelte es aus ihr heraus. Massimo seufzte, „Ach ja stimmt. Da war ja was mit einem Plakat, ich weiß schon, du hattest dich noch aufgeregt, dass du nicht mit der Wäscherei-Tussi ins Zimmer wollen würdest sondern glücklich damit bist allein mit Petra zu sein.“ spulte er den Satz monoton ab. Claudia war erleichtert, er hatte ihren Anflug von Schuldgefühlen nicht bemerkt. „Richtig, genau!“ brabbelte sie während sie einen Schluck Kaffee trank. Massimo war mit dem Frühstück fertig und dachte sich er müsse noch irgendwas zu Claudia sagen, da war ja das ‚Smalltalk-Thema‘ gewesen, erinnerte er sich.

„Also Claudia, sehen wir uns heute Nachmittag wieder in der Küche?“ fragte er sie etwas offensichtliches, obwohl er genau wusste, dass heute wieder Küchendienst eingeteilt war. Claudia sah ihn überrascht an, „Na klar, das weißt du doch?“ sagte sie, „was haben dir die da unten denn Angetan, wenn du das nicht mehr weißt?“ lachte sie. „Ich wusste es auch, aber ich wollte dieses ‚unterhalten‘ praktizieren.“ und sah sie bei seinen Worten genervt an. „Oh, entschuldige Massimo. Ich wusste nicht, dass… Also wie soll ich sagen, dass du ‚Smalltalk‘ machen willst.“ sagte sie verlegen. „Ja wie gesagt wir haben dann wieder Küchendienst. Wenn du magst können wir den Smalltalk dann gerne weiter betreiben.“ sprach sie, immer noch leicht verwirrt von dieser neuen Angewohnheit. Massimo nickte und stand auf. „Ich gehe jetzt mein neues Zimmer suchen und meine Sachen aus meinem alten holen.“ sagte er und wollte gerade gehen. Claudia stand ebenfalls auf und folge ihm, „Warte kurz, das brauchst du nicht. Deine Sachen sind schon dort glaube ich.“ erklärte sie ihm. Massimo stutzte, „Woher weißt du das jetzt schon wieder?“. „Nun, ich hab meine Quellen“ sagte sie geheimnistuerisch und lächelte ihn an während sie davoneilte.

 

Massimo wusste nicht so recht, was er von all dem halten sollte. Claudia verhielt sich anders als normal. Ein wenig zu ‚nett‘ verglichen mit ‚normal‘ genauer gesagt, dann dieser Zimmertausch, sein ‚Erlebnis‘ in der Dusche vorhin und jetzt hatte er nichtmal die Möglichkeit mit Paul zu reden. Er wollte ihn unbedingt mit seinen merkwürdigen Erinnerungen konfrontieren um sich vielleicht einen Reim darauf machen zu können. Da waren diese zwar kleine Bruchstücke in seiner Erinnerung aber keine Zusammenhänge, was ihn ein wenig nervte. Dies bedeutete nämlich noch mehr Fragen in seinem Kopf die er analysieren müsse aber zu wenig Informationen dafür hatte. Und Überraschungen an sich hasste er sowieso immer schon. Er ging dennoch zu seinem alten Zimmer in der Hoffnung Paul anzutreffen. Fehlanzeige, aber ein anderer Typ war da richtete gerade sein ehemaliges her. „Hallo. Weißt du wo Paul ist?“ fragte Massimo. „Oh Hi, du bist bestimmt Massimo, ich bin Christian!“ begrüßte der Typ ihn. „Aha, ok. Christian also. Und? Weißt du wo Paul ist?“ fragte Massimo ihn erneut. „Der wollte duschen gehen hat er angedeutet, danach weiß ich nicht was er auf seinem Tagesplan stehen hat.“ antwortete Christian. Massimo überlegte, solle er warten? Nein, er würde Paul später eventuell noch irgendwo finden. „Gut, danke. Ich geh dann.“ sagte Massimo und war auch schon wieder verschwunden. Christian starrte ihm noch einige Sekunden stirnrunzelnd hinterher, seltsamer Typ dachte er sich. Kein Wunder, dass Paul so seine Schwierigkeiten mit ihm hatte.

 

In seinem neuen Zimmer angekommen stellte Massimo fest im oberen Bett lag bereits jemand nur in Boxershorts und blätterte in einem Buch. „Hallo? Du bist dieser Micha oder?“ fragte Massimo als er den Raum betrat. Micha war ein eher schlaksiger junge mit gewellten blonden Haaren und grünlichen Augen. Bartwuchs hatte er keinen sichtbaren, oder aber er rasierte sich jeden Tag gründlichst. Generell war sein Körper, soweit Massimo das sehen konnte, nicht sonderlich männlich und eher Knabenhaft. „Ah Massimo, richtig? Ja du hast recht, ich bin Micha.“ antwortete der Junge und lugte vom Stockbett herunter. Micha sprang fast schon athletisch vom Bett herunter und streckte Massimo die Hand entgegen. Das erinnerte Massimo daran wie Paul immer vom Bett sprang, musste so ein ‚Ding‘ sein was alle Typen taten die regelmäßig trainieren gingen. Grade so als ob sie beweisen wollten wie sportlich sie sind. Er betrachtete Micha nun genauer und sah zwei kleine Tattoos, eines auf seiner seiner rechten Brust und eines auf seiner linken Schulter. Die Symbole sahen irgendwie keltisch aus überlegte er sich und sah Micha‘s Hand an, zögerte aber. Er wollte ihn nicht unbedingt anfassen, wer weiß was er mit seiner Hand vorhin gemacht hat. Micha musterte ihn skeptisch sagte unsicher „Keine Angst ich beiße nicht mit meinen Fingern und die Hände wasche ich mir auch regelmäßig.“ Dies entlockte Massimo ein leichtes grinsen. Irgendwie machte diese Aussage ihn weniger unsympathisch. „Gut zu wissen.“ sagte Massimo und schüttelte ihm flüchtig die Hand, es änderte aber nichts daran, dass es Körperkontakt war. Micha war erleichtert, er hatte schon Angst, dass Massimo jetzt panisch kreischend durch den Raum rennen würde oder sich in eine Ecke setzen und jammern. Zumindest schien er nicht ganz so merkwürdig zu sein, diesen Gedanken teilten wohl beide in diesem Moment.

 

Ich sag‘s dir gleich, ich schnarche ab und zu. Sollte es zu extrem werden und du deswegen nicht einschlafen können, gib mir ruhig einen Schubs. Ich bekomm das nicht mit im Schlaf, aber dann hör ich meistens auf, hab ich zumindest von meinem alten Zimmerkollegen gehört.“ erklärte Micha. Massimo sah ihn überrascht an, das war neu, eine Gebrauchsanweisung für jemanden direkt zu bekommen. „Okay, ich würde es zwar vorziehen dich nicht berühren zu müssen, aber gut zu wissen.“ antwortete er. „Ich bin ja nicht giftig!“ lachte Micha. „Dennoch, ich mag Körperkontakt nicht all zu sehr.“ erklärte Massimo. „Das heißt also theoretisch wenn ein Feuer ausbrechen würde und ich es nicht mitbekomme würdest du mich lieber verbrennen lassen als mich zu schütteln und zu wecken? Na schönen Dank, wer solche Freunde hat braucht echt keine Feinde mehr!“ gluckste Micha. Massimo sah ihn noch verwirrter an, Freunde? Sie kannten sich doch nicht, wieso sollten sie Freunde sein? Er hatte keine Freunde, er hasste doch Menschen. „Wir sind keine Freunde. Aber in diesem Falle würde ich vermutlich so lange am Bett zerren bis du davon wach wirst.“ antwortete Massimo sachlich. „Du bist tatsächlich ein wenig schräg, aber auf eine gute Art“ lachte Micha und hievte sich wieder auf sein Bett hoch. Dabei erhaschte Massimo einen Blick auf seine Bauchmuskeln die sich beim anspannen deutlich zeigten. Merkwürdiger weise fand er diesen Anblick ein wenig faszinierend, natürlich eine rein wissenschaftliche Art verstand sich.

 

In der Zwischenzeit erging es Paul nicht so angenehm. Er war gerade dabei sich zu duschen als Andreas und seine Helfer den Raum betraten. „Seht euch das an meine Freunde, wen haben wir denn hier.“ Paul lief es eiskalt den Rücken runter, diesen Moment hatte er gefürchtet. „Willst du wieder einen Feueralarm auslösen?“ höhnte Andreas als er und seine Kammeraden sich so platzierten um Paul jeglichen Fluchtweg zu versperren. Paul wusste, dass dies nicht gut für ihn ausgehen könne, konnte aber nirgend wo hin flüchten. „Was willst du von mir Andi?“ fragte er und verbarg seine Angst so gut es ging. „Ich will Respekt und du hast mich bloßgestellt, damit habe ich ein Problem. Die letzte Person die mich respektlos behandelt hat war meine Exfrau weißt du. Dann musste ich ihr auch Manieren beibringen.begann Andreas und baute sich Paul auf. „Hast sie gekillt oder wie?“ bemerkte Paul bemüht unbeeindruckt von Andreas gehabe. Er konnte sich zwar nicht erklären wo sein Mut in diesem Moment herkam, aber seiner Angst nachgeben würde die Situation auch nicht retten dachte er sich.

Paul merkte wie sich Andreas‘ Muskeln anspannten, er versuchte jeden seiner drei Kontrahenten genau im Auge zu behalten. Andreas setzte unvermittelt zu einem Erstschlag an, was von Paul jedoch abgeblockt wurde. Blitzschnell duckte sich Paul und verpasste in der Bewegung dem Linken der Bodyguards einen Fausthieb in die Hoden woraufhin dieser sich schmerzerfüllt krümmte. Dabei hatte Paul leider den Rechten übersehen der ihn mit seinem Knie in seinem Gesicht traf was kurzzeitig dazu führte, dass Paul die Orientierung verlor. Andreas brüllte seine Kammeraden an, sie sollen die Ratte gefälligst festhalten und er merkte wie sein rechter Arm und seine Beine umklammert wurden. Andreas schlug ihn, wehrlos wie er war, zwei mal in in Folge in seine Magengegend und mehrere Male ins Gesicht. Paul musste husten und Spuckte Blut. „Na, jetzt sind wir wohl nicht mehr so Mutig du kleiner Hurensohn“ lachte Andreas und gab ihm einen Tritt in seine Eier. Paul stöhnte und erschlaffte.

Er instruierte seine Helfer Paul an den Armen zu packen und festzuhalten. Er war noch lange nicht fertig mit diesem Wichser sagte er und grinste dabei wahnsinnig. Andreas konnte nicht anders, obwohl Paul bereits da hing wie ein Sack Kartoffeln, boxte er ihm ins Gesicht. Er traf ihn am Auge, an der Nase und auf den Lippen. Pauls Lippen platzten auf und Blut vermischt mit Speichel spritzte auf Andreas. Paul röchelte, er hatte keine Kraft sich aus dem Griff der beiden Männer zu befreien. Andreas lachte immer wieder auf und genoss es. Als ob dies noch nicht genug war, instruierte der Sadist seine Mittäter sie sollen Paul die Hände auf den Rücken drehen und mit Gewalt nach oben drücken so, dass er eine gebeugte Haltung einnehmen musste. Sie taten wie ihnen geheißen. Paul war nun vorne über gebeugt und konnte sich nur mehr mit Mühe auf den Beinen und bei Bewusstsein halten, immer wieder drohte er einzuknicken.

Paul merkte wie er an seiner Rosette berührt wurde. Andreas zog Paul‘s Arschbacken alles andere als Sanft auseinander und presste seinen Daumen gegen das zusammengekrampfte Loch. „Dann werden wir dir kleinen Pussy hier mal zeigen was Respekt ist“ grunzte Andreas. Paul versuchte irgendwie sein Gesäß weg von Andreas zu bewegen und merkte wie auf die Knie fiel, seine Peiniger versuchten ihn mit aller Gewalt an den Armen oben zu halten. Ein stechender Schmerz durchfuhr seinen rechten Arm der sich vermutlich soeben ausgekugelt hatte. Andreas bedeutete seinen Gefährten sie sollen ihn einfach zu Boden fallen lassen und verpasste dem ohnehin schon geschundenen Körper einen Tritt in den Arsch woraufhin Paul auf seine Vorderseite fiel und regungslos liegen blieb. Lediglich leichte Atembewegungen bezeugten, dass er noch am Leben war. Andreas konnte nicht genug davon bekommen, er war richtig berauscht und sein Schwanz stand aufrecht und hart wie nie zuvor. Nichtmal das quälen seiner Frau bereitete ihm dieses Ausmaß an Lust. Er sah sich um, er suchte etwas womit er Paul noch mehr demütigen und vor allem verletzen konnte. Ein teuflisches Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus als er kurz in den Umkleideraum ging und mit einer gänzlich runden Haarbürste zurück kam. „Damit werden wir dir jetzt deine Arschfotze mal gründlich durchschrubben“ verkündete der wahnsinnige Sadist. „Packt ihn und haltet seinen Arsch schön offen gespreizt!“ befahl er den beiden, die bei dem Anblick der Haarbürste grölten.

Andreas schob als erstes seinen Zeigefinger sowie Mittelfinger in das ihm präsentierte Loch. Er merkte wie sich die Muskeln verkrampften und vernahm ein leises wimmern. Es geilte ihn noch mehr an, er nahm den Ringfinger noch dazu und stieß mehrere male heftig zu. „Du solltest dich lieber entspannen, sonst könnte das weh tun“ flüsterte Andreas als er seine Finger herauszog. Er nahm die Haarbürste, drückte mit roher Gewalt den Griff in das dafür fast zu kleine Loch und genoß die Schmerzensschreie die sein Opfer dabei von sich gab. Zufrieden bemerkte er wie Paul‘s Blut gemischt mit Speichel und Tränen von seinem Gesicht trieften. Er penetrierte ihn jetzt mit der Haarbürste hemmungslos und immer schneller werdend während er mit der anderen Hand begann sich um seinen zuckenden Schwanz zu kümmern. Ganz langsam und behutsam zog er sich seine Vorhaut zurück und spürte wie seine Eichel Zentimeter um Zentimeter freigelegt wurde.

Den Vorsaft verteilte er fast liebevoll und zärtlich über den gesamten Schaft und rieb sich die Eichel damit ein. Der Widerstand den Paul‘s Arsch noch vor Sekunden geleistet hatte war mittlerweile auch verschwunden und die Bürste ließ sich hin und her schieben wie er es wollte. Er zog die Bürste heraus, drehte sie um und schob sie erneut, diesmal mit den Borsten voran hinein. „Ich will mir ja nicht meinen Schwanz an dir dreckig machen du kleine Schwuchtel. Gefällt dir oder? Findest es geil wenn man deinen Arsch so richtig durchnimmt du kleine Tunte.“ schrie er den fast regungslosen Körper an. Paul war von seinen Schmerzen gelähmt, er wusste nicht mehr ob es Schmerzen waren die er da empfand oder nicht ebensowenig was ihm weh tat und was nicht. Er verlor immer wieder kurz das Bewusstsein und wurde durch stechende Schmerzen in seinem Unterleib wieder zurück gerissen was aber keinem seiner Peiniger aufzufallen schien. Minuten vergingen in denen Andreas die Bürste immer schneller und heftiger vor und zurück bewegte bis er sie endlich ganz heraus zog und die Blutverschmierten Borsten betrachtete. „Jetzt ist dein Arsch also endlich bereit meinen Kolben zu spüren du wertloser Fickfetzen.“ kommentierte er und rammte seinen stattlichen Penis tief in Pauls loch. Er fickte ihn ohne auch nur den leisesten Anflug von Hemmungen.

Seine Begleiter beobachteten die Vergewaltigung mit schierer Freude und spielten sich dabei auch das ein oder andere mal mit ihrem Gehänge. Andreas grunzte und stöhnte während er mal um mal fester mit seinen Beckenknochen gegen die Arschbacken seines Lustobjektes stieß. Er betrachtete und spürte wie das Blut aus Paul‘s Anus langsam an seinem Sack herunterlief und zu Boden tropfte. Rhythmisch und schnell fickte er nun in das von ihm gefolterte Loch bis er endlich mit einem heftigen stöhnen zusammenzuckte und in Paul abspritzte. Sein Riemen wurde aber nicht gleich schlaff und so fickte er weiter bis er merkte, dass sein Penis langsam schrumpfte. Er zog seinen Schwanz heraus und lachte zufrieden als sein Sperma vermischt mit Blut aus dem gedehnten Loch tropfte. Die drei Männer ließen Paul bewusstlos am Boden der Duschen liegend zurück und machten sich aus dem Staub als ob nichts passiert wäre.

Christian betrat kurz nach diesen Ereignissen die Räumlichkeiten da er sich langsam fragte wo Paul blieb. Es war einige Zeit vergangen seit dem dieser meinte er wolle nur mal eben kurz Duschen gehen. Am Boden im Feuchtraum fand er schließlich den leblosen Paul blutverschmiert da liegend. Überall um ihn herum sammelten sich Blut-, Schleim- und Wasserlacken. Christian fuhr Überrascht und angeekelt zusammen, handelte aber sofort und rannte eilends davon um Hilfe zu holen. Die alarmierten Pfleger waren schlichtweg fassungslos bei dem Anblick der sich ihnen darbot. Sie brachten den bewusstlosen, vergewaltigten Körper sofort auf die medizinische Station um ihn zu versorgen.

 

Claudia und Petra hatten von alle dem nichts mitbekommen, sie verrichteten zusammen mit Massimo ihren Küchendienst. Claudia versuchte immer wieder Massimo in ein Gespräch zu verwickeln, was ihr aber mehr schlecht als recht gelang. Petra warf ihr ab und an einen Blick zu, vermutlich hatte sie Angst Claudia könnte eine falsche Bemerkung gegenüber Massimo machen. Oder aber es war ihr schlichtweg unangenehm, dass Claudia versuchte mit ihrem Sohn zu eine Unterhaltung zu führen während sie selbst sich nicht so recht traute und heute eher wortkarg war. Claudia kümmerte es aber nicht all zu sehr, immerhin war Massimo es der Smalltalk betreiben wollte und sie wäre die letzte Person die ihm diese bitte abschlagen wollen würde. Im Gegenteil, sie war froh wenn er ein wenig an seinen gesellschaftlichen Verhaltensformen arbeiten wollte. Und Massimo, wie ist dein neuer Zimmerkollege bis jetzt so? Verstehst du dich einigermaßen mit ihm?“ fragte Claudia ihn unentwegt gut gelaunt. Massimo schnitt die Kartoffeln in Streifen und blickte kurz auf als ob er überlegen würde was er zu Micha sagen sollte. Er ist ein blonder Junge, nicht sonderlich muskulös und wenig behaart. Vielleicht rasiert er sich. Er saß nur in Boxershorts auf seinem Bett als ich das Zimmer betreten habe. Alles in Allem machte er einen höflichen ersten Eindruck.“ antwortete er. „Nicht, dass ich ihn mögen würde aber er verhält sich zumindest allen Anschein nach freundlich.“ ergänzte er noch, da Claudia ihn weiter erwartungsvoll ansah und anscheinend auf weitere Ausführungen wartete. Sie lächelte, „Massimo du bist schon echt witzig mit deiner Art. Aber gut, du kennst ihn ja noch garnicht so richtig, also lasse ich dir das mal durchgehen“ kicherte sie. Er verstand nicht was sie jetzt so witzig fand, er habe doch versucht ihr zu sagen wie er ihn fand. „Ich denke nicht, dass sich an meiner Einschätzung ihm Gegenüber noch groß was ändern wird. Außer er verhält sich irgendwann wie ein Arschloch, dann schon“ sagte er in seiner üblichen emotionslosen Stimmlage. Nein das meinte ich nicht Kleiner, ich finde es nur immer wieder witzig wie du Leute beschreibst. Ich dachte da eher an deine Gefühle ihm gegenüber, beziehungsweise ob du ihn magst oder nicht und so weiter.“ grinste sie „Und vor allem auch ob du ihn sympathischer oder unsympathischer als Paul findest“. „So jetzt ist es aber genug geschwätzt hier, so werden wir nie fertig“ unterbrach Petra die beiden, schob sich dazwischen und nahm sich einen Kanister mit Frittierfett vom Regal unter der Arbeitsfläche. „Massimo du wirst hiermit die Pommes Frittes in der Friteuse zubereiten. Und Claudia du hilfst mir die Schnitzeln aus dem Kühlraum zu holen“ diktierte sie den beiden die sie überrascht ansahen. Claudia folgte Petra, gespannt ob diese mit ihr reden wolle oder weshalb sie sich so seltsam verhielt gerade. „Claudia was wird das? Willst du mir jetzt vor Augen führen, wie schlecht ich mich um meinen Sohn kümmere? Oder warum unterhältst du dich neuerdings so angeregt mit ihm?“ fuhr Petra die überraschte Claudia an. „Was? Sag spinnst du jetzt total?“ fauchte sie zurück. „Massimo hat vor ein paar Tagen plötzlich Interesse an Smalltalk gezeigt und ich dachte ich helfe ihm einfach dabei, da es ihm wichtig zu sein schien. Nicht mehr und nicht weniger, aber wenn du ein Problem damit hast und beweisen möchtest was für eine tolle Mutter du bist, bitte ich lasse dir gerne den Vortritt. Vergiss aber nicht ihm dann auch gleich zu erklären weshalb du abgehauen bist.“ schnauzte sie die jetzt perplex dreinsehende Petra an. Ich...“ setzte Petra an, „ich, es tut mir Leid. Es ist nur... Es tut mir weh zu sehen, dass er jetzt sogar mehr als das notwendigste mit dir redet und ich nur daneben stehe. Dabei würde ich nichts lieber tun als ihn in die Arme zu nehmen und zu drücken, aber dazu fehlt mir einfach der Mut.“ Claudia hielt sie an der Schulter, „Petra. Ach Petra… Sei doch froh, dass du jetzt Zeit mit ihm verbringst und versuche einfach nach und nach auch eine Verbindung mit ihm aufzubauen. Irgendwann wirst du dann den Mut haben ihm die ganze Wahrheit zu sagen. Und ich bin ziemlich sicher, dass er es auch verstehen wird und dir verzeihen.“ versuchte Claudia sie zu beruhigen. Petra lächelte ein wenig und nahm die Schnitzeln. „Du hast ja recht Claudia, danke. Du bist echt mittlerweile zu einer sehr guten Freundin geworden.“ antwortete Petra und ging wieder in Richtung der Küche. Massimo hatte in der Zwischenzeit begonnen die Pommes zu frittieren und nahm nicht weiter Notiz von den beiden Frauen, er widmete sich voll und ganz seiner Beschäftigung. Petra sah ihn an, leicht wehmütig. Ob sie jemals eine Bindung zu ihm aufbauen können würde, fragte sie sich als ihr plötzlich eine Idee kam. „Hey Massimo, sieh mal.“ rief sie zu ihm rüber. Massimo sah sie an. „Ja?“ erwiderte er mit fragendem Blick. Petra hielt die Halskette in ihrer Hand. „Sieh mal, diese Kette hier gehörte meinem Sohn und ich dachte mir, da du quasi wie ein Sohn für mich hier drinnen bist, frage ich dich ob du sie haben möchtest. Es ist sogar ein M darauf eingraviert, also würde das sogar passen.“ sagte sie lächelnd. Er sah sie ausdruckslos an und blinzelte. „Ich bin wie ein Sohn für dich?“ fragte er verwundert. „Ja irgendwie schon, ich empfinde es zumindest so.“ antwortete sie ihm mit einem sanften lächeln auf den Lippen. Er überlegte kurz und willigte schließlich ein. Sie war überglücklich über seine Zustimmung und legte ihm die Kette um seinen Hals. Claudia konnte nicht anders als feuchte Augen zu bekommen als sie diese Szene sah. Massimo protestierte kurz als sie versuchte ihm den Arm um die Schulter zu legen, dies ging dann doch zu weit, und er gab sich wieder seinen Pommes hin.

„Weißt du eigentlich warum du unter ärztlicher Beobachtung standest, Massimo“ fragte Claudia. Er gab ein kurzes ‚hm‘ von sich antwortete aber nicht sofort. „Soweit ich weiß, hatte ich eine Panikattacke. Ich weiß aber nicht weshalb. Ich kann mich nur sehr schlecht an Vorgestern erinnern. Wir haben zusammen gegessen und danach war ich in der Bibliothek. Und Ich wollte unbedingt mit Paul sprechen. Aber an viel mehr kann ich mich nicht erinnern. Ich weiß auch, dass Paul mich wieder geärgert hat, nicht aber was er getan hat. Mir fehlen sehr viele Erinnerungen. Ab und zu kommen Bilder, aber so kurz und unzusammenhängend, dass ich sie nicht verstehe.“ erklärte er ihr. Sie seufzte, „Ist das nicht ein frustrierend für dich?“. „Nein. Ich bin das gewohnt. Irgendwann kommen die Erinnerungen sowieso wieder zurück, ich kann darauf warten. Es dauert einfach manchmal länger und manchmal weniger lange.“ Claudia fand das irgendwie schade, dass er sich damit so abgefunden hat, andererseits war es in dieser Situation vielleicht sogar besser für alle beteiligten und vor allem aber für ihn selber. Petra mischte sich ein, „war das immer schon so bei dir?“ fragte sie jetzt neugierig. „Naja, es wurde schlimmer als ich meine Familie verloren habe. Davor passierte das vielleicht alle paar Jahre. Seit dem sehr viel häufiger.“ antwortete er ihr sachlich als würde er über eine andere Person sprechen.

Was ist denn damals passiert als du deine Familie verloren hast? Du musst nicht darüber sprechen falls du das nicht möchtest.“ sagte sie während sie ihn unsicher ansah. „Wir waren ca. 6 Monate aus dem Urlaub aus Italien zurück als mein Vater“, bei diesem Wort zuckte er fast unbemerkt kurz zusammen, „plötzlich Krank wurde. Er hatte sich mit einem Krankheitserreger infiziert. Zuerst wurde er mit Antibiotika behandelt, das half jedoch nichts. Es ging ihm immer schlechter. Leider haben die Ärzte erst spät entdeckt, dass es ein Parasit war der sich in seinem Gehirn eingenistet hat. Dies war auch eine eher unbekannte Erkrankung. Er starb jedenfalls kurze Zeit später. Meine Mutter“ bei diesem Wort zuckte Petra kurz, „war am Boden zerstört. Sie begann viel Alkohol zu trinken. Ich habe versucht ihr zu erklären, dass das ungesund sei und ihrer Leber schaden würde. Aber das war ihr egal, sie trank trotzdem weiter. Nach ca. 9 Monaten steigenden Alkoholkonsumes ist sie dann einmal in der Badewanne eingeschlafen und dabei ertrunken.“ gab Massimo alles wieder als würde man mit einem Computer sprechen. „Und hat dich das nicht unheimlich traurig gemacht?“ fragte Petra betroffen. „Ich weiß nicht, am meisten hat es mich geärgert, dass sie nicht auf mich hören wollte. Ich habe ihr ja gesagt, dass Alkohol nicht Gesund ist.“ erwiderte er, erneut relativ emotionslos. Petra bohrte nicht weiter nach, es schien ihr unangenehm ihn so auszufragen obwohl sie natürlich gerne mehr darüber erfahren hätte was ihm alles passiert ist.

 

Christian wurde kurz nachdem Paul stationär aufgenommen von Frau Trassler in ihr Büro bestellt. Sie wollte wissen was passiert sei, zumal ihr seltsam erschien, heute früh eine Zimmerneuaufteilung bewilligt zu haben und nur Stunden später wurde eine der Personen die indirekt davon betroffen waren schwer verletzt aufgefunden. Vor allem jener Patient den sie noch am Tag davor abhalten musste jemandem auf der med. zu besuchen. Auch dieser war von dieser Rochade betroffen. Und am Abend des Feueralarmes waren auch genau jene zwei Patienten zusammen unterwegs. Irgendetwas stimmte da einfach nicht. Das war für ihren Geschmack zu merkwürdig um es als Zufall abzutun. Sie fühlte Christian also etwas auf den Zahn. Christian erzählte ihr alles, was er wusste, viel war dies sowieso nicht. Er berichtete also, dass Claudia ihn gebeten hatte einen Zimmertausch zu machen er aber nicht genau weiß weswegen und nur das Paul anscheinend Schwierigkeiten mit Massimo hatte, oder umgekehrt, da war er sich nicht so ganz sicher. Und heute wurde dieser Zimmertausch dann vollzogen und Paul wusste anscheinend schon bescheid, denn er wirkte nicht überrascht. Vermutlich hatte Claudia mit ihm auch bereits im Vorfeld gesprochen, teilte er ihr seine Vermutungen mit. Frau Trassler unterbrach ihn, ihr stellte sich die Frage ob Massimo eventuell der Angreifer von Paul war. Immerhin war er laut seiner Akte ab und zu aggressiv und gewalttätig. Christian sah sie verwundert an, so hatte er Massimo nie erlebt, eher total in sich gekehrt und wenn es ihm irgendwie möglich war vermied er jeglichen Kontakt mit anderen. Frau Trassler war skeptisch, sollte er ein gefährlicher Psychopath sein müsse sie Maßnahmen ergreifen und Massimo in Sicherheitsverwahrung nehmen. Sie dürfe unter keinen Umständen die anderen Patienten einem Risiko aussetzen überlegte sie sich und teilte diese Gedanken auch Christian mit. Er versprach ihr sich umzuhören und sollte ihm etwas auffallen würde er ihr umgehend Meldung erstatten. Damit gab sie sich fürs erste zufrieden denn sie würde ohnehin die anderen Personen die in diese Angelegenheit verstrickt waren auch noch dazu befragen.

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Tag der Veröffentlichung: 08.12.2018

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