Cover

Vorwort des Autors

 

Die Handlung des Romans ist eine Erfindung des Schriftstellers. Alle Orte, Völker, Schiffe und Technologien sind fiktiv, die Charaktere in der Geschichte frei erfunden. Irgendwelche Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Ereignissen, lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

 

Copyright-Hinweis: Sämtliche Inhalte, Fotos und Texte sind urheberrechtlich geschützt und dürfen ohne schriftliche Genehmigung des Verfassers weder ganz noch auszugsweise kopiert, verändert, vervielfältigt oder veröffentlicht werden. ©Oliver M. Pabst

Das Buch

 

Im Jahr 2380 ist die USS Archon, befehligt von Captain Leach, in den Weiten des Alls unterwegs, um unbekannte Sternensysteme zu erforschen. Als sich das Schiff einem fremden Sektor nähert, nimmt sie ein Shuttle an Bord, das von einem  Kriegsschiff verfolgt wird. Leach verweigert die Auslieferung der beiden Flüchtigen an die Zhargossianer, doch damit gerät die Archon zwischen die Fronten eines interplanetaren Krieges...

 

Kapitel 1

 

Quartier von Captain Leech,

USS Archon,

Unbekannter Raumsektor

 

An Bord der Archon herrschte nie völlige Stille. Dafür geschah immer zu viel: die Aktivitäten der Besatzungsmitglieder, sowohl während des Dienstes als auch in ihrer freien Zeit und das leise, ständige Summen von Geräten sowie Aggregaten, die zuverlässig funktionierten. Jennifer Leach war mit diesen Geräuschen vertraut. Immerhin hatte viele Jahre lang an Bord von Raumschiffen der Föderation verbracht. Zeit genug, um sich den Rang des Captains und das Kommando über ein Raumschiff zu verdienen.

Die USS Acheron war ein Erkundungsschiff der Intrepid-Klasse und wurde von der Föderation in der zweiten Hälfte des 24. Jahrhunderts in Dienst gestellt. Sie galt als Antwort der Sternenflotte auf ihren wachsenden Bedarf an einer vielseitigen und schnellen Klasse von Raumschiffen, die in der Lage waren, sowohl mit Impuls- als auch mit Warpgeschwindigkeit hervorragend zu manövrieren. Mit weniger als der Hälfte der Größe eines Schiffs der Galaxy-Klasse war es als schnell und intelligent.

Leach drehte sich unter der dunkelblauen Bettdecke auf die andere Seite und versuchte, das subtile Brummen in den Hintergrund ihrer Aufmerksamkeit zu drängen, sich davon gewissermaßen hypnotisieren zu lassen, um endlich zu schlafen. Doch es wollte ihr nicht gelingen. Leach presste das Gesicht in das Kissen und trachtete danach, sich auch geistig zu entspannen. Der Chronometer zeigte 01:30 an, doch ihr Bewusstsein wollte einfach nicht zur Ruhe kommen. Immer wieder suchte es nach Dingen, die es ergreifen und an denen es knabbern konnte.

Tagsüber befasste sich der Captain mit Dutzenden von mehr oder weniger wichtigen Dingen. Und deshalb ertappte sie sich kaum dabei, dass sie an die Heimat dachte. Es gab genug zu tun, genug Dinge, um die sich ein Kommandant kümmern musste, die ihm Sorgen bereiteten. Doch abends und des Nachts, wenn Leach in ihrem Bett lag, krochen Sorgen, Wünsche und Sehnsüchte heran. Diese hielten den dringend benötigten Schlaf von ihr fern. Sie schnitt eine Grimasse. Eine absurde Situation, dachte sie. Wenn du nicht schlafen kannst, solltest du aufstehen und irgendetwas Nützliches tun. Sie erhob sich und ging zu einem kleinen Tisch. Dort setzte sich auf den Sessel und aktivierte den Computer.

»Logbucheintrag: Wir befinden uns seit fast einem Monat am Randgebiet der Föderation und setzen unsere Kartografierung fort. In diesem Sektor gibt es kaum Planeten der Klasse M und wenige intelligente Spezies. Die Nahrungsmittelreserven gehen langsam zur Neige. Wir müssen bald mehr Energie für die Replikatoren bereitstellen, wenn die hydroponischen Anlagen nichts mehr liefern. Die Moral der Besatzung bleibt gut, was wir den ständigen Bemühungen des Doktors verdanken. Ich hoffe, dass wir bald unseren Auftrag erledigt haben und zur Erde zurückzukehren können. Computer, Eintrag beenden.«

Leach lehnte sich im Sessel in ihrer Kabine zurück. Solche Einträge sind so glatt und präzise, dachte der Captain. Aus gutem Grund. Das Oberkommando der Sternenflotte befasste sich mit Fakten, nicht mit Emotionen. Doch manchmal reichten die Fakten allein nicht aus.

Bei der Kartografierung von unbekannten Raumsektoren gab es für eine Kommandantin nie viel zu tun. Oft beneidete sie seine Crew darum, dass sie sich ganz auf Forschung und Entdeckung konzentrieren konnten, während sie ihren Kommandopflichten Aufmerksamkeit schenken musste und sich nicht mehr der Sache widmen konnte, die sie an das Ende des Föderations-Territoriums gebracht hatte: dem Streben nach reinem Wissen.

Plötzlich drang die Stimme von Lieutenant Tarrik aus dem Interkom-Lautsprecher.

»Tarrik an Captain.«

»Hier Leach.«

Ihre Stimme klang energisch. Die vage Niedergeschlagenheit fiel jäh von ihr ab, als ihr Denken und Empfinden zur Pflicht zurückkehrten.

»Ich höre, Mr. Tarrik.«

»Bitte entschuldigen Sie, dass ich Sie während Ihrer dienstfreien Zeit störe, Captain. Wir haben mehrere Trümmerstücke von Raumschiffen geortet. Vielleicht sollten Sie zur Brücke kommen, um selbst einen Eindruck zu gewinnen.«

Sie hatte bereits eine Uniform genommen und legte sie nun aufs Bett. Anschließend hob sie ganz automatisch die Hände zum langen, dichten Haar und steckte es zusammen. In ihrem Gesicht funkelten die Augen, während sie versuchte, nicht zu sehr zu hoffen. Sie kannte den Vulkanier lange genug, um imstande zu sein, die subtilen Veränderungen in seinem Tonfall zu deuten. In diesem Fall deutete seine besondere Ausdrucksweise darauf hin, dass im Kontrollraum der Archon eine Überraschung auf Leach wartete. Sie versuchte, ihrer Stimme einen ganz normalen Klang zu verleihen, als sie ihm eine Antwort gab.

»Ich bin unterwegs.«

Kapitel 2

 

Kommandobrücke,

USS Archon,

Unbekannter Raumsektor

 

Als sich Captain und alle Senior-Offiziere auf der nach wie vor nur matt erhellten Brücke eingefunden hatten, begegnete sie Tarriks Blick. Sie sah Vorsicht und Zurückhaltung in seinen dunklen Augen, was ihr Hinweis genug bot.

»Volle Beleuchtung«, wies sie den Computer an.

Sofort wurde es heller im Kontrollraum. An Bord eines Raumschiffs gab es natürlich keine echte Nacht. Der Unterschied zwischen Tag und Nacht war rein künstlicher Natur und diente vor allem dazu, den Bedürfnissen des menschlichen Zeitempfindens gerecht zu werden. Die derzeit auf der Brücke arbeitenden Besatzungsmitglieder gehörten zur dritten Schicht, und ‘Tageslicht‘ erhöhte sicher ihre Aufmerksamkeit.

Commander Will Peyton und Lieutenant Brian Mannix betraten die Brücke gemeinsam, ein Umstand, den Leach nicht ohne eine gewisse Genugtuung zur Kenntnis nahm. Der Erste Offizier und der schlanke Steuermann kamen seit einiger Zeit recht gut miteinander aus, so wie es bei zwei Senior-Offizieren der Fall sein sollte. Neugier brannte in blauen und braunen Augen, als die beiden Männer zur Kommandantin sahen. Leach winkte sie näher und deutete dann auf die Projektionsfelder der taktischen Station. Sie beobachtete, wie Peyton und Mannix einen wortlosen Blick wechselten. Vermutlich gingen ihnen die gleichen Gedanken durch den Kopf wie zuvor auch ihr.

Fähnrich Chun Yang saß bereits an seiner eigenen Station und wertete die Dateninformationen aus. Er gab sich alle Mühe, ruhig zu wirken. Seine Sensoren zeigten die geborstenen Reste von Raumschiffen an, worauf er die Sondierung der Trümmer eingeleitet hatte.

Der Hauptschirm zeigte zunächst nichts anderes als schwarzes All und glühende Sterne. Dann kamen die Überreste in Sicht. Leach beugte sich auf ihrem Kommandosessel vor und beobachtete nach wie vor die unzähligen Wrackteile, deren Piloten und Besatzungsmitglieder längst nicht mehr lebten. In der kalten Stille des Alls schwebten sie an der Archon vorbei. Manche kamen dem Föderations-Schiff so nahe, dass die Schutzschilde reagierten und sie mit sanftem Nachdruck fortstießen.

»Das gefällt mir ganz und gar nicht«, murmelte Leach.

Hinter ihrer Stirn schrillten die Alarmsirenen. Sie erhob sich und stützte die Hände an den Hüften ab, womit sie eine herausfordernde Haltung einnahm. Angespannt starrte sie auf das große Projektionsfeld, ohne den Blick abzuwenden.

»Analyse, Mr. Tarrik.«

Sein rationales, von emotionalem Ballast befreites Bewusstsein, analysierte fast so schnell wie der Schiffscomputer.

»Einige Trümmer befinden sich seit ziemlich langer Zeit dort draußen«, erwiderte der Vulkanier. »Die Flugbahnen lassen den Schluss zu, dass sie in diesen Bereich abgedriftet sind und die Schiffe aus diesem Raumsektor stammen müssen.«

»Wodurch könnten sie zerstört worden sein?«, fragte die Kommandantin.

Tarrik wirkte so gelassen, als hätte er gerade eine längere Meditation hinter sich. Sie beneidete ihn um seine Fassung.

»Wenn Sie wissen möchten, ob die Archon den Vorteil der technologischen Überlegenheit hat, so lautet die Antwort: ja. Leider bin ich nicht in der Lage, Aussagen über Ursachen und Methode der Vernichtung zu treffen. Uns fehlen konkrete Daten.«

Leach nickte.

»Captain, wir empfangen Kom-Signale«, meldete der Einsatzleiter. »Sie kommen von einem Objekt, das etwa dreißigtausend Kilometer von uns entfernt ist.«

»Auf den Schirm, Mr. Yang.«

Wenige Sekunden später zeigte das zentrale Projektionsfeld eine rautenförmige Funkbake, die aus nicht glänzendem grauen Material bestand.

»Den Kom-Kanal öffnen«, befahl Leach. »Hören wir mal, was die Bake uns mitzuteilen hat.«

Yang kam der Aufforderung sofort nach. Einige Sekunden lang blieb es still, während der Translator eine bisher unbekannte Sprache entschlüsselte. Mit Hilfe komplexer linguistischer Elaborationen erstellte er ein Bezugssystem, das Bedeutungsverknüpfungen weitaus schneller herstellte, als es ein menschliches Gehirn vermochte. Trotzdem, die Phase der Stille erschien der Kommandantin ungewöhnlich lange. Sie wartete ungeduldig, bis der Translator eine verständliche Übersetzung liefern konnte. Worte drangen aus den Lautsprechern der externen Kommunikation. Der Computer gab ihnen einen, neutralen Klang, obgleich sich die fremde Stimme aggressiv anhörte. Diese hatte mehr Ähnlichkeit mit dem drohenden Knurren eines Tiers, als mit den Lauten, die aus einer menschlichen Kehle kamen, das der Fantasie freie Bahn ließ.

»Achtung, fremdes Schiff. Sie sind in zhargosianisches Hoheitsgebiet vorgestoßen. Wenn Sie weiterfliegen, nehmen wir Ihr unbefugtes Eindringen in unseren Raumbereich nicht tatenlos hin und werden Sie vernichten. Achtung, fremdes Schiff. Sie sind in zhargossianisches Hoheitsgebiet vorgestoßen...«

»Schalten Sie das ab, Chun«, sagte Leach. »Wir haben genug gehört.«

Die unangenehme Stimme des metallenen Objekts verklang, das sich langsam in der Dunkelheit des Alls drehte und sicher auch weiterhin seine arrogante Warnung sendete.

»Captain, ich habe ein ungutes Gefühl und rate davon ab, die Grenzen des zhargosianischen Reiches zu überschreiten«, wandte Mannix ein. »Wir wissen nicht, was diese Spezies gegen uns ausrichten kann, aber bestimmt sind sie imstande, die Archon in arge Bedrängnis zu bringen.«

»Nein. Erst möchten wir wissen, wem die Wracks gehören und mehr über diese Zhargosianer erfahren, bevor wir den Flug fortsetzen«, warf Peyton ein.

Er sah kurz zu Leach, mit einer stummen Frage auf den Lippen: Bin ich zu weit gegangen? Aber sie räumte seine Zweifel mit einem knappen Nicken aus.

»Der Commander hat recht.«

»Und wenn die Zhargosianer uns technisch überlegen sind?«, meldete sich der Steuermann erneut zu Wort. »Wir sollten ihnen keine Gelegenheit geben, eine Bedrohung in uns zu sehen.«

»Berichtigung, Mr. Mannix«, sagte der Vulkanier. »Wir haben keinen Grund zu der Annahme, dass wir bei einer Konfrontation in große Schwierigkeiten geraten. Allerdings bergen Begegnungen mit fremden Völkern immer ein gewisses Gefahrenpotential.«

Peyton lächelte fast. Er hatte gelernt, den taktischen Offizier zu respektieren, seit dieser auf der Archon arbeitete. Beide waren nicht die besten Freunde, aber er zollte ihm Respekt.

»Ich bin dafür, den Flug mit geringer Geschwindigkeit fortzusetzen, natürlich bei gebotener Vorsicht«, meinte der Erste Offizer. »Vielleicht können wir die Fremden davon überzeugen, dass wir mit friedlichen Absichten kommen und sie verzichten möglicherweise dann auf einen Angriff.«

»Dem stimme ich zu. Unsere Aufgabe ist es, neue Welten zu erkunden, also müssen wir auch Risiken eingehen, wie das praktisch ständig der Fall ist, solange wir uns weit außerhalb des Föderations-Territoriums aufhalten«, erklärte Leach. »Irgendwelche Einwände, abgesehen von Ihnen, Brian.«

Sie sah sich um. Alle schwiegen. Ein warmes Lächeln des Ersten Offiziers vertrieb die Kühle aus ihrem Gesicht und schien ihre ganze Miene zu erhellen.

»Gut, alle Stationen besetzen. Alarmstufe Gelb!«

Es war immer leicht, tapfer zu klingen und mutig zu erscheinen, fand sie. Man formuliere die richtigen Worte und benutze die Körpersprache, um die gewünschte Botschaft zu vermitteln. Doch sich tapfer zu fühlen, das stand auf einem ganz anderen Blatt.

»Mr. Mannix, setzten sie einen Kurs durch diesen Raumbereich.«

Die Finger des Steuermanns huschten mit geübtem Geschick über die Steuerkonsole.

»Eingeben, Captain.«

»Und Brian, wir sollten nichts überstürzen. Bleiben Sie auf Impuls-Geschwindigkeit, Faktor zwei«, fügte Leach hinzu. »Mr. Yang, behalten Sie die Sensoren im Auge. Ich möchte sofort informiert werden, sollte ein fremdes Schiff auftauchen.«

»Ja, Ma'am... Captain«, verbesserte er sich rasch.

Die Kommandantin brauchte keinen Blick in Richtung des Einsatzoffiziers zu werfen, um zu wissen, dass er errötete. Er wusste genau, dass sie es nicht mochte, Ma'am genannt zu werden.

Die Kommandantin stand auf, gähnte kurz und wandte sich an ihren Stellvertreter.

»Sie haben das Kommando, Peyton. Ich bin in meinem Bereitschaftsraum und gönne ich mir einen heißen Kaffee.«

Ein Lächeln huschte über ihre Lippen, bevor sie die Brücke verließ.

Kapitel 3

 

Kommandobrücke,

USS Archon,

Unbekannter Raumsektor

 

Nach einer halben Stunde meldete sich Peyton bei Leach über den Kommunikator, dass ihre Anwesenheit auf der Brücke verlangt wurde. Zehn Sekunden später trat die brünette Kommandantin in den Kontrollraum und nahm in ihren Kommandosessel Platz.

»Was haben wir, Commander?«

»Die Sensoren erfassten ein unbekanntes Schiff, das sich in unsere Nähe befindet.«

»Visuelle Anzeige.«

Stille herrschte auf der Brücke um sie herum, eine abwartende, gespannte Ruhe, während die Offiziere an ihren Stationen arbeiteten und ebenfalls zum Projektionsfeld sahen.

»Vergrößerung, um Faktor vier.«

Auf dem Schirm erschien eine Raumfähre, aber ihr Konstruktionsmuster wirkte völlig unvertraut auf Leach. Es war deltaförmig, mit schwingen artigen Erweiterungen, die es wie einen Vogel aussehen ließen. Silberne Streifen zeigten sich am grau schimmernden Rumpf und erweckten den Eindruck von Bewegung. Es handelte sich ganz offensichtlich um ein für Atmosphärenflüge konzipiertes Gefährt, doch derzeit war es ziemlich weit vom nächsten Planeten entfernt.

Das kleine Schiff faszinierte sie auch deshalb, weil es die Fremden an Bord ziemlich eilig zu haben schienen. Seit zehn Minuten folgte die Archon der Fähre in einem sicheren Abstand und Leach war ziemlich sicher, dass die Unbekannten das Föderations-Schiff noch nicht geortet hatten. Es sei denn, ihnen standen gute Sensoren zur Verfügung.

Die Kommandantin griff nach ihrer Tasse Kaffee, trank einen Schluck und genoss das herrliche Aroma. Die Flüssigkeit schmeckte würzig, wirkte gleichzeitig anregend und beruhigend. Es gab nur ein kleines Problem. Wenn es nicht gelang, die Bohnen zu replizieren, reichte der Vorrat nur noch einen Monat, denn fast die ganze Crew trank täglich Kaffee. Es würde für alle ein trauriger Tag werden, wenn der Replikator die letzte Tasse produzieren würde. Bis dahin wollte sich die Kommandantin daran erfreuen, ganz gleich, ob heiß, warm oder auch kalt.

»Das Ziel der Fähre lässt sich nicht ohne weiteres feststellen, Captain«, sagte Tarrik und beendete damit das Schweigen. »Offenbar kommt es von einem mehrere Lichtjahre entfernten Planeten.«

»Das Ding sieht schnittig aus«, kommentierte Mannix. »Ich würde es mir gern mal von innen ansehen.«

»Dazu bekommen Sie wohl kaum Gelegenheit«, meinte Yang.

Leach sah zum Einsatzoffizier und trank einen weiteren Schluck. Dieser zuckte mit den Schultern. »Die von den Fernbereichsensoren ermittelten Daten deuten auf eine Überlastung des Triebwerks hin.«

Sie setzte die Tasse ab und beobachtete erneut das anmutige kleine Schiff.

»Bringen Sie uns näher heran, Mr. Mannix. Ich möchte zusätzliche Informationen bekommen.«

»Aye, eye, Captain«, bestätigte der Steuermann.

Leach wandte sich an Einsatzleiter.

»Öffnen Sie einen externen Kom-Kanal, Mr. Yang. Teilen Sie den Fremden mit, dass wir keine feindlichen Absichten hegen.«

Wieder wurde es still auf der Brücke.

»Keine Antwort«, meldete er wenig später.

»Versuchen Sie es erneut.«

Die Fähre auf dem Hauptschirm wurde größer, als sie sich ihr näherten. Leach bewunderte die graziösen Konturen und verspürte wie Mannix den Wunsch, sich an Bord umzusehen. Doch die eigentliche Frage lautete: Warum befand es sich hier draußen? Und weshalb die starke Belastung des Triebwerks? Man hätte fast meinen können, dass die Fremden vor etwas oder irgendwem flohen.

Die Kommandantin sah zum taktischen Offizier.

»Mr. Tarrik, sondieren Sie den Raumbereich, aus dem die Fähre kommt.«

Der Vulkanier nickte und kam der Aufforderung sofort nach.

»Noch immer keine Antwort«, verkündete Yang.

»Captain…«, erklang auf einmal die Stimme von Tarrik. »Ein großes, nicht identifiziertes Raumschiff nähert sich auf Abfangkurs. Es wird die Fähre in zwei Minuten und sechs Sekunden erreichen.«

Leach nickte und blickte wieder zum Hauptschirm. Jetzt wusste sie, warum es die Fremden es so eilig hatten, sie wurden verfolgt.

»Das Triebwerk der Fähre steht kurz vor einer kritischen Überladung«, meldete der Einsatzoffizier.

»Wie viel Zeit bleibt noch, bis zum Kollaps?«

Yang schüttelte den Kopf.

»Wenn keine rechtzeitige Deaktivierung erfolgt, vermutlich in fünfundzwanzig Sekunden.«

»Grußfrequenzen öffnen«, befahl die Kommandantin und wandte sich wieder dem Hauptschirm zu. »Hier spricht Captain Leach von der USS Archon, Vereinigte Föderation: Ihnen steht die Selbstzerstörung bevor. Schalten Sie Ihr Triebwerk ab. Wir sind bereit, Ihnen zu helfen.«

»Wir empfangen eine Nachricht vom Verfolgerschiff«, meldete Yang.

Leach blickte über die linke Schulter zum Fähnrich.

»Wir werden aufgefordert, uns nicht einzumischen.«

»Auch das zweite Schiff kann sich nicht mit uns messen, Captain«, ergänzte Tarrik. »Es hat ein geringeres offensives und defensives Potential. Die Fähre deaktiviert das Triebwerk.«

Sie nickte.

»Mr. Mannix, bringen Sie uns zwischen die beiden Schiffe. Mr. Yang, stellen Sie eine Kom-Verbindung mit den beiden Raumschiffen her.«

Einmal mehr blickte sie zu dem wunderschönen kleinen Schiff auf dem Hauptschirm, das nun antriebslos durchs All glitt, mit der gleichen Geschwindigkeit wie die Archon. Zwar war der Kaffee inzwischen kalt, aber sie trank ihn trotzdem, genoss erneut den Geschmack und überlegte dabei, worauf sie sich diesmal eingelassen hatten.

Es dauerte einige Minuten, bis sich die Darstellung des Wandschirms in zwei Fenster teilte, eine Bestätigung dafür, dass die gewünschten Kommunikationsverbindungen hergestellt waren. Die Pilotin der Fähre wirkte sehr menschlich, hatte allerdings eine breitere Stirn und roten Augen. Ihre Züge deuteten auf Ernst und Kampfgeist hing. Leach vermutete, dass sie diese Person einerseits sympathisch finden, andererseits aber auch Probleme mit ihr haben konnte.

Soweit die Kommandantin es erkennen konnte, trug die Frau eine dunkelblaue Jacke, mit militärischen Abzeichen. Sie hatte beobachtet, wie der Steuermann beim Erscheinen der Fremden die Augenbrauen wölbte und zu Yang sah. Sie beschloss, dieser Reaktion keine Beachtung zu schenken.

Tarrik hatte berichtet, dass sich nur zwei Personen an Bord des kleinen Schiffs befanden, das über keine nennenswerten Waffen verfügte. Alles deutete darauf hin, dass es nicht für interstellare Flüge vorgesehen war. Bei dem größeren Schiff sah die Sache ganz anders aus. Es war mit Waffensystemen sowie Schutzschirmen ausgestattet und seine Besatzung bestand aus mindestens vierundfünfzig Personen. Der fremde Kommandant erwies sich als ein männliches Geschöpf und ähnelte mehr ‘traditionellen‘ Humanoiden. Wie die Menschen hatte er eine Haut, besaß zehn Finger, markante Grate auf seinen Wangenknochen und eine größere Stirn mit Wülsten, aber keine Augenbrauen. Das Wesen trug eine graue Uniform und eine Waffe hingen an seinem Gürtel. Offenbar eine kriegerische Spezies, wenn der erste Eindruck nicht täuschte. Sie sprach als Erste.

»Ich bin Captain Leach von der USS Archon, Vereinigte Föderation. Wir kommen aus einem fernen Raumsektor, führen eine Forschungsreise durch und würden Ihnen gern helfen, Ihren Konflikt ohne Gewalt zu lösen.«

»Commander Ragan von der Fregatte Shinon, Zhargosianisches Reich«, stellte sich der Kommandant vor. »Wir verfolgen zwei Flüchtige, die eine Fähre gestohlen haben. Wir verlangen, dass Sie Ihre Einmischungsversuche unverzüglich einstellen. Wenn Sie nicht weichen, müssen Sie die Konsequenzen tragen.«

»Das stimmt nicht!«, erwiderte die Pilotin des kleinen Schiffes.

In ihren Augen flackerte das Licht des Zorns und dadurch wirkte sie noch eindrucksvoller.

»Lieutenant Dalby von den altorianischen Raumstreitkräften. Wir gehören nicht zum Zhagosianischen Reich. Wir wurden entführt und sind aus der Gefangenschaft geflohen.«

»Unsinn!«, zischte Ragan.

Ein verächtliches Schnaufen erklang.

»Die altorianische Delegation ist aus freiem Willen Gast auf unserer Welt, um Kaiserin Rivanna Treue zu schwören.«

Dalby richtete einen ungläubigen, fassungslosen Blick auf den Zhargosianer.

»Lügen! Alles Lügen! Ihr habt uns getäuscht und die Delegation auf einen eurer elenden Planeten gelockt. Zwang und Nötigung sind etwas ganz anderes als ein freiwilliger Loyalitätseid!«

Sie wandte sich wieder an Leach.

»Captain, es kam zu einer Entführung. Dr. Martis und ich, befanden uns zu jenem Zeitpunkt zufällig in der wissenschaftlichen Akademie und wurden ebenfalls gefangen genommen.«

Die Kommandantin sah zum zweiten, schüchtern wirkenden Passagier der Fähre. Offenbar war er der erwähnte Martis.

»Wir brachten dieses Raumschiff unter unsere Kontrolle und entkamen damit. Unsere Absicht besteht darin, heimzukehren und unser Volk vor dem heimtückischen Plan der Zhargosianer zu warnen. Wenn unsere Artgenossen genug Zeit haben, können sie die Gefahr vielleicht abwenden oder zumindest einige Leben retten.«

»Deshalb haben Sie sich mit einem kleinen Schiff auf den Weg gemacht, das sich bestenfalls für interplanetare Flüge eignet, nicht aber für interstellare Reisen?«, fragte Leach verwundert.

Dalby schob das Kinn leicht vor.

»Uns blieb nichts anderes übrig.«

Die Kommandantin der Archon nickte. Ganz deutlich sah sie die Entschlossenheit in Dalbys Augen. Derzeit war sie bereit, der Altorianern zu glauben. Die Worte des Zhargosianers hingegen klangen falsch und hinzukam, dass er nun zu drohen begann. Sie presste verärgert die Lippen zusammen.

»Die diese Frau tischt Ihnen Märchen auf, Captain. Es ist reine Zeitverschwendung, ihr zuzuhören. Wenn Sie sich nicht innerhalb der nächsten fünf Minuten zurückziehen, vernichten wir Ihr Schiff und bringen die gestohlene Fähre auf. Für uns ist es gleich. Wir bekommen die beiden Flüchtigen so oder so.«

»Comander Ragan«, erwiderte Leach und sah dem Zhargosianer in die Augen, »wenn wir angegriffen werden, verteidigen wir uns. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«

»Wir haben ein Recht auf unser Eigentum«, antwortete der Mann.

In seinem Gesicht zeigte sich Spott, wenn Leach den Ausdruck richtig deutete.

»Ich werde jeden Versuch, das kleine Schiff zu zerstören oder aufzubringen, ohne eine friedliche Lösung anzustreben, als eine militärische Aktion gegen uns interpretieren.«

Sie sah den Fremden auch weiterhin an, ohne zu blinzeln.

»Ich garantiere Ihnen, dass Sie angemessene Reaktionen von uns erwarten dürfen.«

Die Augen des Zhargosianers schienen ein wenig größer zu werden, bevor er die Kom-Verbindung unterbrach.

»Seien Sie auf der Hut«, warnte Dalby. »Er wird nicht fünf Minuten warten, sondern vorher angreifen.«

»Danke«, entgegnete Leach und lächelte. »Keine Sorge, wir können gut auf uns aufpassen. Halten Sie Ihre gegenwärtige Position.«

»Danke, Captain.«

Auch Dalby schloss den Kom-Kanal. Leach sah Peyton an, der in seinem Sessel saß und nickte.

»Schilde hoch«, sagte er. »Waffen in Bereitschaft.«

Die Kommandantin nahm wieder in ihrem Sessel Platz, als Energiestrahlen von der zhargosianischen Fregatte auf die Schutzschirme der Archon trafen.

»Das waren kurze fünf Minuten«, kommentierte Mannix.

»Ein leicht zu durchschauender Bursche«, meinte Leach und hob ihre Tasse, damit bei den leichten Vibrationen, die das Schiff nun erfassten, kein Tropfen Kaffee verschüttet wurde.

»Schilde bleiben stabil«, meldete Peyton. »Kapazität hundert Prozent.«

»Keine Schäden, Captain«, fügte Yang hinzu.

»Erwidern Sie das Feuer«, sagte Leach. »Zielerfassung auf die Waffen richten. Ich möchte die Fregatte nicht vernichten und riskieren, dadurch einen Krieg vom Zaun zu brechen.«

In drei Sekunden entluden sich die Phaserbänke der Archon fünfmal, mehr war nicht nötig, um das offensive Potential des zhargosianischen Kriegsschiffes lahm zu legen.

»Feuer einstellen«, befahl Leach. »Verbinden Sie mich mit Commander Ragan.«

»Kom-Kanal wird geöffnet«, bestätigte Yang.

Einige Sekunden verstrichen.

»Keine Antwort, Captain.«

Die Kommandantin lehnte sich zurück und trank den kalten, aber trotzdem wundervoll schmeckenden Kaffee.

»Geben wir ihm ein oder zwei Minuten Zeit. Soll er Gelegenheit haben, über seine Situation nachzudenken.«

Kapitel 4

 

Kommandobrücke,

Zhargonianisches Fregatte,

Unbekannter Raumsektor

 

Im Kontrollraum des zhargosianischen Kriegsschiffes trafen Schadensberichte ein. Rauchschwaden hatten sich gebildet und die an den drei Stationen stehenden Brückenoffiziere wirkten viel zu aufgeregt. Commander Ragan beschloss, sie später zu ersetzen. Aufregung konnte zu Leichtsinn und damit zu Fehlern führen.

»Gefechtsturm Eins ist völlig zerstört!«, verkündete der Erste Offizier. »Keine Überlebenden.«

»Fahren Sie fort«, sagte Lieutenant Janer.

»Gefechtsturm zwei ist ebenfalls zerstört, niemand meldet sich. Vermutlich hat auch dort keiner der Bordschützen überlebt.«

Ragan nickte und nahm die übrigen Berichte entgegen. Die selbst unter normalen Verhältnissen freudlose Atmosphäre im Kontrollraum verfinsterte sich weiter. Nur die Stimme des Ersten Offiziers drang durch den Rauch, der nach verbrannten Kabeln stank. Aber Ragan hörte nur mit halbem Ohr zu, während er über die Ereignisse der letzten Minuten nachdachte. Er hatte den Feind unterschätzt. Ein solcher Fehler würde ihm beim nächsten Mal nicht unterlaufen, vorausgesetzt, es gab ein nächstes Mal. Seine Priorität bestand jetzt im Überleben, um eine zweite Chance zu bekommen, den Sieg zu erringen.

»Die Fremden versuchen, eine Kom-Verbindung mit uns herzustellen, Commander.«

»Antworten Sie nicht«, erwiderte Ragan, sah auf den Bildschirm und beobachtete das Schiff zwischen seiner Fregatte und der Fähre. »Bringen Sie uns aus der Kampfzone.«

»Jawohl!«

Der Erste Offizier führte den Befehl sofort aus. Als die Fregatte abdrehte und durch das All glitt, nahm Ragan wieder in seinem Sessel Platz. Sein Fehler hätte den Tod für sie alle bedeuten können, wenn die Kommandantin der Archon so blutdürstig gewesen wäre, wie viele Offiziere in der zhargosianischen Raumflotte. Aber sie mochte durchaus bereit sein, die Fregatte zu vernichten, wenn er sie zu sehr provozierte. Unter den gegebenen Umständen hielt es Ragan für besser, kein Risiko einzugehen. Er wusste, dass der Rückzug in gewissen Situationen als eine kluge Maßnahme galt. In einer solchen Situation glaubte er sich jetzt.

Ragan würde sich zurückziehen, die Waffen reparieren und die Archon aus sicherer Entfernung beobachten. Der Feind hatte sich darauf beschränkt, das offensive Potential der Fregatte zu neutralisieren, ohne das Schiff zu zerstören. Er fragte sich, was der Grund dafür sein mochte. Wollte sich die Kommandantin nicht in einen Kampf verwickeln lassen? Ein solches Vorgehen deutete auf Klugheit hin.

Er spürte so etwas wie Respekt, ließ sich dadurch aber nicht von seinem Wunsch ablenken, sich an der Archon zu rächen. Doch zuerst galt es, ein anderes Problem zu lösen: Er musste verhindern, dass man ihm die Schuld am Entkommen der Fähre gab. Von der Archon ging keine unmittelbare Gefahr aus. Ein Kopf würde rollen und Ragan wollte dafür sorgen, dass der rollende Kopf jemand anders gehörte.

»Ihre Befehle?«, fragte Janer.

»Beginnen Sie mit der Reparatur der Waffen. Und halten Sie die gegenwärtige Position.«

Ragan beobachtete, wie sich seine Männer an die Arbeit machten und wandte sich dann wieder der Frage des eigenen Überlebens zu. Würde man ihm glauben, wenn er behauptete, sein Schiff sei in einen Hinterhalt geraten? Nein, wahrscheinlich nicht. Die abtrünnigen Altorianer, hatten eine Falle vorbereitet, bevor sie flohen, noch dazu im interstellaren All? Nein, so etwas klang sehr unglaubwürdig. Der Commander brauchte eine Geschichte, die von seiner Crew bestätigt werden konnte und nicht im Widerspruch mit den aufgezeichneten Daten stand.

Sein Erster Offizier wartete zweifellos nur darauf, den Posten des Kommandanten zu übernehmen. Bestimmt war er nicht bereit, für Ragan zu lügen. Immerhin bot er sich selbst für eine Beförderung an, indem er die Wahrheit sagte. Dieser Gedanke brachte den Befehlshaber auf eine Idee. Angenommen, er machte dem Ersten Offizier zu einem Kollaborateur der Altorianer? Er begann damit, über ein Szenario nachzudenken, das seine Vorgesetzte überzeugen konnte. Zuerst würde er Janer etwas erzählen, das ihn dazu bringen sollte, sich selbst zu kompromittieren. Und dann wollte er abwarten, um zu sehen, wie sich die Dinge entwickelten. Mit ein wenig Glück würde er bald mit Verstärkung zurückkehren und die Archon vernichten.

»Lieutenant, nehmen Sie Kurs auf die Heimatbasis«, sagte Ragan. »Geschwindigkeit Eins. Dort werden wir unser Schiff reparieren, dann kehren wir zurück.«

»Zu Befehl, Commander.«

Kapitel 5

 

Kommandobrücke,

USS Archon,

Unbekannter Raumsektor

 

»Captain, das zhargosianische Schiff hat den Hyperraumtransfer eingeleitet und kehrt in die Richtung zurück, aus der es gekommen war«, meldete Yang.

»Gibt Ragan auf oder will er Verstärkung holen?«, fragte Leach. »Ich wette, Letzteres ist der Fall.«

»Das glaube ich auch«, kommentierte Mannix.

»Die Fähre scheint bei der Verfolgungsjagd beschädigt worden zu sein«, meinte Peyton. »Das Triebwerk muss überholt werden.«

Leach nickte.

»Ist sie klein genug, um mit dem Traktorstrahl in den Shuttle-Hangar gezogen zu werden?«

Der Erste Offizier sah auf seine Displays.

»Ja«, antwortete er sicher.

Die Kommandantin stand auf und griff nach der leeren Kaffeetasse.

»Ich muss mit Arris reden.«

Peyton sah zu ihr auf und lächelte.

»Keine Sorge. Sheila findet bestimmt eine Möglichkeit, Bohnen zu replizieren.«

»Das hoffe ich«, erwiderte Leach und lachte. »Aber bis dahin will ich auf keinen Fall meine zweite Tasse versäumen.«

Dalby beobachtete ungläubig, wie sich die zhargosianische Fregatte zurückzog. So etwas hätte sie nicht für möglich gehalten. Aber sie hätte sich auch nicht vorstellen können, von den Zhargosianern gefangen genommen zu werden und mit der Fähre zu fliehen.

Sie erinnerte sich daran, gelacht zu haben, als sie sich zum ersten Mal an Bord der Fähre umgesehen hatte. An Bord des spartanisch ausgestatteten kleinen Raumschiffes fühlte sie sich fehl am Platz. Unglücklicherweise gehörte keine Waffenkonsole zu den Ausstattungen. Das Fehlen entsprechender Bordsysteme deutete ihrer Meinung nach darauf hin, dass dieses Schiff nicht dazu bestimmt gewesen war, größere Entfernungen zurückzulegen. Offenbar diente es einzig und allein dazu, zum Personentransport.

Die Fähre erzitterte leicht, als sie vom Traktorstrahl der Archon erfasst wurde. Dalby sah Dr. Martis an und nickte beruhigend. Captain Leach schien Vertrauen zu verdienen, aber beide Altorianer wussten, dass viel von ihrem Verhalten abhing. Wenn es ihnen gelang, eine Vereinbarung mit der Kommandantin zu treffen, konnten sie vielleicht rechtzeitig genug zurückkehren, um ihre Heimatwelt zu warnen.

Kapitel 6

 

Shuttle-Hangar,

USS Archon,

Unbekannter Raumsektor

 

Der Steuermann beobachtete, wie sich das Hangar-Schott hinter dem schnittigen Raumer schloss. Er hatte viele hübsche Schiffe gesehen, aber dieses beanspruchte auf der entsprechenden Liste einen Platz ganz oben. Am liebsten wäre er dicht herangetreten, um die schwarz und silbern glänzende Außenhülle zu berühren. Selbst als die Fähre auf dem Hangar-Deck ruhte, erweckte sie den Eindruck, dahingleiten zu wollen, über einen blauen Himmel oder durch ein grünes Meer. Aber es rührte sich nicht von der Stelle.

Mannix wartete und sah, wie sich in der einen Seite eine Luke öffnete. Dalby stieg aus, gefolgt von Dr. Martis. Der Steuermann hielt unwillkürlich den Atem an, als sich die Frau im Hangar umsah und dann auf ihn zuschritt. Sie sah wundervoll aus in ihrer dunkelblauen Uniform. Die roten Augen passten gut zu dem hellroten Haar. In Wirklichkeit fand der Sternenflotten-Offizier die Altorianerin noch schöner, als auf dem Brückenbildschirm.

Hinter ihm öffnete sich die Tür des Hangars. Lieutenant Leeta kam herein und blieb an seiner Seite stehen. Er schluckte und lächelte, damit Dalby wenigstens ein freundliches Gesicht sah.

»Willkommen an Bord der Archon«, sagte er, trat vor und streckte die Hand aus.

Dalby ergriff nicht etwa die dargebotene Hand, sondern seinen Arm. Allem Anschein nach war bei den Altorianern, oder zumindest bei ihrem Militär, ein Gruß üblich, der dem im alten Rom ähnelte.

»Ich bin Lieutenant Mannix«, sagte er. »Nennen Sie mich Brian.«

»Lieutenant Dalby, von der Altorianischen Raumflotte«, antwortete die Frau.

Sie musterte den Mann zwei oder drei Sekunden lang und lächelte dann ebenfalls.

»Es ist mir ein Vergnügen!«

Sie deutete auf ihren Begleiter.

»Das ist der Astrophysiker Dr. Martis.«

Mannix atmete tief durch und musste sich fast dazu zwingen, auch seinen Teil der Vorstellung zu beenden.

»Das hier ist Lieutenant Leeta«, brachte er hervor.

»Eine Elog?«, fragte Martis irritiert.

Es klang fast schockiert.

»Einst gehörte ich zu diesem Volk«, erklärte Leeta. »Jetzt ist das nicht mehr der Fall.«

Mannix schaffte es, diese Worte nicht mit einem Lächeln zu kommentieren. Er hatte sie schon des Öfteren in einer solchen Situation gesehen. Martis nickte. Der Steuerman musterte die große Frau mit einem letzten nachdenklichen Blick, bevor er wieder den Sternenflotten-Offizier ansah.

»Lieutenant Mannix«, sagte Dalby förmlich und straffte die Schultern. »Ich muss mit Ihrem Captain sprechen und habe Informationen, die sehr wichtig sind für Ihr Schiff, falls Commander Ragan mit einer zhargosianischen Streitmacht zurückkehrt.«

»Kein Problem«, erwiderte Mannix und lächelte erneut. »Aber der Captain hat mir aufgetragen, zuerst dafür zu sorgen, dass Sie medizinische Hilfe bekommen. Falls Sie welche benötigen.«

»Danke, Lieutenant«, erwiderte Dalby. »Das brauchen wir nicht, wir sind okay.«

Sie entspannte sich ein wenig und berührte noch einmal seinen Arm.

»Es ist wirklich von großer Bedeutung, dass wir so schnell wie möglich mit dem Captain sprechen können.«

Mannix bedauerte es, keinen Vorwand zu haben, um Dalby noch etwas länger aufzuhalten, aber die Pflicht rief.

»Und wir müssen auch mit Ihrem wissenschaftlichen Offizier reden«, fügte Dr. Martis hinzu. »Immerhin ist ein großer Teil meines Berichts astrophysikalischer Natur.«

»Ich glaube, Captain Leach ist in beiden Fällen die geeignete Gesprächspartnerin für Sie.«

»Auch ich bin imstande, erforderliche Informationen zu liefern«, warf Leeta ein.

»Gut«, erwiderte Martis und bedachte die Elogianerin mit einem weiteren von Unbehagen geprägten Blick. »Es bleibt nicht mehr viel Zeit.«

Mannix sah zu Dalby, die kurz mit den Schultern zuckte.

»Er hat recht.«

»Was meinen Sie?«, fragte der Steuermann irritiert.

»Unsere Sorge gilt nicht den Zhargosianern, sondern den sterbenden Doppelsternen«, erwiderte Dr. Martis.

Leeta trat abrupt vor und ragte vor dem fremden Mann auf.

»Erklären Sie das.«

Mannix zog seine Kollegin vorsichtig am Arm zurück.

»Ich denke, wir sollten besser zum Captain gehen.«

Sie sah ihn an und nickte und schritt

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Oliver M. Pabst
Bildmaterialien: Oliver M. Pabst
Cover: Oliver M. Pabst
Lektorat: Korrektuen.de Julian von Heyl
Korrektorat: Korrektuen.de Julian von Heyl
Tag der Veröffentlichung: 08.01.2024
ISBN: 978-3-7554-6664-2

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