Dieser Roman ist eine Erfindung des Schriftstellers. Die im Buch vorkommenden Charaktere sind frei erfunden. Irgendwelche Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Ereignissen, lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.
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In einigen Sternensystemen der Erdallianz häufen sich die Überfälle auf zivile Frachtschiffe. Die Raumstation Acardia soll den Piraten das Handwerk legen. In der Zwischenzeit werden auf der Station zwei Leichen gefunden. Es stellt sich heraus, dass die Männer ermordet wurden und die Angriffe der Raiders mit einer Verschwörung zusammenhängen, die in die höchsten Kreise der Erdregierung reicht...
Kommandozentrale,
Station Acardia,
Altair-System
Commander Tracy Lockhart hatte ihre Hände auf dem Rücken verschränkt und betrachtete die vorgezeichnete Routen der Frachter auf dem Bildschirm. Die Farben der Anzeige tanzten auf ihrem Gesicht und ihre Haut war von dem eng zusammengebundenen Pferdeschwanz gespannt. Wenn keine Schiffe die Station verließen oder anflogen, konnte sie durch die Beobachtungsfenster der Kommandozentrale die Sterne vor dem schwarzen Hintergrund des Alls glänzen sehen. In solchen Momenten erahnte sie die Unendlichkeit des Universums und besann sich auf den Platz der Menschen in der Riege der intelligenten Lebewesen.
Die Raumstation, auf der Lockhart stationiert war, befand sich im Orbit des unbewohnten Planeten Altair 4, unweit des Hyperraumsprungtores. Sie diente als militärischer Außenposten zum Schutz der Handelsrouten in der Region und fungierte gleichzeitig als zivile Durchgangsstation für den größten Teil des systemfremden Verkehrs, insbesondere für Schiffe, die keine eigenen Sprungtriebwerke besaßen.
Die Station verfügte über einige der fortschrittlichsten Technologien, die von der Erdallianz entwickelt wurden. Sie besaß eine Höhe von 2.180 Metern und einen Durchmesser von 1.635 Meter. Ferner wurde sie 2258 in Dienst gestellt und ersetzte die alte Station der Liberty-Klasse.
Acardia war in mehrere Module unterteilt, die mit einem zentralen Kern verbunden waren, der durch die ganze Höhe der Station führte. Ein Turboliftsystem unterstützte die Mobilität der Besatzung an Bord, in dem es schnelle Transporte von Ort zu Ort gewährleistete.
Das Kommando-Modul befand sich oben auf dem Raumdock und ähnelte in der Form einer Kuppel mit abgeschrägter Scheibe. Es war mit leistungsfähigen Sensoren an der Spitze ausgestattet sowie einer Kommunikationsantenne, die eine permanente Verbindung zum Subraum-Relais-Netzwerk der Erdallianz gestattete. In der obersten Ebene lag das Kommandozentrum, die restlichen zwei Decks nahmen die Büros des Führungspersonals und Konferenzräume ein. Das Modul enthielt auch den primären Computerkern sowie mehrere Hilfsstromgeneratoren, die dazu gedacht waren, es in einem Notfall autark zu machen.
Das Raumdock war ein großes, rundes Modul in Form einer Pilzkappe mit einer Höhe von 25 Decks und zwei Raumtüren, die in eine höhlenartige Dockanlage führten. Der Hangar diente dem zivilen Verkehr hauptsächlich zum Umschlagen von Fracht, welcher direkt mit den Lagerräumen der Station verbunden war. Im Inneren standen 30 Liegeplätze für kleine Raumschiffe zur Verfügung. An der Außenseite des Moduls befanden sich noch vier Andockpylone, sodass auch große Schiffe anlegen konnten.
Acardia wurde täglich von etwa 40 zivilen Schiffen angeflogen und war ein wichtiger Treffpunkt für Händler, woraus sie einen Großteil ihres laufenden Budgets bezog. Der Handel unterlag prinzipiell keinen Beschränkungen. Es durften zwar auch Waffen verkauft werden, aber dem Käufer innerhalb der Einrichtung nicht übergeben werden.
An der Unterseite des Raumdocks lag ein kreisförmiges Scheiben-Modul, zu dem nur Militärpersonal eine Zugangsberechtigung hatte. Es handelte sich um das Flugdeck mit den Startbuchten für 32 Kampfflieger vom Typ SA-23E Starfury, der Standard-Jäger der Erdallianz. Das Modul enthielt auch Mannschaftsräume, Waffenkammern und Ersatzteillager.
Darunter befand sich ein tonnenförmiges Unterstützungs-Modul, das die Verwaltungsbüros, wissenschaftliche Labore, das medizinische Zentrum; Kantinen sowie Stauräume beinhaltete.
Es folgte das Habitat-Modul, welches eine annähernd konische Form besaß. Die Promenade erstreckte sich über vier Etagen und war sowohl der soziale als auch gesellschaftliche Mittelpunkt von Acardia. Eine Galerie in der obersten Ebene hatte große Aussichtsfenster, die einen fantastischen Blick auf das umgebende Weltall bot. In der nächsten Ebene gab es eine Vielzahl an Restaurants, Bars, Cafés, Lounges sowie ein Casino. Die Etage beherbergte zahlreiche Einkaufsmöglichkeiten, während die unterste Ebene Fitnessstudios, eine Sporthalle und andere Freizeiträume enthielt.
Der ringförmige Lebensbereich war durch acht Laufbrücken mit dem Habitat verbunden und beherbergte nahezu 10.000 Wohnquartiere mit Einzel-, Doppel- oder Familienzimmern. Zudem gab es rund um den ganzen Ring verteilt eine Reihe Manövertriebwerke, welche die Aufgabe hatten, die Station auf ihrer Position zu halten.
Die Gravitation wurde durch Rotation der ganzen Station simuliert, was den Bewohnern die Illusion eines Lebens in einer planetaren Umgebung gab. Auf Acardia lebten ständig 4.000 Angehörige der Erdstreitkräfte und 1.000 zivile Mitarbeiter, die das Personal unterstützten, um den optimalen Betrieb zu gewährleisten. Die 5.000 Gäste unterschiedlicher Spezies waren dagegen überwiegend Transitreisende.
Unterhalb des Habitats befand sich das kugelförmige Technik-Modul, das die Lebenserhaltungssysteme sowie zwei identische Partikelfusionsreaktoren beherbergte, welche die Energie für die gesamte Station lieferten. Weiterhin waren im Modul noch vier Deuterium-Tanks untergebracht, um Raumschiffe betanken zu können.
Acardia wurde durch effektive Waffensysteme geschützt, die genügend Feuerkraft hatten, um es einem Kreuzer aufnehmen zu können. Der Grund für diese schwere Bewaffnung war durch die Wichtigkeit und strategische Lage der Station im Altair-Sektor.
Lockhart beschäftigte sich wieder intensiver mit dem Bildschirm ihres Computers. Die Oberfläche ihres Kontrollpults war schwarz, wo dutzende Anzeigen blinkten und beständig die Farbe wechselten, während Informationen und Daten auf Bildschirmen darüber huschten. Auf dem Hauptschirm zeigten Symbole jene Schiffe an, die gerade abflogen oder sich der Acardia näherten. Eines darunter, war besonders gekennzeichnet: ein Frachter, der sich zu schnell den Docking-Ring näherte. Selbstsicher gab sie ihren Befehl.
»Helios, hier ist Acardia. Ihre Geschwindigkeit ist zu hoch. Bremsen Sie ab, sonst werden Sie mit der Station kollidieren. Haben Sie mich verstanden?«
»Verstanden, ich drossle jetzt unseren Schub«, erwiderte der Kapitän auf dem Kommunikationsschirm.
Eine Technikerin an den Scannern prüfte laufend die Instrumente.
»Die Helios wird langsamer.«
Lockhart nickte, ohne den Blick von ihrem Monitor zu lösen.
»Gut. Aktivieren Sie den Leitstrahl und halten Sie alle abfliegenden Schiffe von der Anflugschneise fern.«
Der Commander würde den Vorgang von der Konsole aus überwachen, damit nichts schiefging. Sie vertraute zwar den fremden Piloten, aber in dieser Situation gab es nur ein wünschenswertes Ergebnis und jede Menge Möglichkeiten für eine Katastrophe. Angesichts dieser Tatsache wollte sie sich nicht allein auf ihr Glück verlassen, wie sie stets sagte.
Andere, kleinere Probleme zogen ihre Aufmerksamkeit auf sich: Der Kommunikationsschirm meldete zwei Nachrichteneingänge. Lockhart hatte eine ziemlich genaue Vorstellung, worum es dabei ging. In den Korridoren außerhalb der Zentrale trieb sich eine kleine Meute von Schiffsspediteuren herum, die mehr über ihre Startzeiten in Erfahrung bringen wollte. Aber die würden sich gedulden müssen, bis die Helios sicher gelandet war. Sie hatte weder die Zeit noch die Absicht, sich jetzt mit diesen Leuten zu befassen.
Mittlerweile hatte der Frachter seinen Anflug auf die Station eingeleitet und Lockhart konzentrierte sich wieder auf die Arbeit.
»Helios, wir haben Sie auf dem Schirm. Sie können an Dock 14i festmachen. Willkommen auf der Station Acardia.«
Dann wurde es noch einmal spannend, denn der Erdfrachter kam einem startenden Transporter der Narn gefährlich nahe. Lockhart reagierte sofort.
»Helios, schwenken Sie in Ihre vorgesehene Route ein!«
Das riskante Manöver des irdischen Frachters war keine Absicht gewesen, sondern eher Unachtsamkeit der Piloten. Diese waren meist übermüdet. Es war allerdings ein Gebot, sich an die Verkehrsvorschriften einer Station zu halten, die so stark frequentiert wurde.
Nachdem die Krise gemeistert war, übergab Lockhart die Kontrolle des Flugbetriebs an den diensthabenden Offizier ab.
»Das war's für mich«, meinte sie mit einem Seufzer. »Die Station gehört Ihnen, Lieutenant Nakashima.«
Ihre Ablösung nickte und übernahm den Kommandoposten vor dem Hauptschirm des Kontrollcenters. Momentan war es ruhig, nur zwei Schiffe bereiteten sich auf den Abflug vor. Die Station war gesichert. Dann ging Lockhart durch die Tür und zum Lift, der sie zu ihrem bescheidenen Quartier bringen sollte. Sie dachte an ihr Bett, den wertvollsten Besitz im ganzen Universum. Es war kein besonderes Bett, nur ein Standard-Einzelbett, extra hart, aber es war ihre Zuflucht, ihr Sanktuarium. Egal, welches Chaos um sie herum ausbrach, sie konnte immer in das Bett fallen und Frieden im sofortigen Schlummer finden.
Sie dachte wieder an den Traumurlaub, den sie antreten wollte, sobald er ihr bewilligt würde. Dann würde Lockhart so viel wie möglich im Bett liegen. Das Com-Link, den Computer, der Wecker und alles andere, was sie eventuell aus dem Schlaf reißen könnte, würde in der untersten Sockenlade verschwinden. Vielleicht würde ein Bote auf ihr Gesuch hin erscheinen, der ihr Bonbons und andere Snacks brachte, aber ansonsten würde sie nur schlafen. Jedes Mal beim Erwachen wäre da diese unendliche Zufriedenheit, die sie sofort wieder dazu bewegen würde, sich umzudrehen und weiterzuschlafen. Der Commander kicherte. Was hatte ihr Großvater immer gesagt? Eine Frau kann im Bett alles tun, außer aufwachen.
Ouartier von Tracy Lockhart,
Station Acardia,
Altair-System
Nachdem Lockhart ihre Privaträume betreten hatte, sah sie das Blinken am Kommunikationsterminal. Sie betätigte die Abrufanzeige auf dem kleinen Monitor.
»Eine Nachricht eingetroffen, dringend und persönlich«, sagte der Computer.
Sie fragte sich, wer diese geschickt haben könnte? Was wollte man von ihr? Noch vor einigen Monaten hätte eine derartige Meldung in ihr sofort Sorge um ihre Mutter ausgelöst, die sterbend in einem Hospital auf der Erde gelegen hatte, aber diese Phase ihres Lebens lag nunmehr hinter ihr. Mutter, Bruder, schließlich ihr Vater, sie alle waren tot. Es gab niemanden mehr, dessen persönliches Anliegen so dringend sein konnte, dass ihren Schlaf unterbrechen durfte. Sie zögerte, doch dann fragte sie nach dem Absender der Nachricht.
»Der Name ist James Warwick.«
»Warwick?«, murmelte sie verwundert.
Lockhart erinnerte sich langsam wieder an den Mann. Aber was machte er hier auf der Station? Und was für eine dringende Angelegenheit wollte er mit ihr besprechen? Soweit sie sich zu erinnern vermochte, war er nach Orion 7 zurückgekehrt und hatte nach dem Minbari-Krieg eine vielversprechende Karriere bei den Erdstreitkräften sausen lassen, während sie schon vor ihrem dreißigsten Geburtstag zum Commander befördert worden war. Nun kehrte auch das Gesicht an ihn zurück: blonde, kurze Haare, ein warmherziges Lächeln.
Zwischen ihnen hatte sich nie etwas abgespielt, aus einer Reihe von Gründen: Warwick war ihr Ausbilder auf der Akademie gewesen. Außerdem war er seiner Frau absolut treu. Sie erinnerte sich, dass er stets ihr Bild bei sich getragen hatte. Wie war noch ihr Name gewesen? Cherryl? Lockhart hatte immer vermutet, dass er die Erdstreitkräfte wegen seiner Frau verlassen hatte. Man konnte sich ihn nur schwer in einer der Minen von Orion 7 vorstellen, wenn man ihn einmal im Cockpit eines Kampffliegers erlebt hatte. Er hatte ihr alles beigebracht, was sie über das Fliegen wusste. Sie konnte sich gut an ihn erinnern.
»Mitteilung abspielen«, wies sie den Computer an.
»Nachricht wird abgespielt.«
Das Gesicht, das jetzt auf dem Schirm erschien, war doch nicht das von Warwick. Sein Vater, ein älterer Bruder? Es sah älter aus, die Lachfalten hatten sich tiefer eingegraben. Lockhart kämpfte den Drang nieder, ihr eigenes Gesicht in der spiegelnden Konsole zu mustern. Haben wir uns so verändert? Wie lange ist es her? Zehn Jahre? Die Stimme war jedoch noch dieselbe. Die Mitteilung war kurz und bündig.
»Tracy, ich bin in Schwierigkeiten. Man sagt, du bist in der Station die Nummer zwei. Ich kenne niemanden sonst, der mir helfen könnte. Ich muss dir etwas berichten. Triff mich bitte im Bereitschaftsraum der Epsilon-Staffel um 20:00 Uhr. Ende der Nachricht.«
Lockhart dachte nach. Natürlich werde sie sich mit ihm treffen. Aber in was für Schwierigkeiten steckte Warwick? Warum schien er so beunruhigt?
»Computer, wie spät ist es jetzt?«
»18:40 Uhr.«
Bereitschaftsraum Epsilon-Staffel,
Station Acardia,
Altair-System
Lockhart durchschritt den großen Raum und setzte sich dann wieder hin. Der Bereitschaftsraum der Staffel Epsilon war verwaist, wie immer, wenn die Piloten keinen Dienst hatten. Sie war nun schon seit fast zwei Stunden hier und hatte sich die Nachricht noch einmal auf dem Bildschirm des Terminals angesehen, ein paar alte Zeitungen durchgeblättert, die auf einem Tisch gelegen hatten und sich schließlich mit einem kleinen Holo-Spiel abgelenkt, das sie unter einem Sitzkissen fand. Bei diesem Spiel jagte man einem außerirdischen Kampfflieger hinterher. Das sollte eingezogen werden, dachte sie. Jetzt, da endlich Friede zwischen den Menschen und den Minbari herrschte, sollte das Thema Krieg nicht ständig wieder aufgewärmt werden. Trotzdem war das Spiel gar nicht so schlecht.
Sie trug immer noch ihre Uniform und ihr Haar war immer noch straff nach hinten gebunden, was zu den Kopfschmerzen beitrug, die sie über ihren Schläfen pochen fühlte. Fast zwei Stunden! Wo blieb Warwick? Ihre Sorge, dass ihm etwas zugestoßen sein könnte, hatte sich unterdessen gesteigert.
»Computer, wie spät ist es jetzt?«
»22:04 Uhr.«
Während der ganzen Zeit, in der sie hier war, betrat niemand den Raum. Nur eine weitere Person hatte sich sehen lassen: ein Mann, der aus dem Waschraum gekommen war, nachdem sie das Bereitschaftszimmer betreten hatte. Was also war mit Warwick? In seiner Nachricht hatte er von Schwierigkeiten gesprochen. Er schien Angst gehabt zu haben. Es war schwer zu glauben, dass jemand wie er Feinde hatte, geschweige denn auf Acardia. Schließlich hatte er vorher noch nie einen Fuß auf die Station gesetzt. Bis wann eigentlich? Wie lange war er jetzt bereits hier? Warum hatte dieser sie nicht schon früher kontaktiert?
»Computer, wann ist James Warwick hier angekommen?«
»Die Registratur führt vier Individuen mit dem Namen Warwick, keine mit den Initialen James.«
»Was? Das ist unmöglich!«
Auf einem Tisch in der Ecke des Raumes stand eine Computerkonsole. Lockhart nahm die Personenlisten in Augenschein. Reihen von Namen flackerten über den Schirm. Es stimmte. Warwick war nicht darunter. Das konnte nur ein Fehler sein, ein ganz klarer Fehler. Wenn er sich irgendwo in der Station aufhielt, musste auf jeden Fall sein Name im Stationsregister auftauchen. Sie rief seine Nachricht erneut auf und ermittelte den Ausgangspunkt.
»Die Nachricht wurde um 14:32 in Sektor Rot aufgenommen.«
Er war also in der Station. Es war Warwicks Gesicht, das sie vor sich sah. Und er betonte, dass er in Schwierigkeiten sei. Langsam machte sich Lockhart ernsthafte Sorgen darüber, worin er verwickelt sein könnte.
»Irgendwas geht hier vor«, murmelte sie.
Vielleicht war die Registratur ja auch der falsche Ausgangspunkt für ihre Suche.
»Computer, durchsuche alle Datensätze nach dem Namen James Warwick!«
Die Antwort war nicht das, was sie zu hören wünschte.
»Datei ist geschützt.«
Lockhart schnaubte. Sie gab ihr Passwort ein, das sie als Mitglied des Kommandostabes auswies.
»Passwort akzeptiert. Sicherheitsfreigabe gültig. Zugriff auf Datei James Warwick.«
Wieder erkannte sie sein Gesicht auf dem Schirm, aber diesmal war es für alle Sicherheitskräfte der Erdallianz gekennzeichnet: Fahndungsalarm Stufe Rot! James Warwick gesucht wegen Hochverrat und Terrorismus!
Er soll ein Terrorist sein? Ein Teil von ihrem Weltbild geriet gefährlich ins Wanken. Nein, das konnte nicht sein, ausgeschlossen, ein Irrtum. Vielleicht ging es um einen anderen Mann. Aber das Gesicht auf dem Schirm war eindeutig seines. Alarmiert, mit zitternden Händen, wählte sie eine Privatverbindung an.
»Chief, hier spricht Lockhart.«
Erleichtert hörte sie die vertraute Stimme des Sicherheitschefs von Acardia. Dieser hatte fast das Gefühl, als gehöre die Station ihm. So hatte er noch nie für einen Platz in der Welt empfunden. Vielleicht lag das daran, dass ihm hier zum ersten Mal keine Knüppel zwischen die Beine geworfen wurden. Er war früher immer wieder auf Hindernisse gestoßen. Jedes Mal, wenn er sein Leben im Griff hatte, schien irgendjemand zu glauben, es wäre an der Zeit, Sand in sein Getriebe zu streuen. Doyle beklagte sich nicht. Er hielt nur ständig die Augen offen, für den Fall, dass jemand Sand in seine Richtung warf.
»Was gibt es, Commander?«
»Ich weiß, Sie sind nicht im Dienst...«
»Schlaf ist was für Memmen und ich bin keine. Also schießen Sie los.«
Das war leichter gesagt als getan.
»Ich bekam heute eine Nachricht von einem alten Freund, meinem Ausbilder an der Akademie. Er bat mich um ein Treffen in der Station, im Bereitschaftsraum der Epsilon-Staffel, um 20:00 Uhr. Ich habe bis jetzt dort gewartet, aber er ist nicht aufgetaucht«, begann sie.
Mike Doyles Stimme klang belustigt.
»Hat er Sie sitzenlassen? Sollen meine Leute Ihre Verabredung aufspüren?«
Lockhart überging diese Bemerkung. Der Chief war für seine schlechten Witze bekannt, doch sie war jetzt nicht in der Stimmung.
»In seiner Mitteilung erwähnte er Schwierigkeiten. Als er nach zwei Stunden immer noch nicht aufgetaucht war, habe ich den Computer zurate gezogen. Zuerst konnte ich ihn in der Stationsregistatur nicht finden. Dann stieß ich auf seine Fahndung. Man sucht ihn wegen des Verdachts auf Terrorismus.«
Doyles Stimme wurde schnell ernst.
»Wie ist der Name Ihres Freundes?«
»James Warwick.«
Eine Pause.
Dann ließ sich seine grimmige Stimme vernehmen.
»Ich glaube, Sie sollten mich unbedingt in der Sicherheitsabteilung besuchen, Commander.«
Sicherheitsabteilung,
Station Acardia,
Altair-System
Doyle erwartete Lockhart bereits. Wie immer saß er in seinem Drehsessel, der ihm Zugriff auf die Unmenge an Instrumenten und Bildschirmen gewährte, welche die Hälfte seines Büros einnahmen. Seine graue Erdallianz-Uniform war wie gewöhnlich nicht so faltenfrei, wie es einem ehrgeizigen Offizier zukam. Er war schon zu lange dabei, um die Erscheinung für wichtiger zu erachten, als das Ergebnis. Sie hatte miterlebt, dass er meistens Ergebnisse lieferte.
Der Chief wies sie auf den Hauptschirm, der eine Datei zeigte.
»Ist das Ihr Freund?«, fragte er. »Kommt er von der Kolonie auf Orion 7?«
Widerstrebend nickte sie.
»Ja, das ist er.«
»Sieht so aus, als hätte sich Ihr Freund in die Orion-Politik eingemischt und ist ein Mitglied der Separatisten ‘Freier Orion‘. Die Erdzentrale hat die Fahndung vor einer Woche ausgeschrieben.«
»Nein.«
Sie blickte den Chief entsetzt über die überraschenden Erkenntnisse aus der Datei an.
»Das kann nicht sein. Nicht James. Sie kennen und wissen nicht, wie er ist. Seine Familie und seine Frau bedeuten ihm alles. Er hat seine Karriere für sie aufgegeben, um bei ihr bleiben zu können. Soweit ich weiß, ist er in die Minen von Orion 7 gegangen. Er würde niemals...«
Ihre Stimme verebbte, als sie weiterlas.
»Ist er in Gewahrsam? Haben Sie ihn in einer Zelle?«
Doyle schüttelte den Kopf.
»Bis jetzt wussten wir nicht einmal, dass er auf der Station ist. Dies ist eine allgemeine Fahndung, die an alle Sicherheitschefs der Erdzentrale gegangen ist. Wie genau kennen Sie den Mann? Er war Ihr Ausbilder, sagen Sie. Haben Sie ihn seit ihrem Abschluss an der Akademie wiedergesehen? Oder ihn in letzter Zeit getroffen?«
»Nein, nicht, seit er die Erdstreitkräfte verlassen hat. Das war noch vor meiner Stationierung auf Kallisto. Dort habe ich erstmals unter Captain Shepard gedient.«
Sie brach plötzlich ab. Ihre Miene änderte sich, als ihr aufging, dass es hier einem Verhör gleichkam und fiel wieder in ihren dienstlichen Tonfall zurück.
»Ich habe ihn seither nicht gesehen. Ein paarmal hat er sich gemeldet, Geburtstagsgrüße und so. In den letzten Jahren auch das nicht mehr. In den vergangenen Jahren dachte ich überhaupt nicht mehr an ihn.«
»Sie sollten mir lieber die Botschaft zeigen, die Sie heute von ihm bekommen haben«, meinte Doyle grübelnd.
Lockhart fühlte sich hin- und hergerissen. Warwick hatte sie um Hilfe gebeten. Aber sie hatte keine Wahl, nicht als Offizier der Erdallianz. Außerdem war ihr klar, dass er ihre Einwilligung gar nicht brauchte. Als Chef der Sicherheit hatte er Zugriff auf praktisch alle Daten.
»Natürlich«, meinte sie rasch, um ihr Zögern zu überspielen.
Dieses Mal kam ihr Warwicks Gesichtsausdruck gehetzt vor, wie der eines Mannes auf der Flucht.
»Ich verstehe es nicht.«
»Wir wissen immerhin«, sagte Doyle, »dass er es bis hierher geschafft hat und eine Nachricht abschicken konnte, ohne entdeckt zu werden. Das macht mir Sorgen. Wie konnte er auf die Station gelangen, ohne Alarm auszulösen? Und wenn er dazu in der Lage war, was hat er noch anstellen können? Wir haben keine Ahnung, wie lange er sich schon hier aufhält. Oder ob ihm jemand Unterschlupf gibt. Wenn wir hier einen Ableger der ‘Freier Orion‘-Bewegung haben, bedeutet das allerdings Schwierigkeiten.«
Lockhart wollte so schnell nicht aufgeben.
»Aber wenn er wirklich ein Terrorist wäre, warum sollte er mich dann um Hilfe bitten? Er muss meinen Rang doch gekannt haben. Wenn er mit dieser Bewegung etwas zu tun hat, hätte er doch zu denen gehen können. Vielleicht sind die hinter ihm her. Er sagte doch, er wäre in Schwierigkeiten.«
»Das wüsste ich auch gerne. Wir müssen ihn also verhören, sobald er sich wieder mit Ihnen in Verbindung setzt.«
Sie stimmte zu, aber in ihrem Innern nagte weiterhin der Zweifel. Warwicks Gesicht flimmerte immer noch auf dem Schirm. In was für Schwierigkeiten steckst du? Was ist geschehen? Wo warst du heute Abend?
Büro von John Shepard,
Station Acardia,
Altair-System
Captain Shepard versuchte in seinem Büro, seine Müdigkeit abzuschütteln, in dem er sich einen Becher frischen Kaffee aus der Thermoskanne einschenkte. Er lehnte sich in seinem Sessel am Schreibtisch zurück und schüttelte den Kopf. Amüsiert warf er einen lächelnden Blick auf den Tisch, der von einem Berg Papierkram übersät war. Sein Leben schien sich um Papier zu drehen, jede Menge Papier. Genauer gesagt, um Berichte, Anträge, Listen, Genehmigungen, Meldungen, Terminpläne und Protokolle.
Der Erdallianz-Offizier versuchte, auf dem überfüllten Tisch einen Platz für seine Füße zu finden. Das ließ er dann aber lieber bleiben, denn seine Zwischenmahlzeit wäre sonst von dem schwankenden Stoß gekippt. Der Captain seufzte. Er war Soldat, eine Führungspersönlichkeit, ein Mann der Tat. Bis vor einem Jahr hatte er angenommen, sein Schicksal sei unwiderruflich mit den Erdstreitkräften verbunden, ein Rädchen von bescheidener Bedeutung im Getriebe der Militärmaschinerie. Das hatte sich mit seiner Versetzung auf die Station Acardia geändert. Man hatte ihn zu einem Verwaltungsbeamten gemacht, einen Bürokraten. Er kam sich durch diese Versetzung fast verraten vor.
In der Vergangenheit war Shepard schon zweimal versetzt worden, aber niemals so drastisch. Und er war noch nie so weit von seinem Zuhause stationiert gewesen. Im vergangenen Jahr war es so weit gekommen, dass er fast eine Gefängnispsychose bekommen hatte. Es gab auf Acardia zu viele Wände, Räume, Gänge und Korridore. Alles war eng, man hatte zu wenig Platz über dem Kopf und es gab zu viele Leute. Er griff nach dem Becher Kaffee, als das Türsignal piepte.
»Herein!«
Die Tür glitt zur Seite und Lockhart betrat den Raum. Irgendwie schien die junge Frau in ihrer blauen Uniform viel größer auszusehen, als sie tatsächlich war. Seitdem sich beide vor vier Jahren auf Kallisto kennengelernt hatten, hatte Shepard kaum einmal erlebt, dass sie sich nicht mit präziser militärischer Haltung bewegte. Die reinste Ironie, wenn man bedachte, dass sie wahrscheinlich der menschlichste Offizier war, den er je kennengelernt hatte.
»Sie wollen mich sprechen, Captain?«
»Schön, Sie zu sehen, Commander. Nehmen Sie bitte Platz«, begann der Captain. »Ich habe mich mit der Erdzentrale in Verbindung gesetzt und ihnen unsere aktuelle Situation in Altair-Sektor geschildert. Ich finde, der Präsident sollte wissen, dass wir unser Möglichstes tun, um die Ordnung in diesem Raumsektor aufrechtzuerhalten. So kann er sich in unsere Lage versetzen, um zu verstehen, womit wir es hier zu tun haben. Aber sie haben wieder nur gesagt, dass sie bereits Bescheid wissen. Ich habe nicht einmal gefragt, woher. Offenbar versorgt sie jemand auf unserer Station mit Informationen.«
»Überrascht Sie das etwa?«, fragte Lockhart und verzog das Gesicht.
»Nein, aber ich hätte nicht erwartet, dass es ihnen gleichgültig ist, ob ich davon erfahre. Es sieht beinahe so aus, als wollte sich Präsident Clark damit brüsten, dass wir Acardia nicht unter Kontrolle haben.«
»Glauben Sie, Cordelia Summers ist eine Spionin?«
»Der Gedanke ist mir gekommen, möglich ist es. Aber selbst wenn das der Fall wäre, erklärt das nicht, wie jemand ohne unser Wissen Verbindung zur Erde aufnehmen konnte.«
»Ich habe es überprüfen lassen. So wie es aussieht, gab es in den letzten 24 Stunden keine illegalen Funkverbindungen nach draußen. Aber Summers ist Mitglied des PSI-Corps und die haben ihre eigenen Kanäle.« sagte Lockhart.
»Allerdings.«
Shepard bemerkte, dass ihm seine Stellvertreterin einen erwartungsvollen Blick zuwarf.
»Na gut, Commander. Vielleicht sollte Mr. Dolye sie im Auge behalten. Trotzdem müssen wir mit Summers zusammenarbeiten.«
»Ja, leider«, seufzte Lockhart.
Der Captain lehnte sich in seinem Sessel zurück und verschränkte die Arme.
»Kommen wir zu einem anderen Thema, weshalb ich Sie hergerufen habe. Wie Sie wissen, häufen sich in letzter Zeit die Überfälle der Raiders auf zivile Frachtschiffe. Sie tauchen aus dem Nichts auf, schlagen zu und verschwinden wieder. Das macht es schwierig, den Piraten das Handwerk legen. Aber es bietet sich auch eine einmalige Chance, die wir uns nicht entgehen lassen dürfen.«
»Was meinen Sie das?«, fragte Lockhart irritiert.
»Ich hatte ein Gespräch mit Senator Hidosh. Er bat mich das Problem mit Piraten aus der Welt zu schaffen und ich versprach ihm, dass wir eine Lösung finden werden.«
»Aber warum wendet sich der Senator ausgerechnet an uns?«
»Die Erdstreitkräfte kümmern sich nicht darum und der Senat fürchtet, dass die Raiders das Narn Regime mit Waffen versorgen könnten. Aus diesem Grund hat Hidoshi uns um Hilfe gebeten. Er tut uns damit einen Gefallen«m erklärte Sfepard. »Wir könnten so allen beweisen, dass unsere Station wichtig ist. Viele Senatoren halten das Acardia-Projekt für zu kostspielig. Wenn man das nächste Mal über unsere Anforderungen berät, wäre es natürlich von Vorteil, wenn wir einen Politiker auf unserer Seite hätten.«
»Stimmt«, pflichtete sie ihm bei. »Und wie wollen gegen die Piraten vorgehen? Die werden sich nicht davon abhalten lassen, weiterhin Schiffe zu überfallen.«
Shepard schüttelte den Kopf.
»Da mögen Sie recht haben, doch wir werden den Raiders das Leben schwer machen. Also möchte Ich, dass Sie einen neuen Einsatzplan für unsere Kampfflieger ausarbeiten. Zwei Staffen sollen Patrouille fliegen, während zwei andere Geleitschutzaufgaben übernehmen. Die fünfte Staffel bleibt zum Schutz der Station in Reserve.«
»Dann werde ich mich sofort an die Arbeit machen.«
»Gut, Commander. Bringen wir die Sache ins Rollen.«
Sie verließ daraufhin das Büro und wandte er sich wieder seiner Arbeit am Schreibtsich zu. Doch er wurde neuerlich gestört.
»Was gibt es?«, fragte er am Com-Link.
»Sir, können Sie bitte in die Zentrale kommen? Wir haben ein Problem«, sagte eine Frauenstimme.
»In Ordnung,i ch bin gleich da, Lieutanent.«
Er schüttelte den Kopf und es gelang ihm mühsam, seine düstere Stimmung abzuschütteln. Einen Sekundenbruchteil lang erstarrte Shepard, während er automatisch die Möglichkeiten der Ursache abhakte: ein Ausfall der Lebenserhaltung, ein Unfall in den Docks, eine Gefahr mit dem Fusionsreaktor. Er löste sich von seinem Schreibtisch und marschierte zur Kommandozentrale, die sich nicht weit von seinem Büro befand.
Kommandozentrale,
Station Acardia,
Altair-System
Als Shepard die Zentrale betrat, herrschte dort hektisches Treiben. Mehrere Techniker hielten sich darin auf und arbeiteten an den Konsolen.
»Bericht!«, sagte der Captain, während er auf die diensthabende Offizierin zulief.
Die schwarzhaarige Frau am Kommandopult sah kurz auf, registrierte seine Anwesenheit und wandte sich dann sofort wieder ihren Kontrollen zu.
»Ein Schlachtschiff der Centauri ist vor wenigen Minuten ins System gesprungen und hat vor dem Sprungtor Position bezogen.«
Shepard starrte die Aussichtskuppel hinaus. Er fand sich einmal mehr in der grauenhaften Situation. Die Centauri und Narn bekämpften einander, wo immer sie aufeinandertrafen. Wenn er jetzt einen Fehler machte, könnte dies zu einem neuen Krieg führen, der Milliarden das Leben kosten würde.
»Haben Sie Kontakt aufnehmen können?«
»Das habe ich versucht, aber keine Antwort erhalten«, erwiderte Lieutenant Tami Nakashima. »Unsere Scanner zeigen, dass sie ihre Waffensysteme aktiviert haben, ebenfalls die Zielerfassung.«
»Auf wen zielen die Centauri?«
»Einen zivilen Narn-Frachter, der auf den Sprungpunkt zufliegt.«
»Nun denn, Lieutenant«, sagte Shepard angespannt. »Sie übernehmen hier das Kommando, während ich eine Staffel begleite. Vielleicht reden sie mit uns, wenn wir ihnen direkt gegenübertreten. Ich habe versprochen, die Narn zu schützen, solange sie in diesem Sektor sind und werde mein Versprechen halten. Aktivieren Sie die Verteidigungssysteme, für den Fall, dass die Centauri auch uns angreifen.«
»Sir...«, setzte die Asiatin an, als ihr klar wurde, was der Captain vorhatte.
Shepard unterbrach sie mit einer Geste.
»Weitermachen!«, sagte er und verließ die Kommandozentrale.
Im Bereitschaftsraum der Alpha-Staffel ertönte eine Alarmsirene. Nach ein paar Minuten hatten sich der Captian und acht Piloten einen Weg durch das Gewimmel zu den Cobra-Buchten gebahnt, wo sie die Raumanzüge anzogen. Danach setzten alle ihre Helme auf und stiegen in die startbereiten Maschinen ein. Shepard hörte über seinen Helmsender, wie Nakashima die Checkliste für den Start durchging. Nach dem letzten Punkt meldete sie sich wieder.
»Alles bereit, Captain?«
»Bereit«, bestätigte er.
»Auf mein Zeichen...«
Nach ein paar Sekunden kam der Befehl für den Abwurf. Die neun Starfurys stürzten nacheinander aus den Haltezangen der Bucht in den Weltraum, wo sie durch die Rotation von Acardia sofort von der Station weg drifteten. Die Piloten zündeten die Triebwerke und nahmen Kurs auf den Narn-Frachter.
»Zentrale, wir kehren so bald wie möglich zurück«, sagte er noch zu Nakashima, bevor er sich an die Spitze der Formation setzte.
»Viel Glück, Sir.«
Alpha-Staffel,
Am Hyperraumsprungtor,
Altair-System
Einige Minuten herrschte Stille in Shepards Cockpit, dann öffnete er einen Außenkanal zu den anderen Starfurys.
»Achtung, Alpha-Staffel. Wir werden den Narn-Frachter eskortieren. Falls man auf uns schießt, werden wir das Feuer erwidern.«
»Verstanden!«, antwortete sein Flügelmann über Sprechfunk.
Der Captain wechselte die Frequenz, um mit dem Kapitän des Schlachtschiffes zu sprechen.
»Centauri-Schiff, hier spricht Captain John Shepard, Kommandant der Station Acardia. Der Narn-Frachter steht unter unserem Schutz und ich habe ihm vollen Weiterflug zugesichert. Sobald er dieses System verlassen hat, haben wir nichts mehr damit ihm zu tun. Wir werden das Schiff zum Sprungpunkt begleiten werden. Sollte einer meiner Piloten oder ich beschossen werden, leiten wir tödliche Gegenmaßnahmen ein. Ende!«
Er erhielt keine Antwort. Inzwischen kamen die Starfurys der Erdstreitkräfte sowie das Narn-Schiff dem Sprungtor immer näher. Plötzlich eröffneten die Centauri das Feuer auf den Frachter. Die Energiestrahlen durchbohrten das ihn an mehreren Stellen, sodass er in tausend Stücke zerplatzte.
Shepard war bestürzt und wollte schon den Angriffsbefehl geben, als seine Aufmerksamkeit auf einen Schlachtkreuzer gelenkt wurde, der .gerade aus dem Hyperraum in das Altair-System eintrat. Kurz danach konnte er die Stimme des Narn-Kaptäns in seinem Helm hören.
»Captain Shepard, entschuldigen Sie unsere Einmischung an dieser Stelle. Wir wollen nur das Centauri-Schiff vernichten. Es hat einen unserer Frachter zerstört und müssen bestraft werden.«
Ungeachtet der Höflichkeit konnte der Captain den blanken Hass aus den Worten des Narn heraushören. Er riss sich zusammen.
»Narn-Kreuzer, ich fordere Sie auf, das System wieder zu verlassen! Hier ist nicht der richtige Ort, um Streitigkeiten auszutragen!«
»Das ist leider ausgeschlossen.. Bitte, verstehen Sie, dass wir es sehr bedauern, wenn Ihre Schiffe zu Schaden kämen würden.«
»Wir werden mich notfalls verteidigen.«
Mit einem Mal erklang eine Stimme vom Kapitän des Centauri-Schiffes, der sich höhnisch in das Gespräch einmischte.
»Captain der Erdallianz. Wir haben Information, dass diese Narn-Hunde illegale Waffen mit ihren Frachtern transportieren. Es ist ein Affront gegen unsere Regierung, was wir nicht tolerieren werden. Sein Sie klüger wie Sie aussehen und mischen Sie sich besser nicht ein. Es würde Sie sonst das Leben kosten, das wäre bedauerlich.«
Shepard musste sich zwingen ruhig zu bleiben.
»Centauri-Schlachtschiff. Es interessiert mich nicht, welche Befehle Sie haben. Hier ist Territorium der Erdallianz, da habe ich die Befehlsgewalt. Wenn Sie das System nicht sofort verlassen, werde ich nicht zögern, das Feuer eröffnen zu lassen, um Sie aus dem All zu pusten. Ihre Antwort?«
Es herrschte eisiges Schweigen. Einen Augenblick später befanden sich die Starfurys mitten in einem Feuergefecht zwischen den Centauri und den Narn. Der Weltraum war angefüllt von Energiestrahlen und Explosionen der verfeindeten Kriegsschiffe, die einen erbitterten Kampf führten.
»Alpha eins, sollen wir uns einmischen?«, erklang die Stimme des Flügelmannes in Shepards Kopfhörer.
»Nein«, befahl der Captain, »wir halten uns da raus.«
»Verstanden!«
Sie sahen tatenlos zu, wie ein Strahl des Kreuzers das andere Schiff am Heck traf, wo sich der Fusionsreaktor befand. Eine Sekunde später explodierte das Schlachtschiff der Centauri in einem riesigen Feuerball. Der Kampf war damit zu Ende. Anschließend meldete sich der Narn-Kapitän bei Shepard.
»Captain, wir müssen an unserem Schiff einige Reparaturen vornehmen. Ich würde es begrüßen, wenn Sie uns den Anflug in die Nähe der Station gestatten würden, um unsere Arbeiten zu verrichten, was etwa zehn Stunden in Anspruch nehmen dürfte.«
»Narn-Kreuzer, ich kann Ihnen sogar noch mehr anbieten. Sie erhalten volle Andockgenehmigung plus unsere Hilfe bei den Reparaturen«, erwiderte der Captain.
»Danke, aber wir lehnen Ihr Angebot direkter Hilfe ab. Es wäre aus politischen Gründen klüger, nicht anzudocken. Eine Position in der Nähe Ihrer Station ist völlig ausreichend. Und danke für die Erlaubnis, dass wir uns auf Ihrem Territorium aufhalten zu dürfen«, antwortete der Narn, während Lochhart die Staffei Starfurys zurück zur Station führte .
Kommandozentrale,
Station Acardia,
Altair-System
Nachdem die neun Starfurys wieder in den Cobra-Buchten verankert waren, begab sich der Captain zurück in die Kommandozentrum. Nakashima stand am Kontollpult und konzentrierte sich ganz auf die Anzeigen, wie er zufrieden registrierte. Es war einer der Gründe, warum der Captain froh war, die Asiatin auf der Station zu haben.
»Sir, während Sie weg waren, haben wir ein Funksignal von einem unidentifizierten Schiff empfangen.«
»Wo kommt der Notruf her?«, wollte er wissen.
Sie warf ihm einen kurzen Blick zu.
»Das weiß ich noch nicht.«
»Lieutenant, ich habe die taktischen Sensoren eingesetzt, um das Signal zu verstärken«, wurde sie von einem Techniker unterbrochen.
»Legen Sie es auf den Hauptschirm«, ordnete sie an.
Der Captain drehte sich dem Monitor an der Wand zu und sah, wie langsam ein Bild Formen anzunehmen begann. Es wurde von statischem Rauschen gestört, aber trotzdem war es eindeutig zu erkennen. Ein Mensch, mit hagerem Gesicht und dunklen Haaren blickte ihn von der Brücke eines unbekannten Raumschiffs entgegen. In Anbetracht der Anordnung seiner Konsolen und der individuellen Bekleidung der Besatzung, die hinter dem Sprecher zu erkennen waren, vermutete er, dass es sich nicht um ein militärisches Schiff handeln konnte.
»Mayday! Mayday! Wir werden von den Raiders verfolgt! Sie kommen rasch näher! Wir brauchen Unterstützung! Hier spricht die Castor, unsere Koordinaten sind 480-13-15. Mayday! Mayday!«, rief der Kapitän des in Not geratenen Schiffes.
Shepard reagierte ohne Zögern und betätigte das Com-Link an seinem Handrücken.
»Commander Lockhart, bitte melden.«
»Ja, Sir?«, erwiderte seine Stellvertreterin.
»Kommen Sie bitte sofort in den Kontrollraum«, sagte er und befasste er sich wieder mit dem bedrohten Schiff.
Die Hauptstreitmacht der Piraten war im vergangenen Jahr eliminiert worden. Aber es gab noch immer ein paar unabhängige Einheiten, die auf eigene Faust operierten.
»Können wir eine Verbindung herstellen?«, fragte er an Nakashima gewandt.
»Ich arbeite daran.«
»Mr. Keefe, können Sie das Schiff identifizieren?«
»Ja, Sir.«
Der Techniker berührte ein paar Tasten und lud eine Reihe von Daten auf seinen Arbeitsbildschirm.
»Laut den Daten handelt es sich um einen Erdfrachter der Tycho-Klasse. Er besitzt keine Bewaffnung.«
Er blickte Shepard mit ernstem Gesicht an. Im Hintergrund wiederholte der Kapitän von der Castor unablässig seinen monotonen Notruf.
»Lieutenant, konnten sie schon einen Kanal öffnen?«
»Ja, einen Moment, Sir.«
Die Asiatin blickte auf ihre Konsole.
»Verbindung steht.«
Der Captain wandte sich wieder dem Hauptschirm zu und blickte dem Kapitän der direkt in die Augen.
»Castor, hier spricht die Station Acardia der Erdallianz. Wir haben Ihren Notruf empfangen und werden Ihnen eine Kampfstaffel schicken. Wurden Sie getroffen? Können Sie die Angreifer abwehren, bis wir bei Ihnen sind?«
»Wir versuchen, nach Orion 7 zurückzufliegen«, antwortete der verzweifelte Kapitän. »Das ist unsere einzige Chance. Es sind zu viele Gegner, sie sind zu schnell. Ich weiß nicht, ob wir es schaffen. Die haben uns eingekreist. Als wir das Sprungtor erreichten, fielen sie plötzlich über uns her, als hätten sie nur auf uns gewartet. Es war ein Hinterhalt!«
»Halten Sie durch, Kapitän! Hilfe ist auf dem Weg!«
Shepard wandte sich um, als er hinter sich die Stimme von Lockhart vernahm.
»Probleme, Sir?«, fragte sie ihn an der Kommandokonsole stehend.
»Ein Frachter wird von den Raiders bedrängt«, erwiderte er. »Welche Staffel ist momentan für einen Einsatz bereit?«
»Epsilon, Sir.«
»Gut, bereiten Sie die Kampfflieger zum Start vor. Die Koordinaten sind am Transitpunkt zum Epsilon Indi-System. Unsere Anwesenheit sollte genügen, um diese Banditen abzuschrecken.«
»Sir, da Lieutenant Russell krank ist, schlage ich vor, dass ich das Kommando der Staffel übernehme. Gemäß den Vorschriften muss mindestens ein erfahrener Offizier dabei sein.«
»Einverstanden, Commander.«
Lockhart nickte und berührte ihren Com-Link, um Kontakt mit dem Hangar aufzunehmen, wo die Starfury-Jäger der Station startbereit warteten. Dann verschwand sie aus der Zentrale. Shepard fixierte unterdessen seinen Blick auf Lieutenant Nakashima.
»Stimmt etwas nicht, Captain?«, fragte diese irritiert, als sie die Miene ihres Vorgesetzten bemerkte.
»Bis zum heutigen Tag haben die Raiders immer nur Frachtschiffe überfallen, die von Orion 7 nach Altair unterwegs waren. Ich frage mich, wieso? Stellen Sie fest, was die Castor für eine Fracht geladen hat.«
»Jawohl, Sir.«
Nach einer Minute reichte Nakashima ihm ein Datapad. Darauf befand sich die vollständige Aufstellung der Ladung.
»Werkzeuge, Ersatzteile, technisches Zubehör, 4.000 Barren Duranium...«, las er laut vor und stutzte. »Das ist es! Nun wird mir einiges klar.«
»Sir?«
»Die Raiders sind hinter dem geladenen Duranium der Castor her. Die Erdallianz hat für den Handel mit strategischen Metallen strenge Auflagen erlassen. Die Preise sind festgesetzt, jeglicher Verkauf an Unbefugte untersagt und die Nachfrage auf dem Schwarzmarkt ist folglich beträchtlich. Der hohe Profite ist natürlich auch für die Piraten interessant«, erklärte Shepard.
Aus seinen Gesichtszügen war alle Zuversicht gewichen. Er wusste nur zu gut, dass nicht viel Hoffnung auf Rettung des Frachters bestand und Lockhart konnte die Castor kaum noch rechtzeitig erreichen. Nach Verlassen des Hyperraums hatte die Epsilon-Staffel noch zwei weitere Flugstunden vor sich, ehe sie bei dem bedrängten Schiff ankommen würde. Und das bei Höchstgeschwindigkeit.
Epsilon-Staffel,
Station Acardia,
Altair-System
Die Schotten der Startbuchten standen weit offen, bereit für den Abflug. Die Kommandozentrale hatte die Starfurys bereits für den Start freigegeben. Rasch führte Lockhart ihren Sicherheits-Check durch.
»Epsilon-Staffel, bereit zum Abwurf.«
Alle acht Schiffe signalisierten ihr Okay.
»Bereithalten zum Abwurf! Auf mein Zeichen. Drei, Zwo, Eins, Los!«
Die Haltezange schwang nach unten und Lockharts Starfury stürzte hinaus in den Weltraum. Die anfangs gekrümmte Flugbahn, verursacht durch die Rotation der Raumstation, wurde jäh unterbrochen, als der Commander die Schubtriebwerke zündete und ihr Kampfflieger von der Station weg katapultiert wurde. Nacheinander folgten die übrigen Einheiten der Staffel. Sie bildeten eine Formation und beschleunigten in Richtung Hyperraumsprungtor.
Angestrengt umklammerten ihre Hände den Steuerknüppel, als könnte sie das Fluggerät durch bloße Willenskraft vorantreiben. Der kritische Faktor in solchen Situationen war stets die Zeit, bis die Kampfflieger die Station verlassen hatten. Bis zu ihrem Eintreffen bei dem attackierten Frachtschiff würde noch eine halbe Ewigkeit vergehen.
Über ihren Helm verfolgte sie den Funkverkehr zwischen Shepard und dem Kapitän der Castor. Für ihn und seine Besatzung sah es nicht gut aus. Die Entfernung zu dem Frachtschiff war einfach zu groß und die Schiffe der Raiders waren ihm dicht auf den Fersen. Wenn die Epsilon-Staffel ihr Ziel endlich erreichte, konnte es längst zu spät sein.
In letzter Zeit waren sie sehr häufig zu spät gekommen, um in Not geratenen Schiffen zu helfen. Ärgerlich versuchte Lockhart, die Erinnerung an diese jüngsten Zwischenfälle zu verdrängen. Das Sprungtor, der permanente Hyperraumgenerator von Altair nach Epsilon lIndi, lag direkt vor ihnen.
»Hier Epsilon-Führer. Bereithalten für den Sprung«, befahl der Commander, als sie an der Spitze der Staffel auf das Zentrum des Tores zuflog.
Als ihre Starfury das Sprungtor passierte, wurde eine gewaltige Energiewelle erzeugt, der Eingang zum Hyperraum tat sich auf. Das Schiff wurde von dem Strudel, in dem Raum, Zeit und Licht ineinanderflossen, erfasst und aufgesogen. Als sie das unvorstellbar schwarze Zentrum des Transitpunktes erreicht hatte, verschwand der Jäger, um sich in der dunkelroten Alptraumwelt des Hyperraums wiederzufinden.
Epsilon-Staffel,
Piratenjagd,
Epsilon Indi-System
Wenig später öffnete sich ein blauer Energietrichter und entließ die Schiffe wieder in den Normalraum, Lichtjahre von Altair entfernt. Ein Starfury-Jäger nach dem anderen folgte, bis sich die Staffel hinter Lockhart wieder zur Formation einte.
»Hier Epsilon-Führer. Sehen wir zu, dass wir diesen Frachter erreichen«, sagte sie per Funk. »Voraussichtliches Eintreffen an der zuletzt gemeldeten Position der Castor in 136 Minuten. Heizen Sie schon mal Ihre Waffen vor, damit wir für die Raiders gerüstet sind.«
Als der Commander versuchte, das Frachtschiff über ihre Ankunft in Kenntnis zu setzen, erhielt sie keine Antwort.
»Irgendwelche Signale von der Castor?«
»Negativ«, meldete Epsilon zwei.
Der Pilot, Gordon Mancuso, war ihr Flügelmann und verantwortlich für Scans und Kommunikation. Verdammt, dachte sie, kein gutes Zeichen. Sie öffnete einen direkten Subraum-Tachyon-Kanal zur Station im Altair-System.
»Acardia Control. Hier spricht Commander Lockhart. Keine Verbindung zur Castor möglich. Haben Sie noch Kontakt? Erbitte Daten über aktuelle Position!«
»Lockhart, unser Kontakt zur Castor riss ab, als Ihre Staffel das Sprungtor ins Epsilon Indi-System passierten. Die letzte bekannte Position war 470-13-18. Sie wollten zurück nach Orion 7«, antwortete Shepards Stimme.
Mit bitterer Miene änderte Lockhart den Kurs, als bestünde noch immer eine reelle Chance, dass die Castor überlebt hatte. Ein Zurück konnte es jetzt ohnehin nicht mehr geben. Man musste alles versuchen, wie schlecht die Chancen auch standen. Vielleicht war irgendein zufällig eintreffendes Schiff in der Lage, die Piraten zu verfolgen. Möglicherweise konnte man noch überlebende Schiffbrüchige aufnehmen. Und wenn das nicht möglich sein sollte, so konnte man eventuell Vergeltung üben. Vielleicht gelang es ihnen, wenigstens ein Schiff der Raiders aufzuspüren. Sie stellte sich vor, wie es sich nach einem kurzen Aufglühen in Rauch auflöste, nachdem der entzündete Treibstoff die Tanks zerfetzt haben würde. Aber Rache war allein Gott vorbehalten. Jedenfalls hatte man sie das als Kind gelehrt.
Lockhart jedoch war das einerlei. Sie wollte diese Piraten vernichten. Es gab Zeiten, da schien es ausgeschlossen, ihrer jemals ganz Herr zu werden. Hatte man einen ihrer Stützpunkte zerstört, machte man in einem anderen Raumsektor schon einen neuen aus. Je stärker sich der Handel zwischen den Sternen entwickelte, desto mehr blühte auch die Piraterie. Den Schwarzmarkt zu beliefern wurde immer lohnender. Menschen und Außerirdische dachte Lockhart wütend, unterscheiden sich in ihrer Habgier kaum voneinander.
Die Piraten waren berüchtigt für ihre Blitzangriffe. Dabei plünderten sie alles Brauchbare aus den geenterten Frachtschiffen, töteten die Besatzung und überließen ihre Opfer der kalten Leere des Weltraums. Zuerst waren sie einfache Freibeuter gewesen, die sich in der Nähe der Verkehrsrouten herumtrieben und dann und wann Schiffe ausraubten. Seit der Vernichtung ihrer Hauptstreitmacht jedoch riskierten sie immer mehr. Sie überließen nichts mehr dem Zufall. Die verbliebenen Piratenkonsortien operierten nun von großen Mutterschiffen aus, die ihren eigenen Hyperraumübergang generieren konnten. Ihre Ziele wählten sie im Voraus. Bestechung brachte sie in den Besitz aller Frachtlisten und Flugpläne und es gab praktisch keine Information, die nicht käuflich war. Nur der Preis musste stimmen.
Lockhart versuchte aufgebracht, an etwas anderes zu denken. Sie fragte den Computer nach der verbleibenden Flugzeit bis zur Castor.
»Voraussichtliches Eintreffen bei Koordinaten 470-13-18 in 24 Minuten.«
Nahe genug. Sie öffnete ihren Kommandokanal.
»Epsilon-Führer an alle. Langstrecken-Scanner aktivieren! Mal sehen, ob wir sie hier draußen finden.«
Minute um Minute starrten sie auf ihre Monitore. Aber es tat sich nichts. Doch dann kam eine Meldung von Epsilon zwei.
»Ich empfange etwas. Sieht ganz nach den Raiders aus. Vier Schiffe... Nein, es sind fünf, vielleicht mehr!«
»Nach meinen Werten befindet sich noch ein weiteres Schiff unter ihnen. Ziemlich groß. Könnte ein Transporter sein«, berichtete jetzt Epsilon fünf.
»Position?«, fragte Lockhart nach.
Die Piloten der beiden Kampfflieger übermittelten ihr die Koordinaten sowie die übrigen Scanner-Daten. Diese deckten sich mit ihren eigenen Ergebnissen. Die Raiders befanden sich augenscheinlich auf dem Weg zum Hyperraumübergang in das Altair-System. Demnach kamen sie nicht von einem Mutterschiff.
»Was ist mit der Castor?«, wollte der Commander wissen.
Doch von dem Schiff, das zu retten sie gekommen waren, fehlte noch immer jede Spur. Bei ihrer gegenwärtigen Beschleunigung würden die Banditen den Übergang in weniger als 14 Minuten erreichen. Sie waren zwar nicht mehr weit entfernt, aber der Transporter, den sie eskortierten, behinderte ihre Beweglichkeit erheblich.
Die Starfury-Jäger des Epsilon-Staffel konnten es bei Maximalschub in 12 Minuten schaffen. Aber was war mit der Castor geschehen? Hatten die Piraten das Schiff bereits gekapert und in das Schlepp genommen? Endlich eine Meldung von Epsilon zwei.
»Ich orte eine Masse von 150 Kilotonnen bei 460-10-12. Ich registriere nur Masse. Keine Beschleunigung, keine Lebenszeichen.«
Die Castor! Lockhart wusste es. Ihre schlimmsten Befürchtungen waren einmal mehr wahr geworden. Es war an der Zeit, eine Entscheidung zu treffen.
»Epsilon zwei, sechs und neun! Sehen Sie nach! Wenn es der Frachter ist, wissen Sie, was zu tun ist. Der Rest folgt mir in Formation. Wir werden diese Mistkerle beim Übergang abfangen und einäschern. Ende.«
Die drei Flieger lösten sich aus der Formation, während die übrigen, wie befohlen, hinter Lockharts Düsenschweif auf Abfangkurs gingen. Sie mussten die Piraten am Hyperraumtor unbedingt abfangen. Wenn es ihnen gelang, die Raiders samt Beute dort zu stellen, waren die Piraten nur mehr heiße Asche. Keiner von ihnen würde entkommen. Die Starfurys waren schneller und verstecken konnten sich die Raiders im leeren Raum auch nicht. Es ging allein um Triebwerke und Feuerkraft. Und da war ihnen die Epsilon-Staffel eindeutig überlegen. So überlegen wie die Banditen dem Frachtschiff, als sie es angegriffen hatten.
Lockhart sprach mit fester, kalter Stimme, als sie ihre Kommandos gab. Ihre Befehle genügten den
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Oliver M. Pabst
Bildmaterialien: Oliver M. Pabst
Cover: Oliver M. Pabst
Lektorat: Korrekturen.de Julian von Heyl
Korrektorat: Korrekturen.de Julian von Heyl
Tag der Veröffentlichung: 11.12.2023
ISBN: 978-3-7554-6355-9
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