Dieses Buch erzählt die Ereignisse der Schlacht um Midway im Juni 1942 und ihrer menschlichen Schicksale. Die Geschichte basiert auf historische Nachweise. Die Namen der führenden militärischen Persönlichkeiten beider Selten wurden originalgetreu wiedergegeben. Dasselbe gilt für die Stabs- und Suboffiziere. Lediglich verschiedene Namen von Unteroffiziers- oder Mannschaftsdienstgraden wurden teilweise frei gewählt. Die Dialoge basieren entweder auf historischen Überlieferungen oder wurden zum besseren Verständnis des Geschehens vom Verfasser entsprechend gestaltet.
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Im Juni 1942 sandte Japan eine gewaltige Armada zu den Midway-Inseln, um diese zu erobern und die US-Pazifikflotte endgültig auszuschalten. Als die Amerikaner davon Wind bekamen, sammelten sie ihre verbliebenen Streitkräfte und stellten sich trotz Unterzahl dem Feind entgegen. Es kam zu einer erbitterten Seeluftschlacht zwischen den beiden Rivalen. Aber mit Mut, Geschick, Intelligenz und Glück gelang es Amerika den Sieg zu erringen...
Der Frühling 1942 war für Japan eine Periode des Hochgefühls. Nach den Plänen des japanischen Oberkommandos hätte die 1. Phase der Eroberung Südostasiens fünf Monate dauern sollen, aber sie war schon in dreien beendet. Die Philippinen, Neubritannien, Indonesien, Borneo, Celebes, Malaya, Singapur, Sumatra und Burma waren überrannt worden und die britische Royal Navy in der Java-See ausgeschaltet. Der Preis, der für diese großartigen Erfolge gezahlt wurde, war unglaublich niedrig. Die Armee hatte keine 5.000 Toten zu beklagen und die Marine nur 23 Schiffe verloren, deren größtes ein Zerstörer war. Das kaiserliche Imperium hatte sich dadurch nicht nur wichtige Rohstoffgebiete gesichert, sondern auch seinen Machtbereich gewaltig ausgedehnt und strategische Schlüsselpositionen eingenommen. Das japanische Volk jubelte. Der Siegestaumel, durch die Presse noch zusätzlich geschürt, drängte förmlich zu neuen Taten. Aber im Oberkommando war man sich noch unschlüssig, was danach Folgen sollte. Einige Mitglieder des Stabes wollten über Burma hinaus weiter westwärts vorstoßen. Die alten Schreibtischstrategen jedoch beharrten auf der Beibehaltung des Südkurses mit Richtung auf Neukaledonien, Samoa und Fidschi, um Australien zu isolieren.
Am 18. April zog jedoch die erste Wolke über die strahlende Sonne Japans. In Tokio dröhnten plötzlich 13 zweimotorige B-25 und warfen Spreng- und Brandsätze ab, während 3 andere Kobe, Osaka sowie Nagoya angriffen. In der Hauptstadt fiel das nicht weiter auf, weil gerade eine Luftschutzübung zu Ende ging und die Einwohner in den Flugzeugen eigene Maschinen vermuteten. Aber Ministerpräsident Hideki Tojo, der sich eben auf einer Routineinspektion befand, entdeckte bei einem Blick aus dem Fenster seines Flugzeuges die braun gestrichenen Maschinen und erschrak: US-Bomber!
Der angerichtete Schaden des ‘Doolittle Raid‘ war zwar gering, dafür aber saß der Schock im Volk um so größer und der Glaube an die Sicherheitszonen im Pazifik gewaltig erschüttert. Feldmarschall Sugiyama, Großadmiral Osima Nagano, Admiral Isoroku Yamamoto und General Chichi Terauchi, folgerten aus dem Vorfall, dass, die amerikanischen Maschinen unmöglich von einem Flugzeugträger, sondern von Land aus gestartet sein mussten. Als Absprungbasis vermuteten sie die Midway-Inseln, welche auf halbem Weg zwischen Hawaii und Japan liegen. Auch der von allen verehrte Admiral Isoroku Yamamoto, Oberbefehlshaber der vereinigten Flotte der japanischen Marine, schloss sich dieser Meinung an, nur glaubte er, der Angriff habe dem kaiserlichen Palast gegolten.
Um die Verwirrung in Japan noch zu steigern, hatte Präsident Franklin Roosevelt als Startplatz der Bomber ‘Shangri-La‘ genannt, was lediglich einen Buchtitel bezeichnete. In Wirklichkeit waren die Maschinen aber von dem US-Träger Hornet aus gestartet und flogen nach dem Angriff noch 1.100 Kilometer weiter auf das chinesische Festland, da sie auf dem Trägerdeck zwar abheben, jedoch nicht wieder landen konnten.
Während das Unternehmen in Amerika große Genugtuung auslöste, beschloss das japanische Oberkommando die Midway zu annektieren. Mit der Besetzung war gleichzeitig die Hoffnung verbunden, eine zusätzliche Schlüsselstellung im Pazifik und das Sprungbrett für eine spätere Invasion gegen die Hawaii-Inseln sowie das Festland gewinnen zu können.
Sugiyama führte aus: »Der Erfolg unserer Operation, mit der wir bis Dezember 1941 alle gesteckten Ziele in Südostasien erreichten, erfordert die Absicherung der eroberten Gebiete und die Schaffung einiger beherrschender Positionen vor unserer Hauptkampflinie: 1. Port Moresby, eine Hafenstadt an der Südostküste Neuguineas, 2. die kleine Salomonen-Insel Tulagi, 3. der Midway-Archipel und 4. die westlichen Aleuten-Inseln. Das sichert uns die Kontrolle über die Kurilen. Flugstützpunkte in Moresby und auf Tulagi erlauben uns die Kontrolle über den Seeweg nach Australien und bieten Absprungbasen für die geplanten Operationen gegen Neukaledonien, die Fidschis und Samoa im nächsten Jahr. Alle vier Ziele sind durch Flottenoperationen zu erreichen.«
Außerdem erklärte Yamamoto die Vernichtung der amerikanischen Pazifikflotte, insbesondere ihrer Flugzeugträger, die bei dem Angriff von Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 übrig geblieben waren, zur höchsten Priorität. Dies sollte nicht nur weitere Angriffe gegen Japan unmöglich machen, sondern auch jede denkbare Bedrohung durch die Amerikaner in nächster Zeit ausschließen, vielleicht sogar zu einem Verhandlungsfrieden zwischen Japan und den USA führen.
Die Absicht Midway zu erobern, tauchte jedoch bereits im Februar 1942 auf und wurde dann wegen der offensichtlichen Schwierigkeiten wieder aufgegeben. Das Atoll lag 2.200 Seemeilen von Japan entfernt und musste nur mit trägergestützten Flugzeugen angegriffen werden. Um die Inseln zu nehmen, würden viele Schiffe benötigt, die anderswo gebraucht wurden. Und nicht zuletzt lagen die Inseln im Bereich der auf Hawaii stationierten US-Luftwaffe sowie der Marine. Aber das kleine Atoll hatte zwei Vorzüge, die alles andere überwogen: Zum einen bot eine Invasion die Möglichkeit, die US-Flotte zu einer Entscheidungsschlacht zu zwingen und zum anderen war Admiral Yamamoto dafür.
Am 5. April gab das japanische Oberkommando seine Zustimmung und Yamamoto hängte der Midway-Aktion noch die Einnahme der Aleuten an. Vizeadmiral Kameto Kuroshima, Chef der Operationsabteilung, erhielt den Auftrag, das Gesamtunternehmen beschleunigt auszuarbeiten. Die auseinanderlaufenden Einzelphasen erforderten daher 16 verschiedene Gruppen von Schiffen, deren Einsatz wiederum zentral koordiniert werden musste. Das Hauptziel war die Eroberung des Midway-Atolls. Das zweite Ziel bildete die Besetzung der Aleuten-Inseln Attu, Kiska und Adak. Der gemeinsame Zweck bestand darin, die amerikanische Flotte zu stellen, um sie zu vernichten. Yamamoto war sich klar darüber, dass sich Amerika weniger denn je den Verlust einer so strategisch wichtigen Position wie Midway leisten konnte. Es würde das Atoll verteidigen und wiedererobern suchen, falls es verloren ging. Das müsste die entscheidende Seeschlacht herbeiführen, die Japan wünschte. Der Grund, weshalb Yamamoto gleichzeitig mit Midway auch die Aleuten einnehmen wollte, blieb unklar. Möglicherweise ging es ihm nur darum, den US-Stützpunkt Dutch Harbor auszuschalten. Vielleicht, so nahm man an, wollte er die Invasion des amerikanischen Kontinentes vorbereiten. Aber die Aleuten liegen 3.000 Meilen von Alaska entfernt, wo überdies eine Invasion nicht in Frage kam. In Wirklichkeit verlor sich die japanische Strategie immer mehr in Umwegen. Viele Befehlshaber erwiesen sich als unfähig zu jener Konzentrationen der Anstrengungen, die das Wesen der Kriegskunst ausmacht. Und die Aleuten-Operation bewirkte nur, dass man geschwächt an die Erreichung des Hauptziel Midway ging.
Kernstück des Plans bildete der Tag N (Landung auf Midway). N-3 sollte den Schlag gegen die Aleuten auslösen, bei N-2 hatte Admiral Nagumos Kampfgruppe mit 6 Trägern aus Nordwesten gegen das Atoll vorzustoßen und die Inseln sturmreif zu bomben. Für N selbst war der Angriff der Landungsverbände, unterstützt von der 2. Flotte, vorgesehen. Inzwischen sollte die Hauptflotte rund 300 Seemeilen hinter der Träger- und Landungsflotte fahrend, zu den beiden Verbänden aufschließen und die US-Flotte vernichten, sobald diese Midway zu Hilfe kam. Von der Aleuten-Gruppe würden einige Schiffe nahe genug warten, um rechtzeitig in die Schlacht eingreifen zu können. Zusätzlich sollten sich mehrere U-Boote zwischen Hawaii und dem Atoll postieren, um die Feindabsichten rechtzeitig zu melden. Dies war das Gerüst des Plans, den Yamamoto billigte und anschließend seinem Stab zur Feinarbeit überließ. Fregattenkapitän Yoshiro Wada, Signaloffizier, lieferte die Verbindung zwischen den einzelnen Verbänden. Fregattenkapitän Yasuji Watanabe nahm sich der taktischen Probleme an und Fregattenkapitän Akira Sasato war für Flugzeug- und Pilotenfragen zuständig. Andere Stabsoffiziere kümmerten sich um Navigation, Landungen und Nachschub.
Die Planungsphase war am 1. Mai beendet. Wie zu erwarten, billigten der geheime Staatsrat unter dem Vorsitz von Baron Yoshimichi Hara sowie der Kaiser selbst den Plan. Am 5. Mai erließ das japanische Oberkommando den Marinebefehl Nr. 18 und Zusatzbefehle, der die 2. Phase der Eroberungen einleiten sollte: Besetzung von Port Moresby (Neuguinea), Tulagi (Salomonen), Midway (Zentralpazifik) sowie Adak, Attu und Kiska (Aleuten). Wie immer fehlte dem strategischen Konzept die klare Schwerpunktbildung, ein Umstand, der sich später rächen sollte. Für die Unternehmen Tulagi und Moresby, auf den 3. bzw. 5. Mai terminiert, standen 67 Einheiten unterschiedlicher Gattung bereit, die sich in Rabaul (Neubritannien) gesammelt hatten. Der Oberbefehlshaber des Verbandes, Vizeadmiral Noatake Inouye, Chef der 4. Flotte, leitete die Operationen von seinem Flaggschiff, dem leichten Kreuzer Kashima. Ihm standen auch das 25. Marineluftwaffengeschwader mit 70 Maschinen zur Verfügung und am 4. Mai kamen 90 weitere hinzu.
Der Angriff auf Midway und die Aleuten bedurfte eines weit größeren Aufgebots: Trägerkampfgruppe (Vizeadmiral Chuichi Nagumo): 4 Träger (Akagi, Kaga, Soryu, Hiryu, zusammen 93 Jäger, 179 Bomber), 2 Schlachtschiffe, 2 schwere Kreuzer, 12 Zerstörer.
Hauptflotte (Admiral Isoroku Yamamoto): 7 Schlachtschiffe, 1 leichter Träger (Hosho, 8 Bomber), 2 Seeflugzeugträger (Shioda und Nishin mit 2 Schnell-U-Booten und 6 Klein-U-Booten), 2 leichte Kreuzer, 13 Zerstörer.
Besetzungs-Gruppe (Vizeadmiral Nobutake Kondo): Deckungs-Gruppe: 2 Schlachtschiffe, 4 schwere Kreuzer, 1 leichter Träger (Zuiho, 12 Jäger, 11 Bomber), 8 Zerstörer. Bombardement-Gruppe: 4 schwere Kreuzer, 2 Zerstörer.
Transport-Gruppe (Konteradmiral Raizo Tanaka): 12 Transporter (Marine- und Heereslandungsgruppen, 2 Bau-Bataillone, U-Boot-Truppe, Analytiker für Wetterprognosen (zusammen 5.000 Mann), 3 alte Zerstörer (mit Sturmtruppen), 1 leichter Kreuzer, 10 Zerstörer.
Seeflugzeug-Gruppe: 2 Seeflugzeugträger (zusammen 28 Schwimmer-Flugzeuge), die auf dem Atoll Kure Island (60 Seemeilen westlich von Midway) eine Seeflugzeugstation einrichten sollten, 2 Zerstörer, 7 Minensucher.
Voraus-Abteilung: 12 U-Boote (auf 500 bis 600 Seemeilen östlich von Midway in Wartestellung) und 3 U-Tanker (zur Versorgung von Flugbooten an Treffpunkten in der Mitte zwischen dem Midway-Atoll und Hawaii).
Der Aleuten-Verband (Konteradmiral Boshiro Hosogaya): 1 leichter Träger (Ryujo und Junyo, zusammen 38 Jäger, 52 Bomber), 1 Seeflugzeugträger (60 Schwimmer-Flugzeuge), 3 schwere Kreuzer, 2 leichte Kreuzer, 11 Zerstörer, 6 U-Boote, Minensucher und U-Bootjäger, 7 Transporter.
Außerdem marschierten 17 Öldampfer in mehreren Gruppen mit den Verbänden oder standen auf Treffpunkten. Das gesamte Unternehmen stand unter dem Oberbefehl von Admiral Yamamoto, der die Operationen vom 63.000 Tonnen Schlachtschiff Yamato leitete.
Schließlich erhielt der Plan den endgültigen Stempel und die Codenamen: Die Gesamtoperation hieß von nun an MI, die Aleuten-Aktion AO und das Midway-Unternehmen AF. Um rechtzeitig Informationen über den Gegner zu erhalten, wurden am 8. Mai mehrere Flugboote, die von U-Booten Treibstoff übernahmen, auf Pearl Harbor angesetzt, welche bereits Anfang Mai ausliefen. Das Boot I-168 (Fregattenkapitän Yahachi Tanabe) sollte direkt vor Midway aufklären. Für die Landung war Fregattenkapitän Yasumi Tunaha verantwortlich. Aber der Offizier besaß nur ungenaue Karten von den Inseln, denn eine Aufklärungsmaschine war im März abgeschossen worden. So beschloss er im Südteil des Atolls zu landen, wo das Riff näher am Ufer lag. Tunaha konnte aber nicht wissen, dass diese Barriere im Norden eine große Lücke aufwies.
Auch die Schätzung der US-Streitkräfte auf dem Atoll lag mit 750 bis 1.700 Soldaten, 60 Flugzeugen und 20 Geschützen weit unter den Zahlen, die vor der Schlacht bereitstanden. Doch das war nicht so wichtig, denn die Japaner waren von ihrer Überlegenheit und Unbezwingbarkeit überzeugt. Die Landungstruppen stellten Marine und Heer gemeinsam, zusammen 4.600 Soldaten. Oberst Ichikis 28. Infanterieregiment mit Pionieren und Schnellfeuerkanonen brauchte keinen Gegner zu fürchten. Die 2. Marine-Landungseinheit unter Hauptmann Ota, die Marinepioniere und sogar der Wetterbeobachtungstrupp rekrutierten sich aus harten Elitemannschaften. Zudem führten die Landeeinheiten allein 94 Geschütze mit. Es fehlten aber flache Truppenlandungsboote, um die Riffe problemlos überwinden zu können. Doch Fregattenkapitän Shiro Yonai, verantwortlich für das Marinekontingent, besorgte sich die Boote von einer Heeresinfanterieschule.
Japanische Flotte
Am 15. Mai 1942 lief die Operation MI an, nachdem alle Vorbereitungen abgeschlossen waren. Der japanische Landungsverband für Midway lief nach Saipan aus, wo im Schnellverfahren Landeübungen abgehalten wurden, während Admiral Yamamoto die Befehlshaber der verschiedenen Verbände unter dem Vorsitz von Konteradmiral Matome Ugaki, dem Chef des Stabes, in die Operationsdetails eingewiesen.
Am 18. Mai nahm der Invasionsverband Kurs auf Midway. Indessen herrschte auf der Akagi, dem Flaggschiff von Vizeadmiral Nagumo, Hochbetrieb, um die geplanten Luftangriffe auf Midway festzulegen. Der Angriff war endgültig für den 4. Juni festgesetzt worden. Aber Konteradmiral Ryunosuka Kusaka, Chef von Nagumos Stab, hielt den Zeitpunkt zu verfrüht, denn der Trägerverband war eben erst angeschlagen aus der Schlacht in der Korallensee zurückgekehrt. Auch die Piloten zeigten sich erschöpft und brauchten eine Ruhepause. Yamamoto jedoch blieb hart, legte am 20. Mai die taktische Zusammenarbeit der Verbände fest und ließ den aus 70 großen Schiffen bestehenden Hauptteil der Flotte an der Reede von Hashirajima sammeln. Prunkstück war die mächtige Yamato, das größte Schlachtschiff der Welt, ihre 46 cm Geschütze hatten eine Reichweite von über 25 Seemeilen. Doch der beeindruckendste Mittelpunkt blieb Nagumos Trägergruppe, obwohl die Shokaku und die Zuikaku fehlten, weil diese für die Südoperation gebraucht wurden. Das beeinträchtigte die Siegeszuversicht allerdings keineswegs, wie das Oberkommando bewies. Es hatte der Postleitstelle in Yokusuka befohlen, anfallende Post direkt nach Midway weiterzugeben, das nun ‘Ruhmreicher Monat Juni‘ hieß.
Der 25. Mai blieb der Abschiedsfeier vorbehalten und der 26. diente letzten Arbeiten sowie Besorgungen. Die Schiffe von Saipan steuerten die Insel Wake an, um dort aufzutanken. Inzwischen verließen die ersten Einheiten des Aleuten-Verbandes die Reede von Ominato und gingen auf Nordostkurs. Tags darauf stampfte die Trägergruppe von Hashirajima die Bungo-Straße hinaus in den Pazifik.
Der Aufbruch stand unter einem günstigen Zeichen, denn der 27. Mai war der 37. Jahrestag des ruhmreichen Sieges von Admiral Togo über die Russen in der Seeschlacht bei Tsushima. Wieder einen Tag später liefen die Landungsschiffe für Attu und Kiska (Aleuten) aus sowie auch die beiden Flugzeugtender Chitose und Kamikawa Maru, die auf Kure Island, einer winzigen Insel bei Midway, eine Basis für Wasserflugzeuge einrichten sollten. Admiral Takeo Kurita verließ mit seiner Kreuzergruppe Guam, um rechtzeitig bei Midway an der Schlacht teilnehmen zu können. Am 29. Mai legte Konteradmiral Kondo mit seinem Kampfverband ab und folgte der Hauptflotte von Admiral Yamamto selbst. Es war also eine gewaltige Armada: 11 Schlachtschiffe, 8 Flugzeugträger, 23 Kreuzer, 65 Zerstörer und viele Hilfsschiffe (zusammen 190) stießen in die blaue Dünung des Pazifiks vor. Ihr Aufmarschgebiet spannte sich in einem 1.800 Seemeilen weiten Bogen von den Kurilen im Norden bis nach Guam im Süden. Für das Unternehmen würde diese Flotte mehr Öl verbrauchen als die gesamte japanische Marine in einem Friedensjahr. Yamamoto befehligte rund 100.000 Soldaten, darunter 20 Admirale, 700 land- und bordgestützte Flugzeuge (davon 261 Trägermaschinen). Die Japaner zweifelten nicht am Sieg, diese Zuversicht drückte auch der kaiserliche Generalbefehl Nr. 94 aus.
»Wir werden die bei Anlaufen unserer Operation alle auftauchenden feindlichen Schiffe vernichten.«
»Dem Feind sind unsere Pläne nicht bekannt«, behauptete Vizeadmiral Nagumo sogar.
Genau aber hier lagen die Schwächen des Planes. Japan unterschätzte den Gegner und die Unterstellung, dass er wie erwartet reagieren würde.
Amerikanische Flotte
Um diese Zeit verfügte das amerikanische Marineministerium in Washington bereits über eine Studie der AF- und AOB-Operationen, datiert vom 29. Mai. Der Auslauftermin des Aleuten-Verbandes war in der Seekarte mit dem 16. Mai, 08.00 Uhr, schwarz eingetragen. Die japanische Invasionsflotte aus Saipan trug in roter Schrift das Datum des 28. Mai. Und die grüne Linie des Trägerkurses war mit dem 27. Mai angegeben. Auch im Flottenhauptquartier der Pazifikflotte in Pearl Harbor gab es eine ähnlich präparierte Karte, nur bog hier der Trägerverband mit 135 Grad Peilung nach Midway ab. In beiden Kommandostellen bestand aber noch Unklarheit darüber, welche Bedeutung einem bestimmten Punkt rund 650 Seemeilen westlich des Atolls zukam, den die Schiffe am 2. Juni erreichen sollte und welches Ziel der Landungsverband anlief. Der Oberbefehlshaber der US-Pazifikflotte, Admiral Chester W. Nimitz, wusste, dass eine offene Seeschlacht nicht zu gewinnen war. Seit der Katastrophe in Pearl Harbor verfügte er kaum noch über einsatzfähige Schlachtschiffe, auch seine verfügbaren Träger waren zahlenmäßig unterlegen. Nur die bessere Taktik konnte hier helfen.
Nach dem 7. Dezember 1941 hatten die Japaner auf einmal ihren Funkschlüssel geändert. Commander Joseph J. Rochefort, gelang es jedoch, den neuen Code JN-25 zu analysieren und das System der japanischen Flaggoffiziere aufzulösen. Mit den Männern von der CIU (Combat Intelligence Unit) überwachte er ständig den Feindfunk und lieferte den Stäben wichtige Informationen. Im April waren die Aktionen gegen Tulagi und Moresby bekannt, sodass Rearadmiral Fletcher mit einem Trägerverband in die Korallensee auslaufen konnte. Als die Japaner in den Salomonen Landungs- sowie Bautruppen abgesetzt hatten und weiter nach Moresby vorstießen, kam es am 7. Mai im Korallenmeer zur Schlacht. Die Lexington erhielt mehrere Treffer, fing Feuer, explodierte später und wurde mit Torpedo selbst versenkt. Die Yorktown hingegen konnte beschädigt abgeschleppt werden. Aber auch Japan hatte Verluste zu beklagen. Der leichte Träger Shoho wurde von Bomben zerschlagen und tags darauf die Shokaku beschädigt. Die Zuikaku verlor so viele Piloten und Flugzeuge, dass sie vorübergehend ausfiel. Das Gefecht im Korallenmeer bildete den Auftakt für eine neue Epoche der Seekriegsgeschichte, die nun vom Einsatz der Flugzeugträger bestimmt werden sollte. Admiral Inouye verzichtete vorerst auf die Invasion von Port Moresby und musste, was weit schwerer wog, für die Operation in Midway zwei Träger abschreiben.
Dem US-Nachrichtendienst gelang es inzwischen, die Chiffren AL, AO und AOB als Aleuten-Unternehmen zu entschlüsseln. Bei AF jedoch tappten die Abhörfachleute noch immer im Dunkeln, obwohl bei genauer Betrachtung der Karte und logischer Folgerung. Der Zentralpazifik nicht übersehen werden konnte. Oder täuschte der Gegner nur? Admiral Ernest King, Oberbefehlshaber der US-Flotte, nahm es an und vermutete in AF, das die Japaner auch Ziele mit ‘Objekt‘ bezeichneten, einen weiteren Angriff auf Hawaii. Andere Stabsoffiziere dagegen befürchteten, dass der Stoß auf Nikoa, die French Frigate Shoals, Gardner Pinnactes, Lisanski Island oder das Hermes-Riff ziele. Aber Rochefort und sein Team setzten auf Midway und konnten schließlich auch den Admiralstab davon überzeugen.
Am 2. Mai flog Admiral Nimitz mit einem Catalina-Flugboot kurz entschlossen nach Midway und besprach dort mit den verantwortlichen Männern, Commander Cyril Simard von der US-Marine sowie Colonel Herold Shannon, dem Chef des Marinekorps, die Inselverteidigung. Die Anlagen waren seit Dezember 1941 verstärkt worden, man nannte es das Gibraltar des Pazifiks. Trotzdem, waren die Verteidigungskräfte unzureichend und die Bedingungen, unter denen die stationierten Soldaten zu kämpfen hatten, hart.
Das Atoll besteht aus einem Korallenriff, das eine Lagune umschließt. Im Südteil des Riffs liegen Sand Island (3 Kilometer lang) und Eastern Island (2 Kilometer lang). Der Zugang ist schwierig, das Ankern draußen vor dem Riff gefährlich, die beiden Inseln des Atolls sehr klein.
Gerät, Waffen und Menschen waren auf engsten Raum zusammengedrängt, die technischen Anlagen mangelhaft. Süßwasser war rationiert, Alkohol offiziell verboten. Das enge Zusammenleben, der ständige Wind, das Rauschen der Brandung, das ohrenbetäubende Vogelgeschrei, der Korallenstaub, das alles zerrte an den Nerven der Männer. Es gab täglich Schlägereien in der Garnison, welche die MP (Military Police) schlichtete, in dem sie die kämpfenden Parteien beider Seiten einfach zusammenschlug. Dennoch hatte man eine Menge erreicht. Eastern Island, besaß Rollfelder, die in Form eines Dreiecks angelegt waren und unterirdische Treibstofftanks. Man hatte Lagerhäuser, Hangars, Unterkünfte, ein Hospital, ein kleines Kraftwerk und eine Destillationsanlage für Seewasser gebaut. Nimitz fand bei seiner Inspektion befestigte Unterstände und Bunker vor, den Stand mit Minen gepflastert, von Flammenwerfern umsäumt, starrend vor Stacheldraht, der sich bis in die Brandung fortsetzte.
Eine Woche später war jedoch noch immer unklar, ob der Gegner wirklich Midway anlaufen würde. Da kam Captain McCormick von Nimitz Planungsstab die rettende Idee. Er wies die Radiostation auf dem Atoll an, das durch ein Seekabel mit Pearl Harbor telefonisch verbunden war, in einem offenen Funkspruch zu melden, dass die Süßwasseranlage ausgefallen sei. Der Trick funktionierte. Schon zwei Tage später gab eine japanische Funkstelle nach Tokio durch, das ‘Objekt‘ habe Schwierigkeiten mit der Wasserversorgung. AF und Midway waren identisch, somit konnten die Abwehrmaßnahmen nun vollends anlaufen.
McCormick informierte am 14. Mai seinen Vorgesetzten über diese Feststellung, worauf Nimitz die beiden Trägerverbände sofort nach Pearl Harbor beorderte. Nach der Schlacht im Korallenmeer stand Rearadmiral Frank Fletchers Task Force 17 mit den Trägern Yorktown im Südpazifik bei Tongatabu, wo sein Flaggschiff behelfsmäßig repariert und dann in Schlepp genommen werden sollte. Rearadmiral William Halseys Task Force 16 mit den Trägern Enterprise und Hornet, die für die Seeschlacht zu spät gekommen war, meldete sich aus dem Gebiet der Salomonen. Beide Verbände liefen nun nach Hawaii, als sie am 18. Mai einen dringenden Funkspruch aus Pearl Harbor auffingen.
»Rückkehr beschleunigen!«
Besonders in Oahu war noch in Erinnerung, dass bereits im März japanische Flugboote mehrmals die Inseln überflogen hatten. Nachprüfungen ergaben, dass die Maschinen von den Kawajalein (Marshallinseln) gekommen waren und unterwegs von U-Tanker Treibstoff übernommen hatten. Rochefort, der meist in einer abgetragenen roten Smoking-Jacke mit Pantoffeln herumlief und die Männer von der CIU, kamen nun kaum mehr zum Schlafen. Sie arbeiteten rund um die Uhr, ihre Pausen war kurz und ruhten sich zwischen Ordnern und Papierstapeln auf Sesseln oder Bänken aus. Alle Frequenzen der Japaner wurden rund um die Uhr überwacht, jede Meldung lief sofort an die Einsatzstäbe weiter, wo man die Karteneintragungen vervollständigte.
Allmählich gewann das Bild an Klarheit, dem Puzzle fehlten nur noch wenige Steine. Einer davon war das Angriffsdatum. Man rechnete für den Angriff mit Ende Mai. General-Major Delos Emmons, Befehlshaber der 7. Army Air Force (Luftflotte) auf Hawaii, ließ sich nicht davon abbringen, dass Pearl Harbor in Gefahr sei und wollte keinen einzigen Heeresbomber für Midway abgeben. Doch mit Nimitz Befehl an die Marine, sich für den Abwehrkampf von Midway bereitzumachen, wurden auch Emmons Flugzeuge automatisch dem Flottenhauptquartier unterstellt. Und, wenn die Japaner tatsächlich Hawaii erneut angriffen? Dann würden für die Verteidigung keine Heeresmaschinen verfügbar sein. Das wäre ein Desaster!
Nimitz übernahm eine große Verantwortung. Jedoch blieb für lange Überlegungen jetzt keine Zeit mehr, denn die letzten Feindmeldungen ließen den 28. Mai für Midway vermuten. Er ließ sofort die Kommandeure auf dem Atoll verständigen, die Kampfvorbereitungen zu forcieren und stellte unter dem erfahrenen Konteradmiral Robert Theobald einen kleinen Kampfverband für die Aleuten zusammen, der die Japaner im Nordpazifik beschäftigen und gleichzeitig die eigene offene Flanke vor Midway schützen sollte. Zusätzlich war ein Korridor von U-Booten im Halbkreis westlich des Atolls aufzubauen, die laufend Meldungen durchzugeben hatten. Die wenigen Schlachtschiffe, die Nimitz zur Verfügung hatte, konnte er entbehren und beließ sie als Schutzschild an der amerikanischen Westküste. Was aber war mit der Yorktown? In der kommenden Schlacht würde jeder Träger zählen. Deshalb musste sie schnellstens repariert werden, sobald sie eintraf. Ein dringender Funkspruch ging an die Werft von Pearl Harbor.
»Alles für die Reparatur eines Flugzeugträgers vorbereiten und Ersatzteile heranschaffen!«
Am 18. Mai gab es Sonderalarm für die 7. Army Air Force, weil von der Westküste neue B-17 Bomber (Flying Fortress) eingeflogen wurden. Auch die Marine lieferte die neuen großen PBY-Flugboote, die sofort nach Midway weitergeleitet wurden.
Die Inseln selbst waren nur ein winziger Punkt im Weltmeer, aber als überaus wichtige strategische Lage unverkennbar: 1.100 Seemeilen bis Hawaii, 1.100 bis Wake Island, 2.200 bis Tokio. Nun rollten laufend Nachschubberge dorthin: Kanonen, Flakbatterien, noch mehr Stacheldraht, Munition, Bekleidung, Verpflegung, Patrouillenboote und weitere Soldaten. Am 23. Mai dampfte eine große Fähre mit Jagdflugzeugen, Sturzbombern, 5 Panzern und anderem Kriegsgerät an Bord in Richtung Midway. Am selben Tag verhandelten Viceadmiral Pat Bellinger, Chef der Aufklärungsflugzeuge und Captain Davis, Flugleitoffizier in Nimitz Stab, mit Heeresbefehlshabern über die künftige Zusammenarbeit von land- und bordgestützten Flugzeugen des Heeres mit der Marine. Es gingen auch die U-Boote in See. 11 sollten westlich von Midway Position beziehen, 7 östlich des Atolls. Tags darauf lief das U-Boot Nautilus von Lieutenant-Commander Bill Brockman aus, um auf Position zu gehen. Es sollte im Gebiet nordöstlich der Inseln patrouillieren.
Am 25. Mai herrschte in Pearl Harbor Aufregung. Ein entschlüsselter Funkspruch enthielt alle Einzelheiten der japanischen Gesamtoperation und den Angriffszeitpunkt für Midway: zwischen dem 3. und 5. Juni. Es war auch die letzte noch im JN-25-Code gegebene Meldung, danach lief die Operation MI unter einem neuen Schlüssel. Sofort wurden die Verteidiger der Inseln mit einem Funkspruch in halb chiffrierter Form über das Datum unterrichtet.
»Rechnen mit 4 CV (Deckname für Träger), jeder mit 36 VF (Jäger) plus 27 VSB (Aufklärungsbomber), den Feind plant aus kurzer Entfernung, etwa 50 bis 100 Seemeilen, anzugreifen und die Luftverteidigung auszuschalten .«
Die Amerikaner mobilisierten alle Abwehrkräfte auf dem Atoll und verstärkten die Aufklärung. PBY-Flugboote erkundeten täglich einen Sektor von 700 Seemeilen und 180° westlich von Midway. Dann trafen endlich auch die Trägerverbände in Pearl Harbor ein. Enterprise und Hornet machten am Ford Island fest. Admiral Halsey, der an einem Hautleiden erkrankt war, meldete sich bei Nimitz zurück, der ihn, trotz heftigen Protestes, in ein Hospital schickte. Die Task Force 16 mitsamt dem Stab übernahm Rearadmiral Raymond Spruance, den Nimitz in die bevorstehende Schlacht einwies. Die Besatzungen des Trägers sowie der Begleitschiffe erfuhren aus Gerüchten und vielerlei Umständen, dass eine große Sache im Gange war.
Überall herrschte Unrast. Lastwagen karrten Vorräte heran, die auf den Schiffen verstaut wurden. Nachmittags kam Fletchers Task Force 17 mit der Yorktown im Schlepp an, die sofort in das Trockendock Nr. 1 gelotst wurde. Dort warteten schon eine Menge Arbeiter, die Aufbockhölzer, Winden, Werkzeuge und Ersatzteile lagen griffbereit. Werftdirektor Captain Gilette, der Reparaturfachmann Lieutenant-Commander Pfingstag und ein Technikerstab prüften das beschädigte Schiff. Pfingstag veranschlagte für die Arbeiten neunzig Tage. Daraufhin bekam Nimitz einen Wutanfall, als ihm dies mitgeteilt wurde.
»Ich muss die Yorktown in drei Tagen zurückhaben. Der US-Navy steht eine wichtige Schlacht bevor. Und wenn der Träger daran nicht teilnehmen kann, steht Hawaii und das Festland eine japanische Invasion bevor. Ich muss Ihnen wohl nicht erst erklären, was das bedeutet. Also sorgen Sie dafür, das sie wieder einsatzfähig ist. Amerikas Freiheit liegt in Ihren Händen, meine Herren«, gab er den Experten zur Antwort.
Die Spezialisten staunten über diese Nachricht nicht schlecht und machten sich sofort an die Arbeit. Unter solchem Zeitdruck hatte die Werft bisher noch nie Reparaturen durchgeführt, aber 2.000 Männer arbeiteten wie besessen an Bord, während die Werkstätten an Land die Ersatzteile nach Holzmodellen gossen und schmiedeten, denn man hatte keine Zeit Pläne anzufertigen.
Am 29. Mai verließ die Yorktown schließlich das Dock. Am nächsten Morgen um 09.00 Uhr, verließ sie Hawaii, um sich der Enterprise und Hornet am festgesetzten Treffpunkt vor Midway anzuschließen.
Inzwischen erging an die Befehlshaber der beteiligten Kampfverbände der Operationsplan Nr. 29 bis 42. Davon gab es 86 Kopien. Der Plan sah vor, den Gegner durch Abnutzungstaktik zu schwächen und die Inseln um jeden Preis zu halten. Die Entscheidung sollte unweit des Atolls gesucht werden, da die Feuerkraft der Inseln den vierten Träger ersetzen konnte.
»Bei der Durchführung der Aufgabe gemäß Operationsplan 29-42 werden Sie sich vom Grundsatz des kalkulierten Risikos leiten lassen, das heißt, Ihr Verband darf nicht einem Angriff überlegener feindlicher Verbände ausgesetzt werden, ohne dass die Aussicht besteht, dem Feind noch größeren Schaden zuzufügen«, hieß es in einem Zusatzbefehl.
Für die Abwehrschlacht waren verfügbar: Task Force 16 (Rearadmiral Raymond A. Spruance): 2 Träger (Enterprise und Honet, zusammen 54 Jäger, 104 Bomber), 5 schwere Kreuzer, 1 leichter Flak-Kreuzer, 9 Zerstörer.
Task Force 17 (Rearadmiral Frank Fletcher): 1 Träger (Yorktown, 25 Jäger, 50 Bomber), 2 schwere Kreuzer, 6 Zerstörer. Versorgungsgruppe: 2 Tanker, 2 Zerstörer.
Auf Midway: Von der Marine 37 große Flugboote, 6 Bomber. Vom Marinekorps 27 Jäger, 27 Bomber. Vom Heer 34 Bomber. Der Bestand wurde später noch durch weitere Maschinen ergänzt.
Am 28. Mai morgens lief die Task Force 16 aus und nahm Kurs auf Barbers Point, nordöstlich des Atolls, die Yorktown folgte später nach. Als die letzten Dockarbeiter vom dem Träger auf ein Motorboot übersetzten, spielte eine Musikband ‘California, here i come‘. Wenig später stieß Task Force 17 geschlossen in den Pazifik vor. In langwieriger Arbeit hatten die Einsatzstäbe den taktisch günstigsten Punkt gefunden, der das Eingreifen bei Midway und Hawaii ermöglichte. Er hieß hoffnungsvoll ‘Point Luck‘ und lag 325 Seemeilen nordöstlich des Atolls. Die Festlegung dieser Ausgangsbasis für die Schlacht setzte zugleich auch die japanische U-Boot-Sperre matt. Am 2. Juni näherten sich die beiden Trägergruppen dem vereinbarten Treffpunkt voneinander getrennt. Und was geschah inzwischen auf Midway?
Midway-Inseln
Colonel Shannon und Captain Simard, der inzwischen befördert worden war, wurden am 20. Mai 1942 von Admiral Nimitz in einem Brief über die letzten Feindmeldungen unterrichtet. Der Angriffstag war mit dem 28. Mai angegeben. So blieb noch eine Woche Zeit. In einer Besprechung wurden alle Sofortmaßnahmen festgelegt, der Großeinsatz begann. Auf den beiden Inseln Sand und Eastern, führten die Verteidiger Schanzarbeiten durch, bauten Geschütz- und Kampfstände sowie neue Bunker für Besatzungen und Flugzeuge. An günstigen Geländepunkten entstanden Vorratslöcher für Bomben, Benzin- und Wasserbehälter sowie Nahrungsmitteldepots. Die Strände wurden zusätzlichen mit Stacheldrahtverhauen gesichert, zusätzliche Minengürtel deckten das Ufergelände und den Landungsbereich ab.
Am 22. Mai schlug plötzlich eine Explosion über Eastern Island. Jeder dachte sofort an die Invasion. Dann aber stellte sich heraus, dass ein Matrose bei einer Selbstzerstörungs-Übung an der Tankanlage den falschen Hebel betätigt und dadurch 1,5 Millionen Liter Flugzeugbenzin hochgejagt hatte. Von nun an mussten die Maschinen mühsam mit der Handpumpe versorgt werden.
»Die Bedienung der Anlage war zwar absolut sicher, aber nicht für Idioten und Seeleute«, meinte ein Offizier sarkastisch.
Am 25. Mai erfuhren die Verteidiger, dass das endgültige Angriffsdatum zwischen dem 2. bis 5. Juni lag. Also noch eine Wochenfrist. Weitere Verstärkungen kamen nach Midway: ein Bataillon Ledernacken (US-Marines) und acht 37 mm Kanonen. Tags darauf brachte ein Schiff 18 SBD-Sturzbomber und 7 F4F-Jäger. Schließlich landete noch ein illustrer Gast aus Hollywood, der Filmregisseur John Ford auf das Atoll. Er kam mit dem Auftrag, den Inselkampf vor Ort zu drehen.
Jetzt umfasste die Abwehr auf dem Atoll: 3.632 Soldaten verschiedener Waffengattungen, 120 Flugzeuge, 11 Patrouillenboote, 5 Panzer, 8 Granatwerfer, 14 Küstengeschütze, 32 Fliegerabwehrkanonen. Für die Fernaufklärung sorgten U-Boote und PBY. Zur Naherkundung dienten die Patrouillenboote in der Lagune sowie vor den Stränden. Besonders die Aufklärungsarbeit wurde intensiviert, denn vom frühen Erfassen des Gegners hing der taktische Einsatz der Träger ab. Zu Land und auf See erwarteten die Amerikaner hart entschlossen den Gegner.
Über dem Atoll flimmerte jeden Tag eine Hitzeglocke. Manchmal fächelte eine Brise und kräuselte den Wasserspiegel. Aber trotz der Trägheit, die über allem lag, arbeitete die Garnison schwer: Seeleute, Infanteristen, Artilleristen, Luftwaffensoldaten, Nachrichtendienste, Pioniere, Schreibstuben- und Küchenpersonal. Baukräne hievten Lasten durch die Luft, Lastwagen transportierten Erde, Steine und Geröll. Soldaten, einzeln und in Gruppen, schaufelten, hackten, sägten oder schleppten Schanzmaterial, sie spannten Stacheldraht und verminten die Strände. Midway glich inzwischen einem Termitenbau. Überall an Land, auf dem Wasser und in der Luft, waren Hektik und Betriebsamkeit. Die Dieselmotoren der Patrouillenboote bullerten in den Arbeitslärm und in kurzen Abständen röhrten Flugzeuge im Tiefflug über die Inseln hinweg.
Die Soldaten auf Sand und Eastern Island rüsteten sich verbissen zur Abwehrschlacht. Zwar wusste niemand genau, zu welcher Tageszeit die Japaner kommen würden, fest stand nur, dass sie kamen. Seit Wochen schon dauerte die Ungewissheit an und jeder hielt sich an die Gerüchte, die täglich wechselten. Einen kleinen Trost bot der ständig wachsende Bestand an Truppen, Flugzeugen, Waffen und Ausrüstung. Was vorher an Forderungen für eine wirksame Inselverteidigung von den Zuteilungsstellen rundweg abgelehnt worden war, wurde jetzt im Übereifer erfüllt. Im Nordteil von Sands Island errichteten die Marine-Infanteristen vom 6. Defense Bataillon Abwehrstellungen aus Erde. Das Gelände stieg hier neun Meter an und bildete zugleich die höchste Erhebung der Insel und bot gute Sicht sowie Schussfeld bis weit ins Meer hinaus.
Shannon führte das Bataillon und hatte den Oberbefehl auf Midway. Er diente sich vom einfachen Soldaten hoch und besaß jene störrische Zähigkeit, die jede Art von Verteidigung erst erfolgversprechend macht. Seine Vorliebe für Stacheldraht, Hindernisse und Unterständen bewirkte den Bau von gestaffelten Grabensystemen und Bunkerlinien. Flugzeuge konnte er überhaupt nicht leiden. Als die Tankanlage in die Luft flog, ließ er seinem Unbehagen freien Lauf.
»Schlagt diese Kisten am Strand zusammen!«, schimpfte er.
Aber gerade die Anwesenheit des zähen alten Ledernacken beruhigte die Verteidiger und stärkte ihren Kampfgeist.
»Nur noch drei Tage«, sagte Mac Mills, der auch als Sergeant kräftig anpackte.
»Latrinenparole«, schnaufte Corporal Phil Larkes. »Jeden Tag ein neues Datum. Sollen die verdammten Japse doch endlich kommen.«
Diesmal stimmt es. Jimmy Leach, der Kasino-Steward, hat es in einer Offiziersrunde aufgeschnappt.
»Es ist der 3. Juni.«
Mills schob seine nackte Schulter unter den Träger, gab seinen Helfer einen Wink, dann wuchteten sie die Schiene über die Bunkeröffnung.
»Schaut hinunter! Schon wieder schleppen sie Stacheldraht heran«, meinte Private Tom Greer. »Der Alte glaubt wohl, wir könnten die Flugzeuge mit Verhauen aufhalten.«
Er rückte oben die Deckenlage zurecht.
»Seht, da unten stiefelt McGlashan herum.«
Sie blickten zum Strand, wo der Captain als Operationsoffizier Anweisungen gab. Ungeachtet der Hitze war er ständig unterwegs und kümmerte sich um die Befestigungsarbeiten. Einmal fuhr er sogar in einem Patrouillenboot hinaus und betrachtete die Stellungen von See her, quasi mit den Augen des Feindes. Bei dieser Inspektionstour schien er noch Schwachstellen im System entdeckt zu haben, dann ließ er sofort Fallen gegen die Landungstruppen entwerfen. Mit dieser Aufgabe betraute er den Marine Gunnery John Arnold. Über die erstaunlichen Fertigkeiten dieser altgedienten Kanoniere erzählte man sich im Korps Legenden, sodass Arnold auf Anhieb auch Rat wusste. Irgendwie besorgte er Plastiksprengstoff, der wie Teig aussah. Mit einigen Helfern zusammen, ging er daran, das Zeug zu kneten und in lange Abflussrohre zu stopfen, deren Enden dann mit heißem Teer versiegelt wurden. Die 380 so gebastelten Kanonenschläge, die zu je sechs Stück gebündelt und mit Drähten für die Fernzündung versehen im Ufersand und unter Wasser vergraben wurden, stellten wirkungsvolle Todesfallen dar. Nebenher stellten die Männer aus Whiskey-Flaschen einen stattlichen Vorrat an Molotow-Cocktails her.
In der Nordostecke von Sand Island entstand für die Leute von der Marine, der Luftwaffe und der übrigen Dienste eine zweite Abwehrlinie. Nebenan im Gebüsch richtete Captain Ronald Miller für vier seiner 37 mm Kanonen, die auch zur Flugzeugabwehr taugten, Batteriestellungen ein. Vier andere Geschütze postierte er auf Eastern. Später kamen als mobile Artillerie noch fünf leichte Panzer dazu. Im Süden wurden die Hangars für die Flugboote erweitert. Die Landebahn für die Flugzeuge des Marinekorps und des Heeres lagen drüben auf Eastern, 20 Minuten jenseits der Lagune.
Außer der Marine befand sich auf Midway noch eine Elitetruppe des Marine Corps: die ‘Raiders‘. Im Norden grub sich die C- und auf Eastern die D-Kompanie ein. Der Bataillonskommandeur war Major Evand Carlson. Seine Ausbildungsmethode, die auf der Gong-How-Philosophie beruhte und von den Marineinfanteristen wegen Erziehung zum Ungehorsam rundweg abgelehnt wurde, hatte er als ziviler Beobachter den kommunistischen Verbänden in Nordchina abgeschaut. Da das Weiße Haus aber die ‘Raiders‘ kritiklos akzeptierte und Nimitz von ihrem Kampfwert überzeugt war, schickte er das Bataillon zur Bewährung hierher. Die Angehörigen des disziplinlosen Haufens traten denn auch wie Briganten auf: Patronengurte über den nackten Schultern, die Taschen voller Handgranaten und Messer im Gürtel. Sie warfen ihre Dolche treffsicher in jedes Ziel.
Sogar die Sanitäter waren bewaffnet und lehnten es ab Rot-Kreuz-Binden zu tragen. Anfangs verweigerten sie auch die Schiffe zu entladen, bis Shannon sich die Kerle vornahm. Von nun an brachen sie alle Rekorde. Selbst die US-Marines betrachteten die ‘Raiders‘ mit Respekt und wagten es nachts nicht ohne Losungswort ihren Stellungen nahezukommen. Als neueste Marotte organisierte die Bande 30 Zentimeter lange Schraubenzieher für Nahkampfzwecke. Doch der wilde Haufen verfügte auch über gewiefte Tüftler. Einige Männer halfen dem Sprengstoffexperten, Lieutnant Harold Throneson, aus etwas Dynamit und einer Taschenlampenbatterie eine Mine zu bauen, die bei 40 Pfund Druck detonierte. Die C-Kompanie allein stellte 1.500 Stück davon her. Ein Mann aus Thronesons Gruppe und Arnold entwickelten sogar eine neue Infanterie-Mine: Zigarrenkisten wurden mit Nägeln, Stiften, spitzen Steinen, Glasscherben und einer kleinen Ladung TNT gefüllt. Die Minen konnten elektrisch oder auch durch eine Gewehrkugel gezündet werden. Als Zielhilfe war an der Kistenseite ein gut sichtbarer Punkt aufgemalt.
Für alle Männer auf Midway waren es harte Tage. Zwischen
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Oliver M. Pabst
Bildmaterialien: Oliver M. Pabst
Cover: Oliver M. Pabst
Lektorat: Korrekturen.de Julian von Heyl
Korrektorat: Korrekturen.de Julian von Heyl
Tag der Veröffentlichung: 11.12.2023
ISBN: 978-3-7554-6359-7
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