Cover

Vorwort des Autors

 

Die Handlung des Romans ist eine Erfindung des Schriftstellers. Alle Charaktere sind frei erfunden. Irgendwelche Ähnlichkeiten mit amerikanischen TV-Serien oder lebenden Personen ist reiner Zufall.

 

Copyright-Hinweis: Sämtliche Inhalte, Fotos und Texte sind urheberrechtlich geschützt und dürfen ohne schriftliche Genehmigung des Verfassers weder ganz noch auszugsweise kopiert, verändert, vervielfältigt oder veröffentlicht werden. ©Oliver M. Pabst

 

Das Buch

 

Im nördlichen Alaska sind von einer internationalen Forschungsbasis zwei Wissenschaftler spurlos verschwunden. Das Judge Advocate General der Navy soll den Vorfall untersuchen und schickt sein bestes Team dorthin. Die Sache hat nur einen Haken: Zur Tarnung müssen die zwei JAG-Offiziere ein frisch verheiratetes Ehepaar spielen, obwohl sie sich zerstritten haben. Das macht die Ermittlungen nicht einfach...

 

Kapitel 1

 

JAG, Falls Church,

Virginia, Vereinigte Staaten

 

Lieutenant Kelly Swanson war die erste, die den Fahrstuhl im ersten Stock des Judge Advocate Generals Corps der Navy verließ. Sie drehte sich wütend zu Commander Jack Coleman herum, der ihr folgte und begann mit ihrer zornigen Rede.

»Was zum Teufel sollte das vorhin im Gerichtssaal, Commander?«, fuhr sie ihn aufgebracht an. »Versuchen Sie schon wieder mich vor dem Richter lächerlich zu machen? Das können Sie sich sparen. Ich bin nicht mehr so naiv wie früher! Ganz zu schweigen davon, dass wir diesmal auf einer Seite stehen, oder besser gesagt stehen sollten!«

Coleman hob nur eine Augenbraue und sah sie an, als sei er überrascht über ihren unerwarteten Zorn.

»Wie bitte?«, fragte er bemüht ruhig zu bleiben, aber das reizte Swanson aber nur noch mehr.

»Oh, bitte, spielen Sie nicht den Ahnungslosen! Ich habe Ihnen schon mal gesagt, dass ich nicht von einem Lastwagen gefallen bin! Sie wissen ganz genau, wovon ich rede! Also, was zur Hölle sollte das?«, verlangte sie zu wissen.

Coleman, ansonsten Geduld und Freundlichkeit in Person spürte, wie auch er begann etwas ärgerlich zu werden.

»Das ist die Frage, die ich mir die ganze Zeit über gestellt habe. Was haben Sie da drin getan?«, murmelte er.

»Meinen Job, was sonst!«, fuhr sie ihn aggressiv an.

»Ja, wenn es ihr Job ist unsere Klientin als völlig unglaubwürdig hinzustellen, dann haben Sie das jetzt geschafft«, gab er ironisch zurück.

»Ja? Wie sollte ich denn wissen, dass Lieutenant Halliwell ihre Aussage in letzter Sekunde ändert? Ich kann ihr schließlich nichts vorschreiben, wie sie zu antworten hat«, erwiderte Swanson defensiv.

»Und mit welchem Erfolg? Wenn ich unsere Klientin befragt hätte, wäre das sicherlich nicht passiert«, brummte Coleman.

»Ach so ist das? Sind wir jetzt wieder mal so weit? Der große Commander Jack Coleman kann ja alles besser! Allein Ihnen zuliebe hätte Halliwell natürlich völlig anders ausgesagt! Ich dachte, Sie hätten, wenn schon nicht mehr in mich persönlich, doch wenigstens noch Vertrauen in meine Fähigkeiten als Anwältin, aber das war wohl ein großer Irrtum!«, fauchte sie eiskalt, drehte auf dem Absatz um und stürmte davon.

Coleman folgte ihr mit schnellen Schritten, aber wenn Swanson wirklich wütend war, dann konnte niemand so leicht mit ihr mithalten. Und jetzt kochte seine Partnerin vor Wut. Bevor er sie einholen konnte, erreichte diese ihr Büro und schlug heftig die Türe hinter sich zu.

Lieutenant Bill Jones, der in der Nähe von Swansons Büro an der Kopiermaschine stand, zuckte durch den lauten Türknall leicht zusammen und zog etwas den Kopf ein. Dieses Verhalten war für ihn in der letzten Zeit schon zur Gewohnheit geworden. Andere Offiziere hoben nur den Kopf, aber als sie Coleman Blick bemerkten wandten sie sich schnell wieder ihren ursprünglichen Beschäftigungen zu. Inzwischen gab es im ganzen JAG niemanden mehr, der die explosive Stimmung zwischen den beiden Streithähnen noch nicht bemerkt hatte. Und keiner hielt es für ratsam zwischen die Fronten zu geraten.

Der Commander ging in sein Büro und sagte sich, dass es irgendwann schon wieder besser werden würde. Es konnte nur noch besser werden, oder? Seufzend schloss er die Tür und nahm im Sessel hinter seinem Schreibtisch Platz. Auf dem Tisch stapelten sich einige Akten mit beigehefteten Notizzetteln über den Fall Halliwell. Er hatte weitere Berichte durchzulesen und neue Informationen zu prüfen. Und er wollte den Streit mit Swanson ungestört verrauchen zu lassen.

Er arbeitete einige Stunden konzentriert, als sein Blick auf die Analoguhr an der Wand fiel und fest stellte, dass es bereits Mittag war. Coleman beschloss, eine kleine Pause einzulegen, um sich etwas zu Essen aus der Küche zu holen, denn sein Magen knurrte bereits.

Coleman erhob sich und streckte seine große Gestalt. Als der Commander die Küche betrat, sah er, dass Swanson denselben Gedanken wie er gehabt hatte. ‘Früher wären wir zusammen zum Lunch gegangen‘, dachte er unwillkürlich.

Sie lehnte am Kühlschrank. In der einen Hand hielt sie einen Donut und in der anderen eine Akte, in der sie ihre Nase praktisch vergraben hatte. Ihre Rechte tastete nach einem weiteren, ohne dass sich ihre Augen von den Unterlagen lösten.

Er unterdrückte ein Lachen, als er näher trat.

»Sie scheinen ja ziemlich großen Hunger zu haben«, kommentierte er mit einem gutmütigen Grinsen.

Noch vor ein paar Wochen hätte Swanson mit irgendeiner schlagfertigen Antwort über die allgemeinen Ernährungsgewohnheiten von JAG-Offizieren und ihrem Partner im Speziellen, gekontert, aber seitdem hatte sich scheinbar eine Menge geändert. Er hätte es eigentlich wissen und auf diese Bemerkung verzichten sollen, aber er konnte sich einfach nicht daran gewöhnen.

Swansons Kopf fuhr in die Höhe.

»Ich habe Sie nicht gebeten, mir dabei zuzusehen. Nicht jeder lässt seinen Speiseplan vom Gesundheitsminister absegnen. Es gibt auch noch Leute, die ihr Essen genießen. Jedenfalls tat ich das, bevor Sie hereinkamen. Danke schön«, knurrte sie mürrisch und fuhr, ohne ihm eine Chance zu einer Antwort zu geben, weiter fort: »Wieso halten Sie es eigentlich für erforderlich, jeden einzelnen Handstreich, den ich mache zu kritisieren?«

Coleman schüttelte frustriert den Kopf.

»Und weshalb halten Sie es für erforderlich, sich einen kleinen Scherz so zu Herzen zu nehmen?«, fragte er verwundert zurück, bemüht, seine Stimme ruhig und sachlich zu halten, was ihm beinahe gelang.

»Vielleicht, weil Ihre Scherze auch schon mal besser waren«, erwiderte sie und legte den erst halb gegessenen Donut weg, denn der Appetit war ihr gründlich vergangen.

»Aber auch deshalb, weil Sie wieder eine Laune haben wie Godzilla an einem schlechten Tag«, antwortete der Commander eine Spur lauter.

Er bemerkte es und verzichtete darauf noch mehr zu sagen. Stattdessen näherte er sich dem Kühlschrank, um endlich seinen Salat herauszunehmen. Swanson wich sofort zur Seite, warf ihm noch einen letzten giftigen Blick zu und verließ die Küche.

»Ich hoffe, Sie ersticken an Ihrem dämlichen Salat!«, machte sie ihrem Ärger Luft, während sie zu ihrem Büro zurückging.

Coleman schlug die Kühlschranktür wieder zu, ohne den Salat angerührt zu haben. Er hatte plötzlich keinen Hunger mehr. So konnte das doch nicht weitergehen. Die Situation begann immer mehr zu eskalieren und sogar ihre für gewöhnlich brillante Zusammenarbeit in Mitleidenschaft zu ziehen. Sicher, sie hatten sich bereits früher gestritten, aber dieses Mal war es nicht wie ihre üblichen scherzhaften Wortgefechte und auch nicht wie der Streit, nachdem sich vor 3 Jahren zum ersten Mal vor Gericht gegenüber gestanden hatten. Sie stritten nicht um irgendwelche inhaltlichen Dinge, sondern wegen allem und nichts. Manchmal schien es fast, als legten sie es darauf an sich gegenseitig zu verletzen. Es gab keine gemeinsamen Abendessen mehr in einem ihrer Apartments, um einen Fall durchzugehen, kein Scherzen mehr im Büro, kein gemeinsames Joggen und auch keine Ausflüge in Colemans Segelboot. Was er jedoch am meisten vermisste waren ihre Gespräche. Mit Swanson hatte er immer sprechen können, aber jetzt wechselten sie kaum noch ein Wort miteinander, nur das allernötigste über den gemeinsamen Fall. Selbst das führte immer öfter zu Auseinandersetzungen. Und was das Schlimmste war: Er hätte gar nicht genau sagen können, wie sie sich in diese Lage manövriert hatten. Nein, so kann das wirklich nicht weitergehen, beschloss er und ging am späten Nachmittag zum Büro seiner Partnerin hinüber, das direkt neben seinem lag.

Die Bürotür war geschlossen. Das war auch so eine Sache. Früher war diese, wie seine, immer offen gewesen. Die geschlossene Tür war nun wie ein Symbol. Swanson hatte ihn aus ihrem Leben ausgeschlossen.

Vorsichtig klopfte er an. Sie murmelte etwas von innen. Es war nicht das erwartete »Herein!«, sondern klang eher wie: »Wäre besser für Sie, wenn Sie das nicht wären, Commander Coleman!«

Er straffte die breiten Schultern. Bevor er beim JAG in Falls Church anfing, war er ein Navy Seal gewesen und hatte schon schlimmere Drohungen gehört. Unbeeindruckt trat er ein.

»Kelly, wir müssen uns mal unterhalten«, begann er ernst.

Sie sah von ihrem mit Akten übersäten Schreibtisch auf.

»Nicht jetzt, ich bin beschäftigt!«, murrte sie und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder ihrem Notizblock zu.

Coleman sah sie mit einem durchbohrenden Blick an.

»Doch, genau jetzt!«, forderte er.

»Ich sagte, nein!«, erwiderte sie und hob nicht einmal den Kopf.

Er gab auf. Eine Aussprache mit ihr würde wohl zu nichts führen, außer einem neuen Streit.

»Okay, dann lassen Sie uns heute Abend zusammen Essen gehen.«

»Commander, ich bemühe mich hier gerade an etwas zu arbeiten, was uns morgen vor Gericht weiterhelfen wird, sonst beschweren Sie sich nachher, ich würde meinen Job nicht richtig machen!«

»Also gut, Sie wollen es ja nicht anders, dann gehe ich wieder«, brummte er, doch sie schien ihm gar nicht zuzuhören.

»Kelly, geben Sie mir mal bitte die Akte über die Zeugenaussagen.«

Coleman sah suchend auf ihren Schreibtisch, wo das übliche Wirrwarr herrschte. Abwehrend hob er die Hände, als sie begann einen Stapel Blätter hochzuheben.

»Oh, lassen Sie nur. Halliwell wird längst zu lebenslanger Haft in Leavenworth verurteilt sein, bevor Sie ihre Akte in diesem Katastrophengebiet gefunden haben. Es wird schon so gehen.«

Mit diesen Worten verließ er wieder Swansons Büro.

Kapitel 2

 

JAG, Falls Church,

Virginia, Vereinigte Staaten

 

Swanson stürmte in das Büro von Coleman und schlug die Tür hinter sich zu. Sie baute sich vor seinem Schreibtisch auf, stemmte die Hände in die Hüften und bedachte ihn mit einem bösen Blick, als wenn sie jeden Moment auf ihren Partner schießen würde. Ihre dunklen Augen waren fast schwarz vor Zorn und schleuderten imaginäre Blitze.

»Okay, Commander, Sie haben genau dreißig Sekunden mir zu erklären was dieser Alleingang sollte!«, fauchte sie ihn an.

Coleman ließ seinen Kugelschreiber in der Hand sinken.

»Was habe ich jetzt schon wieder getan?«

»Das kann ich Ihnen erklären, Mister Ahnungslos! Wie ich gehört habe, hatten Sie ein Treffen mit den Vertretern der Anklage und hielten es nicht einmal für nötig mich darüber zu informieren!«

»Das wollte ich ja, aber...«, begann er sich zu verteidigen, aber sie ließ ihn nicht zu Wort kommen.

»Genau das ist es, wovon ich schon in Norfolk gesprochen habe. Dort hielten Sie es auch für besser die Zeugen ohne mich zu befragen. Sie schließen mich ständig aus allem aus! Hat das Wort ‘Team‘ eigentlich noch irgendeine Bedeutung für Sie?«

In ihren Zorn mischten sich Resignation und Traurigkeit.

»Hören Sie doch damit auf, Kelly!«, sagte er genervt, doch sie ließ sich nicht bremsen.

»Nein, ich fange gerade erst an, Commander. Ich dachte, wir hätten unsere Probleme in Norfolk gelöst, aber da habe ich mich wohl schwer geirrt. Wie sollen wir zusammenarbeiten, wenn Sie mir nicht mal mehr vertrauen und alles im Alleingang durchziehen wollen?«

Colemans Augen änderten die Farbe vom normalen blau zu einer dunkleren Schattierung, als hätten sich Wolken über die Sonne geschoben und der Himmel hätte sich verdüstert.

»Sind Sie jetzt fertig? Könnte ich vielleicht auch mal ein Wort sagen? Danke schön. Als ich heute Mittag in Ihrem Büro war, wollte ich Sie über das Treffen informieren, aber Sie waren ja anderweitig beschäftigt«, warf er ihr vor.

Plötzlich räusperte sich jemand vernehmlich an der halb offenen Bürotür und die beiden Streithähne fuhren herum.

Konteradmiral Gordon Stilwell stand im Türrahmen. Er war der Leiter des Judge Advocate General in Church Falls, einer unabhängigen Militärbehörde, die sich auf die Gerichtsbarkeit der amerikanischen Marinestreitkräfte gründete, der alle Angehörigen der Navy und des USMC unterstanden. Er sah nicht gerade erfreut aus, sein bestes Team wieder einmal streitend vorzufinden. Jeder, der den Admiral kannte, wusste, dass dieser unangenehm werden konnte. Im Moment war er sogar ziemlich sauer über das laute Gezänk seiner besten Offiziere.

»Irgendwelche Probleme?«, fragte er mit einem Grollen in der Stimme und sah streng von einem zum anderen.

»Probleme, Sir? Welche Probleme?«, fragten Coleman und Swanson wie aus der Pistole geschossen, ein Bild der Unschuld.

Aber Stilwell ließ sich nicht täuschen.

»120 Dezibel laute!«, bellte er und das Grollen war nun zu einem Donnern geworden.

»Wir haben nur den Fall Halliwell diskutiert, Sir«, behauptete sie.

»Kann sein, dass wir dabei etwas zu übereifrig waren, Admiral«, fügte Coleman noch hinzu.

»Ein guter Versuch, aber nicht gut genug!«, bellte ihr Vorgesetzter. »Commander, Lieutenant, Sie sind beide hervorragende Ermittler und Anwälte, aber Sie scheinen immer mehr zu vergessen, dass ich auch einer bin. Ich kenne alle Ausreden und Tricks des Lehrbuchs. Zum Teufel, ich habe einige davon sogar geschrieben. Also, mäßigen Sie sich bitte, bevor ich es tue!«

Noch bevor beide ein »Aye, Sir« hervorbringen konnten war er schon wieder verschwunden.

»Na toll!« kommentierte Swanson aufgebracht. »Jetzt haben Sie es auch noch geschafft, dass der Admiral mir eine Standpauke hält.«

»Ich habe es geschafft? Das haben Sie sich wohl ganz alleine zuzuschreiben«, gab der Commander zurück.

»Ha! Das ich nicht lache!«

Er zuckte die Schultern.

»Es steht Ihnen natürlich frei, das zu tun.«

Swanson wollte eine scharfe Antwort darauf geben, aber dann stand Stilwell wieder vor ihnen. Sein Gesicht rot vor Ärger, die Augen zusammengekniffen, als wolle er besser Ziel nehmen. Auf seiner Stirn zeigte sich eine Zornesfalte und seine Kiefer mahlten.

»Haben Sie beide vielleicht irgendwas an den Ohren? Falls das der Fall sein sollte, entbinde ich Sie gerne ein paar Wochen vom Dienst, bis sie Ihren Hörfehler auskuriert haben!«

Die beiden Offiziere vor ihm hatten unwillkürlich Haltung angenommen. Stilwell hatte sich jetzt so dicht vor ihnen aufgebaut, dass es selbst Swanson etwas Angst machte.

»Heute ist wirklich Ihr Glückstag, denn wenn ich nicht zu einer wichtigen Besprechung müsste, würde ich mich noch ausführlicher mit Ihnen beschäftigen!«, knurrte der Admiral sie an und ging nach einem letzten warnenden Blick zurück in sein Büro zurück.

Sie machte auf dem Absatz kehrt und stürmte, ohne Coleman auch nur eines weiteren Blickes oder Wortes zu würdigen, zum Büro hinaus. Auf dem Weg in ihr eigenes Arbeitszimmer rannte sie fast Lieutenant Jones über den Haufen. Der jüngere Anwalt schwankte und versuchte verzweifelt das Gleichgewicht zu wahren, während einige der Blätter, die er getragen hatte, zu Boden fielen.

»Ma’am, wo ich Sie gerade treffe...«, sagte er grinsend von einem Ohr zum anderen, als er bemerkte, dass seine Worte mehrdeutig waren. »Ich suche Commander Coleman. Wissen Sie, wo er ist?«

Swanson bückte sich und reichte ihm einen Stapel Blätter.

»Hoffentlich da wo der Pfeffer wächst!«, brummte sie.

Jones starrte sie irritiert an.

»Ma’am?«

»In seinem Büro, Bill«, seufzte sie und setzte ihren Weg fort.

Coleman kam hinzu, als Jones ihr mit einem verwirrten Gesichtsausdruck hinterherblickte.

»Ist der Lieutenant noch immer wütend auf Sie, Sir?«, fragte der Offizier besorgt.

»Noch immer? Sie meinen schon wieder«, erwiderte der Commander und zuckte die Schultern. »Ich habe den Überblick verloren, aber machen Sie sich keine Sorgen. Sie wird sich schon wieder beruhigen.«

Jones sah ihn zweifelnd an.

»Ich weiß nicht, Sir, Lieutenant Swanson sah nicht so aus, als würde sie sich bald beruhigen.«

Coleman lächelte ermutigend.

»Doch, das wird sie schon. Sie wird gleich aus dem Büro kommen an uns vorbeistürmen, den ganzen Weg zum Parkplatz vor sich hin schimpfen, in ihren Wagen steigen und vom Hof rasen, ohne auch nur einmal zurückzublicken. Auf dem Heimweg wird sie sich dann einen Burger mit genug Fett darin kaufen, dass ein ganzes Wolfsrudel ins Koma versetzen würde. Anschließend wird sie mit ihrem Hund ein paar mal um den Block joggen und hinterher ihren Punchingball zu Tode prügeln. Erst dann wird sie sich wieder beruhigen.«

Der Ermittler wünschte, er würde selbst glauben was er da sagte. Zumindest an den letzten Satz konnte er nicht recht glauben.

»Ich hoffe, dass Sie haben recht, Sir«, seufzte Jones bekümmert.

Sein Assistent, der in zwischenmenschlichen Angelegenheiten manchmal etwas unbeholfen war, hatte bereits bemerkt, dass Swanson sich verändert hatte. Sie lachte weniger als früher und ihr rutschte öfter mal ein scharfes Wort heraus, auch wenn sie sich bemühte, gegenüber Jones und den anderen Kollegen, freundlich zu bleiben. Bei Coleman übte sie sich nicht in solcher Zurückhaltung. Kühle Höflichkeit war noch das beste, worauf er hoffen konnte.

Noch bevor dieser seine Bedenken ausgesprochen hatte, riss Swanson ihre Bürotür auf und stürmte an ihnen vorbei, ihre Aktentasche in der Hand wie einen Rammbock. Es sah tatsächlich so aus, als schmipfte sie vor sich hin und kaum eine Minute später hörte man den Motor ihres Wagens aufheulen, während sie vom Hof donnerte. Genau wie es der Commander vorhergesagt hatte.

»Das Traurige daran ist, dass Sie und der Lieutenant sich so gut kennen. Wenn man sich so Nahe steht, kann man sich gegenseitig verletzen«, sagte er noch zu Coleman, bevor dieser in seinem Büro verschwand. »Oh man, ich hasse es wirklich, wenn sie sich streiten.«

Kapitel 3

 

JAG, Falls Church,

Virginia, Vereinigte Staaten

 

Am nächsten Morgen, als Coleman in sein Büro kam, warf er seine Aktentasche in den Stuhl vor seinem Schreibtisch und begab sich anschließend zum Arbeitszimmer des Admirals. Nachdem er das Vorzimmer betreten hatte, blickte Petty Officer Tom Keach hinter seinem Schreibtisch auf und schien etwas überrascht, als er seinen Besucher erkannte. Normalerweise war Coleman nicht unbedingt der erste, der so früh im JAG erschien. Heute morgen war er jedoch bewusst früher gekommen, um vor Swanson da zu sein, die für gewöhnlich überpünktlich um 08.00 Uhr zum Dienstantritt erschien.

»Guten Morgen, Keach. Ist der Admiral schon da?«, fragte Coleman, ohne sich erst mit einer seiner sonst üblichen Scherze an den jüngeren Mann zu wenden.

Der Commander war nach allem zumute, bloß nicht nach Scherzen, aber er hatte eine Entscheidung getroffen. Er musste es durchziehen, denn nur so war es besser für alle Beteiligten, auch wenn dies ihm schwer fiel. Keach informierte seinen Chef, dass Coleman ihn sprechen wolle, der kurz darauf in das Büro durfte, wo der Admiral am Schreibtisch saß und gerade einige Papiere unterzeichnete.

»Morgen, Commander. Was kann ich für Sie tun?«, fragte Stilwell angenehm überrascht, während er zu Coleman aufsah.

Coleman schaffte es irgendwie in militärisch einwandfreier Haltung stillzustehen und trotzdem den Eindruck zu erwecken nicht nervös herumzuzappeln.

»Sir, zuerst einmal möchte ich mich dafür entschuldigen, wie alles zwischen Lieutenant Swanson und mir in der letzten Zeit so gelaufen ist. Wir wollten kein Aufsehen erregen. Ich schätze, das ist uns nicht gelungen«, begann der Ermittler und grinste probeweise.

»Das können Sie laut sagen, Commander!«, schnaubte der Admiral. »Können Sie und der Lieutenant sich nicht hinter geschlossenen Türen streiten, wie alle anderen auch? Jedes mal, wenn ich mein Büro verlasse, herrscht draußen eine Stimmung wie zwischen zwei großen Schlachten. Ich möchte nicht, dass das sich nochmal wiederholt, klar?«

»Jawohl, Sir! Und um das zu gewährleisten wollte ich vorschlagen mir und Swanson neue Partner zuzuweisen, Sir.«

Jetzt hatte er es gesagt!

Stilwell glaubte seinen Ohren nicht recht trauen zu können.

»Wie bitte? Sie sind wohl nicht recht bei Trost, Commander! Und was soll das bewirken?«

»Ich glaube, dass es so das Beste wäre. Lieutenant Swanson und ich können einfach nicht mehr zusammenarbeiten, wie es im Moment aussieht.«

Coleman sah den Admiral ernst an.

»Vergessen Sie es!«, kam die umgehende Antwort.

Der Ermittler hob die Augenbrauen.

»Sir?«

»Haben Sie immer noch Probleme mit den Ohren? Ich sagte Ihr Antrag ist abgelehnt. Arbeiten Sie mit Ihrer Partnerin zusammen oder lassen Sie es ganz. Sie scheuen doch sonst nie vor Herausforderungen zurück, also fangen Sie jetzt nicht damit an.«

Das Thema war für den Admiral erledigt.

»Mit allem gebührenden Respekt, ich denke Lieutenant Swanson würde es begrüßen, wenn sie mit jemand anderem zusammenarbeiten könnte«, versuchte Coleman es erneut.

»Ich schere mich einen Teufel darum, was Sie begrüßen oder nicht! Noch bin ich der Boss hier und entscheide, wer mit wem arbeitet, klar?, entgegnete Stilwell unmissverständlich.

»Dann beantrage ich, dass ich oder Swanson vom Fall Halliwell abgezogen werden.«

Auch das ließ den Admiral kalt.

»Antrag verweigert!«

»Und wenn ich beantrage...«

»Sie können beantragen soviel und was Sie wollen, Commander, aber ich werde nichts davon unterschreiben! Es kümmert mich keinen Deut, ob sie mit ihrer Partnerin zusammenarbeiten wollen oder nicht! Sie werden einen Weg finden, um ihre Differenzen zu lösen!«, befahl Stilwell streng und fügte dann etwas milder hinzu: »Zum Teufel, was soll das eigentlich alles? Sie beide sind doch bisher beste Freunde gewesen, das dachte ich zumindest.«

Der Admiral hatte in der letzten Zeit des Öfteren bemerkt, dass Coleman und Swanson sich stritten wie ein altes Ehepaar. Irgendwie waren sie beide immer wieder ins Reine gekommen, doch jetzt wurde es schlimmer.

»Das dachte ich auch, Sir. Aber...«, erwiderte der Commander seufzend.

Dann klopfte es auf einmal.

Auf das »Herein« des Admirals trat Swanson ein und war etwas verwundert, dass ihr Partner im Büro stand.

»Entschuldigung, Sir, hier ist der vorläufige Bericht über den Halliwell-Fall.«

Sie reichte ihrem Vorgesetzten eine Akte über den Tisch.

»Setzen Sie sich, wo Sie schon mal hier sind, Lieutenant. Sie auch, Commander.«

Beide gehorchten.

Sie schielte fragend zu Coleman hinüber, ihre dunklen Augen funkelten warnend. ‘Hatte er etwa erneut einen Alleingang versucht oder irgendeinen anderen Grund, ohne Rücksprache mit ihr, den Admiral aufgesucht?‘, dachte sie sich grübelnd.

»Lieutenant, eine Frage...«, begann Stilwell.

Swanson straffte die Schultern und wusste, dass nun nichts Gutes folgen konnte.

»Sir?«

»Wie würden Sie Ihre Zusammenarbeit mit Commander Coleman bewerten? Von den letzten Wochen einmal abgesehen.«

Er fixierte sie scharf und gab ihr keine Möglichkeit eine Ausflucht zu suchen.

Auf diese Frage war die Anwältin nicht gefasst gewesen. ‘Was sollte das? Hatte ihr Partner sich etwa beim Admiral über sie beschwert?‘, kam es ihr in den Sinn.

»Wir sind ein gutes Team«, sagte sie schließlich.

»Wieso hält der Commander es dann für notwendig, mich um die Zuweisung eines neuen Partner für Sie zu bitten?«

Swanson war drauf und dran Coleman in Anwesenheit ihres Vorgesetzten an den Hals zu springen.

»Commander, wie können Sie es wagen...!«

»Lieutenant, in meinem Büro wird nur einer wütend und das bin ich! Verstanden?«, knurrte der Admiral. »Und ich sage es nochmal zu Ihnen: Sie werden zusammenarbeiten, ob sie es wollen oder nicht. Ich habe nicht vor mein bestes Team wegen ihrer Dickköpfigkeit zu verlieren. Lösen Sie ihre Probleme. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«

»Vollkommen, Sir!«, erwiderte Coleman.

»Glasklar, Sir!», ergänzte Swanson.

»Gut.«, brummte Stilwell einigermaßen zufrieden. »Wegtreten!«

Der Admiral wusste, dass ein heftiges Geplänkel ausbrechen würde, sobald die beiden auch nur einen Fuß aus seinem Büro gesetzt hatten. Geplänkel? ‘Wen versuche ich da zu verulken? Dagegen war vermutlich Vietnam ein Kindergeburtstag‘, dachte er sich grimmig.

Coleman drehte sich zu ihr, sobald sie die Bürotür hinter sich geschlossen hatte. Er wusste, dass er einen Fehler gemacht hatte, aber das war ihm als der einzige Ausweg erschienen.

»Kelly«, begann er bittend, »so war das nicht gedacht. Ich wollte nicht...«

Sie ließ sich nicht besänftigen, fühlte sich verraten und verkauft.

»Was wollten Sie nicht? Zum Admiral gehen und hinter meinem Rücken für mich um einen neuen Partner bitten? Oh, dann muss wohl irgendeine höhere Macht Sie dazu gezwungen haben! Sie hätten das vorher mit mir absprechen sollen!«

Auch in ihm begann es zu brodeln.

»Absprechen? Wie hätte ich das anstellen sollen, wenn Sie kein Wort mit mir sprechen, außer ’Sagen Sie Jones, er soll mir die Halliwell-Akte rüberbringen, wenn Sie damit fertig sind‘. Außerdem bedarf es keiner Absprache um zu sehen, dass Sie nicht das geringste Interesse daran haben mit mir zusammenzuarbeiten. Ich habe nur getan, was das Beste für alle ist.«

Swanson starrte ihn böse an.

»Es ist einfach unglaublich, wie anmaßend Sie sind! Wie zum Henker wollen Sie wissen was das Beste für mich ist? Das darf ich doch bitte schön noch selbst entscheiden!«

»Natürlich. Und wie würden Sie sich entscheiden? So wie Sie sich verhalten hatte ich nicht den Eindruck als legten Sie viel Wert darauf weiterhin mit mir zusammenzuarbeiten.«

»Commander, das war der erste wahre Satz, den Sie heute geäußert haben!«, zischte die junge Frau. »Wie soll ich auch mit jemandem zusammenarbeiten, der sich anmaßt, alle Entscheidungen über meinen Kopf hinweg zu treffen?«

»Und wie soll ich mit jemandem arbeiten, der sich so verhält, als wäre ich sein schlimmster Feind?» polterte Coleman zurück.

Swanson starrte ihn für einige Sekunden stumm an, dann wandte sie sich abrupt ab und verschwand in ihrem Büro. Die Tür schloss sie hinter sich diesmal fast geräuschlos, um sich eine neue Strafpredigt des Admirals zu ersparen.

Staff Sergeant Susan Jones stand neben Gunnery Sergeant Ricco Romeris Schreibtisch und war geschockt. Nach ihrer Heirat mit Lieutenant Jones arbeitete sie nur noch aushilfsweise beim JAG, aber die Leute hier waren noch immer ihre Freunde und es bestürzte sie zu sehen, dass ihr Ehemann keineswegs übertrieben hatte, was Swanson und Colemann betraf. Ganz im Gegenteil. Diese verhielten sich wirklich fast wie Feinde.

Sie klopfte sanft an Swansons Bürotür. Diese saß in ihrem Sessel am Schreibtisch und starrte auf eine Akte, ohne wirklich etwas zu lesen. Als Jones eintrat sah der Lieutenant auf.

»Susan, schön Sie zu sehen.«

Trotz ihrer Worte klang sie nicht sehr überwältigt vor Freude, sondern einfach nur resigniert und müde.

Jones konnte nicht verstehen, was in den letzten Wochen alles geschehen sein mochte und war ratlos über das Verhalten der beiden Offiziere.

»Habe ich die Erlaubnis ganz offen zu sprechen, Ma’am?«, fragte sie.

Swanson schluckte ihren Ärger hinunter und nickte.

»Erlaubnis gewährt. Und wenn Sie gerade schon dabei sind, nennen Sie mich Kelly.«

»Ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten und ich weiß Sie mögen es nicht, wenn sich Leute in Ihr Privatleben einmischen, aber...«, begann Jones und zögerte.

»Raus mit der Sprache!«, forderte Swanson sie auf.

»Ma’am... Kelly, Sie sehen in letzter Zeit nicht besonders gut aus«, entfuhr es dem Staff Sergeant.

»Oh, sehr lieb von Ihnen, dass Sie sich Sorgen um mich machen. Vielen Dank, Susan.«

Swanson lächelte schwach, während Jones das Gesicht verzog.

»Aber es gibt keinen Grund zur Sorge. Es ist nur etwas viel Stress zur Zeit, Sie wissen schon, der Halliwell-Fall und so.«

»Sind Sie sicher, Ma’am? Ich meine, ist alles okay zwischen Ihnen und dem Commander?«, fragte Jones vorsichtig, da sie nicht sicher war, ob sie damit ihre Kompetenzen überschritt.

»Susan, Sie sollen mich doch Kelly nennen, schon vergessen?«, erinnerte sie. »Und machen Sie sich keine Sorgen. Es war nur ein kleiner Streit, nichts was es nicht schon zuvor gegeben hätte.«

Sie wusste, dass der Staff Sergeant ihr das nicht abnehmen würde, aber wollte nicht darüber sprechen.

»Na schön, aber wenn Sie mal jemanden zum Reden brauchen...«

Swanson rang sich ein Lächeln ab.

»Dann komm ich zu Ihnen, ich weiß.«

Jones ging wieder zur Tür und verließ das Zimmer. Sie wussten beide, dass der Lieutenant es nicht tun würde.

Kapitel 4

 

JAG, Falls Church,

Virginia, Vereinigte Staaten

 

Coleman verharrte einen Moment vor Swansons geschlossener Bürotür und zögerte. Früher hätte er es nicht, sondern wäre schwungvoll eingetreten, hätte sich gegen den Schreibtisch gelehnt und irgendeine witzige Bemerkung gemacht. Sie hätte gelacht, ihm einen freundschaftlichen Schlag versetzt und eine schlagfertige Antwort gegeben. Er wusste jedoch, was geschehen würde, wenn er jetzt so etwas versuchte. Vermutlich würde ihr Schlag jetzt weniger freundschaftlich ausfallen und er könnte den Arm die nächsten drei Wochen in einer Schlinge tragen.

Der Commander musste ein

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Oliver M. Pabst
Bildmaterialien: Oliver M. Pabst
Cover: Oliver M. Pabst
Lektorat: Korrekturen.de Julian von Heyl
Korrektorat: Korrekturen.de Julian von Heyl
Tag der Veröffentlichung: 03.04.2021
ISBN: 978-3-7487-7919-3

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /