Der Saal war erfüllt von Stimmen. Die Stimmen der Vergangenheit, der Gegenwart und bald auch der Vergangenheit, die noch Zukunft war. Dieser Saal erzählte Geschichten durch die vielen Bilder und Porträts, die alle zum Boden hinabsahen, der gefliest war in Form eines Schachbrettes. Von der roten Seide, die den Raum tapezierte war wenig zu sehen, da nur wenig Platz zwischen den Bildern gelassen wurde. Der Sahl war Kreisrund und hatte eine Gewölbte Decke, die sich schützend über die vielen Bilder aufbäumte. Zwei Portale waren an beiden Enden des Saales angebracht. Eine, die zum hineingelangen in den Saal diente und die Andere, die in einen der wichtigsten Räume der Burg führte. Ein einzelner Mann stand im Saal und betrachtete, mit den Fingern hinter dem Rücken verschränkt, die vielen Gesichter, die auf ihn hinab blickten, so als würde er darauf warten, dass sie mit ihm sprachen. Und, obwohl sein Blick aufmerksam und doch nervös auf den Bildern ruhte, trennten der Saal und seine Gedanken sich um Meilen. Er schien von diesem Saal abzuperlen, wie Wasser an Butter. Das lag nicht nur an seinem Aussehen, denn das könnte nicht noch gegensätzlicher sein. Er trug einen schäbigen braunen Reisemantel und schwere Lederstiefel. Er trug einen Ledernen Brustpanzer und genauso lederne Arm- und Beinschienen. Er war warm gekleidet und trug dicke Wollhandschuhe. Der Schnee draußen hatte seine Beine bis zu den Knien erreicht, schmolz langsam und rann ihm das Bein runter. An seinem Gürtel hing eine Tasche und daneben eine Schlaufe mit einer, darin ruhenden Schriftrolle. Ein schweres Eichenportal wurde geöffnet, schwang nachaußen und ließ einen kniehohen Kobold erscheinen, der den Mann mit einer tiefen Verbeugung grüßte, so dass seine grüne, spitz zulaufende Nase den Boden berührte. Er sprach mit einer schlangenartigen Stimme und mit einem gemeinen Lächeln: „Ihr könnt nun reinkommen, eure Majestät ist gewillt euch zu empfangen.“ Er trat in den Raum hinter dem Portal. Im Gegensatz zu dem Fensterlosen Saal war diese Halle an einer Seite mit Fenstern so voll, so dass der goldene Kronleuchter, der von der Decke hing und so groß war, wie eine Gefängniszelle, überflüssig war. Durch die Fenster strömte gleißendes Licht in die Halle rein. Vor den Fenstern stapelte sich der kalte Winterschnee. Wenn man den Saal vor dem Portal prunkvoll nennen konnte, so würde man dieses Wort beim Anblick dieser Halle sofort wieder zurücknehmen wollen, denn diese Halle war Prunkvoll wie auch Gemütlich. Sie hatte kein Schachfeld mehr als Boden sondern zum Hochglanz polierte Holzleisten. An der Wand war ein mannshoher Kamin angebracht, in dem ein munteres Feuer prasselte und für angenehme Wärme sorgte. Die Wand trug nur noch wenige Porträts sondern war gesäumt mit hohen langen Bücherregalen. Alle zwei Meter oberhalb war ein Vorsprung mit Geländer angebracht den man mit Hilfe einer Leiter erreichen konnte. Dies war auch nötig, denn die Bücherregale waren bis zu sieben Meter hoch. In der Mitte des Raumes stand ein ovaler Steintisch, in dessen Mitte ein Feuer brannte. Am Ende des Tisches, mit Blick auf den Eingang saß ein Mann mit weißem Haar und Vollbart, auf einem silbernen Thron, der die Form einer riesigen Eule hatte. Seine Augenwaren eingefallen und er trug sehr viele Falten im Gesicht. Sein Blick war müde und doch wachsam. Der Mann strahlte etwas sehr bedrohliches aus. Die Wärme, die trotz der Kälte draußen diesen Raum behaglich machte, schien zu entweichen, wenn man diesen Mann ansah. Man wollte diesen Raum verlassen. Der schäbig gekleidete Mann blickte zu dem Alten auf und merkte, dass er einen sehr schlechten Eindruck machen musste, denn sein braunes lockiges Haar war zerzaust und strähnig, geschweige denn der Bart, den er seit Tagen nicht mehr gestutzt hatte. Er verbeugte sich tief, so dass das Wasser in seinen Haaren zu Boden tropfte. „Eure Königliche Majestät“, sagte er mit seiner rauen, tiefen Stimme ehrfürchtig und zog elegant die Schriftrolle aus der Schlaufe, „ Ich habe eine Nachricht von König Farno aus Falkkap. Er übermittelt seine Grüße an unsere ehrwürdige Hoheit von Stintoor “ Der König winkte den Mann zu sich. Vorsichtig näherte er sich dem König. Er wusste, dass, was immer in dieser Nachricht stand, keine gute Nachricht war. Er wusste es, da das Siegel, mit dem die Rolle verschlossen war silbern schimmerte, was Schlimmes bedeutete. Er war nervös, schließlich sind schlechte Nachrichten nie gern gesehene Gäste. Zitternd übergab er die Rolle dem König und entfernte sich rasch wieder zu einem sicheren Standort. Der König brach das Siegel, öffnete die schleife und entrollte das Pergament. Der Mann konnte nur schwer seine Nervosität verbergen. Er zitterte. Er wünschte sich raus in die eisige Kälte in den tiefen Schnee, denn Nichts schien der Anspannung an Unangenehme gleich zu kommen. Die Falten des Königs wurden tiefer und er setzte eine nicht zu deutende Miene auf, was die Anspannung um keinen Deut verringerte. Und dann, kurz bevor die Luft zu bersten schien, stand der König auf, nahm seine Holzstütze aus Eichenholz und humpelte zum Fenster und blickte hinab in die Stadt Stintoor. Die königliche Burg war in den Bergen errichtet worden und es dauerte zwei Stunden Fußmarsch, bis man sie von der Stadt aus erreichen konnte. Der Weg war steinig und unangenehm, aber wenn man die Burg erreicht hatte Bot sich einem ein atemberaubender Blick über das gesamte Königreich Stintoors. Und dort stand der König nun am Fenster blickte hinab in die im Schnee versunkene Landschaft, er erblickte den fernen Wald und weit, weit hinaus den großen See. Kalt und zugefroren lag er da wie in einem langen Winterschlaf genau wie alles in diesem Reich. Wolken zogen auf. Es würde wieder einen Schneesturm geben. Die Eiserne Tundra im Norden war schon ohne Schnee der lebendsfeindlichste Ort des gesamten Landes doch nun würden weitere Wolken aufziehen. Das Schweigen des Königs wurde unerträglich. Der Mann wagte es nicht den Mund aufzumachen. Den Jähzorn des Königs herauszufordern hatte manche Boten bereits das Leben gekostet. Langsam drehte sich der König um. Er wirkte müder denn je. Seine Augen waren leer und glasig. Zum ersten Mal dachte der Mann daran, dass auch dieser König irgendwann sterben musste. Wenn er auch kühl war, er hatte doch immer nur das Beste für sein Volk gewollt. Seine Mittel waren immer hart, doch die harten Mittel hatten für das gesamte Reich immer nur das Beste bedeutet. Nur hatte der Mann jetzt das Gefühl, dass der gute König, der er doch bisher gewesen ist, zum ersten Mal nicht wusste wie er richtig für das Volk handeln konnte. In den Gedanken des Mannes wirbelte es. Würde dieser König abdanken, wer würde dann seinen Platz einnehmen? oder viel schlimmer. Warum würde der König abdanken? Solche Gedanken schossen ihm Blitzartig durch den Kopf. Er hatte schon schlimme Botschaften abgegeben, aber noch nie war so eine Reaktion erlebt. Er wirkt so hoffnungslos, dachte er. Aber warum dachte er über so etwas nach. Es war nicht seine Aufgabe sich darüber Gedanken zu machen. Doch bevor er diesen Gedanken fertig denken konnte, sprach der König mit einer erschreckend heißeren Stimme „Sehr schlechte Neuigkeiten. Ich möchte jetzt gehen.“ Ein kalter Schauder überlief ihn und ohne über seine Torheit nachzudenken antwortete er kleinlaut „Wohin Mein Lord?“ Doch der König schien nicht verärgert über eine solche ungebetene Frage. Er antwortete sehr träge und mit einem Hauch Hoffnungslosigkeit unterstrichen „Zuerst zu Bett vielleicht nie wieder hinaus.“ Und mit einem Schrecken bemerkte der Mann, dass dies Antwort auf seine Gedanken war. Und ohne dass er es wusste stellte sich ihm eine Frage, die er noch nicht wusste, welche sich im tiefen Mysterium seines Kopfes einnistete, entdecken würde er sie erst später. Der König ging auf seine Krücke gestützt durch einen Bogen, der keine Tür hatte sondern so etwas wie einen Schleier. Es waren Nebelschwaden so schien es, die dort diesen Bogen ausfüllten. Doch als der König durch ging war er verschwunden. Der Mann war sich sicher, dass dieser Schleier ihn nicht zu seinem Schlafgemach brachte. Er ging ohne auf eine Aufforderung zu warten zum Portal hinaus, durchquerte die Burg mit ihren vielen Gewölben Gängen, Treppen und Kammern. Der kleine Kobold rümpfte die Nase, als er an ihm vorbei ging. Er musste in der Schatzkammer gewesen sein, sonst hätte er jetzt nicht so leuchtende Augen, dachte der Mann, doch in Wahrheit war er mit seinen Gedanken bei dem Stück Pergament, welches in diesem Moment im Kamin die letzte Flamme fütterte. Und die Worte, die in Rot geschrieben wurden traten ein letztes Mal hervor, wie um „Lebewohl zu sagen“ und dann erloschen die schwungvoll geschriebenen Worte „Es wurde gestohlen“ in einem kleinen Häufchen Asche. Spätestens am nächsten Tag konnte keiner mehr leugnen, dass der König vor Zorn kochte.
Tag der Veröffentlichung: 22.12.2013
Alle Rechte vorbehalten