Man sieht sich zwar, doch kennt sich nicht,
man kennt grad mal das Angesicht.
Doch will man den Kontakt vermeiden,
man kann den Anderen nicht leiden.
Was hat der Kerl nur gegen mich?
Auch ich find´ ihn ganz fürchterlich.
Wie der schon schaut, wenn wir uns treffen!
Wär´ er ein Hund, würde er kläffen.
Und knurren, vielleicht sogar beißen
und mir die Hos´ vom Hintern reißen.
Der ist so doof, fett und phlegmatisch.
Oh, ist der Kerl mir unsympathisch!
Ich wechsle schnell die Straßenseite,
entgehe ihm um Haaresbreite.
Da kommt der Bus, ich seh ihn nicht
und spüre plötzlich ein Gewicht,
das mich zur Seite reißt und schreit:
„So pass doch auf! Du liebe Zeit!
Das wäre beinah schief gegangen.“
Mein Feind, der hat mich aufgefangen.
Das Herz rutscht mir bis in die Waden,
mein Leben hing am seid´nen Faden.
Wär dieser Kerl da nicht gewesen,
der machte nicht viel Federlesen,
entriss mich selbstlos der Gefahr!
Der ist nicht schlecht, wird mir jetzt klar.
Wir reden nun das erste Mal,
ich lad ihn ein in ein Lokal.
Dort lernen wir uns besser kennen,
und als wir uns am Abend trennen,
da gibt es nur noch Sympathie.
Denn Vorurteile stimmen nie!
Texte: © Leonore Enzmann
Tag der Veröffentlichung: 30.06.2010
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