Cover

*Hi, bevor ihr anfangt dieses Buch zu lesen, müsst ihr wissen, dass die eigentliche Idee nicht von mir stammt. Ein weiterer Bookrix User namens 'alexandram' (alias Alexandria) hat bereits eine Bücherreihe veröffentlicht, durch die ich inspiriert wurde.
Die Bücherreihe heißt Bis(s) du mich erkennnst, falls jemand von euch daran interessiert wäre, sie zu lesen.
Ich habe alexandram natürlich um Einverständnis gebeten, bevor ich dieses Buch veröffentlicht habe.
Ich habe noch nicht die ganze Geschichte fertig geschrieben und werde immer wieder einige Abschnitte reinstellen - dafür nutze ich aber nur dieses eine Buch und erstelle nicht jedesmal ein Neues. Am Ende eines Abschnittes gebe ich immer bekannt, wann ich wieder hochlade - es kann allerdings nicht immer zutreffen, da ja immer etwas dazwischen kommen und ich dadurch nicht weiterschreiben könnte.
Also, ich hab euch genug genervt, fangt erst einmal an zu lesen, wenn ich euch nicht schon längst vergrault habe!
vg,
zebrarider.*

Prolog



Sechs Monate waren bereits vergangen, doch es fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Eine Ewigkeit, die niemals enden würde.
Mein Leben wäre wahrscheinlich unheimlich langweilig gewesen, wenn da nicht der Schmerz gewesen wäre, der stetig und unveränderbar in meiner Brust pochte, als hätte man mir die Eingeweide aus dem Leib gerissen und ein klaffendes Loch zurück gelassen.
Ich verblutete innerlich und niemand konnte etwas dagegen machen. Niemand konnte mir helfen, weder mein Vater, noch meine Mutter oder irgendein Therapeut.
Meine Freunde kümmerten sich schon lange nicht mehr um mich, oder sie versuchten es und ich bemerkte es nur nicht.
Fünf Tage in der Woche verbrachte ich an der High School, aber es war, als wäre ich in Trance. Die Schmerzen wichen der Taubheit, die mich immer wieder einholte, seitdem er gegangen war. Und ich war dankbar dafür. Das machte es leichter, nicht an ihn zu denken.
Wenn ich aus der Taubheit erwachte, war das manchmal verwirrend, da ich meistens nicht wusste, wie ich eigentlich dorthin gekommen war, aber das war schon okay.
Lieber verwirrt sein, statt sich vor Schmerzen zu krümmen.
Heute hatte ich nicht so viel Glück gehabt. Die Taubheit hatte mich schon länger im Stich gelassen und das Loch in meiner Brust schmerzte schlimmer denn je.
Ich brauchte ein paar neue Sachen für die Schule und da es in Forks keinen brauchbaren Laden gab, musste ich bis nach Port Angeles fahren, um die Sachen zu besorgen. Ich ging in einen viel versprechenden Laden auf der anderen Straßenseite und fand schnell, was ich suchte.
Die Taubheit war immer noch nicht zurück gekehrt, was mir allmählich Sorgen bereitete. Was wenn sie für immer fort war? Ich wusste nicht, wie ich die Schmerzen aushalten sollte, die das zur Folge hätte.
Ich gab der Verkäuferin das Geld und ging schnell aus dem Geschäft, ich wollte schnell wieder zu Hause sein.
Draußen angekommen stockte ich. In welche Richtung musste ich noch mal? Rechts … oder war es doch links gewesen?
So ein Mist aber auch! Seufzend ging ich nach links. Wenn das die falsche Richtung wäre, würde ich eben einfach kehrt machen und in die andere gehen.
Doch bald darauf kam ich zu einer Kreuzung und ich blieb wieder stehen. Wohin jetzt? Ich entschloss mich, dieses Mal die rechte Straße zu nehmen und ging weiter.
Bald merkte ich, dass ich falsch war, denn die Straße war weniger befahren, als die anderen und die Häuser waren herunter gekommener. Diese Situation gefiel mir gar nicht. Sie erinnerte mich viel zu sehr an den Abend an dem ich … Nicht daran denken.
Die Straße wurde schmaler und verlassener und ich konnte kaum noch etwas sehen. Es war zu dunkel. Ich drehte mich um. Niemand war zu sehen, weder ein Auto, noch ein Fußgänger.
Beunruhigt sah ich wieder nach vorne und stieß einen kurzen Schrei aus. Vor mir stand eine dunkle Gestalt, ein Mann, soweit ich es in der Dunkelheit erkennen konnte.
Seine schwarzen Klamotten standen in einem starken Kontrast zu seiner Haut, die, trotz des mangelhaften Lichtes, totenbleich war.
Er kam langsam auf mich zu und seine Bewegungen waren zu geschmeidig für einen Menschen.
Er war ein Vampir, da war ich mir ganz sicher. Er ging in die Kauerstellung – die Erinnerungen in mir weckte, welche an der Wunde in meiner Brust zehrten – und fragte mich: „Na, haben sie sich verlaufen, junge Dame?“
„Nein.“ Das kam erstaunlich ruhig heraus, wenn man bedachte, dass ich von einem Vampir belauert wurde und es auch wusste. Was ich als nächstes sagte überraschte mich ebenso sehr wie ihn. „Sie sind ein Vampir, oder?“
„Mmh … Du scheinst über mich Bescheid zu wissen. Das ist dann ja mal eine nette Abwechslung. Aber dann weißt du sicher auch, was ich jetzt tun werde und das wird für dich bestimmt nicht so angenehm wie für mich.“
Mehr sagte er nicht, er sprang einfach auf mich zu, riss mich zu Boden und biss zu.
Ich spürte, wie sich seine Lippen an meine Kehle saugten, wie ich immer schwächer und schwächer wurde, während er begann seinen Durst an meinem Blut zu stillen.
Wenn ich ehrlich war überraschte mich diese Situation nicht wirklich. Ich hatte schon einmal dem Tod durch einen blutrünstigen Vampir ins Auge geblickt und fand, dass es beinahe zu erwarten war, dass ich wegen einem von ihnen starb.
Beinahe war ich dem Mann dankbar, der dabei war mein Leben zu beenden. Dann müsste ich zumindest nicht mehr mit dem Wissen leben, dass er mich verlassen hatte und ohne mich durch die Welt reiste, um sich vollkommen der Zerstreuung hinzugeben.
Ich wünschte nur, ich hätte ihn wenigstens noch einmal sehen können, bevor alles zu Ende war. Ich wünschte, ich könnte noch einmal in seine topasfarbenen Augen blicken und ihm sagen, wie sehr ich ihn liebte.
Denn das tat ich, obwohl so viel Zeit vergangen war und ich wegen ihm so sehr gelitten hatte. Natürlich liebte ich ihn. Ich würde ihn immer lieben, egal, ob er bei mir war oder nicht.
Es wäre sehr schön, ihm das zu sagen. Doch er war nicht hier und konnte mich nicht hören. Edward. Edward ich liebe dich

, dachte ich und wünschte mir sehnlichst, er könnte nur in diesem einen Moment – irgendwo, ganz weit weg auf der Welt – meine Gedanken klar und deutlich in seinem Kopf hören, als hätte ich tatsächlich zu ihm gesprochen.
Ich schloss die Augen und gab mich der Besinnungslosigkeit hin, die meinen Verstand umnebelte. Ich würde nie wieder aufwachen.


Auf Wiedersehen!



Dreißig Jahre später...


Nie wieder aufwachen! Ha, schön wär’s! Statt friedlich in alle Ewigkeit vor mich hin zu schlummern hatten mich grausam schmerzende Flammen geweckt, die sich in meinen Körper hineinfraßen. Na super.
Als ich die Augen erschrocken aufgeschlagen hatte und schrie was das Zeug hielt, bemerkte ich, dass ich nicht auf der Straße lag, wie ich zuerst gedacht hatte.
Über mich hatten sich drei andere Vampire gebeugt, die alle drei erschreckend rote Augen hatte und mir aufgewühlt erzählten, was ich werden würde.
Als ich sie ungeduldig unterbrach und sagte, ich wüsste schon, dass ich ein Vampir werden würde, waren sie so von den Socken, dass sie vollkommen vergaßen, die wirklich wichtigen Sachen zu erklären.
Jetzt wusste ich allerdings alles. Mich hatte einer der drei Vampire auf der Straße gesehen, mich von meinem Angreifer weggezogen, diesen ermordet und mich schließlich zu seiner Familie – nein seinem Zirkel getragen.
Dort konnten sie allerdings auch nichts dagegen tun, dass sich das Gift in mir ausbreitete und meinen Körper veränderte, mich zu einem von ihnen machte.
Es dauerte sehr lange, da mein Herz sehr schwach war und ich viel zu wenig Blut in meinem Körper hatte, welches das Gift hätte verteilen können.
Als das Brennen schließlich doch noch endete – die Prozedur hatte fast einen ganzen Monat gebraucht –, konnte ich mich kaum wieder erkennen. Meine Haare waren nun fast schwarz und umrahmten mein Gesicht, das die Farbe von hellem Alabaster hatte.
Ich war schön und vieles an mir hatte sich verändert, das konnte man nicht bestreiten, aber ich war trotzdem noch ich selbst.
Das vertraute Loch in meiner Brust war zwar nicht verschwunden, aber es schmerzte auch nicht so schlimm, dass ich die Beherrschung verlieren könnte.
Ich verbarg mein Leid, damit ich den anderen nicht erzählen musste, war mit mir los war. Ich erzählte ihnen gar nichts. Weder woher ich von Vampiren wusste, noch wie es mir als Mensch ergangen war.
Meine Familie bestand aus drei Personen, Arisa, Adrian und Stephan. Stephan war derjenige, der mich gerettet hatte, doch Adrian war der eigentliche Boss.
Sie ernährten sich nicht so, wie die Cullens, wohnten aber gerne in Häusern und hatten gern ein Jagdgebiet. Sie sagten, sie hätten es schon mit dem Nomaden-Dasein versucht, jedoch wenig Gefallen daran gefunden.
Ich brachte keine Menschen um. Ich wollte, nun da ich ein Vampir war, so sein wie die Cullens.
Also jagte ich nur Tiere, was Adrian äußerst faszinierend fand. Er fragte mich mehrmals, warum ich mir denn so sicher war, dass Vampire sich so ernähren konnten, ohne schwächer zu werden, aber ich antwortete ihm nicht.
Auf meinen eigenen Wunsch hin, hatte ich einen neuen Namen bekommen. Ich hieß jetzt Cathleen. Cathleen Armstrong.
Zufälligerweise sah ich Stephan erstaunlich ähnlich, also gaben wir immer vor, Geschwister zu sein.
Stephan und ich gingen immer zur Schule, auch wenn es sterbenslangweilig war. Wir gingen sogar in den gleichen Jahrgang, worüber mit Sicherheit getuschelt wurde.
Wenn man bedachte, dass unsere Familie nur aus vier Personen bestand, war es schon ein starkes Stück, dass drei von uns eine Gabe hatten.
Stephan konnte die Gedanken von Menschen und Vampiren steuern, er konnte sie dazu bringen, etwas Bestimmtes zu denken, wusste allerdings nicht, was sie in Wirklichkeit dachten.
Arisa konnte … die Vergangenheit von anderen erkennen, ich hatte keine Ahnung wie, aber sie sagte, es sei beinahe so, als wären im Kopf von jeder Person mehrere Bücher aufeinander gestapelt, die alle ein bestimmtes Thema beschrieben. Und sie konnte eben in das Buch der Vergangenheit hinein schauen und es praktisch lesen. Sie sah keine Bilder, sondern kannte nur die Worte, die erzählten, was der Person alles passiert war. Und sie spürte die Emotionen, die mit den Worten zusammenhingen.
Ich hatte auch eine Gabe. Ich war ein Schutzschild. Ein außergewöhnlich starker, wie Adrian behauptete. Anscheinend konnte ich mich und andere in meinem Umfeld so abschirmen, dass sie gegen die Gaben anderer Vampire immun waren, was Stephan und Arisa äußerst frustrierte. Aber ich war froh darüber, denn ich wusste nicht, wie ich mein Geheimnis – also das über die Cullens und … und Edward – sonst hätte bewahren können, immerhin könnte Arisa ja einfach in meinem Kopf meine Vergangenheit lesen!
Ich experimentierte gerne mit meinem Schutzschild herum, probierte aus, wie weit ich ihn dehnen konnte und wie lange. So bekam ich heraus, dass, auch wenn sie mit unter meinem Schutzschild waren, Stephan und Arisa mich nicht erreichen konnten. Über diese Entdeckung hatte ich vor Überraschung laut aufgelacht, während Arisa und Stephan frustriert gezischt hatten.
Wir mussten oft umziehen, was vor allem Stephan und mir auf die Nerven ging, da wir die High School immer und immer wieder wiederholen mussten.
Inzwischen war ich in den verschiedenen Fächern sogar schon erfahrener als die Lehrer, da ich ja nie etwas vergaß und die Lehrer, die ich im Laufe der Zeit hatte, sich gegenseitig ergänzten und sich gelegentlich auch widersprachen.
Leider konnte man nicht sagen, dass ich mich an alles erinnerte, was ich erlebt hatte. Meine menschlichen Erinnerungen fühlten sich immer mehr wie ein Traum an und an Manches konnte ich mich schon gar nicht mehr erinnern.
Ich hatte Adrian verzweifelt gefragt, ob es denn nicht eine Möglichkeit gäbe sie fest zu halten – denn ich wollte um keinen Preis die schöne Zeit mit Edward vergessen, keine einzige Minute durfte verloren gehen – und er hatte gesagt, dass ich, wenn ich nur oft genug an sie dachte, einige Erinnerungen behalten konnte. Dennoch war sehr viel verblasst, wie die Einzelheiten über mein Leben bei Charlie oder meiner Mutter.
Aber ich wusste noch ganz genau, wie Edward aussah, wie es sich anfühlte, wenn ich sein Gesicht berührte und wie sich seine Stimme anhörte.
An die anderen Cullens konnte ich mich auch erinnern, aber das war nicht so wichtig.
„Mussten wir denn unbedingt schon wieder umziehen?“, murrte Stephan hinter mir. Ich kicherte über seine schlechte Laune.
„Das hast du immer noch dir selbst zuzuschreiben. Du musstest ja unbedingt dieses Mädchen von ihrem Freund wegreisen und ihn noch nicht einmal betäuben, damit er nicht mehr schreien konnte. Stattdessen hast du aller Augen auf deine bescheuerte Aktion gelenkt und noch nicht einmal die Spuren verwischt, als du fertig warst“, schimpfte Adrian, wie er es schon oft getan hatte.
Meine gute Laune verflog. Dass die drei einfach wehrlose Menschen töteten, obwohl sie wussten, dass es auch anders ging – ich war ihnen ein gutes Beispiel, da ich in meinem ganzen Vampir-Dasein noch keinen einzigen Menschen umgebracht hatte – lief mir zuwider.
„Warum musstest du auch gerade sie nehmen?“, fragte Arisa. „Da waren überall Menschen, Stephan! Du hast Glück, dass du deine Gabe hast, sonst würden die jetzt alle durch die Gegend laufen und rumerzählen, sie hätten einen Vampir auf Beutezug in New York gesehen!“
„Hmpf“, machte Stephan und ich musste über seine Miene grinsen.
„Ihr könntet es euch ja alle einfacher machen, aber nein, ihr müsst ja unbedingt den komplizierten Weg nehmen“, wandte ich belustigt ein. Es war kein wirklicher Versuch sie umzustimmen, das hatte ich schon aufgegeben, bevor ich überhaupt richtig angefangen hatte, aber ich schaffte es immer wieder, dass sie beklommen weg schauten.
Sie wussten, dass es falsch war, was sie taten, deswegen war ich auch noch bei ihnen, aber sie sahen einfach nicht ein, warum sie auf menschliches Blut verzichten sollten.
Sie waren so anders als ich. Ich seufzte bei diesem Gedanken.
Wir waren inzwischen in Vancouver angekommen und ich begann nervös zu werden. Seit meiner Verwandlung war ich nicht mehr so nah an Forks gewesen. Immer auf der anderen Seite der USA oder in abgelegenen Gegenden in Kanada
„Wir müssen in zwei Stunden in der Schule sein. Na großartig.“ Stephan seufzte.
Ich nutzte diese beiden Stunden, um mich umzuziehen, jagen zu gehen und ein bisschen an meinem Schutzschild herum zu spielen, während Stephan die Gegend erkundete und Arisa und Adrian unterdessen das Haus einrichteten.
Schließlich war es Zeit zur Schule zu fahren.
Stephan und ich setzten uns in seinen Porsche und er begann die Straße entlang zu rasen.
„Tust du mir einen Gefallen? Wenn dich dieses Mal die Versuchung überkommt einem Mädchen in den Hals zu beißen, dann halt dich bitte zurück. Ich will nicht schon wieder umziehen.“ Es machte einfach Spaß ihn zu necken.
„Sicher. Ich will ja auch eine Weile hier bleiben. Deswegen habe ich Adrian auch nichts von den anderen erzählt.“ Er grinste, ich erschrak.
„Welche anderen?“, fragte ich perplex.
„Naja, ich war doch auf Erkundungstour und da bin ich auf den Geruch von anderen Vampiren gestoßen. Sie müssen hier auch in der Nähe wohnen und mehrere Fährten führten in die Stadt. Und es sind viele. Mindestens sechs, aber nicht mehr als acht“, erklärte er gelassen.
Ich bekam eine dunkle Vorahnung. Mindestens sechs? Dann wäre es ein ziemlich großer Zirkel und dann noch ein fester Wohnsitz? Das klang doch stark nach den …
Ich schlug mir den Gedanken aus dem Kopf. Nein das waren sie bestimmt nicht.
„Aber was ist, wenn sie uns angreifen? Wir hätten doch keine Chance!“, sagte ich etwas zu laut.
„Ach komm schon, bei unseren Talenten und Adrians Kampftechnik?“, meinte er mit einem Lächeln auf den Lippen.
Ich schaute nur weg. Wenn es tatsächlich die … sie

waren, dann wären wir haushoch unterlegen. Allerdings hatte ich sie nicht als die Art von Vampiren in Erinnerung, die schnell einen Kampf begannen.
Für mich gab es ein größeres Problem: Würden sie mich erkennen? Ich wusste es nicht.
Schließlich waren wir an der Schule angekommen. Alle starrten uns an – obwohl wir noch nicht einmal aus dem Auto gestiegen waren –, oder besser gesagt, sie starrten den Porsche an. Die meisten Autos hier waren nicht allzu modern, aber eines stach heftig heraus. Ein glänzender silberner Volvo, der neue Erinnerungen in mir weckte und meine letzten Hoffnungen, die fremde Familie könnten nicht die … die Cullens sein, zu Nichte machte. Ich war mir ziemlich sicher, das da war sein

Auto.
Als wir schließlich ausstiegen, starrten nicht nur die Menschen uns an, sondern auch fünf Vampire auf der anderen Seite des Parkplatzes. Ich sah sofort zu ihnen herüber und war überrascht darüber, dass ich jedem Gesicht einen Namen zuordnen konnte.
Die Blonde war Rosalie, der große Dunkelhaarige Emmet, die kleine Alice und der andere Blonde Jasper.
Nur den fünften sah ich nicht an, obwohl ich wusste, dass das nur ihren Argwohn erregen würde.
Wir gingen ins Sekretariat und holten unsere Stundenpläne ab.
„Was hast du jetzt?“, fragte Stephan kaum dass wir wieder draußen waren.
„Mathematik.“
Er verzog das Gesicht. „Ich habe Biologie. Soll ich dich nach dem Unterricht abholen?“, fragte er besorgt.
„Musst du nicht. Ich komm schon klar.“
Vor dem Mathematikgebäude trennten wir uns. Ich atmete einmal tief ein und fluchte innerlich, als ich den unverwechselbaren Geruch eines Vampirs erkannte.
Da musst du jetzt durch.


Ich betrat den Raum und ging zum Lehrer. Er sagte ich solle mich vor die Klasse stellen und meinen Namen sagen, dann deutete er auf einen Platz neben einem kleinen elfenhaften Mädchen, dass ich sofort wiedererkannte.
Also stellte ich mich vorne hin und sagte: „Hi. Ich bin Cathleen Armstrong.“ Dann ging ich auf meinen Platz zu und setzte mich mit einem Seufzer neben Alice, meine ehemalige beste Freundin.
„Hallo. Ich bin Alice“, plapperte sie drauf los ohne auf den Lehrer zu achten. „Schön dich kennen zu lernen, Cathleen.“
„Nenn mich bitte Caty, okay?“
„Na klar. Sag mal, wie lange bist du denn schon…?“ Sie beendete ihre Frage nicht, aber ich wusste, worauf sie hinaus wollte. Ich sah mich um, lächelte sie an und schüttelte den Kopf.
Ich hob den Arm, um mich abzulenken und drehte mich zur Tafel.
„Ja, Mrs. Armstrong?“, fragte der Lehrer.
„824359?“, fragte ich gespielt zögerlich, um nicht allzu sicher aufzutreten, da die meisten diese Aufgabe wahrscheinlich nicht so einfach im Kopf hätten lösen können. Für mich war es ein Kinderspiel.
„Das ist richtig“, sagte er nur und machte dann weiter mit seinem Unterricht.
Den Rest der Stunde versuchte ich Alice zu ignorieren und sie sprach auch nicht mehr mit mir.
Als es klingelte und ich meine Sachen zusammen packte, sprach sie mich wieder an.
„Weißt du, du kommst mir irgendwie bekannt vor.“
„Ach ja?“, sagte ich ohne sie anzusehen. „Das passiert mir öfters, ich glaube, ich habe so ein Allerwelts-Gesicht“, fuhr ich fort und versuchte normal zu klingen.
„Ach so.“
„Cathleen? Kommst du jetzt?“, fragte es von der Tür aus. Ich lächelte vor Erleichterung, dass Stephan mich doch abholte, denn ich war mir nicht sicher, ob ich noch eine weitere Stunde mit Alice überstanden hätte.
Stephan nahm meine Hand und zog mich zum Geschichtsgebäude.
„Sag mal, ist alles okay mit dir?“, fragte mich Stephan, als wir das kleine Haus betraten.
„Mir geht’s gut“, murmelte ich schnell.
„Du kommst mir fast so vor, als hättest du Angst vor der anderen“, meinte er grüblerisch.
„Ach ja?“, murmelte ich und zuckte die Schultern. Da ließ er mich damit in Ruhe. Er schien zu merken, dass ich nicht darüber reden wollte.
Als es schließlich einige langweilige Geschichts- und Politikstunden später zur Mittagspause läutete, gingen wir in die Cafeteria.
Wir kauften uns irgendwelchen Mist, den die Menschen aßen und setzten uns an einen leeren Tisch.
„Du wirst es Adrian noch heute erzählen“, sagte Stephan plötzlich.
Ich blickte auf und lächelte ihn neckend an. Ich wusste sofort, dass er nicht nur mein Problem mit Alice, sondern auch den Rest meinte.
„Das werden wir noch sehen.“
„Wird das eine Wette?“, fragte er plötzlich gespannt. Stephan liebte Wetten.
„So könnte man es auch nennen.“
„Na die wirst du verlieren. Um was geht’s?“, fragte er grinsend.
„Ich an deiner Stelle würde kein großes Risiko eingehen, was die Wette angeht“, sagte plötzlich eine Stimme hinter mir.
Ich drehte mich um, um zu sehen, wer sich in unser Gespräch einmischte – und bereute es sofort. Es war Alice. War ja klar.
„Hi“, begrüßte sie uns. „Darf ich mich zu euch setzen?“
„Klar“, sagte Stephan.
Ich drehte mich um und atmete einmal tief durch.
„Ich heiße Alice.“
„Schön dich kennen zu lernen, ich bin Stephan. Was hast du mit dem Spruch gerade eben gemeint? Du kannst doch gar nicht wissen, wie die Wette ausgeht, oder kannst du etwa hell sehen?“, scherzte er.
Ich schmunzelte. Er hatte ins Schwarze getroffen.
Alice schien das aufzufallen, denn sie starrte mich an. Ich ignorierte sie jedoch und sah Stephan tief in die Augen – das machten wir manchmal so, wenn wir uns etwas sagen wollten, was jemand anderes nicht wissen sollte.
Aber dann fiel mir Edward ein, der das Ganze sowieso kaputt gemacht hätte, indem er durch Stephans Gedanken erfahren hätte, was ich ihm sagen wollte.
Also zog ich meinen Schild zu ihm, sodass er für Edward unerreichbar war. Jetzt konnte ich gefahrlos meine Botschaft überbringen. Ich nickte kaum merklich. Stephan machte große Augen – gut er hatte mich verstanden.
Hinter mir hörte ich jemanden grummeln. „Was zum…“, murmelte eine wunderschöne, samtweiche Stimme, die mir mehr wehtat, als jemals zuvor und gleichzeitig den Schmerz linderte, an den ich mich inzwischen schon gewöhnt hatte.
Es war noch nicht einmal eine Sekunde vergangen und Alice schien nichts bemerkt zu haben, obwohl sie sich über Edwards Äußerung wohl ihre Gedanken machte.
Ich ließ meinen Schild vorsichtshalber wo er war.
„Ich glaube, ich habe dich schon mal gesehen“, sagte Alice plötzlich.
„Na ja, aber dann könnte ich mich doch daran erinnern, oder?“, konterte ich und tat so, als würde ich tatsächlich das meinen, was ich sagte. Sie hatte ja keine Ahnung, wie recht sie hatte…
„Wie alt ist sie denn?“, fragte Alice nun an Stephan gewandt.
„Dreißig. Warum fragst du?“ Ich warf ihm einen wütenden Blick zu, Alice schmunzelte.
„Ach nur so“, sagte sie beiläufig.
„Wenn es euch um euer Revier geht, braucht ihr keine Panik zu bekommen, wir essen außerhalb. Oder etwa nicht Cathleen, alte Außenseiterin?“, fragte er mich und grinste mich an. OK du kleiner Schwachmat, das hast du jetzt davon, sind deine Gedanken eben ungeschützt. Ein wenig angepisst ließ ich meinen Schild zurückschwappen.
„Ha Ha Ha. Sehr witzig, Stephan.“
Alice runzelte die Stirn, sie schien meine Augenfarbe noch nicht bemerkt zu haben.
„Sie macht keine Jagd auf Menschen. Hat zu große Schuldgefühle. Ist ein bisschen sinnlos, wenn du mich fragst, wir sind schließlich, was wir sind“, meinte er mit einem gemeinem Lächeln zu mir. Ich musste mir ein Lachen verkneifen.
Alice war offenbar nicht die Einzige, die unaufmerksam beim Thema Augenfarbe war.
„Tja, Stephan“, sagte ich mit einem siegesgewissen Lächeln zu ihm. „Menschenblut vernebelt die Sinne, musst du wissen, oder hast du Alice heute etwa noch nicht in die Augen gesehen?“
Alice’ Lachen klang wie kleine Glöckchen die aneinander schlugen. Und sie war nicht die einzige, die lachte. Hinter meinem Rücken konnte ich vier weitere Vampire hören, die sich amüsierten.
Stephan sah Alice verwirrt in die Augen, dann klappte ihm der Mund auf. Oh-oh Das sah nach Gedanken aus, die Edward nicht hören sollte. Schnell schob ich ihn unter meinen Schutzschild, aber ich wusste nicht, ob Edward noch etwas aufgeschnappt hatte.
Ich drehte mich um, um nachzusehen – ich konnte einfach nicht anders. Edward starrte mich fassungslos an. Dann veränderte sich seine Miene, sie wurde distanziert und ausdruckslos.
Auch Alice sah nun nach hinten, sie runzelte erneut die Stirn, sagte allerdings nichts dazu.
„Wie heißt ihr denn eigentlich?“, fragte Stephan plötzlich – wahrscheinlich wollte er vom Thema ablenken.
Alice drehte sich um. „Wir sind die Cullens“, sagte sie nur, dann lächelte sie.
„Mmh … Ich vermute mal, dass unsere Familie noch mit euch reden möchte. Wäre es okay, wenn wir heute bei euch vorbei kommen?“, fragte er.
„Ja, sicher. Wir haben nicht wirklich was vor, glaube ich. Wann wollt ihr denn kommen?“
„Weiß nicht genau. Was denkst du, Caty, wie lange brauchst du, um die Wette zu verlieren?“ Er grinste fies, ich schaute grimmig zurück.
„Ich werde garantiert nicht

verlieren. Und außerdem: Worum geht es denn jetzt?“, fragte ich.
„Ich würde sagen, der Sieger denkt sich was für den Verlierer aus. Also, wenn du es Adrian sagst, und du weißt genau

was, dann hast du verloren. Wenn du es ihm nicht sagst, hab ich verloren. Abgemacht?“ Er streckte die Hand aus.
„Ach, was meinst du denn jetzt mit dem, was ich sagen werde? Nicht, dass es da irgendwelche Missverständnisse gibt und du dich rausreden willst, wenn du verloren hast“, sagte ich und ignorierte seinen ausgestreckten Arm.
Er seufzte, Alice lachte. „Gut mitgedacht“, lobte sie mich und grinste. Ich lächelte.
„Mit der Zeit kennt man seine Tricks.“
„Das kann ich mir vorstellen, er sieht nicht gerade wie der kreative Typ aus“, bestätigte Alice und musterte Stephan feixend von oben bis unten. Ich grinste. Da hatte sie recht. Was Einfallsreichtum im Bereich der Konversation anging, war er wirklich schwach.
„Also, um was geht es denn jetzt?“ Ich genoss es, ihn so in die Enge zu treiben. Er verzog dann immer das Gesicht so süß und sah so richtig Mitleid erregend aus – und er wusste genau, wie seine Miene auf mich wirkte.
„Ich wette, dass du Adrian noch heute alles erzählst, was dir zugestoßen ist, als du noch ein Mensch warst – und woher du das alles wusstest. Und es zählt nicht, wenn du es Arisa erzählst! Das ist dann dasselbe!“ Ich grinste fies – er hatte genau die falsche Wortwahl genommen, so war es ein Kinderspiel ihn übers Ohr zu hauen.
„Abgemacht.“ Ich schlug ein. Jetzt konnte er nicht mehr zurück.
„Stephan, du tust mir leid“, sagte Alice kopfschüttelnd. Er ignorierte sie.
„Mir mit Sicherheit nicht.“ Ich grinste über das ganze Gesicht.
Sicher ich musste es ihnen heute sagen, bevor wir zu den Cullens gingen, außerdem würde Arisa es sowieso herausfinden, wenn sie in deren Vergangenheit stöberte, aber ich hatte einige Pläne, wie ich es anstellen sollte, ohne zu verlieren.
„Warum bist du so siegessicher?“, fragte er nervös.
„Wirst du schon noch sehen“, meinte Alice und lachte. „Guter Plan“, sagte sie anerkennend zu mir.
„Danke.“ Mein Grinsen wurde noch breiter.
Edward lachte hinter uns, als er es in Alice Gedanken hörte. Stephan bekam langsam Panik.
„Na los, lass uns gehen, Stephan.“
Er stand auf, ohne den Blick von mir abzuwenden. Ich erhob mich ebenfalls, blieb jedoch noch kurz stehen.
„Ich schätze mal, wir werden um sechs Uhr abends bei euch aufkreuzen“, informierte ich Alice, obwohl sie das wahrscheinlich sowieso gesehen hatte.
„Danke“, meinte sie lächelnd.
Wir gingen gleich nach Hause und schwänzten unsere nächste Stunde. Ich stellte mich krank.

Die Cullens



Als wir zu Hause waren rief ich Arisa zu mir.
„Was ist los, Caty?“, fragte sie neugierig.
„Tust du mir einen Gefallen?“, fragte ich angespannt.
„Ja natürlich. Was soll ich denn machen?“
„Eigentlich musst du nur deine Gabe benutzen – bei mir. Und dann musst du Adrian und Stephan erzählen, was zu herausgefunden hast.“ Es ging mir gegen den Strich das zu sagen. Ich hatte mich so sehr daran gewöhnt das Geheimnis zu wahren, dass es mir sehr schwer viel es jetzt preis zu geben.
„Aber ich kann dich doch gar nicht erreichen. Dein Schutzschild …“, sagte sie verwirrt.
„Ich kann ihn so weit von mir wegschieben, dass es funktionieren könnte. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube ich kann das.“ Ich schüttelte den Kopf.
Ich hatte ja gewusst, dass meine jahrelange Übung für irgendetwas nützlich sein würde. Durch sie hatte ich gelernt, die zweite Hautschicht – die sich zusätzlich zu meinem eigentlichen Schild um meinen Körper legte – von mir wegzuschieben.
„Tust du das für mich?“, fragte ich sie angespannt. Dieser Plan hatte einige Vorteile für mich.
Erstens: Ich verlor die Wette nicht, da ich mein Geheimnis ja nicht erzählte. Ich schob im Prinzip nur meinen Schutzschild weg und Arisa erledigte den Rest. Ja, das ist fies, aber ich bin ein Vampir, Herr Gott nochmal!
Zweitens: Durch Arisas Gabe erfuhr Adrian auch das, was ich schon vergessen hatte, da sie meine komplette Vergangenheit sah und nicht nur das, an das ich mich erinnerte. Und außerdem wusste ich von Stephan und Adrian, dass die Erinnerungen dann komplett zurückkommen, als wäre es nie anders gewesen.
Und Drittens: So musste ich es nicht wieder hervor holen, sondern konnte einfach nur da stehen und an etwas anderes denken, während Arisa für mich die Erinnerungen erzählte, an die ich nicht denken wollte, da der Schmerz mich dann wieder einholen würde. Ich wollte nicht an sie denken, nein, aber ich wollte, dass sie da waren.
„Ja natürlich“, flüsterte sie ehrfürchtig.
„Danke.“, sagte ich aus tiefstem Herzen. „Adrian! Stephan! Kommt ihr vielleicht mal kurz? Ich muss euch etwas sagen.“
Die beiden kamen herunter, Stephan mit einem breiten Grinsen im Gesicht – gut, er hatte meinen Plan noch nicht durchschaut.
„Arisa, muss ich irgendetwas machen, an etwa Bestimmtes denken, damit du es lesen kannst?“, fragte ich etwas nervös.
„Nein, du musst mich nur in dich rein lassen.“ Das hörte sich komisch an. Gott ach Gott, ich war 46 Jahre alt und dachte immer noch wie ein pubertierender Teenager!
„Gut, dann noch etwas, an euch alle.“ Ich sah ihnen ernst in die Augen und sie blickten mit demselben Gesichtsausdruck zurück. „Verurteilt mich nicht nach dem, was ihr jetzt hört, noch sonst wen, der in meiner Geschichte vorkommt. Bitte“, flüsterte ich so leise, dass man es kaum verstehen konnte.
Dann nickte ich Arisa zu, schloss die Augen und schob meinen Schild vollkommen aus meinen Gedanken. Ein leises Keuchen von ihr signalisierte mir, dass es funktionierte.
„Caty …“, begann sie, doch ich schüttelte den Kopf.
„Erzähl einfach“, sagte ich mit betont ruhiger Stimme.
„Wo soll ich anfangen?“, fragte sie.
„Der Schulwechsel nach Forks. Cafeteria. Lass alles Unwichtige aus. Nur das mit den Cullens.“
Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, da meine Augen geschlossen waren, und eigentlich wollte ich es auch gar nicht sehen.
Dann begann sie zu erzählen. „Bella hat sie in der Cafeteria zuerst gesehen – totenbleich und wunderschön …“ Es war eine gute Idee gewesen, Arisa erzählen zu lassen. Durch ihre präzise und doch distanzierte Erzählung konnte ich mein Leben noch einmal sehen – nur von außen betrachtet.
So war es leichter zu ertragen. Ab und zu hakten Stephan und Adrian bei bestimmten Sachen nach, die sie nicht verstanden, aber die meiste Zeit über ließen sie Arisa erzählen.
Im Zimmer herrschte ehrfürchtige Stille, wenn man mal von Arisas Stimme absah. Mit der Zeit glitt sie in meinen persönlichen Blickwinkel und gab genau meine Gedanken wider, aber wenn das passierte, dann merkte sie es schnell und wurde wieder neutral.
Sie erzählte alles, egal ob ich mich noch daran erinnern konnte oder nicht. So kamen alle Erinnerungen zurück und ich war mir sicher, dass ich die Zeit mit Edward nie vergessen würde.
Hätte ich es noch gekonnt, so hätten sich jetzt Tränen in meinen Augen gebildet und wären mir über das Gesicht geronnen, während sie mir vor Augen führte, was ich alles verloren hatte, auch wenn sie, Stephan und Adrian noch keine Ahnung hatten, was mein Glück beendet hatte.
Als Arisa schließlich an der Stelle angekommen war, an der sich Edward von mir verabschiedete, begann ich zu schluchzen. Ich rollte mich auf dem Boden zusammen und versuchte das Loch in meiner Brust du verschließen, doch es ging nicht. Nicht ohne ihn.
„… Er ist weg.“ Mit diesem Satz, der die Gedanken ausdrückte, die sich seit dreißig Jahren immer wieder in meinen Hinterkopf schlichen, beendete sie ihre – nein meine – Geschichte.
Ich öffnete die Augen und sah, dass sie mich alle anstarrten. „Seitdem er mich verlassen hat“, begann ich mit brüchiger Stimme. „fühlt es sich an, als hätte man mir die Brust heraus gerissen und ein Loch hinterlassen, das von Tag zu Tag schlimmer weh tut. Am Anfang, als ich noch ein Mensch war, war es besonders heftig, weil die Erinnerungen noch frisch waren. Ein halbes Jahr nach meinem Geburtstag hat mich Stephan vor dem Vampir gerettet. Seitdem sind die Schmerzen gedämpft, aber sie sind niemals wirklich verschwunden.“ Ich merkte, dass meine Stimme traurig klang, war aber nicht wirklich überrascht deswegen. „Jetzt wisst ihr alles Wichtige über mich. Ich glaube es ist Zeit daran, eine Entscheidung zu treffen.“
Ich sah auf die Uhr. Es war halb sechs, was bedeutete, dass Arisa drei Stunden lang erzählt hatte. Zum Glück konnten Vampire nicht heiser werden.
„Ich vermute mal, uns bleibt nichts anderes übrig, als zu ihnen zu gehen und so zu tun, als wärst du nicht Bella, sondern Cathleen Armstrong“, sagte Adrian, als er seine Stimme wiedergefunden hatte.
Die beiden anderen nickten nur. Tiefe Erleichterung sickerte durch meinen Körper.
„Also, du liebst diesen Edward? Und er ist hier und hat keine Ahnung, dass du es bist?“, fragte Stephan entgeistert.
„Ja.“
„Hm… Ich hab ja so einiges erwartet, aber das bestimmt nicht.“ Er sah nachdenklich aus, was für seine Verhältnisse sehr ungewöhnlich war.
„Aber wenn wir mit den Cullens reden und Edward dabei ist, hört er dann nicht in unseren Gedanken, dass du Bella bist?“, fragte Arisa besorgt.
„Nein, Arisa. Du vergisst mal wieder meinen Schutzschild“, erinnerte ich sie.
„Ach so, stimmt ja.“
„Also, ich würde dann mal sagen, los geht’s, oder?“, meinte Adrian. Wir nickten. Dann liefen wir nach einander aus dem Haus in den Wald hinein.
Es war keine große Herausvorderung ihren Geruch aufzunehmen und der Fährte zu folgen – sie liefen so oft in der Gegend herum, dass man sein Ziel kaum verfehlen konnte.
Das Haus war dunkel, als wir ankamen und sie standen alle wartend davor. Alle sieben.
Wie von selbst wanderte mein Blick über ihre Gesichter, automatisch auf der Suche nach ihm. Und schließlich fand ich ihn.
Er stand etwas abseits von den anderen Cullens, mit einer Körperhaltung, die verriet, dass er jetzt lieber woanders wäre.
Konzentrier dich!
Ich zog meinen Schutzschild über die anderen drei und stellte mich gerade hin. Mir fiel auf, dass ich ebenfalls etwas abseits stand – ich war der stille Beschützer, darauf bedacht, keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, damit die anderen nicht in Gefahr kamen. Schon seltsam, wie anders sich unseres Gleichen verhält, wenn eine größere Gruppe in der Nähe war. Es war keine Entscheidung, sondern eher ein Instinkt, der uns zur Vorsicht trieb.
Carlisle trat vor und begrüßte uns mit einem freundlichen Lächeln. „Hallo. Ich bin Carlisle und das ist meine Familie – Emmet, Jasper und Rosalie, Esme, Alice und Edward. Dürfte ich wissen, wer ihr seid?“, fragte er höflich. Die Art wie er sich und seine Familie vorstellte, kam mir sehr bekannt vor.
„Ja natürlich. Ich bin Adrian, das ist meine Frau Arisa und das sind unsere Schützlinge, Stephan und Cathleen.“ Er zeigte auf die entsprechende Person, während er die Namen nannte. „Ich habe gehört, dass Stephan, Cathleen und eure Alice sich schon kennen gelernt haben“, fügte Adrian ebenso freundlich wie Carlisle hinzu.
„Allerdings. Entschuldigt bitte, aber würdet ihr bitte nicht in der Nähe von Vancouver jagen? Wir legen sehr viel Wert darauf unentdeckt zu bleiben.“
„Ja natürlich. Wir finden es auch besser, wenn man etwas länger an einem Ort verweilen kann“, meinte Adrian freundlich.
Carlisle entspannte sich ein wenig.
„Ganz genau, findest du nicht Stephan?“, fragte ich zuckersüß. Stephan warf mir einen giftigen Blick zu, Adrian und Arisa schmunzelten und die Cullens schauten verwirrt zwischen Stephan und mir hin und her. Ich grinste nur.
„Gut, da wir das geklärt hätten, Willkommen in Vancouver“, sagte Carlisle und streckte die Hand aus. Er überging – anders, als die anderen aus seiner Familie – meine zusammenhanglose Bemerkung einfach. Adrian ging auf ihn zu und ergriff seine Hand.
„Vielen Dank.“

Ich lag auf dem Sofa im Haus der Cullens und starrte die Decke an. Im Hintergrund hörte man, wie sich Adrian und Carlisle angeregt unterhielten. Ich hatte keine Ahnung worum es ging und ich wollte es auch ehrlich gesagt gar nicht erst wissen.
Der Druck auf meinen Schild, den ich schon spürte, seitdem ich das Haus betreten hatte, wurde stärker und ich verzog das Gesicht. Ich konnte es nicht leiden, wenn jemand versuchte meinen Schild zu durchbrechen.
„Na, wie geht’s?“, fragte plötzlich eine Stimme und ich fuhr hoch. Es war Emmet. Er stand da, mit den Händen in den Taschen und grinste mich an.
Ich bemühte mich zurückzulächeln und den Druck zu ignorieren, doch ich spürte, dass es misslang.
„Eigentlich ganz gut“, antwortete ich schnell, damit die Wirkung jedenfalls noch halbwegs blieb.
Ich setzte mich auf, um ihm Platz zu machen und er setzte sich neben mich.
„Sag mal, wer hat denn jetzt eigentlich bei der Wette gewonnen? Alice will es mir nicht sagen und Edward redet so wie so mit keinem“, fragte er kurz darauf.
„Muhahaha, Ich hab gewonnen“, meinte ich grinsend. Stephan, der am anderen Ende des Zimmers saß, horchte auf.
„Hey! Moment mal! Ich hab gewonnen, hast du das schon wieder vergessen?! Du hast Adrian immerhin alles erzählt und eindeutig verloren – darum ging es immerhin in der Wette!“, schrie er beinahe.
Ich lachte. „Nein, ich habe nicht verloren.“
„Warte mal, eigentlich hat er doch Recht, oder?“ Emmet verstand die Welt nicht mehr. Stephan anscheinend auch nicht.
„Ich habe Adrian absolut gar nichts erzählt – das hat Arisa für mich erledigt. Und eigentlich habe ich überhaupt nichts gesagt, abgesehen vom Ende, und es ging ja um alles und nicht nur um einen Teil. Also habe ich gewonnen!“
„Häh? Wie jetzt nur das Ende erzählt?“, fragte Emmet neugierig. Er wusste immerhin überhaupt nicht, um welche Geschichte es überhaupt ging.
„Das sag ich dir doch nicht!“, rief ich empört und belustigt zugleich aus. Er schmollte und ich konnte mir ein Kichern nicht verkneifen.
Stephan war anscheinend überhaupt nicht nach kichern zu Mute, er starrte mich entsetzt an. Anscheinend hatte er sich schon eine gute Strafe für mich überlegt und bekam jetzt Panik, da ich diejenige war, die sich etwas für ihn ausdenken musste.
„Ach keine Angst, Bruderherz. Ich glaube ich erlöse dich. Mir würde wahrscheinlich so wie so nichts einfallen.“ Emmet starrte mich entsetzt an, als würde ich gerade eine Todsünde auf mich nehmen.
„Wow. Echt jetzt?“, fragte Stephan erleichtert.
„Nein, spinnst du?“, entgegnete ich und brach in schallendes Gelächter aus, als ich sein Gesicht sah. Emmet stimmte mit ein.
Da fiel mir auf, dass uns alle anderen im Haus mit zugehört hatten und nun ebenfalls lachten. Alle, außer … Edward.
Da fiel mir wieder ein, was Emmet vorhin gesagt hatte – ich hatte noch gar nicht darüber nachgedacht.
„Was hast du eigentlich vorhin gemeint, als du sagtest, Edward spricht mit niemandem? Ist er verletzt? Geht es ihm gut?“, fragte ich mit etwas gedämpfter Stimme.
Mein Magen sackte ein Stück tiefer, als ich die Möglichkeit in Erwägung zog, er könnte verletzt worden sein. Ich bekam Panik und hatte einen Kloß im Hals.
„Naja … Ich würde nicht unbedingt sagen, dass es ihm gut geht, aber im körperlichen Sinne fehlt ihm nichts.“
„Wie meinst du das ‚im körperlichen Sinne‘?“, fragte ich nervös. Ich bemerkte, dass Jasper mich stirnrunzelnd anstarrte. Anscheinend war er verwirrt über meine heftigen Gefühlsausbrüche.
„Er ist ziemlich fertig, was … seinen Geist angeht.“ Emmet schien Probleme damit zu haben, es zu erklären. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Jasper zu Edward herüber sah, der einfach nur auf der Treppe saß und abwesend vor sich hinstarrte.
„Das Gefühl kenne ich“, murmelte ich betrübt vor mich hin. Ja, dieses Gefühl kannte ich sogar sehr gut.
„Wo kommt ihr denn eigentlich her?“
Emmet war eindeutig nicht gerade ein taktvoller Typ und sein Versuch das Thema zu wechseln war mehr als offensichtlich. Ich lächelte. Das passte sehr gut zu meinen Erinnerungen.
„Adrian wurde 1699 in Paris erschaffen. In London fand er 1853 Arisa und 1910 hat er Stephan in New York verwandelt. Naja und vor dreißig Jahren hat Stephan mich vor einem anderen Vampir gerettet. Das war in …“ Ich biss mir auf die Lippe. Wenn ich das sagte wurde es einfach zu offensichtlich, wer ich einmal gewesen war.
„… ich habe sie in Houston Texas in einer dunklen Gasse gefunden. Der Vampir, der sie angegriffen hatte, war so damit beschäftigt ihr Blut zu saugen, das es ein leichtes war ihn weg zu stoßen“, warf Stephan ein. Ich lächelte ihn dankbar an, er zwinkerte mir zu.
„Caty war sogar eine sehr beherrschte Neugeborene“, mischte sich Adrian nun in das Gespräch ein.
„Wie meinen Sie das?“, fragte Carlisle neugierig.
„Wissen Sie …“ Ich verdrehte die Augen. Jetzt kam die Geschichte.
Der Kernpunkt war wahr, aber der ganze Rest war gelogen.
„… Wir wollten sie gerade mit auf die Jagd nehmen, als sie fragte, wo wir denn hin wollten. Wir haben gesagt ‚Na in die Stadt‘, aber sie hat sofort gesagt, sie wolle kein Menschenblut trinken. Ich habe sie gefragt, was sie denn sonst machen wollte, und sie hat geantwortet: ‚Ich werde doch nicht zum Mörder, nur weil mich irgend so ein Idiot in den Hals gebissen hat. Nein ich geh jetzt jagen, und zwar Tiere und keine Menschen. Und dann ist sie tatsächlich ohne uns auf die Jagd gegangen. Nach einiger Zeit wurden ihre Augen golden, aber ansonsten unterscheidet sie sich überhaupt nicht von uns anderen.“
Ich stöhnte leise, da mich mal wieder alle anstarrten.
Emmet beugte sich zu mir herunter und fragte mich so leise, dass die anderen es nicht hören konnten: „Was von der Geschichte ist wahr und was ist gelogen?“
Ich antwortete genauso leise. „Eigentlich ist nur wahr, dass ich keine Menschen jage. Aber der Schwachsinn mit dem Gespräch zwischen uns ist komplett erfunden. Ich bin nämlich einfach abgehauen und jagen gegangen und Adrian hat erst mitgekriegt, dass ich mich anders ernähre, als meine Augen schon seit Monaten ihren Goldton bekommen hatten.“
„Woher wusstest du denn, dass du von Tierblut leben kannst?“, fragte er ein wenig argwöhnisch.
Statt zu antworten biss ich meine Zähne zusammen und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Och komm schon! Mir kannst du es echt sagen!“, sagte er um einiges zu laut. Alle starrten uns an – Edward eingeschlossen.
Als ich ihm in die Augen sah konnte ich nicht verhindern, dass sich mein Magen vor Freude zusammen zog.
Jasper runzelte erneut die Stirn und sah Edward wieder an. Der begegnete seinem Blick und wandte sich dann wieder mir zu. Ich konnte in seinem Gesicht sehen, dass er sich konzentrierte und...
Der Druck auf meinen Schild war mit einem Mal so heftig, dass ich davon Kopfschmerzen bekam. Also war es Edward, der versuchte durch ihn hindurch zu kommen. Er versuchte meine Gedanken zu lesen.
„Verdammt noch mal! Könntest du das bitte lassen?!“, sagte ich laut und stand auf. Ich massierte mir mit den Händen die Schläfen, als ob ich damit die Kopfschmerzen vertreiben könnte.
„Was mache ich denn?“, fragte Edward erschrocken. Er spielte seine Rolle des unschuldigen Häschens perfekt.
„Du weißt doch ganz genau, was ich meine! Hör auf, meinen Schutzschild zu attackieren! Da krieg ich Kopfschmerzen von und durchkommen wirst du so wie so nicht!“
„Edward, was machst du denn?“, fragte Carlisle beunruhigt.
„Gar nichts“, antwortete Edward und starrte mich weiterhin an. Der Druck wurde noch stärker.
„Mann! Das reicht. Ich hau hier ab!“ Mit diesen Worten lief ich aus dem Haus. Die anderen starrten mir perplex hinter her. Nur Stephan sagte etwas.
„Ich gehe mit. Nicht, dass sie noch irgendwelchen Mist baut, oder so“, sagte er und lief mir hinterher.

Folgenreiche Enthüllung



Als ich beim Haus ankam, bemerkte ich, dass Stephan gar nicht da war, wie ich es eigentlich vermutet hatte. Er war um einiges schneller als ich und ich hatte erwartet, er wäre schon vor mir da, da ich ihn nicht gehört hatte, wie er mir folgte.
Doch statt Stephan saß jemand anderes auf der Veranda. Für einen kurzen Moment erstarrte ich.
In dem Schaukelstuhl, den Arisa als Dekoration gekauft hatte – er war nur ein antikes Spielzeug für sie – saß Edward Cullen. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass er sich aus dem Haus begeben hatte.
Er schien auf jemanden zu warten und er musste mich wohl kommen gehört haben, denn er sah mich an. Ich kam auf ihn zu und versuchte meine Unentschlossenheit darüber, was ich sagen sollte, zu verstecken.
„Ich an deiner Stelle würde da nicht sitzen bleiben“, fing ich an und sprach die ersten Worte aus, die mir einfielen und einen Sinn ergaben – jedenfalls halbwegs.
Edward sah mich überrascht an. „Warum denn nicht?“, fragte er und seine Stimme war so sanft und vertraut, dass die ganzen Erinnerungen wieder hoch kamen und mich überfluteten.
„Nun ja, der ist echt antik; er könnte leicht kaputt gehen und außerdem kann Arisa es nicht leiden, wenn jemand außer ihr ihren geliebten Schaukelstuhl benutzt“, sagte ich, nachdem ich den dicken Kloß in meinem Hals runter geschluckt hatte.
„Ach so.“ Er sprang sofort auf, wandte seinen Blick jedoch nicht von mir ab.
Ein langes Schweigen folgte.
„Ähm … Also versteh das jetzt bitte nicht falsch, aber was willst du hier?“, fragte ich und versuchte ruhig zu bleiben.
„Ich … ich wollte mit dir reden“, flüsterte er so leise, dass ich mich konzentrieren musste, um ihn zu verstehen.
„Und über was willst du mit mir reden?“, fragte ich mit ebenfalls gedämpfter Stimme.
„Weißt du, mir ist etwas aufgefallen … an dir“, begann er und trat zögernd einen Schritt auf mich zu. Ich wich automatisch ein Stück zurück, er erstarrte.
Das war die erste Lektion, die ich als Neugeborene gelernt hatte: Hüte dich vor älteren Vampiren. Zieh den Kopf ein und laufe im schlimmsten Fall weg. Geh kein Risiko ein, wahre immer ein wenig Sicherheitsabstand. Auch wenn du in dein gegenüber auf eine grausame und verzweifelte Art und Weise verliebt bist.
„Was ist dir aufgefallen?“, fragte ich und versuchte meine Stimme in den Griff zu kriegen. Ich wich noch ein Stück zurück, er sah zu Boden.
„Mir ist aufgefallen, dass ich deine Gedanken nicht lesen kann“, murmelte er ohne mich anzusehen.
„Tja, weißt du, normalerweise ist es so, dass man miteinander redet, weil man eben keine Gedanken lesen kann“, sagte ich, um nicht zu zeigen, dass ich mehr über ihn und seine Gabe Bescheid wusste, als ich dürfte, wenn ich tatsächlich Cathleen Armstrong wäre.
Die vorsichtige Neugier in seinem Blick verlosch und wich plötzlich verzweifelter Enttäuschung. Sein wunderschönes Gesicht war schmerzerfüllt, als seine Knie unter ihm nachgaben und er auf den Boden der Veranda sank. Er vergrub das Gesicht in den Händen und schluchzte leise. Was war denn jetzt los?
Ich wusste nicht was ich tun sollte – ich hatte ja keine Ahnung, was er denn überhaupt hatte!
„Edward? Edward, was ist denn?“, fragte ich ihn hilflos. „Edward! Was hast du?“ Meine Stimme war flehend und schmerzerfüllt.
Ich ertrug es nicht, ihn so zu sehen, es fühlte sich an, als würde mein Kopf explodieren. Aus reiner Verzweiflung dehnte ich meinen Schutzschild aus, sodass er unter ihm verborgen war und niemand ihm mehr hätte weh tun können, falls es ein anderer Vampir war, der ihm Schmerzen zubereitete.
Es nutzte nichts, er schluchzte weiter auf dem Boden und krümmte sich gequält.
Entschlossen, seinen Schmerzen ein Ende zu bereiten, ging ich auf ihn zu und kniete mich neben ihn. Ich wusste nicht, was ich jetzt tun sollte und verharrte unschlüssig in meiner Position.
Erstaunlicherweise beruhigte sich Edward langsam; das Schluchzen wurde leiser und schließlich verstummte er und sah auf. Es war unmöglich, doch ich glaubte Tränen in seinen Augen sehen zu können.
Ich kniete ruhig neben ihm und bewegte mich nicht, während er sich sammelte. Schließlich stand er langsam auf, ich tat es ihm gleich.
Sein Blick war immer noch traurig, doch nicht mehr schmerzerfüllt wie vorhin, als er mich zögernd ansah.
„Danke, Caty“, flüsterte er, seine Stimme brach bei meinem Namen und ich sah, dass er von einem weiteren Schluchzer geschüttelt wurde.
„Schon okay. Geht’s jetzt wieder?“, fragte ich vorsichtig.
Er nickte stumm. Ich wollte ihn auf andere Gedanken bringen, wusste jedoch nicht, was ich sagen sollte. Das Thema, das wir angefangen hatten war zwar nicht gerade das Beste, um nicht zu verraten, wer ich war, aber im Moment war mir jedes Gesprächsthema lieb, wenn es nur diesen traurigen Ausdruck aus seinem Gesicht vertreiben würde.
„Also …“, begann ich und versuchte so unverkrampft wie möglich zu klingen. „wie hast du das vorhin gemeint, dass du meine Gedanken nicht hören kannst?“
„Ich … Normalerweise kenne ich die Gedanken von jedem um mich herum, egal ob es ein Mensch ist oder ein Vampir“, sagte er leise. Seine Worte weckten weitere Erinnerungen, die auf eine gefährlich Art und Weise an meiner Selbstbeherrschung nagten.
„Ach so. Und meine Gedanken kannst du also nicht hören?“, fragte ich unschuldig.
„Nein“, flüsterte er nun fast lautlos. Seine Augen sahen in den Wald hinter mir, doch ich konnte sehen, dass er mit seinen Gedanken sehr weit weg war.
„Weist du, ob Alice meine Zukunft sehen kann und ob Jasper meine Gefühle kontrollieren kann?“, fragte ich ihn, obwohl ich die Antwort schon kannte. Ich wollte nur, dass er mich wieder ansah, damit ich in sein wunderschönes Gesicht sehen konnte und es sich für einige Augenblicke wieder so anfühlte, als würde er mich... lieben.
Es funktionierte; sein Blick schoss zu mir und durchbohrte mich plötzlich so intensiv, dass es beinahe wehtat. Der Druck auf meinen Schild war wieder da, doch dieses Mal tat es so weh, als wäre ich noch ein Mensch und man würde mir die Aufgabe geben, die Titanic durch die Gegend zu tragen – auf dem Kopf.
„Woher weißt du, dass Jasper die Gefühle anderer steuern kann?“, fragte er und auf einmal war sein Trübsinn wie weggeblasen. Er sah mir eindringlich in die Augen und hielt meinen Blick mit seinem fest.
Ich fluchte innerlich, als mir auffiel, dass ich einen Fehler gemacht hatte. So etwas hätte ich nicht wissen dürfen.
„Ich… ich…“, versuchte ich ihm zu antworten, doch sein intensiver Blick machte es mir unmöglich, mich zu konzentrieren. „Ich… ich wusste es nicht.“ Ich wusste es nicht? Herr Gott noch mal, war ich denn jetzt total bescheuert? Da konnte ich ihm ja gleich meinen wahren Namen sagen!
In Edwards Augen leuchtete ein kleiner Funken Hoffnung auf, der immer größer wurde, bis er schließlich in seinem Blick brannte und alles andere verzehrte.
„Wenn du es nicht wusstest, wie kannst du dann davon sprechen, als wäre es das normalste auf der Welt?“, hauchte er. Sein Atem traf auf mein Gesicht und zum ersten Mal, seit ich ein Vampir geworden war, wurde mir schwindelig. Er war so nah.
Ich versuchte vom Thema abzulenken – was wahrscheinlich keine so gute Idee war, da ich darin unglaublich schlecht war, aber ich versuchte es trotzdem. „Sag mal, passiert das eigentlich oft, dass du die Gedanken von jemandem nicht lesen kannst?“, fragte ich und der Versuch war, wie nicht anders zu erwarten, erbärmlich offensichtlich.
Zu meiner Überraschung ging er darauf ein.
„Nein, ich habe bisher nur eine einzige Person getroffen, die diese Eigenschaft hatte. Deswegen bist du mir ja auch aufgefallen. Ist das eigentlich sozusagen deine Gabe?“, fragte er in beiläufigem Ton.
„Ja. Stephan kann mich auch nicht erreichen und Arisa schafft es ebenfalls nicht. Es ähnelt einer Schicht, die um meinen Körper gespannt ist und mich sozusagen schützt. Es ist praktisch eine zweite Haut.“ Ich plapperte einfach drauf los, in dem verzweifelten Versuch, ihn auf andere Gedanken zu bringen.
„Kannst du sie ausdehnen?“, fragte er neugierig.
„Ja, ich kann andere mit unter meinen Schutzschild“ – Ich schmunzelte bei dem Wort, er sah überrascht aus – „lassen. Sie sind dann auch geschützt, aber wenn sie zusammen darunter sind, können sie ihre Gaben wieder ungestört ausüben – bis auf mich.“
„Warum denn nicht auf dich? Sie sind dann doch praktisch unter deiner zweiten Haut, oder?“, fragte er mich.
„Naja, also das ist fast so, als hätte ich noch eine dritte Haut um mich herum, die mich noch zusätzlich schützt. Diese kann ich aber auch dehnen und andere darunter verbergen“, erklärte ich schnell.
„Gibt es auch noch eine vierte und fünfte Haut?“, fragte er, doch es klang keineswegs sarkastisch. Er schien einfach nur neugierig zu sein.
„Nein. Nach der dritten ist Schluss. Ich bin ja keine Zwiebel oder so“, murmelte ich verlegen. Er lachte – entweder über meinen Spruch mit der Zwiebel, oder über meinen Gesichtsausdruck – und das Geräusch war so schön, dass mir der Atem stockte.
„Wie alt bist du, Caty?“, fragte er plötzlich. Ich wusste nicht auf was er hinaus wollte, also beschloss ich ihm die Wahrheit zu sagen.
„Naja, seit dreißig Jahren bin ich ein Vampir – genau genommen neunundzwanzig“, flüsterte ich.
„Und wie alt warst du, als du verwandelt wurdest?“, fragte er angespannt.
„Achtzehn“, flüsterte ich noch leiser. Ich wusste nicht, was er sich aus meiner Antwort erhoffte und das machte mir Angst.
Ein wunderschönes, schiefes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus und die Hoffnung in seinen Augen war nun schier überwältigend.
Ehe ich mich versah, war ich schon in seinen Armen. Er vergrub das Gesicht in meinem Haar und schluchzte, doch ich konnte keine Schmerzen darin hören, nur unglaubliche Erleichterung.
„Bella, oh, Bella“, flüsterte er in mein Haar und umarmte mich fester.
Jetzt wusste ich, dass er wusste wer ich war. Er wusste es und trotzdem ging er nicht weg. Er umarmte mich, als ob seine sehnlichsten Wünsche wahr geworden wären. Er presste sein Gesicht in meine Haare und sagte meinen Namen, als ob sich alles Schlimme auf der Welt in nichts aufgelöst hätte.
„Bella“, flüsterte er wieder und nun war seine Stimme frohlockend. Es war seltsam ihn so glücklich zu hören, während er von Schluchzern geschüttelt wurde.
„Bella, hast du eine Ahnung, wie lange ich nach dir gesucht habe? Hast du eine Ahnung, wie verzweifelt ich versucht habe dich zu finden? Ich war auf jedem Kontinent, habe jede Stadt durchsucht und trotzdem habe ich nichts gefunden. Keine Andeutung von deinem Geruch, nicht einmal ein Hauch, der mir gesagt hätte, dass du noch am Leben wärst. Ich hatte schon aufgegeben und trotzdem habe ich weiter gesucht, immer in der Hoffnung dich noch lebend zu finden“, flüsterte er in meine Haare, während ihn immer wieder Schluchzer schüttelten. Ich bebte mit ihm, so fest umschlungen hielt er mich.
„Wie hast du denn mitgekriegt, dass ich verschwunden bin?“, fragte ich mit den Lippen an seiner Brust.
„Ich bin zurück gekommen und habe gesehen, wie dein Vater um dich trauerte. Ich habe in der Schule angerufen und sie sagten mir, dass du in Port Angeles entführt worden wärst, von einer Gang oder anderem Gesindel.“ Seine Stimme brodelte vor Zorn, als er davon sprach. „Man hat dich nicht wiedergefunden und befürchtet du wärst tot. Und schließlich hat man aufgegeben nach dir zu suchen, weil man sagte es sei hoffnungslos“, flüsterte er und seine Stimme war wieder schmerzerfüllt.
„Aber du hast weiter gesucht?“, fragte ich, nur um seine wunderschöne Stimme zu hören.
„Ja. Ich konnte einfach nicht anders. Ich konnte es nicht.“
„Warum nicht?“, flüsterte ich.
Ihm stockte der Atem, sein Schluchzen erstarb und er begann wie verrückt zu zittern. Er hob das Gesicht aus meinen Haaren und umarmte mich nicht mehr so fest. Langsam löste er sich von mir, bis er mich nicht mehr berührte.
Schließlich stand er wieder vor mir und starrte mich an. Ich wich seinem Blick aus, damit er den Schmerz in meinem Blick nicht sehen konnte, und fragte mich, ob der schöne Moment des Wiedersehens wirklich schon vorbei war, ob sich die hässliche Realität nun wieder vor den wundervollen Traum schob und er mich nun wieder verlassen würde.
„Ich konnte nicht akzeptieren, dass du tot sein solltest. Dass ich nie wieder in deine schönen Augen sehe und nie wieder deine Stimme höre. Alle haben mir gesagt, dass es hoffnungslos sei, aber ich habe ihnen nicht geglaubt. Ich hatte Recht. Du bist nicht tot. Das ist genug für mich um weiterzuleben“, flüsterte er und trat einen Schritt zurück. „Wenn du willst, dass ich jetzt gehe … dann… dann werde ich das tun.“ Er senkte den Blick und schloss die Augen, als würde ich ein Schwert über ihn halten und er auf den vernichtenden Schlag warten.
Ich war wie erstarrt und konnte ihm nicht antworten. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
Als ich weiter schwieg, begann er heftiger zu zittern und sein Gesicht zuckte, als versuchte er verzweifelt ein Gefühl vor mir zu verbergen.
„Edward“, flüsterte ich, als ich langsam begriff, was er meinte. „Edward, glaubst du etwa wirklich ich würde dir sagen, dass du gehen sollst?“, fragte ich ihn. Die Worte klangen falsch in meinen Ohren, lächerlich.
Langsam öffnete er die Augen und hob den Kopf. Er schien vollkommen aufrichtig, als er sagte: „Ja.“
Und dann war ich diejenige, die den einen Schritt auf ihn zumachte und ihn in meine Arme schloss, als würde mein Leben davon abhängen.
Er umarmte mich ebenfalls und drückte seine Lippen in mein Haar, während ich meine auf seine Brust presste.
„Heißt das, dass ich bleiben darf?“, fragte er vorsichtig.
„Ja, natürlich! Als ob ich dich vom Bleiben abbringen könnte! Du machst doch sowieso, was du willst. Wenn du gehen willst, dann gehst du, das hast du schon vor neunundzwanzig Jahren bewiesen“, sagte ich und bei der Erinnerung zog sich mir der Magen zusammen.
Er spannte sich an, ich merkte es, da wir so fest ineinander verschlungen waren.
„Als ob ich fort gewollt hätte. Dich zu verlassen war keine Entscheidung, die ich leichtfertig traf“, flüsterte er in mein Haar.
„Wenn du nicht fort wolltest, warum bist du dann gegangen?“, fragte ich ihn verwirrt.
„Weil ich dich schützen wollte, Bella. Was hast du denn gedacht?“
Seine Worte verwirrten mich. Immerhin hatte er mir die Antwort doch selber gegeben – vor neunundzwanzig Jahren.
„Ich dachte, du hättest mich verlassen, weil du mich nicht mehr willst – was ja auch dein gutes Recht ist.“
Er nahm mich bei den Schultern und schob mich ein wenig von ihm weg, damit er mir in die Augen sehen konnte.
„Du hast mir wirklich geglaubt, habe ich Recht?“, fragte er und seine Stimme war schmerzerfüllt.
Ich gab keine Antwort, doch er schien sie in meinen Augen zu lesen.
„Bella, als ich mich entschlossen hatte, dich zu verlassen, da wusste ich nicht wie ich es anstellen sollte. Ich war mir sicher, dass es so gut wie unmöglich wäre, dich davon zu überzeugen, dass ich dich nicht mehr liebte. Ich dachte ich müsste das Blaue vom Himmel herunter lügen, um auch nur einen Funken des Zweifels in dir zu sähen. Ich habe gelogen und das tut mir so leid. Weil ich dir weh getan habe und es alles vergebens war. Es tut mir leid, dass ich nicht da war, um dich zu schützen, als man dir deine Seele geraubt hat. Es tut mir so unendlich leid.“ Seine Augen schimmerten und ich sah wieder, wie die Tränen in ihnen schwammen, die nicht da sein konnten. Seine Worte ergaben keinen Sinn und doch… sie berührten mich.
Ich sah ihm in seine wundervollen Augen und hob die Hand, um sein Gesicht zu berühren.
Er schloss die Augen und legte seine Stirn an meine. So standen wir eine kleine Ewigkeit da, während seine Worte in der Stille nach hallten.
„Ich liebe dich“, flüsterte er und sein Atem liebkoste mein Gesicht.

Geflüchtet



Ich erstarrte vor Schock. Er spannte sich ebenfalls an und wich meinem Blick aus, mit einem Ausdruck im Gesicht, den ich nicht deuten konnte.
Es sah beinahe so aus, als hätte er Angst. Ich starrte ihn entgeistert an und konnte mich nicht davon abhalten ihn zu fragen.
„Was?“ Ich konnte es nicht glauben, ich war mir sicher, dass ich mich verhört hatte.
Wieder einmal begann er zu zittern und konzentrierte sich auf die Bäume, die nur wenige Schritte von uns entfernt standen und wie eine schwarze Wand aus der Dunkelheit hervorragten.
Ich sah ihn weiter an und wartete darauf, dass er meinen Blick erwiderte, doch er tat es nicht.
„Ich… ich weiß… nicht… ich muss weg“, stammelte er, seine Stimme klang tonlos.
Ich war so perplex, dass ich nicht reagieren konnte. Er machte ein paar Schritte von mir weg und bevor seine Worte überhaupt zu mir durchdringen konnten und ich hätte vorausahnen können, was er vorhatte, war er schon losgelaufen.
Er war sehr schnell und rannte durch den Wald – jedoch nicht zurück zu seinem Haus, sondern in die entgegengesetzte Richtung.
Als mir schließlich klar wurde, dass er nicht mehr hier war, rannte ich ihm so schnell ich konnte hinterher. Ich wusste, er konnte mich hören, doch er blieb nicht stehen, sondern rannte nur noch schneller.
Schon bald konnte ich ihn nicht mehr hören, also folgte ich seinem Geruch. Doch schon nach kurzer Zeit erkannte ich, wohin er wollte, denn ich roch den Salzgeruch des Meeres in der Luft und bekam Panik.
Im Wasser konnte ich ihn nicht so gut verfolgen, wie an Land. Schließlich war ich an einer kleinen Klippe angekommen, sein Geruch führte direkt hinunter in das schwarze Wasser.
„Edward!“, rief ich hoffnungslos. Er antwortete nicht. Natürlich nicht. Wie denn auch? Er war unter Wasser und atmete wahrscheinlich nicht, verdammt noch mal!
Ich sah ein, dass es nur eine Chance für mich gab. Also nahm ich Anlauf und sprang von der Klippe in das tiefe Wasser.
Sobald ich unter Wasser war, konnte ich ihn nicht mehr riechen und er war schon zu weit weg, um ihn zu hören.
Ich schwamm wieder an die Oberfläche und tauchte mit dem Kopf auf. Ich atmete tief ein und konzentrierte mich auf seinen Geruch. Nichts.
Verzweifelt schwamm ich im Meer umher und suchte nach einem Zeichen von seinem Geruch. Ich umrundete ganz Vancouver-Island und prüfte, ob er dort das Wasser verlassen hatte.
Doch ich roch nichts von ihm. Ich schwamm zurück zu der Klippe, von der er ins Wasser gesprungen war und die Küste nach Norden entlang, stieß aber an keiner Stelle auf seinen Geruch.
Ich war gerade wieder an der Klippe angekommen und wollte der Küste in südlicher Richtung folgen, als mir eine Idee kam. Es war nur eine kleine Möglichkeit, aber immerhin etwas.
Schnell schwamm ich weiter nach Süden und suchte nach seinem Geruch. Und gerade, als ich es aufgeben wollte, fand ich ihn – ich weiß nicht warum, aber anscheinend war er an dieser Stelle mit dem Kopf aufgetaucht und auf das Ufer zu geschwommen. Direkt auf die Halbinsel Olympic zu.
Mein Atem ging schneller, als ich seiner Spur folgte. Tatsächlich, an der Küste der Halbinsel war er an Land gegangen und weiter gerannt. Ich tat es ihm gleich und erkannte, dass er auf Forks zusteuerte. Mein Verdacht verstärkte sich. Doch kurz bevor ich in der Stadt ankam, machte seine Spur einen Knick und führte weiter nach Norden.
Ich fragte mich, ob er wusste, dass ich ihm folgte. Wahrscheinlich nicht. Er hatte einen sehr großen Vorsprung und konnte mich unmöglich hören.
Ich folgte seiner Spur und schließlich war ich mir sicher, dass ich wusste, wo er hinwollte.
Es zog ihn zu der Lichtung, auf der ich in meinem ganzen Leben nur zwei Mal war. Einmal zusammen mit Edward – während das andere Mal Laurent zu mir gestoßen war und mich töten wollte.
Ich war nur noch fünf oder sechs Meilen entfernt, als ich stehen blieb und mich ins Moos setzte. Dann konzentrierte ich mich und streckte meine Sinne nach ihm aus. Es dauerte nicht lange, da hörte ich ihn.
Ich hörte wie der Wind über seine wunderschöne Haut strich und die Blumen sacht von seinem Atem bewegt wurden. Und dann hörte ich noch ein Geräusch, dass ich nicht einordnen konnte. So, als ob Granit sanft über Glas strich.
Hatte er etwas aus Glas in der Hand? Das wäre sehr merkwürdig. Und was sollte das sein?
Doch bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, begann er zu summen. Es kam mir vor, als würde ich die liebliche Melodie kennen, konnte mich allerdings nicht genau daran erinnern.
Ich glaube, es war ein Schlaflied. Ehrfürchtig saß ich da und lauschte seiner Stimme. Als das Lied zu Ende war, hörte ich ihn schluchzen. Es zerriss mir das Herz.
Doch ich wollte ihm diesen Augenblick der Geborgenheit nicht rauben, indem ich zu ihm ging. Stattdessen stand ich auf und kramte einen Zettel und einen Stift aus meiner Tasche.
Ich legte den Papierfetzen auf mein Bein und begann so leise wie möglich zu schreiben.

Edward,
Bitte, komm morgen zur Schule. Bitte, ich flehe dich an. Ich muss mit dir reden, allein. Es tut mir leid, wenn ich dir wehgetan habe. Lass es mich wieder gut machen. Bitte, rede mit mir.
Bella
Es tut mir so unendlich leid.



Dann stand ich auf und lief leise los. Ich umrundete die ganze Wiese in einem Kreis, sodass ich immer gleich weit von ihm entfernt war und er ohne Zweifel auf meinen Geruch stoßen würde, wenn er die Wiese verließ. Die Geräusche, die er von sich gab veränderten sich nicht, also nahm ich an, dass er meine Aktion nicht bemerkte.
Als mein Weg wieder die Spur kreuzte, die mich hier her geführt hatte, legte ich den Zettel auf einen Stein. Ich sah ihn eine Weile lang an, dann beugte ich mich vor und drückte einen Kuss auf seinen Namen.
Hoffentlich würde er ihn bald finden.
Dann machte ich mich auf den Weg nach Hause – und zwar auf demselben Weg, den ich gekommen war, wenn man mal von meinen Umwegen im Wasser absah, die ich gemacht hatte, als ich seinen Geruch gesucht hatte.
Als ich schließlich in unserem Haus ankam, war ich immer noch pitschnass und meine Kleider rochen nach Salz.
Als ich durch die Tür trat sahen mich alle drei erstaunt und erwartungsvoll an. Ich schüttelte den Kopf und sie hoben gleichzeitig die Augenbrauen, als ich schnurstracks an ihnen vorbei ins Bad ging, um mich zu duschen. Als ich damit fertig war, sah ich, dass in dem kleinen Schrank neben der Dusche für jeden von uns ein paar Kleider waren. Ich zog meine an und schmiss meine Alten in den Wäschekorb.
Als ich wieder nach unten kam waren Arisa und Adrian in ihrem Zimmer, also setzte ich mich aufs Sofa und begann vor mich hin zu zeichnen – eine sehr untypische Beschäftigung für mich.
Stephan war in der Küche und experimentierte mit Menschenessen herum, was ich mal wieder überhaupt nicht verstand. Er war besessen von der Idee, eine Mischung aus Blut und einer Art Frischkäse ohne Geschmack zu erfinden, die man auf Brot streichen und essen konnte, ohne vor Ekel das Gesicht zu verziehen.
Ich konnte seine Experimente nicht wirklich leiden, da ich meistens das Versuchskaninchen spielen musste und das meiste, was ich für ihn schlucken sollte ungenießbar war. Zu Stephans Verdruss bestand ich allerdings darauf, dass er mit Tierblut experimentierte, da ich kein Menschenblut zu mir nehmen wollte, egal ob ich einen Menschen dafür umbrachte oder nicht.
Ich brachte ihm immer ein wenig Blut von der Jagd mit, weil er selber nicht ging.
„Caty, kommst du mal bitte?“ Ich seufzte. Anscheinend hatte er sich entschieden mich ein weiteres Mal zu foltern.
Ich stand auf, legte meine Zeichnung zur Seite – sie war erstaunlich gut geworden – und ging zu ihm in die Küche.
„Was ist denn los?“, fragte ich, obwohl ich die Antwort schon kannte. Mit Sicherheit würde er jetzt sagen: ‚Ich glaube jetzt hab ich´s‘
„Riech mal da dran.“ Er hielt eine kleine Glasviole hoch und ich sah ihn stirnrunzelnd an.
Ich beugte mich vor und schnupperte. Meine Kehle brannte überhaupt nicht, wie es sonst bei seinen Mixturen immer der Fall war.
„Ist da Blut drin?“, fragte ich neugierig und trat näher.
„Ja. Und zwar jede Menge. Aber man riecht es überhaupt nicht“, meinte er verblüfft.
Er hatte Recht. Die Viole roch so, wie sie immer roch, wenn er sie gerade sauber gemacht hatte.
„Seltsam“, grübelte er vor sich hin.
Er schnappte sich einen Holzspatel von der Theke, gab etwas von dem Zeug darauf und strich es auf ein Stück Toastbrot.
Dann hielt er es mir hin. „Dein Auftritt.“ Ich verzog das Gesicht und nahm das Brot.
„Warum probierst du das Zeug nicht mal? Ich meine du machst es doch“, fragte ich ihn mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Ja, aber nur mit Tierblut. Und das ist ja dein Gebiet“, erwiderte er mit einem Lächeln auf den Lippen.
Ich seufzte, atmete noch einmal tief durch und steckte mir das Zeug in den Mund.
Zu meiner Überraschung schmeckte es gar nicht so schlecht. Die Konsistenz war zwar immer noch viel zu klumpig, aber man konnte es beinahe ignorieren. Der Frischkäse auf dem Brot schmeckte gut genug, um den Ekel ab zu mildern.
Ich sah ihn erstaunt an. „Was ist da alles drin?“, fragte ich ihn mit geweiteten Augen.
„Hauptsächlich Blut, aber auch ein bisschen Frischkäse. Schmeckt es denn?“, fragte er eifrig. Ich kaute noch einmal – ach herrje, war das lange her, dass ich das mal wieder gemacht hatte – und schluckte dann langsam runter.
Der Klumpen wanderte nur langsam meine Kehle hinunter, aber das war nicht so schlimm, wie ich es gewohnt war.
Der gute Geschmack machte das Wett.
„Naja, der Geschmack ist gar nicht so schlecht, nur die Konsistenz ist ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber alles in allem, würde ich sagen, ist das dein erstes erfolgreiches Experiment. Es schmeckt gut genug, um es in der Schule zu essen und den Schein zu wahren.“
„Wow. Ich hab’s echt geschafft.“ Er konnte es anscheinend gar nicht fassen.
„Jetzt müssen wir nur noch versuchen, ob es mit Menschenblut dieselbe Wirkung hat“, meinte ich.
„Ach, das wird schon gehen. Sag mal, weißt du, ob wir noch Spenderblut im Kühlschrank haben?“, fragte er eifrig.
„Keine Ahnung, da musst du nachsehen“, sagte ich, doch er war schon dabei den Kühlschrank zu öffnen.
Ich ging wieder zurück auf das Sofa. Wenn er anfing mit Menschenblut herum zu experimentieren, war es an der Zeit, mich zu verduften.
Ich hatte allerdings keine Lust zu lesen und wusste nicht, was ich jetzt machen sollte.
Seufzend sah ich auf die Uhr. Ich hatte noch eine Stunde Zeit – ich war relativ lange weg gewesen –, eine Stunde musste ich noch ertragen, dann würde ich Edward wieder sehen. Vielleicht.
Was sollte ich bis dahin anstellen? Ich dachte angestrengt darüber nach, doch mir viel nichts ein, dass mich genug reizte, als dass ich der Idee tatsächlich nachgegangen wäre.
Schließlich entschied ich mich, zum ersten Mal in mein Zimmer zu gehen. Bis jetzt war ich immer nur in der Schule, bei den Cullens und auf dem Sofa gewesen.
Ich ging die Treppe hoch und stand in einem Flur, von dem aus man in sechs verschiedene Zimmer gehen konnte.
„Hey, Stephan! Wo ist denn überhaupt mein Zimmer?“, rief ich nach unten, da ich nicht jede Tür ausprobieren wollte.
Ich hörte, wie er unten kicherte und verdrehte die Augen.
„Die dritte Tür links.“ Ich musste lächeln, als ich seinen kläglichen Versuch, mir einen Streich zu spielen durchschaute. Ich hörte die Geräusche von Arisa und Adrian, die durch diese Tür drangen klar und deutlich.
„Ich bin nicht total blöd, Stephan. Also welches Zimmer ist meins?“, fragte ich seufzend.
„Die letzte Tür“, meinte er resigniert. Ich traute ihm zwar immer noch nicht richtig, ging jedoch auf die Tür zu und öffnete sie.
Es sah tatsächlich nach meinem Zimmer aus. Meine Möbel waren da und der Teppich auf dem Boden hatte denselben Goldton, wie meine Augen.
Mein bescheidener CD-Player und mein durchschnittlicher Laptop bewiesen eindeutig, dass es mein Zimmer war. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass Stephan sich mit solchen Dingen zufrieden geben würde – er stand eher auf moderne Technologie.
Ich suchte mir eine CD aus, die ich gerne hörte, wenn ich ungeduldig war, legte sie in den Player und drückte den Start-Knopf. Die Musik füllte die harmonische Stille in meinem Zimmer und beruhigte mich, wie sie es schon so oft getan hatte.
Ich setzte mich auf mein Sofa, schloss die Augen und lehnte den Kopf an die Lehne.
So saß ich da und hörte die ganze CD mindestens fünfmal runter, bis ich schließlich fand, dass es an der Zeit war, zur Schule zu fahren. Ich hatte noch fünfzehn Minuten, dann begann der Unterricht.

Geheimnisse



Ich schrieb noch schnell meine Hausaufgaben – was gerade mal dreißig Sekunden dauerte – und kämmte mir noch einmal die Haare. Schminke brauchte ich natürlich nicht.
Dann schnappte ich mir meine Tasche und lief die Treppen runter.
„Bist du fertig?“, rief ich und ging auf die Haustür zu. Stephan kam breit grinsend mit zwei Pausenbroten aus der Küche und drückte mir eins in die Hand.
„Klar bin ich fertig. Lass uns losfahren“, antwortete er mir heiter.
Seine Blut-Frischkäse-Erfindung schien ihn sehr stolz zu machen. Ich lächelte und stieg auf der Beifahrerseite ins Auto ein.
Er setzte sich auf den Fahrersitz und startete den Motor. Kaum hatte er gewendet, begann er auch schon loszurasen, als wäre ein Haufen Polizisten hinter uns her.
Nach kurzem Schweigen hielt er es schließlich nicht mehr aus.
„Also erzähl schon! Was wollte Edward gestern von dir?“, fragte er mich ungeduldig.
Ich sah ihn stirnrunzelnd an.
„Er hat mich gebeten, dich mit ihm allein zu lassen. Ich musste ihm versprechen niemandem etwas davon zu erzählen und ich habe mich auch dran gehalten. Also habe ich doch ein Recht darauf es zu wissen, oder etwa nicht?“ Er zuckte die Schultern und sah mich erwartungsvoll an.
Ich seufzte. „Er hat es rausgekriegt.“ Mehr sagte ich vorerst nicht.
„Wie jetzt – er weiß wer du bist?!“, fragte er entsetzt.
„Na was hast du denn erwartet? Dass er mit mir die Risiken der Globalerwärmung besprechen will oder was?“ Ich versuchte meinen Sarkasmus nicht so ätzend klingen zu lassen.
„Und was hat er gesagt?“, fragte er eindringlich und sah mir in die Augen.
Ich schaute weg und zuckte betont lässig die Achseln. Das würde ich ihm bestimmt nicht erzählen. Ebenso wenig würde er von meiner ‚Verfolgungsjagd‘ erfahren.
„Nichts weiter“, meinte ich und versuchte beiläufig zu klingen.
Er kannte mich gut genug, um zu merken, dass ich nicht die Wahrheit sagte.
Wir waren inzwischen auf dem Parkplatz angekommen und er parkte automatisch neben dem silbernen Volvo. Ob Edward wohl da war?
„Ach komm schon! Mir kannst du’s ruhig sagen!“, rief er als wir aus dem Auto stiegen.
„Dir was sagen?“, fragte Alice plötzlich hinter ihm. Ihre Augen glühten neugierig.
Er öffnete gerade den Mund, um ihr zu antworten, doch ich unterbrach ihn. Ja sicher erzähl es nur allen, damit ich es dir verrate.
„Gar nichts.“
„Aber Caty! Ich will das jetzt wissen!“, rief sie aufgebracht. Ich musste lachen. Jetzt stiegen auch die anderen aus dem Auto und beäugten uns neugierig.
Ich lief los zu meiner ersten Stunde, um nicht zu spät zu kommen. Ich fluchte innerlich, als mir einfiel, dass ich mit Alice im selben Mathe-Kurs war. Das hatte mir ja gerade noch gefehlt.
Sie lief mir schon hinterher und holte mich ein, um zu verhindern, dass ich ihrem bittenden Blick entkam.
Ja, genauso hatte ich sie in Erinnerung.
„Vergiss es Alice, ich sag´s dir so wie so nicht. Du kannst dir deinen Hundeblick sparen“, sagte ich, sie grummelte leise vor sich hin, ließ aber nicht locker.
„Sag mir wenigstens, um wen es geht“, bat sie.
„Und was ist, wenn es um mehrere Personen geht?“, erwiderte ich während wir den Matheraum betraten.
„Dann sag mir halt nur eine.“
„Gut. Dann geht es um mich.“ Ich grinste. So viel hatte sie wahrscheinlich so wie so schon gewusst. Es klingelte zum Unterricht und wir setzten uns auf unsere Plätze.
„Darauf hätte ich jetzt auch selbst drauf kommen können. Warum willst du es mir denn nicht sagen?“, meinte sie und verdrehte die Augen.
„Dafür gibt es drei Gründe. Erstens: Ich kenne dich seit relativ genau vierundzwanzig Stunden. Zweitens: Du scheinst nicht der Typ zu sein, der Geheimnisse für sich behält und wahrscheinlich hören die anderen uns so wie so gerade zu“ – ein bezauberndes Kichern, das nur von einem kommen konnte, bestätigte meine Annahme. Edward war da! – „Und Drittens: Es geht dich absolut überhaupt nichts an.“
Das letzte war gelogen. Es ging sie sehr wohl etwas an, immerhin ging es um ihren Bruder und ihre ehemals beste Freundin.
Sie machte einen Schmollmund, dachte aber gar nicht erst daran aufzugeben.
„Es geht also um dich und noch jemand anderes… Geht’s um einen Jungen?“ Sie sah mir forschend in die Augen. Ich sah verlegen weg.
Sie lächelte und nickte in sich hinein. Einfach nicht zu antworten war anscheinend keine so gute Idee. Ich stöhnte innerlich auf. Jetzt blieb es mir nur noch übrig zu lügen und darin war ich grottenschlecht.
„Gut. Die andere Person ist also ein Junge. Hm… Ist der Junge aus meiner Familie?“, fragte sie mich weiter aus.
Ich ordnete meine Gesichtszüge und versuchte überzeugend zu klingen. „Nein.“
„Also ist es entweder Emmet, Jasper, Carlisle oder Edward.“
Ich stöhnte, beugte mich vor und legte die Stirn auf die Tischplatte. Jetzt hörte ich das Lachen von fünf anderen Vampiren. Na toll! Anscheinend hörten sie uns alle zu!
„Hm… So ein Mist aber auch. Wenn ich wüsste um welches Thema es geht, hätte ich es bestimmt schon längst raus“, murmelte sie frustriert vor sich hin, während sie überlegte.
„Also ich sag´s dir bestimmt nicht!“, flüsterte ich und kicherte.
Alice und die anderen stöhnten. Ich grinste schadenfroh.
„Ach komm schon!“, meldete sich jetzt Emmet zu Wort. „Sag doch wenigstens um wen von uns es geht.“
„Genau“, bestätigte Jasper. Edward sagte nichts.
„Geht’s um Emmet?“, fragte Alice. Ich sagte nichts. Es war eigentlich egal, ob ich ja oder nein sagte, es wurde so wie so immer als ein Ja angesehen.
Und lieber dachte sie, ich würde auf Emmet stehen, als dass sie die Wahrheit erfuhr.
„Ja! Es geht um Emmet!“, rief Alice aus. Emmet schnappte nach Luft, Rosalie zischelte und ich musste mir ein Grinsen verkneifen.
Edward gab nun keinerlei Geräusche mehr von sich. Ich konnte mir vorstellen, wie er auf seinem Stuhl erstarrt war.
Jedenfalls hatte mein Ablenkungsmanöver geklappt. Alice begann unendlich lange über jedes mögliche Thema zu brabbeln, das mich in irgendeiner Weise mit Emmet verband.
Als sie schließlich auf die Idee kam, ich könnte ihn auf eine nicht unbedingt nur freundschaftliche Weise gut finden, hörte ich wie Edward ein ganz leiser Laut entfuhr. Es klang beinahe wie ein unterdrückter Schmerzensschrei.
Er glaubte das doch etwa nicht, oder? Ich meine, er wusste doch ganz genau, dass hier eigentlich von ihm die Rede war!
Und mal ganz nebenbei, Stephan wusste das ja eigentlich auch, aber er half Alice nicht im Geringsten. Anscheinend hatte er sich dazu entschlossen, mein Geheimnis nicht auszuplaudern, sondern mir zu helfen.
Keiner von den anderen achtete auf Edward, jedenfalls zeigte keiner von ihnen eine Reaktion, die ich hätte hören können.
Und dann, endlich klingelte die Glocke. Ich packte erleichtert meine Bücher in die Tasche und ging aus dem Raum, wo Stephan schon auf mich wartete.
Wie am Tag zuvor gingen wir zusammen zum Geschichtsunterricht, um dann, als die Stunde zu Ende war, die Politikstunde über uns ergehen zu lassen.
Er fand die Schule genauso langweilig wie ich, mit dem Unterschied, dass er sich keine Mühe machte wenigstens so zu tun, als würde er aufpassen. So kam es dazu, dass der Lehrer ihn mitten in der Stunde aufrief und er mal wieder keine Ahnung hatte, was er gefragt hatte.
Ich kicherte, als er mir einen hilfesuchenden Blick zuwarf und flüsterte ihm so schnell, dass nur ein Vampir es verstehen würde, die Antwort zu.
Er verkniff sich ein Grinsen und antwortete dem Lehrer, der dann stirnrunzelnd mit seinem Unterricht forfuhr.
„Also“, begann Stephan schließlich, ich musste ein resigniertes Stöhnen unterdrücken. Bei Stephan standhaft zu bleiben war schon schwieriger, immerhin wusste er, was er von mir erfahren wollte. „Was ist denn jetzt noch passiert?“
Wenigstens fragte er so, dass Alice nichts Weiteres erfahren würde, da sie ja immer noch im Unklaren war – das würde sich allerdings ändern, wenn ich antworten würde. Also hielt ich die Klappe.
„Wenn du es mir nicht sagst, erzähl ich den anderen von deinem kleinen …“ Weiter kam er nicht, da ich ihm die Hand auf den Mund presste und leise knurrte. Er grinste triumphierend unter meiner Handfläche.
Ich stöhnte auf und lehnte mich in meinen Stuhl, die Hand ließ ich allerdings auf seinem Mund.
„Nachher, wenn die anderen uns nicht zuhören.“
Emmet, Jasper, Alice und Rosalie protestierten einstimmig, jedoch nur so laut, dass wir es gerade mal so hören konnten.
„Caty! Ich will das aber wissen!“ Alice klang vorwurfsvoll.
Ich kicherte. „Du wirst es aber nicht erfahren“, flüsterte ich und grinste.
Plötzlich hörte ich Emmet lachen. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass du das vor Alice geheim halten kannst, oder? Sie kann in die Zukunft sehen, verdammt noch mal!“
Ich wusste nicht, was ich erwidern sollte. Jetzt stimmten die anderen mit in sein Lachen ein. Sie schienen sich sehr sicher zu sein, dass sie das Ganze schon bald erfahren würden.
„Sagst du’s mir, wenn du’s gesehen hast, Schatz?“, fragte Jasper schmeichelnd.
„Ja natürlich, Jasper“, antwortete sie triumphierend. „Siehst du Caty, es gibt überhaupt keinen Grund, es uns jetzt nicht sofort zu sagen. Also raus mit der Sprache.“
„Kannst du vergessen, Alice! Ihr habt mir nur gerade die perfekte Ausrede gegeben, um es Stephan nicht erzählen zu müssen!“
Die anderen waren sprachlos. Stephan zischte.
„Na klasse! Das habt ihr ja echt super hingekriegt, Leute!“
„Ach komm schon, sie können doch gar nichts dafür. Und außerdem, warum bringst du mich denn nicht einfach dazu, es dir zu sagen? Ach so, stimmt ja, du kannst ja nicht!“, neckte ich ihn genüsslich und lachte, als ich seine Miene sah.
Er öffnete den Mund und ich erriet, was er vorhatte. Ehe er ein Wort herausbekam, hatte ich meine Hand schon wieder auf seine Lippen gepresst. Ich vermutete mal, dass wir für den Rest der Klasse wie ein Paar aussahen, da sich gegenseitig neckte.
„Das würde ich an deiner Stelle lassen. Ich weiß nämlich viel mehr Sachen über dich – die Arisa und Adrian mit Sicherheit brennend interessieren würden –, als du über irgendjemanden sonst. Das kommt davon, wenn man andauernd Scheiße baut und es nicht hinkriegt, die Schweinerei selbst zu beseitigen.“
Er riss die Augen auf, als er meine offensichtliche Drohung durchschaute und nickte. Zufrieden nahm ich meine Hand von seinem Mund.
„Das ist unfair“, grummelte er in sich hinein. Ich hob die Augenbrauen.
„Ach ja?“
„Ja.“
„Die sind ja echt noch schlimmer als Edward und Alice“, meinte Emmet und Jasper kicherte. Anscheinend beschwerte sich Emmet häufiger.
„Du hast doch gesagt, Edward redet mit niemandem…“, sagte ich verwirrt.
„Ja schon… aber ich meine… vorher.“ Es schien Emmet unbehaglich zu sein, darüber zu reden. Edward schien gar nicht zu bemerken, dass wir über ihn redeten. Das machte mich traurig. Es tat weh, zu wissen, dass er mich ignorierte.
Ich legte den Kopf auf meine Arme, als wäre ich müde – was ich aber natürlich nicht war – und schloss leicht die Augen.
Plötzlich klingelte es und Stephan und ich gingen zur Mittagspause.
Er warf mir mehrere Seitenblicke zu, sichtlich besorgt darüber, dass ich nichts sagte und schweigend neben ihm her tappte.
Auf halbem Weg gesellten sich die Cullens zu uns und sahen mich irritiert an.
„Ist die eigentlich immer so? Erst redet sie heiter mit dir und dann ist sie total still?“, fragte Emmet. Ich wusste noch aus meinen alten Erinnerungen, dass er nicht gerade der taktvolle Typ war.
„Nein, eigentlich nicht. Sie hatte ihre Gefühle meistens ziemlich gut im Griff. Man konnte ihr immer kaum ansehen, ob sie dich am liebsten abknutschen oder auf den Scheiterhaufen schmeißen wollte. Ich glaube ihr bringt sie irgendwie durcheinander…“
Ich trat nach Stephans Schienbein, er wich gekonnt aus. Die anderen sahen mich stirnrunzelnd an, mit Ausnahme von Edward, der einfach nur teilnahmslos vor sich hin starrte und mich ignorierte.
Wieder überkam mich eine Welle der Trauer und das Loch in meiner Brust machte sich wieder bemerkbar.
Diese Art von Schmerz war mir allerdings so vertraut, dass niemand von den anderen mitbekam, dass ich gerade innerlich krepierte – jedenfalls hätten sie nichts gemerkt, wenn Jasper nicht gewesen wäre.
Er keuchte auf und schlang die Arme um die Brust, als wäre es sein Schmerz und nicht meiner. Alle starrten ihn an.
Mir viel Jaspers Gabe wieder ein und ich versuchte hastig, das Loch unter Kontrolle zu halten, damit er nicht mit mir leiden musste. Warum versuchte er auch, meine Gefühle zu spüren? Das brachte doch sowieso nichts. Oder kontrollierte er sie schon die ganze Zeit über und ich bemerkte es nur nicht?
Ich schloss die Augen und dachte an das Lied, das mich in solchen Situationen immer beruhigte. Die auf- und abwogende Melodie gab einen den Anschein, es gäbe auch noch ein wenig Glück auf der Welt, auch wenn man es nicht sehen konnte.
Ich fragte mich, warum Jasper so heftig auf meine Gefühle reagierte – es war immerhin schon häufig sehr viel schlimmer gewesen.
Vielleicht war er es einfach nicht gewohnt.
„Jasper, was ist denn?“, fragte Alice besorgt.
Edward schnappte nach Luft und starrte mich an. Ich wich seinem Blick aus, da es dadurch nur noch schlimmer werden würde.
Jasper hob nun ebenfalls den Kopf und sah mir in die Augen. Sein Gesicht war vor Schmerz verzerrt. Es tat weh zu wissen, dass ich ihm das angetan hatte.
Er keuchte erneut auf und ich konzentrierte mich hektisch darauf, nicht mehr an solche Dinge zu denken. Aber an was sollte ich denn bitte sonst denken?
Hilfesuchend sah ich zu Stephan, doch der bemerkte meinen versuchten Augenkontakt nicht, da er immer noch Jasper anstarrte. Wenigstens von ihm hätte ich gedacht, dass er das ganze durchschauen würde. Er wusste immerhin von meinem Leid.
So ein Mist aber auch! Wenn Stephan dahinterkam, dass ich an Jaspers Schmerzen Schuld war, dachte er mit Sicherheit an die Ursache des Lochs in meiner Brust! Das durfte Edward nicht erfahren! Niemals! Es würde ihm nur wehtun. Und er durfte keinen Schmerz erleiden.
Panisch dehnte ich meinen Schild aus, sodass Stephan darunter verborgen war.
Jasper schützte ich auch, damit Edward nicht Teil an meinem und Jaspers Leid haben musste, da er es ja durch Jaspers Gedanken spürte.
Es waren gerade mal vier Sekunden vergangen, seit das Loch angefangen hatte zu schmerzen und die Attacke war schon fast vorbei.
Jasper stand schon wieder aufrecht und nahm die Arme von seiner Brust. Er starrte mich die ganze Zeit über an. Mir fiel auf, dass wir die Aufmerksamkeit der Menschen um uns herum erregten, da wir ja mitten im Gang standen und jeder uns sehen konnte.
Ich fragte mich, was Edward jetzt wohl hörte, doch traute mich nicht ihn anzusehen, aus Angst, dass das Ganze wieder von vorne anfangen könnte.
Allein schon bei dem Gedanken daran pochte die Wunde in meiner Brust und Jasper schlang wiederum seine Arme um den Leib.
Hör sofort auf daran zu denken!

, rief ich mir in Gedanken zu.
Ich sah ihn an und machte mit meinem Kopf eine Bewegung in Richtung Wald.
Er nickte und ging los. Alice sah frustriert aus, lief ihm jedoch hinterher. Ich folgte den beiden und konnte hören, wie die anderen uns nachkamen. Edward lief schneller als sie und schon bald hatte er mich eingeholt.
Alice und Jasper warteten hinter den Bäumen auf uns. Ich ging zu ihnen und Edward tat es mir gleich. Ein paar Sekunden später kamen Emmet, Rosalie und schließlich auch Stephan, um mich, Edward und Jasper verwirrt anzusehen.
Alice ergriff als erste das Wort. „Würde mir jetzt mal bitte jemand erklären, was das gerade war?“ Sie wirkte frustriert und besorgt.
„Also das würde ich auch gerne wissen“, meinte Emmet und sah zwischen mir, Jasper und Edward hin und her. Anscheinend waren wir die einzigen, die wussten, was gerade passiert war.
Warum kam Stephan nur nicht dahinter? Ich meine, es war doch logisch, dass … Oh! Er wusste ja gar nichts von Jaspers Talent!
Ich war so überrumpelt von dieser Erkenntnis, dass ich Jaspers fragenden Blick zu Edward gar nicht richtig wahrnahm.
Edward seufzte entnervt. „Egal, was du wissen willst, Jasper, ich kann es dir nicht sagen. Ich hab im Moment keine Ahnung, was du denkst.“
Seine teilnahmslose Stimme zu hören… Das war so, als hätte mir jemand eine ganze Flasche Desinfektionsmittel in die Wunde gekippt, die nun noch schlimmer als vorhin brannte.
Warum tat es mir heute so weh? Gestern war es doch überhaupt nicht schlimm gewesen! Ich hatte weder Attacken, noch hatte Jasper irgendetwas bemerkt. Sollte ich nicht eigentlich glücklicher sein? Immerhin war Edward meiner Bitte nachgekommen, die ich ihm bei der Lichtung hinterlassen hatte. Oder hatte er es sich vielleicht anders überlegt? War ihm nun doch klar geworden, was er gestern zu mir gesagt hatte und bereute er es jetzt? Ignorierte er mich deswegen? Wollte er, dass ich wieder verschwand?
Ich verzog mein Gesicht und versuchte das Loch zu kontrollieren.
Jaspers Knie gaben nach, er sank auf den Boden und krümmte sich vor Schmerzen.
„Jasper!“, schrie Alice entsetzt.
„Würdest du bitte deinen Schild zurückziehen B… Caty?! Bitte!“, rief Edward gequält aus.
Ich sah ihn an – ein sehr großer Fehler, obwohl ich ihm noch nicht einmal direkt in die Augen gesehen hatte, war der Schmerz schlimmer denn je. Er war viel zu gut für mich. Viel zu vollkommen. Kein Wunder, dass ich ihm langweilig geworden war. So würde jeder denken. Die Wunde brannte in meiner Brust und ich musste mich konzentrieren, um aufrecht stehen zu bleiben.
Jasper schrie auf, ich schlang meine Arme um die Brust und Alice bekam eine Panikattacke.
Mein Schild flutschte zurück, so überwältigt war ich von dem Schmerz.
Edward keuchte entsetzt, sank jedoch nicht wie Jasper zu Boden.
Ich atmete schwer und schloss die Augen, um mich zusammenzureißen. Ich schob den Schild wieder aus meinen Gedanken und wickelte Stephan ein, der allmählich doch noch zu verstehen schien.
„Wie hältst du das aus?“, presste Jasper zwischen den Zähnen hervor. Er hatte die Kiefer zusammengepresst, um nicht zu schreien.
„Man gewöhnt sich dran“, flüsterte ich. Edward zuckte zusammen.
Jetzt verstanden auch die anderen und starrten nun nicht mehr Jasper an, sondern mich.
„Du bist das?“, fragte Emmet ungläubig. Ich nickte nur, da ich mir nicht sicher war, ob meine Stimme standhalten würde.
Der Schmerz wurde schlimmer, obwohl ich mich nach Kräften bemühte, ihn zu lindern.
„Ich… ich glaube ich sollte gehen…“, murmelte ich gepresst und noch bevor einer von ihnen antworten konnte, rannte ich schon in den Wald hinein.
Ich hatte noch eine dreiviertel Stunde, dann begann die nächste Stunde. Ich durfte nicht noch einmal fehlen, das würde auffallen.
Also rannte ich gerade so weit, dass ich sie nicht mehr hören konnte. Ich hoffte, dass Jasper nun meinen Schmerz nicht mehr spüren musste.
Ich setzte mich ins Gras, schloss die Augen und lehnte meinen Oberkörper an einen Baumstamm. Der Schmerz flaute langsam ab und hinterließ ein blutendes Loch, durch das ich mich nicht mehr richtig bewegen konnte.
Nach einigen Sekunden hörte ich, dass jemand mir folgte… jemand sehr schnelles.

Zweisamkeit



Obwohl ich ihn nicht sah, wusste ich, dass er es war. Natürlich wusste ich es. Wer sollte es denn sonst sein?
Edward blieb ein paar Schritte von mir entfernt stehen und ich öffnete meine Augen. Er sah mich zögernd an, ich wich seinem Blick aus. Mir fiel auf, dass ich ihm heute noch kein einziges Mal in die Augen gesehen hatte.
Ich spürte seinen Blick auf mir ruhen, doch er sagte nichts. Er stand einfach nur da und sah mich an.
„Tut mir leid“, flüsterte ich und starrte auf das Moos zu meinen Füßen.
„Warum entschuldigst du dich? Du kannst doch nichts für deine Gefühle.“ Seine Stimme war nur ein lautloses Flüstern, sie verlor sich fast in dem leichten Wind, der die Farne unter mir bewegte. Er kam vorsichtig auf mich zu und setzte sich neben mich.
Ich hatte erwartet, dass seine Geste es nur noch schlimmer machen würde, doch erstaunlicher Weise nahm sie dem pochenden Loch ein wenig Intensität.
„Ist… Passiert das häufiger, dass du… tut das oft… so weh… wie grade eben?“ Es schien ihm schwerzufallen, die richtigen Worte zu finden.
Ich nickte betrübt zur Antwort und hielt meinen Blick weiter auf den Boden gesenkt.
„Das tut mir leid.“
„Es geht schon. Mit der Zeit gewöhnt man sich dran und dann ist es halb so schlimm“, log ich und zuckte wenig überzeugend die Achseln.
Er saß neben mir und bewegte sich nicht.
Ich fragte mich, warum er so angespannt wirkte.
Plötzlich lächelte er, ich sah es zwar nicht, doch ich spürte es tief in meinem Herzen.
„Du hast schon immer schlecht gelogen. Das hat sich nicht geändert“, meinte er. Als ich seinen veränderten Tonfall hörte, konnte ich mich nicht mehr halten.
Ich hob den Blick und sah ihm in die Augen. Sie glühten so intensiv, dass ich nicht mehr richtig denken konnte.
Sein Lächeln war traurig, fast gequält und doch so schön, dass das Loch erneut Schmerzen durch meinen Körper sandte.
Er war so schön, so gut, so… Er war ein Engel. Meine neu gewonnene ‚Schönheit‘ war nichts im Vergleich zu seiner. Ich war nicht gut genug für ihn. Ich hatte es immer gewusst, lange bevor er mich verlassen hatte.
Er starrte mich entsetzt an, als er meine schmerzverzerrte Miene sah und sein Lächeln verschwand schlagartig.
„Was ist?“, flüsterte er.
Ich schüttelte nur den Kopf.
„Ist es so wie vorhin?“ Er war so leise, dass man es kaum verstehen konnte.
Ich biss mir auf die Lippe und antwortete nicht. Er würde die Lüge sowieso durchschauen.
Er hob zögernd die Hand, hielt kurz inne und strich mir dann tröstend über die Wange.
Meine Haut brannte an der Stelle, an der er mich berührte.
Seine Berührung hatte das Loch in meiner Brust schlagartig geschlossen.
Zum ersten Mal seit neunundzwanzig Jahren, war der Schmerz vollkommen verschwunden.
Es war ein unglaublich befreiendes Gefühl.
Viel zu schnell zog er seine Hand wieder zurück und das Loch war wieder da. Es war, als ob man mir nach all den Jahren in der Hölle, den Himmel geschenkt hätte, nur um ihn mir kurz danach wieder zu entreißen.
Die Hölle war schlimmer als je zuvor in meinem Vampir-Leben. Man konnte sie nur mit der ersten Woche vergleichen, die Woche, nachdem… Edward gegangen war.
Würde er wieder gehen, wenn ich ihm zu langweilig wurde?
Ich musste ihn wieder berühren, es war ein innerer Zwang, als wäre er eine Droge, nach der man schon nach dem ersten Konsumieren süchtig wurde. Ich wollte ihn berühren und mir einprägen, wie es sich anfühlte, damit ich es nie mehr vergaß, wenn er wieder weg war.
Ich hob meine Hand und strich über seine wundervollen Haare, als wären sie das kostbarste auf der Welt. Das waren sie auch. Er war kostbarer als alles andere. Danach folgte ich mit meinen Fingerspitzen seinen geraden Wangenknochen und legte meine Hand an seine Wange.
Er lächelte strahlend, legte seinen Arm um mich und zog mich sanft an seine Brust. Ich schlang die Arme um ihn und schloss die Augen, als er das Gesicht in meinen Haaren vergrub.
So ineinander verschlungen saßen wir eine gefühlte Ewigkeit lang da ohne etwas zu sagen.
Ich erinnerte mich an den Tag zuvor, als er mich schon einmal so umarmt hatte… und dann weg gelaufen war.
Würde es dieses Mal dasselbe sein? Würde er mich in den Himmel rufen, um dann plötzlich zu verschwinden?
Ich erstarrte, als sich die Panik in mir ausdehnte und all meine Nerven allarmierte. War dies mein letzter Moment mit ihm? War mein wundervoller Traum wirklich schon vorbei?
Er spürte die Anspannung, die durch meinen Körper fuhr und erstarrte automatisch ebenfalls.
Langsam löste er sich von mir und sah mir kurz ins Gesicht.
„Entschuldige“, flüsterte er und sah zu Boden. „Ich hätte meinen Gefühlen nicht so freien Lauf lassen sollen. Ich weiß, dass du… dass du mich nicht…“ Seine Stimme brach und schon wieder fing er an zu zittern.
Warum bebte er nur immer so, wenn er mit mir redete? Er war ein Vampir und niemand konnte ihm etwas antun. Sollte es doch jemand wagen, dann würde es dieser zutiefst bereuen, wenn er mich erst einmal kennen lernte! Edward war ein Engel und niemand würde ihm etwas tun, solange ich noch denken konnte. Er war der wunderschönste Engel, der auf der Welt und im Himmel existierte…
Ich zwang mich wieder ins Hier und Jetzt zurückzukehren und versuchte aus seinen Worten schlau zu werden.
„Dass ich dich nicht…?“, wiederholte ich verwirrt. Ich verstand nicht, worauf er hinaus wollte und dass meine Gedanken immer wieder abschweiften war auch nicht gerade hilfreich.
Das Zittern wurde heftiger. Er holte tief Luft und schloss die Augen.
„…liebst“, beendete er flüsternd seinen Satz und verzog schmerzvoll das Gesicht. Ich starrte ihn ungläubig an.
Dachte er das wirklich? Dachte er wirklich, meine Gefühle für ihn wären so unbeständig? Hoffte er, dass ich nichts mehr für ihn empfand und er weggehen konnte, ohne mir wehzutun?
„Aber… ich… du… was?“, stotterte ich während die Gedanken durch meinen Kopf wirbelten und alles darin durcheinander brachten.
Oder gingen seine Gedanken in eine völlig andere Richtung? Hatten sich seine Gefühle denn geändert? Wollte er mich doch noch? Hatte er das gestern wirklich ernst gemeint? Zitterte er so, weil er befürchtete, ich könnte ihn abweisen?
Hoffnung machte sich in mir breit und unterdrückte alles andere. Nur die Liebe zu ihm war stark genug, um diesem mächtigen Gefühl standzuhalten.
„Es tut mir leid“, flüsterte er und stand plötzlich vor mir. Bevor ich irgendetwas erwidern konnte war er schon wieder losgerannt.
„Warte Edward! Lauf doch nicht immer weg!“, rief ich ohne mir große Chancen zu geben. Da war sie hin, die Hoffnung und die Realität stürzte wieder auf mich ein.
Er war vor mir zurückgewichen. Er wollte wieder gehen und mich alleine lassen, so wie er es schon einmal getan hatte.
Mein stummes Herz schmerzte und Verzweiflung machte sich in mir breit. Er wollte mich nicht mehr. Die wenige Hoffnung, die ich gerade eben noch verspürt hatte, war ein Produkt meiner abergläubischen Gedanken gewesen.
Doch zu meiner Verblüffung hielt er tatsächlich inne. Ich rannte zu ihm hin und nahm vorsichtshalber seine Hand, damit er nicht auf die Idee kam, seine Flucht doch noch fortzusetzen.
Ich musste ihn lassen, doch ich konnte es einfach nicht. Es tat zu sehr weh.
„Bitte, Bella. Lass mich gehen. Ich kann es nicht ertragen“, flüsterte er ohne mir in die Augen zu sehen. Seine Worte gingen mir durch Mark und Bein. Ich hatte gewusst, dass er mich verlassen wollte, aber es zu hören war noch so viel schlimmer. „Zu wissen, dass du lebst ist alles, was ich zum Überleben brauche, aber ich kann dir nicht dabei zusehen. Ich kann nicht einfach so tun, als ob ich nichts für dich empfinden würde. Ich kann dir nicht in die Augen sehen, in dem Wissen, dass du einen anderen liebst. Ich werde ihm nichts tun, keine Angst, aber ich werde euch nicht dabei zusehen, wie ihr glücklich durchs Leben geht. So sehr kannst du mich gar nicht hassen, dass du mir das wünschst. Also bitte, bitte, lass mich einfach gehen.“ Er schloss die Augen und ließ den Kopf hängen.
Ich starrte ihn an und dachte nicht daran seine Hand loszulassen. Was um Himmels Willen meinte er?
„Wie kommst du darauf, dass ich einen anderen liebe? Sag mal, hast du sie noch alle?! Und wie kommst du auf den bescheuerten Gedanken, ich könnte dich hassen?“ Jetzt wurde ich richtig wütend. Was dachte er sich nur dabei? Hassen? Ich liebte ihn, hatte er das denn schon wieder vergessen?! Ich war gerade dabei wegen ihm innerlich zu sterben, bemerkte er das denn gar nicht?
Er schlug die Augen auf, erschrocken von meinem heftigen Tonfall.
„Liebst… du ihn etwa gar nicht?“
„Wen denn?“
Er sah mich lange an, bis er mir schließlich die Antwort gab. „Stephan.“
Ich war wie vom Schlag getroffen. Stephan? Wie kam er denn auf Stephan?
Während meiner Starre fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Warum er weglief, warum er mich in der Schule ignorierte, weshalb er all diese Worte gesagt hatte…
„Du… hast geglaubt… ich wäre in Stephan verliebt?“, fragte ich ungläubig.
Er sah traurig aus. „Ja“, sagte er und schaute weg.
„Edward. Ich liebe ihn doch nicht. Er ist mein Bruder

. So wie Emmet und Jasper es für dich sind. Ich habe ihn nie geliebt und das wird auch nie so sein“, sagte ich ruhig und suchte seinen Blick.
Er sah erleichtert aus, als er mir schließlich wieder in die Augen sah. „Wirklich nicht?“
„Wirklich nicht“, beruhigte ich ihn.
Ich überlegte, ob ich ihm die ganze Wahrheit sagen sollte, war mir aber nicht sicher, da ich nicht wusste, wie er darauf reagieren würde. Nein, es wäre sicherer, wenn ich es ihm nicht sagte.
„Was ist?“, flüsterte er und sah mir in die Augen. Und mit diesen goldenen Tiefen nahm er mir ohne jegliche Mühe meinen Willen. Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten, also platzte es einfach aus mir heraus.
„Du bist es, den ich will“, sagte ich und biss mir, sobald die Worte draußen waren, auf die Lippe.
Edward erstarrte kurz, seine Gesichtszüge entglitten ihm und er starrte mich ungläubig an. Ich hatte es doch gewusst, ich hätte es ihm nicht sagen sollen.
Doch dann breitete sich ein strahlendes Lächeln auf seinem Gesicht aus und plötzlich lag ich in seinen Armen.
„Ich liebe dich. Egal, ob du für mich dasselbe empfindest oder nicht. Ich werde dich immer lieben, bis ans Ende meiner Tage“, flüsterte er und küsste mich auf die Stirn.
Mein Herz schwoll an und das Loch in meiner Brust wurde endgültig geschlossen. Ich war im Himmel angekommen. Die Hölle hatte aufgehört mich zu quälen und ein Engel hatte mir aus Mitleid dieses Glück geschenkt.
Ich war ihm so dankbar dafür, dass ich alles für meinen unbekannten Retter getan hätte, um ihm ebenfalls dieses berauschende Glücksgefühl zu schenken. Eine so gütige Person wie er hatte es einfach verdient, glücklich zu sein.
Ich schlang meine Arme um ihn und drückte meine Lippen an seine Brust.
Danke, flüsterte ich in Gedanken zu dem Engel, der für mich das Gute auf der Welt verkörperte. Ich würde sein Geschenk niemals vergessen.
Eine weitere kleine Ewigkeit blieben Edward und ich so aneinander geschmiegt stehen.
Bis mir einfiel, wie schnell die Zeit verging.
Seufzend löste ich mich von ihm. Er sah mich an und flüsterte noch einmal: „Ich liebe dich.“ Ich küsste ihn auf die Wange. Seine Augen leuchteten.
„Wir müssen zurück zum Unterricht. Ich kann ja nicht immer nach der Mittagspause verschwinden“, meinte ich resigniert und seufzte.
Er seufzte ebenfalls und schien wenig begeistert bei der Vorstellung, mich loszulassen.
„Was hast du denn jetzt?“, fragte er ein wenig hoffnungsvoll. Anscheinend wünschte er, wir könnten noch eine Unterrichtsstunde zusammen verbringen.
„Biologie“, antwortete ich, ebenfalls begeistert bei der Vorstellung, wie in meinem Menschenleben neben ihm sitzen zu können.
Er küsste mich auf die Stirn. „Genauso wie früher. Setzt du dich neben mich?“, fragte er mit seinem schiefen Lächeln auf den Lippen.
„Hast du etwa auch Biologie?“, rief ich begeistert.
Er nickte und sein Lächeln war so atemberaubend schön, dass mir die Luft weg blieb.
„Natürlich sitzen wir nebeneinander!“
„Na dann, komm. Der Unterricht fängt in zwei Minuten an.“ Er nahm meine Hand und zusammen liefen wir zurück. Kurz bevor wir den Wald verließen, blieb ich stehen und hielt ihn an.

Gespräche...oder so ähnlich...



„Sag den anderen bitte nichts“, bat ich ihn eindringlich. Er nickte. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Dann ließ ich seine Hand los und trat aus dem Dickicht der Bäume.
Er kam mir hinterher und zusammen liefen wir im Menschentempo zum Unterricht.
Dort angekommen setzte Edward sich auf seinen Platz; ich ging zum Lehrer, da ich mich bei ihm gestern ja noch nicht vorgestellt hatte.
„Hallo, ich bin Cathleen Armstrong. Ich hatte gestern nach der Mittagspause Magenschmerzen und konnte deswegen nicht zum Unterricht kommen. Ich hoffe, das ist nicht schlimm. Die Sekretärin meinte, sie würde mich entschuldigen“, sagte ich zu dem Lehrer und achtete auf meine freundliche Erscheinung.
Er riss die Augen auf und musterte mich. Mir fiel auf, dass er sehr jung war. Allerhöchstens fünfundzwanzig. Ich hörte Edward leise zischen.
„Hallo Cathleen. Ich bin Mr. Meyers. Natürlich ist das in Ordnung. Ich hoffe es geht ihnen wieder gut?“ Er gab sich sehr viel Mühe mit seinem Lächeln. Edward knurrte auf seinem Platz – natürlich so leise, dass kein Mensch es wahrnehmen könnte.
„Ja, mir geht es gerade sehr gut. Vorzüglich um genau zu sein.“ Ich lächelte ihn an und seine Augen weiteten sich. Ich konnte mir sehr gut vorstellen, wie Edwards Gesicht jetzt aussah und musste mir ein Kichern verkneifen.
Mr. Meyers brauchte einen Augenblick um sich wieder zu fangen, ich wartete geduldig. Diese Reaktion war ich schon gewöhnt.
Irgendwie konnten die Männer nie die Augen von mir lassen – allerdings nicht unbedingt nur die Jüngeren.
„Ähm“ Er schluckte und rang sichtlich um Fassung. „Suchen Sie sich doch einen freien Platz aus, Cathleen“, meinte er und deutete mit seinem Arm auf die Klasse. Mir fiel auf, dass mich alle anstarrten – vor allem die männlichen Schüler.
„Vielen Dank Mr. Meyers; und nennen sie mich doch bitte Caty.“ Ich achtete bei meinem Lächeln darauf, meine Zähne zu verbergen, ließ es jedoch sehr herzlich wirken.
„Würde sich vielleicht jemand melden, der es der reizenden Cathleen Armstrong erlauben würde, sich neben sich niederzulassen?“, fragte Mr. Meyers in die Klasse und sah überwiegend die Mädchen an. Anscheinend behagte ihm die Vorstellung nicht, ich könnte mich neben einen Jungen meines Alters setzen.
Ich versuchte angestrengt nicht zu grinsen, als alle Jungen ohne Sitzpartner gleichzeitig den Arm hoben – bis auf Edward – und diejenigen mit Sitzpartner den anderen stechende Blicke zuwarfen.
Gespielt hilfesuchend sah ich zu Mr. Meyers, er lächelte mir aufmunternd zu, also ging ich ein wenig befangen durch die Klasse und blieb neben Edwards Tisch stehen.
„Darf ich mich setzen?“, fragte ich. Dass er es sich vielleicht doch anders überlegt haben könnte, machte mich unsicher.
Er sah zu mir auf und lächelte mich schief an – ich atmete innerlich erleichtert auf.
„Aber natürlich, Cathleen. Setz dich nur.“ Er machte eine Handbewegung, dass ich mich nicht von ihm abhalten lassen sollte und sah mich weiterhin freundlich lächelnd an.
Ich lächelte zurück und setzte mich. Alle Jungen sahen Edward wutschnaubend an, die Mädchen taten dasselbe mit mir. Wir grinsten beide.
Mr. Meyers – der ebenfalls nicht wirklich begeistert über meine Wahl zu sein schien – ging zur Tafel und begann den Unterricht.
Ich ignorierte ihn geflissentlich.
„Na, wie geht’s?“, fragte Edward und lächelte mir zu. Ach stimmt ja… Die anderen hörten zu, da konnten wir nicht so reden wie im Wald, was ich sehr schade fand.
Also zuckte ich die Schultern und tat so, als wäre alles stink normal. „Ganz okay, und dir?“, fragte ich gelassen zurück.
„Geht so“, meinte er und zwinkerte.
„Sag mal, kann es sein, dass Jasper die Gefühle anderer bemerkt oder so? Anders kann ich mir den Vorfall vorhin einfach nicht erklären.“ So, jetzt musste ich zumindest nicht mehr so tun, als würde ich über ihre Gaben nicht Bescheid wissen.
Er spielte beeindruckt. „Gut erkannt. Bist du gut im Beobachten?“, fragte er und grinste.
„Nicht wirklich. Es war nur irgendwie logisch in dem Zusammenhang“, gab ich zu und lächelte verlegen. Das war nicht einmal gelogen.
„Und ist das sozusagen deine Gabe, dass ich deine Gedanken nicht hören kann?“, fragte er.
Er versuchte den Anschein zu wahren, also tat ich das auch.
„Hä?“, sagte ich, kniff die Augen ein klein wenig zusammen und legte den Kopf schief. Er sah verwirrt zurück – anscheinend hatte er vergessen, dass ich ja eigentlich von seinem Talent überhaupt nichts wusste.
Ich stupste ihn mit dem Ellbogen an und er begriff.
„Ach so, das habe ich dir noch gar nicht gesagt… Naja, also ich kann Gedanken lesen…“ Es schien ihm unbehaglich zu sein.
„Ihr seid ja ganz schön talentiert. Alice kann in die Zukunft sehen, du bist ein Gedankenleser und Jasper kennt die Gefühle anderer…“ Ich hob die Augenbrauen.
„… und kann sie kontrollieren“, ergänzte Edward abwesend. Ich grinste in mich hinein – ich hatte es doch tatsächlich geschafft ihn vom Thema abzubringen. Immerhin wollte er ja eigentlich etwas über unsere Talente erfahren und nicht umgekehrt.
„Was ist?“, fragte er neugierig.
„Nichts“, meinte ich und versuchte nicht zu lachen.
„Wenn nichts wäre, würdest du aber nicht so gucken, als ob was ist.“
„Tu ich das denn?“ Ich konnte mir ein kleines Kichern nicht verkneifen. Warum war ich eigentlich so belustigt?
„Ja, das tust du. Verdammt noch mal! Warum kann ich nur deine Gedanken nicht lesen?“, fragte er mich genervt. Da schien ihm etwas einzufallen. Mein Kichern erstarb. „Kann es sein, dass ich gerade ganz schön vom Thema abgeschweift bin?“, fragte er erstaunt.
Eindeutig war er es nicht gewohnt, das zu sagen. Ich lachte und nickte.
„Ja, das bist du. Und ehrlich gesagt ist es unheimlich lustig dir dabei zuzusehen!“
„Ach so. Naja…“ Er blickte verlegen drein. „Jetzt kannst du mir ja die Antwort auf meine eigentliche Frage geben, oder?“
„Natürlich kann ich das.“ Mehr sagte ich nicht.
„Und… gibst du sie mir auch?“, fragte er unsicher, als ich weiterhin schwieg. Ich lachte über sein Gesicht.
„Ja klar. Sicher ist das meine Gabe, was denn sonst?“, fragte ich belustigt.
Emmet stimmte mit in mein Lachen ein und lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf die anderen, die still und geheim zuhörten.
Alice machte „Scht!“ und zischte leise. Emmet verstummte.
Jasper stöhnte. „Zu spät, Alice. Emmet hat´s mal wieder versaut“, meinte er resigniert.
„Ach, so viel mehr hätte sie sowieso nicht preis gegeben. Dazu ist sie viel zu geheimnisvoll“, meinte Stephan und ich musste grinsen. Da hatte er Recht. Immerhin hatte ich fast dreißig Jahre Geheimnisse vor ihm gehabt. Wenn er wüsste, was ich Edward schon alles erzählt hatte…
„Woher weißt du das denn?“, fragte Emmet.
„Ich habe fast dreißig Jahre mit ihr zusammen gelebt, was denkst du denn, woher ich das weiß?“
Alice und Jasper lachten. Mir fiel plötzlich auf, dass Rosalie noch nicht wirklich viel gesagt hatte… Ich fragte mich, ob sie Cathleen genauso wenig leiden konnte, wie Bella…
„Ach… ignorier die einfach“, meinte Edward und wandte sich wieder an mich.
„Weißt du, ich bin nicht gerade gut im ignorieren…“, sagte ich und grinste.
Plötzlich zog Edward einen Zettel aus seiner Mappe, schnappte sich einen Stift und begann zu schreiben. Ich lugte ihm über die Schulter.

Also, so können die anderen unser Gespräch nicht mitkriegen.

Ich zog die Augenbrauen hoch. Das war schon mal eine Idee, aber sie hatte ein paar Schwachstellen.

Ja, da hast du schon Recht, aber was machen wir, wenn deine Geschwister dir den ganzen Zettel klauen? Dann hat die Aktion nicht wirklich viel gebracht.

Plötzlich schnappte Edward mir das Blatt Papier weg und öffnete den Mund, als wollte er das geschriebene vorlesen. Seine Augen waren seltsam verschleiert und sein Gesicht ausdruckslos. Diesen Ausdruck kannte ich doch…
„Stephan!“, zischte ich und schob Edward schnell unter meinen Schutzschild. Er sah wieder normal aus, zwar etwas verwirrt, aber trotzdem normal. „Lass das sein!“
„Verflucht! Warum musst du denn auch unbedingt ein Schutzschild sein? Kannst du denn nicht… Keine Ahnung! Teleportieren wäre doch ´ne viel bessere Gabe! Warum gerade ein Schutzschild?!“ Er fluchte weiter vor sich hin und die anderen schienen mal wieder so gar nichts zu verstehen.
Ich kicherte, als ich seine Flüche hörte.
„Du… hast mich unter deinen Schutzschild gezogen?“, fragte Edward. Ich konnte sein Gesicht nicht deuten. Ich zuckte die Schultern.
„Wow… Ich hätte gedacht, das merkt man irgendwie, aber es fühlt sich genauso an wie vorher…“ Ich war abgelenkt. Mein Schutzschild hatte mich auf eine Idee gebracht. Sie war zwar nicht Weltklasse, aber wenigstens etwas.
Ich schnappte mir den Zettel und schrieb:

Ich glaube, ich habe eine Idee. So können deine Geschwister zumindest nur die Hälfte von unserem Gespräch lesen… Schreib du einfach alles auf, was du mich fragen willst oder was auch immer. Den Rest erledige ich.

Ich gab ihm den Zettel zurück und er las ihn. Er runzelte die Stirn. „Was hast du vor?“, fragte er misstrauisch.
Ich lächelte, dann schob ich meinen Schutzschild komplett aus meinen Gedanken und wickelte ihn darin ein. Er keuchte, seine Augen leuchteten.
Reis dich zusammen

, sagte ich zu ihm.

Caty! Was machst du da?

Na was denn wohl? Ich teile dir meine Gedanken mit. Das solltest du doch eigentlich gewöhnt sein, oder?


Er starrte mich fassungslos an. Ich lächelte und deutete auf den Zettel.

Also, was willst du denn jetzt wissen?



Wie machst du das? Ich meine, Herr Gott noch mal, ich kann dich hören!

Hab ich dir das nicht gestern gesagt? Ich schiebe einfach meinen Schutzschild aus meinen Gedanken. Siehst du?


Ich ließ meinen Schutzschild zurück in mich hinein flutschen.

Hey! Komm zurück!
Ich kicherte, wickelte meinen Schutzschild aber wieder um ihn.

Also, können wir mal zur Sache kommen?



Also gut. Hm… Okay, also haben auch noch andere aus deiner Familie besondere Fähigkeiten? So wie das Gedankenkontrollieren und so?

Kannst du das nicht in den Köpfen der anderen sehen? Ich meine, Stephan hat seine Gabe ja schon auf dich angewendet.



Naja, also von Stephans Gabe habe ich nicht wirklich viel mitgekriegt. Ich hab gar nicht so richtig geschnallt, was eigentlich los war. Erst als ich unter deinem Schild war, konnte ich wieder klar denken. Was kann er denn jetzt eigentlich? Er hat sofort versucht nicht daran zu denken und sich auf den Unterricht konzentriert. Nicht wirklich gut, wenn du mich fragst. Ich hab ein paar Einblicke darauf bekommen, aber ich werde nicht wirklich daraus schlau.
Er sah mich an und ich konnte in seinen Augen sehen, dass er immer noch ziemlich erschrocken von Stephans Attacke auf seine Gedanken war. Am liebsten würde ich diesem Idioten dafür den Hals umdrehen.

Sonst warst du doch nie so gewalttätig.

Er schenkte mir das wunderschönste schiefe Lächeln, das ich jemals auf der Welt gesehen hatte und ich fühlte mich an mein Menschenleben erinnert, in dem ich immer nicht mehr richtig denken konnte, wenn er mich so angelächelt hatte. Daran hatte sich nichts geändert.
Seine Augen glühten plötzlich und mir stockte der Atem. Ich hatte ganz vergessen, dass er ja alles hörte, was ich dachte.
Er strahlte mich an und ich vergaß alles um mich herum. Genauso wie früher.
Er lächelte entschuldigend und sah auf das Blatt Papier.
Ich musste erst einmal wieder meine Gedanken sortieren.
Er schnappte sich den Stift und begann wieder zu schreiben.

Entschuldige, ich bin nur so überrascht, dass du… Naja, du weißt schon worüber. Aber mal zurück zum Thema, wie funktioniert das jetzt bei Stephan?

Naja, er kann die Gedanken anderer kontrollieren. Dieser jemand bemerkt es dabei gar nicht, Arisa sagt, es fühlt sich so an, als ob man das ganze wirklich gedacht hat. Und da der Körper einer Person mehr oder weniger durch die Gedanken gesteuert wird, kann er einen praktisch dazu bringen, etwas Bestimmtes zu tun.


Und mit dir kann er das nicht machen? Was wehrt dein Schutzschild denn überhaupt ab? Ich meine, wenn Jasper und Alice ihre Gaben auf dich anwenden können, warum kann ich es dann nicht? Und habt ihr schon andere Vampire getroffen, bei denen die Gaben nicht funktioniert haben?

Du hast aber eine Menge Fragen.


Er lächelte und schrieb weiter.

Das kommt daher, dass ich so neugierig bin.
Er sah mich aufrichtig an und formte mit den Lippen die Worte: „Ich liebe dich“

Ich liebe dich auch, Edward. Hm… Also ich werde mal versuchen deine Fragen zu beantworten… Also, wir waren vor kurzem in Italien… Bei den Volturi… Und da gab es dieses Mädchen, Jane.


Edward erstarrte. Seine Nasenflügel blähten sich und seine Augen sprühten Funken. Ich bekam Panik.
Was ist los? Edward! Was ist?

Er schüttelte nur den Kopf.
Also jedenfalls, fuhr ich fort und sah ihn weiterhin besorgt an. Er beruhigte sich langsam und meine Panik legte sich. Janes Gabe hat bei mir nicht funktioniert. Und Aros auch nicht. Und Alecs. Und Demetris. Naja, eigentlich hat keine ihrer Gaben irgendetwas bei mir angerichtet.



Edward starrte mich fassungslos an. Ich sah zurück und hob die Augenbrauen.

Du hast Jane abgewehrt? Jane? Echt jetzt?, schrieb er und sah mich dabei unverwandt ungläubig an.

Ich nickte. Warum? Kennst du sie?



Komplizierte Geschichte. Erzähl ich dir ein anderes Mal.

Ich sah ihn stirnrunzelnd an. Hatten wir etwa Geheimnisse voreinander? Er schüttelte den Kopf. Das war ja echt praktisch.
Ich erinnerte mich daran, was Jacob über diese Gedankenleserei im Rudel gesagt hatte. Das es zuweilen ganz nützlich war, aber auch total nervig.
Als ich an ihn dachte, spürte ich einen Stich im Herzen. Wie angeekelt er mich angesehen hatte, als er erfahren hatte, dass ich nun ein Vampir war.
Edward starrte mich an. Ich konnte Schock in seinem Blick erkennen und noch etwas anderes, das ich nicht deuten konnte.

WAS? Du… Wie jetzt?
Ja, ich verstand, was Jacob mit nervig gemeint hatte.
Seufzend zog ich meinen Schutzschild wieder zurück. Es würde sowieso gleich klingeln.

Entschuldigung. Es ist nur schwer das zu ignorieren. Kommt ihr heute wieder zu uns? Esme findet euch ja alle so reizend. Auch wenn sie es nicht so gut findet, dass ihr Menschen jagt.
Er verzog das Gesicht. Anscheinend war er auch nicht so begeistert davon.

Anstatt ihm meine Gedanken zu zeigen, schrieb ich lieber wieder auf das Blatt Papier, wodurch sich der Ausdruck in seinen Augen ein wenig verfinsterte.

Die anderen jagen Menschen. Ich habe noch nie menschliches Blut getrunken. Ist doch total grausam Menschen zu jagen. Ich meine, wir waren doch alle selbst mal welche. Ich glaube, ich würde mir wie ein Monster vorkommen.

Wem sagst du das? Wir sind nicht umsonst seit Jahrzehnten Vegetarier – oder besser gesagt, seit Jahrhunderten. Es befreit die Seele, etwas für das Überleben der Menschen zu tun, die sonst sterben würden. Aber was ist? Kommt ihr jetzt oder nicht?

Ich weiß nicht, was Stephan dazu sagt, aber ich schaue auf jeden Fall mal vorbei. Hat deine Familie denn nichts dagegen? Ich meine, wir haben uns ja erst gestern kennen gelernt. Und ich weiß aus Erfahrung, dass Vampire wirklich sehr misstrauisch sind, was ihres Gleichen angeht.

Die meisten Vampire sind aber auch keine Vegetarier.

Da hast du auch wieder Recht.

"Heimliche" Verehrer



Im nächsten Moment klingelte es und er steckte den Zettel in seine Hosentasche.
Ich stand auf und er erhob sich ebenfalls. Zusammen gingen wir aus dem Raum, wo schon die anderen neugierig auf uns warteten.
Ich grinste Stephan an, der mal wieder so gar nichts schnallte.
Alice sah Edward an und streckte verlangend die Hand aus. Er grinste und schüttelte ihr die Hand. Sie verdrehte die Augen.
„Rück den Zettel raus, Edward“, sagte sie und seufzte.
Edward sah mich fragend an, ich lächelte und nickte. Sollten sie ihn doch lesen. Eigentlich hatten wir ja über kaum etwas Interessantes gesprochen. Und die ganzen Antworten von mir standen ja sowieso nicht drauf. Es war höchst wahrscheinlich viel zu zusammenhanglos.
Er zog den Zettel aus seiner Hosentasche und drückte ihn Alice in die Hand. Jasper machte große Augen, Edward warf ihm einen warnenden Blick zu.
„Stephan, was hast du jetzt?“, fragte ich um die kurze Stille zu unterbrechen.
Der sah mich an und lächelte. „Mathe. Aber das hattest du ja schon. Was hast du denn?“
„Ich hab jetzt Sport“, antwortete ich und zog eine Grimasse.
Auch wenn mir dieses Fach inzwischen sehr leicht fiel, konnte ich es immer noch nicht leiden. Stephan verstand das nicht wirklich. Er liebte es bewundert zu werden und unsere sportlichen Fähigkeiten führten oft dazu, dass wir nicht nur bewundert sondern auch beneidet wurden.
Ich fand es einfach nur unglaublich langweilig. Ich meine, wir konnten ja nicht mal ansatzweise unsere Fähigkeiten ausleben, sonst würde der Lehrer wahrscheinlich einen Herzinfarkt bekommen und wir müssten mal wieder umziehen.
„Naja, ich geh dann mal los“, sagte ich und setzte mich seufzend in Bewegung. Die anderen gingen langsam auch zu ihren jeweiligen Stunden – Alice war vollkommen in das Blatt Papier versunken und musste von Jasper durch die Schule geführt werden.
Die Turnhalle war nicht zu verfehlen. Sie war das größte Gebäude hier und mit einem riesigen Schild versehen.
Als ich durch die Tür trat, hörte ich, wie zwei Jungen nach Luft schnappten, als sie mich sahen. Ich schmunzelte.
Ich ging in den Umkleideraum für die Mädchen und holte meine Sportsachen raus. So schnell wie möglich, aber immer noch in menschlicher Schnelligkeit, zog ich mich meine Klamotten aus und die Sportsachen an.
Ich mochte es nicht, wenn mich die anderen Mädchen so beglubschten, als ob sie mir am Liebsten mit einem stumpfen Küchenmesser blutige Spuren in meine Granithaut schneiden wollten.
Also lehnte ich mich betont lässig an die Wand und lauschte dem Trubel in der Jungenkabine.
„Diese Neue, ähm… Mist, keine Ahnung, wie sie heißt…“, fing einer der beiden Jungen von vorhin an zu berichten. Doch er wurde von einem anderen unterbrochen.
„Diese Neue heißt Cathleen, nur mal so.“
„Na gut, dann eben Cathleen“, betonte der Junge genervt und fuhr dann mit seinem Bericht fort. „Jedenfalls hat die jetzt Sport, verdammt noch mal!“
Ich war verwirrt über die Reaktion, die diese Aussage zur Folge hatte. Warum freuten die Typen sich denn so darüber? Ich meine in den anderen Fächern sind die doch auch nicht so ausgetickt!
„Oh … mein … Gott!“, riefen drei Typen gleichzeitig – und das so laut, dass jetzt sogar einige Mädchen erstaunt aufschauten, obwohl die in einem ganz anderen Raum waren.
„Hey, macht euch bloß keine Hoffnungen! Wenn wir Partnerarbeit machen, ist sie gefälligst meine, ist das klar?“, bestimmte einer aufgeregt. Ich runzelte die Stirn.
„Kannst du vergessen! Du hast doch schon Lizzy bekommen!“, rief einer rein.
Das war ja schmeichelnd. So entschieden Jungen also darüber, wer wen anbaggert.
„Anscheinend hast du wohl ein paar neue Verehrer, Caty“, sagte Stephan lachend.
Emmet stimmte mit in sein Lachen ein und das nicht gerade leise. Ich fragte mich, was sich der Lehrer jetzt wohl dachte.
„Ich frag mich für wen sie sich entscheidet…“, grübelte Alice vor sich hin.
„Stimmt, interessante Frage.“ Stephan hatte Probleme damit sich wieder einzukriegen.
Ich verdrehte die Augen und erntete einige verwunderte Blicke der Mädchen in meiner Nähe.
Schließlich waren so gut wie alle fertig und stellten sich an der Tür an, keine Ahnung wieso. Der Lehrer kam und sagte, dass wir nun die Turnhalle betreten durften – anscheinend war das hier so Sitte, dass sich die Schüler vor der Tür aufstellten und der Lehrer ihnen dann den Eintritt erlaubte.
Wenig begeistert lief ich den anderen hinterher und setzte mich auf die Bank – ungefähr einen Meter vom äußersten Mädchen entfernt.
Das stellte sich als Fehler heraus, denn als die Jungen herein kamen, brach erst einmal ein verbitterter Kampf um den Platz neben mir aus.
Ich zog eine Augenbraue hoch, als sich der Gewinner mit einem strahlenden Lächeln zu mir gesellte.
Tja, nun. Er saß neben mir. Fein gemacht. Und was brachte ihm das jetzt?
„Hi, ich bin Mike. Du bist Caty, oder?“ Er hielt mir die Hand hin und lächelte.
Mike. Hm… Das passte ja. Ich hatte so langsam das Gefühl, dass sich mein Menschenleben in Forks wiederholte.
„Ja“, antwortete ich nur und versuchte nicht allzu belustigt zu klingen. Ich nahm seine Hand und lächelte zurück. Ich hörte, wie jemand die Zähne zusammen biss – und es klang verdächtig nach einem Vampir.
Da rief der Lehrer uns zur Ruhe und begann darüber zu labern, wir hätten einen Neuzugang in der Klasse, und so weiter und so fort. Ich seufzte, als er meinen Namen sagte und sich alle Köpfe zu mir umdrehten.
„Nun gut, da ihr jetzt alle wisst, wer Cathleen ist, fangen wir doch mit dem Unterricht an.“ Sehr gut, Mr. … Ehm, wie hieß er noch mal?
Ich drehte mich zu Mike, der seinem Gesicht nach zu urteilen äußerst erfreut über diesen Umstand war, und erschrak, als ein Vampir plötzlich leise knurrte. Dieses Geräusch würde ich immer erkennen, so wie jeden anderen Ton, der seinen Ursprung in dieser Kehle hatte.
„Weißt du vielleicht, wie unser Lehrer heißt? Ich hab seinen Namen leider vergessen“, fragte ich ihn und schenkte ihm ein reizendes Lächeln.
„Mensch, Edward. Was ist denn mit dir los?“, flüsterte Alice, verwirrt von Edwards heftiger Reaktion – einfach so los zu knurren, wenn mich ein Junge anbaggerte, war nicht gerade die beste Variante, um den Anschein zu wahren.
„Tut mir leid. Es ist nicht leicht immer die Gedanken der Lehrer zu kennen“, flüsterte er zurück.
Ach so – das Ganze hatte gar nichts mit meiner Aktion zu tun.
Ich konzentrierte mich wieder auf Mike, der immer noch von meinem Lächeln überwältigt war. Als er wieder Luft bekam antwortete er mit leicht zitternder Stimme. „Das ist Mr. Pickelts.“
„Mr. Pickelts?“, fragte ich und grinste – wobei ich sorgsam darauf achtete, meine Zähne zu verdecken. Was war das denn für ein bescheuerter Name?
Ich sah dem Lehrer ins Gesicht – hm… Der Name passte.
Mike nickte nur. Ich sollte mich ein wenig zurück halten, sonst bekam er noch einen Herzinfarkt.
Mr. Pickelts hatte unterdessen irgendeinen Mist erörtert und kam nun endlich zur Sache.
Wir wollten Völkerball spielen und sollten zwei Mannschaften wählen. Ha! Das war’s dann wohl mit Partnerarbeit!
Ich grinste vor mich hin, bis Mr. Pickelts plötzlich meinen Namen aufrief. Erschrocken sah ich auf.
„Wie bitte?“, fragte ich höflich. Er lächelte nur und deutete auf den Boden neben dem Mädchen, das wählen sollte. „Ich soll wählen?“, fragte ich verdattert. Das hätte ich jetzt echt nicht erwartet.
„Aber natürlich“, sagte er und lächelte, als hätte er mir gerade einen großen Gefallen getan.
„Aber ich kenn die Klasse doch überhaupt nicht. Woher soll ich dann wissen…“
„Genau deswegen ja. So kriegen wir zwei gemischte Mannschaften.“ Er deutete immer noch lächelnd auf den Boden, ich stand auf und stellte mich hin.
Das Mädchen neben mir sah Mr. Pickelts an und der nickte. „Lucas!“, rief sie und ein braunhaariger Junge gesellte sich mit einem leidenden Märtyrerblick in meine Richtung zu ihr.
Jetzt war ich an der Reihe und ich musste einen Jungen wählen. Ich nahm einfach den einzigen, mit dem ich je ein Wort gewechselt hatte und holte Mike in mein Team. Danach zeigte ich einfach auf irgendwelche Personen, die halbwegs nett aussahen – die von mir gewählten Jungen grinsten allesamt triumphierend, während die Mädchen wütend die überschminkten Gesichter verzogen.
Als wir uns auf dem Spielfeld verteilen sollten, rannten alle Mädchen wie auf Kommando an die hintere Turnhallenwand. Ich verdrehte die Augen und blieb ungefähr in der Mitte des Spielfeldes stehen.
Mike stellte sich neben mich und lächelte.
„Bist du gut im Völkerball?“, fragte er und sah mich aufmunternd an.
Ich zuckte die Schultern. „Geht so.“
Der Lehrer warf drei Bälle ins Feld und schon ging’s los. Die Mädchen hinter mir waren in Null Komma nichts abgeschossen.
Als ich schließlich die einzige weibliche Person auf dem Spielfeld war, schienen es irgendwie alle auf mich abgesehen zu haben.
Als der erste Ball auf mich zuflog, streckte ich lässig den Arm aus und fing ihn. Mike machte große Augen, doch ich achtete nicht darauf.
Ich berechnete den richtigen Winkel und warf den Ball mitten in die andere Mannschaft. Durch meinen Wurf wurden drei Jungen getroffen und Mike fiel die Kinnlade herunter.
Schließlich ging unsere Mannschaft immer weiter in Führung – was hauptsächlich mein Verdienst war – und die Jungen wurden mit jedem meiner Würfe immer ungläubiger. Hatten die etwa noch nie ein Mädchen gesehen, das gut in Sport war? Mann, sonst führten die Menschen sich doch nie so auf…
Als Mr. Pickelts uns freigab und ich gerade zurück in die Umkleidekabine gehen wollte, wurde ich von Mike abgefangen.
„Geht so?“, fragte er und lächelte.
Ich lächelte zurück und nickte. „Es gibt bessere.“
„Sei nicht so bescheiden, du warst sagenhaft.“ Sein Blick wurde bewundernd.
„Du warst aber auch nicht schlecht…“, erwiderte ich, er grinste.
„Da ist wohl jemand verknallt…“, flüsterte Alice und ich konnte ihr Grinsen förmlich vor mir sehen. Die anderen lachten – alle, außer Edward.
„Danke“, sagte Mike und wollte noch etwas sagen, aber ich unterbrach ihn.
„Tut mir echt leid, aber ich muss los… Hab noch was vor. Wir können ja morgen weiter reden“, sagte ich und lächelte ihn entschuldigend an. Die anderen hatten ihr Gelächter inzwischen in ein leises Kichern verwandelt.
„Oh, da ist er jetzt bestimmt total enttäuscht!“, meinte Emmet.
„Und die Caty sicherlich auch!“, ergänzte Rosalie und lachte wieder los.
Ich ging schnell in die Umkleide und zog mich um, während sie immer weiter versuchten mich zu ärgern.
„Das hast du echt klasse gemeistert, Caty! Sie sind immer mehr an den Mädchen interessiert, die sich wehren. Den kriegst du so mit Sicherheit ganz schnell rum!“, meinte Alice. Ich hätte gedacht, das wäre ein Scherz, aber sie klang so ehrlich, dass ich mich doch fragte, ob sie es nicht vielleicht wirklich ernst meinte.

Endlich wieder vereint



Ich lief zum Parkplatz, wo sie schon auf mich warteten und blickte genervt.
Stephan sagte als erster etwas zu mir, was nicht im Caty-steht-auf-Mike-Stil war. „Wollen wir gleich zu ihnen fahren? Ich hab ehrlich gesagt kein Bock auf zu Hause rumhocken.“
„Nur wenn die da die Klappe halten!“, erwiderte ich und deutete auf Alice, Jasper, Rosalie und Emmet.
Die kicherten, sagten jedoch im Chor „Na gut“ und stiegen in Edwards Volvo. Stephan sagte, er würde sein Auto noch schnell nach Hause fahren und dann zu uns laufen.
Da ich kein Bock hatte, in einem Auto voller kichernder Vampire zu stecken, entschloss ich mich ihn zu begleiten.
Kaum hatte Stephan in der Garage geparkt, wollte ich auch schon losrennen, um dem Gespräch zu entkommen, das er jetzt mit Sicherheit mit mir führen wollte, aber nichts da. Er hielt mich früh genug am Arm fest und da er um ein Vielfaches stärker war als ich – das Menschenblut stärkte ihn –, gab ich seufzend auf.
„Du weißt, was ich wissen will“, sagte er und sah mir in die Augen. Sicher wusste ich das, er wollte dasselbe wissen, wie im Auto, als wir zur Schule gefahren waren.
„Ja, ich weiß, aber ich kann es dir nicht sagen. Du weißt doch – Alice.“ Ich grinste. Sie bot mir eine fabelhafte Ausrede.
„Warum sagst du es den anderen nicht einfach? Das wäre doch viel leichter.“
„Ich kann nicht. Und ich will es auch gar nicht.“
Mit diesen Worten drehte ich ihm den Rücken zu, riss mich los und rannte zu den Cullens. Ich musste mich nicht umdrehen, um zu wissen, dass er mir folgte.
Unser Lauf dauerte nicht lange. Nach nicht einmal einer Minute kamen wir schon an dem schönen Haus an, das so sehr dem ähnelte, das jetzt verlassen in Forks rumstand.
„Hey, Caty!“, rief Alice, als wäre sie total überrascht mich hier zu sehen.
„Hey, Alice! Was machst du denn hier?“, rief ich genauso überrascht zurück und brachte alle Anwesenden zum Lachen.
Alice lief auf mich zu und umarmte mich kurzerhand. Ich musste lachen.
Wir kannten uns gerade mal zwei Tage – jedenfalls offiziell – und sie umarmte mich. Also für Vampire waren sie geradezu außergewöhnlich vertrauensvoll.
„Sag mal, wie habt ihr es geschafft so lange zu überleben? Wenn ihr alle anderen Vampire mit so offenen Armen begrüßt, hättet ihr doch schon längst tot sein müssen!“ Obwohl meine Worte als Scherz gemeint waren, bekam ich Panik bei dem Gedanken, dass Edward irgendetwas zustoßen könnte.
Jasper runzelte die Stirn und Edward hob sorgenvoll die Augenbrauen. Ich seufzte – ihre Talente waren ja echt total ärgerlich.
Hätte ich meinen Schild nicht, wäre ich hier bestimmt schon längst krepiert.
Ich meinte, dann würden sie ja meine Gefühle, Gedanken, Zukunft und Vergangenheit kennen und teilweise auch steuern können! Von Privatsphäre konnte da ja nicht wirklich die Rede sein, oder? Ach herrje… die anderen konnten einem echt leidtun.
„Also, was machen wir heute?“, riss Alice mich aus meinen Gedanken. Hm… gute Frage.
„Wäre es gefährlich, dich zu fragen, auf was du denn Lust hast?“, fragte ich vorsichtig und eher an die anderen gewandt. Ich wollte ja kein Risiko eingehen.
Die anderen lachten und Alice öffnete den Mund um mir die Antwort zu geben, da sagten sie schon alle im Chor: „Ja, wäre es!“
Sie machte einen Schmollmund und ich konnte mir ein Kichern nicht verkneifen.
„Also, was macht ihr denn sonst so?“, fragte Stephan jetzt, um wenigstens mal zu einem Ergebnis zu kommen.
Daraufhin sahen sie sich fragend an und zuckten die Schultern.
„Eigentlich… jeder was er will“, antworteten Rosalie.
„Gut, dann machen wir das jetzt auch so. Hm… Sag mal, habt ihr hier vielleicht eine Küche?“, fragte Stephan und ich wusste schon, was er vorhatte. Er wollte mit seiner neuen Erfindung angeben. Ich verdrehte die Augen.
„Du bist echt immer auf Aufmerksamkeit aus, oder Stephan?“, fragte ich, was für die anderen wahrscheinlich nicht wirklich einen Sinn ergab. Bis auf Edward…
Mein ‚Bruder‘ ignorierte mich und sah die anderen erwartungsvoll an. „Na logisch haben wir eine Küche. Soll ich sie dir zeigen?“ Rosalie schien ein wenig verwirrt zu sein, fragte jedoch nicht nach.
„Das wäre echt nett von dir!“, rief Stephan begeistert aus und folgte ihr ins Haus.
„Also ich geh erst mal jagen. Kommst du mit, Alice?“, fragte Jasper und lächelte sie an.
„Ja natürlich“, antwortete sie und schon waren die beiden im Wald verschwunden.
„Ich werde mal sehen, was Stephan so in der Küche treibt… Hört sich irgendwie interessant an“, meinte Emmet und ließ mich und Edward allein zurück.
Wo Esme und Carlisle waren wusste ich nicht.
Edward sah mich an und lächelte. „Dann sind wohl nur noch wir beide übrig“, sagte er leise und ich konnte den zufriedenen Unterton aus seiner Stimme heraushören.
„Kommst du mit? Ich geh mal eine Runde laufen“, meinte ich und bemühte mich lässig zu klingen.
Er nickte und lief los, ich ihm hinterher. Er war um Einiges schneller als ich und ich musste mich sehr anstrengen, um mit ihm Schritt zu halten.
Er grinste, als er bemerkte, wie schwer es mir fiel und verlangsamte das Tempo.
Eine Weile liefen wir einfach schweigend nebeneinander, bis ich es einfach nicht mehr aushielt und stehenblieb. Er reagierte sofort und kam direkt neben mir zum Stillstand, als hätte er es gerade eben selbst vorgehabt.
Ich machte zögernd einen Schritt auf ihn zu und nahm seine Hand. Kaum berührten wir uns, fiel alle Anspannung von mir ab und es erfüllte mich eine tiefe Ruhe.
Edward schlang seinen Arm um meine Taille und zog mich an seine Brust. Er seufzte wohlig auf und ich konnte spüren, wie sein Atem sacht meine Haare bewegte.
Ich drückte meine Lippen auf sein Hemd und schloss die Augen. Am liebsten würde ich ihm für immer und ewig so nah sein, wie in diesem Moment.
Er vergrub das Gesicht in meinen Haaren und küsste mich auf den Kopf. Seine Lippen sendeten kleine Stromschläge durch meine Haut und mein ganzer Körper kribbelte.
„Ich liebe dich“, flüsterte ich und vergrub das Gesicht an seiner Brust.
„Du bist mein Leben“, antwortete er und ich lächelte bei diesen vertrauten Worten.
„Warum…“, begann er und stockte. Ich hob mein Gesicht und sah zu ihm hoch, doch er sah mir nicht in die Augen.
„Ja?“, half ich nach, als er nicht weiter sprach.
„Warum willst du den anderen nicht sagen, wer du bist?“, fragte er leise und erwiderte meinen Blick plötzlich. Seine Augen brannten und ich konnte nicht mehr wegsehen. Gebannt von ihrer Wärme starrte ich ihn an und musste mich sehr konzentrieren, um meine Gedanken wieder neu zu ordnen. Es war wieder genauso, als wäre ich ein Mensch.
„Ich kann es ihnen nicht sagen“, flüsterte ich. „Ich… ich weiß auch nicht wieso, aber… ich hab einfach Angst vor ihren Reaktionen. Es ist so lange her, seit sie mich das letzte Mal gesehen haben… in dieser Zeit kann sich viel verändern…“
Sein Blick war nachdenklich und doch intensiv. „Aber eines Tages werden sie es erfahren. Vielleicht nicht, weil du es ihnen sagst, aber sie werden irgendwann dahinterkommen. Sie sind jetzt schon misstrauisch und zerbrechen sich ununterbrochen den Kopf darüber, warum sie alle finden, sie hätten dich schon einmal gesehen. Alice ist schon kurz davor es rauszufinden. Jasper ist misstrauisch, wegen deinen Gefühlen und Esme und Carlisle haben bemerkt, dass ich mich verändert habe, seit ihr hier seid“, sagte er und strich gedankenverloren über meine Wange.
Seine Fingerspitzen hinterließen eine brennende Spur auf meiner Haut und ich konnte mich einfach nicht davon abhalten, den Kopf zu drehen und ihn in die Handfläche zu küssen.
Er lächelte glückselig, beugte sich zu mir herunter und strich mit den Lippen über meine Schläfe.
„Wie sehr ich das vermisst habe… Dich zu sehen… Deine Haut unter der meinen zu spüren… Ich weiß nicht, wie ich es so lange ausgehalten habe. Aber was blieb mir anderes übrig?“, flüsterte er gedankenverloren und streichelte meine Haare.
Ich wurde nicht schlau aus seinen verworrenen Worten und verstand nicht, was er mir damit sagen wollte. Oder sprach er etwa zu sich selbst? Wenn man ein Vampir war, konnte man solche Gespräche nicht wirklich geheim halten.
Edward sah mir tief in die Augen, sein Gesicht kam langsam näher. Wie schon das letzte Mal hielt er inne bevor sich unsere Lippen berührten, als wartete er auf irgendeine Reaktion meinerseits. Er seufzte kurz frustriert auf – was ich mir nicht erklären konnte – und presste dann seine Lippen auf meine.
Zuerst war der Kuss hauchzart und süß, doch dann wurde er immer drängender. Er fuhr mit den Händen in meine Haare und seufzte leidenschaftlich, als er mich näher zu sich heranzog.
Mein ganzer Körper war wie unter Strom gesetzt. Mein Verstand hatte sich verabschiedet. Ich konnte nicht mehr denken. Sein süßer Atem vernebelte mir die Sinne und ich hielt mich nicht mehr zurück, sodass ich ihm nun ebenfalls in den Haaren wühlte und mich gierig an seinen Körper presste.
Dieser Kuss war anders als jeder andere in meinem Leben. Ohne die Vorsicht, die ihn sonst immer zurückgehalten hatte. Er hatte so viel aufgegeben, nur weil ich ein Mensch gewesen war. Er hatte auf so vieles verzichtet, weil ihm mein Wohl so sehr am Herzen gelegen hatte. Er hatte so viele Opfer für mich gebracht. So vieles hatte er mir gegeben und nur so wenig dafür bekommen. Ich hatte ihn nicht verdient. Noch nicht einmal jetzt, da ich so war wie er. Nie würde ich ihn verdienen. Nie.
Diese Erkenntnis schmerzte so sehr in meiner Brust, dass es mich an das Loch erinnerte, das sich zusammen mit der Hölle verzogen hatte. Ein Engel hatte mir Edward geschenkt, doch das änderte nichts daran, dass er viel zu gut für mich war.
Plötzlich klingelte etwas in Edwards Hosentasche. Es war sein Handy.
Edward ignorierte es finster und ließ mich nicht entkommen, als ich mich schweren Herzens von ihm lösen wollte.
Ich lächelte leicht – es schien ganz so, als wollte er genauso sehr wie ich, dass dieser Moment niemals endete.
Aber sein Klingelton fing langsam an zu nerven, also befreite ich mich aus seinem Griff und holte das Handy aus seiner Hosentasche. Er sah mich grimmig an, seufzte jedoch und nahm es mir aus der Hand.
Er sah kurz auf das Display bevor er abnahm und blickte mir die ganze Zeit in die Augen, während er sprach.
„Was ist Carlisle?“, fragte er ein wenig zu barsch. Ich lächelte leicht und hob mit meinem Daumen seine Mundwinkel. Er grinste verkniffen und zwang sich zu einem freundlicheren Ton. „Entschuldige, meine Gefühle haben meine Worte verursacht. Ich wollte nicht so grob sein.“
„Natürlich Edward. Du kannst nichts dafür…“, antwortete Carlisle und legte eine kleine Pause ein, bevor er schließlich zum Punkt kam. „Du musst sofort nach Hause kommen. Es ist wichtig. Nimm Caty am besten auch gleich mit. Emmet und Rosalie haben gesagt, sie wäre bei dir“, schloss Carlisle seine Rede. Edward nickte langsam und sah genauso besorgt aus, wie sich Carlisles Stimme anhörte.
„Natürlich, wir machen uns sofort auf den Weg“, sagte Edward tonlos und legte auf.
„Was ist denn passiert?“, fragte ich besorgt und sah ihm tief in die Augen.
„Ich weiß es nicht“, antwortete er und gab mir noch einen kurzen Kuss auf die Stirn, dann rannte er los.
Ich lief ihm hinterher und grübelte während des ganzen Weges darüber nach, warum Carlisle mich auch dabei haben wollte.
Mir fiel einfach nichts ein, also gab ich es auf und genoss einfach die warme Luft, die mein Gesicht streichelte. Ich liebte es durch die Wälder zu laufen, meinen Kräften freien Lauf zu lassen. Es war befreiend, sich einmal nicht verstellen zu müssen.
Viel zu früh waren wir schon wieder bei den Cullens. Edward war so schnell gelaufen, dass ich ein paar Sekunden später eintraf als er.

Also, jetzt bin ich wohl an der Stelle, an der ich für's erste mal Aufwiedersehen sagen muss. Ehrlich, ich hab grade die totale Schreib- und Denkblokade, was mir echt schwer zu schaffen macht!
Und ich glaube auch, dass ich wahrscheinlich erst mal ne Pause beim Schreiben einlegen werde, weil ich einfach nicht weiterkomme!
Natürlich werde ich die Story zu Ende schreiben, aber jetzt brauch ich erst einmal Urlaub.
Ich verspreche, ich werde so schnell wie möglich versuchen meine Schreibblockade zu überwinden und wieder hochladen.
Wenn ihr wollt, dass ich euch Bescheid gebe, wenn's weiter geht, schreibt mir einfach eine Nachricht oder einen Kommi, ich notier mir dann eure Namen.
Bis später,
zebrarider.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 24.08.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme dieses Buch meiner Freundin Adina, die mich mit ihren verrückten Ideen und Sprüchen immer wieder zum Lachen bringt.

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