„Sel pass auf!“
Als ihre Stimme mich erreichte, drehte ich mich verwirrt um und sah einen Football direkt auf mich zufliegen.
Oh Fuck, das wird wieder peinlich.
Im letzten Moment wurde ich zur Seite gezogen und der Ball flog haarscharf an meinem Gesicht vorbei.
Ich hörte wie er hinter mir ins Gras fiel und ein paar Schüler empört aufschrien.
Dort stand er, Michi, mein bester Freund, und grinste selbstgefällig vor sich hin.
Melissa kam gerade auf uns zu, starrte mich erschrocken an.
Dann lachte sie auf und legte die Hand auf ihr Herz.
„Herr Gott, du hast mir einen riesen Schrecken eingejagt, ich hätte schon wieder mit dir zum Doc müssen. Eigentlich wollten wir weitere Besuche bei dem doch eigentlich vermeiden.“
Ich blinzelte nochmal und schüttelte den Kopf.
Dann grinste ich sie an. „Ach komm eigentlich ist er doch ganz süß.“
Sie sah mich an als hätte ich den Verstand verloren.
Nein, der Schuldoktor war wirklich nicht süß.
Er war alt, machte seine Arbeit eher schlecht als recht, aber stellte keine Fragen, was mir sehr gelegen kam.
„Bekomme ich heute noch ein Dankeschön?“ fragte
Michael grinsend.
Ich ging lächelnd auf ihn zu und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
„Dankeschön.“
Sein Grinsen wurde noch größer.
„Ach habe ich doch gerne gemacht.“
Er lachte auf und zog uns dann zurück ins Schulgebäude.
Ich war in der Schule eigentlich relativ gut, allerdings hatte ich einerseits viel Zeit um zu lernen, andererseits war der Stoff hier fast ein halbes Jahr hinter dem, den wir an meiner alten Schule gehabt hatten.
Ich war vor ein paar Monaten mit meinen Eltern und meinem kleinen Bruder hierhergezogen.
Gleich am ersten Tag hatte ich Michael getroffen, der mich dann mit Melissa bekannt machte, die beiden waren seit dem Kindergarten befreundet und unzertrennlich.
Michael war ein Riese, dazu gut mit Muskeln bepackt und spielte im Footballteam.
Keine Frage er sah gut aus, mit seinen blonden Haaren und den stechenden blauen Augen, aber er war ein Playboy, hatte auf jeder Party eine andere.
Niemals etwas Ernstes.
Melissa war ganz anders, sie kam ursprünglich aus Kanada und hatte helle Haut und dunkle Haare.
Ansonsten war sie relativ groß, dazu trug sie meistens Mörder High Heels, somit überragte sie fast jeden Jungen an der Schule.
Die Hälfte der Stunde war schon wieder rum, aber ich hatte nichts mitbekommen.
„Ms Alliston, auch wenn Ihre Noten sehr gut sind, möchte ich, dass Sie in meinem Unterricht aufpassen, schlafen können Sie zuhause.“
Ich zuckte zusammen und sah vor zu meinem Lehrer, der mich ein wenig genervt beobachtete.
Die Blicke meiner Klassenkameraden schienen sich an mir festzusaugen und ich rutschte ein bisschen tiefer in den Stuhl.
Ich hasste es angestarrt zu werden.
„Ja, tut mir leid Mr. Brown.“
Er schenkte mir noch einen grimmigen Blick und wandte sich dann wieder an die Tafel.
Später holte Michael mich mit einem Stoß in die Seite aus meinen Gedanken und grinste, als ich erschrocken zusammenzuckte.
„Wir sind fertig.“ Ich nickte schnell und schmiss meine
Sachen in die Tasche.
„Hey, wie wär’s, wenn du heute mit zu mir kommst und wir uns zusammen an die College Bewerbungen setzen.“, fragte Melissa, während wir auf den Bus warteten.
Sie wohnte nur ein paar Straßen von mir entfernt.
Ich überlegte kurz und stimmte dann zu.
„Ich habe jetzt noch Footballtraining, also sehen wir uns erst morgen. Bis dann Mädels.“
Wir verabschiedeten uns von Michi und stiegen in den Bus, der gerade vorfuhr.
Während der Busfahrt erzählte Mel von den Colleges, an die sie wollte, die neusten Modetrends und Klatsch und Tratsch der Schule, den sie so großartig fand.
Die Hälfte hatte ich schon wieder vergessen, fünf Sekunden nachdem sie sie gesagt hatte, da ich mich nicht darauf konzentrierte.
Als wir bei ihrer Haltestelle ankamen, unterbrach ich sie und zog sie aus dem Bus.
Sie wohnte mit ihren Eltern in einer wunderschönem Haus, fast schon eine Villa, mit einem riesigen Garten und eigenem Pool.
„Wo sind deine Eltern?“ fragte ich sie als wir es uns im vorderen Wohnzimmer gemütlich machten.
Sie verdrehte die Augen und winkte ab.
„Toronto? Vielleicht auch New York oder Seattle, wer weiß das schon.“
Ich hatte ihre Eltern nur zweimal getroffen, sonst waren sie immer unterwegs, meist auf Geschäftsreisen quer durch das ganze Land.
Wir recherchierten die Aufnahmeregelungen der Colleges und erstellen Listen mit unseren Favoriten.
Das fiel mir nicht besonders schwer, eigentlich bestand meine Liste aus nur einem Punkt: Der Juilliard.
Sie war die beste Tanzschule in den Staaten und, dass sie genau in New York lag, war ein weiteres Argument für
mich, dass ich dort unbedingt studieren wollte.
Das Tanzen war mein Leben, es gab nichts was ich lieber tat und ich traute mich zuzugeben, dass ich ziemlich gut darin war.
Schon als wir noch in Miami gewohnt hatten, hatte ich diverse Tanzkurse belegt und war bei Meisterschaften angetreten.
Seit mein Bruder geboren wurde, musste ich das tanzen etwas zurückstellen um mich um ihn zu kümmern, doch ich nutzte jede freie Minute, die ich zur Verfügung hatte.
Die Sonne ging schon unter als ich mich von Mel verabschiedete und einmal um den Block zu den Martens lief.
Mrs Martens war die Mutter eines guten Freundes von Ben, den hatte er im Kindergarten kennengelernt und auch wir hatten uns auf Anhieb gut verstanden. Seit einiger Zeit holte sie mit ihrem Sohn auch Ben ab und nahm ihn nachmittags mit zu sich, wenn ich länger in der Schule zu tun hatte.
Ich klingelte und konnte kurz darauf schon Schritte hören.
Die junge blonde Frau öffnete die Tür.
Sie war maximal Anfang dreißig und hatte strahlende blaue Augen.
„Hallo Selina. Wie geht es dir?“, sie begrüßte mich mit einem Kuss auf die Wange und bat mich herein.
Damit rief sie vom Flur ins Wohnzimmer, wo sich die
beiden Jungs wahrscheinlich befanden.
Im nächsten Moment kam er schon auf mich zu geflitzt.
Ben.
Seine Augen hatten ein wunderschönes hellbraun, was ihn ehrlich wirken ließ. Sie wurden oft mit einem Strahlen versetzt, wenn er sich freute.
Seine blonden kurzen Haaren waren wohl das einzige was uns als Geschwister kennzeichnete.
„Sel!“
Er lachte los als ich ihn auffing und in die Luft hob.
„Hey Kleiner, na wie wars?“ ich ging zu ihm in die Hocke und half ihm die Schuhe anzuziehen.
„Voll coool, wir haben mit Duncans Carrera-Bahn gespielt und ich habe sogar mal gewonnen.“, verkündete er stolz.
Ich gratulierte ihm und nahm seine Tasche.
Mrs Martens hatte das Spektakel schmunzelnd beobachtete und kam nun mit ihrem Sohn auf uns zu.
„Du kannst wirklich toll mit Kindern umgehen Selina, hast du schon mal überlegt etwas in dieser Richtung zu machen?“ fragte sie.
„Nein, ich möchte erst mal aufs College und dann mal sehen.“ Sie nickte verstehend.
„Na klar, aber ich denke die Zeit, wenn du nicht mehr da bist, wird für Ben sehr schwer sein.“
Ich sah zu meinem Bruder runter, der wieder mit Duncan blödelte und nickte.
Wir verabschiedeten uns, dann führte ich Ben durch die mittlerweile dunklen Straßen zu uns nach Hause.
„Ben, ich muss gleich nochmal weg. Während ich weg bin, bleibst du bitte in deinem Zimmer, ich möchte, dass du die Tür zusperrst und nicht öffnest, ok?“
Er sah mit großen Augen zu mir hoch, verstand dann aber und nickte eifrig.
„Wo gehst du hin Sel?“
„Ich geh ein bisschen tanzen.“
Normalerweise nahm ich ihn mit ins Studio, viele dort kannten ihn mittlerweile sehr gut, aber es war schon spät.
Es war schon ein bisschen in die Jahre gekommen, aber gemütlich und nicht teuer.
Ich sperrte auf und legte unsere Sachen auf der Kommode neben der Treppe ab.
„Geh hoch.“, flüsterte ich Ben zu und schob ihn in Richtung Treppe.
Schon flitzte er hoch und ich hörte wie er in seinem Zimmer zu sperrte.
Erst dann konnte ich aufatmen und ging leise in die Küche.
„Dad, wir sind zuhause!“ rief ich ins Wohnzimmer, da ich wusste das er dort war.
Er war immer dort.
Es kam keine Antwort, ich hatte auch keine erwartet.
Also stellte ich schnell einen Topf Nudeln und Soße auf.
Ich lief in mein Zimmer, zog mir die Trainingssachen an und packte meine Tasche.
Leise klopfte ich an Ben Tür.
„Ben, ich hab Essen für dich gemacht.“
Sofort hörte ich ein Quietschen und die Tür wurde aufgeschlossen.
Ben hatte sich schon umgezogen und stand im Schlafanzug vor mir.
Ich ging herein und stellte das Tablett auf seinen Schreibtisch.
„Ich muss jetzt los, ich bin in zwei Stunden wieder da ok?“
Er nickte nur, sein Mund war schon voller Nudeln.
Ich gab ihm einen Kuss auf die Stirn und bedeute ihm hinter mir wieder zuzusperren.
Draußen wartete ich noch einen Moment, bis ich den Schlüssel hörte und ging dann runter.
Zum Glück war das Studio in der Nähe, so hatte ich nicht weit zu laufen.
Wenn ich konnte war ich mindestens dreimal in der Woche.
Da bald die Juilliard Audition starteten, trainierte ich härter als jemals sonst.
„Hey Selina, na wie geht’s dir?“ begrüßte Sandy mich, während ich mich schon im Spiegelraum warm machte.
Sie war meine Trainerin und hatte mir ziemlich viele Sachen beigebracht, die ich in Miami nicht gelernt hatte.
„Ganz gut und dir?“ Sie winkte grinsend ab und machte sich dann ebenfalls warm.
Nach und nach kamen die anderen aus dem Kurs, dann fingen wir an.
Unser Training dauerte immer eineinhalb Stunden.
Heute machten wir nur Ballett, Sandra studierte ein paar kurze Stücke mit uns ein und ließ uns einzeln vortanzen.
Als wir fertig waren ging ich duschen und verließ das Studio.
„Bis morgen Sandra.“
Sie winkte mir zu und wandte sich dann wieder an einen Trainer des Studios.
Ich glaube er hieß Jason. Er trainierte die etwas härteren Kurse, die meist nur aus Jungs bestanden.
Zuhause angekommen lauschte ich auf die Geräusche meines Vaters, er schlief anscheinend wieder vor dem Fernseher. Es war besser so.
Ich räumte dort leise die Bierdosen und Teller weg, damit er nicht darüber stolperte, wenn er wieder wach wurde.
Ich ging noch zu meinem Bruder, der schon im Bett lag und schlief. Es war immerhin schon spät.
Lange konnte ich nicht einschlafen, doch irgendwann um halb zwei, als ich Mum unten nach Hause kommen hörte, fiel ich in einen traumlosen Schlaf.
Mel wartete am Morgen schon in der Auffahrt.
Sie holte mich hin und wieder ab, wenn sie ihr Auto nicht gerade in einer Werkstatt hatte.
„Morgen Süße, na alles gut?“ fragte sie besorgt lächelnd.
„Morgen, ja mir geht’s gut.“
Ich stieg zu ihr ins Auto und wir fuhren zur Schule.
Dort angekommen, wartete Michi schon an seinen Wagen lehnend.
„Guten Morgen meine Süßen, ihr strahlt ja richtig, liegt
es an mir oder habt ihr einen anderen Typen?“
Melissa und er fingen schon wieder an zu diskutieren, während ich nur gedankenverloren neben ihnen herlief.
Bei unseren Spinden angekommen stopfte ich meine Sachen hinein.
Da mir die Zankereien für heute zu viel wurden, wollte ich mich gerade umdrehen und ihnen sagen, sie sollen aufhören, da stieß ich gegen etwas Großes und Hartes.
Im ersten Moment nahm ich nur eine Lederjacke und einen trainierten Oberkörper war.
Dann sah ich auf und schnappte nach Luft.
Er war älter, um die zwanzig vielleicht.
Er trug ein schwarzes T-Shirt und die schwarze Lederjacke drüber.
Seine kurzen, schwarzen Haare standen unordentlich von seinem Kopf ab, als wäre er gerade erst aufgestanden.
An seinem Hals konnte man die Ausläufer von Tattoos
erkennen.
Die ebenso dunkeln Augen trafen meine und ich zuckte zusammen.
Ich wollte mich gerade entschuldigen, als seine Stimme ertönte.
„Pass auf wo du läufst.“
Seine Stimme war ruhig, aber umso bedrohlich und gefährlicher.
Meine Augen wurden zu Schlitzen.
Ich merkte, dass ich die Luft angehalten hatte und ließ sie entweichen.
„Pass selbst auf.“ Erwiderte ich mit genervten Ton.
Ich hätte mir selbst eine scheuern können.
Ich war das perfekte schüchterne Mädchen, aber manchmal hatte ich meine Momente und sagte einfach was ich dachte.
Nur waren diese Momente nicht immer die Passendsten.
Er hielt inne und hob dann eine Augenbraue.
Dann trat er einen Schritt auf mich zu und ich automatisch einen zurück.
Blöde Idee, ich stand nämlich mit dem Rücken zu den Spinden und es gab keine Ausweichmöglichkeit mehr.
„Vorsicht Prinzessin. Du spielst mit dem Feuer, verbrenn dir nicht deine hübschen Finger.“
Dies hauchte er mir so leise zu, dass es unmöglich irgendjemand gehört haben könnte.
Sein Atem traf meine Lippen und seine Augen scannten mein Gesicht förmlich ab.
Der Typ grinste einmal überheblich und trat dann zurück.
Ich konnte ihn nur feindselig anstarren, da drehte er sich schon um und verschwand in der Menge, die einen breiten Durchgang für ihn machte.
Erst dann nahm ich wahr wie still es im Flur geworden war, sie starrten mich mit großen Augen an.
Kurz schloss ich die Augen und schüttelte den Kopf.
Seine Stimme halte noch in meinen Gedanken, diese dunkle Stimme hatte etwas Bedrohliches, wobei es mir keine Angst machte.
Ich richtete mich wieder auf und sah zu Mel und Michi rüber, die mich mit großen Augen erschrocken anstarrten.
Langsam kamen sie zu mir rüber und sahen von mir zu der Stelle, wo der Typ gerade verschwunden war.
Die anderen Leute im Flur fingen sich endlich wieder und taten so als wäre nichts geschehen.
„Selina geht’s dir gut?“
Melissa zog mich in ihre Arme und presste mich an sich.
„Ja, alles ok.“ Ich entfernte mich ein wenig und sah dann
zu Michael.
Sein Blick war besorgt, ein Schatten lag darin.
„Was ist los? Wer war das?“ fragte ich ihn verunsichert.
Meine Stimme war noch dünn, aber ich bemühte mich
um Fassung.
„Du weißt nicht wer das war. Was glaubst du warum ich mir grad vor Angst in die Hose gemacht hab!“
Mel schüttelte lachend den Kopf.
„Das war Daniel de Lucia.“, meinte Michael mit nüchterner Stimme.
Der Name sagte mir nichts, also nickte ich nur und nahm dann meine Bücher aus dem Spind.
„Kennst du ihn wirklich nicht? Verarschst du mich?“ fragte meine beste Freundin weiter, als wir zum nächsten Raum gingen.
Ich zuckte die Schultern und lies ich mich auf meinen Platz neben den beiden fallen.
„Egal was passiert, halt dich von ihm fern. Der Kerl ist kriminell, und damit meine ich nicht sowas wie Einbruch oder Hacken, sondern heftige Sachen. Er soll schon sehr viel Blut an den Händen haben, sie haben ihn nie dran bekommen, aber jeder weiß was er getan hat.“
Ich runzelte die Stirn.
„Was meinst du, was soll er denn getan haben?“
Mel seufzte und sah zu Michi, der beugte sich zu mir rüber und flüsterte dann:
„Vor einem Jahr ist eine Schülerin verschwunden, Leila sie wurde ein paar Mal mit ihm gesehen. Man hat ihre Leiche im Fluss gefunden. Er wurde verdächtigt, er hatte ein Alibi. Aber es gibt Gerüchte, dass er sie umgebracht hat.“
„Oder sie hat umbringen lassen.“ Fügte Mel hinzu und nickte.
Geschockt starrte ich ihn an.
Er war furchteinflößend aber doch nicht so, dass er jemanden umbringen würde. Oder doch?
Er war immerhin fast in unserem Alter.
Sein Gesicht tauchte wieder in meinen Gedanken auf, wie seine Worte, die mich sofort erschauern ließen.
Als ich den Unterricht in der letzten Stunde nicht mehr aushielt entschuldigte ich mich und ging zur Toilette.
Gelangweilt schlenderte ich durch den Flur und holte gerade mein Handy heraus, als ich Stimmen hörte.
„… haben nichts damit zu tun, wie immer, aber wissen Sie was? Ich glaube Ihnen kein Wort und sie sollten ziemlich schnell mit der Wahrheit auspacken oder sich einen Zeugen anschaffen. Denn diesmal kommen sie nicht einfach so davon.“
Ich wusste nicht warum, aber ich folgte den Stimmen, die aus dem nächsten Flur kamen.
Eine andere Stimme ertönte, vorsichtig spähte ich um die Ecke und sah Daniel de Lucia und zwei Männer dort stehen.
Er hatte seine Jacke ausgezogen und trug nur noch das schwarte Shirt.
Seine Arme waren tätowiert, leider konnte ich nicht genau erkennen welche Motive es waren.
Das Shirt spannte über seine Oberarme. Er war wirklich gut trainiert. Vielleicht war er Sportler? Football?
Ich schüttelte den Kopf.
Wieso machte ich mir darüber Gedanken? Es konnte mir so ziemlich egal sein welchen Sport er machte.
„Mr. Mattson ich kann gar nicht für ihre lächerlichen Anschuldigen in Frage kommen.“
Ich nahm seine Stimme von vorher wahr. Sie hatte etwas raues. Sofort schlug mein Herz schneller.
„Achja und wieso de Lucia? Sie haben in allem was hier passiert die Finger drin.“
Ich glaubte den einen als unseren Rektor zu erkennen, der andere trug eine Uniform. Ein Polizist? Was machte der denn in unserer Schule?
Aber eigentlich konnte ich mir die Frage schenken, denn er redete mit Daniel und nach den Informationen, die Mel und Michael mir gegeben hatten war das wohl nichts Außergewöhnliches.
„Weil ich ein Alibi habe.“
Daniels Stimme war komplett ruhig, er lehnte lässig an der Wand und sah die beiden Männer herausfordernd an, dann glitt sein Blick zu mir und ich zuckte erschrocken zusammen.
Ich sollte so schnell wie möglich verschwinden! Er würde mich doch nicht verraten? Der Blick, mit dem er mich fixierte war unergründlich, trotzdem hielt er mich fest und brachte mich dazu an der Ecke stehenzubleiben.
„Da wäre ich jetzt aber gespannt drauf.“ Antwortete der
Polizist, der mit dem Rücken zu mir stand.
Daniel grinste.
„Ich war bei meiner Freundin.“
Der Mann in Uniform lachte, während Daniel sich von der Wand abstieß.
„Alles klar, tun wir so, als ob ich ihnen glauben würde. Kann ich sie dazu befragen?“
Der Kerl, der mich heute umgerannt hatte nickte grinsend. „Natürlich.“
Sein Grinsen war kontrolliert aber umwerfend schön. Mein Atem stockte als sein Blick wieder mich traf.
Er ging einfach an den beiden Männern vorbei, auf mich zu.
Sein Blick immer noch fest in meinem, ich hörte sie seine schweren Schritte näherkamen und er dann vor mir stand.
„Spiel mit Prinzessin, oder es gibt Ärger.“
Seine Stimme klang jetzt wieder dunkel, bedrohlich und bescherte mir eine Gänsehaut unter meiner Jeansjacke.
Er legte seine Hand an meinen unteren Rücken und schob mich durch den Flur auf die beiden Männer zu.
Wo er mich berührte war es als explodierten meine Nerven und mein Atem ging immer noch stockend.
Alles konzentrierte in mir sich auf seine Hand und ich konnte nicht klar denken.
Was war denn jetzt los?
Ich war komplett starr das ging alles viel zu schnell ich musste erst mal begreifen, was hier los war.
„Selina? Sie sind de Lucias Freundin?“ Das Gesicht unseres Rektors musterte mich geschockt und ein wenig enttäuscht.
Die Hand in meinem Rücken, legte sich um meine Hüfte und Daniel zog mich nah an seine Seite.
Ich versuchte normal einatmen, was gar nicht so leicht
war, denn Daniels Geruch strömte zu mir rüber und legte sie wie ein Nebel über meine letzten klaren Gedanken.
Ich konnte nur nicken, für alles andere war ich noch zu überrumpelt.
„Können Sie bezeugen, dass er Samstagabend bei Ihnen war?“ Sprach mich nun der andere Mann an.
Er war schon älter hatte graue Haare, die nach hinten dünner wurden. In dieser Tatsache ähnelte er ein wenig meinem Vater.
Wieder nickte ich.
Der Druck um meine Hüfte wurde fester, als räusperte ich mich und sagte:
„Ja, wir waren zusammen an diesem Abend.“
„Wo waren Sie?“ fragte der Polizist, der sich nebenbei Notizen machte.
„Bei mir zuhause.“ Ertönte Daniels Stimme neben mir.
Sein Arm zog mich noch ein Stück an ihn.
Mir war nicht klar das das überhaupt noch möglich war!
„Und was haben Sie gemacht?“
Darauf wusste ich keine Antwort, also schwieg ich und sah zu Boden.
Daniel lachte hinter mir auf und sofort zog sich eine Gänsehaut über meinen Körper.
Was war nur los mit mir?
„Was machen denn Paare nachts so, Officer?“
„Selina, können Sie das bestätigen?“ fragte nun auch unser Rektor.
Ich konnte immer noch nicht antworten.
Das durfte doch jetzt alles nicht wahr sein?
Belog ich gerade einen Polizisten? Wegen dem Kerl hier?
Sollte ich denen jetzt sagen, dass ich mit ihm geschlafen hatte? Ich hatte absolut nichts damit zu tun, aber wie sollte ich jetzt noch aus der Nummer rauskommen? Sie würden mir wahrscheinlich nicht glauben und Daniel würde mich umbringen.
Ich traute mich zu ihm aufzusehen und sah direkt in seine Augen. Seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, doch es erreichte seine Augen nicht, diese sprachen eine deutliche Warnung an mich aus. Sofort lief es mir kalt den Rücken runter.
„Sie ist ein wenig schüchtern, es wäre schön, wenn das unter uns bliebe.“
Moment was? Meine Augenbraue zuckte nach oben, was Daniel nur ein Zwinkern entlockte.
Ich musste mich zusammenreißen ihm nicht meinen
Ellenbogen in die Rippen zu stoßen.
Was für ein Bastard!
Er behauptet er hätte mit mir geschlafen? Und hatte dann noch die Dreistigkeit mich als schwach und schüchtern hinzustellen? Der konnte mich mal!
Der Polizist schrieb weiter auf seinem Notizblock
„Sind wir dann fertig?“
Daniels Stimme hatte einen herausfordernden, ungeduldigen Ton.
Der Polizist sah uns nochmal nachdenklich an und packte dann seinen Block weg.
„Wir sind noch lange nicht fertig de Lucia. Bleiben Sie in der Stadt. Beide.“
Dieser nickte grinsend und verabschiedete sich von den beiden Männern.
„Bis zum nächsten Mal Officer Lewis.“
Ich stand immer noch wie versteinert da und sahen ihnen nach, bis sie in den nächsten Gang bogen, dann ließ Daniel mich los und ich atmete tief durch.
Scheiße wo war ich da nur wieder reingeraten?
Andrew hatte mich immer gewarnt, dass ich mich meistens zur falschen Zeit an den falschen Ort verlief.
Mein Kopf fasste endlich wieder klare Gedanken.
Das würde Ärger geben, wenn das rauskommt.
„Selina also?“
Ich sah zu Daniel auf, der wieder an der Wand lehnte und mich mit verschränkten Armen grinsend musterte.
„Ja, hast du ein Problem damit?“ fragte ich bissig.
Er ging mir auf die Nerven, was sollte das sein, warum sollte ich für ihn lügen?
Was hatte er wirklich an diesem Abend gemacht?
Ich hatte so viele Fragen, stellte aber keine Einzige, da ich mir nicht sicher war ob ich die Wahrheit erfahren wollte, selbst wenn er sie mir überhaupt sagen würde.
Er grinste weiter und zuckte die Schultern.
„Nein, der Name ist süß, …genau wie du.“
Meine Augen wurden zu Schlitzen.
Süß? Es war wohl auch süß wie ich gerade seinen Arsch von dem Polizisten gerettet hatte!
„Schön für dich.“, meinte ich und wollte gerade gehen, da rief er mir nach.
„Stellst du gar keine Fragen dazu?“ Ich hielt inne.
Würde er mir etwas erzählen?
Eigentlich war ich tatsächlich neugierig auf das was er Samstag wirklich gemacht hatte. Aber die Genugtuung wollte ich ihm um keinen Preis geben.
„Nein, und es interessiert mich auch nicht. Ich will einfach nur weg von dir.“
Erwiderte ich wieder und drehte mich um, um ihn nicht mehr ansehen zu müssen, er brachte mich mit nur einem Blick vollkommen durcheinander.
Einen Schritt in den Gang wo ich hergekommen war schaffte ich, dann war es so, als würde er mich zwingen stehen zu bleiben. Und ich tat es.
Er lachte nah hinter mir, wieder lief es mir kalt den Rücken runter.
Ich sollte ihn nicht gegen mich aufbringen, dass konnte nicht gut enden!
„Übertreib es nicht Kleine, du weißt nicht wen du da vor dir hast.“
Kleine? War das jetzt sein Ernst?
Ich ballte die Hände zu Fäusten.
Ich konnte hören, dass er noch näherkam und schon stand er dicht hinter mir.
Seine Lippen legten sich auf meine Haare und er zog einmal Luft ein.
Ich antwortete nicht, wie auch, ich war vollkommen erstarrt und stand nur regungslos da.
Mein Körper erzitterte verräterisch.
Er ging um mich herum und stand dann grinsend vor mir.
Ich starrte ihn immer noch wütend an, doch das ließ ihn noch mehr lachen.
„Wenn dich irgendjemand fragte, wir waren am Samstag bei mir, die ganze Nacht, nachdem wir im Outside waren, verstanden Prinzessin?“
Sein Gesicht war gefährlich nah an meinem und seine Stimme war eisig.
Ich nickte schnell und presste die Lippen bei meinem neuen Spitznamen zusammen.
Ich traute mich nicht zu atmen.
„Gut, dann sind wir uns ja einig. Achja und wir sind seit
ein paar Tagen zusammen.“ Meinte er noch, dann drehte er sich um und schlenderte pfeifend den Gang entlang in Richtung Ausgang.
Ich ging wieder zurück ins Klassenzimmer und tat so als wäre nichts geschehen, was mir sichtlich schwerfiel, da mein Puls immer noch definitiv erhöht war.
„Hey Sel, alles ok? Du bist so blass.“
Mel beugte sich rüber uns sah mich besorgt an.
Schnell sagte ich ihr, dass es mir gut ginge und sah dann aus dem Fenster.
Dort entdeckte ich Daniel.
Er stand an seinem Auto gelehnt auf dem Parkplatz und rauchte eine Zigarette.
Nebenbei telefonierte er.
Seinen Bewegungen nach zu urteilen, war er aufgebracht, immer wieder runzelte er die Stirn und warf seine Hand nach oben.
Ich wandte mich ab und versuchte den Rest der Stunde den Ausführungen unseres Lehrers irgendwie zu folgen.
Um zehn machte ich mich dann auf den Heimweg aus dem Studio und hing meinen Gedanken nach bis ich aufgebrachte Stimmen in der Nähe vernahm.
Ich wusste, ich sollte einfach weitergehen, es ignorieren und schleunigst nach Hause kommen, aber meine Füße trugen mich wie von selbst, dorthin, wo ich die Stimmen vermutete.
Eine Gasse, zwischen ein paar leerstehenden Häusern.
Langsam ging ich an der Wand entlang und sah um die Ecke, eine Straßenlampe erleuchtete die Straße schwach.
Ich konnte trotzdem nur Umrisse erkennen.
„So sind die Regeln, wenn du nicht zahlst, werde ich sauer, das ist dann sehr… dich.“
Eine dunkle Stimme hallte von den Wänden ab und klang bedrohlich ruhig.
Mein Puls und mein Herzschlag erhöhten sich und ich hielt gebannt die Luft an.
„Bitte… bitte ich bring… Geld… ich brauche… Zeit.“
Die andere Stimme war voller Angst und zitterte, sie hatte einen spanischen Akzent.
„Die du nicht bekommst.“ Erwiderte die erste Stimme.
Sie kam mir bekannt vor, doch ich wusste sie nirgendwo einzuordnen.
Langsam gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit und die Umrisse wurden schärfer, ich erkannte fünf Personen in der Gasse.
Einer wurde von dreien umstellt, während der größte wiederum mit dem Rücken zu mir stand und wohl eben gesprochen hatte.
Er hielt etwas in der Hand.
Dann hob er seinen Arm zu dem Kopf, des Mannes, der in der Mitte stand und ich erkannte eine Waffe.
Ich schnappte leise nach Luft und presste meine Hände aneinander.
Am besten sollte ich so schnell wie möglich verschwinden, sonst war ich wahrscheinlich die Nächste.
Der Kerl in der Mitte fing wieder an zu flehen.
„Ruhe! Du hast nichts mehr zu melden.“
Dann wurde die Waffe geladen.
Irgendwo hinter mir hörte ich einen Hund bellen und ich fuhr vor Schreck mit einem kleinen Schrei zusammen.
Sofort drehte ich mich zurück an die Wand, presste ich mir die Hand auf den Mund und betete, dass es niemand gehört hatte.
Angestrengt lauschte ich auf jegliches Geräusch.
Aber in der Gasse war es komplett ruhig geworden, als wäre niemand dort, doch dann hörte ich Schritte auf mich zukommen.
Ich presste die Augen zusammen und traute mich nicht Luft zu holen. Sie würden mich umbringen!
„Selina?“ Ich hielt vor Schreck die Luft an und schlug sofort die Augen auf.
Daniel de Lucia.
Einen Moment starrten wir uns erschrocken an.
Oh scheiße!
Ich konnte nicht glauben, dass er hier war, dass er etwas damit zu tun hatte.
Wahrscheinlich hätte ich es mir denken können, nachdem, was die anderen mir über ihn erzählt hatten.
Seine Augen glitzerten verdächtig und wanderten von mir zur Gasse und zurück.
Kurz glitt sowas wie Ärger über sein Gesicht, bevor es wieder die harte Maske wurde, mit der ich ihn heute kennengelernt hatte.
„Bleib hier.“ Murmelt er.
Dann wand er sich von mir ab und verschwand wieder in der Straße.
Ich wollte ihn an seiner Jacke zurückhalten, doch er war zu schnell, also trat ich einen Schritt zu weit vor und stand im direkten Sichtfeld aller Anwesenden.
Sie sahen furchteinflößend aus, einer mehr als der andere in ihren dunklen Klamotten und mit den bösen Blicken.
Als hätten sie sich den Blick bei Daniel abgeschaut.
Der Mann, der in der Mitte stand und eben noch bedroht wurde, kniff die Augen zusammen und sah mich nun arrogant grinsend an.
Er hatte eine Narbe, die sich über seine Wange bis zur Schläfe nach oben zog und kurz geschorene Haare.
„Ist das deine Schlampe de Lucia? Turnt es sie an, dich morden zu sehen?“ fragte er dann in herablassenden Ton.
Daniel drehte sich kurz um und sah von mir zu dem Kerl.
Wieder verzog sich sein Gesicht, dann trat er vor und verpasste dem Kerl einen Kinnhaken, sodass dieser zu Boden ging.
Erschrocken schlug ich die Hände wieder vor den Mund,
sagte aber nichts.
Was hätte ich auch machen sollen?
Daniel wandte sich an den Kerl direkt neben ihm und drehte sich dann mit den Worten „Bring das hier zu Ende, eine Minute.“, zu mir um.
Er nahm mich bestimmt, aber sanft am Arm und führte mich dann durch die Gasse und quer durch den Park raus auf die Straße.
Seine Waffe hatte er in seinem Hosenbund, unter seiner schwarzen Lederjacke verschwinden lassen.
Immer wieder sah ich nervös zu ihm auf.
Meine Beine zitternden genauso wie meine Atemzüge.
„Alle guten Dinge sind drei nicht wahr Prinzessin?“
Wir gingen einen Weg entlang und er sah grinsend zu mir runter. Es erreichte seine Augen nicht, sie sahen mit fast schon besorgt an. Warum nur?
Ich konnte nichts machen, außer ihn weiter anzustarren.
„Wolltest du den Kerl umbringen?“ fragte ich zitternd.
Ich trug nur eine Jogginghose, einen Pullover und eine Lederjacke, der Frühling war hier aber leider noch nicht so ganz angekommen.
Ich war stehen geblieben, Daniel stand vor mir und sah zu mir runter.
Ich war ein ganzes Stück kleiner als er.
„Ja, er hat es verdient.“, meinte er dann ernst und
beobachtete mich forschend.
Ich wusste, dass die Antwort kam, trotzdem hätte ich mir gewünscht er würde sowas wie - Spaß, war doch alles nur ein Scherz - sagen.
Forschend sahen wir uns gegenseitig an und ich vergas schon wieder zu atmen.
„Atme Prinzessin, ich habe keine Lust dich auch noch zu vergraben.“
Er grinste, doch meine Augen weiteten sich.
„Das ist nicht lustig Daniel, wie kannst du so zulassen das ein Mensch stirbt? Er hat wahrscheinlich Familie, vielleicht Kinder, Eltern!“
Wieder musterte er mich einen Moment dann beugte er sich zu mir runter und antworte mir leise.
„Das ist mein Job und du solltest dich unbedingt aus solchen Angelegenheiten raushalten. Wenn ich das nächste Mal sage, dass du bleiben sollst wo du bist, dann tust du das auch.“
Sein Gesicht schwebte direkt vor meinem, seine Augen ließen keinerlei Widerspruch zu. Ich konnte seinen Atem auf meinen Lippen spüren.
Ich traute mich nicht ihm zu antworten. Diesmal nicht.
Als ihm klar wurde, dass ich nichts mehr sagen würde drehte er sich wieder um und ging weiter.
Schnell atmete ich auf und folgte ihm dann.
Überrascht stellte ich fest, dass wir schon in meiner Straße waren.
Wusste er wo ich wohnte oder war es nur Zufall?
„Wieso warst du dort?“ fragte er, nachdem wir eine Weile schweigend nebeneinander gingen.
„Ich war im Tanzstudio. Das ist mein Heimweg.“, murmelte ich leise.
Warum erzählte ich ihm das?
„Du solltest so spät nicht draußen alleine rumlaufen, hier gibt es ziemliche viele böse Menschen.“ Er grinste wieder und seine Augen blitzten auf.
„Meinst du damit dich selbst?“ fragte ich trotzig.
Das gab seinem Grinsen nur einen kleinen Dämpfer, stattdessen zwinkerte er mir verschwörerisch zu.
Würde er mir wehtun? Schnell schob ich diesen Gedanken fort.
Schon bald standen wir vor meinem Haus, wo nur im Wohnzimmer das Licht brannte.
Sein Blick schweifte herum, bevor er wieder auf mir lag.
„Wir sehen uns dann morgen, gute Nacht Prinzessin.“
Er kam näher und beugte sich zu mir runter, bevor ich darauf reagieren konnte, hauchte er mir einen Kuss auf die Wange und ging.
Lässig ging er in die Richtung, aus dir wir gekommen waren und verschwand schließlich in der Dunkelheit.
Zitternd sah ich ihm hinterher und versuchte meinen Körper in den Griff zu bekommen.
Je öfter ich die Geschehnisse in Gedanken durchging, desto entsetzter wurde ich über mich selbst.
Daniel de Lucia war ganz offensichtlich ein Krimineller, ich sollte mich soweit wie möglich von ihm fernhalten, woher kam diese Anziehung, die uns schon dreimal an einem Tag zusammengeführt hatte?
„Selina?“
Die Stimme meines Vaters ließ mich zusammenzucken und holte mich in die Realität zurück.
„Ja?“ Ich streifte meine Schuhe ab und trat ins Wohnzimmer.
Mein Vater war vor einem Monat 55 Jahre alt geworden.
Er sah aber schon weit älter aus wegen seiner Trinkerei.
Seitdem er nicht mehr arbeitete, hatte er einen ziemlichen Bierbauch bekommen und wusch sich nicht mehr so regelmäßig.
Er bewegte sie eigentlich nur noch, wenn es absolut nötig war, oder er in die Bar ein paar Straßen weiter ging.
Den Rest musste ich machen, da meine Mutter die meiste Zeit arbeitete und nur noch zum Schlafen heimkam, wenn überhaupt.
Es war besser für sie.
Um Ben kümmerte er sich schon seit Jahren nicht mehr, das war in unserem alten Zuhause nicht anders gewesen.
Ich machte mir Sorgen, dass Ben irgendwann eine Ansprechperson und eine richtige Vaterfigur fehlen würde.
„Wo ist mein Bier?“ fragte er mit seiner rauen Stimme.
Er war unrasiert, hatte nur ein dünnes Hemd und eine Jogginghose an.
„Im Kühlschrank, warte ich hol dir eins.“
Ich drehte mich wieder um und holte ihm eine weitere Dose.
Ohne ein Wort nahm er sie an und trank einen Schluck.
„Was guckst du so?“ fragte er dann aggressiv.
Ich zuckte zusammen und sah schnell weg.
„Ich… Ich geh dann mal nach oben, Gute Nacht.“
„Warte mal.“ Seine Stimme hielt mich auf dem Flur auf.
„Ja?“ fragte ich neugierig.
Er wollte nie mit mir reden, wir waren alle nur Nebenpersonen in seinem Leben.
„Wo warst du?“ er sah mich misstrauisch von oben bis unten an.
„Im Tanzstudio.“, erklärte ich ihm schnell.
Ächzend stand er auf und musterte mich weiter.
Ich wich leicht zurück und meinte ein Funkeln in seinen Augen zu erkennen.
Früher hatte ich seine Augen geliebt, wie für jedes Kind war mein Vater mein großes Vorbild und er hatte sich immer viel Mühe gegeben dem gerecht zu werden. Wegen seines Jobs hatte er nicht viel Zeit, aber wenn er zuhause war hatte er sich nur mir gewidmet. Dann ging alles bergab und ich lernte schnell, dass mein Vater andere Seiten hatte, die ich nie kennenlernen wollte.
„Wozu? Du tanzt doch nicht mehr, oder doch?“
„Dad…“ wollte ich ansetzten, doch da spürte ich schon den Luftzug und im nächsten Moment seine Hand auf meiner Wange.
„Wag es nicht mal mir irgendeine lahme Ausrede zu liefern. Es gibt wichtigeres als deinen Spaß. Glaubst du etwa du bekommst auf der Welt alles geschenkt? Diese Zeit ist lange vorbei. Kontrier dich auf die wichtigen Dinge.“
Damit setzte er sich wieder auf die Couch und beachtete mich nicht mehr.
Schnell ging ich in die Küche und kühlte meine Wange mit einem feuchten Tuch.
Tränen liefen mir über die Wangen, doch ich versuchte sie zurückzuhalten.
Der nächste Morgen war nicht angenehm, ich fühlte mich als hätte ich nur eine halbe Stunde geschlafen und mir tat alles weh.
Das Training war sehr hart gewesen, als dann noch die Ereignisse des Abends auf mich einprasselten, war mir die Lust auf Schule schnell vergangen.
Stöhnend quälte ich mich aus dem Bett ins Bad, wo ich erst mal einen Blick in den Spiegel warf.
Ich hatte tiefe Augenringe, und auch die geschwollene Wange mit dem leichten blauen Schimmer war unübersehbar, nicht mal überschminken konnte ich es.
Ich seufzte und wand mich ab.
Zum Glück war es schon Freitag und ich konnte übers Wochenende zu Mel.
Sie war die Einzige, die wusste, dass mein Vater mich öfter schlug.
„Willst du mir wirklich schonwieder erzählen, dass das Trainingsverletzungen sind? Sel ich weiß wie sowas aussieht, meine Cousine sah genauso aus wie du jetzt. Jemand meint es nicht besonders gut mit deinem Gesicht. Wer ist es bei dir? Dein geheimer Freund oder...“
„Mein Dad.“ Murmelte ich und schlug mir sofort erschrocken die Hand vor den Mund.
Verdammt wieso hatte ich das nur gesagt?
Wie konnte ich nur so dumm sein und dieses Risiko eingehen?
Doch Mel nickte nur und sah aus dem Fenster.
„Das hatte ich vermutet, und wie alle anderen willst du nicht, dass es irgendjemand erfährt, oder?“
Ich sah sie flehend an und versuchte sie fast eine Stunde zu überzeugen den Mund zu halten.
Schnell zog ich mir noch die Kapuze ins Gesicht und senkte den Kopf.
„Morgen.“ Murmelte ich als ich in ihr Auto einstieg.
Ich spürte ihren besorgten Blick.
„Wie schlimm ist es?“ fragte sie mit ruhiger Stimme.
Seufzend schlug ich die Kapuze zurück und sah zu ihr
rüber.
Ich konnte sehen, wie sich ihr Gesicht von besorgt zu
zu sauer änderte.
Sie presste die Lippen zusammen und startete den Wagen.
Ich zog die Kapuze wieder nach oben und legte meinen Kopf ans Fenster.
Mel hatte mir schon oft angeboten einfach bei ihr einzuziehen, aber ich konnte meinen Bruder nicht allein lassen und ich wollte ihn auch nicht aus seinem gewohnten Umfeld reißen.
Während der Fahrt fielen mir immer wieder die Augen zu, ich wäre wahrscheinlich eingeschlafen, wenn Mel mich nicht geweckt hätte.
„Sel, wir sind da.“ meinte sie und strich mir sanft über den Arm.
Ich blickte auf und stieg dann nickend aus.
„Selina!“ Eine Stimme gelangte zu uns und wir drehten uns um.
Michael kam auf uns zu.
Er wirkte angespannt, als er näherkam, senkte ich den Kopf und mein Gesicht fiel in den Schatten der Kapuze.
„Guten Morgen.“
Er begrüßte Melissa und mich, allerdings musterte er mich eindringlich.
„Wie war dein Training gestern?“ fragte ich, um ihn abzulenken.
„Es war gut, mir tut jetzt noch jeder Knochen in meinem
Körper weh.“
„Geht’s dir nicht gut?“ fragte mein bester Freund, als wir ins Klassenzimmer kamen.
„Alles ok.“, erwiderte ich nur und sah dann aus dem Fenster.
„Sel sieh mich an.“
Fuck. Nein.
Beim letzten Mal konnte ich mich mit dem Training rausreden aber beim Tanzen konnte man kaum etwas im Gesicht abbekommen.
Ich musste mir was überlegen.
Also sah ich auf und hörte wie er scharf Luft einzog.
„Wa…Was ist passiert? War er das?“
Seine Hand strich meine Kapuze nach hinten und legte sie dann an die Seite meines Kopfes.
Verwirrt sah ich ihn und dann Mel an, doch die schüttelte nur den Kopf.
„Wen meinst du?“
Sein Gesichtsausdruck wurde hart.
„Na De Lucia, ich habe euch gestern Abend gesehen, war er das? Hat er dich geschlagen?“
Aus seinen Augen sprachen Hass und ein wenig Angst.
Ich war einen Moment zu geschockt, um zu antworten.
Er hatte uns gesehen, wo, wann, wie? Was hatte er gesehen?
Um Gottes Willen ich musste mit Daniel reden!
Moment was? Nein, nein, nein.
Warum dachte an so etwas, es war doch nicht mein
Problem, ich hatte immerhin nicht versucht diesen armen Kerl zu ermorden!
Ein Zittern fuhr durch meinen Körper, wenn ich nur daran dachte.
Natürlich fiel das meinen beiden Freunden auf.
„Du… du hast uns gesehen?“ fragte ich leise und versuchte weiter zu atmen.
„…Moment, du warst mit ihm unterwegs? Hatten wir dich nicht vor ihm gewarnt!?“ schaltete sich nun auch Mel ein und musterte mich misstrauisch.
„Was hast du mit dem zu schaffen?“, legte sie nach.
Shit.
„N… nichts, er… er hat mich nur nach Hause gebracht.“, erklärte ich.
„Hat er dich geschlagen?“ fragte Michael nochmal.
„Nein, wieso sollte er das tun?“
Er wäre die perfekte Ausrede für mein Problem, aber ich würde niemals behaupten, dass er mich geschlagen hätte.
„Selina, du kannst mit uns reden, hat er dich bedroht, damit du nichts sagst?“ Michis Gesichtsausdruck verriet nichts.
Nur Vorwurf und Kälte.
„Nein, er hat mich nicht angefasst ok!“ erwiderte ich und wurde langsam wütend.
Ich versuchte Daniel zu verteidigen.
Egal was er getan hatte und was nicht, er hatte es
keines Falls verdient, so behandelt zu werden.
Ich fing an zu Zittern und meine Wange schmerzte.
„Wer war es dann?“ fragte er wieder.
„N…niemand, ich bin gestolpert und blöd gefallen, du weißt doch wie tollpatschig ich bin.“
Mit zusammengekniffenen Augen musterte er mich.
Ich wusste, dass er mir nicht glaubte, aber er sagte nichts mehr, da in diesem Moment unser Lehrer hereinkam und seinen Unterricht begann.
Die Kapuze zog ich wieder hoch und versuchte noch etwas Schlaf nachzuholen.
Den halben Tag hatte ich schon hinter mich gebracht und es war mal wieder unnötig, dass ich hier war, aber was sollte ich tun?
„de Lucia!“
Ich drehte mich und entdeckte Olivia, die auf mich zu gelaufen kam.
„Hey, was machst du denn hier?“ fragte ich als sie mich erreicht hatte.
„Jason meinte ich soll dir das vorbeibringen.“
Sie reichte mir ein Kuvert mit wichtigen Unterlagen.
Dankend nahm ich sie an und sah sie gleich durch.
Olivia nahm schweigend neben mir auf der Mauer Platz.
Ich kannte sie schon ewig, da sie Jasons Schwester war, der wiederum mein bester Freund war.
Sie war hübsch mit ihren langen brauen Haaren und dem Körper eines Models, im Bett war sie auch ziemlich gut, aber das mit uns hatte nicht lange gehalten.
Jason war mein bester Freund geworden und damit war die Sache erledigt, für uns beide.
Mir fiel auf, dass mich heute besonders viele Leute anstarrten, ich wurde zwar immer angestarrt, aber nicht so.
Als ich wieder aufsah war es als würden alle zu mir rüber sehen.
Genervt zündete ich mir eine Zigarette zur Beruhigung meiner Nerven an.
„Sag mal kommt mir das nur so vor, oder starren mich alle an?“ fragte ich Olivia, die eifrig auf ihr Handy eintippte.
„Das ist mir auch schon aufgefallen, aber ich dachte, das wäre immer so.“, murmelte sie, sah aber nicht auf.
Ich schüttelte den Kopf und blies den Rauch aus.
„Kannst du da mal was für mich rausfinden?“ fragte ich sie, während ich schon Jasons Nummer tippte.
Letztes Jahr hatte sie ihren Abschluss an dieser Schule gemacht, sodass sie noch ziemlich viele Kontakte hier hatte.
Sie nickte und sprang von der Mauer, ich sah ihr noch nach, bis sie in einer Gruppe von Mädchen verschwand, dann konzentrierte ich mich wieder auf die wichtigen Sachen.
Als sie gegen Ende der Pause zurückkam sah ich sie neugierig an.
„Sagt dir der Name Selina Alliston was?“ fragte sie.
Sofort ging ein Ruck durch meinen Körper.
Verdammt, sie hatte doch nicht etwa geredet?
Ich hätte sie doch zum Schweigen bringen sollen!
Die Jungs hatten Recht gehabt!
„Was ist mit ihr?“ fragte ich mit zusammengebissenen Zähnen.
„Ok, anscheinend kennst du sie.“ Stellte Olivia fest.
Ich nickte nur und bedeutete ihr fortzufahren.
„Ein Freund von ihr hat euch gestern Abend zusammen gesehen.“
Wieder versteifte ich mich.
Ich musste verdammt schnell mit ihr reden.
Was hatte er gesehen? Was hatte sie ihm erzählt?
„Hast du sie heute schon gesehen?“ fragte sie neben mir weiter.
Ich nickte.
Seit heute Morgen hatte ich Selina beobachtet, ob sie mit irgendjemandem anders geredet hat, aber es waren immer nur ihre beiden Freunde.
„Naja, jedenfalls denkt dieser Freund, du hättest sie so zugerichtet und du weißt wie schnell sich solche Sachen an Schulen verbreiten…“
„Wie bitte was? Was meinst du?“ unterbrach ich sie verwirrt.
„Sie hat ein blaues Auge, geschwollene Wange.“
Da fiel mir auf, dass ich heute noch nicht einmal Selinas Gesicht gesehen hatte.
„Sie starren dich so an, weil sie denken du hast sie geschlagen.“, so brachte Olivia es auf den Punkt und stieß mir ein imaginäres Messer ins Herz.
Ich stieß zischend Luft aus.
„Ich würde niemals irgendetwas in dieser Art…“
Sie nickte und legte mir beruhigend eine Hand auf den Arm.
„Ich weiß, aber die wissen das nicht.“
Ich sah mich nachdenklich um.
„Was hat sie dazu gesagt?“ fragte ich leise.
Olivia zuckte die Schultern.
„Sie hat dich verteidigt. Sie meinte, dass sie gestolpert ist.“
Wieder nickte ich, aber es ergab keinen Sinn.
Ich hatte sie bis nach Hause gebracht, wer hätte da an sie rankommen sollen? Und warum verteidigte sie mich, es wäre die perfekte Gelegenheit mich ans Messer zu liefern, denn niemand würde mir glauben.
Für die war ich eh schon ein Verbrecher, Mörder und weiß Gott was noch alles.
Ich unterzeichnete die Papiere und gab sie Olivia zurück, bevor ich in die nächste Unterrichtsstunde ging.
Als die Klingel endlich das Ende der letzten Stunde verkündete, lehnte ich schon auf dem Parkplatz an meinem Auto.
Zwischen den vielen Schüler versuchte ich sie auszumachen und entdeckte sie, natürlich bei ihren Freunden.
Ich hatte mir inzwischen ein paar Hintergrundinfos besorgt.
Selina war vor ein paar Monaten aus Miami hergezogen.
Ihre Mutter arbeite im städtischen Krankenhaus, sie hatte noch einen kleinen Bruder.
Mehr hatte ich nicht rausfinden können in der kurzen Zeit.
Es war Michael, der uns gestern gesehen haben soll.
Er war im Footballteam und ein ziemlicher Aufreißer, kam aus einer guten Familie, alles Bänker.
Das Mädchen war Melissa, sie war eher ruhig, hatte ein paar Fehltage, ansonsten war ihre Akte makellos. Sie kam ebenfalls aus einer ziemlich reichen Bilderbuchfamilie.
Gerade sah ich noch, dass sie zu Melissa ins Auto stieg, da saß ich ebenfalls schon und folgte den beiden unauffällig.
Ihre Freundin ließ sie aber nicht bei ihr Zuhause, sondern vor einem anderen Haus austeigen und fuhr weiter.
Von der anderen Straßenseite beobachtete ich, wie Selina die Treppen zum Haus ging und klingelte.
Eine Frau ungefähr Anfang dreißig öffnete die Tür und nahm sie lächelnd in die Arme.
Sie redeten kurz, dann lief ein kleiner Junge heraus und fiel ihr um den Hals.
Ihre Kapuze fiel dabei zurück und ich sah die erschrockenen Blicke der Frau und des Jungen.
Er sah ihr ähnlich.
Wahrscheinlich ihr Bruder.
Nach ein paar weiteren Minuten verabschiedeten sie sich und die beiden gingen die Straße entlang.
Das war meine Chance.
Ich parkte am Straßenrand und nahm eine Abkürzung durch ein paar Gärten da ich die Gegend ziemlich gut kannte.
An der nächsten Ecke lehnte ich mich an die Wand, zündete mir eine Zigarette an und wartete bis sie kamen.
Keine Minute später bogen sie auf die Seitenstraße und ich sah wie Selina einen Moment innehielt, als sie mich erkannte.
Ohne sich etwas anmerken zu lassen ging sie weiter bis ein paar Meter vor mir, da kniete sie vor dem Jungen und drückte ihm einen Geldschein in die Hand.
„Geh in den Supermarkt und kauf dir ein paar Süßigkeiten, ich warte hier.“
Als er nickte glücklich, seine kurzen blonden Haare wippten hin und her.
Nachdem er verschwunden war, atmete sie tief durch und drehte sich dann zu mir um.
„Wie lang verfolgst du mich schon?“ fragte sie.
Der Schatten der Kapuze verdeckte ihr Gesicht, sie machte aber auch keine Anstalten sie ab zu nehmen.
Ich warf meine Kippe weg und ging ein paar Schritte auf sie zu, bis ich direkt vor ihr stand und strich die Kapuze nach hinten.
Sie blickte durch ihre braunen Augen zu mir nach oben und ich hielt unwillkürlich die Luft an.
Diese Verletzungen kannte ich, ich hatte sie schon oft genug gesehen.
„Wer war das?“ fragte ich sie anstatt einer Antwort.
„Niemand, ich bin beim Training gestolpert.“
Ihre Stimme zitterte leicht, ich wusste nicht ob es an unserer Nähe lag oder an der Temperatur.
Ich trat einen halben Schritt zurück.
„Die hattest du gestern Abend noch nicht.“
Sie verdrehte die Augen und sah ein wenig an mir vorbei, als könnte sie mich nicht direkt ansehen.
„Gestern war es dunkel und noch nicht so geschwollen, du hast es wohl übersehen.“
Ich kniff die Augen zusammen.
Ihre Erklärung klang logisch, aber ich hatte ein komisches Gefühl dabei.
Wieso interessiert es mich eigentlich? Es ging mich nichts an und ich hatte verdammt nochmal anderes zu tun!
„Was hat Michael gestern gesehen?“ fragte ich sie mit kühler Stimme.
Sie seufzte.
„Er hat nichts gesehen, nur wie du mich nach Hause gebracht hast, er wohnt eine Straße weiter und kam zufällig vorbei.“
Einen Moment sah ich sie prüfend an, doch als sie meinem Blick diesmal stand hielt war ich mir sicher, dass sie die Wahrheit sagte.
Wieso war meine Aufmerksamkeit gestern so beeinträchtigt gewesen das ich einen anderen Menschen übersehen hatte? Was war nur los mit mir?
„Das was du gestern gesehen hast…“
„…darf ich niemandem erzählen, schon klar. Keine Sorge, ich verrate dich schon nicht.“
Selinas Stimme klang angeschlagen, aber stark und sie hatte einen Ton, den ich schon lange nicht mehr gehört hatte.
Ich musterte sie überrascht.
Ich war es nicht gewohnt, dass man so mit mir sprach.
Sie war kein Stück eingeschüchtert von mir oder sah mich ängstlich an, wie alle anderen Mädchen, wenn ich meine Wünsche klar äußerte.
„Ist das dein Bruder?“ fragte ich mit einem Kopfnicken auf den Supermarkt, aus dem er gerade kam.
In der Hand hielt er eine ziemlich voll aussehende Tüte.
Sie drehte sich um und zog die Kapuze wieder auf, dann nickte sie.
„Ja, wir müssen los. Bis dann Daniel.“
Sie wandte sich ab und merkte so gar nicht wie ich bei dem Klang meines Namens zusammenzuckte.
Schon lange hatte ich diesen Namen nicht mehr gehört.
Niemand nannte mich so.
Was für eine verdammt beschissene Situation!
Ich musste das so schnell wie möglich durchziehen und zur Normalität zurückkehren.
„Sel wer war der Junge?“ fragte Ben, als wir in unsere Straße einbogen.
„Einer aus der Schule, niemand besonderes.“
Er sagte nichts mehr, allerdings fand er gleich eine neue Beschäftigung bis wir Zuhause ankamen.
„Pack deine Sachen, dann holt Tante Petra dich ab.“
Er lief gehorsam nach oben und ich hörte wie er sämtliche Spielsachen in seine Tasche stopfte.
Unser Vater war heute mit seinen Kumpels in der Kneipe um die Ecke und kam meistens erst nachts oder am nächsten Morgen wieder heim.
Ich zuckte erschrocken zusammen, als die Klingel ertönte.
„Das ist bestimmt Tante Petra!“ rief er und lief in den Flur.
„Ben, warte, du weißt, dass du die Tür nicht öffnen darfst!“
Ungeduldig sprang er von einem Fuß auf den anderen, während er wartete bis ich die Haustür öffnete.
„Hallo Ben, wie geht es dir?“
„Hallo Selina.“
Meine Tante war inzwischen Mitte vierzig.
Leider war es ihr nie vergönnt selbst Kinder zu haben, dafür war Ben ihr ein und alles, seit wir in ihre Nähe gezogen waren.
Sie nahm ihn jedes Wochenende zu sich und kümmerte sich um ihn als wäre er ihr eigenes Kind.
„Oh Kind, was ist denn mit deinem Gesicht passiert?“
Sie sah mich besorgt an.
Schnell wandte ich mich ab.
„Ach ich hatte nur einen kleinen Unfall beim Tanzen, nichts weiter.“
Da die Zeit drängte, ließen wir das Thema fallen und sie erklärte sich bereit, dass Ben bis Mittwochabend bei ihr bleiben konnte, da der Kindergarten wegen Renovierungen geschlossen war.
„Viel Spaß, sei brav. Ich habe dich lieb.“, flüsterte ich meinem kleinen Bruder ins Ohr, als ich ihn umarmte.
„Ich habe dich auch lieb Sel.“
Er gab mir einen Kuss auf die gesunde Wange und sprang zur Schwester meiner Mutter ins Auto.
Ich winkte ihnen zum Abschied, dann packte ich ebenfalls meine Sachen machte ich mich auf den Weg ins Tanzstudio.
Inzwischen war es dunkel geworden und ich lief durch die Straßen.
„Hallo Kleine.“
Erschrocken drehte ich mich um und entdeckte einen Mann an der Wand einer Gasse lehnen.
Er war vom Schatten bedeckt, so konnte ich ihn nicht genau sehen.
„Hallo“ erwiderte ich nur und wollte schon weiterlaufen, da trat er heraus.
Ich kniff die Augen zusammen und hielt inne.
Er war breit gebaut, trug ausgewaschene Jeans und einen grauen Kapuzenpulli.
„Was willst du?“ fragte ich ihn und trat einen Schritt zurück.
Als Antwort lächelte er und kam näher.
Sein Gesicht war sehr grob geschnitten.
Er war wahrscheinlich keiner von den netten Kerlen.
Wieso lief ich nicht einfach weg?
„Ich will de Lucia.“
Als Antwort schnaubte ich nur.
Warum drehte sich die ganze verfickte Welt nur um diesen Kerl?
„Da kann ich dir leider nicht helfen.“
Damit drehte ich mich um und ging weiter.
Allerdings kam ich nur ein paar Schritte, da legte sich eine Hand um mein Handgelenk und zogen mich grob zurück.
Als nächstes fand ich mich mit dem Rücken zu einer Wand wieder.
Hart schlug mein Kopf hinten auf.
Ich kniff die Augen zusammen und versuchte den Schmerz zu verdrängen.
Seine Hand legte sich um meine Kehle.
Er drückte nicht zu, es war aber auch nicht gerade
angenehm.
„Ich glaub schon, dass du mir helfen kannst, aber zunächst könntest du‘s mir auch einfach besorgen.“
Er grinste dreckig, sodass ich ein würgendes Geräusch von mir gab.
„Lass mich in Ruhe. Such dir eine Nutte dafür.“
Ich versuchte mich zu befreien, doch seine Hand schloss sich nur enger um meinen Hals.
„Was ist, wenn ich aber de Lucias Nutte will?“
Mein Blick wurde mörderisch, doch es interessiert ihn nicht, er grinste weiter.
Ich war nicht de Lucias Nutte, ich war gar nichts für ihn! Nur irgendeine die ihm geholfen hat.
Gerade wollte ich mich nochmal wehren, da erkannte ich eine Bewegung im Augenwinkel.
Ein weiterer Mann stand hinter dem Typen, der mich an die Wand drückte und hatte die Arme verschränkt.
Warum half er mir nicht?
Und warum kam er mir so bekannt vor?
„Ich glaube nicht, dass de Lucia es lustig findet, wenn du sein Mädchen anfasst.“
Das Grinsen des Kerls vor mir verblasst und er drehte sich zischend um.
Damit gab er mich frei und ich rutschte ein Stück die Wand runter, bis ich mich wiederaufrichtete.
Gierig schnappte ich nach Luft.
„Jason.“, knurrte der eklige Kerl angespannt.
Genanntem schlich ein kaltes Grinsen auf die Lippen.
Ich sah auf und erstarrt, es war Jason, der Typ, der mit Sandra im Fitnessstudio arbeitete.
Woher kannte er Daniel? Und der andere? Wie hatte das alles mit ihm zu tun?
„Lass sie zu mir rüberkommen und sie in Ruhe, dann sag ich de Lucia nichts von deinem kleinen… Ausrutscher.“
Bot Jason an nachdem der Kerl immer noch mein Handgelenk festhielt.
Der schien kurz darüber nachzudenken, dann drehte er sich zu mir um und schubste mich mit einem bösen Blick nach vorne.
Als ich mich umsah, verschwand er gerade in der nächsten Gasse.
Jason kam näher und musterte mich.
„Geht’s dir gut?“ fragte er dann.
Ich nickte kurz. „Danke.“
Er tat es mit einem Nicken ab und ging dann.
Verwirrt folgte ich ihm in Richtung des Fitnessstudios.
„Wirst du Daniel wirklich nichts sagen?“ fragte ich unsicher.
Überrascht sah Jason auf, fing sich dann wieder und
runzelte die Stirn.
„Natürlich sag ich es ihm. So etwas könnte jetzt öfter vorkommen. Es hat sie herumgesprochen, dass ihr beide zusammen seid. Er muss es wissen, um dich zu beschützen.“
Ich schnaubte und verdrehte die Augen.
„Wir sind nicht zusammen!“
Jason nickte und ging einfach schweigend weiter.
Verdammt frustrierend! Waren Daniels Freunde eigentlich alle so wie er?
„Ich kann auf mich selbst aufpassen.“ Schob ich noch hinterher.
Seine Augenbrauen hoben sich.
„Achja, das sah aber eben anders aus.“
Als mein Blick böse wurde, vergrößerte sich sein Grinsen nur noch.
Er hatte sogar dasselbe blöde Grinsen drauf!
„Ich bring dich zu Sandra.“, meinte er dann und ging schon weiter.
„Woher kennst du Daniel?“ fragte ich weiter, während wir eine Weile nebeneinander herliefen.
„Er ist mein bester Freund.“ Antwortete er etwas genervt.
Als wäre das offensichtlich.
Was hatte Sandra mit dieser ganzen Sache zu tun?
„Wie geht’s dir?“ fragte sie, nachdem sie mir eine Tasse Tee gemacht hatte.
Sie setzte sie auf die kleine Couch neben mich und sah mich mitfühlend an.
„Gut, das habe ich dir doch schon gesagt, wieso bin hier? Was hast du damit zu tun?“
„Selina, willst du nicht lieber über den Vorfall eben reden?“
Ihr Gesichtsausdruck war besorgt.
Ich konnte es verstehen, wir kannten uns seit wir hierhergezogen waren, sie war meine erste Freundin und wir hatten uns immer gut verstanden.
Aber im Moment setzte ich auf meinen Schutzmechanismus. Herunterspielen und Schweigen.
„Worüber? Da gibt es nichts zu reden.“
Erwiderte ich und nahm einen Schluck Tee.
Sie sah mich immer noch nachdenklich an und zuckte genau wie ich zusammen, als wir von draußen eine laute Stimme hörten.
„Was ist da los?“ fragte ich.
Sandra zuckte die Schultern, so gingen wir langsam zur Tür und öffneten sie vorsichtig.
Mit dem Rücken zu uns stand Jason und telefoniert mit jemandem.
„Ja, es geht ihr gut… Ja…de Lucia du steckst tief in der Scheiße… Ja…ich werde es versuchen…“
Nachdem er aufgelegt hatte, schob Sandra mich zurück in den Raum und bedeute mir dort zu bleiben.
Sie ging auf den Flur hinaus zu ihm.
Ich konnte durch den Türspalt sehen, dass sie zu ihm
ging und ihn umarmte.
Dann küssten sie sich. Also so hing sie da drin.
Sie war Jasons Freundin.
Schnell setzte ich mich wieder auf die Couch und nippte an dem Tee.
Die beiden setzten sich zu mir und kurz war es still.
Dann hielt Jason mir einen Zettel hin.
Fragend sah ich auf.
„Daniels Handynummer. Wenn nochmal etwas passiert.“ Erklärte er knapp.
Ich ließ sie auf dem Tisch liegen und sah wie Jason die Augen verdrehte.
Ich brauchte doch keinen Babysitter und erst recht keinen Kriminellen!
Vielleicht war ich dumm, stur und naiv, doch es störte mich im Moment nicht.
Mein Handy klingelte und Mels Name erschien auf dem Display.
Verdammt, ich war schon viel zu spät dran.
Schnell nahm ich meine Jacke und die Tasche.
„Ich muss los.“ Erklärte ich schnell und ging dann schon zur Tür.
„Warte, wohin willst du?“ fragte Sandra verwirrt.
„Zu Mel, wir hatten eine Verabredung.“, rief ich noch, da war ich aber schon aus der Tür.
Draußen atmete ich erst mal tief durch und nahm dann
den Anruf an.
„Ich weiß ich bin zu spät, es tut mir leid, ich bin gleich da.“
„Man, ich habe mir Sorgen gemacht!“ klang ihre Stimme
anklagend durchs Telefon.
„Ich musste noch was erledigen.“
Sie würde ausflippen, wenn sie die Wahrheit erfahren würde.
„Beeil dich, sonst geh ich ohne dich.“
Ich verdrehte die Augen.
„Wenn du das nur tun würdest.“ Murmelte ich und legte auf.
Sie wollte auf die Hausparty von einem Mitschüler, er hatte Geburtstag und Mel wollte unbedingt hingehen.
Gerade wollte ich mich auf den Weg machen, da hielt mich jemand am Arm fest.
Erschrocken schrie ich auf betete, dass es nicht schon wieder so ein Kerl war.
Doch dann tauchte Jason in meinem Sichtfeld auf und bedeutete mir still zu sein.
„Ich fahr dich hin.“
Es war keine Bitte, also folgte ich ihm schweigend und stieg in das Auto, welches direkt am Straßenrand parkte.
Ich gab ihm die Adresse, ansonsten schwiegen wir.
„Danke.“ meinte ich noch, dann stieg ich aus und ging auf Mels Villa zu.
Sie war hellerleuchtet und strahlte durch die ganze
Nachbarschaft.
Mit einem breiten Grinsen öffnete sie dir Tür und zog
mich sogleich rein.
„Du hast nicht mehr viel Zeit, dein Kleid habe ich schon rausgesucht, ich fang mit der Schminke an.“, begrüßte sie mich und dirigierte mich in ihr Zimmer.
Ich schmiss meine Tasche neben ihr Bett und ließ mich erschöpft auf den Stuhl vor ihrem Spiegel fallen.
„Was hast du denn bitte gemacht, deine Klamotten sind hinten ganz dreckig.“, fragte sie, während sie mir Staub aus den Sachen klopfte.
Ich zuckte nur die Schultern und nahm die Sachen, die sie mir hinhielt.
So verschwand ich ins Bad und zog mich um.
Ich musste ja zugeben, Mel hatte einen guten Klamotten Geschmack, aber diesmal hatte sie übertrieben, das Kleid, was sie mir ausgesucht hatte, war extrem kurz, weinrot und naja sehr kurz!
Ich schlüpfte hinein und wusste nicht ob ich nach oben oder nach unten ziehen sollte.
Gott, das Mädchen hatte Nerven.
„Das ist doch ein Top!“ rief ich anklagend durch die Tür.
„Das ist ein Kleid!“ kam nur zurück, also seufzte ich nochmal und ging wieder rüber.
„Oh mein Gott, es steht dir wirklich fantastisch.“
Sie kam grinsend auf mich zu und drückte mich auf den Stuhl vor dem Spiegel, dann fing sie an mir alle möglichen Sachen ins Gesicht zu pinseln und meine Haare in weiche Locken zu formen.
Nach einer halben Stunde war ich fertig und sah aus wie ein völlig anderer Mensch.
Meine Augen hatte sie mit weichen Goldtönen versehen und meine Haare fielen offen über meinen Rücken, worüber ich sehr froh war, so fühlte ich mich nicht ganz so nackt.
Meine Wange hatte sie gekonnt überschminkt, sodass man es nur noch erahnen konnte, wenn man ganz genau hinsah.
„Du siehst toll aus, und wir sind schon spät dran, los, los.“
Ein paar Minuten später saßen wir schon im Taxi und ich sah gedankenverloren aus dem Fenster, während Mel mir von allen möglichen Leuten erzählt, die auch zur Party kommen würden.
Schon von weitem konnte man Stimmen und laute Musik hören.
Wir gingen hinein und wurden schon im nächsten Moment von ein paar Jungs mit Getränken versorgt.
Ich lächelte sogar etwas, damit Mel später nicht ganz so sauer auf mich war.
Ich musste zugeben, die Party war gut.
Die Jungs waren nett, die Mädchen hatten wie immer ein bisschen zu wenig an.
Einschließlich mir.
Wir machten die Runde und landeten schließlich in der Garage.
Dort war eine Beer Pong Platte aufgebaut und ein paar Jungs spielten gerade.
An meinem Becher nippend sah ich ihnen dabei zu.
„Willst du auch mal ne Runde spielen?“ fragte eine Stimme sehr nah hinter mir.
Erschrocken fuhr ich zusammen und drehte mich um.
„Mein Gott Michi, erschreck mich nicht so.“
Mein bester Freund grinste nur und nahm sich einen Becher.
„Komm schon, spiel gegen mich.“
Sein Blick wurde herausfordernd und sein Grinsen noch
größer, als ich ablehnte.
„Hast du etwa Angst zu verlieren?“
Ich hasste es, wenn Menschen mich unterschätzten oder mich als schwach hinstellten.
Ich drückte Mel, die neben uns stand und kritisch beobachtete meinen Becher in die Hand und ging zu dem Tisch, wo die Jungs gerade eine neue Runde
aufbauten.
Sie grölten und jubelten, als Michael verkündete, dass er mich fertigmachen würde.
Ich lachte nur und nahm den Ball.
Endlich konnte ich meine Vergangenheit in Miami mal zu meinem Vorteil nutzen.
Den ersten Wurf versenkte ich perfekt in seinem
vordersten Becher.
Wieder wurde es um uns rum laut und ich grinste triumphierend.
Nach einer Weile war ich schon etwas angetrunkener und schaffte nicht mehr ganz so viele Bälle.
Dafür schien es, als würde Michael immer besser werden.
„Ok, kann ihr bitte jemand helfen ich werde schon wieder nüchtern.“, rief er grinsend.
Ich zeigte ihm meinen Mittelfinger und funkelte ihn böse an, dann warf ich und… er fiel in den nächsten Becher.
Die Jungs auf meiner Seite grölten, während es auf Michaels still wurde.
Nach weiteren drei Würfen hatte ich ihn besiegt.
Grinsend, trank ich meinen Becher aus und ging dann zu ihm.
„Ich wusste ja, dass du nicht gerade der Beste bist, aber dass du dich von einem Mädchen schlagen lässt… aber mach dir nichts draus, ich habe in Miami ne steile Karriere hingelegt.“
Er nickte grinsend, dann hob er mich über seine Schulter und lief in den Garten.
Ich kreischte kurz auf, dann schlug ich alles was ich zu fassen bekam.
„Michi… lass mich runter!“
Ich wurde panisch, als ich sah, dass er auf den Pool zusteuerte, der inzwischen schon voll mit Leuten war.
Er hatte ihn fast erreicht, als eine Stimme hinter uns ihn innehalten ließ.
„Wenn du sie da reinwirfst, bring ich dich um.
Was glaubst du wie lang ich gebraucht habe um sie in dieses Kleid zu stecken und sie zu schminken, damit sie so aussieht. Wenn du das machst, wirst du mich kennenlernen mein Lieber.“
In diesem Moment liebte ich Mel über alles.
Zögernd ließ er mich runter und stellte mich vor sich ab.
Dann beugte er sich zu mir runter und grinste schon
wieder.
„Nächstes Mal bist du dran Kleine.“
Ich lachte schadenfroh und schubste ihn weg.
„Träum weiter Stevens.“
Ich hörte ihn hinter mir lachen.
„Danke.“, murmelte ich Mel zu.
Sie grinste nur und tätschelte meinen Rücken.
„Jetzt gehen wir was Richtiges trinken.“
Verkündete sie und zog uns ins Wohnzimmer.
Dort setzten wir uns auf die Couch und Mel brachte die Drinks.
Ein paar Jungs aus Michaels Footballteam stießen zu uns und machten mit.
Irgendwann spielten sie ein Spiel, welches ich nicht verstand und Mel war schon eine Weile verschwunden, also stand ich auf und sah mich im Haus um.
Es war sehr groß, und hatte tatsächlich zwei
Wohnzimmer die beide voller feiernder Menschen
waren.
Die Musik dröhnte aus allen verfügbaren Boxen.
Ich folgte dem Gang und ging um die Ecke als ich plötzlich mit jemandem zusammenstieß.
Erschrocken sah ich auf und wollte mich entschuldigen, ließ es dann aber, als ich sah wer es war.
„Du kannst nicht genug von mir bekommen was Kleine?“
Daniel grinste mich schief an und seine Augen fanden meine.
Verdammte scheiße aber auch!
Ich schnaubte genervt und drehte mich um.
Gerade als ich wieder in die andere Richtung gehen wollte, spürte ich, dass er mein Handgelenk packte und mich zu sich umdrehte.
Erschrocken sah ich ihn an und schnappte nach Luft.
Warum musste mich heute jeder ständig anpacken?!
Den Schock von heute Nachmittag hatte ich wohl noch nicht so gut verdaut wie ich dachte.
„Ich habe gehört was heute passiert ist, geht’s dir gut? Hat er dir weh getan?“ fragte er mir ruhiger Stimme.
Sein Gesicht war ernst, kein Anflug mehr von seinem spöttischen Grinsen.
Ich hob das Kinn an und sah ihn immer noch abweisend
Er nickte, starrte mich aber weiterhin an.
„Was?“ fragte ich genervt.
Da kehrte sein Grinsen zurück.
„Nichts, ich mag es dich anzusehen.“, meinte er und strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr.
Wie erstarrt stand ich da, erlaubt mir nicht das Kribbeln an dieser Stelle zu deuten oder ihm zu zeigen wie er mich aus der Bahn warf.
Ein paar Mädchen kamen in den Gang und gingen an uns vorbei.
Kurz starrten sie uns an, da trat Daniel schon einen Schritt zurück.
Autsch, warum tat das jetzt weh?
Ohne noch etwas zu erwidern ging ich zurück und setzte mich an die Bar, an der ich auch Mel entdeckt hatte.
Irgendwann überredete sie mich doch mit ihnen eines ihrer Spiele zu spielen.
Es machte sogar Spaß, bis einer von den Jungs verlangte, dass ich mein Kleid auszog.
Da hörte der Spaß auf, selbst wenn ich schon angetrunken war.
Nicht mal in Miami hatte ich mich vor meinen Freunden ausgezogen.
Schlecht gelaunt verließ ich das Wohnzimmer und trat aus dem Haus, um etwas frische Luft zu schnappen.
Es musste inzwischen circa vier Uhr sein, mein Handy lag bei Mel zuhause, also hatte ich keine Ahnung.
Im Vorgarten lag ein Junge und schlief mit einer Bierflasche im Arm.
Schlafen wäre jetzt auch keine schlechte Idee, aber ich war von Mel abhängig.
„Alles klar bei dir?“ fragte eine Stimme neben mir, ich sah überrascht auf.
Wie konnte er einfach so neben mir auftauchen, ohne dass ich etwas bemerkt hatte?
Ich blinzelte ein paar Mal bis mein Blick wieder klar wurde und ich in seine dunklen Augen blickte, die mich besorgt ansahen.
„Du solltest nach Hause gehen.“, meinte er dann und zog eine Zigarette hervor.
Ich schnaubte bitter, was sollte ich den Zuhause?
Mich wieder schlagen lassen?
„Und du solltest aufhören zu rauchen.“ Maulte ich ihn an und sah auf die Spitzen meiner Chucks.
Egal was Mel tat, ich würde niemals in ein Paar ihrer High Heels schlüpfen.
Wieder mal war ich heilfroh über meinen letzten Selbsterhaltungstrieb.
Ich spürte das er mich von der Seite ansah, doch ich zwang mich seinen Blick nicht zu erwidern.
Da erfasst mich ein Schwindelanfall und kippte ich leicht zur Seite weg.
Neben mir ertönte ein Fluchen bevor ich aufgefangen wurde, Zigarettenrauch schwebte vor meinem Gesicht.
„Ok, hauen wir ab.“, murmelte eine dunkle Stimme neben meinem Ohr, dann wurde es schwarz und ich nahm nur noch wahr, dass ich hochgehoben wurde.
Warme Sonnenstrahlen weckten mich aus meinem Traum.
Er handelte von Zigarettenrauch und dunklen Augen, mehr wusste ich nicht mehr.
Verdammt.
Mein Kopf fühlte sich an, als würde er gleich explodieren.
Ich drehte mich stöhnend um und drückte mein Gesicht in die Kissen.
Hatte Mel ein neues Waschmittel, und wo war sie eigentlich?
Normalerweise beanspruchte sie das ganze Bett für sich.
Ein leises Lachen ließ mich aufhorchen und ich setzte mich ruckartig auf.
Böser Fehler!
Kaum hatte ich die Augen geöffnet, kniff ich sie wieder zu und ließ mich zurück in die Kissen fallen.
Wieder das Lachen.
Es hörte sich fremd und doch wunderschön an.
Langsam blinzelte ich und sah mich um.
Ich war nicht Zuhause, aber auch nicht in Mels Zimmer.
Dieses Zimmer hatte ich noch nie gesehen.
Ich setzte mich langsam auf und entdeckte dann
jemandem am anderen Bettende sitzen.
Daniel de Lucia.
Oh Scheiße.
Wieso war ich hier? Wie war ich hierhergekommen?
Was war gestern passiert? Wo waren Mel und Michael?
Ich schloss die Augen und versuchte meinen Herzschlag und meine Gedanken zu beruhigen.
Er wird mich schon nicht umbringen. Oder doch?
„Was… was mache ich hier?“ fragte ich mit kratziger Stimme.
Ich öffnete die Augen und musterte ihn.
Er trug kurze Shorts und ein schwarzes Muskelshirt, welches sich perfekt von seiner dunklen Hautfarbe abhob.
Seine dunklen Haare waren noch feucht.
Er lehnte an dem Bettpfosten und hatte einen Block auf dem Schoß.
Mit dem Bleistift zog er immer wieder Linien darauf und sah nachdenklich auf.
„Du standest gestern… naja… etwas neben dir, dann habe ich dich nach Hause gebracht… nur zu Sicherheit.“
Sagte er dann während er wieder auf seinen Block starrte.
Seine Stimme klang abwesend.
„Das ist nicht mein Zuhause.“
Erwiderte ich leicht angepisst.
Ich hatte nicht vor mich damit zufrieden zu geben.
Er sah auf und grinste.
„Ich weiß, ich fand es hier sicherer für dich, nach dem was gestern Nachmittag passiert ist. Außerdem wolltest du nicht nach Hause.“
Er klappte den Block zu und schob ihn unter das Bett.
Dann musterte er mich wieder nachdenklich und ich erkannte ein verräterisches Glitzern in seinen Augen.
Seine braunen Augen strichen über meinen Körper und hinterließen eine warme Spur.
Trotzdem war es mir unangenehm, er hatte seinen durchdringenden Blick drauf.
Da fiel mir auf, dass ich nur Unterwäsche anhatte und zog sofort die dünne Decke ein Stück hoch.
„Du hast mich ausgezogen!?“ stellte ich dann entsetzt
fest.
Er grinste jungenhaft.
Mein Herz stolperte kurz bei diesem Gesichtsausdruck, ich hatte ihn die letzten Male nicht lächeln sehen.
„Das Kleid sah so unbequem aus.“ Erwiderte er Schulter zuckend.
Meinen ironischen Blick ignorierte er einfach.
Der Raum schwankte noch ein bisschen, doch ich hielt mich am Bettpfosten fest als ich aufstand.
Als alles wieder gerade und stabil war, sah ich zu Daniel rüber.
„Bad?“ fragte ich ihn.
Mit dem Daumen deutete er auf die Tür hinter sich.
Dann verschwand er ohne ein weiteres Wort aus dem Schlafzimmer.
Einen Moment sah ich ihm hinterher.
Warum hatte er mich hergebracht, wenn es doch offensichtlich besser war, dass wir Abstand voneinander hielten?
Als ich fertig geduscht war, schlüpfte ich wieder in Mels Kleid und nahm mir eine schwarze Sweatjacke von einem Stuhl.
Meine Chucks standen neben dem Bett, also schlüpfte ich wieder hinein.
Mir egal was er davon hielt.
Ich ging zu der Tür, aus der Daniel gerade verschwunden war und trat hinaus.
Vor mir erstreckte sich ein Gang mit vielen Türen.
Super, sah aus wie in einer moderneren Ausgabe von Graf Draculas Schloss.
Ganz hinten führte eine Treppe nach unten.
Ich kam schließlich in einer Küche an, wo drei Jungs an der Kücheninsel lehnten und sich mit einem Kaffee in der Hand unterhielten.
Als ich reinkam hielten sie inne und starrten mich an.
Schnell senkte ich den Blick und starrte auf den Boden vor meinen Füßen.
Ich hasste es angestarrt zu werden.
Dann legte sich eine Hand auf meinen Rücken und schob mich vorwärts.
Kurz zuckte ich zusammen, entspannte mich dann aber, als ich seine Stimme hörte.
„Willst du auch nen Kaffee?“ fragte Daniel und ging an mir vorbei in die Küche.
Ich sah zu ihm hoch, von den Jungs zu ihm und wieder zurück.
„Achja, das sind meine Jungs, merk dir ihre Gesichter erst gar nicht, es ist besser so, also Kaffee?“
Er sah mich fragend an, während ich noch zwischen den Jungs hin und her sah.
„Ähm ja… schwarz… danke.“
Er nickte und wandte sich dann um.
Während er Kaffee machte spürte ich die intensiven Blicke der Jungs auf mir.
Sie hatten sich mittlerweile an den Tisch gesetzt, sprachen aber nicht mehr, sondern sahen nur zu mir rüber.
Daniel reichte mir den Kaffeebecher und ich nahm ihn dankend an.
Dann lehnte er sich ebenfalls an den Tisch und sah ebenfalls zu mir.
„Was starrt ihr mich alle so an?“ fragte ich genervt.
Die Jungs hoben synchron die Augenbrauen und wechselten Blicke miteinander, aber kein sagte etwas.
Daniel grinste in seine Tasse und nahm noch einen Schluck.
Eine bekannte Stimme klang durch das Haus.
„de Lucia? Ich habe ihn erledigt, das sollte aber nicht zur Gewohnheit werden, sonst stapeln sie sich aus dem Wa…“
Jason. Er war anscheinend gerade reingekommen.
Wovon redete er dann? Wen hatte er erledigt?
Mitten im Satz brach er aber ab, als er in die Küche kam und mich sah.
Sein Blick wurde erschrocken und wanderte zu Daniel.
Auch ich sah zu ihm auf, er sah seinen besten Freund
böse an, als sein Blick zu mir rüber wanderte wurde er
verschlossen.
„Guten Morgen Selina.“ Jason nickte mir zu und ich erwiderte es schnell, bevor ich mich zu Daniel umwandte.
„Ich würde jetzt gerne nach Hause gehen.“, meinte ich und sah ihn erwartungsvoll an.
Er nickte und trank seinen Kaffee aus.
Dann nahm er seine Schlüssel und verließ die Küche.
Ich lächelte die Jungs zum Abschied an, folgte ihm dann.
Als wir aus dem Haus spürte ich, wie Daniel sich etwas entspannte.
Ich sah nochmal zurück und schnappte nach Luft.
Das Haus war größer als ich dachte.
Wie konnte es sein das er in so einem Haus wohnte?
Wo waren seine Eltern? Konnte er einfach irgendwelche Mädchen nach Hause bringen?
Und diese Jungs? Wohnten die auch dort?
Ich stöhnte kurz auf, meine Kopfschmerzen wurden schlimmer mit all diesen Fragen.
Es lag einsam am Waldrand, Grau und Weiß gehalten, mit einem Flachdach und einer riesigen Garage.
Wir stiegen in Daniels Auto, welches auf der Auffahrt stand und er fuhr los.
„Kannst du mich zu Mel fahren?“ fragte ich ihn.
Kurz sah er mich an, dann nickte er nur und fuhr in die andere Richtung.
Während der Fahrt schwiegen wir, ich beobachtete aus dem Fenster die vorbeihuschenden Landschaften und
spürte immer wieder Daniels Blick auf mir.
„Ist das meine Jacke?“ fragte er irgendwann.
Ich sah an mir runter, tatsächlich ich hatte noch die Jacke an.
Sofort wurde ich rot und nickte.
Gerade wollte ich sie ausziehen, da spürte ich seine Hand auf meiner Schulter.
„Behalt sie, vielleicht kannst du sie nochmal brauchen, außerdem steht sie dir fast so gut wie mir.“
Er grinste mich selbstgefällig an, sodass ich verlegen wegsah.
„Danke.“ Sagte ich lächelnd als wir da waren und stieg aus.
Ich nahm den Schlüssel aus dem Versteck und schloss auf.
Leise ging ich die Treppe rauf zu Mels Zimmer.
Als ich reinkam lag sie nicht allein dort.
Ein Junge lag auf der Seite und schlief genau wie sie tief und fest.
Ich stellte erleichtert fest, dass der Kerl Michael war.
Schnell verließ ich das Zimmer wieder, ging runter in die Küche und machte Frühstück für die beiden.
Wie ich sie kannte, würden sie wohl noch eine Weile schlafen, also machte ich mir einen Tee und schaltete den Fernseher an.
Gerade liefen die Lokalnachrichten.
„Dylan Parker (22) wird seit gestern Abend vermisst, er wollte sich mit Freunden treffen, tauchte aber nie auf.“
Sie zeigten ein Bild, prompt verschluckte ich mich an meinem Tee und musste heftig husten.
Oh Scheiße, das war der Typ, der mich gestern bedroht hatte.
Hatte Daniel etwas damit zu tun, oder Jason?
Er hatte heute Morgen etwas gesagt… war das etwa…?
Meine Gedanken rasten und ich fing an zu zittern.
Eine Sekunde verfluchte ich mich dafür, dass ich Daniels Telefonnummer nicht genommen hätte.
Zu gerne hätte ich ihn gefragt ob er etwas damit zu tun hatte.
Schnell schaltete ich den Fernseher wieder aus und setzte mich an die Kochinsel.
Gedankenverloren nippte ich an meinem Tee und
merkte gar nicht, dass jemand den Raum betrat.
„Guten Morgen. Wo warst du die ganze Nacht?“
Ich zuckte zusammen und wandte mich zur Seite.
Michael lehnte lässig an der Theke, er sah ziemlich fertig aus.
Ich zuckte nur schnell die Schultern, er würde mich umbringen, wenn ich ihm erzählte, dass ich bei Daniel war.
„Sel bist du das?“ tönte jetzt auch Mels verschlafene Stimme von oben.
Dann hörte ich Schritte, bis sie in der Küche stand.
Meine beste Freundin lief um den Tisch herum und schloss mich fest in ihre Arme.
Etwas überrascht umarmte ich auch sie.
„Verdammt, wir haben uns Sorgen gemacht, wo warst du bitte!?“
Ihre Miene war besorgt.
Michael gab ihr einen Kaffee und die beiden setzten sich zu mir an den Tisch.
„Ich… ich war zuhause, mir ging es nicht gut, aber ich wollte euch nicht den Spaß verderben. Und mein Handy liegt hier.“
Ich hoffte wirklich, dass sie das Schlucken würden.
Zuerst sahen sie mich misstrauisch an und ich befürchtete, das Schlimmste.
Dann seufzte Mel und schloss mich nochmal in ihre Arme.
„Sag uns doch das nächste Mal bitte Bescheid, sonst
können wir uns ja gar nicht richtig betrinken.“
Als ob, so wie die beiden aussahen, hatten sie ein ziemlich heftige Nacht.
Sie lachte auf und ich fiel erleichtert mit ein.
Wir unterhielten uns noch eine Weile, dann packte ich meine Sachen und ging mit Michael zu Sandra ins Tanzstudio.
Er wollte mich begleiten, da er mir gerne beim Tanzen zusah.
Er erzählte mir von den Mädchen von gestern Abend, als Sandra eintrat.
„Hallo ihr beiden, na alles klar bei euch?“, begrüßte
sie uns als sie reinkam, ich konnte ihren besorgten Blick auf mir spüren.
Während sie mit Michael sprach, wärmte ich mich auf.
Als ich alle Schritte nochmal geübt hatte, ließ sie die Musik spielen und ich tanzte das Stück, mal mit ihr, mal sah sie nur zu und gab mir Tipps.
Abends verließen wir gemeinsam das Studio und ging in eines der naheliegenden Restaurants.
Am nächsten Tag gingen wir ins Kino, zum Shoppen und sahen uns bei Mel stundenlang irgendwelche Serien an.
Ich wohnte das ganze Wochenende bei Mel, da ich nicht wirklich Lust hatte nach Hause zu gehen, außerdem war meine Mutter diese Woche zuhause und zu sehen, wie er sie schlug, würde ich nicht aushalten.
Ende nächster Woche hatte ich das Vortanzen.
Meine Lehrerin hatte zwei Professoren der Juilliard eingeladen.
Mit jedem Tag stieg meine Aufregung und Nervosität.
In meinen Gedanken versunken schlenderte ich durch die Straße, als mich laute Stimmen aufschrecken ließen.
„Schnappt sie euch!“
Verdammt ich hatte mir doch vorgenommen, nicht mehr allein draußen rum zu laufen, wenn es dunkel war!
Ich drehte mich um und sah eine Gruppe Jungs auf mich zulaufen, da ich die Einzige hier war, hatten sie es offensichtlich auf mich abgesehen.
Schnell drehte ich mich um und rannte los.
Allerdings nicht sehr lang, da vor mir plötzlich nochmal zwei aus einer Gasse kamen.
Ich sah mich um und überquerte schnell die Straße.
Hinter mir wurden die Schritte immer lauter.
Verdammt die waren echt schnell!
Langsam kroch die Angst in mir hoch und ich versuchte noch etwas schneller zu laufen.
Wegen des Trainings hatte ich eine gute Ausdauer, aber ich war nicht so schnell wie manch anderer.
Als ich um die nächste Straßenecke in den Park laufen wollte, stieß ich mit jemandem zusammen und fand mich auf dem Boden wieder.
Im nächsten Moment hatten sie mich eingekreist und
grinsten mich überlegen an.
Gott, wie ich solche überheblichen Typen hasste!
Daniel war genauso, schoss es mir durch den Kopf.
„Hey Kleine.“
Schnell rappelte ich mich auf.
Meine Augen wurden zu Schlitzen.
Ich war nicht klein!
„Was wollt ihr?“ fragte ich bissig.
Der Typ hob die Augenbrauen und sah mich überrascht an.
Ich nutze den Moment, um mich kurz umzusehen.
Es waren sechs Männer, alle groß und gut gebaut.
Den Gedanken mit dem rauskämpfen verwarf ich also schnell wieder.
Keine Chance abzuhauen. Scheiße aber auch.
„Redest du mit de Lucia auch so? Dann bin ich überrascht, dass du noch lebst.“
Natürlich hatte er wieder mit Daniel zu tun, was sollte es auch sonst sein?
Dann war es still.
Niemand sagte etwas, niemand rührte sich.
„Was wollt ihr?“ fragte ich nochmal.
Der Typ grinste.
„Ich will de Lucia eine Lektion erteilen.“
Meinte er einsilbig und ließ seinen Blick schweifen.
Verwirrt sah ich ihn an, wich zurück als er näherkam. Wozu brauchte er mich dann? Um Daniel zu erpressen?
„Warum?“ fragte ich weiter.
Kurz war es still, und der Typ stand direkt vor mir, ich konnte seinen Atem auf meinem Gesicht spüren und zwang mich ihm nicht meine Angst zu zeigen.
Denn innerlich zitterte ich bereits.
„Giovanni!“
Da ertönte eine dunkle Stimme zwischen den Bäumen, ich erschrak mindestens genauso wie die anderen, die sich jetzt ängstlich umsahen.
Er war hier!
Kurz schloss ich die Augen und atmete erleichtert auf, aber noch war ich hier nicht raus, warnte mein Kopf und im nächsten Moment packte Giovanni meine Kehle.
Ich schnappte erschrocken nach Luft, während der nur grinste.
Seine Freunde sahen sich immer noch ängstlich um, denn Daniel stand irgendwo im Schatten der Bäume.
Verdammt der sollte mir helfen, ich bekam hier keine Luft mehr!
„Zeig dich de Lucia oder deiner Kleinen passiert was.“
Drohte der Italiener.
„Du Scheißkerl, lass sie los!“
Dann trat er aus den Schatten und ich konnte ihn im schwachen Licht der Straßenlaterne sehen.
Seine Stimme klang etwas nervös, aber dennoch drohend.
Daniel trug seine schwarze Jeans und Lederjacke,
darunter ein schwarzes T-Shirt.
Wie es aussah hatte er nur schwarze Sachen in seinem Schrank.
Warum dachte ich jetzt über so etwas nach?
Hatte er mir schon so viel Sauerstoff abgedrückt, dass mein Kopf schon machte was er wollte?
Ich packte nochmal seine Hand und er lockerte sich
tatsächlich ein bisschen.
Dann schubste er mich nach hinten und drehte sich zu Daniel um.
Einer seiner Freunde fing mich auf und hielt mich von hinten fest, aber zumindest konnte ich frei atmen.
Gierig zog ich die Luft ein und versuchte mich zu beruhigen.
Dann sah ich zu Daniel auf.
Unsere Blicke trafen sich und er musterte mich, als wollte er herausfinden, ob ich verletzt war.
Am liebsten wäre ich zu ihm gelaufen, doch der Typ hielt mich grob am Arm bei sich.
„Du hast dir Zeit gelassen, ist dir die Kleine doch nicht so wichtig?“ fragte Giovanni grinsend.
Ich bin nicht klein verdammt!
Am liebsten hätte ich ihm eine runtergehauen.
Sollte ich nicht eigentlich hysterisch werden oder anfangen zu weinen?
Ich war aber nichts davon, außer verdammt wütend.
„Was willst du hier? Wieso bist du zurückgekommen?“
Sprach Daniel einfach weiter und trat noch einen Schritt
vor.
Er war wütend, mehr als wütend, wieso sahen die das denn nicht?
Seine Hände waren zu Fäusten geballt und zitterten leicht.
An ihrer Stelle hätte ich schon längst die Flucht ergriffen.
In der Dunkelheit sah er furchteinflößend aus, dass hatten die Anderen wohl auch bemerkt, denn sie wurden nervös.
„Ich wollte dich wiedersehen, darf man jetzt keine alten Freunde mehr besuchen?“
Erwiderte Giovanni grinsend.
Daniel lachte bitter auf und blickte zu ihm.
„Wir sind schon lange keine Freunde mehr. Also verschwinde wieder, ich will dich nicht in meiner Stadt und nicht in der Nähe meines Mädchens wissen.“
Ich schnappte überrascht nach Luft.
Was hatte er gerade gesagt?
Ich war doch nicht sein Mädchen?
Mir blieb gar keine Zeit weiter darüber nachzudenken, denn Giovanni zerrte mich zu sich und stieß mich in Daniels Richtung, nachdem er mich noch dreckig angegrinst hatte.
Daniel fing mich sofort auf, damit ich nicht wieder hinfiel und zog mich mit einem Arm um meine Taille nah an sich.
Erleichtert stieß ich Luft aus und schmiegte mich leicht
an seine Brust.
Sofort umhüllte mich sein Geruch und beruhigte meine Nerven.
Er würde mich beschützen, bei ihm würde mir nichts passieren, versuchte ich mir einzureden.
„Beschütz sie besser de Lucia, ich wollte dich nur warnen. Es wird jemand kommen, dem bist du nicht gewachsen. Dann solltest du besser auf sie aufpassen.“
Die Jungs starrten sich noch ein paar Sekunden hasserfüllt an, bevor die anderen in der Dunkelheit verschwanden.
Daniel drehte mich in seine Richtung und sah mir forschend ins Gesicht.
„Alles ok? Hat er dir wehgetan?“
Zitternd schüttelte ich den Kopf.
Prüfend sah er noch meinen Hals an, dann nickte er und führte mich zu seinem Auto.
„Ich fahr dich zu mir, dort bist du sicher.“
Es war keine Frage, aber er sah zu mir rüber und wartete bis ich nickte.
Im Moment hatte ich sowieso keine Lust nach Hause zu gehen.
Ich wollte nicht alleine sein und er gab mir ein Gefühl
von Sicherheit. Egal wie absurd das war.
Er nickte ebenfalls und startete den Wagen.
Ich glaube mein Körper hatte da etwas verwechselt, das ganze Adrenalin strömte durch mich hindurch und lähmte jeden klaren Gedanken, sobald er auf den Highway einbog.
„Wer war das? Was wollen die alle von dir?“ fragte ich in die Stille.
Daniels Blick zuckte kurz zu mir, lag dann konstant auf der Straße.
„Das geht dich nichts an.“
Gekränkt runzelte ich die Stirn und sah wieder aus dem Fenster.
Ich hatte nicht erwartet, dass er mir irgendetwas sagen würde, auch wenn es mich verletzt hatte wie er es ausgedrückt hatte.
Diese Sache ging mich wohl etwas an, wenn ich diejenige war die ständig angegriffen wurde!
„Du musst es mir ab jetzt immer sagen, wenn du irgendwo hingehst, ich werde in deiner Nähe bleiben müssen.“
Er sah prüfend zu mir rüber, sodass ich nur stumm nickte.
Er klang nicht gerade begeistert.
Daniel nahm es zu Kenntnis und fuhr schweigend weiter, das Thema war für ihn anscheinend geklärt.
Im Haus war es bis auf ein paar gedämpfte Stimmen aus dem Fernseher still.
Daniel führte mich sofort nach oben in sein Zimmer.
Letztes Mal hatte ich es mir nicht wirklich angesehen, doch jetzt tat ich es.
Es war groß und in hellen Farben gehalten.
Eine große Glastür führte auf einen kleinen Balkon und ließ das Mondlicht herein.
Im Zimmer stand ein großes Bett, eine Couch, Fernseher,
Kleiderschrank. Das Übliche eben.
Mir fiel auf, dass nichts Persönliches hier drin war.
Keine Bilder, nichts was auf Daniels Identität hinwies.
Aber was hatte ich auch erwartet?
Glückliche Familienfotos?
Jemand räusperte sich hinter mir, also brach ich meine Musterung ab und drehte ich mich zu ihm um.
„Alles ok?“ fragte er und legte seine Jacke auf der Couch ab.
Ich nickte schnell.
„Bin gleich wieder da.“ Damit verschwand er wieder aus dem Zimmer.
Meine Tasche legte ich auf die Couch neben seine Jacke.
Langsam sah ich auf den kleinen Tisch, der mir vorher gar nicht aufgefallen war.
Es herrschte ein Chaos, überall lagen Blätter.
Ganz oben darauf entdeckte ich einen Block.
Wie von selbst trugen meine Beine mich dorthin und ich schlug ihn auf.
Meine Augen weiteten sich, mein Herzschlag verdoppelte seine Geschwindigkeit.
Was ich da sah waren nicht nur Zeichnungen, es waren wunderschöne Bilder.
Sie zeigt ein Mädchen auf einer Bühne, sie tanzte.
Als ich mit zitternden Fingern weiterblätterte, erkannte ich das Studio, in dem ich am Samstag zum Üben war.
War er dort gewesen?
Das Mädchen auf den Bildern war ich!
Er hatte mich gemalt.
Ein Geräusch hinter mir ließ mich zusammenzucken und ich drehte mich schnell um.
Dicht hinter mir stand Daniel und hielt ein Glas in der Hand.
Er sah mich, dann auf den Block und wieder mich an.
Sein Atem traf mein Gesicht und mein Blick fiel auf seine perfekt geformten Lippen.
Wie wir uns anstarrten hatte ich Angst er würde sauer sein, doch er sagte nichts.
Sah mich weiterhin mit forschendem Blick an.
„Gefällt‘s dir?“ fragte er dann mit einem Kopfnicken.
Ich drehte mich wieder um und sah auf die Bilder.
Ich konnte seinen Atem immer noch in meinem Nacken spüren.
Gänsehaut zog sich über meinen ganzen Körper.
Meine Finger strichen die Blätter an den Seiten glatt.
„Sie sind wunderschön, ich wusste nicht, dass du so gut Zeichnen kannst.“ brachte ich mühsam heraus.
Seine Anwesenheit hatten diese unheimliche Wirkung auf mich.
Er konnte mich dermaßen aus dem Konzept bringen, dass ich mich daran erinnern musste wie man atmet.
Eine paar Augenblicke rührte sich keiner, es war als würden wir beide nur auf das Bild starren.
Dann wandte er sich ab und stellte das Glas auf den Tisch.
„Ich muss noch etwas erledigen, wenn was ist ich bin unten in der Küche. Gute Nacht Selina.“, murmelte er mit neutraler Stimme und verließ dann das Zimmer.
Ich starrte kurz noch vor mich hin, bevor ich mich langsam umdrehte und wieder zu der Tür sah, aus der er fast schon geflüchtet war.
Was war das denn gewesen?
Er war plötzlich so anders gewesen, wieder anders als im Auto oder auf der Party.
Seine Stimmungsschwankungen brachten mich durcheinander.
Ich ging mich umziehen und kroch dann in das große Bett, denn anscheinend wollte er, dass ich heute Nacht hierblieb.
Seine Kissen rochen nach ihm, der einzige Hinweis, dass er hier wohnte.
Eine Weile lag ich noch wach, starrte auf das Mondlicht, was in sein Zimmer schien und ergab mich den Gedankenstürmen, bis ich irgendwann vor Erschöpfung einschlief.
Ich wachte auf, da es sehr warm war.
Meine Jogginghose und das T-Shirt waren doch sonst auch nicht so warm gewesen?
Verwirrt schlug ich die Augen auf und fand meine Heizung.
Daniel lag neben mir, hatte seinen Arm um mich gelegt
und hielt mich fest an seiner nackten Brust.
Als ich meinen Blick über ihn schweifen ließ, fing mein Herz an schneller zu schlagen.
Er war sah so friedlich aus, als hätte er nichts mit dieser ganzen Welt zu tun und wäre ein ganz normaler Junge.
Ein gutaussehender Junge.
Dann erst fiel mir auf, dass er nur Boxershorts trug.
Seine glatte, harte Brust demonstrierte langwieriges Training.
Von seinen Armen und über seine Brust zogen sich seine Tattoos, verschnörkelte Linien, Symbole.
Ich könnte sie mir wahrscheinlich stundenlang ansehen und würde immer wieder ein neues Bild zu erkennen.
Die schwarzen Haare standen von seinem Kopf ab und glänzten leicht in der Sonne, die vom Fenster hereinschien.
Ein drei-Tage-Bart zeichnete sich ab, ließ ihn älter wirken.
Bis auf Daniels und meinen Atem, war es still um uns herum.
Lächelnd ließ ich meinen Kopf wieder in das Kissen sinken und betrachtete Daniel weiter.
Wenn ich ihn so ansah fiel mir auf, dass ich ihn gar nicht kannte, ich schlief schon zum zweiten Mal mit ihm in einem Bett, wusste aber nichts außer seinen Namen und ein paar Gerüchten.
Die nicht gerade vielversprechend waren.
Ich musste wieder eingeschlafen sein, denn als ich wieder zu mir kam, war Daniel weg.
Ein bisschen enttäuscht stand ich auf.
Dann ging ich wie beim letzten Mal die Treppe runter und lief direkt in einen großen Körper hinein.
„Wow, immer schön langsam so früh am Morgen.“
Sagte eine Stimme und Arme hielten mich fest, damit ich nicht nach hinten kippte.
Langsam sah ich auf und musterte den Kerl vor mir.
Er war circa einen Kopf größer als ich.
Außerdem war er, wie Daniel, sehr gut trainiert.
Seine Haare waren hellbraun und an den Seiten kurz rasiert.
Ich hatte ihn das letzte Mal nicht hier gesehen.
War er da gewesen?
Er hatte eine leichte Ähnlichkeit mit Daniel, konnte das sein?
Was mich an ihm faszinierte waren seine Augen.
Sie waren hellblau, fast grau.
Er grinste mich an, hielt mich immer noch fest.
Schnell fing ich mich wieder und sah zu Boden.
„Sorry.“ murmelte ich verlegen.
„Dich habe ich hier noch nicht gesehen, zu wem gehörst du?“ fragte er und musterte mich.
Verwirrt sah ich ihn an, dann begriff ich und wurde leicht rot.
„Ähm… ich...“
„Selina?“
Eine andere Stimme ließ mich Aufsehen und ich entdeckte Daniel der aus dem Wohnzimmer trat.
Sein Blick wechselte zwischen mir und dem Kerl, der mich langsam losließ.
Der Kerl vor mir lachte auf und ging ein paar Schritte zurück.
„Das ist sie also, … die berühmte Selina.“
Verwirrt sah ich zwischen den beiden her, während Daniels Blick wütend wurde.
Der Kerl lachte wieder.
„Ich mach nur Spaß.“ Er zwinkerte mir grinsend zu.
„Selina das ist Fabio.“
Daniel trat etwas näher zu uns, sein Blick lag forschend auf mir.
Fabio räusperte sich.
„Ich bin sein Bruder. Schön dich kennenzulernen Selina, ich habe schon viel von dir gehört.“
Immer noch ein bisschen verwirrt lächelte ich ihn an.
„Hey.“
„Wie stellen wir uns doch vor? Letztes Mal hast du noch gesagt, wir sind nicht wichtig, aber wenn das so ist.“, rief eine Stimme von oben.
Ein weiterer Kerl kam die Treppe runter gerannt und kam dicht vor mir zum Stehen.
„Ich bin Dennis.“ Er grinste mich breit an, nachdem er einen Schritt zurücktrat.
„Selina, aber das wisst ihr ja schon.“
Ich lächelte etwas schüchtern zurück.
Dennis grinste immer noch und führte mich dann in die Küche.
Er war anders als Daniel und Fabio, er hatte kurz
geschorene Haare und hatte einen dunkleren Hautton.
Er trug eine Hose die gemusterte war, wie die von
Soldaten.
Sein Muskel Shirt war ebenfalls dunkelgrün und passte perfekt zu seiner dunklen Hautfarbe.
Alles in allem würde er wohl als Soldat und Killer durchgehen, doch sein liebes Grinsen und seine strahlend grünen Augen machten ihn außergewöhnlich.
Irgendwie süß.
Er schob mich zum Tisch und bedeutete mir, mich zu setzten.
„Selina willst du auch einen Kaffee?“ fragte er und ging
zur Kaffeemaschine.
Ich nickte gedankenverloren.
„Sie trinkt ihn schwarz.“ Sagte Daniel, da erst merkte ich, dass ich wohl nicht geantwortete hatte.
Als ich aufsah lag sein Blick auf mir.
Wir starrten uns an, bis Dennis mir die Tasse hinstellte und jemand sich laut räusperte.
Schnell sah ich weg und nahm einen Schluck Kaffee.
Fabio lehnte am Durchgang zum Wohnzimmer und begutachtete uns kritisch.
„Also erzähl mal Selina, wie hast du des geschafft, dass mein Bruder seine ganze Gang aufscheucht, sodass wir wirklich keine Sekunde mehr Freizeit haben?“ fragte er dann, als er sich zu uns an dem Tisch setzte.
Geschockt sah ich von ihm zu Daniel und wieder zurück.
Dieser warf seinem Bruder einen bösen Blick zu.
„Mach ihr doch noch mehr Angst.“
„Also?“ er ignorierte seinen Bruder/Kumpel und sah mich abwartend an.
„Äh… ich…“
„Warst du nicht die, die de Lucia aus der Scheiße mit der Polizei geholfen hat wegen…“
„Ja.“
Dennis konnte nicht ausreden, Daniel unterbrach ihn und sah seine Freunde wieder oder besser immer noch böse an.
Verdammt, immer mehr Fragen tauchten in meinem Kopf auf.
Wieso wollte er nichts, dass ich irgendwas erfuhr?
Dachte er ich würde zusammenbrechen oder alles
ausplaudern?
Hatte ich nicht schon lang genug den Mund gehalten um
ihm zu zeigen, dass von mir niemand etwas erfahren
würde?
„Ich muss nochmal telefonieren, danach bring ich dich nach Hause.“ Sagte Daniel zu mir und sah mir fest in die Augen.
Stumm nickte ich nur.
Er warf seinen Freunden noch einen warnenden Blick zu und verschwand dann ins Wohnzimmer.
Ein paar Sekunden herrschte Stille.
„Selina willst du was essen?“ fragte Dennis und stand schon auf, um zum Kühlschrank zu gehen.
„Nein danke, ich frühstücke nicht.“
Daniels Kumpel nickte nur und nahm sich eine Schüssel.
Ich traute meinen Augen nicht, als ich sah, was er da rein kippte.
Ein Kindermüsli mit Honigringen.
Vor ein paar Monaten hatte ich es Ben noch in der Früh gemacht.
Unbeeindruckt von meinem entsetzten Blick, setzte er sich wieder und schaufelte es dann in sich hinein.
„Woher kommst du Selina?“ fragte er dann kauend.
„Hier aus der Stadt.“ Meinte ich nur und nahm einen Schluck.
Dennis runzelte die Stirn.
„Schon immer?“ fragte er.
„Nein, erst seit ein paar Monaten.“
Jetzt nickte er. „Dachte ich mir doch, ich habe dich hier noch nie gesehen.“
„Wir sind von Miami hergezogen.“
„Miami? Ganz schöne Umstellung.“, meinte nun auch Fabio und lächelte.
„Meine Mutter hat ein Jobangebot bekommen und meine Tante wohnt in der Nähe.“ erklärte ich.
Fabio öffnete gerade den Mund, um noch etwas zu sagen, da trat Daniel wieder in die Küche.
„Können wir los?“ fragte er mit Blick auf seine Freunde.
Schnell nahm ich den letzten Schluck und stand auf.
„Bye Jungs.“
Sagte ich noch und folgte Daniel, nachdem sie mir zum Abschied gewunken hatten.
Mit meiner Tasche stiegen wir wieder in sein Auto und er fuhr mich nach Hause.
Während der Fahrt schwiegen wir, wie so oft.
„Haben sie irgendetwas gesagt?“ fragte er als er in meine Straße bog.
„Was meinst du?“ fragte ich.
Sein Blick ruhte auf mir.
„Naja irgendetwas Komisches.“
Ich dachte kurz darüber nach und schüttelte dann den Kopf.
„Nein, sie waren sehr nett.“
„Ist Fabio wirklich dein Bruder?“ schob ich noch
hinterher.
Kurz verzog sich sein Gesicht.
„Halbbruder, ja.“
Mehr sagte er nicht, aber ich erwartete auch nicht mehr.
Nervös biss ich mir auf die Unterlippe, dann schluckte ich und fragte ihn einfach, was ich schon von Anfang an fragen wollte.
„Warum… warum erzählst du mir nie irgendetwas?“
fragte ich dann.
Er parkte vor dem Haus und sah dann wieder zu mir.
Er zögerte kurz bevor er antwortete.
„Weil es dich nichts angeht. Es wird nicht mehr lange dauern, dann kannst du dein altes Leben wieder leben und diese Zeit vergessen.“
Irgendwie konnte ich nicht sagen, dass ich mich darüber freute.
„Hast du noch andere Geschwister?“ fragte ich ihn völlig unvermittelt und überraschte uns beide damit.
Eine Weile sagte er nichts, dann sah er aus dem Fenster.
„Fabio hat noch eine Schwester, aber ich nicht.“
Ich nickte nachdenklich und wollte schon aussteigen, als er mich aufhielt.
Seine Hand lag auf meinem Arm.
Sofort war es als würde ich in Flammen stehen, sein Griff war fest, meine Nerven spielten wie verrückt.
„Willst du heute noch ins Training gehen?“ fragte er.
„Nein, heute nicht.“, erwiderte ich schnell.
Er nickte.
Ich lächelte nochmal und stieg dann aus.
„Danke fürs fahren, bis morgen.“, sagte ich bevor ich die Tür zuschlug.
„Ja, bis dann.“ hörte ich noch, dann drehte ich mich um und ging ins Haus.
Es sah noch schlimmer aus, als ich erwartet hatte.
Sofort machte ich mich daran die Küche zu putzen, danach das Wohnzimmer und nebenbei wusch ich die Wäsche, die sich über die Tage angesammelte hatte.
Mum und Dad waren nicht da, wahrscheinlich bei unseren Nachbarn oder irgendwo anders.
„Seeelllyyyy.“ Ben sprang mir lachend in die Arme.
Ich musste grinsen.
„Hey Großer, na wie wars denn?“
„Toll, wir haben so viel gemacht, wir waren im Wald und im See und ich habe mit Diego gespielt der ist schon sooooo groß.“
Er breitete seine Arme weit aus.
Ich musste lachen.
Diego war der Hund unserer Tante und ein Labrador Welpe, zumindest war er das noch als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte.
Während Ben aß und von seinen Tagen erzählte, packte ich seine Sachen aus und wusch sie gleich, da er fast alle dreckig gemacht hatte.
Ich ging noch in mein Zimmer und lernte ein bisschen als ich unten die Tür und dann meine Eltern hörte.
Seufzend stand ich auf und ging die Treppe herunter ins Wohnzimmer, wo sie sich schon wieder stritten.
Ich wusste, dass ich es bereuen würde, aber ich konnte meine Mutter einfach nicht allein mit ihm lassen.
Ich hatte Mel am Morgen Bescheid gegeben, dass ich selbst zur Schule kommen würde.
So stieg ich aus dem Bus und sah mich kurz um.
Schnell zog ich meine Kapuze über und ging auf das große, graue Gebäude zu.
„Sel!“
Eine Stimme lies mich Aufsehen.
Mel kam vom anderen Ende des Pausenhofes auf mich zu gelaufen.
Als sich mich erreicht hatte, schmiss sie sich in meine Arme und drückte mich.
Schmerzerfüllt zog ich zischend die Luft ein und biss mir auf die Lippe, um keinen Mucks von mir zu geben.
„Was ist los?“ fragte sie besorgt und musterte mich.
Ich konnte nur mit zusammengebissenen Zähnen den Kopf schütteln und legte meine Hände vorsichtig auf die Stelle an meinen Rippen.
Verdammt tat das weh, noch schlimmer als bei dem Aufprall und den Tritten.
„Sel?“
Mel musterte mich besorgt, nahm mir meine Tasche ab und zog mich in die Schule, Richtung Mädchenklo.
Dort schloss sie ab und zog mir meine Jacke aus.
Sie schob das Top zur Seite und starrte erschrocken auf meinen seitlichen Brustkorb.
Ich drehte mich um und sah es dann im Spiegel, meine komplette Seite, von den Rippen bis zur Hüfte war grün und blau.
Innerlich fluchend zog ich das Top schnell wieder runter und sah auf meine Hände.
„Sel was ist da passiert?“ fragte meine beste Freundin immer noch entsetzt.
Scheiße, ich hätte doch zuhause bleiben sollen.
Kleiner Scherz. Nicht gut? Ok.
„Ich… ich bin die Treppe runtergefallen.“ Meinte ich dann leise, sah aber nicht auf.
„Hat er dich geschubst? Er war das richtig?“ fragte sie flüsternd.
Tränen traten mir in die Augen und liefen ungehindert über meine Wangen.
Ich konnte sie nicht aufhalten.
Vorsichtig nahm Mel mich in die Arme und strich mir beruhigend über den Rücken.
„Ich besorg dir Schmerzmittel. Verdammte Scheiße, das muss doch irgendwann aufhören!“
Nachdem ich mich einigermaßen wieder beruhigt hatte, spritzte ich mir Wasser ins Gesicht und zog meine Jacke
wieder an.
Mel nahm wieder meine Tasche und wir machten uns auf den Weg zum Klassenzimmer.
Sie murmelte immer wieder irgendwas von Arzt und Krankenhaus, aber sie wusste, dass ich dort nicht hingehen würde.
Alleine weil meine Mutter dort arbeitete und ich sie nicht in Schwierigkeiten bringen wollte.
Mel zog mich um die Ecke, genau in dem Moment stieß ich mit etwas, jemandem zusammen.
Sofort fuhr ein stechender Schmerz durch mich.
Zischend zog ich Luft ein und krümmte mich.
„Verdammt! Pass doch auch de Lucia!“, schimpfte sie.
Ich erstarrte und richtete mich langsam auf.
Mel stütze mich und hatte sich schützend vor mich gestellt.
Ich spürte wie sein Blick von meinem Gesicht zu Mels Händen und wieder zurückwanderten.
Schnell sah ich weg.
„Selina?“ seine Stimme war ruhig, bedrohlich.
Aber es hörte sich verdammt schön an jedes Mal, wenn er meinen Namen sagte.
Ich bekam Gänsehaut und erzitterte leicht.
Anscheinend hatte ich doch etwas mehr abbekommen, wenn ich schon auf ihn reagiert, wenn er nur meinen Namen sagte.
Langsam sah ich wieder zu ihm auf.
Ohne den Blick aus meinem zu nehmen zog er mich an sich und öffnete die Jacke.
Sofort verstärkte sich das Kribbeln in meinem Bauch.
Als er sie zur Seite gezogen hatte, dass nur er es sehen konnte, senkte er seinen Blick und musterte die Verletzungen.
Mel schnappte nach Luft und starrte uns beide nur an,
während ich nur fasziniert sein Gesicht und die Züge, die es annahm, beobachtete.
Er biss die Zähne zusammen, als er meine Jacke wieder schloss.
Dann nickte er mir zu.
„Wir gehen.“, meinte er nur und wollte mich schon wegführen, doch Mel hielt ihn auf.
Ich wäre ohne Kommentar mit ihm gegangen, keine Ahnung wieso, aber er sagte etwas und ich folgte ihm.
„Moment, du kannst sie nicht einfach mitnehmen. Sie bleibt bei mir.“
Sie schien ihre Angst vor ihm vollkommen vergessen zu haben und starrte ihn nur böse an.
Er erwiderte ihren herausfordernden Blick kurz und sah dann zu mir.
Na toll, jetzt sollte ich mich entscheiden.
Seufzend nahm ich Mel meine Tasche ab.
„Schon ok Mel, ich vertraue Daniel.“
Ihre Augen wurden noch größer.
„Du… du nennst ihn… Da…? Du vertraust ihm… bis du völlig verrückt geworden. Was geht hier ab Sel?“
Ich konnte hören, dass sie sauer und geschockt zugleich war.
„Ich melde mich später ok? Dann reden wir, ich werde dir das alles erklären.“ Versprach ich ihr.
Zum meinem Glück nickte sie nur widerstrebend und mit
einem letzten bösen Blick auf Daniel ließ sie uns gehen.
Es war nicht gerade toll meine beste Freundin stehen zu lassen und einfach mit ihm zu gehen, aber ich war zu neugierig.
Er hatte seine Hand wieder in meinem Rücken, aber dieses Mal lag sie dort so vorsichtig als wäre ich aus
Glas.
Ich spürte die Blicke der Leute auf mir und seufzte erleichtert als wir in sein Auto stiegen und vom Schulhof fuhren, als es gerade zur ersten Stunde klingelte.
„Wieso hast du mich nicht angerufen?“ fragte er mit beherrschter Stimme, nachdem er noch einen Moment geschwiegen hatte.
Verwirrt sah ich zu ihm.
Warum sollte ich ihn anrufen?
Daniel hatte seine Nummer in mein Handy gespeichert, als ich das letzte Mal bei ihm geschlafen hatte.
Er sah nicht mehr so ruhig aus wie in der Schule.
Seine Knöchel um das Lenkrad traten weiß hervor.
„Es geht mir gut.“, erwiderte ich nur fest.
Ich wusste, dass es nicht so war, aber ich musste weitermachen, von so etwas konnte ich mich nicht so aus der Bahn werfen lassen.
„Verdammt Selina! Das ist mindestens eine gebrochene Rippe! Sag mir nicht, dass es dir gut geht!“
Ich zuckte erschrocken zusammen.
Ich wandte meinen Blick aus dem Fenster, weil ich es im Moment nicht aushalten würde, ihn anzusehen.
Wahrscheinlich würde ich wieder anfangen zu weinen.
Er war so… anders seit dem Abend wo er mich vor diesem Italiener gerettet hatte oder auf der Party.
So viele verschiedene Seiten an ihm.
Niemals wusste ich welche als nächstes kam.
Immer wieder seine verdammten Stimmungsschwankungen!
Zum Teil konnte er nett sein und dann wieder beherrscht und kalt, als könnte ihn nichts berühren.
Noch während er eine gelbe Ampel überfuhr, holte er sein Handy hervor und tippte eine Nummer ein.
„Ruf Tuck an, er soll sein Zeug vorbereiten, wir brauchen ein Röntgengerät.“
Meinen geschockten Blick ignorierte er einfach.
Nachdem er aufgelegt hatte, hob er seine Hand an meine Wange und strich darüber.
Seine Hand war rau, trotzdem sanft berührte er meine Haut.
Sein Daumen strich von meiner Unterlippe über meine Wange und wieder zu meinem Kiefer.
Ich vergas zu atmen, als ich wieder einatmeten wollte spürte ich wieder den Schmerz.
Ich stöhnte und kniff die Augen zusammen.
Daniel merkte es und bremste den Wagen ein wenig.
„Ganz ruhig, atme aus und ein, langsam.“
Ich sah zu ihm und sein Blick hielt mich fest.
Mein Gesicht lag an seiner Hand, er hielt mich mit seinen intensiven Blicken fest und zwang mich, mich auf meine Atmung zu konzentrieren.
„Geht’s wieder?“ fragte er leise nachdem ich ein paar Mal normal einatmete.
Nachdem ich langsam nickte, sah er mich nochmal prüfend an und fuhr mit doppelter Geschwindigkeit, weiter durch den Wald.
Mein Herz schlug immer noch wie verrückt.
Warum reagierte mein Körper so heftig auf ihn?
Ich hatte schon viele andere getroffen, gerade in Miami waren wir von Jungs umzingelt gewesen, doch keiner war annährend wie Daniel.
Nicht mal zwei Minuten später bog er auf die Parkfläche vor seinem Haus ein und sprang im nächsten Moment schon heraus.
Er lief um das Auto und half mir dann beim Aussteigen.
Während er mich auf seine Arme hob, öffnete sich schon die Haustür und Jason blickte uns verwirrt entgegen.
„Als du meintest du brauchst Tuck, dachte ich dir wäre etwas passiert…“ weiter kam er nicht.
Daniel lief einfach an ihm vorbei und eine Treppe hinunter, dort soweit ich erkennen konnte durch einen
langen Gang und dann in ein großes Zimmer.
Es war kahl und sah aus wie in einem Krankenhaus.
Ich hatte meinen Kopf an seine Schulter gelegt und stöhnte wieder auf, da langsam immer stärkere Schmerzen kamen, je mehr ich mich bewegte.
Daniel legte mich sanft auf einem Tisch ab, ich öffnete blinzelnd die Augen, da riss er schon mein Top auf.
„Ich kauf dir ein Neues.“, hauchte er schon fast an mein Ohr, sodass nur ich es hören konnte.
Ein weiterer Mann kam ins Zimmer, sah kurz zwischen mir und Daniel hin und her, dann zog er eine Spritze auf und kam auf mich zu.
Verängstigt wimmerte ich auf und klammerte mich an Daniels Hand, die er in meine gelegt hatte.
„Ganz ruhig, Seli das ist Tuck, er ist ein Freund, er hilft dir. Vertraust du mir?“ fragte er und sah mir fest in die Augen.
Ich nickte nur stumm.
Egal wie verwirrt ich im Moment war, ich konnte jetzt nicht darüber nachdenken.
Nur, dass er vor mir saß, meine Hand hielt und für mich da war.
Das war das einzige was im Moment für mich zählte.
Das Kribbeln in meinem Bauch hatte sich wieder verstärkt, genau wie meine Schmerzen.
Daniel nickte ebenfalls und gab Tuck dann das Zeichen weiterzumachen.
„Achte nur auf mich.“ Raunte er mir zu.
Sein Blick hielt meinen.
Ein dünner Schmerz an meinem Arm ließ mich zusammenzucken, doch ich löste meinen Blick nicht aus seinem.
Er hielt mich fest und ich starrte ihn gebannt an.
Während dieser Tuck arbeitete, redete Daniel mir beruhigend zu und strich die Tränen weg, die vereinzelt über meine Wangen liefen.
Ich hoffte das mein Herzschlag nicht verriet, dass ich in Daniels Nähe nur noch ein Nervenbündel war.
„Sie dürfte jetzt keine Schmerzen mehr haben, ich muss sie röntgen, de Lucia…“
Tuck hatte das ganze Zimmer abgedunkelt und einen großen Apparat aufgebaut.
Daniel nickte und warf mir noch einen letzten Blick zu, bevor er sich erhob und aus dem Raum ging.
„Selina, bleib einfach ruhig liegen, versuch gleichmäßig zu atmen, dann ist es gleich vorbei.“
Ich nickte und schloss die Augen.
Die Tür schloss sich ebenfalls und dann fing der Apparat an zu piepsen, er fuhr dem Geräusch nach, um mich herum.
Es dauerte eine halbe Ewigkeit bis die Tür sich wieder öffnete und jemand meine Hand nahm.
Mühsam öffnete ich dich Augen.
Daniel saß wieder neben mir und sah mich wieder mit diesem Glitzern in den Augen an, in der Schule vorhin hatte er es auch, aber ich kam nicht dahinter, was es war.
Tuck hinter ihm sah sich die Bilder an und verglich sie immer wieder.
„Du hast zwei angebrochene und eine gebrochene Rippe, keine der beiden hat deine Lunge getroffen und es wird voraussichtlich auch nichts mehr passieren.
Ich möchte, dass du trotzdem die nächsten zwei bis drei Wochen nichts hebst oder trägst. Kein Sport. Ich gebe dir Schmerzmittel, nimm sie bitte nur zweimal am Tag, die sind sehr stark.“
Ich nickte als Zeichen, dass ich alles verstanden hatte und Daniel nahm ein orangenes Döschen entgegen.
An mehr konnte ich mich nicht mehr erinnern, entweder ich war eingeschlafen oder er hat mir noch etwas gespritzt, jedenfalls wachte ich in Daniels Zimmer wieder auf.
Das wurde jetzt anscheinend zur Gewohnheit.
Vorsichtig setzte ich mich auf und sah mich um.
Die Rollladen waren heruntergelassen und nur die Lampe auf der anderen Seite des Bettes spendete ein wenig Licht.
Ich atmete ein paar Mal tief durch, was überraschend gut funktioniert, ich hatte nur noch leichte Schmerzen.
Gerade versuchte ich aufzustehen, als sich die Tür öffnete und Daniel reinkam.
In der Hand hielt er eine Tasse.
Als er mich sah erhellte sich ein Gesicht ein bisschen, bis es einen entsetzten Ausdruck annahm.
„Leg dich wieder hin, du sollst nicht aufstehen.“
Er ging um das Bett herum, setzte sich an meine Seite und drückte mich vorsichtig zurück auf das Bett.
„Soweit ich mich erinnern kann, hat er nichts von nicht aufstehen gesagt.“, erwiderte ich lächelnd und nahm die Tasse entgegen, die er mir hinhielt.
„Aber ich sage es, also bleibst du liegen.“
Meine Augenbrauen schossen nach oben und mein Blick wurde herausfordernd.
Er wollte mir sagen, was ich zu tun hatte?
Das konnte er ja mal versuchen.
Daniel seufzte.
„Wir können ein anderes Mal darüber streiten, jetzt solltest du dich erst mal ausruhen.“
Ich schüttelte den Kopf als ich auf die Uhr sah.
„Ich muss Ben abholen und noch einkaufen, sonst…“
„Sonst was?“ unterbrach er mich.
„…. Nichts.“ Ich hatte gezögert!
Ich musste mich wirklich zusammenreißen, wenn er in der Nähe war.
Wieder versuchte ich aufzustehen, doch Daniel beugte sich über mich, sodass sein Gesicht nur ein paar Zentimeter über meinem schwebte.
Seine Augen sahen mich besorgt, fast schon verzweifelt an.
„Was ist da passiert? Wer hat dir das angetan?“
Ich erschauerte.
Verdammt das wurde ja immer schlimmer.
Er war so nah und seine Stimme so ruhig, während er mir diese Fragen stellte.
Ich konnte nicht klar denken, wenn er so nah war!
„Niemand. Ich… ich bin die Treppe runtergefallen.“
Brachte ich nach ein paar Atemzügen heraus.
„Das glaub ich dir nicht.“, flüsterte er an meine Lippen.
Er war so nah, einen Moment dachte ich, er würde mich küssen.
Ich konnte seinen Atem schmecken nach Kaffee, Minze und Daniel.
Sein Blick hing unerbittlich in meinem.
„Wirst du wohl müssen.“ erwiderte ich kalt.
Damit wand ich mich ab und stand auf.
Seine fehlende Nähe schmerzte, doch das konnte ich mir nicht eingestehen.
Schnell zog ich meine Jacke über das T-Shirt, welches er mir angezogen hatte.
Es war etwas zu groß, wahrscheinlich eins von ihm.
Jedenfalls roch es nach ihm.
Ich nahm meine Tasche und drehte mich auffordernden Blick zu ihm um.
Er saß immer noch auf dem Bett und beobachtete mich nachdenklich.
Dann stand er auf und ging hinaus, ohne mich weiter zu beachten.
Ich schüttelte nur den Kopf und folgte ihm schweigend.
Wir wollten gerade das Haus verlassen, als jemand von drinnen nach mir rief.
„Selina!!“ Überrascht sah ich auf.
Daniels Blick wurde finster, trotzdem blieb er stehen.
Da erschien Dennis in unserem Blickfeld.
Er joggte durch das Haus auf mich zu und musterte mich.
„Hey, ich habe gehört was los ist, alles ok?“ Besorgt sah er mich aus seinen grünen Augen an.
Ich nickte lächelnd. Er war einfach so süß.
„Alles gut, mir geht’s gut.“
Hinter mir schnaubte Daniel bitter. Mit ganzer Kraft musste ich mich davon abhalten die Augen zu verdrehen.
Erleichtert lächelte auch Dennis ein bisschen.
„Gut, was hat Tuck denn gesagt, was hast du?“ fragte er besorgt.
Ich zuckte die Schultern.
„Irgendwas mit angebrochener Rippe nichts Wildes…“
„Eine gebrochene und zwei angebrochene, außerdem Blutergüsse am ganzen Oberkörper.“
ergänzte Daniel für mich.
Ich konnte mich nicht abhalten, nun verdrehte ich die Augen, was Dennis grinsen ließ.
„Fuck Sel, für ne Kickboxerin hätte ich dich nicht gehalten.“ Ich lachte auf.
„Wir müssen los, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.“, hörte ich Daniels Stimme wieder hinter mir.
Ich zuckte vor der Kälte seiner Stimme zusammen, sodass Dennis mich besorgt ansah.
Vorher wollte er noch, dass ich dablieb und jetzt wollte er mich also so schnell wie möglich loswerden?
Schnell verabschiedete ich mich von Dennis und folgte ihm.
Im Auto schwiegen wir.
Was war nur mit ihm los?
War er sauer, weil ich ihm nichts sagte, er sagte mir doch auch nichts?
Das war eben ein Thema, welches ihn nichts anging.
Er erzählte mir ja auch nichts aus seinem Leben.
Ich wusste nichts über ihn.
Daniel fuhr mich direkt zu Mrs Martens Haus.
„Danke.“ Vorsichtig sah ich zu ihm rüber.
Er nickte nur.
Also war er sauer.
Fast hätte ich wieder die Augen verdreht.
Der Kerl machte mich wahnsinnig!
„Bis morgen.“, meinte ich und stieg dann aus.
Hinter mir fuhr er weg und ich ging auf das Haus zu.
Ich holte Ben ab und ging noch einkaufen.
Natürlich konnte er die schweren Tüten nicht tragen, also machte ich es doch selbst.
Auch wenn es verdammt weh tat.
Ben plantschte in der Badewanne und ich hob ihn gerade heraus, als mein Top verrutschte und Ben die Flecken sehen konnte.
„Sel was hast du da?“ fragte er und deutete an meine Seite.
Ich lächele und wickelte ihn in ein Handtuch.
„Das ist nur vom Training, nichts Besonderes.“
„Tut es sehr weh?“ fragte er.
Seine großen Augen sahen zu mir runter, da ich vor ihm kniete.
„Ein bisschen, aber ich halte ja was aus.“
Zwinkerte ich ihm zu und zog das Top wieder an seine Stelle.
In meinem Zimmer hörte ich mein Handy klingeln und im nächsten Moment flitzte Ben schon los um es mir zu
holen.
Lächelnd nach ich den Anruf an, während ich ihn abtrocknete und in seinen Schlafanzug steckte.
„Hallo Mel.“
„Hallo Mel? Das ist alles was dir einfällt. Wirklich?“
Sie klang ziemlich sauer, aber ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen.
Ich ging in mein Zimmer, ließ die Tür aber offen, damit ich Ben spielen sehen konnte.
„Hallo Mel, es geht mir gut und er hat mich nicht umgebracht. Ist das besser?“
Sie schnaubte.
„Etwas, aber jetzt sag mir was das bei euch beiden ist? Vor einer Woche kanntest du ihn noch nicht mal und nun folgst du ihm wo auch immer hin…“
„Wir haben uns ein paar Mal zufällig getroffen und ich bin nur mit ihm gegangen, weil ich… “
Ich hielt inne.
Ja, warum war ich mit ihm gegangen?
Weil ich ihm schon verfallen war und weil ich ihm schon öfter mein Leben anvertraut hatte?
„Siehst du! Du weißt nicht mal wieso du mit ihm mitgegangen bist, hast du überlegt was passieren hätte können? Er hätte dich in der nächsten Gasse abstechen können oder dich vergewaltigen!
Ich mein es ernst Sel, du hast keine Ahnung zu was dieser Typ fähig ist.“
Ich war erschrocken über die Meinung, die sie über Daniel hatte.
Niemand wusste genau was mit diesem Mädchen passiert war, aber trotzdem gaben alle ihm die Schuld an ihrem Tod.
Ob er davon wusste? Wenn ja schien es ihn nicht sonderlich zu stören, er sprach in der Schule eigentlich nie mit jemandem.
Es sah eher so aus als würde er die letzten Monate nur noch dort ertragen.
„Mel er hat nie versucht mir wehzutun. Er hat mir Schmerzmittel besorgt und sich um mich gekümmert. Er war immer nett zu mir.“
Naja, das stimmte so ganz nicht, aber das musste sie nicht wissen. Außerdem würde sich dadurch ihre Meinung über ihn wohl nicht verbessern.
Warum nur?
Eigentlich sollte es mir doch egal sein, Daniel war es anscheinend auch egal.
Wir diskutierten noch eine Weile, und ich brachte sie dazu ihre Meinung und den Vorfall weder Michael noch irgendjemand anderem zu anzuvertrauen.
Vielleicht konnte ich dadurch aufkommende Gerüchte verhindern.
Ich war in der Nacht immer wieder aufgewacht wegen der Schmerzen, die am Morgen noch schlimmer wurden.
Ich nahm die Tabletten, die Tuck mir gegeben hatte,
wobei es aber nicht wirklich spürbar besser wurde.
Ich machte mir große Sorgen wegen dem Vortanzen, das nächste Woche stattfinden sollte.
Konnte ich überhaupt tanzen?
„Morgen, wie geht’s dir?“ fragte Mel, nachdem ich eingestiegen war.
„Mir geht’s gut.“
Ihre Augen wurden zu Schlitzen.
„Ich sehe von hier, dass es dir scheiße geht.“
Das ließ ich unkommentiert und beobachtete die vorbeihuschenden Straßen.
Ich überlegte ob Daniel heute kommen würde und ob er irgendwas sagen würde.
Hoffentlich nicht, dafür hatte ich heute wirklich keine Kraft mehr, aber ich würde ihn trotzdem gerne sehen.
Ich seufzte bei dem Gedanken.
Er hatte mich schon so weit, dass ich ständig über ihn nachdachte.
Aber ich wurde einfach nicht schlau aus ihm.
Mal war er distanziert und kalt wie am Anfang und dann sorgte er sich um mich, passte auf mich auf und sah mich mit diesem Blick an, den ich nicht deuten konnte.
Am liebsten würde ich ihn schütteln und fragen was nur in seinem Kopf vor sich ging.
Aber ich wusste ja nicht mal was in meinem vorging.
Ich konnte nicht leugnen das ich mich zu ihm hingezogen
fühlte und, dass es absolut dumm war, denn ich konnte
mir denken, dass Daniel einen ordentlichen Frauenverschleiß hatte.
Typen mit seinem Aussehen und dieser Arroganz gab es in Miami viel zu viele. Und alle waren bis jetzt gleich.
Sie nahmen sich was sie wollten und hinterließen nur eine Schneise der Verwüstung und gebrochener Herzen.
Gab er sich nur so lange mit mir ab, bis wir miteinander geschlafen hatten und dann überließ er mich meinem Schicksal?
Aber dafür hatte er nicht versucht mich anzufassen, er war mir ein einziges Rätsel!
Den ganzen Tag tauchte er nicht einmal auf.
Etwas enttäuscht zog ich mich in den Umkleiden für den Sportunterricht um und nahm eine Jacke mit damit man die Verletzungen nicht sah.
Da fiel mir auf, dass es Daniels schwarze Jacke war.
Ich hatte sie wohl einfach eingepackt ohne darüber nachzudenken.
Unauffällig roch ich daran und schloss die Augen.
Es war schwach, aber es war sein Geruch.
Schnell riss ich mich zusammen und schlüpfte hinein.
Mel warf mir immer wieder besorgte Blicke zu und versuchte mich von meinen Plänen, die Choreo nochmal zu üben, abzubringen.
„Sel es ist erst einen Tag her und deine Verletzungen waren nicht gerade leicht.“
„Ich muss auftreten, wenn ich die Audition schaffen will und dafür muss ich es nochmal trainieren.“, erwiderte ich nur.
Mel setzte sich in die erste Reihe während ich auf die Bühne ging.
Ich wärmte mich kurz auf, dann probierte ich die ersten Drehungen.
„Verdammt das sieht ohne Verletzungen schon schmerzhaft aus, kann ich mir eigentlich vorstellen was du da aushältst?“
Ich lächelte sie nur an und machte weiter.
Ich hatte Schmerzen, aber ich hatte schon mit schlimmeren Verletzungen getanzt.
Dann stellte ich das richtige Lied ein und ging in Position.
Die ersten Drehungen und Schritte gelangen mir fehlerfrei, doch dann spürte ich ein Stechen in der Rippengegend und verlor das Gleichgewicht.
Meine Beine knickten ein und ich landete auf dem harten Boden.
Mel schrie von unten auf, während ich ein schmerzerfülltes Wimmern von mir gab.
Innerhalb weniger Sekunden war sie bei mir und kniete neben mir.
„Oh Gott, Sel geht’s… geht’s dir gut?“
Ich hielt immer noch die Luft an, da ich Angst hatte einzuatmen.
„Tasche… Tabletten...“ brachte ich hervor und sie lief
sofort rüber.
Mit dem orangen Döschen kam sie zurück und drückte
mir eine in die Hand, ich schluckte sie mit einem Schluck Wasser, aber die Schmerzen ließen nicht nach.
Also wollte ich noch eine nehmen.
„Moment wie oft sollst du die nehmen? Meine Mum durfte die nicht mehr als einmal am Tag nehmen und so wie ich dich kenne war das mindestens schon deine zweite.“
Die dritte, aber das sagte ich ihr nicht.
Sie half mir auf und ich schaltete die Musik wieder an.
„Wieso tust du das? Du machst dich kaputt, sieh es doch ein, du kannst in diesem Zustand nicht tanzen.“
„Ich muss es können.“, presste ich aus zusammengebissenen Zähnen heraus.
Mühsam atmete ich nochmal tief durch.
Mel schüttelte den Kopf und legte ihre Hände auf meine Schultern.
„Sel du denkst du musst das für Ben tun, aber es wird ihm nichts bringen, wenn du dich halb umbringst. Er braucht dich und zwar gesund!“
Meine Beine knickten wieder weg, aber dieses Mal konnte sie mich in letzte Sekunde festhalten.
Tränen liefen mir über die Wangen.
Sie nahm mich vorsichtig in den Arm und ging dann in die Knie.
Ich saß weinend auf dem Boden der Bühne und hörte wie die letzten Töne des Liedes verklangen.
Mel versuchte mich zu beruhigen, doch der Schmerz nicht tanzen zu können betäubte die echten Schmerzen fast schon und ließ nichts mehr an mich heran.
„Ich hol dir ein paar Tücher, du blutest.“
Bemerkte sie und auch ich sah auf meine Hände, die offene Wunden hatten.
Einen Moment später verschwand sie und ich war allein.
Ein neues Lied begann und ich rappelte mich auf.
Dieses war leichter, das müsste ich hinbekommen.
Unter Schmerzen vollendete ich die Drehungen und kürzte die Sprünge ab.
Dann als ich fertig war, stützte ich die Hände auf die
Oberschenkel und atmete tief durch.
„Was an „kein Sport“ war so schwer zu verstehen?“
Ich sah auf und mein Herz zog sich zusammen, sodass ich wieder nach Luft schnappte.
Daniel näherte sich der Bühne und kam mit ärgerlichen, aber besorgten Blick auf mich zu.
Er trug seine normalen Klamotten, also war er nicht beim Sportunterricht gewesen. Wenn er heute überhaupt beim Unterricht war.
Schnell richtete ich mich wieder auf und drehte mich
um.
„Fang du nicht auch noch damit an.“
Ich verdrehte die Augen und ging zu meiner Tasche.
Dort nahm ich eine Tablette raus und wollte sie gerade nehmen, als sich seine Finger um mein Handgelenk legten.
Sofort fing meine Haut dort an zu kribbeln.
Nicht schon wieder. Verdammt.
Warum konnte ich das nicht einfach abstellen?
Mein Herzschlag verdoppelte sich nochmal.
Er nahm mir die Dose und die Pille ab.
„Die wievielte ist das heute schon?“ fragte er immer noch mit diesem Blick.
Ich zuckte beleidigt die Schultern und zog meine Jacke wieder an, ich wollte ihm die Dose wieder wegnehmen, doch er hielt sie außerhalb meiner Reichweite.
„Komm jetzt, Daniel lass das.“
Wir starrten uns einen Moment an, dann beugte er sich zu mir runter.
Wieder spürte ich seinen Atem direkt auf meinen Lippen.
„Warum hast du geweint? Hast du starke Schmerzen?“
Seine Augen lagen forschend auf meinem Gesicht und seine Finger strichen sanft über meine Wange.
Einen Moment stand ich etwas neben mir und musste mich erst wieder auf meine Atmung konzentrieren.
Wie war er so schnell so nah gekommen?
Schnell versuchte ich wegzusehen, doch er nahm mein Kinn und drückte es wieder hoch, sodass ich nur in seine Augen starren konnte.
Dann schüttelte ich den Kopf.
„Verdammt nochmal Selina, ich versuche dich zu beschützen, wie soll ich das machen, wenn du mir nichts sagst?“
Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und trat einen Schritt zurück.
Er war sauer. Mal wieder.
Nur hatte er nicht erwartet, dass ich auch sauer war.
Ich lachte bitter auf und trat ebenfalls zurück.
„Erstens brauche ich keinen der mich beschützt, ich kann gut selbst auf mich aufpassen und Zweitens sagst du mir auch nie irgendwas.
Ich weiß nichts über dich, ich kenne dich nicht.
Du willst, dass ich dir vertraue und alles mach was du sagst, wenn ich dich aber etwas frage, dann sagst du mir gar nichts!
Es geht mich sehr wohl etwas an, wenn ich wegen dir verfolgt werde und ich habe ein verdammtes Recht darauf zu wissen, was du in der Nacht gemacht hast in der ich dich gedeckt hab.
Du kannst nicht jedes Problem mit deinem ach so schönen Grinsen und deinem Namen lösen!“
Das Letzte hatte ich schon fast geschrien.
Sein Blick veränderte sich und ich konnte die verschiedensten Emotionen darin sehen.
Überraschung, Wut, und ein kleines Glitzern was ich nicht zuordnen konnte.
Wütend nahm ich die Dose und ging dann von der Bühne aus dem Theater.
Er folgte mir nicht, ich wusste aber, dass er mir hinterher sah.
Ich konnte seine Blicke spüren.
Ich hatte gewusst, dass nur Schlechtes dabei rauskommen konnte!
Ich lief auf den Flur, dort stieß ich mit Mel zusammen, die mich misstrauisch ansah.
Sie hatte unseren Streit also mitbekommen, hoffentlich nicht was ich zu ihm gesagt hatte.
Schnell schob ich alle Gedanken und Gefühle weg.
Damit auch die Tränen, die mir in den Augen standen.
„Alles ok?“ fragte sie nur.
Ich nickte stumm.
Ohne ein Wort zog sie mich in die Mädchenumkleide und gab mir die feuchten Tücher um meine Hände zu säubern.
„Zieh dich um, ich lass mir was einfallen, dass wir hier wegkommen.“
Sie ging wieder in die Turnhalle zu den anderen, in diesem Moment war ich ihr unendlich dankbar.
Daniel wollte ich erstmal auf keinen Fall mehr begegnen.
Nach nur fünf Minuten kam sie zurück und packte unsere Sachen, dann gingen wir zu ihrem Auto und sie fuhr nach Hause.
Sie sagte kein Wort, sie würde mir ihre Meinung sagen,
sobald ich sie danach fragte, aber im Moment konnte ich das noch nicht.
Um neun weckte Mel mich, da ich auf der Couch eingeschlafen war und wir machten uns fertig.
Sie überredete mich solange die Audition in drei Tagen zu verschieben, bis ich schließlich aufgab und Ms. Willems, der Collegebeauftragten unserer Schule Bescheid gab, dass ich nicht tanzen konnte.
Sie versprach mir, alles zu versuchen, um einen Ausweichtermin zu bekommen.
Damit war Mel zufrieden und steckte mich in eine ihrer Jogginghosen, den ganzen Abend sahen wir uns Filme an.
Den ganzen Samstag schleppte Mel mich durch alle Geschäfte der Innenstadt.
Sie legte einen wahrlichen Shoppingmarathon hin und ich war mit den Kräften total am Ende, als wir uns auf
den Heimweg machten.
Kurz vor ihrem Haus, beschlich mich ein ungutes Gefühl und ich sah mich um.
Da entdeckte ich eine Gestalt ein Stück hinter uns, sie stand halb verdeckt hinter einem Baum, doch ich war mir sicher, dass sie uns beobachtete.
Schnell wandte ich mich um und ging einen Schritt schneller.
Mel zog ich hinter mir her und hoffte, dass die Gestalt
nicht näherkam.
Doch ich hörte Schritte hinter uns und bekam Panik.
Ich spürte die Stiche in meiner Seite, doch ich ignorierte sie und lief weiter.
„Was ist denn los?“ fragte diese verwirrt, sah sich um und lies sich dann ohne Proteste mitziehen.
Als wir ankamen und Mel schon ins Haus ging, sah ich mich nochmal um, doch die Gestalt war verschwunden und die Straße lag leer vor mir.
Hatte ich mir das nur eingebildet?
Wurde ich langsam verrückt, weil Daniels ewige Paranoia mich angesteckt hatte?
Wir schlossen alle Fenster und Rollläden, erst dann konnte ich mich entspannen und setzte mich auf den Boden mit dem Rücken an eine Wand.
„Hey, alles ok? Wer war denn da draußen?“ fragte Mel, die mit besorgtem Blick vor mir in die Hocke ging.
Ich nickte schnell, auch wenn es das Gegenteil davon war.
„Ich weiß nicht, ich dachte ich hätte jemanden gesehen.“, murmelte ich nachdenklich.
Es war nicht Daniel, bei ihm merkte ich es entweder gar nicht, oder hatte aber ein gutes, schützendes Gefühl.
Das Ganze sollte endlich aufhören, ich konnte das nicht mehr!
Gerade wollte ich aufstehen, da klingelte mein Handy.
Wieder fuhr ich zusammen, nahm es dann jedoch
schnell aus der Jackentasche.
Daniels Name erschien auf dem Display und ich ging sofort ran.
Seit dem Gespräch im Theater gestern hatte ich ihn nicht mehr gesehen oder mit ihm gesprochen.
„Ich hol dich in zwei Minuten ab, sieh zu das das Haus dicht ist. Ich schick jemanden der sie im Auge behält.“
Rief er ins Telefon, ohne mich überhaupt zu Wort kommen zulassen.
Im Hintergrund hörte ich Motorgeräusche.
Er war mir also gefolgt. Er folgte mir immer noch.
Wieso war ich im Moment nur so wahnsinnig erleichtert? „Ok.“
Das konnte ich noch sagen, dann legte er schon wieder auf.
Schnell sprang ich auf, packte meine Sachen und überprüfte alles.
„Sel würdest du mir bitte erklären, was los ist?“
Mel wurde langsam auch nervös.
„Es ist nichts denke ich, ich bin nur etwas paranoid in letzter Zeit, ich muss los. Geh nicht aus dem Haus, mach keinem auf und lass auch ansonsten alles zu ok. Ich ruf dich später an.“
Versprach ich ihr. Sie nickte nur verwirrt.
Sie vertraute mir, obwohl ich mir nicht sicher war, ob das im Moment gut oder schlecht war.
Es klingelte an der Tür und ich sah Daniel davorstehen.
Ich umarmte Mel nochmal schnell und ging dann zur Tür.
Er stand vor mir und musterte mich kurz, dann seufzte er und nahm mich fest aber vorsichtig in den Arm.
Wahrscheinlich hatte er Angst, mir weh zu tun.
Ich klammerte mich verzweifelt an ihn.
Jetzt erst merkte ich, wie sehr ich ihn vermisste hatte und atmete tief ein.
Bei dem leichten Geruch von Zigarettenrauch runzelte ich die Stirn.
Nach nur ein paar Sekunden lösten wir uns wieder und er lotste mich durch die Dunkelheit zu seinem Auto.
Erst als wir in seinem Auto saßen, konnte ich mich ein wenig entspannen.
Ich atmete tief durch und schloss die Augen für einen Moment.
„Alles ok?“ fragte er neben mir und musterte mich besorgt, während er losfuhr.
Ich nickte nur und sah dann auf meine Hände.
Den Rest der Fahrt sagte niemand mehr etwas.
Mit einem Arm um mich und prüfenden Blicken in die Umgebung, führte er mich hinein.
Er war angespannt, dass hatte ich schon im Auto gemerkt.
War seit gestern etwas passiert?
Drinnen trafen wir die anderen im Wohnzimmer, sie blickten mich besorgt an.
„Selina geht’s dir gut?“ fragte Dennis, als wir ins
Wohnzimmer traten.
Ich nickte nur, trotzdem kam er auf mich zu und schloss mich vorsichtig in seine Arme.
Ich ließ mich gegen ihn fallen und atmete nochmal tief durch. Es war als würden seine Anwesenheit mich beruhigen.
Ich vertraute ihm, genauso wie Daniel.
Sie würden mir nichts tun.
Da fiel mir auf, dass noch ein paar Jungs da waren.
Ich kannte nur Jason, der mir kurz zu nickte, Fabio war nicht da.
„Wo ist Fabio?“ fragte ich Dennis leise.
„Er passt auf Mel auf.“ antwortete Daniel und setzte sich dann in einen der Sessel, der neben der Couch stand.
„Selina, das sind Jaden und Leon.“
Ich sah zu ihnen rüber, während sie nur kurz nickten und sich dann wieder an Daniel wandten.
„…de Lucia, das ist jetzt das dritte Mal, er hätte sie holen können.“, begann Dennis die Stille zu brechen.
Ich sah Wut in Daniels Augen aufblitzten.
„Hätte er nicht, ich war immer in der Nähe.“
Erwiderte er hart und kalt.
Ich schluckte hart, die Stimmung war angespannt.
Seine Hände waren zu Fäusten geballt und zitterten leicht.
Konnte das keiner von ihnen sehen, oder ignorierten sie es einfach?
Ich hatte noch nie gesehen was passierte, wenn er ausrastete, er hatte sich immer ziemlich gut unter Kontrolle.
Zumindest in meiner Nähe.
Ich presste die Lippen zusammen in dieser Situation schwieg ich lieber.
Sein Blick lag immer noch auf mir.
Als ich aufsah und seinem Blick standhielt, bildete ich mir ein, dass er sich ein bisschen beruhigte und wieder normal atmete.
„Ich will das ihr ihn findet und ich will alles wissen, was er hier will, für wen er arbeitet und wo er sich verdammt nochmal versteckt.“
Es ging anscheinend um jemanden, den Daniel schon länger kannte.
Ich stellte keine Fragen, er würde es mir eh nicht sagen.
Und selbst wenn, mit einem Namen konnte ich nicht
anfangen, also konzentrierte ich mich auf den Raum, in dem wir saßen, er war sehr schön eingerichtet.
Sehr unpersönlich wie in Daniels Zimmer, nirgends war ein Bild oder eine Pflanze zu sehen, die Möbel waren perfekt aufeinander abgestimmt, aber es fehlte eine gewisse Wärme.
„... Selina? Hörst du zu?“ fragte Dennis neben mir und ich bemerkte das alle mich anstarrten.
„Hm, sorry.“ murmelte ich schnell und sah zu ihm
rüber.
Er lächelte mich an, dann erklärte er mir, dass ich von jetzt an mich immer jemand abholte zur Schule brachte und ich nach Dämmerung nicht mehr rausgehen sollte.
Na super, das hörte sich nach Freiheit an.
Es gefiel mir nicht wirklich, aber Daniels Blick sagte mir, dass ich keine Wahl hatte.
Nicht mehr.
„Sie ist müde, das war heute etwas viel.“, meinte Daniel, nachdem Dennis geendet hatte.
Kurz darauf stand er neben mir und führte mich die Treppe nach oben in sein Zimmer.
Also blieb ich wohl wieder hier. Gut zu wissen.
„Wir sollten reden.“, meinte er und setzte sich auf sein Bett.
Ich wusste, dass er mich nicht einfach so schlafen lassen würde.
Also verschränkte ich die Arme und lehnte an der Tür.
Meine letzte Fluchtmöglichkeit.
Vielleicht könnte ich ja bei Dennis schlafen.
Aber das würde Daniel wahrscheinlich nicht zulassen.
So gut kannte ich ihn doch schon.
Als ich nichts sagte, nickte er nur.
„Ok, was du im Theater gesagt hast…“
„Das war gemein, tut mir leid…“ unterbrach ich ihn schnell.
„Nein, du hattest Recht. Wieso solltest du mir
vertrauen? Ich habe dir nichts von
diesen ganzen Sachen erzählt, weil ich hoffte dich irgendwann wieder rausholen zu können, ohne dass irgendjemand hinter dir her sein würde, aber ich befürchte, dass es dafür schon zu spät ist.
Es hat sich herumgesprochen und du bist nun ziemlich berühmt.
Ich habe dir keinen Grund gegeben mir zu vertrauen und einfach verlangt das du es tust. Das war nicht fair.“
Ich schluckte.
Er sah mich nicht an, starrte auf den Boden.
Eine Weile sagte keiner etwas, bis ich mich von der Tür abstieß und zu ihm rüberging.
Vorsichtig setzte ich mich neben ihn.
Er sah auf und sein Blick suchte meinen, als er ihn gefunden hatte hielt er ihn gebannt fest und wir starrten uns an.
„Es tut mir leid.“
Seine Stimme war so ehrlich und auch seine Augen sahen mich aus diesem dunklen Braun an.
Sofort reagierte mein Herzschlag auf ihn.
Ich wollte etwas sagen, irgendetwas, aber ich konnte mich nicht bewegen, nicht denken, nur schwach atmen.
Er saß so nah neben mir.
Ich müsste nur einen Finger ausstrecken und schon konnte ich seine Brust berühren.
Er sah mich immer noch so an, wartete auf eine Reaktion.
„Tja ich schätze ich war auch nicht wirklich fair zu dir.“
Leicht spürte ich seinen Atem auf meinem Gesicht.
Als er sich noch ein kleines Stück herunterbeugte und mit seinen Lippen sanft über meine strich, schaltete mein Kopf aus und es war als übernehme er die komplette Kontrolle über mich.
Er wartete eine Sekunde, ob ich ihn wegstieß, dann spürte ich seine weichen Lippen auf meinen.
Warm drückten sie sich auf meine und forderten eine Reaktion.
Ich schmeckte ihn, und es war noch unglaublicher als ich es mir vorgestellt hatte.
Einen Moment war ich erstarrt, dann fuhr meine Hand wie von selbst an seiner Brust entlang zu seinem Nacken und ich klammerte mich dort fest.
Ich erwiderte seinen Kuss langsam, doch es schien ihm
zu reichen, sodass sich seine Arme um meine Taille legten und auf seinen Schoß zogen.
Überall wo er mich berührte war es als stünde mein
Körper in Flammen, das Kribbeln breitete sich immer weiter aus.
Ich spürte sein Herz gegen seine Brust unter meiner Hand schlagen.
Würde es sich jedes Mal so anfühlen, wenn er mich küsste?
Wenn ja, dann wollte ich nicht, dass er jemals damit aufhörte.
Als wir uns schwer atmend lösten, konnte ich in seinen
Augen dieses Glitzern sehen, was er letztes Mal schon
hatte.
Ein ungeduldiges Klopfen an der Zimmertür ließ mich
erschrocken zusammenfahren, was Daniels Umarmung fester werden ließ.
Als wollte er mich beschützen.
Ich senkte den Blick und biss mir auf die Unterlippe.
Es war als würde sich mein Kopf wieder einschalten und alle Gedanken und Zweifel auf mich einprasseln.
„De Lucia, kommst du mal runter, es gibt da etwas das du dir ansehen solltest.“
Jasons Stimme drang durch die Tür.
Daniel knurrte, seufzte dann aber und lockerte seine Arme um mich.
Schnell richtete ich mich auf und wollte aufstehen, doch er hielt mich zurück und drückte mir noch einen Kuss auf die Lippen.
Selbst der ließ mich erzittern.
Danach hob er mich hoch und setzte mich auf dem Bett ab.
„Bin gleich wieder da.“ mit diesen Worten verließ er sein Zimmer.
Ich saß da und ließ meine Gedanken auf mich einstürzen.
Ich hatte schon Jungs geküsst, aber keiner konnte so küssen wie Daniel.
Er raubte mir den Atem, bevor er mich überhaupt berührte.
Es war als würde er meine Gedanken beherrschen,
sobald er weg war konnte ich trotzdem an nichts Anderes denken.
Irgendwann musste ich eingeschlafen sein, denn als ich meine Augen öffnete, schien die Sonne durch die geschlossenen Rollladen.
Als ich mich umsah, sah ich Daniel wieder am anderen Bettende sitzen, den Block auf seinem Schoß, er wirkte konzentriert.
Einen Moment starrte ich ihn nur an.
Er trug wieder nur ein dünnes, schwarzes T-Shirt und schwarze Shorts.
Schwarz war eindeutig seine Lieblingsfarbe.
Dann hob er den Blick und als er sah, dass ich wach war, lächelte er. „Guten Morgen.“
Schnell erwiderte ich es und setze mich auf.
Bei jedem Mal, wenn er lächelte, ließ er damit mein Herz schneller schlagen, er sah so atemberaubend gut aus.
Es war nicht dieses freche Grinsen, sondern ein ehrliches Lächeln und das war umwerfend schön.
Er sah mich forschend an.
„Wie geht’s dir?“ fragte er dann.
„Gut.“
Er war nicht ganz überzeugt, nickte aber und beugte sich
dann zu mir, um mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen.
Ich war in seinem Blick gefangen und so beobachte ich jeden seiner Gesichtszüge.
„Ich muss gleich los, aber ich möchte, dass du hierbleibst. Hier bist du sicher.“
Kurz hielt ich noch inne, dann nickte ich aber und sah wieder auf meine Hände.
„Hey, sieh mich an.“
Sanft hob er meinen Kopf, sein Blick strich über mein Gesicht bevor er mir in die Augen sah.
„Wenn ich wieder da bin, reden wir und ich werde dir deine Fragen beantworten. Heute Abend.“
Etwas überrascht nickte ich und senkte den Blick, ich konnte ihm nicht in die Augen sehen, dabei hatte ich jedes Mal das Gefühl er würde mir in die Seele sehen und alle meine Geheimnisse kennen.
Sein Gesicht war so nah vor meinem, dass ich dachte er würde mich jeden Moment küssen, doch dann löste er sich von mir und stand vom Bett auf.
Ohne sich noch einmal umzusehen ging er aus dem Zimmer und ließ mich dort noch völlig benommen sitzen.
Bereute er es mich gestern Abend geküsst zu haben?
Ich hatte keine Ahnung was in ihm vorging.
Zu meiner Überraschung traf ich im Wohnzimmer auf Fabio der mich angrinste als ich eintrat und auf den
freien Platz neben sich klopfte.
Dann sah er wieder zu dem überdimensionalen Fernseher, der an der Wand hing.
Warum war der mir gestern eigentlich nicht aufgefallen?
„Na, gut geschlafen Prinzessin?“ fragte er als ich mich neben ihn gesetzt hatte.
Ich runzelte die Stirn, jetzt nannte er mich auch schon so.
Dann nickte ich aber ohne Kommentar.
„Willst du einen Kaffee?“, fragte er dann und stand schon auf.
Ich nickte wieder nur, dann war er schon in der Küche verschwunden.
Kurz darauf kam er wieder mit zwei Tassen heraus.
„Hat er dich zu meinem Babysitter gemacht?“ fragte ich ihn spöttisch grinsend.
Fabio grinste ebenfalls.
Das war wohl meine Antwort.
Wir unterhielten uns ein bisschen über ein paar belanglose Dinge, Schule, Job und so weiter.
Auf meine Frage was er für Daniel tat, schmunzelte er nur und machte mir klar, dass sein Bruder ihnen verboten hatte darüber zu reden.
Na super, das heißt ich würde nichts aus ihm
herausbekommen.
„Willst du was essen? Die Bestellflyer liegen irgendwo in der Küche.“
Ich runzelte die Stirn.
Ernährten sie sich nur von Lieferfutter?
„Ich könnte auch was kochen?“ meinte ich unbeteiligt.
Sofort schoss sein Blick zu mir rüber und seine Augen wurden groß.
„Du meinst so richtig kochen?“
Ich zuckte schmunzelnd die Schulter.
Er starrte mich immer noch an.
„Kann ich dir zuschauen?“ fragte er dann ein bisschen leiser, als hätte er Angst jemand anders würde es hören.
Ich lächelte wieder.
In der Küche durchsuchte ich erst mal alle Schränke und schmiss die Hälfte davon weg, weil sie schon am Vergammeln war.
Ich fand eine Fertigmischung für Pancakes und machte mich an die Arbeit.
Ich war erleichtert, denn das Kochen lenkte mich von meiner Grübelei ab.
Ich hatte es mir aus der Not heraus komplett selbst beigebracht.
Als meine Mutter mehr arbeiten musste, kümmerte ich mich um Ben und musste ihn auch mit Nahrung versorgen.
Am Nachmittag saßen wir auf der Terrasse und alberten herum.
Es war schön Zeit mit Fabio zu verbringen.
Wenn er es nicht merkte, musterte ich ihn.
Seine Augen faszinierten mich immer noch und ich konnte mir vorstellen, dass er damit reihenweiße die Mädchen zum schmachten brachte.
Dieses durchscheinende grau, gab ihnen einen liebevollen Ausdruck.
„Fabio?“
„Mhm?“ Er hatte die Augen geschlossen und genoss die Sonne, oder er versuchte zu schlafen.
Ich saß neben ihm und überlegte schon die ganze Zeit wie ich ihn unauffällig fragen konnte.
„Wo… wo ist Daniel hingegangen?“
Er öffnete die Augen und sah sofort zu mir rüber.
Dann lächelte er leicht.
„Das wolltest du schon den ganzen Tag wissen stimmts?“
Er grinste noch mehr als ich leicht rot wurde.
Dann seufzte er. „Er erledigt einen Job.“
Ich runzelte die Stirn und sah auf. „Einen Job?“
Fabio nickte und sah in den Garten.
„Damit können wir uns das alles hier leisten.“
„Ist… ist es gefährlich?“ fragte ich leise weiter.
Kurz verzog er den Mund.
„Es ist immer gefährlich… aber mach dir keine Sorgen um ihn.“
Sein Blick fand wieder meinen.
„Er ist der Beste, wenn du ihn sehen würdest, wenn es richtig abgeht, würdest du es verstehen.
Nicht nur das ihn nichts aus der Ruhe bringen kann, er führt alle Jobs still und sauber aus.“
Einen Moment dachte ich darüber nach.
Daniel kam mir weniger so vor als würde er Aufträge ausführen, eher als würde er selbst Befehle geben, denn darin war er ziemlich gut.
„Er ist manchmal unausgeglichen und stur, aber er beschützte das was ihm wichtig ist. Er beschützt dich, er ist immer da und hat ein Auge auf dich.“
Er zwinkerte mir zu, dann schloss er wieder die Augen.
Eine Weile musste ich darüber nachdenken was er gesagt hatte, aber es warf letztendlich noch mehr Fragen auf.
War ich ihm wirklich wichtig?
Was hatte unser Kuss gestern zu bedeuten, hatte er mich einfach aus einer Laune heraus geküsst oder wollte er es wirklich?
Ich wusste das ich nicht einfach mit ihm darüber reden konnte, wie mit anderen Jungs.
Ich hatte schon viele Seiten von Daniel gesehen, wie er war, wenn wir auf seinem Bett saßen.
Ruhig, entspannt und wie er war, wenn er nervös wurde oder wütend.
Dann würde ich am liebsten immer sehr schnell verschwinden, denn ich hasste diesen kalten Blick, der sich in seine schönen Augen schlich.
Andererseits würde ich ihn auch gerne so lange reizen,
bis er aufhörte mich so anzusehen.
Daniel hatte gestern gesagt, dass es wahrscheinlich
schon zu spät war mich wieder rauszuholen.
Konnte ich das? So ein Leben führen?
Immerhin hatte ich noch Ben und um keinen Preis wollte ich, dass er etwas mit dieser Welt zu tun hatte.
Was würde passieren, wenn sie herausfanden, dass er zu mir gehörte und sich irgendwann ihn holten?
Er wäre ein leichtes Ziel.
Aber ich wollte auch nicht, dass Daniel einfach verschwand.
Ich mochte ihn, mehr als ich mir eingestand.
Ich müsste dringend mit ihm über ein paar Dinge sprechen.
Die Sonne ging unter und ich wurde langsam nervös.
Daniel hatte gemeint er wäre vor dem Abend wieder zurück.
Leider war die Definition „Abend“ sehr weit auslegbar.
Um neun müsste ich Zuhause sein, da Ben dann kam.
Notfalls müsste ich Fabio bitten mich heimzufahren.
Je später es wurde, desto öfter fiel mein Blick auf die Uhr, was Fabio natürlich bemerkte und meinte ich solle mich beruhigen.
Wir machten uns noch etwas zu essen und warteten weiter.
Irgendwann stand ich auf, um mir eine Decke zu holen, dann zog Fabio mich an sich und hielt mich fast schon im
Klammergriff ruhig.
Ich musste lachen und schaffte es irgendwie meine
Hände frei zu bekommen und ihn zu kitzeln, es klappte tatsächlich.
Leider war er viel stärker als ich, und so fand ich mich kurz darauf auf der Couch vor, während Fabio daneben saß und mich wieder mit einer Hand ruhig hielt.
Ich musste immer noch lachen und auch er grinste, als sich jemand räusperte.
Überrascht setzte ich mich auf und sah zur Tür.
Ich hatte niemanden kommen hören.
Fabio war anscheinend genauso überrascht, er ließ mich sofort los und stand auf.
Daniel stand in der Tür und sah zwischen uns beiden hin und her.
Da war er wieder dieser kalte Blick.
Hinter ihm traten nun auch Dennis, Jaden und Leon ein.
Sie sahen alle gut gelaunt aus, doch ich erkannte rote Flecken auf ihren T-Shirts. War das etwa…?
Als mir klar wurde was das war, schnappte ich erschrocken nach Luft.
Sie begrüßten uns locker und verschwand dann einer nach dem anderen nach oben.
Daniel sah mich noch einen Moment an, dann verschwand er in die Küche.
Unsicher sah ich zu Fabio, der mir ein Zeichen gab
seinem Bruder zu folgen.
Langsam trat ich in die Küche und beobachtete Daniel, wie er sich ein paar Blutspritzer von den Händen wusch. Sein Shirt war davon anscheinend größtenteils verschont geblieben.
„Geht’s dir gut?“ fragte ich ihn leise.
Kurz sah er auf, sein Blick war verschlossen.
Dann nickte er knapp.
Ich nickte ebenfalls und biss mir auf die Unterlippe.
Nachdem er fertig war, kam er langsam auf mich zu.
Sein Blick ließ meinen nie los.
Gott ich hasste es, wenn ich nicht wusste in welcher Stimmung er war.
Er nahm meine Hand und zog mich aus der Küche die Treppe rauf.
Fabio starrte weiter in den Fernseher.
Oben schloss Daniel die Tür hinter sich, dann fand ich mich schon an der Wand wieder, mit seinen Lippen auf meinen.
Mein Puls schoss hoch und ich zog ihn an seinem T-Shirt näher an mich.
Eine Hand lag um meine Taille, so hielt er mich an sich gedrückt, die andere war neben meinem Kopf an der Wand zu einer Faust geballt.
Sein Kiefer war angespannt, doch je länger der Kuss dauerte, desto mehr entspannte er sich und seine Bewegungen wurden sanft.
Seine Zunge erkundete meinen Mund, kämpfte mit
meiner.
Als er sich langsam von mir löste ging unser beider Atem stockend.
Er sah mir fest in die Augen und ich sah, dass sein Blick wieder weich und warm wurde.
Er schob mich in Richtung Bett, wo ich am Bettpfosten Platz nahm und zu ihm hinaufsah.
„Du hast sicher viele Fragen.“
Ich nickte zögerlich.
„Ich geh duschen, bin gleich wieder da.“
Damit verschwand er im Bad.
Es dauerte nicht lange und ich saß immer noch mit angezogenen Beinen auf seinem Bett, als er mit frischen Klamotten und nassen Haaren wieder ins Zimmer kam.
Daniel setzte sich neben mich und sah mich dann erwartungsvoll an.
„Leg los, ich werde soweit ich kann ehrlich zu dir sein.“
Seine Augen sahen mich aufrichtig an und ich glaubte ihm da schon jedes Wort.
„Warum sind so viele Leute hinter mir her?“
Platzte ich direkt mit meiner dringendsten Frage heraus.
Ich wollte wissen, warum und was sie alle von mir wollten.
Daniel nickte und holte dann Luft.
„Nun ich habe mir in den letzten Jahren viele Feinde gemacht.
Jeder in unserer Branche hat eine Schwäche, sei es das
Auto, eine Frau.
Bei mir war es nie so, ich hatte nichts von alle dem und war so unerreichbar für die anderen.
Unsere kleine Notlüge hat sich herumgesprochen und viele denken, dass sie dich als meine Schwäche einsetzen könnten, dich entführen und mich damit erpressen, oder schlimmer.“
Ich nickte stumm.
Das klang ziemlich logisch, dass ich da selbst nicht draufgekommen war.
„Hast du den Kerl umgebracht, der mich aufgehalten hat, bevor Jason gekommen ist, an dem Tag als ich ins Tanzstudio wollte?“, fragte ich leise weiter.
Es war das erste Mal gewesen, dass mich jemand außerhalb meines Hauses angegriffen hatte.
„Nein ich war bei dir auf der Party, aber ich habe Jason nach ihm geschickt.“
Wieder nickte ich langsam.
Das hatte ich schon fast vermutet.
„Wer war dieser Giovanni?“
Sein Blick war aufmerksam, er musterte mich, als erwartete er irgendeine Reaktion.
„Ein Freund. Er war mal ein Freund, ist aber schon lange her.“
„Hast du ihn auch… umgebracht?“
Daniel senkte den Kopf, verneinte es aber dann.
„Nein er ist abgetaucht und wird sich wohl nicht mehr
blicken lassen.“
„Was ist mit dem was Giovanni gesagt hat, dass jemand anderes kommt? Meinte er den anderen, der wieder da ist?“
Er verzog verächtlich das Gesicht.
„Nein, er hat einfach irgendetwas gesagt, damit er mich nerven konnte, und um den anderen musst du dir keine Gedanken machen, darum kümmere ich mich.“
Seine Augen sahen mich klar und voller Entschlossenheit an, sodass ich wieder nickte.
„Was für eine Art Job führst du aus?“
Kurz sah er mich überrascht an, dann schmunzelte er.
Eine Weile antwortete er nicht, als würde er überlegen.
„Es sind verschiedene Jobs, was genau kann ich dir nicht sagen. Aber sie gehen alle eher in die illegale Richtung.“
Forschend sah er mich an, als hätte er Angst ich würde sauer werden.
„Wohnst du mit den Jungs hier ganz allein?“
Daniel nickte.
„Was ist mit deiner Familie? Mit deinen Eltern?“ fragte ich einfach weiter, als würden wir über das Wetter reden.
Doch mir war sehr wohl bewusste, dass diese Fragen sehr persönlich waren.
Ich bereitete mich darauf vor keine Antwort zu bekommen.
Kurz glitt ein schmerzhafter Ausdruck über sein Gesicht.
„Sie sind tot.“, meinte er dann kurzangebunden.
Er wollte nicht darüber reden.
Aber zumindest hatte er es mir gesagt.
„Tut mir leid.“, flüsterte ich leise.
Er sah auf und sein Blick fand sofort meinen.
Er brauchte nichts zu sagen, er signalisierte mir, dass er mir nicht böse war wegen der Frage.
Ich rutschte ein bisschen näher zu ihm und er nahm sofort meine Hand in seine.
Sein Daumen zog Kreise und lenkte mich ab.
„Kannst du mich heimbringen?“
Im Moment wollte ich ihn nicht noch mehr mit meinen Fragen belasten.
Er sah immer noch zu mir.
Keine Sekunde hatte er sich abgewandt.
„Mir wäre es lieber, wenn du hierbleibst. Hier bist du in Sicherheit.“
Mein Herz schlug sofort einen Takt schneller.
Was würde ich dafür geben, bei ihm bleiben zu können?
Gerade wenn er mich bat zu bleiben.
Ich schüttelte aber den Kopf.
„Ich muss nach Hause, Ben kommt um neun.“
Nach kurzer Überlegung nickte er schließlich widerwillig und stand auf.
„Ok, dann werde ich aber in der Nähe bleiben.“
Ich runzelte die Stirn.
„Meinst du wirklich das jemand versuchen würde… bei
mir zuhause?“
Meine Kehle schnürte sich zu und ich dachte an meinen Bruder.
Daniel sah auf unsere Hände und zögerte.
„Wahrscheinlich nicht, aber ich werde kein Risiko eingehen.“ Meinte er dann bestimmend.
Sein Blick gab mir zu verstehen, dass er sich von diesem Punkt nicht abbringen lassen würde.
Ich kannte ihn noch nicht lange, wusste aber was seine Angewohnheiten waren und wenn er eines sehr
ausgeprägt hatte, dann war es der Beschützerinstinkt.
Und er war ein Sturkopf.
Wie Fabio mir schon bestätigt hatte.
Wir gingen schweigend die Treppen runter und am Wohnzimmer vorbei wo die Dennis jetzt bei Fabio auf der Couch lag und sie zusammen in den Fernseher starrten, als wäre nie etwas passiert.
„Bye Jungs.“, rief ich in ihre Richtung.
„Bye Sel.“ Rief Fabio, er sah nicht mal auf, im Augenwinkel konnte ich ihn aber Grinsen sehen.
Dennis sprang auf und begleitete uns bis zur Tür.
„Wann kommst du mal wieder vorbei? Fabio hat erzählt du kannst bombastisch gut kochen.“
Ich lachte.
Bei seinen Kochkünsten konnte meine ja nur „bombastisch“ gut sein.
„Weiß noch nicht.“
Ich zuckte die Schultern, dann umarmte ich ihn kurz und folgte Daniel zu seinem Auto.
Wir fuhren schweigend durch die dunkle Stadt.
„Ich will nicht, dass Ben irgendetwas mit dieser Welt zu tun hat, oder dass er mit reingezogen wird.“
Daniel nickte nachdenklich.
„Ich werde versuchen das zu verhindern.“
Seine Augen lagen ehrlich auf mir, als ich auch nickte.
Er parkte am Straßenrand und sah dann zu mir rüber.
„Danke, dass ich bei dir schlafen konnte.“
Er nickte wieder stumm.
Insgeheim wünschte ich mir, er würde mich noch einmal küssen aber er tat es nicht.
„Bis morgen.“, meinte ich lächelnd und stieg aus.
Dad war wieder unten im Wohnzimmer, ich wusste nicht ob er bemerkt hatte, dass ich zuhause war.
In meinem Zimmer setzte ich mich auf die Fensterbank und sah auf die Straße runter.
Daniels Auto stand auf der anderen Straßenseite.
Die Beleuchtung war aus, ich hätte nicht mal sagen können ob er drinsaß, aber ich wusste es ja besser.
Die ganze Woche war an der Schule nur ein Gesprächsthema.
Nämlich was zwischen mir und Daniel lief, da ich mit Daniel zur Schule fuhr und er brachte mich auch wieder nach Hause.
In der Schule redeten wir kaum miteinander.
Was da zwischen uns war, ich hatte keine Ahnung!
Er hatte mich nicht mehr geküsst, und er war die Woche sehr kühl und schlecht gelaunt gewesen.
Immer öfter, wenn ich mich gelangweilt umsah, begegnete ich seinem Blick.
Er beobachtete mich, wie Fabio es gesagt hatte.
Er war in meine Nähe, passte auf mich auf.
Mel war am Anfang sehr misstrauisch gewesen, akzeptierte es aber schweigend und erzählte mir lieber jeden Tag von der Party bei Kimberly, die am Wochenende stattfinden sollte.
Es war sowas wie die jährlich Abschlussparty, nur mitten im Jahr, wenn eigentlich alle lernen sollten.
Sie war das beliebteste Mädchen an der Schule.
Mel wollte unbedingt auf diese Party gehen, weil dort viele Jungs vom College sein sollte, da Kimberlys Bruder seine Freunde mitbrachte.
Also gab ich schließlich nach und stimmte zu.
Michi und das ganze Footballteam waren sowieso da, immerhin gab es dort massenhaft Mädchen.
Als ich mit Mel nach Hause fuhr, hielt sie mir eine Rede nach der anderen, wie gefährlich Daniel wäre und dass ich ja auf mich aufpassen sollte.
Ich hatte ihr nichts von dem Kuss erzählt, und ich wusste, dass sie Daniel nicht so kannte wie ich es tat,
also erzählte ich ihr darüber nichts mehr, damit sie sich nicht aufregen musste.
Kimberlys Haus war nur ein paar Straßen von Mels, also gingen wir zu Fuß.
Auf dem Weg dorthin trafen wir auf Michael, der seine Freunde dabeihatte.
Einer kam zu mir rüber und ging dann neben mir weiter.
„Hey Selina.“
„Hey.“ Erwiderte ich lächelnd.
Er hieß Lukas, Mel hatte mir von ihm erzählt, was genau wusste ich nicht mehr.
Hinter ihm fiel mein Blick auf Mel, die verräterisch grinste und mit den Augenbrauen wackelte.
So bekam ich nicht genau mit was er erzählte, ich musste mich zusammenreißen nicht zu lachen.
„Tanzen wir heute Abend mal?“ fragte er dann völlig unvermittelt weiter.
Etwas überrumpelt nickte ich nur.
Keine Frage er sah gut aus.
Trainiert, blonde Haare, und helle blaue Augen.
Er war ungefähr einen halben Kopf kleiner als Daniel und hatte auch nicht wirklich eine Ausstrahlung.
Als mir klar wurde, dass ich ihn mit Daniel verglich,
schob ich die Gedanken alle weg und konzentrierte mich
auf die Gespräche der anderen.
Seit mir klar war, dass ich für Daniel ein bisschen mehr fühlte, als normal war, war es mit mir sowieso vorbei.
Ich wollte es nicht akzeptieren, auch wenn er mich küsste, das machte er bestimmt mit massenhaft anderen Mädchen auch.
Was wollte er schon mit mir?
Ich passte nicht in seine Welt.
Wir kamen an und wurden von lauter Musik, betrunkenen Leuten und fluchenden Nachbarn empfangen.
Michael lotste uns zur Bar, wo wir uns Getränke holten.
Kimberly hatte im Garten einen riesigen Pool, in dem der ein oder andere in dieser Nacht noch landen würde, genau wie bei der letzten Party auch.
„Uuuuund was wollte Lukas?“ fragte Mel, sie lehnte sich in der Hollywoodschaukel, in der wir saßen, zurück und sah mich erwartungsvoll an.
Ich zuckte die Schultern.
„Er will später mit mir tanzen.“
„Uhhhh.“ Sie grinste wieder verschmitzt.
Ich lachte nur und schlug ihr gegen die Schulter.
„Ach komm schon Sel, er sieht doch gut aus, außerdem ist er im Footballteam, sehr beliebt und er steht eindeutig auf dich. Er ist keine schlechte Partie. Du hast keinen Kerl hier auch nur angesehen, seit du hier bist.“
Ich verdrehte die Augen und sah mich um.
„Er ist nicht mein Typ.“
Erwiderte ich leise und nahm einen Schluck aus meinem Glas.
„Bitte? Wer ist dann dein Typ?“ Daniel.
Ohne dass ich etwas dagegen tun konnte schoss dieser
Gedanke in meinen Kopf.
Schnell winkte ich ab.
Ich sah mich wieder um und entdeckte an der Tür eine
Bewegung.
Wie erstarrte sah ich dort hin, meine Hand klammerte sich um das Glas.
Da stand er.
Wenn man vom Teufel spricht.
Daniel unterhielt sich mit ein paar älter aussehenden Typen, trotzdem überragte er sie um ein paar Zentimeter.
Wie immer trug er seine schwarze Lederjacke, in der Hand hielt er ein Bier.
Er sah entspannt aus, lächelte sogar ein bisschen.
Ein sehr seltenes Erscheinungsbild bei ihm.
Einer der anderen Jungs drehte sich um und lies seinen Blick schweifen.
Es war Fabio.
Warum ich ihn vorher nicht schon gesehen hatte, war mir ein Rätsel.
Weiter sah er sich um, dann entdeckte er mich und grinste genauso breit zu mir rüber und winkte.
Ich musste leise lachen, als er sich wieder zu Daniel umwand und etwas sagte.
Dieser sah sofort in meine Richtung und starrte mich an.
Ich konnte aus der Entfernung nicht sagen ob er erfreut war mich zu sehen oder nicht.
Ich wollte mich wieder umdrehen doch ich konnte nicht,
er hielt mich fest, bis Mel mich anstieß und ich mich
erschrocken umwand.
„Was?“
„Du warst kurz davor zu sabbern. Ich wollte dir die
Peinlichkeit ersparen.“
Ihr Blick war missbilligend, sie sagte aber nichts weiter.
Ein bisschen musste ich grinsen.
Er konnte sich genauso wenig lösen wie ich, wenn wir uns ansahen.
„Hey Sel!“
Eine Stimme lies mich wieder Aufsehen.
Fabio kam nun zu unserer Schaukel rüber und sah zu uns runter.
Sofort sprang ich auf und umarmte ihn grinsend.
„Hey! Fabio das ist meine Freundin Mel, Mel das ist Fabio. Er ist Daniels Bruder.“
Sie begrüßten sich und mir entgingen nicht die Blicke, die Mel ihm zuwarf.
Innerlich verdrehte ich die Augen.
Sie war noch nicht wirklich überzeugt von Daniel und seinen Jungs.
Obwohl Fabio perfekt in ihr Schema passen würde.
Mit seinem breiten Körperbau und den braunen Haaren.
Die Augen schienen sie schonmal irritiert zu haben.
Kurz unterhielten wir uns, dann kam Michael und war wie ich erwartet hatte nicht gerade begeistert von unserem Besucher.
„Kann man euch keine zwei Minuten alleine lassen, ohne, dass die Verbrecher über euch herfallen?“ Mel lachte, doch ich verdrehte nur die Augen.
Um ihn wieder auf andere Gedanken zu bringen, ließ ich mich von Michael zu einer Runde Beer Pong überreden.
„Willst du dir die Blamage nochmal antun?“ fragte ich ihn grinsend.
Doch er winkte ab und füllte die Becher.
Mel saß neben mir und nippte an ihrem Becher.
„Du solltest mit ihm wetten, dann würde aus der Sache auch mal was rausspringen.“ Meinte sie und grinste Michael verstohlen an.
Natürlich war dieser weniger begeistert, dass sie auf meiner Seite saß.
„Du spielst Beer Pong und sagst mir kein Wort?“ eine Stimme hinter mir ertönte und ich drehte mich gerade noch um, um zu sehen wie die Leute sich teilten und Fabio grinsend hindurchtrat.
Er hatte eine ähnliche Ausstrahlung wie sein Bruder, die Leute hielten Abstand zu ihnen.
Instinktiv. Nur ich nicht.
Ich grinste ihn an, als er neben mich trat.
Daniel war ihm nicht gefolgt, er war allein.
„Willst du mit mir oder gegen mich spielen?“
Er lachte auf.
„Babe gegen mich könntest du niemals gewinnen.“
Ich hob die Augenbrauen.
Als ich mich zum Tisch umwand, brachte Michael Fabio gerade mit Blicken um, allgemein war es ruhig geworden, anscheinend wussten sie wer da neben mir stand.
Doch Fabio schien es nicht zu stören, er tippte in sein Handy und wartete bis wir endlich anfingen.
Das Spiel dauerte nicht lange.
Ich war unkonzentriert und ließ mich von Michael schlagen.
Immer wieder waren meine Gedanken abgeschweift und auch Fabios geflüsterte Ratschläge halfen nicht.
Jedes Mal, wenn ich wieder danebenwarf, schüttelte Fabio missbilligend den Kopf.
Nachdem er gewonnen hatte war Michael wieder etwas besser drauf, ignorierte Fabio der immer in meiner Nähe blieb.
Ob er einen Auftrag von Daniel hatte? Wo war er eigentlich?
Als ich wieder ins Haus zurückging um mir etwas zu trinken zu holen, spürte ich eine Bewegung hinter mir und drehte mich um.
Es war Lukas.
Er stand sehr dicht vor mir, sodass ich ein paar Schritte zurück trat.
„Hey.“, meinte ich lächelnd, dann ging ich weiter, in
Richtung Bar.
Ohne zu fragen lehnte er sich neben mich an die Theke und grinste.
Etwas irritiert bestellte ich etwas zu trinken und sah mich wieder um.
„Und wie sieht‘s aus Sel? Gehen wir zu mir oder suchen wir uns hier ein freies Zimmer?“
Erschrocken starrte ich ihn an.
Wie bitte was hatte er gerade gesagt?
Er war betrunken, redete ich mir ein, trotzdem konnte ich nicht sofort antworten, ich war zu geschockt.
Warum eigentlich?
In Miami waren diese Sprüche und Absichten an der Tagesordnung.
„Sie geht mit dir nirgendwo hin.“
Ertönte eine dunkle Stimme hinter mir und ein Stein fiel mir vom Herzen.
Er war aber auch immer da, wenn ich Hilfe brauchte.
Lukas sah feindselig auf, einen kurzen Moment weiteten sich seine Augen dann formten sie sich wieder zu Schlitzen.
„Was willst du de Lucia, du kannst ihr nicht sagen was sie zu tun hat. Such dir ein anderes Mädchen zum Spielen.“
Dann sah er wieder zu mir.
„Du solltest aufpassen, sonst bist du die nächste die wir
eingraben müssen, nur weil du nicht gemacht hast, was er wollte. Einen de Lucia solltest du nicht in dein Bett einladen, wenn du überleben willst.“ sagte er leise zu mir.
Sein Atem roch nach Alkohol ich rückte etwas von ihm ab, direkt an Daniels Brust, der mich sofort festhielt.
Er zog zischend Luft ein und trat einen Schritt vor.
Auch ich starrte den Betrunkenen geschockt an.
„Verschwinde Lukas.“, sagte ich mit fester Stimme, bevor Daniel etwas tun konnte.
Ich konnte spüren das er kurz davor war auszurasten, seine Hand an meiner Hüfte hatte schon leicht gezittert.
Lukas fluchte, dann verschwand er aber ohne einen weiteren Kommentar.
Daniel trat an seine Stelle und sah mich forschend an.
„Alles ok?“ Ich nickte schnell. „Bei dir?“, fragte ich ihn.
Er schnaubte nur mit einem leichten Grinsen auf den Lippen.
Lukas Worte hallten immer noch in meinem Kopf.
Zu meiner Überraschung war Daniel nicht wütend, er hatte sich ziemlich schnell beruhigt und war wahrscheinlich der Meinung, dass eine Prügelei auf einer High-School Party es nicht wert war.
„Hat er sowas schon öfter gemacht?“ fragte Daniel mich.
Ich schüttelte den Kopf und sah dann auf meine Hände.
Seine Nähe machte mich nervös.
Er machte mich nervös, wenn er seine Killerstimme
draufhatte.
Verdammt normalerweise war ich doch auch nicht so.
Ich konnte mich selbst gegen aufdringliche Jungs wehren, dabei hatte ich noch nie Hilfe gebraucht.
„Du warst also Beer Pong spielen?“ fragte er und grinste mich spöttisch an.
Ich lachte auf und nahm mein Getränk vom Tresen.
„Ja und ich habe haushoch verloren, das war nicht meine Runde.“
In seinen Augen blitzte es, er grinste immer noch.
Hatte er mich doch beobachtet? War er das gewesen und ich hatte nur mal wieder nicht bemerkt?
„Übung macht den Meister.“
Ich lachte auf und verdrehte die Augen.
Er wollte gerade etwas sagen, als von irgendwoher lautere Stimmen zu hören waren.
Als ich aufsah, entdeckte ich eine Gruppe Jungs, die sich beschimpften.
Anscheinend ging es um irgendwelche Mädchen, da eine Gruppe dahinterstand und ängstlich zwischen den drei Jungs hin und her sahen.
Sie waren groß und schon etwas älter, vielleicht wie Daniel, zwanzig oder einundzwanzig.
Einer sah zu uns rüber, sagte etwas zu seinem Kumpel, der dann ebenfalls rüber sah und uns anfunkelte.
Verwirrt sah ich zu Daniel auf, der neben mir stand und
mindestens genauso sauer aussah.
Die Jungs ließen die anderen links liegen und kamen auf
uns zu.
Unauffällig schob Daniel mich hinter sich und schirmte mich so von den Blicken der anderen ab.
Kurz bevor sie uns erreichten, sagte er etwas zu Daniel der etwas erwiderte, was ich aber nicht verstand.
Sie gingen an ihm vorbei, hinaus aus dem Haus auf die
Straße wo wir vorher hergekommen waren.
Nachdem sie verschwunden waren, wollte ich Daniel fragen was sie gesagt hatten, doch da ging er schon in dieselbe Richtung.
Ich wollte ihm folgen, legte meine Hand an seinen Arm, dann wandte er sich schon um.
„Seli, du bleibst hier.“
Er sah mich eindringlich an.
„Was? Wo… wo gehst du hin?“
„Ich muss etwas klären, bleib du hier, ich bin gleich wieder da. Ich hol dich.“
Ich wollte noch etwas erwidern, da schob er mich schon auf den Stuhl zurück und verschwand dann zwischen den Leuten.
Kurz sah ich ihn noch an der Haustür, dann war er weg.
Ich starrte in die Richtung, in die er verschwunden war und versuchte meine Gedanken zu ordnen.
„Selina!“
Erschrocken zuckte ich zusammen und drehte mich um.
Mel kam mit Michael auf mich zu und setzte sich neben
mich.
„Hey, ich dachte du kommst gleich wieder. Oh mein Gott ich muss dir was erzählen…Cheyenne hat ernsthaft…“
Sie erzählte irgendwas, doch ich hörte ihr nicht zu, egal wie sehr ich mich darauf konzentrieren wollte, meine Gedanken schweiften ab, unauffällig sah ich immer wieder zur Tür, in der Hoffnung Daniel würde gleich wiederauftauchen.
„Mel, ich muss mal schnell an die frische Luft.“, unterbrach ich sie in ihrer Geschichte.
„Oh ist dir schlecht? Brauchst du…“
Ihr Blick wurde besorgt, auch Michael sah mich forschend an.
„Nein alles gut, ich muss nur mal frei atmen.“ Erklärte ich schnell.
„Soll ich mitkommen?“ fragte sie weiter, doch ich wusste, dass sie es hasste zu frieren und draußen war es schon kühl geworden.
Kein Wunder im Februar.
Ich schüttelte nur den Kopf und ging in Richtung Haustür hinaus.
Draußen war alles ruhig, ein paar torkelten heim, sonst war nichts zu hören.
Ich lief ein Stück weiter durch die dunkle Gasse und sah mich suchend um.
Wo war er nur?
Hier irgendwo musste er doch sein.
Er musste in diese Richtung gegangen sein, die Straße endete bei Kimberlys Haus.
„Daniel?“ rief ich vorsichtig in die Dunkelheit.
Einen Moment hörte ich gar nichts, dann ein leises Geräusch.
Es klang wie jemand der Schmerzen hatte.
Panik stieg in mir auf.
Scheiße! Was wenn ihm doch etwas passiert war!?
„Daniel?“
Wieder lauschte ich in die Gasse.
„Seli!“ da rief jemand leise meinen Namen.
Mein Herz machte einen Sprung und zog sich gleichzeitig zusammen.
Nur Daniel nannte mich „Seli“ und seine Stimme klang schmerzverzerrt.
Schnell lief ich auf das Geräusch zu.
Dann sah ich einen Schatten an der Wand lehnen.
„Daniel!“
Ich rannte auf ihn zu und fand ihn am Boden kauernd auf.
Vor Schreck schlug ich mir die Hände vor den Mund und
starrte ihn einen Moment an.
Dann traten mir die Tränen in die Augen.
„Oh Gott, was… was ist passiert?“
Vor ihm sank ich auf die Knie und sah ihn geschockt an.
Er verzog wütend und schmerzvoll das Gesicht.
„Dieser Pisser... er hat versucht mich zu provozieren und dann hat der Vollidiot mich aus dem Verkehr gezogen.“
Entsetzt sah ich auf seine Seite, die er sich mit seinen großen Händen hielt.
Die Tränen liefen mir über die Wangen.
Oh Gott, passierte das gerade wirklich?
„Hat er dich angeschossen? Du… du musst sofort ins Krankenhaus.“
Ich wollte gerade nach meinem Handy suchen, da hielt eine Hand mich auf und hielt meine fest.
„Nein, Seli ruf Jason an, er weiß was zu tun ist.“
„Aber… du…“
„Bitte Baby, tu es einfach...“
Sein Blick war flehend.
Ich schluckte nochmal, dann wählte ich seine Nummer.
Jason ging nach dem ersten Klingeln ran, doch da ich immer noch so geschockt war und nichts sagen konnte, gab Daniel die Befehle in mein Telefon.
Sein bester Freund versicherte ihm sich um alles zu kümmern und in fünf Minuten bei uns zu sein.
Ich blieb einfach so vor ihm sitzen.
Es war mir egal, dass es immer kälter wurde und ich in dem Minikleid zu zittern anfing.
Daniels Gesicht war ein bisschen schmutzig, an seiner Hand klebte Blut, viel Blut.
Sein Kopf lehnte hinten an der Wand, er atmete flach.
„Da… Daniel?“ fragte ich leise.
Sofort sah er zu mir auf.
Seine saubere Hand nahm wieder meine und hielt sie fest.
„Alles gut, es geht mir gut.“
Zitternd lachte ich bitter auf und sah ich ihn an.
„Du könntest tot sein.“ Erwiderte ich leise.
Seine Hand schob sich unter mein Kinn und hob meinen Kopf, damit ich ihn ansehen musste.
„Nein… es braucht mehr als eine Kugel um mich umzulegen. Mach dir keine Sorgen, ich werde schon wieder.“
Seine Augen waren so ehrlich, dass ich ihm einfach glauben musste, auch wenn ich immer noch so meine Zweifel hatte, natürlich er war der Beste in seinem Job, aber er hatte trotzdem nur ein Leben.
Er war wie jeder andere aus Fleisch und Blut.
Sein arrogantes Grinsen würde ihn nicht retten können.
Und was sollte ich ohne ihn machen?
Ich kannte ihn jetzt ein paar Wochen, trotzdem log ich für ihn und hatte mich in ihn verliebt.
Er sah mich weiter an und kam langsam näher, er musste sich nicht viel bewegen, da ich direkt vor ihm kniete.
Er sah mich einfach nur an, bis ich den letzten Abstand überquerte und meine Lippen auf seine drückte.
Das erste Mal, dass ich ihn geküsst hatte.
Es dauerte nicht lange, dann übernahm er wieder die
Führung und erforschte meinen Mund.
Seine weichen Lippen…
„De Lucia?“
Eine Stimme ließ uns aufschrecken, schnell wich ich ein Stück zurück und sah auf.
Daniel stieß zischend den Atem aus.
Am Ende der Gasse bog gerade jemand um die Ecke und kam auf uns zu gelaufen.
Hinter ihm noch drei weitere.
„Was ist passiert?“ riefen die Stimmen.
Es waren Jason, Jaden, Leon und Fabio.
Anscheinend hatten sie ihn erreicht.
Jason und Leon kümmerten sich sofort um Daniel, während Fabio mir aufhalf und an sich zog.
Er hielt mich im Arm und musterte mich dann kurz ob ich auch verletzt war.
„Warum hast du mich nicht geholt? Du läufst ihm einfach nach? Weißt du eigentlich wie scheiße gefährlich das war?“
Im Hintergrund hörte ich wie Daniel ihnen kurz erklärte was passiert war.
Ich antwortete nicht, meine Gedanken waren durch den Nebel nur schwer zu fassen, ich starrte zu Daniel, der mir immer wieder besorgte Blick zuwarf und zitterte.
Leon ging ein Stück weiter und beobachtete die Umgebung, als würde er Schmiere stehen.
Nach ein paar Minuten halfen Jason und Jaden Daniel auf.
Er ging noch ein wenig schwerfällig, aber allein das er stehen konnte war für mich eine Überraschung.
Sie stützten ihn, als wir die Gasse hinausgingen.
Direkt davor parkten zwei Autos.
Sie luden Daniel in das Eine, während Fabio mich zum anderen brachte.
Selbst wenn ich gewollte ich hätte mich nicht wehren können, der Schock, die Müdigkeit, alles brach über mir zusammen und ich fing schon wieder an zu zittern.
Das merkte Fabio auch, als er neben mir einstieg und legte eine Decke über meine Schultern.
Auch wenn es nichts half, war es nett von ihm.
Fast so gewagt wie Daniel fuhr er in einem Affentempo dem anderen Wagen hinterher, sah immer wieder besorgt zu mir rüber.
Angekommen brachten die Jungs Daniel in den
Keller, wo er mit mir auch schon war.
Ich wollte ihnen hinterher, doch Fabio hielt mich auf.
„Nicht, er muss wahrscheinlich operiert werden, dass willst du nicht sehen.“
Kurz überlegte ich noch trotzdem runter zu gehen, dann ließ ich es aber und folgte Fabio ins Wohnzimmer.
Dort kam Dennis auf uns zu und lotste mich sofort auf die Couch, sie legten Decken über mich und verschwanden dann mit besorgten Blicken in der Küche.
Die Tür war einen Spalt offen, aber ich konnte nichts
verstehen, da sie zu leise sprachen.
Nach ein paar Minuten kamen sie mit Tee zurück.
Dennis setzte sich neben mich und betete meinen Kopf
auf seinem Schoß.
Ich zitterte immer noch.
Er redete beruhigend auf mich ein, doch es hörte nicht auf.
„Ganz ruhig Selina, entspann dich, dir wird nichts passieren.“
Nein mir nicht, aber wie ging es Daniel?
Wenn sie ihn wirklich operieren mussten?
Ich hatte die Wunde nicht gesehen, aber er hatte schwer geatmet.
Meine Gedanken rasten und ich fuhr zusammen als mein Handy klingelte.
Fabio zog es aus seiner Tasche, wahrscheinlich hatte ich es vorher fallen lassen.
„Mel.“ Meinte er und hielt es mir hin.
Ich richtete mich langsam auf und nahm es dann.
Schnell schickte ich ihr eine SMS, dass es mir nicht gut ging und ich nach Hause gegangen war.
So war sie beruhigt und konnte weiter feiern.
Wir saßen im stillen Wohnzimmer und warteten, auch wenn ich müde war, ich konnte nicht schlafen, solange ich nicht wusste, dass es Daniel gut ging.
Irgendwann dämmerte ich in Dennis Schoß vor mich hin, als Stimmen mich wieder aufschreckten.
Jaden und Leon traten ins Wohnzimmer.
Ich richtete mich auf und sah sie gespannt an.
„Und?“ fragte auch Fabio drängend.
Jaden zuckte die Schultern und ließ sich auf das Sofa fallen.
„Er schläft, Tuck hat ihn zusammengeflickt, in ein paar Tagen ist er wieder der Alte.“
Erleichtert atmete ich aus.
Es ging ihm gut. Er war ok.
Müde ließ ich mich zurückfallen und lauschte ihren leisen Gesprächen bis ich irgendwann einschlief.
Kurz wachte ich noch auf, als Fabio mich in Daniels Zimmer trug, dann war ich wieder weg, als sich ein Arm um mich legte.
Der Tag hatte eh schon scheiße angefangen, ein paar Jungs hatten mal wieder nicht rechtzeitig bezahlt und wir mussten die Sachen selbst eintreiben.
Auf die Party hatte ich sowieso keine Lust aber Fabio wollte ja unbedingt dorthin.
Als er dann Selina entdeckte, war mein Plan einfach wieder zu verschwinden auch abgeblasen.
Somit holte ich mir einen Drink und beobachtete sie, wie
sie mit ihren Freunden trank und feierte.
Sie spielte Beer Pong gegen diesen Michael und verlor haushoch.
Ich hatte vorgehabt sie für diesen Abend in Ruhe zu lassen, sie hatte durch mich schon genug Stress, doch als dieser Lukas meinem Mädchen zu nahekam, war es vorbei mit meiner Selbstbeherrschung.
Der kleine Mistkerl sollte sich bloß von ihr fernhalten!
Die Wut strömte durch mich, als er so respektlos mit ihr
redete.
Wie konnte er es wagen!?
Niemals würde er mein Mädchen ficken, was glaubte er denn?
Als er dann auch noch den Fall mit Leila anschnitt, stand ich kurz davor ihn umzubringen.
In meinem Kopf formten sich schon die Arten, auf die ich ihn möglichst lange leiden lassen konnte, da trat Selina einen Schritt zurück und an meine Brust.
Von ihm weg.
Sofort zog ich sie noch näher an mich und atmete tief durch.
Ihre Anwesenheit beruhigte mich.
Ich wollte sie nach Hause zu bringen, damit sie von all
diesen Leuten weg war.
Ich musste mit ihr reden, da ich wusste, dass dieses Gespräch weitere Fragen aufwarf, die ich ihr niemals beantworten wollte und doch musste.
Dann war Dimitri auch noch mit seinen Jungs
aufgetaucht.
Wochenlang hatten wir nach ihm gesucht und nun tauchte er einfach so auf.
Also musste ich das auch noch klären und Fabio war nirgendwo zu sehen.
Das war mal wieder typisch, wenn man ihn brauchte, war er unauffindbar. Beschissener Wichser.
Mir blieb nichts Anderes übrig, als Selina an der Bar zu lassen und zu hoffen, dass sich keiner traute ihr zu nahe zu kommen.
Ich hatte ein schlechtes Gefühl dabei, sie allein zu lassen, doch sie mit zu nehmen kam nicht in Frage, am Ende wurde sie noch wegen mir verletzt.
Dimitri war ein Scheiß Kerl, er hatte Schulden bei fast jedem in der Stadt, konnte sie aber immer nur auf den letzten Drücker bezahlen.
Dann war er abgetaucht, für fast vier Monate war er unauffindbar.
Nicht mal mein Team in Chicago hatte eine Spur gefunden.
Und da stand er vor mir. Dreckig grinsend.
„De Lucia, schön dich zu sehen, war das an der Bar deine Schnecke? Heißes Ding, leihst du sie mir mal aus?“
Er zwinkerte und grinste mich an.
Ich ging nicht darauf ein.
Man sah seine Zähne, wo schon ein paar fehlten.
Insgesamt sah er scheiße aus.
Aber dieser heruntergekommene Gangsterlook stand ihm, so war er, das war schon immer seine Herkunft gewesen.
Er hasste mich und ich ihn.
So war es schon als wir uns kennengelernt hatten.
„Was willst du Dimitri?“ fragte ich ruhig.
Doch unter der Oberfläche brodelte es.
Er sollte endlich zur Sache kommen, damit ich Selina nach Hause bringen konnte.
Ich wollte sie wieder bei mir haben, wenn sie nicht da war, wurde ich nervös, je länger desto schlimmer.
„Ich bin hier für einen Job.“, meinte er gespielt nachdenklich.
Bitter lachte ich auf.
„Ich weiß nicht was sich lächerlicher anhört, dass du einen Job hast, oder du ihn auf einer High-School Hausparty ausführen musst.“
Er war ein Stück kleiner als ich und musste somit Aufsehen, als er näher an mich ran trat.
„Ich würde an deiner Stelle nicht so große Töne spucken De Lucia, ich traue mich wetten, dass du nicht weißt in welcher Lage zu dich befindest.“
Er grinste schon wieder so dreckig.
„Klär mich doch auf.“
Ich hatte keine Ahnung was er für einen Müll redete, aber es ging gewaltig auf den Sack.
Ich hatte Wichtigeres zu tun als mich hier draußen mit
ihm zu streiten.
„Na schön ich werde es dir erklären. Ich habe etwas von einer Belohnung auf deinen Kopf gehört, mein Freund. 2 Millionen Dollar.“
Ich grinste.
Mir war bekannt, dass man auf meinen Tod wettete.
Doch eine wirklich seriöse Drohung hatte ich nie bekommen, dafür hatten die meisten dann doch nicht den Arsch in der Hose.
„Und du willst dir das Geld holen?“
Er grinste mich ebenfalls an.
„Auf jeden Fall. Wir können das hier und jetzt beenden.“
Er zog seine Waffe hervor und richtete sie immer noch grinsend auf mich.
Ruhig blieb ich stehen und bewegte mich nicht.
Diese Situation hatte ich schon oft durchlebt, auch wenn ich dann nie allein war und einen Plan B hatte, der in diesem Fall leider nicht existierte, blieb ich völlig entspannt.
Dimitri kam auf mich zu und blieb dann vor mir stehen.
„Aber das wäre viel zu einfach, ich bring dich nicht um, erst werde ich mir deine Schlampe holen, dann habe ich vorher noch guten Sex und lass dich dann erledigen.“
Er grinste, während mir das Blut in den Venen gefror.
Er wollte Selina. Mein Mädchen.
Bevor ich meine Gedanken ordnen konnte, hörte ich
einen lauten Schuss und spürte kurz darauf den Schmerz
der sich durch meine Seite bohrte.
Ich sank zu Boden und drückte schnell meine Hand auf die stark blutende Wunde.
Tolle Stelle hatte er getroffen. Verdammte Scheiße.
Dimitri stand noch ein paar Sekunden grinsend vor mir,
„So kommst du mir zumindest nicht so schnell in die Quere. Sieh es als Warnung.“
Dann verschwand er mit seinen Kumpels in der Dunkelheit.
Diese verfickte Missgeburt!
Ich versuchte aufzustehen, krümmte mich dann aber wieder stöhnend zusammen, als mich die Schmerzen durchzuckten.
Innerlich fluchte ich während ich die Zähne zusammenbiss und mich zur nächsten Wand schleppte,
wo ich erschöpft sitzen blieb.
Scheiße, ich musste zu Selina, was wenn er sie gerade holte?
Ich versuchte nochmal aufzustehen, aber es ging einfach nicht.
Frustriert blieb ich sitzen und konzentrierte mich auf meine Atmung.
Ich hatte schon schlimmere Verletzungen, aber er hatte eine Stelle getroffen, die sehr stark blutete.
Plötzlich hörte ich ein leises Geräusch.
War er zurückgekommen um mich doch umzubringen?
Unauffällig fuhr meine Hand zu meinem Rücken wo
meine Waffe steckte.
Ich hörte Schritte näherkommen.
„Daniel?“
Die Stimme ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.
Selina.
Er hatte sie nicht geholt, sie suchte nach mir.
Plötzlich war ich froh, dass sie nicht auf mich gehört hatte.
Ich atmete auf und stöhnte sofort wieder auf.
Die Schmerzen wurden schlimmer.
„Daniel?“
Sie hatte mich gehört.
„Seli!“
Es wurde wieder leise. Wo war sie hin?
Verdammte Scheiße, sie sollte zu mir kommen.
„Seli?“
Dann trat jemand in die Gasse und kam kurz darauf auf mich zu gelaufen, schon an den Umrissen und ihren Schritten wusste ich, dass es Selina war, spätestens als sie in ihrem kurzen Kleid vor mir stand erkannte ich sie.
Gott sie sah so gut aus darin, es war sehr kurz geschnitten und am liebsten hätte ich ihr gesagt, dass nur ich sie in solchen kurzen Klamotten sehen sollte. Doch ich verdrängte die Gedanken, als sie näherkam.
Vor mir ging sie in die Knie und sah mich geschockt an.
Klar, so etwas hatte sie noch nie gesehen, es zerstörte ihre kleine heile Welt.
Ich wollte nicht, dass sie noch mehr sehen musste, als
verdeckte ich die Wunde so gut es ging und versuchte sie dazu bewegen, Jason anzurufen.
Am liebsten hätte ich sie einfach in die Arme geschlossen und ihr gesagt, wie froh ich war, dass sie hier bei mir war, aber es ging jetzt nicht.
Letztendlich wählte sie die Nummer und ich redete kurz mit ihm.
So gut es ging ließ ich die Details raus, ich wollte nicht, dass mein Mädchen etwas davon hören musste.
Sie war schon blass genug und zitterte am ganzen Körper.
Dann vergingen die Minuten sehr langsam und es war still um uns herum.
Außer meinen kurzen Atemzügen war es leise.
„Da… Daniel?“
Ihre Stimme war dünn und gebrochen.
Schnell sah ich zu ihr auf.
Sie machte sie Sorgen um mich, das war nicht gut.
Es war nicht die Erste und es würde auch nicht die Letzte Verletzung bleiben.
Sie sollte sich keine Gedanken darübermachen.
Wir starrten uns noch einen Moment an, dann beugte sie sich zu mir und küsste mich einfach.
Ich hätte schwören können, die Schmerzen verschwanden.
Oder zumindest spürte ich sie nicht mehr.
Alles in mir konzentrierte sich auf ihre weichen Lippen,
die sich sanft an meine schmiegten.
Ich wollte sie gerade an mich ziehen, da ertönten Stimmen.
Natürlich mussten die Jungs uns stören.
Zum einen verfluchte ich sie, dass sie genau in diesem Moment kommen mussten, sodass Selina sich schnell zurückzog, zum anderen war ich froh, dass sie da waren, recht viel länger hätte ich die Schmerzen nicht ausgehalten.
Sie brachten uns zu den Autos, danach wurde alles schwarz.
Ich wachte in meinem Zimmer auf.
Die Jungs hatten mich wohl zusammengeflickt und hochgebracht.
Schnell sah ich mich um, wo war Selina?
Hatten sie sie nach Hause gebracht?
Hatten sie sie allein gelassen?
Ich hatte keine Zeit gehabt mit ihnen zu reden und ihnen zu sagen, dass die Kleine nun oberste Priorität hatte.
Niemand durfte sie bekommen und schon gar nicht Dimitri!
Ich musste sie beschützen!
Verdammt.
Die Verletzung konnte ich im Moment echt nicht gebrauchen.
Gerade wollte ich mich aufrichten, da ging die Tür auf
und Fabio kam mit ihr auf den Armen rein.
Ich kniff die Augen zusammen, auch wenn er mein Bruder war, störte es mich, dass er sie so anfasste.
Vor allem in ihrem kurzen Kleid.
Leise legte er sie neben mich, nickte mir kurz zu und verschwand dann wieder aus meinem Zimmer.
Vorsichtig rutschte ich an sie heran und nahm sie in den Arm, erst dann konnte ich erleichtert aufatmen und mich entspannen.
Sie war bei mir, sie war in Sicherheit, das war alles was ich wollte.
Selina seufzte leise und kuschelte sich an meine Seite, mein Herz zog sich zusammen und ich spürt einen Stich in der Magengegend.
Ich hatte nie solche Gefühle für jemanden entwickelt, hatte so etwas immer als Schwachstelle angesehen, denn das war sie.
Selina war meine Schwäche.
Ich wollte es nie so weit kommen lassen und mich von ihr fernhalten, doch sie hat sie in mein Herz geschlichen.
Es hatte nicht lange gedauert, dann hatte sie mich um den Finger gewickelt und ich konnte und wollte mich nicht mehr dagegen wehren.
Ich wachte von einer Berührung in meinen Haaren auf.
Nur langsam kam ich zu mir und schlug müde die Augen auf.
Neben mir lag Daniel, sein Gesicht zu mir gedrehte, sein Arm lag fest um meine Hüfte geschlungen.
Seine Augen scannten meinen ganzen Körper.
Er sah müde aus, aber besser als gestern.
Dann erst wurde mir klar, dass er hier war, offensichtlich
ging es ihm besser, wie war er hierhergekommen?
Meine Erleichterung überwältigte mich, so richtete ich mich auf und drückte meine Lippen auf seine.
Selbst wenn ich gewollte hätte, hätte ich mich nicht aufhalten können, meine Sorgen und Gedanken strömten über und ich konnte nicht anders als ihn zu küssen.
Er erwiderte den Kuss sofort, zog mich mit einem Arm noch enger an sich.
Natürlich übernahm er wie immer die Führung und ich folgte ihm ergeben.
Eine halbe Ewigkeit lag ich in seinem Arm und er ließ mich alles um mich herum vergessen.
Das verräterische Kribbeln in meinem Bauch erwachte auf Kommando, sobald er mich berührte hatte.
Der Kuss schien ewig zu dauern und doch vermisste ich das Gefühl, als er sich von mir löste und seine Stirn an meine legte.
Mit stockendem Atem starrten wir uns an.
„Hey, alles ok bei dir?“ fragte er leise.
Schnell nickte ich und ließ meinen Blick über ihn schweifen.
„Wie…“ weiter kam ich nicht.
Sein Daumen strich sanft über meine Wange.
„Es geht mir gut, ich habe schon Schlimmeres überstanden.“
Ein leichtes Grinsen war in seinen Mundwinkeln zu erahnen.
Eine Weile starrten wir uns noch an, bevor er sich von mir löste und sich langsam aufsetzte.
Anscheinend hatte er etwas gehört, kurz darauf klopfte es an der Tür.
Ich blieb einfach liegen und sah zu ihm, aus Angst er würde sich gleich vor Schmerzen wieder krümmen.
Daniel zog die Decke bis zu meiner Schulter hoch und antwortete dann.
Sein Blick hing in meinem, als die Tür geöffnet wurde und jemand hereintrat, ich wusste nicht wer, ich wollte mich nicht umdrehen.
Dann trat jemand an Daniels Seite und dieser sah auf.
Kurz sprachen sie leise, doch ich hörte nicht zu.
Meine Gedanken rasten wie und meine Aufmerksamkeit, lag bei Daniels Hand, die meine festhielt und kleine Kreise auf meinem Handrücken malte.
Kurz darauf verschwand der andere wieder und Daniels Blick fing meinen auf.
„Jason meint, Mel ruft ständig auf deinem Handy an, du solltest mit ihr reden, sie macht sich bestimmt Sorgen.“
Kurz zuckte ich bei ihrem Namen zusammen, ich hatte sie ganz vergessen.
Ich war wohl die schlechteste beste Freundin der Welt.
Wie im Trance nickte ich und stand auf.
Ich schlüpfte in einen Pulli von Daniel, den ich auf der Couch fand.
Er roch so verdammt gut nach ihm, dass ich es genießerisch einzog.
Als ich wieder aus dem Bad kam waren seine Augen geschlossen, sein Kopf lehnte an die Wand hinter ihm.
Irgendwie sah er süß aus, wenn er schlief.
Kurz verharrte ich dort und beobachtete ihn beim Schlafen, dann verließ ich leise das Zimmer.
Schnell holte ich mein Handy aus dem Wohnzimmer und setzte mich dann auf die Terrasse um Mel anzurufen.
Aus den letzten Lebensmitteln im Haus zauberte ich etwas Essbares und nahm einen Teller für Daniel mit nach oben.
Leise trat ich ins Zimmer, was immer noch abgedunkelt war, ich wusste wo ich hintreten konnte, in den letzten Wochen war ich oft genug hier gewesen, um den Raum fast blind zu kennen.
Daniel schlief noch, also stellte ich den Teller auf den
Tisch und setzte mich zu ihm aufs Bett.
Eine Weile sah ich ihn nur an und dachte über die Geschehnisse der letzten Woche nach.
„Ich kann die Räder in deinem Kopf arbeiten hören, worüber denkst du nach Prinzessin?“ seine Stimme war heiser und kratzig.
Kurz erschrak ich, ich hatte nicht mitbekommen, dass er aufgewacht war.
Ich schüttelte den Kopf und sah weg.
„Ich habe dir was zu essen mitgebracht, ich dachte du hast vielleicht Hunger.“
Er setzte sich langsam auf.
Schnell stand ich auf und reichte ihm den Teller rüber.
Schweigend fing er an zu essen.
Ich blieb am Bettpfosten stehen und sah zu ihm runter.
Immer wieder sah er zu mir auf, während ich ihn weiter beobachtete.
„Was ist?“ fragte er schließlich.
„Ich werde jetzt besser nach Hause gehen, du musst dich ausruhen.“ Antwortete ich schnell.
Es war das einfachste was mir eingefallen war, ich musste so schnell wie möglich auf Abstand gehen und nachdenken, die Situation hatte sich so schnell verändert, dass ich gar nicht wusste was meine erste vernünftige Reaktion sein sollte.
Sein Blick wurde misstrauisch und er musterte mich eine Weile und erhob sich.
„Nein, beweg dich nicht, du…“, versuchte ich ihn davon abzuhalten.
Doch dann stand er schon vor mir.
Er beugte sich zu mir herunter, sodass ich seinen Atem auf meinem Gesicht spüren konnte.
„Du sagst ich soll mich nicht bewegen und erwartest, dass ich auf dich höre, nachdem du mich einfach ignoriert hast?“
„Ich hatte es gehofft.“, meinte ich leise.
Ich konnte in seinen Mundwinkeln wieder ein Grinsen erkennen.
„Willst du darüber reden was du heute Nacht gesehen hast, … was passiert ist?“ Ich zögerte und starrte auf meine Finger, bis er sie in seine nahm und mich zwang in seine Augen zu sehen.
„Du musst auch nicht mit mir reden, vielleicht kann Fabio oder Dennis dir helfen, ich weiß ja auch nicht… es tut mir leid, dass du das sehen musstest.“
Hilflos zuckte er mit den Schultern, sein Blick war flehend.
Ich wusste, er versuchte mir zu helfen, aber ich wusste selbst nicht was mir helfen würde das Chaos in meinem Kopf zu lichten.
Zweifellos meine beste Freundin, aber die schied aus den offensichtlichen Gründen aus.
Eine Weile hielt ich tapfer seinem flehenden Blick stand, bis die Tränen über meine Wangen liefen.
Er seufzte und zog mich an seine Brust.
Er ließ mich weinen.
Sagte nichts, ließ es über sich ergehen und hielt mich fest.
Daniel zog mich zum Bett zurück und platzierte mich wieder halb auf seiner Brust, wo ich weiter weinte, bis ich selbst dazu keine Kraft mehr hatte und schließlich erschöpft einschlief.
Ich schreckte mitten in der Nacht auf und sah mich panisch um. Mein Atem kam stockend und ich spürte Panik in mir aufsteigen, als ich im ersten Moment nicht wusste wo ich mich befand.
Dann nahm jemand meine Hand und eine Stimme ertönte.
„Hey… ganz ruhig, ich bin hier, du hattest nur einen Albtraum. Baby beruhige dich.“
Daniel strich mir die Haare aus dem Gesicht und sah mich besorgt an. Er hauchte mir einen Kuss auf die Schläfe, als mein Atem wieder regelmäßiger kam.
„Ich will, dass du hierbleibst. Nicht nur heute, sondern immer. Ich kann dich hier besser beschützen.“
Mein Herz schlug schneller.
Er wollte das ich hier blieb? Zu gerne würde ich einfach bei ihm bleiben und alles andere vergessen, aber so verlief die Realität nun mal nicht.
„Ich kann nicht, du weißt…“
„Ja ich weiß, wegen Ben, aber da ist noch mehr. Seli du verheimlichst mir etwas, ich weiß es, du hast nämlich
echt kein Pokerface.“
Ich musste sein Gesicht nicht sehen, um zu wissen, dass er ein Grinsen auf den Lippen trug.
Ich schüttelte nur den Kopf.
In meinen Hals bildete sich ein Kloß, ich wollte ihn nicht anlügen.
Aber es ging nicht anders.
Ich musste es tun, für Ben.
Also erwiderte ich nichts. Er wusste, dass ich es ihm nicht sagen konnte, sonst hätte ich es wohl längst getan.
Daniel bohrte nicht weiter und ließ mich wieder schlafen. Er hatte wahrscheinlich erkannt, dass es keinen Sinn hatte weiter zu fragen.
Als ich wieder aufwachte, lag ich immer noch in seinen Armen und Daniel strich mit seiner Hand unter meinem, seinem Pulli auf und ab.
Ein wohliger Schauer durchfuhr mich.
Langsam sah ich zu ihm auf.
Sein Blick war sanft, aber er beobachtete jede meiner Bewegungen aufmerksam.
„Guten Morgen Prinzessin.“ Ich lächelte.
Ich mochte es, wenn er mich so nannte.
Eigentlich war es gar nicht so übel.
„Guten Morgen.“
Keiner sagte noch etwas zu den Vorfällen oder unserem Gespräch letzte Nacht. Auch dafür war ich ihm sehr
dankbar.
Wir sahen uns an, bis das Klingeln seines Handys die Stille störte.
Einen Moment ignoriert er es einfach, doch dann richtete er sich auf und nahm es vom Nachttisch.
Während er aufstand ging er ran.
Er trug nur Boxershorts und an der linken Seite hatte er ein großes Pflaster kleben, es allein zeugte von dem Vorfall von Freitagabend.
Ich hatte nicht mitbekommen worum es in dem Gespräch ging, ich beobachtete jede seiner flüssigen Bewegungen.
Ich konnte meinen Blick einfach nicht von ihm losreisen.
Innerlich verfluchte ich mich dafür, denn er wusste es ganz genau, als er sich grinsend zu mir umdrehte.
Immer noch grinsend kam er auf mich zu und setzte sich neben mich aufs Bett.
Wieso hatte ich nicht mitbekommen, dass sie aufgelegt
hatten?
War ich so abwesend gewesen?
Da hatte ich ihm wieder Ansporn für sein Ego gegeben.
Ich wollte mich gerade aufsetzten und was sagen, da drückte er mich zurück in die Kissen und beugte sich über mich.
„Schon ok Baby, ich weiß das du mich gerne anstarrst.“
Prompt wurde ich rot und drehte meinen Kopf schnell zur Seite.
Dieser Idiot, mein Herzschlag überschlug sich fast und es fiel mir schwer zu atmen.
Ich spürte ihn lachen, als er mein Gesicht wieder zu sich drehte, dann spürte ich seine Lippen auf meiner Wange, er zog sie zu meinem Kiefer und wieder hoch.
„Weißt du eigentlich wie heiß du in diesem Kleid ausgesehen hast? Ich konnte es fast keinem Kerl verübeln, der dich angestarrt hat. Heißt aber nicht, dass ich das besonders toll fand.“
Ich starrte in seine Augen, sie sahen wütend aus.
Verdammt, dieser Kerl brachte mich irgendwann noch um den Verstand!
Was sollte denn das jetzt wieder heißen?
Fordernd legten sich seine Lippen auf meine.
Am liebsten hätte ich aufgestöhnt, diese Gefühle, die er in mir auslöste, waren auf gar keinen Fall normal.
Wie konnte er mich so fesseln, wenn er mich nur ansah oder sanft küsste.
Mein Herz spielte verrückt und langsam wurde es heiß in seinem Schlafzimmer.
Unser Atem ging stockend, als er mich näher an sich zog und über mir aufragte.
Seine Augen blitzten und starrten mich hungrig an.
Ohne Zweifel wäre er in der nächsten Sekunde über mich hergefallen, wenn es nicht an der Tür geklopft hätte.
Damit war die es dahin und Daniel ließ frustrierend
stöhnend von mir ab, aber nicht bevor er mir noch einen Kuss auf die Schläfe drückte.
Ich hatte Spiegeleier gemacht, die die Jungs verschlangen, als würden sie die nächsten drei Monate nichts mehr zu essen bekommen.
Teils fasziniert, teils belustigt sah ich ihnen dabei zu, während ich meinen Kaffee trank.
„Was machen wir heute?“ fragte Dennis mit
leuchtenden Augen, die mir den Verdacht entlockten, dass er schon eine Idee hatte.
„Du weißt was wir machen.“, meinte Jason mit einem Unterton.
Stirnrunzelnd sah ich zu den Beiden auf, doch keiner beachtete mich, sie saßen immer noch über ihren Tellern.
Also sah ich zu Daniel.
Sein Blick lag nachdenklich auf mir und schüttelte nur kaum merklich den Kopf, als er meinen fragenden Blick
sah.
Diese Reaktion hatte ich erwartete, trotzdem war ich nicht begeistert davon.
„Können wir nicht mal was Normales machen? Ins Kino gehen oder zum Bowlen?“
Alle hörten auf zu essen und sahen entgeistert zu Dennis hoch, während ich mir ein Grinsen verkneifen musste.
Die Jungs beim Bowling hätte ich gerne mal gesehen.
„Was willst du heute machen Selina?“ nun wandte sich Dennis an mich und auch alle anderen Blicke lagen auf mir.
„Ich muss noch einkaufen und dann nach Hause zu Ben.“
Ich grinste entschuldigend als Dennis enttäuscht den Kopf schüttelte.
Wahrscheinlich hatte er sich etwas mehr Unterstützung gewünscht.
Daniel fuhr zum Supermarkt und ich kaufte Lebensmittel für die ganze Woche, ein bisschen Bier für meinen Vater.
Es würde nicht mal annähernd für die ganze Woche reichen aber, wenn ich alles gekauft hätte, hätte Daniel wahrscheinlich Fragen gestellt.
Er parkte vor unserem Haus und half mir die Tüten reinzubringen, zu meiner Erleichterung war keiner da und die Tür zum Wohnzimmer schloss ich auch sofort, damit er nichts davon sah.
„Danke.“, sagte ich als wir die letzten Tüten in der Küche abstellten.
Er lehnte sich dann an die Theke und musterte mich.
„Was?“ fragte ich.
Mir war es nicht recht, dass er so lang hier war, mein Vater könnte jede Minute nach Hause kommen und dann würde Daniel sofort wissen, woher die Verletzungen kamen.
„Nichts, ich mag es dich in meinen Klamotten zu sehen.“
Aus der Not heraus trug ich mein Kleid von Freitag und einen seiner Pullover darüber, da dieser tatsächlich länger war als das Kleid.
Er grinste mich an und kam langsam auf mich zu.
Je mehr der Abstand sich zwischen uns verringerte, desto nervöser wurde ich.
Dann fand ich mich mit dem Rücken zur Wand wieder, er hatte mich gefangen, denn seine Arme stützten sich rechts und links neben meinem Kopf an der Wand ab.
Ich konnte seinen Atem auf meinem Gesicht spüren und sah zu ihm auf.
Er sagte nichts, sah mich weiter nur an.
Seine dunklen Augen fixierten mich.
„Ich bin für ein paar Tage weg. Wir müssen etwas Wichtiges erledigen. Dennis und Fabio werden auf dich aufpassen, wenn was ist kannst du sie immer anrufen ok?“
Etwas überrumpelt nickte ich.
„Wo… wohin gehst du?“
Seine Hand strich mir sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Chicago, wenn alles wie geplant läuft bin ich in ein paar Tagen wieder da. Schaffst du es in dieser Zeit, keine Dummheiten zu machen und dich nicht verletzten zu lassen?“
Sein Blick bohrte sich in meinen.
Schnell nickte ich wieder schweigend.
„Gut, ich könnte es mir nämlich nicht verzeihen, wenn dir etwas passiert.“
Während er das sagte strichen seine Lippen über meine. Als er fertig war, küsste er mich.
Sofort erwiderte ich den Kuss und er wurde wieder leidenschaftlicher.
Mit einem Ruck hob er mich hoch, automatisch schlang ich meine Beine um seine Hüfte.
Im nächsten Moment spürte ich unter mir die Küchentheke.
Eine Weile küssten wir uns, seine Hände verschwanden unter meinem Pulli und streichelte mich an den Seiten, dann lösten wir uns schwer atmend.
Wieder sah er mich so an, mit einer Spur Verzweiflung darin.
„Pass auf dich auf Prinzessin.“
Er strich mir mit dem Daumen über die Wange, dann verschwand er aus der Küche.
Er würde in den nächsten Tagen nicht da sein, er hatte nicht gesagt wann er wiederkommen würde und nur grob wo er hinging.
Diese ständige Paranoia und diese Geheimnisse gingen mir gehörig auf die Nerven.
Außerdem fragte ich mich, ob er diesen „Ausflug“ schon länger geplant hatte, in den letzten beiden Tagen hatte er fast keine Zeit gehabt, das hätte ich mitbekommen, schließlich waren wir die meiste Zeit zusammen.
Als ich das Verstummen seines Motors wahrnahm, fuhr
ich aus meinen Gedanken hoch und spürte etwas Feuchtes an meiner Wange.
Schnell strich ich darüber, tatsächlich, ich weinte.
Ich weinte tatsächlich, weil er gegangen war, ich sollte mich zusammenreißen, immerhin würde er ja in ein paar Tagen wiederkommen!
Würde er?
„Pass auf dich auf Prinzessin“ ist nicht gerade das „bis in ein paar Tagen“.
Je mehr ich darüber nachdachte, desto nervöser wurde, deswegen schob ich die Gedanken weg und konzentrierte mich auf das Auspacken der Einkäufe.
Es sind nur ein paar Tage, vielleicht konnte ich wieder etwas mit Michael und Mel unternehmen, sagte ich mir als ich abends im Bett lag.
Ein bisschen zur Normalität übergehen.
Zu der Normalität vor Daniel.
Aber wollte ich das wirklich?
Fabio hatte die beste Laune und grinste, als er mich vorm Kindergarten abholt, zu dem ich Ben gerade gebracht hatte.
„Guten Morgen, wie geht’s dir, gut geschlafen?“
Ich lächelte kurz und nickte.
Zweifelnd sah er nochmal zu mir runter, sagte dann aber nichts und fädelte sich in den Verkehr ein.
Er fuhr nicht ganz so schlimm wie Daniel, ignorierte jedoch alle Geschwindigkeitsbegrenzungen gekonnt.
In Rekordzeit waren wir an der Schule angekommen und stiegen aus.
„Also meine Liebe, ich werde in der Nähe bleiben und hol dich später wieder ab. Wenn was ist, kannst du mich immer erreichen, ich bin übrigens Kurzwahl Taste zwei.“ Er grinste triumphierend.
Da hatte sich wohl mal wieder jemand an meinem Handy zu schaffen gemacht. Vielleicht sollte ich doch mal ein Passwort festlegen.
Wer wohl auf Taste eins zu erreichen war?
Fabio musterte das Schulgebäude hinter mir.
„Lange her, dass ich an einer Schule war.“
Er grinste geheimnisvoll.
„Hast du eigentlich einen Abschluss gemacht Fabio?“
Fragte ich neugierig.
Kurz lachte er auf.
„Nein, ich habe sie kurz vor dem Abschluss geschmissen, nachdem de Lucia und ich allein waren, ich hatte eine Weile einen Job in einer Werkstatt, aber sind wir umgezogen und haben uns ein eigenes Business aufgebaut.“
„Was meinst du nachdem ihr allein wart?“
Fabio verzog das Gesicht und sah in die Ferne.
„Nachdem meine Eltern tot waren. Das soll er dir selbst erzählen, aber er ist nicht sonderlich gut auf dieses Thema zu sprechen.“
Nachdenklich nickte ich.
„Warum ist Daniel noch auf der Schule?“ fragte ich weiter.
Vielleicht würde ich heute ein paar mehr Infos über Daniel und seine Vergangenheit bekommen.
„Er hat ein paar Jahre ausgesetzt, aber er wollte einen Abschluss machen, also hat er irgendeinen Deal mit dem Rektor ausgehandelt, keine Ahnung, die Einzelheiten weiß keiner von uns.“
Ich schnaubte. „Wenn man Daniel de Lucia heißt, kriegt man auch alles was man möchte.“
Fabio lachte und nickte.
„Wie seid ihr zu dieser Gruppe geworden, ihr seid alle so verschieden?“
Er grinste mich wissend an.
„Du versucht mich als Informationsquelle zu missbrauchen? Na schön mir soll‘s recht sein, ich erzähl dir was ich erzählen darf, den Rest musst du ihn fragen.“
Er zwinkerte mir zu und rutschte ein Stück an mich heran, damit er nicht so laut sprechen musste und der ganze Pausenhof es mitbekam.
„Jason kenn ich schon mein ganzes Leben, er hat früher nebenan gewohnt und ist Dans bester Freund geworden, als er zu uns kam.
Jaden hat Dan irgendwo bei einem Job kennengelernt und mitgebracht, er hatte anscheinend ein paar Probleme mit seinem ehemaligen Boss, also haben wir ihn aufgenommen.
Leon kam ungefähr vor eineinhalb Jahren zu uns, er war obdachlos, konnte mit Waffen umgehen, keine Ahnung wo Jason ihn gefunden hat, aber er ist ein brillanter Ingenieur.
Dennis Geschichte ist etwas komplizierter, ich weiß nur, dass er in einem Waisenhaus aufgewachsen war und von Familie zu Familie kam, bis er schließlich abgehauen ist. Er redet nicht gerne darüber.
Tuck ist ausgebildeter Militärarzt und stand ohne irgendetwas da, als er aus dem Einsatz in Afghanistan zurückkam.
Eines Abends stand er mit Dan vor der Tür und hat sich im Keller mit samt Arztpraxis eingerichtet, er spricht nicht viel, ist aber genial, wenn es um das zusammenflicken von allen möglichen Wunden geht, wie du selbst ja schon erfahren durftest. Apropos, wie geht’s dir eigentlich?“
Die ganze Zeit, als er von den Jungs erzählte stellte ich mir vor, wie Daniel sie aufgenommen hatte, nachdem sie vor dem Nichts standen.
Wieso hassten ihn so viele und erzählten diese furchtbaren Gerüchte? Keiner wusste auch nur annähernd wie er war.
Es mochte vielleicht stimmen, dass er manchmal
aufbrausend war, aber keiner wusste wie er so geworden war.
Ich auch nicht und das störte mich am meisten.
Ich wollte mehr über ihn und sein Leben wissen, nicht ständig vertröstet werden.
Außerdem sollten wir über unsere, was auch immer wir hatten, sprechen.
Er machte mit mir was er wollte, mal küsste er mich, dass einem schwindelig wird und manchmal ignorierte er mich vollkommen und redete nur das Nötigste.
„Ganz gut, ich will heute wieder mit dem Training anfangen.“
Er nickte nachdenklich.
„Du musst glaub ich los, sonst kommst du zu spät und das mögen die Lehrer nicht so gerne, soweit ich mich noch erinnern kann.“
Da grinsten wir beide und ich ging ins Schulgebäude.
Der Tag zog sich unendlich lang immer, wenn ich aus dem Fenster sah, überlegte ich, was Daniel wohl gerademachte.
Mel und Michael freuten sich, dass ich endlich wieder nur für die beiden da war und mich nicht ständig abgelenkt nach jemandem umdrehte.
Nach der letzten Stunde wartete Fabio auf dem Parkplatz auf mich und fing sogleich ein angeregtes Gespräch mit Mel an, sodass ich die beiden verpflichtete Ben abzuholen.
Ich konnte Fabio ansehen, dass er mich nicht gerne allein ließ, wahrscheinlich hatte er den ausdrücklichen Befehl bekommen, mich keine Sekunde aus den Augen zu lassen, aber das war mir egal, ich wollte eine Weile meine Ruhe haben und wieder tanzen.
Routinemäßig schaltete ich im Schul-Theater das Licht ein und steckte mein Handy an die Lautsprecher an, dann fing ich an mich warm zu machen und tanzte die ersten Takte mit.
Nach den ersten Liedern spürte ich keine Schmerzen mehr und tanzte weiter.
Dann hörte ich ein Applaus klatschen ganz hinter im Raum, nachdem ich mit dem letzten Lied geendet hatte.
Es wurde von den Wänden des Theaters sehr laut wiedergegeben.
Ich zuckte erschrocken zusammen und sah auf.
Hätte ich Fabio doch nicht weggeschickt, flüsterte eine Stimme in mir.
„Wow, vielleicht sollte ich wieder zur Schule gehen, wenn da draußen so viele Mädels rumlaufen, dann
bekommt nicht nur de Lucia sie alle ab.“
Nachdem ich kurz erschrocken war, entspannte ich mich wieder und atmete tief durch.
„Mensch Dennis, wenn du mich nochmal so erschreckst bekomm ich einen Herzinfarkt.“
Er lachte auf und kam aus dem Schatten langsam auf die Bühne zu.
„Du bist doch noch jung, so schnell bekommst du sowas nicht Schätzchen.“
Ich grinste zu ihm runter und packte meine Sachen zusammen.
„Seit ich euch kenne bin ich mir da nicht mehr so sicher.“
Wir grinsten uns an, dann führte er mich durch die dunklen Gänge der Schule, hinaus zu seinem Auto.
„Wir müssen noch schnell zu Mel meinen Bruder abholen, du kannst mich dort rauslassen.“, erklärte ich ihm.
„Aber auf gar keinen Fall, ich werde meinen Auftrag nicht einfach so vernachlässigen, wie mein guter Partner, wir holen deinen Bruder und dann bring ich dich nach Hause.“
Ich sah zu ihm rüber, doch sein Blick war auf die Straße gerichtet.
Ich überlegte wie jemand wie Dennis im Kinderheim
Aufwachsen konnte.
Er war immer so fröhlich und glücklich.
Ob er mir seine Geschichte wohl erzählen würde?
Bevor ich den Mut aufbringen konnte ihn zu fragen, kamen wir auch schon bei Mel an.
„Hallo Kleiner, ich bin Dennis, ein Freund deiner Schwester und du musst Ben sein.“, begrüßte er ihn lächelnd.
Mein Bruder nickte schnell und sah dann wieder in sein Buch.
„Bist du auf der gleichen Schule wie Sel?“ fragte Ben neugierig.
Dennis lächelte ihn durch den Spiegel an.
„Nein ich geh nicht mehr zur Schule, ich habe Selina nur abgeholt und bring euch nach Hause.“
„Ich geh auch bald in die Schule, nur noch ein bisschen bin ich im Kindergarten, dann kann ich auch in die Schule gehen.“, erklärte mein Bruder stolz.
Ich lächelte und schwieg.
Dennis und Fabio versuchten mich abzulenken sobald wir zusammen waren, trotzdem vermisste ich Daniel mit jedem Tag mehr, wenn ich gelangweilt aus dem Fenster starrte oder abends im Bett lag.
Wir verbrachten viel Zeit mit Mel und Michael, der am Anfang nicht sonderlich begeistert, doch langsam verstand auch er sich ganz gut mit den beiden.
Mittlerweile war eine Woche vorbei und Daniel war immer noch nicht da, ich wurde immer nervöser und fragte Dennis und Fabio ob sie etwas wussten, doch auch sie meinten, dass sie keinen Kontakt zu den anderen hatten und nicht wussten wann sie wiederkommen würden.
„Er hat gesagt ein paar Tage, es ist mittlerweile über eine Woche, was ist, wenn ihm was passiert ist, was…“
„Selina jetzt beruhige dich mal ok, es ist de Lucia, ihm passiert nichts, außerdem hat er die Jungs dabei.
Vielleicht dauert dieser Auftrag einfach ein bisschen länger mach dir keine Sorgen.“
„Wie könnt ihr nur so ruhig bleiben?“
Ich vergrub das Gesicht in den Händen.
„Wir machen uns auch Sorgen, aber mit den Jahren lernt man, ruhiger zu werden und zu warten, weil niemand sagen kann wie lange die Aufträge dauern und wann sie zurückkommen, deswegen hat er dir auch nicht genau gesagt wann er wiederkommt, damit du ihn nicht erwartest, wenn es länger dauert.“
Fabios Stimme war mitfühlend, doch es beruhigte mich nur ein bisschen.
„Du solltest jetzt schlafen, morgen ist wieder Schule und heute war es anstrengend für dich.“
Ich seufzte und verabschiedete mich von den beiden.
Dennis hatte mich am späten Nachmittag zum Training begleitet, während Fabio mit Ben bei ihnen zuhause war.
Am Wochenende fuhren Dennis, Fabio, Ben und ich in den Zoo der nächsten Stadt.
Mein Bruder war den ganzen Tag schon total aufgeregt, und begeistert von den vielen Tieren.
Wir besuchten eins nach dem anderen, erst die Pinguine, die Vögel, Löwen, Delphine, alle waren hier vertreten.
Die Leute sahen uns fragend an, als Dennis der Bedienung im Restaurant erklärte, dass Ben mein Sohn
wäre wir aber nicht wüssten wer der Vater ist.
Als die beiden uns Zuhause ablieferten, sahen wir schon die Lichter brennen, Vater war also zuhause.
Ich presste die Lippen aufeinander.
Ich musste die Audition nächste Woche unbedingt machen.
„Sel, bist du ok?“ Dennis sah mich misstrauisch an.
Schnell zwang ich mich zu einem Lächeln und nickte.
Dann stiegen wir aus und ich nahm Ben an der Hand.
„Gute Nacht Jungs.“
Sie winkten uns lächelnd zu.
Wir wurden gerade fertig, als es an der Tür klingelte.
„Ich geh schon.“, rief Ben und lief los.
Ich konnte ihn nicht mehr abhalten, also folgte ich ihm schnell.
Dennis stand draußen und ging in die Hocke um Ben zu begrüßen.
„Hey Großer, na wie geht’s dir, alles klar.?“
„Denniiiis.“
Ben freute sich riesig ihn zu sehen, Dennis war ihm ans Herz gewachsen.
Mein Bruder vertraute und liebte so schnell, hoffentlich wurde ihm das niemals zum Verhängnis.
Lächelnd ging ich in die Küche zurück und ließ die beiden erst mal allein.
Ich machte Kaffee für Dennis und räumte noch auf.
Wir unterhielten uns sehr gut, doch dann passierte, was ich immer vermeiden wollte.
Mein Vater wachte von den vielen Stimmen und Bens Lachen auf und kam die Treppe runter geschlurft.
Ich konnte sehen wie Ben sofort verstummt und hart schluckte.
Auch mein Herz schlug schneller, doch ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen.
„Hey Dad.“, begrüßte ich ihn mit einem Lächeln, als er in die Küche trat.
Doch er beachtete mich gar nicht, sein Blick lag auf Dennis und durchbohrte ihn förmlich.
Ihn jedoch schien es gar nicht zu stören er nahm grinsend noch einen Schluck Kaffee und stand dann auf um ihm die Hand zu reichen.
„Hallo Mr. Alliston, ich bin Dennis Lancaster ein Freund aus der Schule, tut mir leid, wenn wir sie geweckt haben.“
Mein Bruder und ich schwiegen beide und sahen gebannt zu Dad.
Ich fand es traurig wie ängstlich Ben zu ihm aufsah, er hatte sich an Dennis gekuschelt, als würde er bei ihm Schutz suchen.
Hoffentlich bemerkten weder Dad noch Dennis das.
Mein Vater nickte nur nahm die Tasse, die ich ihm hinhielt und ging ohne ein weiteres Wort oder einen Blick auf uns ins Wohnzimmer.
Er war ruhig und ich wusste nicht was ich davon halten sollte, war er vielleicht nüchtern?
Es kam nicht oft vor und wenn dann dauerte, dieser Zustand nur eine kurze Zeit an.
Er hatte es die Treppen rauf ins Schlafzimmer geschafft, auch das war selten.
„Netter Mann.“ Meinte Dennis lächelnd und setzte sich wieder.
Ich lächelte schnell und wand mich dann ab.
„Wir sind gleich soweit, ich hol schnell unsere Sachen.“
Ich trat gerade wieder hinunter in den Flur, als ich hörte was sie besprachen.
„… manchmal tut er Sel weh…“ meinte Ben leise.
Mein Blut gefror in den Adern.
Er hatte es Dennis erzählt, wenn er es wusste, würde er es Daniel erzählen und der würde nicht lange stillsitzen.
Am Ende stand dann das Jugendamt vor der Tür, oder schlimmer.
Schreckliche Bilder huschten durch meinen Kopf und ließen mich erstarren.
Aber was mich noch mehr erschrecken ließ war, dass Ben wusste, dass Dad mich schlug, ich hatte ihm nie etwas gesagt, Geschichten erfunden und sonst ich auch alles dafür getan, dass er nichts davon mitbekam.
„Wie meinst du das er tut ihr weh?“ fragte Dennis leise.
„… er abends sauer ist, schreit er sie an und ich kann Sel weinen hören in ihrem Bett, ich versuch sie dann zu
trösten…“
Im selben Moment knackste das Holz der Diele und ich trat in die Tür.
Ben sah erschrocken zu mir hoch als hätte er etwas verbrochen, während Dennis mich nur wissend ansah.
Das würde später noch ein Gespräch geben, für den Moment, tat ich so als wüsste ich nicht wovon sie geredet haben.
„Können wir los, es wird Zeit und du willst doch nicht zu spät kommen.“
Mein Bruder sprang schnell auf und zog sich seine Jacke und die Schuhe an.
Dennis und ich starrten uns noch einen Moment an, dann folgte ich meinem Bruder.
Schweigend gingen wir zum Auto und brachten Ben zum Kindergarten.
Ich ging mit ihm rein, während Dennis am Auto wartete.
Als ich zurück kam lehnte er mit verschränkten Armen und verschlossener Miene dort.
Mein Plan war es einfach um ihn rumzugehen und einzusteigen, doch er hielt mich am Arm zurück.
„Schlägt er dich? Dein Vater, hast du von ihm die Verletzungen, ist es das was du de Lucia nicht sagst?“
Ich schluckte.
Verdammt, genau deswegen wollte ich nicht, dass es irgendjemand wusste, sie würden Fragen stellen.
„Selina du kannst mit mir reden, ich habe dasselbe durchgemacht, glaubst du ich würde dich verraten? Ich sag zu keinem ein Wort, wenn du das nicht willst, aber bitte sag mir ob ich Recht habe oder nicht.“
Ich starrte immer noch auf die Straße vor meinen Füßen.
„Ja.“ Presste ich leise hervor.
Dennis nickte.
„Wie lange schon?“ Ich drehte mich zu ihm um.
Sein Blick war verständnisvoll.
Hatte man ihn auch geschlagen im Heim, in einer der Pflegefamilien?
„Zwei Jahre. Aber ich will nicht das jemand davon erfährt, dann nehmen sie mir Ben weg.“
Er nickte und nahm mich in den Arm.
Sofort kamen die Tränen und liefen mir über die Wangen, als ich mein Gesicht an seiner Brust vergrub.
„Ich verstehe dich, aber warum hast du de Lucia nichts gesagt? Du kannst uns vertrauen Sel, wir sind für dich da.“
„Du darfst ihm nichts davon sagen.“, entgegnete ich panisch und sah ihn mit großen Augen an.
„Warum willst du nicht, dass er es erfährt? Irgendwann wirst du es ihm sagen müssen, du kannst es nicht ewig verstecken.“
„Ich will nicht sein Wohltätigkeitsprojekt sein, er muss auf mich aufpassen das reicht schon.
Es bringt mir nichts, wenn ich es ihm erzähle. Keiner kann etwas daran ändern.“
Damit löste ich mich von ihm und stieg in das Auto.
Er folgte mir kurz darauf und fuhr schweigend in Richtung Schule.
Sie hatte ja keine Ahnung wie falsch sie das lag.
Als würde de Lucia sie je wieder gehen lassen, er versuchte es vor uns zu verbergen, doch es gelang ihm nicht besonders gut.
Sobald Selina im Raum war, hatte er nur noch Augen und Ohren für sie.
Wenn irgendjemand auch nur irgendetwas annähernd gegen sie sagte, selbst wenn es nur ein Witz war, wurde er sauer.
Er mochte es vielleicht selbst noch nicht wissen, aber er stand eindeutig auf sie und er würde sie nie wieder gehen lassen, wenn ihm das endlich klar wurde.
Der Gute war nun mal ein Sturkopf und brauchte manchmal etwas länger.
Hoffentlich war es dann nicht zu spät, denn was ich von Ben erfahren hatte, war schockierend.
Niemals hatte ich so etwas erwartet.
Klar hatten wir uns Gedanken gemacht, woher sie die Verletzungen hatte, aber daran hatten wir nicht gedacht.
Eigentlich war es offensichtlich gewesen.
Leider wusste ich nur zu gut, wie sie sich gerade fühlte.
„Du bist ein Nichtsnutz, wir haben dich nicht zu uns geholt, damit du nur schlechte Noten herbringst und nichts aus dir machst, wir haben dir ein zuhause gegeben und so dankst du es uns?
Wie kannst du nur so egoistisch sein!“
Ein Schlag, noch einer und noch einer.
Bis ich mich nicht mehr wehrte und bewegte, beim ersten Mal hatte ich noch geschrien, irgendwann hatte ich aufgehörte, ich konnte mich nie wehren.
Er hatte immer weiter auf mich eingeschlagen.
Doch mit jedem Mal wuchs mein Hass auf diese Familie.
Es war meine dritte.
Am Anfang war alles perfekt, ich fühlte mich geliebt, auch wenn ich ziemlich still war.
Doch dann verändert sich alles, als Magda schwanger wurde und ich nur noch als Ersatzkind da war.
Unauffällig sah ich zu Selina rüber.
Sie starrte auf der anderen Seite aus dem Fenster, sagte nichts mehr.
Ich fragte mich, wie sie das aushielt.
Bei mir war es nur mein Pflegevater, aber hier war es ihr eigener Vater.
Ich konnte mir nicht annähernd vorstellen was für eine Last sie auf den Schultern tragen musste.
Sie kümmerte sich um ihren Bruder, als wäre es ihr eigenes Kind.
Sie zog ihn groß, damit er eine Zukunft und eine
Perspektive hatte.
Nebenbei versuchte sie auf die berühmteste Tanzschule in den USA zukommen.
Ich hatte wirklich keine Ahnung wo sie die ganze Kraft hernahm.
Vielleicht war an diesem Thema von wegen Mädchenpower doch etwas dran.
Eigentlich müsste ich de Lucia davon erzählen, damit er sie beschützen konnte.
Er würde mich umbringen, wenn er herausfände, dass ich es wusste und ihm nichts davon gesagt hatte.
Aber ich hatte es Selina versprochen, sie sollte es ihm selbst sagen.
Wir fuhren schweigend zur Schule, Dennis sagte nichts mehr und ich war ihm dankbar dafür.
Mel und Michael warteten schon auf uns und brachten mich sogleich auf den neusten Stand der Schule.
Man erzählte sich, Daniel hätte die Schule geschmissen und schickte seine „Killerfreunde“ nun, um mich zu bewachen.
Andere wollten gehört haben, dass er mich zuhause
gefangen hielt, worüber ich nur lachen konnte.
Allgemein versuchte ich mir nichts anmerken zu lassen,
Dennis und ich redeten auch auf der Heimfahrt nicht viel, allerdings war ich ihm sehr dankbar, dass er mich
nicht so mitleidig ansah.
Das war nicht seine Art, er hatte das gleiche durchgemacht und wusste wie ich mich fühlte.
Dennis nahm mich mit zu ihnen nach Hause, er meinte, sie würden Schicht wechseln und da müsste ich natürlich dabei sein.
Die beiden taten mir leid, sie mussten in den letzten eineinhalb Wochen ziemlich wenig Schlaf bekommen haben, wenn sie die ganze Zeit auf mich aufpassen sollten.
Dort angekommen, wartete ich auf der Auffahrt bis Fabio rauskam.
„Wenn er wieder etwas macht, ruf mich bitte an, ich werde versuchen das zu verhindern und wenn ich das nicht kann, werde ich zumindest für dich da sein.“
Dennis sah mich so eindringlich an, dass ich nickte und es ihm versprach.
Ich wusste nicht ob ich es tun sollte, er konnte mir nicht helfen. Niemand konnte das.
Daniel konnte mich ablenken, doch Daniel war weg und ich hatte keine Ahnung ob und wann er wiederkommen würde.
Fabio blieb auf der anderen Straßenseite stehen und bewachte wie jeden Abend mein Haus.
Es fühlte sich langsam nicht mehr fremd an, ich fühlte mich geschützt und sicher.
In der Nacht allerdings kehrten die Gedanken und
Ängste zurück.
Leise weinte ich in mein Kissen.
Ich vermisste Daniel so wahnsinnig, er hätte mich in den Arm genommen und mich so für ein paar Momente das alles vergessen lassen, auch wenn er nicht wusste was.
Ich versuchte mir vorzustellen, was passieren würde, wenn er davon wissen würde.
Vielleicht würde er ohne ein Wort zu meinem Dad fahren.
Nicht zur Polizei, er würde es auf seine Weise klären. Aber wollte ich das?
Würde er mich noch auf die gleiche Weise ansehen wie er es jetzt tat?
Ich war kurz davor einzuschlafen, da hörte ich wie meine Tür leise geöffnet wurde.
Mein Herzschlag verdoppelte sich und ich hielt den Atem an.
Kurz darauf wurde sie wieder geschlossen und ich hörte tapsende Schritte.
Vorsichtig richtete ich mich auf und sah mich um.
Ben kam leise um mein Bett herumgelaufen und sah zu mir hoch.
„Sel, ist alles ok? Hast du geweint?“
Ich lächelte und streckte die Arme aus, damit ich ihn zu mir hochheben konnte.
Wie automatisch machten wir es uns im Bett bequem
und er lag in meinem Arm.
Er hatte mich schon viel zu oft getröstet.
„Mir geht’s gut, mach dir keine Sorgen.“
Ich hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn.
„Tut mir leid, dass ich Dennis gesagt hab, dass ich dich tröste.“
Ich biss die Zähne zusammen und kämpfte gegen die Tränen an, die aufstiegen. Mein wundervoller, unschuldiger Bruder.
„Ich habe dich lieb Sel.“
Er gab mir einen Kuss auf die Wange, bevor er sich in meine Arme kuschelte und einschlief.
Ich lächelte.
„Ich habe dich auch lieb mein Schatz. Bis zum Mond und wieder zurück.“
Flüsterte ich in sein Ohr und schlief dann ebenfalls ein.
Matthew aus meinem Mathekurs begleitete mich aus der Schule, während er versuchte mir irgendwelche Formeln zu erklären, von denen ich wusste, dass ich sie mir niemals merken konnte, aber es war nett, dass er sich die Mühe machte.
„Wo hast du geparkt?“, fragte er und sah zu mir.
Ich ließ meinen Blick über den Parkplatz schweifen.
„Ich… ich werde abgeholt.“, meinte ich dann und sah wieder zu ihm.
Fabio meinte er würde vor der Schule wieder warten, allerdings war er noch nicht da.
Vielleicht hatte Mel ihn noch aufgehalten.
Matthew lachte auf.
„Achja richtig. Sag mal was hast du eigentlich mit ihm zu schaffen? Du solltest wirklich auf dich aufpassen, weißt du was das letzte Mal passiert ist, als er ein Mädchen von der Schule hatte?“
Ich schluckte.
Über diese Geschichte hatte ich noch nicht mit Daniel geredet.
Ich hatte es mir vorgenommen, doch dann war er einfach so nun schon eineinhalb Wochen verschwunden.
Anscheinend war aber jeder an der Schule überzeugt, dass er etwas damit zu tun hatte.
„Ich… er würde niemals…“
„Selina.“
Seine Stimme ließ mich zusammenzucken und
ich drehte mich um.
Erschrocken schnappte ich nach Luft.
Da stand er, er hielt eine Zigarette in der Hand, aber ich beachtete es nicht.
Ein paar Schritte von mir entfernt, er lebte, es ging ihm gut und er war zurückgekommen.
Matthew schnappte hinter mir nach Luft, während ich den kurzen Abstand zu Daniel überbrückte und schließlich genau vor ihm stand.
Es war mir egal, dass er seinen Killerblick draufhatte, als er zu Matthew sah oder was dieser gerade noch gesagt hatte.
Er. Hier.
Das war alles was ich wollte.
Seine Arm legte sich besitzergreifend um meine Taille und zog mich an ihn.
Ich schlang meine Arme um seinen Bauch und vergrub mein Gesicht an seinem Hals, um seinen Geruch wieder einatmen zu können.
Meine Beine wurden schwach und ich befürchtete gleich an Bluthochdruck zu sterben, aber es war mir egal.
Als ich zu ihm aufsah wurde sein Blick sanft und ich meinte sogar ein kleines Lächeln erkennen zu können.
„Hey Baby.“, flüsterte er in mein Ohr, wo er einen
Schauer auslöste.
„Hey.“ erwiderte ich atemlos, obwohl er mich nur an
sich gezogen hatte.
Aber das auf dem Schulhof!
Wo uns nun alle anwesenden mit offenem Mund anstarrte.
Daniel wandte sich wieder zu Matthew und auch ich sah auf.
Sein Blick war mehr als geschockt, als hätte er einen Geist gesehen und unter Daniels bösen Blick wurde er noch blasser.
Bis ich Daniel unauffällig anstieß sagte keiner was, sie starrten sich nur an.
Daniel tötete ihn mit Blicken, während Mathew nur auf die Erlösung wartete.
Um zu vermeiden was als nächstes kommen würde, schloss ich meine Hand um Daniels und ging einen Schritt auf den Parkplatz zu.
„Bis morgen Matt.“, verabschiedete ich mich von ihm und zog Daniel leicht hinter mir.
Dieser zögerte nicht lange, zog mich wieder an seine Seite und führte mich zu seinem Auto.
Nachdem auch er eingestiegen war, nahm er meine Hand wieder in seine und zeichnete kleine Kreise darauf.
Diese kleinen Bewegungen brachten mich vollkommen aus dem Konzept und ich musste mich einen Moment sammeln.
„Er hat dich angestarrt.“, knurrte Daniel, während er
eine rote Ampel überfuhr.
Sein Griff wurde fester, während er auf eine Antwort wartete.
„Ich habe dich angestarrt.“, erwiderte ich grinsend, als er mir einen Seitenblick zuwarf.
Dann grinste er ebenfalls.
„Tust du das nicht immer?“, fragte er dann spöttisch.
Er fuhr direkt nach Hause und verschwendete keine Zeit damit seinen Bruder oder Dennis zu begrüßen, sondern brachte mich direkt in sein Zimmer.
Dort konnte ich nicht mal aufsehen, da hatte er mich schon wieder an die Wand gedrückte und presste seine Lippen auf meine.
Überrascht öffnete ich sie, was er sogleich ausnutzte und meinen Mund mit seiner geschickten Zunge erkundete.
Ich brauchte keine Luft, ich brauchte ihn.
Eine schwere Last fiel von mir ab, sobald er mich in die Arme schloss, als würde er alle Sorgen von mir fernhalten.
Er küsste mich immer wieder, in meiner Brust breitete sich ein Gefühl der Freude und Wärme aus, es war als wäre alles wieder ok, als wäre alle Puzzlestücke wieder an ihrer Stelle und passten perfekt zusammen.
Es gefiel mir, wie er mich fest in den Armen hielt.
Nachdem er von meinen Lippen abgelassen hatte,
starrten wir uns gegenseitig an, als hätten wir uns ewig
nicht gesehen, und versuchten uns jedes Details des
anderen einzuprägen.
Dann küsste er mich wieder und schob mich zu seinem Bett.
Nie ließ er von mir ab, seine Hände streichelten unter mein T-Shirt meine Haut.
Als ich von seinem Nacken zu seiner Brust hinunter strich entfuhr ihm ein Knurren.
Sein Mund strich meinen Hals hinab und mit ihm das Kribbeln in meinem Inneren.
Mir wurde warm, ich wusste nicht welche seiner Berührungen dies auslöste.
Gerade hatte er mir das Shirt über den Kopf gezogen, da klopfte es an der Tür.
Ich erstarrte und sah vorsichtig zu Daniel auf.
Der hatte die Zähne zusammengebissen, sein hungriger Blick lag nach wie vor auf mir.
„De Lucia Telefon für dich, ist ziemlich dringend.“ Meinte Fabio durch die geschlossene Tür.
Kurz war es still bis auf unseren schnellen Atem, dann knurrte Daniel wieder und erhob sich schließlich von mir.
„Verdammt.“ murmelte er, dann stand er auf und ging zur Tür.
Dann verschwand er im Gang.
Etwas verletzt blieb ich noch eine Minute liegen, dann
zog ich mein Shirt wieder über.
Seufzend versuchte ich meine Haare zu richten und ging
dann runter, wo ich auf die Jungs vor dem Fernseher traf.
„Sel setz dich zu uns, wir haben dich echt vermisst.“, meinte Jaden grinsend und klopfte auf den freien Platz neben sich.
„Du hast nur eine warme Mahlzeit vermisst.“ Spottete ich und setzte mich.
Die Jungs erzählten sich von den letzten Tagen, ließen dabei aber immer wieder Details aus, ich wusste das sie es wegen mir taten.
Fabio kümmerte sich mit mir um das Abendessen, Daniel hatte ich die ganze Zeit nicht gesehen.
Ich wusste nicht mal ob er noch im Haus war oder nicht.
„Alles ok bei euch?“ fragte Fabio leise als er die Tomaten schnitt.
Ich sah zu ihm auf, doch er konzentrierte sich darauf sich selbst keinen Finger abzuhacken.
„Ja, alles in Ordnung.“, meinte ich schnell und setzte einen Topf auf den Herd.
Fabios misstrauischen Blick konnte ich zwar spüren, aber ich wandte mich nicht um.
Wir saßen gerade beim Essen, als Daniel in die Küche trat.
Sein Blick schweifte durch den Raum, bis zu mir und blieb dann hängen.
Ohne etwas zu sagen setzte er sich auf den freien Platz
neben mich und begann genau wie die anderen zu
essen.
Ich hatte nur ein bisschen was gegessen, mein Hunger hielt sich in Grenzen.
Ich bekam Dennis Blicke mit, wie er zwischen mir und Daniel wechselte, bis er zu dem Schluss kam, dass ich ihm anscheinend nichts erzählt hatte.
Mein Kopf lag an seiner Brust, also konnte ich seinen Gesichtsausdruck nicht sehen, aber seine Hand fuhr weiter an meiner Wirbelsäule entlang.
Federleicht und doch hinterließ er Spuren.
„Erzähl mir was passiert ist, als ich weg war.“, verlangte er und ich erzählte ihm alles was wir unternommen hatten.
„Hast du keinen Bericht von meinen Bodyguards bekommen?“, fragte ich ihn grinsend.
Ein vibrieren in seiner Brust verriet mir ein leises Lachen seinerseits.
Ich erzählte ihm von den Proben, von unserem Zoobesuch, wie Ben mit Dennis und Fabio auskam.
Er knirschte hörbar mit den Zähnen als ich ihm von meinem Kinobesuch und Unternehmungen mit Michael und Mel ohne Bodyguards erzählte, sagte aber nichts.
Währenddessen zog ich immer wieder die schwarzen Ranken auf seiner Brust nach.
Ein paar Narben zierten seine seitliche Brust.
„Daniel?“ fragte ich in die Stille hinein.
„Mhm?“ kam nur als Antwort.
Ich setzte mich auf und stützte mich auf meiner Hand ab um ihn besser ansehen zu können.
„Wenn du jetzt wieder da bist, kommst du wieder mit mir in die Schule?“
Er zeigte mir sein wunderschönes Lächeln, seine Hand lag an meiner Wange und sein Daumen strich langsam bis zu meinen Lippen.
„Du glaubst doch nicht etwa, dass ich dich nur noch einen Moment länger als nötig aus den Augen lasse.“
„Wirst du mir von der Sache mit Leila erzählen?“ fragte ich in die Stille hinein und merkte, dass er einen Moment überrascht war.
Mein Herz hingegen schlug schneller und ich klammerte mich an seine Hand, in der Angst er würde sich wieder zurückziehen.
Einige Schatten huschten über sein Gesicht, doch sofort hatte er seinen Ausdruck wieder unter Kontrolle.
„Das werde ich, aber nicht heute, nicht jetzt, ok?“
Seine Augen flehten mich fast an es gut sein zu lassen und ich nickte etwas widerwillig.
Ich durfte ihn nicht drängen, sonst zog er sich wieder zurück und verschloss sich vor mir.
„Wieso gehts du eigentlich noch zur Schule? Du bist hast einen Job. Du müsstest doch nicht hingehen, oder?“
Er nickte.
„Meine Mutter wollte immer, dass ich einen Abschluss
mache, keine Ahnung warum, aber es war ihr sehr wichtig. Auch wenn sie nicht mehr da ist und es miterlebt, will ich es einfach zu Ende bringen.“
Mein Herz schmolz dahin. Oh mein Gott, er konnte so süß sein und es dabei aussehen lassen, als wäre es ihm völlig egal.
„Wo bist du vorher zu Schule gegangen?“
Sein Mundwinkel zuckte, als er wieder durch meine Haare strich und anscheinend kurz nachdachte ob er mir antworten sollte oder nicht.
„Savannah. Meine Mutter und ich wohnten bei meiner Großmutter bis sie gestorben ist.“
Neugierig hörte ich ihm zu.
Er schweifte nicht aus, erzählte keine Details, aber ich nahm alles was ich von ihm bekam.
„Und dann?“ fragte ich weiter.
Sein Blick schweifte über mein Gesicht.
„Dann zogen wir nach Miami. Dort bin ich in all das hier eingestiegen und nachdem auch meine Mutter weg war, brachten sie mich zur neuen Familie meines Vaters nach Boston. Dort habe ich Fabio kennengelernt.“
„Und Jason.“ Murmelte ich.
Forschend sah er mich an.
Wahrscheinlich konnte er sich denken, wer es mir erzählt hatte.
Wieder sagte er aber nichts und nickte nur.
„Was ist mit deinem Vater passiert?“ fragte ich
vorsichtig weiter.
Ich wusste nicht wie weit ich in diesem Bereich gehen durfte.
Daniel schluckte, seine Augen waren an die Decke geheftet.
„Hat bekommen was er verdient hatte, er hatte einen tödlichen Autounfall.“
Ich wollte so gerne mehr erfahren, doch seine Stimme zeigte mir, dass er seinen Vater nicht besonders gerngehabt hatte und dementsprechend wohl nicht darüber reden wollte.
Vielleicht weil er bei seiner Mutter aufgewachsen war?
Ich fragte nicht mehr, sondern legte meinen Kopf wieder an seine Brust.
Irgendwann musste ich eingeschlafen sein, denn als ich aufwachte, war es draußen hell und Daniel war weg.
Es überraschte mich nicht.
Trotzdem konnte ich nicht sagen, dass ich ihn nicht vermissen würde.
Müde streckte ich mich und ging dann ins Bad.
Stimmen von unten verrieten mir, dass sie wahrscheinlich schon wieder Pläne schmiedeten.
Doch als ich unten ankam, war niemand zu sehen und die Terrassentür stand offen.
Ich ging in die Küche, dann trat ich raus, um zu sehen, was zum Teufel sie da am Samstag in der früh um acht machten.
Mit einer Tasse Kaffee in der Hand legte ich den Kopf schräg und versucht herauszufinden was das werden sollte.
Alle sechs Jungs standen in einem Kreis, keiner von ihnen trug ein T-Shirt, nur Shorts.
Erst redeten sie leise, dann schrien sie sich gegenseitig an, als würden sie sich motivieren.
Ich hob eine Augenbraue.
Wow, sowas würde mich ja kein Stück motivieren.
Keiner von ihnen bemerkte, dass ich an der Terrassentür lehnte und ihr komisches Spektakel beobachtete.
Sie stellten sich auf, dann verstand ich endlich was das werden sollte, sie spielten wohl Football.
Ich hatte zwar keine Ahnung wie dieses Spiel mit so wenigen Leuten funktionierte, aber es war interessant ihnen dabei zuzusehen.
Jedes Mal, wenn Daniel mit jemandem zusammenstieß zuckte ich zwar zusammen, aber er rannte sie einfach um und lies sie liegen.
„Man Dennis, wenn du so weiter machst verlieren wir noch schwing doch mal deinen Arsch. Du läufst wie ein Mädchen!“, rief Fabio Dennis zu.
„Du kannst mich mal, ich bin der Einzige, der hier richtig spielt.“ Erwiderte dieser schmollend.
Dafür kassierte er einen Mittelfinger und ein paar
unschöne Ausdrücke.
Ich verdrehte die Augen.
Als hätte er gemerkt, dass ich an der Tür stand, drehte Daniel sich zu mir um und grinste.
Ich erwiderte seinen Blick, als er auf mich zu kam.
„Haben wir dich geweckt?“
Er stützte sich neben meinem Kopf an der Wand ab und grinste.
Sein Atem ging schnell und Schweißperlen rannen seine Brust und den Bauch hinunter.
Himmel! Wollte er mich quälen?
Schnell riss ich meine Blick von seiner sowas von perfekt trainierten Brust los.
„Nein, ich habe lang genug geschlafen.“
Lächelnd hielt ich ihm meine Tasse hin.
Ohne seinen Blick aus meinem zu nehmen, nahm er einen großen Schluck und gab sie mir wieder.
„Hey Doping zählt nicht, wir haben auch keinen bekommen.“
Tönte Dennis Stimme über den Garten zu uns rüber.
Nun hatten auch die anderen bemerkt, dass ich da war und unterbrachen das Spiel.
Ich lachte und sah über Daniels Schulter zu ihm.
„Mein T-Shirt steht dir ziemlich gut.“
Murmelte dieser und kam näher, sofort hatte er wieder meine ganze Aufmerksamkeit.
Es war ihm ziemlich schnell aufgefallen, dass es nicht mein Shirt war, das ich trug.
Da ich ziemlich oft spontan bei ihm übernachtete, hatte ich ein paar meiner Sachen hergebracht um wenigstens ausreichend bekleidet sein zu können, seine mochte ich trotzdem lieber.
Ich grinste ihn an.
„Du siehst ohne auch ganz gut aus.“
Er lachte heiser und kam näher, ich konnte seinen Atem auf meinen Lippen spüren.
Ich schnappte nach Luft.
Was sollte das werden?
Normalerweise nahm er, wenn die Jungs in der Nähe waren gerade mal meine Hand.
Als würden sie nicht Bescheid wissen aber, er hielt sich trotzdem zurück.
„Sel, spielst du mit?“ fragte Fabio.
Sie waren auf die Terrasse gekommen, wahrscheinlich war ihnen das Warten zu langweilig gewesen.
Erschöpft ließen sie sich auf dem Boden nieder und tranken aus ihren Wasserflaschen.
Daniel löste sich widerwillig von mir und wandte sich zu ihnen um.
Lachend schüttelte ich den Kopf.
„Ich weiß nicht mal genau was ihr da überhaupt macht, also lieber nicht.“
Ihr Grinsen verschwand und es war als würden ihre Kinnladen auf den Boden fallen.
„D… das ist Am… American Football, wie kannst du das nicht sehen?“ fragte Dennis mit zitternder Stimme, als hätte man einem Kind erzählt, dass der Weihnachtsmann nicht existierte.
Ich zuckte die Schulter.
Daniel nahm meine Hand und zog mich zu sich, als er sich ebenfalls auf den Boden setzte.
Ich lehnte an seiner Brust, und er hatte die Arme um mich gelegt.
Keiner sagte etwas, aber mein Herz hatte schon wieder
angefangen in doppelter Geschwindigkeit zu schlagen.
Er hatte anscheinend einen guten Tag.
Über unser Gespräch von gestern Abend verlor er kein Wort, aber das hatte ich mir schon gedacht.
„Na dann wird es Zeit, dass du das lernst, denn wir können nicht zulassen, dass du so unwissend weiterlebst.“
Fabio grinste und sah zu Jaden und Leon, die grinsten sich ebenfalls an und sahen dann zwinkernd zu mir rüber.
Wieso bekam ich dabei ein schlechtes Gefühl?
Richtig, weil sie so komisch dabei grinsten.
„Pause vorbei, wir spielen drei gegen vier, Selina ist in meinem Team.“
Dennis sprang mit dem eiförmigen Ball im Arm auf und
lief zum Spielfeld.
Die anderen folgten ihm sofort und auch ich erhob mich, warum sollte ich nicht mal etwas Anderes ausprobieren? Mein ganzes Leben hatte ich nur getanzt und an der Seitenlinie gestanden.
Daniel stand ebenfalls hinter mir auf und hielt mich am Arm fest.
„Bist du dir sicher, dass du das machen willst?
Du musst nicht, die spielen das mit sehr viel Körperkontakt.“
Sein Blick war drängend und besorgt.
Ich grinste.
Ach, sah er mich deswegen so an?
„Damit habe ich kein Problem.“
Rückwärts ging ich weiter in Richtung der Jungs.
Seine Augen blitzten auf.
Lachend drehte ich mich um, band meine Haare zu einem Zopf und lief zu Dennis.
Schnell erklärte er mir grob, was meine Position und Aufgabe waren, dann ging es auch schon los.
Alle stellten sich auf, als Fabio von seiner hinteren Position rief:
„Hey eigentlich müsste sie auch ihr Oberteil ausziehen. Das wäre nur fair.“
Keiner antwortete, alle Blicken lagen auf Daniel.
Und seiner auf mir.
Als hätte er nichts gehört holte er aus und warf den Ball, im selben Moment kam das Startsignal von Dennis.
Alle rannten auf den Ball zu.
Es war ein durcheinander, als sie alle auf einen Punkt stürmten, doch plötzlich flog das Ei aus der Menge auf mich zu.
Wie Dennis es mir eben noch gezeigt hatte fing ich es und lief los.
„Los Sel lauf, lauf.“
Dennis stand immer noch am anderen Ende des Spielfelds, während alle anderen versuchten zu mir aufzuholen.
„Pass auf rechts!!“
Ich hob den Blick und sah Jaden von rechts auf mich zukommen, als er mich fast erreicht hatte, drehte ich mich geschickt aus seinem Arm und lief weiter.
Im Augenwinkel sah ich wie er hinter mir auf den Rasen fiel.
Ohne zu zögern lief ich weiter und schaffte es schließlich bis zum Ende.
„Touchdown!!!!!!!“ brüllte Fabio hinter mir.
Ich konnte Dennis hüpfen und sich drehen sehen, während ich lachend anhielt und die Arme in die Luft streckte.
Ich hatte es geschafft.
Fast schon geschockt blieben die anderen stehen und starrten mich an.
Dann kamen Fabio und Leon auf mich zu und umarmten mich.
„Habt ihr das gesehen, ihr habt euch grade von einem Mädchen schlagen lassen, ihr Loser“
Leon lachte und lies mich wieder los.
Nun hatte auch Dennis mich erreicht und schmiss mich über seine Schulter.
Ich konnte nichts anderes als lachen und versuchen wieder zu atmen, verdammt war das anstrengend.
Beim Tanzen war ich nie so schnell außer Atem.
Als er mich wieder runterließ war mir ein bisschen schwindelig, doch es ging schnell wieder weg und alle kamen zusammen.
Daniel sah mich böse an.
„Reines Anfängerglück.“
Sagte er dann nur und wir gingen zurück in die Mitte des Feldes.
Dennis lachte und legte einen Arm um mich.
„Naja ein bisschen mehr war schon dabei de Lucia, du hast noch nie beim ersten Mal einen Touchdown kassiert.“
Der nächste böse Blick traf ihn.
Innerlich verdrehte ich die Augen, das war so klar gewesen!
Er sollte aufhören Daniel zu provozieren.
Als wir uns neu aufstellten, stellte ich fest, dass Daniels Team die Aufstellung gewechselt hatte, ich konnte nicht genau sagen wie, aber irgendwie stand ich nicht mehr so alleine, wie eben.
Wir machten uns bereit und diesmal warf Fabio den Ball.
Zuerst zu Leon, auf den sich wieder alle stürzten, na gut fast alle, ich blieb am Rand und lief ein Stück nach vorne, dann kam auch schon der Ball in meine Richtung geflogen.
Ich rannte noch ein bisschen schneller, doch dann wurde ich plötzlich hochgehoben und zwei Jungs flitzen an mir vorbei, ich versuchte mich zu wehren, doch ich wusste, dass es nicht funktionieren würde.
Daniel hatte mich von hinten geschnappt und hochgehoben, nun hielt er mich fest und drehte mich zu sich um. Er grinste.
Böse sah ich ihn an und versucht mich nochmal loszureißen.
Seine Hand legte sie an meine Wange und wie auf Kommando gab ich meine Gegenwehr auf.
Er beugte sie näher zu mir, sein Atem strich über meine Wange.
Seine Lippen strichen über meine und er gab ein zufriedenes Geräusch von sich.
Hinter mir hörte ich die Jungs jubeln, anscheinend hatte keiner gemerkt, dass ich hier gekidnappt wurde.
Gerade als Daniel den Kuss vertiefte, kamen sie näher.
„de Lucia hör auf meine Spielerin zu manipulieren.“
Dennis lief auf uns zu, kurz bevor er uns erreicht hatte,
löste sich Daniel von mir und ich sah ihn anklagend an.
Sein Grinsen wurde wieder größer.
Dann riss Dennis mich von hinten aus Daniels Armen und trug mich ans andere Ende des Feldes, auch wenn ich mich wehrte und kreischte, er lies mich nicht los.
„Hört auf mich herumzutragen als wäre ich eure Puppe.“
Böse starrte ich ihn an.
Er lachte nur, „Keine Sorge du bist nur seine.“
Er zwinkerte, dann schob er mich wieder auf meine Position.
„Lass dich nicht ablenken, er ist vielleicht stärker, aber du bist kleiner und damit wendiger, wie bei Jaden, versuch ihm auszuweichen, dann hat er keine Chance.“
Aufmerksam hörte ich zu und nickte.
Dann sah ich mir das Feld genauer an.
Daniel stand wieder in meiner Nähe, sowie Jaden, die beiden waren also dafür da, um mich abzufangen. Jason machte wohl den Rest der Arbeit.
Tuck gab das Startsignal und wir liefen wieder los.
Jaden lief rechts mit mir mit, während Daniel vor mir, direkt auf mich wartete, dass er mich abfangen konnte.
Er grinste immer noch und zwinkerte mir zu, sodass mein Atem stockte.
Na, warte Freundchen.
Ich sah auf und fing Dennis Blick auf, der mir zunickte, im nächsten Moment flog das Ei.
Daniel folgte meinem Blick und lief auf mich zu, fast
hatte er mich erreicht, da schlug ich einen Hacken und lief ins Feld hinein nach links und fing den Ball auf.
Er rutschte weg und blieb hinter mir zurück.
Noch circa einhundert Meter, von links kam Jason und von rechts Jaden.
Ich lief noch ein bisschen schneller, dann waren sie nah, ich konnte ihren Atem hinter mir hören, dann duckte und ich mich und schlug nochmal einen Hacken, genau wie Daniel hatten sie damit nicht gerechnet und bremsten sofort, um nicht auf mich zu fallen, doch in diesem Moment lief ich schon weiter.
Dann hatte ich es ein zweites Mal geschafft.
Ich lachte über die schockierten Gesichter der Jungs, die
gerade dabei waren haushoch zu verlieren.
Wir spielten noch ein paar Runden, in denen es Daniel und Jaden leider immer öfter gelang, mich festzuhalten, die anderen warfen sie einfach zu Boden, aber mich hielten sie fest und stellten mich behutsam auch wieder auf den Boden, wahrscheinlich befürchteten sie, ich würde zerbrechen.
Nach einer Weile waren wir alle ausgepowert und ließen uns ins Gras fallen.
Sie diskutierten über meine Strategie und meine Wendigkeit, während Dennis und ich uns angrinsten.
Die Jungs wollten noch ein bisschen trainieren, also ging ich nach oben, um zu duschen und telefonierte mit Ben.
Es war schon später Nachmittag als wir auf der Terrasse in der Sonne saßen.
Daniel zündete sich eine Zigarette an und nahm einen Zug bevor ich sie ihm aus dem Mund zog und in ein Wasserglas fallen ließ.
Die Jungs um uns herum verstummten und starrten uns an, wie ich ihn herausfordernd anfunkelte während er mich musterte.
„Frech.“, dann grinste er und zog mich zu sich auf den Stuhl.
Triumphierend lächelnd ließ ich mich an seine Brust fallen.
Fabio starrte seinen Bruder verständnislos an und schüttelte dann den Kopf.
„Ich habe Hunger!!“ warf Dennis ein und machte ein leidendes Gesicht.
Es sah so komisch aus, dass ich lachen musste.
„In eurer Küche ist so gut wie nichts Essbares mehr, also muss ich passen, sorry.“ Erklärte ich ihm und lehnte mich zurück an Daniel Brust.
Er hatte den Arm um mich gelegt und streichelte abwesend meinen Bauch.
Als sie gerade wieder anfangen wollten zu streiten wo sie was bestellen sollten, murmelte Daniel: „Wir gehen essen.“
Der Rest jubelte sofort und äußerte Essenswünsche. Daniel erhob sich vom Stuhl, sodass auch ich aufstehen
musste.
„In fünf Minuten ist Abfahrt.“
Geschockt sah ich ihn, wie sollte ich bitte innerhalb von fünf Minuten fertig werden?
Ich war kein typisches Mädchen, welches eine Stunde im Bad brauchte, aber fünf Minuten waren nicht gerade großzügig.
Jaden sprang auf, hinter ihm Dennis.
„Ich nimm das obere Bad!“
„Ich das unten!“
Sie stritten sich ehrlich, wer zuerst ins Bad durfte, während einer nach dem anderen verschwand.
Daniel lächelte auf mich herunter.
„Ich habe nichts zum Anziehen dabei.“ Meinte ich und sah zu ihm auf. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass wir ausgehen.“
Er zwinkerte mir zu.
„Du glaubst doch nicht, dass ich mit denen irgendwo hingehe, wo wir auffallen könnten, du kannst so bleiben.“
Misstrauisch schaute ich von meinen Klamotten zu ihm. Ich trug wieder eines seiner Shirts und eine Leggings.
„Sicher nicht.“ Lachend stand ich auf und wollte ins Haus gehen.
Er hielt mich am Arm zurück, seine Nase vergrub sich in meinen Haaren und er atmete tief ein.
„Wenn du dieses Shirt ausziehst, nimm ich dich nicht mit.“
Ich erschauerte und ging dann lächelnd ins Haus.
Zum Glück hatte Daniel sein eigenes Bad, sodass ich das ungestört nutzten konnte.
Viel konnte ich in der kurzen Zeit wirklich nicht machen, aber ich schlüpfte in eine hellblaue Jeans und behielt das Shirt an.
Meine Haare band ich zusammen und zog meine Chucks wieder an, die in Daniels Zimmer standen.
Nach einem kurzen Blick in den Spiegel verließ ich das Zimmer wieder und ging nach unten, wo der Großteil, der Jungs schon wartete.
„Dennis, Sel hat dich grade überholt und sie ist ein Mädchen, du Pussy niemand will dich geschminkt sehen!“
Rief Fabio grinsend nach oben.
Von oben hörte man nur ein paar wüste Beschimpfungen, bei denen ich die Stirn runzelte.
Einen Kommentar verkniff ich mir, es hätte eh nichts geholfen.
Daniel gab mir seine schwarze Sweatjacke, die ich schon öfter getragen hatte.
Er trug ebenfalls eine helle Jeans und ein weißes T-Shirt was sich von seiner dunklen Haut perfekt abhob.
Jason verabschiedete sich, da er den Abend mit Sandra verbringen wollte.
Dennis wollte mir noch unbedingt sein Auto zeigen, also folgte ich Ihnen in die Garage und war sprachlos, als ich sie von innen sah. Von außen sah sie schon riesig aus, aber sie war nicht ebenerdig gebaut, darunter befand sich ein weiteres Stockwerk mit zahlreichen Autos. Nach zehn Autos hatte ich aufgehört zu zählen, so geschockt war ich.
Auf meine Frage ob sie die sich alle legal besorgt hatten, grinsten und schwiegen alle nur.
Irgendwann hatte Daniel meine Hand genommen und war zu seinem Auto gegangen.
Wir trafen uns vor einem Diner wieder.
Daniel hatte meine Hand in seine genommen und hielt sie während wir zu einem freien Platz gingen.
Ich musste leicht lächeln, er hatte es nie offiziell gemacht, dass wir sowas ähnliches wie zusammen waren.
Keine Ahnung was ich überhaupt davon halten sollte, wir hatten nicht über uns gesprochen, aber ich wollte auf keinen Fall, dass es endete.
Vor den Jungs und in der Schule hatte er sich immer zurückgezogen, aber heute Nachmittag hatte er mich geküsst, das musste doch was heißen, oder?
Ich grübelte ein bisschen vor mich hin, bis alle saßen und Daniel, der neben mir saß sich zu mir beugte.
Mit einer schnellen Bewegung hatte er mir den Haargummi aus den Haaren gezogen, sodass meine Haare offen über meinen Rücken fielen.
Seine Lippen strichen an mein Ohr und ich erschauerte leicht, als ich seinen Atem an meinem Hals spürte.
„Worüber denkst du so intensiv nach?“ flüsterte er.
Als ich aufsah, merkte ich, dass er verschmitzt lächelte.
Ich schüttelte nur den Kopf, als Zeichen, dass es nichts Wichtiges war.
Die Jungs sprachen währenddessen von irgendwelchen Spielen und beobachteten die Kellnerinnen, die hier nur kurze Hotpants und Tops trugen.
Innerlich verdrehte ich wieder die Augen.
„Wahrscheinlichen denken die Leute wir sind hier bei der Bachelorette und du suchst dir unter uns Jungs einen aus.“, grinste Dennis und sah sich unauffällig um.
„Selbst, wenn ist doch klar, dass sie mich nehmen würde.“ Meinte nun auch Fabio.
Von Daniel neben mir war ein leises Knurren zu hören.
Beruhigend legte ich unter dem Tisch meine Hand auf seinen Oberschenkel, damit entspannte er sich auch gleich und nahm seinen Killerblick von seinem Bruder, der so tat als hätte er nichts gemerkt.
„Was hättest jetzt du, was wir anderen nicht haben?“ fragte Jaden ihn herausfordernd.
Fabio sah ihn mit einem Blick an, wie man ein Kind ansah, wenn man wusste, dass es einfach noch nicht reif genug war seinen Fehler zu verstehen.
„Ich sehe gut aus, ich bin schlau und außerdem bin ich der einzige von euch allen, der einigermaßen gut kochen kann.“
Bei diesem Argument musste nicht nur ich lachen.
Na gut Fabio konnte schon kochen, wenn es darum ging Pancakes in der Pfanne zu machen oder eine Pizza in den Ofen zu schieben, was nicht wirklich spektakulär oder außergewöhnlich war.
„Wo siehst du denn bitte gut aus, ist dein Spiegel ein Poster von mir, oder was?“ meinte Leon und lachte.
Sie diskutierten noch eine Weile, aber ich bekam nicht mehr viel mit.
Daniel hatte meine Hand in seine genommen und fuhr mit sanften Bewegungen meinen Unterarm entlang, während er mich wieder mit seinem undurchdringlichen Blick ansah.
Ich selbst konnte nicht wegsehen, es war als würden seine Augen mich gefangen nehmen und festhalten.
„… De Lucia, einer muss zahlen.“ Dennis schnipste über den Tisch zu Daniel rüber.
Nur offensichtlich unwillig, nahm er seinen Blick von mir und lies danach auch meine Hand los.
Dann stand er auf und ging mit dem Kellner zur Kasse rüber.
Kurz sah ich ihm nach, dann wandte ich mich um und merkte, dass die Jungs alle zu mir sahen.
„Was ist?“, fragte ich sie verwirrt.
Die grinsten nur verschwörerisch.
„Du hast es nicht gemerkt?“ fragte Dennis leise.
Er saß gleich neben mir.
„Was?“ fragte ich nochmal verwirrt.
„Der Kellner starrt dich die ganze Zeit an, und er nimmt deine Bestellung immer als erstes. De Lucia ist ziemlich sauer.“
Er grinste wieder und nickte hinter mich. Ich runzelte die Stirn.
Dann drehte ich mich langsam um.
An der Tür zur Küche lehnte ein junger Kellner, vielleicht Anfang zwanzig, vielleicht etwas jünger als Daniel.
Er grinste zu mir rüber, und zwinkerte mir zu, als er merkte, dass ich zu ihm rüber sah.
Der hatte wohl ein ziemliches Selbstvertrauen, wenn er versuchte mit mir zu flirten, wenn ich mit sechs Jungs unterwegs war.
Daniel stand an der Kasse und sah böse zu ihm.
Jetzt erst erkannte ich, dass sein Kiefer angespannt war und auch seine Körperhaltung alles andere als entspannt war.
Er war wirklich sauer.
Wie konnte mir das nur nicht auffallen?
Ich drehte mich wieder um, die anderen stritten sich schon wieder wegen irgendetwas, aber Dennis sah mich immer noch an.
„Du bedeutest ihm was, und er will behalten was ihm gehört, hört sich vielleicht doof an, aber es ist so. Du gehörst nun mal ihm.“, murmelte er leise, sodass es nur wir beide hörten und warf mir einen bedeutenden Blick zu.
Indirekt versuchte er mir klar zu machen, dass ich Daniel das von meinem Vater erzählen sollte.
Er wandte sich zu den Jungs, während Daniel an den Tisch zurückkam und sofort meine Hand nahm.
Ich sah zu ihm auf und versuchte irgendetwas in seinen Augen zu sehen, doch sie waren verschlossen und kalt.
Manchmal ließ er mich nicht an sich ran und hatte keine Ahnung was ich dagegen tun sollte.
„Sollen wir gehen?“ fragte ich ihn leise.
Kurz sah er mich an, und als ich ihm einen wissenden Blick zu warf, nickte er stumm.
Dann erhoben wir uns und gingen Richtung Ausgang, die Jungs wussten was los war und folgten uns ohne einen Kommentar.
Als wir an dem Kellner vorbeikamen, zog Daniel mich näher an sich und warf dem Typ noch einen mörderischen Blick zu, sodass dieser wenig zusammenzuckte.
Ich unterdrückte ein Grinsen, Daniel konnte wirklich jedem Angst machen, wenn er wollte.
Mich hatte er noch nie so angesehen, ich fragte mich ob er es jemals tun würde.
Wenn ich ihm von meinem Vater erzählen würde?
Schnell schob ich die Gedanken weg.
Im Auto konnte ich mich nicht mehr zurückhalten und grinste ihn an.
„Der Arme kann wahrscheinlich nie wieder schlafen, weil ihn dein Todesblick für immer verfolgen wird.“
„Hoffentlich, wenn ich ihn nicht vorher umlege.“
Erwiderte er nur mit drohendem Unterton.
Meine Hand lag wieder in seiner, mit der anderen steuerte er das Auto.
Das Leder knarrte unter seinem festen Griff.
„Daniel, er hat nichts gemacht, ich habe es nicht mal bemerkt bis Dennis es mir gesagt hat, außerdem bin ich doch jetzt hier und nicht dort.“
Er sah zu mir und nickte langsam.
Seine Hand führte meine zu seinen Lippen und er küsste sie.
Ich lächelte ihn beruhigend und sah dann wieder auf die Straße, einer von uns sollte es tun, wenn er es schon nicht machte.
„Wenn das so weiter geht, sperr ich dich ins Haus.“, murmelte er, was mich zu lachen brachte.
Ich saß an Daniel gelehnt auf der Couch, er hatte seinen Arm um mich gelegt und fuhr mit kleinen Bewegungen meinen Arm auf und ab.
Was mit der Konzentration ziemlich beeinträchtigte.
„Hast du das gesehen, wie er ihn getakelt hat, das musst du auch machen, ein bisschen müsstest du allerdings noch zulegen, damit du einen von uns umwirfst.“, lachte Dennis.
Ich schüttelte grinsend den Kopf, ich wollte niemanden umwerfen, mir reichte es, wenn wir zusammenstießen, wenn wir in verschiedene Richtungen liefen.
Außerdem würde ich nie einen der Jungs umhauen können.
Mit meinem Kopf an Daniels Brust wurde ich müde, bis mir schließlich die Augen zufielen.
Ich wachte auf, als Daniel mich auf seine Arme nahm und von der Couch hob.
„Ich kann auch laufen, weißt du.“, murmelte ich verschlafen.
„Ich weiß.“
Er grinste, ging weiter die Treppen hoch in sein Zimmer.
Dort legte er mich auf sein Bett und zog seine Klamotten aus.
Daniel nur in Boxershorts war einfach ein Anblick.
Ich sah ihn an und konnte nicht mehr wegsehen, wie jedes Mal.
Wie seine Muskeln sich geschmeidig an- und entspannten, wenn er sich bewegte.
Er trug seine Kette, die war mir vorher schon aufgefallen, jeder der Jungs hatte eine.
Erst hatte ich an die Freundschaftsbändchen gedacht, die wir Mädels früher ausgetauscht hatten, doch Fabio hatte mir erklärt, dass diese Ketten sie als Gruppe kennzeichneten und außerdem einen GPS Sender hatten, falls einer von Ihnen verschwunden war.
Daniel kam aus dem Bad auf mich zu und warf mir eines seiner T-Shirts zu.
Schnell zog ich es über bevor er mich in seine Arme zog.
Es roch himmlisch nach ihm und ich lächelte verträumt.
„Seli?“ fragte er nach einer Weile, wo wir einfach nur dalagen und uns ansahen.
„Hm?“
Mein Blick war wieder von seinem gefangen genommen worden.
„Bist du glücklich?“ fragte er leise.
Überrascht sah ich auf.
Wieso stellte er mir diese Frage? Konnte er das denn nicht sehen?
Er hatte meine Welt komplett auf den Kopf gestellt und neu geordnet.
Ich wusste nicht ob meiner Stimme zu trauen war, also nickte ich nur lächelnd und hauchte ihm einen Kuss auf die Handfläche, die an meiner Wange lag.
Wieder legte sich Stille zwischen uns.
„Lass mich nicht mehr allein. Ich werde dich nicht gehen lassen.“
Er sagte es so leise, dass man es nicht mal mehr flüstern nennen konnte.
Einen Moment konnte ich ihn nur anstarren und faszinierte die Emotionen betrachten, die sich in seinen Augen abspielten.
Es war als wäre die Mauer plötzlich weg und ich sah wer die Person dahinter war.
Wärme breitete sich in meiner Brust aus.
Dann lächelte ich wieder. „Niemals, versprochen.“
Er nickte und atmete fast schon erleichtert auf.
Das Gefühl in meiner Brust wurde noch stärker und in diesem Moment wusste ich, dass ich ihn wirklich liebte.
„Du weißt ich bin manchmal ein bisschen… schwierig.“
Ich lachte leise. „Ich weiß.“
„Ich werde dir nicht erzählen was ich bei den Jobs mache oder irgendwas darüber...“
Ich nickte, das wusste ich, aber irgendwie wollte ich auch gar nicht wissen in welcher Gefahr er jeden Tag war, es war besser so.
„…und ich werde dich und Ben mit meinem Leben beschützen.“
„Danke.“
Daniel nickte und sah mich wieder unsicher an.
„Und wenn ich…, naja wieder mal kurz davor bin durchzudrehen, will ich das du gehst. Du sollst das nicht mitbekommen…“
Ich wollte etwas sagen aber seine Finger fuhren über meine Lippen.
„Ich will nicht, dass du mich von dieser Seite siehst.“
Schmerz trat in seine wundervollen dunklen Augen.
Er trug so unendlich viel Schmerz in sich.
Hoffentlich konnten wir irgendwann darüber reden.
Vielleicht konnte er sich mir öffnen und selbst sehen was für ein guter Mensch er war.
„Es ist mir egal welche Seite ich von dir sehe, weil es immer noch du bist und du bist derjenige den ich will. Nicht nur eine Seite von dir, sondern jede einzelne.“
Ich war von mir selbst überrascht, dass meine Stimme so fest klang.
Er sah mir tief in die Augen, als könnte er mir dadurch in
die Seele sehen und verstehen was ich ihm gerade
gesagt hatte.
Dann zog er mich nah an sich ran.
Er küsste meine Wange, meine Nase, meine Augenlieder und schlussendlich meine Lippen.
Es war ein unfassbar sanfter Kuss mit so viel Gefühl und Zärtlichkeit, wie ich es von ihm nicht gewöhnt war.
Er schien ewig zu dauern, dann löste er sich und zog mich in seine Arme.
Immer noch lächelnd kuschelte ich mich an ihn und schlief bald mit dem Rhythmus seines Herzschlages ein.
Sie hatte mir versprochen mich nicht zu verlassen.
Und sie hatte nicht die geringste Ahnung was das bei mir auslöste.
Auch nicht was die Blicke anderer Männer taten.
Ich konnte sie verstehen, Selina sah hammermäßig aus, ich konnte selbst nie genug von ihr kriegen.
Aber sie war mein und niemand würde sie bekommen!
Sie war mein und das würde sie auch bleiben.
Niemals würde ich sie gehen lassen, ich war nicht gut für sie, in keinster Weise sollte sie sich für mich entscheiden und doch hatte sie es getan.
Als sie in meinen Armen lag und schlief, konnte ich nur daran denken, wie glücklich sie mich mit jedem Moment machte.
Wenn sie da war, konnte ich abschalten, nicht über die Aufträge, die Arbeit oder die Gefahr nachdenken.
Trotzdem war es das, was mir am meisten Sorgen machte.
Ich brachte sie in Gefahr und damit auch ihren Bruder, leider hatte ich keine Ahnung was ich dagegen machen sollte.
Sie war immer so liebevoll und fröhlich, sie hatte es eigentlich nicht verdient, dass sie durch mich so gefährdet wurde und immer in Angst leben musste.
Ich war zum ersten Mal in meinem Leben seit meine Mutter gestorben war, hilflos.
Als ich aufwachte, lag sie nicht mehr neben mir.
Schnell setzte ich mich auf, aber als ich die Dusche im Bad hörte, entspannte ich mich und ließ mich wieder in die Kissen fallen.
Diese rochen nach ihr, kurz musste ich lächeln.
Selina kam in einer Jogginghose und BH aus dem Bad und ging zu meinem Schrank, dort nahm sie sich eines von meinen T-Shirts und kam dann zu mir.
Ich konnte meine Augen nicht von ihr nehmen, allein ihr Gang war tänzerisch.
Lächelnd setzte sie sich neben mich.
„Guten Morgen“
Ich lächelte und erwiderte es, dann zog ich sie zu mir runter, um ihre Lippen auf meinen zu spüren.
„Was machen wir heute?“ fragte sie immer noch lächelnd.
„Nichts.“, murmelte ich und zog sie wieder zu mir ins Bett.
Sie lachte auf und versuchte sich zu befreien, aber ich war stärker.
Irgendwann hatte ich sie unter mir und hielt auch ihre Hände fest.
Dann hatte sie keine Chance mehr.
Das sah sie dann auch ein und starrte mich böse an.
Ich grinste sie nur an, ich genoss die kurzen Sekunden, die sie sich mir fügte.
„Daniel?“ sie sah mich aus ihren wunderschönen Augen, bei denen ich jedes Mal schwach wurde.
Mein Griff lockerte sich um ihre Hände und sie strich meine Wangen entlang.
„Mhm?“
Dann lächelte sie und schwang sich nach oben.
Mit ihren Beinen und ihrem Köper schaffte sie es tatsächlich uns umzudrehen, dass ich unter ihr lag und sie auf mir saß.
Gefährliche Stellung, schoss es mir durch den Kopf.
Sofort fuhren meine Hände ihre Oberschenkel hoch und ich ließ meine Hände dort liegen.
Grinsend fuhr sie durch meine Haare und stieg dann von mir runter.
Ich wollte sie noch zurückholen, aber da war sie schon
an der Tür.
Ein paar Stunden versuchte ich mich auf die Arbeit zu konzentrieren, ich hatte sie in den letzten Tagen schleifen lassen, dann konnte ich mich nicht mehr ablenken und ging die Treppe runter, wo ich auf Selina und Dennis traf, die am Küchentisch saßen und sich unterhielten.
Als ich rein kam sah sie auf und lächelte mich an.
Ich checkte mein Handy auf mögliche Nachrichten von Jason, aber da war nichts was meine Aufmerksamkeit benötigte.
Frustrierte lies ich es auf dem Tisch liegen und widmete mich ihrem Gespräch.
Sie redeten über die Juilliard.
Dafür hatte sie trainiert, in ein paar Tagen war ihre Audition.
Es versetzt mir einen Stich in der Brustgegend.
Wir waren im letzten Schuljahr, natürlich sah sie sich nach Colleges um. Ich konnte mir das sparen, denn ich hatte bereits meinen Job.
Aber New York war ziemlich weit weg. Vielleicht zu weit weg.
Sie hatte mir auch nie gesagt, warum sie dorthin wollte.
Sie konnte doch hier in der Nähe auch auf ein College gehe!
In meinen Gedanken versunken, merkte ich nicht, dass Dennis aus der Küche ging und ich mit meinem Mädchen allein war.
„Daniel?“
Ihre Hand holte mich in die Realität zurück und ich sah auf.
„Was?“
Sie lächelte.
„Ich habe dich gefragt ob alles ok ist, du wirkst so abwesend.“
Ich starrte sie immer noch unsicher an.
„Du willst nach New York.“ Stellte ich trocken fest.
Sofort verstand sie was ich meinte und nickte betreten, ihr Blick heftete sich auf ihre Tasse und sie sah nicht mehr auf.
„Warum?“ fragte ich sie.
„Die Juilliard ist eine gute Schule, die Beste und wenn ich dort einen Abschluss schaffe, kann ich sehr gut verdienen. Das brauche ich, um für meine Familie sorgen zu können.“, meinte sie mit fester Stimme.
Sie hatte immer noch nicht aufgesehen.
Warum musste sie für die Familie sorgen?
Ich verstand es nicht.
Auch nicht, warum sie nicht mit mir redete.
Gestern hatte sie mir doch versprochen, dass sie mich nicht verlassen würde.
Hatte sie gelogen?
Verdammt ich war einfach so verwirrt!
Sie verstand sich gut mit Fabio und Dennis, für meinen Geschmack vielleicht etwas zu gut, aber das würde ich niemals erwähnen.
Hatte sie es ihnen erzählt?
Hatte sie sich ihnen vielleicht anvertraut?
Ohne Frage waren mir die Blicke von Dennis aufgefallen, die zwischen uns wechselten.
Jaden übernahm meine Schicht, nachdem ich sie nach Hause gebracht hatte, damit ich mich noch um ein paar Dinge kümmern konnte.
Leider ließ meine Konzentration wieder zu wünschen übrig und meine Gedanken schweiften ab. Zu Selina und ihren Geheimnissen.
Sie hatte gemerkt, dass meine Stimmung lange nicht mehr so gut war, wie die letzten Tage und hatte sich von mir zurückgezogen.
Irgendwann gab ich seufzend meine Grübeleien auf und wählte eine Nummer.
„De Lucia, lange nichts mehr gehört, wie geht’s dir?“ meldete sich eine weibliche Stimme.
„Hey Jimmie, mir geht’s gut, ich brauch deine Hilfe.“ Meinte ich ernst.
An der anderen Leitung lachte sie auf.
„Ok, was kann ich für dich tun?“
„Ich brauche ein paar Infos zu einer Person.“
„Ok, ich brauche wie üblich ein Foto und den Namen,
dann hast du die ersten Ergebnisse in ein paar Stunden.“
„Ich schick dir die Daten rüber, danke.“
Es fühlte sich nicht gut an, hinter Selinas Rücken Informationen über sie einzuholen, aber sie ließ mir keine andere Wahl.
Jimmie fand alles über das Leben einer Person heraus, je länger sie Zeit hatte, desto tiefer würde sie graben.
Zügig erledigte ich die restlichen Geschäfte und holte die Jungs ab, dann machten wir es uns auf der Couch gemütlich und besprachen die Aufträge für nächste Woche.
Dem ersten Teil konnte ich noch gut folgen, aber irgendwann drifteten meine Gedanken ab.
Was tat Selina nun? War sie schon schlafen gegangen, konnte ich sie noch anrufen und mich entschuldigen?
Innerlich schüttelte ich mich.
Früher hatte ich mich nie entschuldigt.
Ich war Daniel de Lucia, alles was ich tat entschuldigte sich von selbst oder es gab keinen Grund dafür!
Aber Selina interessierte sich weder für meinen Namen noch für meine Stellung in dieser Welt.
Für sie war nur ich wichtig, und die Art wie wir miteinander umgingen. Leider war ich darin nicht besonders gut.
Am Abend übte ich meine Choreografie wieder und wieder. Ich hatte es in den letzten Tagen schliefen lassen, da ich die meiste Zeit bei Daniel verbracht hatte.
Morgen war die Audition, bis dahin durfte ich auf gar keinen Fall mehr verletzt werden, ich versuchte meinem Vater aus dem Weg zu gehen und achtete darauf, dass alles aufgeräumt war und sich genug Bier im Kühlschrank befand.
Während ich mich eigentlich auf die Schritte konzentrieren sollte, schweifte meine Gedanken aber zu Daniel ab.
Natürlich war mir bewusst, dass New York wahrscheinlich tödlich für unsere Beziehung sein würde.
Und damit könnte es auch schwierig werden was meinen Schutz anging.
Immerhin würde ich mit Ben allein gehen, es wäre sehr gefährlich für ihn.
Aber mein Plan stand fest, ich würde meinen Abschluss machen und dann Ben in New York anmelden.
Das mit meinen Eltern müsste ich noch klären, doch dafür hatte ich auch schon einen Plan.
Wohnungen in New York hatte ich mir auch schon angesehen und eine in Brooklyn gefiel mir ganz gut, sie war klein, reichte aber für uns aus und Ben hätte ein kleines Zimmer für sich.
Die Grundschulen dort waren alle sehr gut, zum Teil
boten sie Nachmittagsbetreuung mit an, was für mich eine Erleichterung sein würde.
Geld müsste ich nebenbei verdienen, in dem ich vielleicht in einem Diner arbeitete, für den Anfang und die ersten beiden Mieten hatte ich gespart, das Stipendium an der Juilliard erleichterte meine Pläne weiter.
Es war wirklich erstaunlich, wie schnell sie alles ändern konnte.
Wir hatten früher viel Geld, wir konnten uns kaufen was wir wollten, jetzt musste ich jeden Cent dreimal umdrehen und war auf Rabatte angewiesen, da wir sonst nichts kaufen konnten.
Bens Hosen wurden langsam auch immer kürzer und ich wusste, dass bald die Zeit kam, in der er sehr schnell, sehr viel wachsen würde.
Spätestens dann mussten wir dringend einkaufen.
Ich musste immer wieder an das Gespräch mit Dennis denken, bevor wir über die Juilliard gesprochen hatten.
Gott sei Dank hatte Daniel diesen Teil nicht mitbekommen.
„Wie bist du zu Daniel gekommen? Du bist so anders im Vergleich zu den anderen.“
Er drehte sich um und grinste mich an.
„Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich diese Dinge schon sehr viel länger tue als sie.
Ich habe mit zehn Jahren das Klauen angefangen.
Deswegen bin ich auch besser als sie.“
Ich sah ihn überrascht an, doch er grinste nur und setzte sich mit zwei Tassen zu mir.
Dann wurde sein Blick nachdenklich und er starrte auf seine Hände.
„Ich bin ein Waisenkind. Ursprünglich wurde ich in Houston geboren.
Ich lebte dort im Waisenhaus, fünf Jahre lang.
Dann wurde ich endlich von einer Familie in Texas aufgenommen. Leider nicht für lange, denn ich war nicht das Traumkind was sie wollten.
Ich war früher sehr dickköpfig und wenn ich irgendetwas nicht bekommen hatte, habe ich die Katze angezündet oder mit Vasen um mich geworfen.“
Geschockt sah ich ihn an, doch Dennis grinste immer noch. „Ich war ein sehr eigensinniges Kind.“
Ich lachte auf.
So nannte man das also.
„Naja, danach folgte noch eine andere Familie in South Carolina, aber auch das war nichts für mich. Also kam ich zurück nach Houston. Ich war zehn, als ich dann dort von einem Paar aufgenommen wurde.
Die Familie war toll.
Magda, meine Pflegemutter war eine wundervolle Frau.
Sie war nett zu mir, kümmerte sich um mich und tat alles, damit ich mit ihr sprach.
Denn zu dieser Zeit habe ich kaum gesprochen.
Ich war zwei Jahre dort und es war einfach perfekt, endlich fühlte ich mich fast wie zuhause, doch dann wurde Magda überraschend schwanger.
Ab diesem Zeitpunkt war ich nur noch das lästige Beiwerk, zumindest für meinen Pflegevater.
Wenn ich etwas nicht so tat wie er es wollte, schlug er mich grün und blau.
So etwas kannte ich nicht.
Nie hatte mich irgendjemand angefasst, aber er schlug mich und sagte mir, dass ich es verdient hätte.
Und ich glaubte ihm.
Ich wurde dadurch auch so wahnsinnig wütend.
Da fing ich an komplett eine düsterte Gegend abzurutschen.
Am Anfang habe ich nur kleine Dinge geklaut, doch in den weiteren beiden Jahren, stieg ich im Ort weiter auf.
Ich machte Drogengeschäfte, bis ich schließlich zu Waffen kam.
Ich schlug meinen Pflegevater zusammen und verließ nicht nur die Familie, sondern auch die Stadt.
Da war ich gerade fünfzehn geworden.
Es wurde nach mir gesucht.
Als ich durch drei Bundesstaaten gekommen war, schnappten sie mich und steckten mich in das nächste Heim, da ich noch minderjährig war.
Die Familie wollte mich natürlich nicht zurück.
Wieder versuchten sie mich irgendwo in einer anderen
Familie unterzubringen, doch keiner wollte mich haben.
Keiner wollte einen Kleinkriminellen Teenager bei sich aufnehmen.
Eine Woche vor meinem achtzehnten Geburtstag haute ich nach der Schule wieder ab und lief bis zur nächsten Stadt.
Ich ging davon aus, dass sie die Polizei wieder auf mich ansetzten würden, doch nicht geschah.
Ein paar Wochen lebte ich auf der Straße, dann hat de Lucia mich gefunden.
Ich hatte Geschichten von ihm gehört und war ziemlich beeindruckt.
Er war intelligent und wich den Bullen immer wieder aus.
Er nahm mich bei sich auf und gab mir zum ersten Mal ein wahres Zuhause.
Er hat akzeptiert, dass ich lange nicht über diese Zeit reden wollte und ließ mich in Ruhe.
Er brachte mir Respekt entgegen, zum ersten Mal in meinem Leben und er lehrte mir Disziplin.
Und so blieb ich bei ihm, lernte die Jungs kennen und sie wurden zu meiner Familie.“
Gebannt hatte ich ihn beobachtet.
Seine Geschichte war wahnsinnig traurig.
Er hatte in seinen jungen Jahren schon so viel
wegstecken müssen und doch war er immer so gelöst.
Vielleicht war er davon losgekommen und hatte bei Daniel einfach neu angefangen.
Wieder einmal liebte ich Daniel dafür, dass er jedem einzelnen der Jungs ein Zuhause und eine Familie gegeben hatte.
Egal was die Leute über ihn sagten oder er es selbst zu glauben schien, aber er war ein unglaublich guter Mensch.
Mein Handy klingelte und riss mich aus meinen Gedanken.
Ein Blick auf das Display und mein Herz machte einen kleinen Sprung.
„Hey.“
Einen Moment war es still.
„Ich hätte nicht gedacht das du drangehen würdest.“, murmelte er leise.
Etwas in meinem Bauch zog sich zusammen.
Hatten wir einen Streit gehabt? Hätte ich ihn schon viel früher anrufen sollen?
„Warum hätte ich es nicht tun sollen?“
Wieder war es still.
Es ging ihm nicht gut, ich konnte es fast schon spüren.
Ich setzte mich auf mein Bett und kuschelte mich in meine Decke, während ich auf seine Antwort wartete.
„Du solltest dich von mir fernhalten, ich sollte dich fortschicken, damit du in Sicherheit bist.“
Seine Stimme war heißer, nachdem ich verstanden
hatte was er gesagt hatte, zog sich mein Herz schmerzhaft zusammen.
Er wollte mich wegschicken?
Nach diesem Wochenende, nachdem er sich mir endlich etwas geöffnet hatte?
Bevor ich etwas erwidern konnte, sprach er schon weiter.
„Aber ich bin ein ziemlich selbstsüchtiges Arschloch und ich kann es nicht.“
Erleichtert stieß ich meinen angehaltenen Atem aus.
„Daniel… komm her.“
Ich hörte wie er scharf Luft einzog.
Damit hatte er nicht gerechnet. Ich hatte ihn entwaffnet und ihn um das Einzige gebeten was er noch mehr wollte, als mich in Sicherheit zu wissen.
In meiner Nähe zu sein und selbst dafür zu sorgen.
„Fünf Minuten.“ Sagte er dann und legte auf.
Erleichtert schloss ich die Augen und atmete tief durch.
Wenn er bei mir war, konnte ich ihn zumindest ansehen und berühren, wenn er etwas Verletzendes sagte.
Ein paar Minuten später erklang ein kleines Klopfen an meinem Fenster.
Als ich erschrocken aufsah, stand er auf meinem Balkon und wartete.
Ich unterdrückte ein Grinsen, hatte ich erwartet, dass er zur Haustür hereinspazieren würde?
Mit zitternden Händen öffnete ich die Tür und ließ ihn
herein.
Kalte Nachtluft zog hinter ihm ins Zimmer, doch ich bekam es fast nicht mit, nachdem er mein Gesicht in seine warmen Hände genommen hatte.
Unser Atem vermischte sich und er starrte mich an, als hätte er mich Wochen nicht gesehen.
Wieder roch ich, dass er gerade geraucht hatte, wahrscheinlich um seine Nerven zu beruhigen.
„Setz dich.“
Brachte ich hervor und löste mich schließlich von ihm, um die Tür in meinem Rücken zu schließen.
Ich hatte nicht erwartet, dass er es wirklich tun würde, wenn man es ihm befiel, doch er setzte sich auf meine Bettkante und musterte mich aus der Ferne.
Plötzlich fühlte ich mich unwohl und zog meine Strickjacke fester um mich.
Vielleicht war es keine gute Idee gewesen ihn herzubitten.
Er war bestimmt sehr viel größere und luxuriösere Schlafzimmer gewöhnt.
Nervös kaute ich auf meine Unterlippe und wusste nicht wo ich hinsehen sollte.
„Komm her.“
Er streckte seine Hand nach mir aus und sein Blick war sanft.
Kein Befehl. Eine Bitte.
Zögernd bewegte ich mich auf ihn zu und ließ mich von
ihm an seine Brust ziehen.
Kurz darauf saß ich auf seinem Schoß, während er an meiner Wand lehnte.
„Was du vorher gesagt hast…“, begann ich leise.
Sein Blick suchte meinen.
Ich konnte alles sehen, die Verunsicherung, die Versuchung, selbst die Wut ganz hinten verpackt.
„… das ist absoluter Schwachsinn, ich bin nirgendwo sicherer als bei dir. Und ich werde dich nicht verlassen. Das mit New York ist in über einem halben Jahr, bis dahin finden wir eine Lösung.“
Wir schwiegen, während er darüber nachzudenken
schien.
„Wie kannst du mich nur so ansehen, in deinen Augen sehe ich nie Angst, nie Vorwürfe, wie kann das sein? Ich bin kein guter Mensch, ich…“ Seine Stimme klang rau, fast schon schwach.
„Doch das bist du, Fabio hat mir erzählt, dass du die Jungs nach und nach gerettet hast. Ich habe keine Ahnung was du bei diesen Aufträgen tust, aber das verändert nicht wer du bist. Wer du für mich bist. Ich habe keine Angst, vor dir schon gar nicht. Gib mir bitte keinen Grund dafür.“
Seine Augen glühten, als würden meine Worte ihn tatsächlich erreichen.
„Leila ist wegen mir gestorben. Sie wurde wegen mir umgebracht und ich konnte nichts dagegen tun, ich dachte ich kann sie beschützen. Aber letztendlich wurde ich leichtsinnig und sie haben sie erledigt.“
Mein Magen zog sich zusammen, sie war ihm also nahegestanden und er gab sich die Schuld an ihrem Tod.
„Erzähl mir von ihr.“ verlangte ich, auch wenn ich mir nicht sicher war, ob ich die Geschichte hören wollte.
Ihre Geschichte.
Daniel Gesicht war wieder zu seiner Maske versteinert, sein Blick ging in die Ferne, fort von mir.
Nur sein Arm hielt mich noch fest bei ihm.
„Sie war auf dieser Party, hatte sich mit Leon angefreundet. Ich dachte sie wäre nur ein OneNight Stand, aber sie tauchte immer öfter bei uns auf, sodass ich sie irgendwann mit zur Schule nahm.
Es störte mich, dass sie so oft bei Leon war und somit auch in meiner Nähe.
Für Frauen ist es in unserer Welt immer gefährlich, auch wenn wir alles tun, um sie zu schützen.
Ich habe versagt, das werfe ich und auch Leon mir vor.“
Ich runzelte die Stirn und hob meinen Kopf von seiner Schulter.
Noch immer sah er mich nicht an.
„Er wollte sie auf diese Party begleiten, aber ich hatte einen Job für ihn. Wir haben gestritten, schließlich ging er und ich versprach auf sie aufzupassen.
Am Anfang war das auch kein Problem, wir konnten uns nie besonders gut leiden, aber sie wusste, dass sie in meiner Nähe bleiben musste.
Verdammte zehn Minuten war ich abgelenkt, von einer Frau. Als ich wieder zurückkam war sie weg.
Ich habe die ganze verdammte Nacht nach ihr gesucht.
Am Morgen fanden wir dann ihre Leiche.
Sie hatten sie umgebracht, weil sie dachten sie wäre mit mir zusammen, sie dachten sie wüsste über Geheimnisse Bescheid.“
Ich schluckte.
Die Geschichte war vollkommen anders, als ich sie von Mel oder Michael erfahren hatte.
Vollkommen anders als alles was ich erwartet hatte.
„Du bist nicht schuld an ihrem Tod. Diejenigen die sie getötet habe, die sind schuld, du konntest sie nicht den ganzen Abend im Auge behalten. Selbst wenn, hätten sie sie sich wann anders geholt. Auch Leon kann dir dafür nicht die Schuld geben.“
„Ich hatte die Verantwortung für sie. Ich hätte besser auf sie aufpassen müssen.“ Seine Augen fanden wieder meine.
Es lagen so viele Schmerz darin. Er machte sich so viele Vorwürfe.
„Ich könnte es nicht ertragen, wenn dir was passiert. In dieser Hinsicht kann ich jetzt Leons Wut auf mich nachvollziehen.“
Ich schüttelte den Kopf.
„Er ist immer noch hier, er ist einer deiner engsten Freunde, wenn er auf dich wütend wäre, wäre er doch längst gegangen. Ich denke, dass er dir schon längst verziehen hat, du musst dir nur noch selbst verzeihen Daniel.“
Er wandte sein Gesicht von mir ab, aber ich sah den Schmerz und hielt ihn nah bei mir.
Gemeinsam schwiegen wir eine ganze Weile.
„Mir wird nichts passieren, ich bin bei dir und ich vertraue dir. Du solltest dir selbst auch mehr vertrauen.“
Seine Lippen fanden meine Schläfe und so verharrten wir.
Ich spürte seinen ruhigen Atem an meiner Stirn.
Mein Blick fiel auf meinen Wecker.
Er zeigte 04:50 Uhr, stöhnend drehte ich mich um.
Naja, eher versuchte ich es, denn ein Arm hielt mich fest in meiner Position.
Als ich aufsah, lag Daniel schlafend neben mir.
Er trug immer noch seine Jeans und sein T-Shirt.
Ich strich mit meinen Fingern über seine Wange.
Er hatte tatsächlich bei mir geschlafen.
Gerade als ich mich abwenden und aufstehen wollte, wurde sein Griff fest und zog mich zurück an seine Brust.
Dann öffnete er langsam die Augen.
„Geh nicht.“, murmelte er noch verschlafen.
Ich lächelte.
„Wir müssen zur Schule.“ Antwortete ich und mein Blick fiel wieder auf die Uhr.
Daniel verdrehte die Augen und zog die Decke wieder hoch.
„Ja, in drei Stunden.“
Damit schloss er die Augen, aber nicht bevor er mich warnend ansah, sollte ich es wagen nicht das gleiche zu tun.
Lächelnd legte ich meinen Kopf wieder an seine Brust und beobachtete sein entspanntes Gesicht.
Würde ich mich jemals daran satt sehen können?
Ein leichtes Rütteln an meiner Schulter weckte mich.
Daniels Kopf schwebte über mir, er grinste mich
spöttisch an.
„Aufwachen Schlafmütze, wir müssen los.“
Erschrocken fuhr ich hoch.
Es war halb acht!
„Scheiße, Daniel! Warum hast du mich nicht früher geweckt… ich muss… wir kommen zu spät.“
Ich sprang aus dem Bett und schnappte mir die erst besten Klamotten aus meinem Kleiderschrank.
Daniel saß auf meinem Bett und lachte über meine Hilflosigkeit, als ich meine Sachen zusammensuchte.
Schnell weckte ich Ben, der ebenfalls länger geschlafen hatte.
Ich kam in mein Zimmer zurück, versuchte gleichzeitig meine Haare zusammenzubinden und meine Tanzsachen zu packen.
Seine Stirn war gerunzelt er sah wütend aus.
„Alles ok?“ fragte ich und Daniel sah von seinem Handy auf.
Kurz musterte er mich, dann stand er auf und zog mir den Haargummi wieder aus den Haaren.
Als ich die Augenbraue skeptisch hob, grinste er wieder und wandte sich dann ab.
„Lass uns gehen.“
Das Frühstück musste ausfallen, wir hielten nur schnell beim Bäcker und nachdem wir Ben abgeliefert hatten,
waren es nur noch drei Minuten bis zum Schulbeginn.
„Daniel wir werden zu spät kommen.“
Jammerte ich und sah verzweifelt auf den tickenden Sekundenzeiger.
Er zuckte neben mir nur die Schultern.
„Ist doch egal, die können froh sein, dass wir überhaupt kommen.“
Auf seinen Lippen lag wieder ein Hauch eines Grinsen, während er seinen Blick auf der Fahrbahn behielt.
Zumindest etwas bei seinem viel zu überhöhtem Tempo.
„Ich kann mir sowas nicht leisten!“ hielt ich dagegen.
Da sah er mich doch an und verdrehte die Augen.
„Du hast keinen einzigen Fehltag, jetzt entspann dich
mal, es bringt dich nicht um, einmal zu spät zu kommen.“
„Woher weißt du das?“ fragte ich ihn etwas überrascht.
Wieder schlich sich sein Grinsen auf sein Gesicht.
„Ich habe da meine Quellen, Baby.“
Blut stieg mir in die Wangen und ich sah aus dem Fenster, da ich nicht wusste was ich darauf erwidern sollte.
Seine Hand griff nach meiner und beruhigte meine Nerven etwas.
Erst zehn Minuten nach Unterrichtsbeginn erreichten wir den Schulhof und ich sah mich nervös um.
Wir waren die Einzigen, und aus den Klassenzimmern hatte man einen perfekten Blick auf den Parkplatz.
Daniel parkte entspannt und schlenderte an meiner Seite auf das Schulgebäude zu.
Das Grinsen auf meinen Lippen war nicht zu verhindern.
Er hatte recht, ich war noch nie zu spät gekommen.
Einmal konnte ich mir sicher leisten.
Auf dem Flur zog er mich an sich und hauchte einen Kuss an meine Schläfe.
Mel warf mir einen misstrauischen Blick zu, als ich ins Klassenzimmer trat, die anderen sahen eher überrascht aus, denn ich war keine die auffiel.
„Ich könnte nicht sagen, dass du einmal in den letzten sechs Monaten verschlafen hast, also sag mir was heute anders war.“ Murmelte sie neben mir, als ich mich
setzte.
Wieder schlich sich dieses Grinsen auf meine Lippen.
Nach Mels Blick zu urteilen verriet das schon alles, denn sie verdrehte die Augen und wandte sich dann wieder an unseren Lehrer.
Hast du Ärger bekommen?
Mein Herz schlug schneller als ich Daniels Nachricht auf meinem Display sah.
Von Mel.
Seine Antwort kam ein paar Sekunden später.
Also nicht. Das nächste bleiben wir gleich im Bett.
Verkrampft presste ich die Lippen zusammen, um nicht schon wieder zu Lächeln oder gar loszulachen.
Mel begleitete mich nach dem Ende der letzten Stunde ins Theater, verkniff sie jeden weiteren Kommentar zu meiner morgendlichen Verspätung.
Ich hatte noch eine halbe Stunde bevor die Professoren der Juilliard kommen würden, auch wenn ich die Choreo im Schlaf konnte, übte ich sie noch dreimal.
Nervös knetete ich meine Finger, während ich mich aufwärmte und Mel neben mir stand.
„Selina beruhige dich jetzt, du hast die Choreo drauf und bist fit. Du schaffst das.“
Mel nahm mich in den Arm und ermutigte mich weiter.
Verdammt warum war ich nur so nervös?
Weil mein und Bens Leben davon abhing?
Plötzlich hörte ich Schritte hinter mir und drehte mich um.
Daniel kam durch den Gang auf uns zu und lächelte mich
leicht an.
„Alles klar bei dir?“ fragte er.
Erleichtert holte ich Luft und nickte.
Ich war mir keine Sekunde sicher gewesen, dass er kommen würde, oder er sich überhaupt daran erinnerte, dass die Audition heute war.
Ich lächelte und ließ mich von ihm in den Arm nehmen.
Sein Atem streifte meine Wange und meinen Hals.
Sofort beruhigte ich mich ein bisschen und schmiegte mich näher an ihn.
Ich schloss die Augen und atmete tief durch.
„Du machst das schon, Baby.“ flüsterte er an mein Ohr und ich lächelte wieder.
Zusammen mit Mel verschwand er hinter dem Vorhang, der in den Theaterraum führte.
Nachdem ich mich einigermaßen gesammelt hatte, trat ich hinter dem Vorhang hervor und begrüßte die Vertreter der Juilliard.
Es war ein Mann und eine Frau mittleren Alters, sehr gutgekleidet, sie sahen aus wie richtige New Yorker.
Kurz unterhielten wir uns, dann schickten sie mich auf die Bühne.
Die ersten Klavierklänge ertönten und ich drehte mich um.
Dann die ersten Schritte.
Nach ein paar Sekunden fühlte ich mich vollkommen frei.
Ich konnte mich konzentrieren, drehte mich, wenn die Takte es vorgaben und landete gekonnt nach den Sprüngen.
Drehung, Sprung, Schritte, Halbe Drehung, noch ein Sprung und die letzte Drehung.
Dann stand ich in der End-Position und in derselben Sekunde verstummte das Lied.
Meine Lehrerin klatschte aufgeregt, auch Jack und Kate fielen mit ein.
Sie lächelten beide.
Sie kamen zur Bühne, während ich mich auf den Rand setzte.
Mein Herz schlug schnell, meine Hände zitterten wieder.
„Selina, das war wirklich gut, wie du die Drehungen ausgetanzt hast, die Sprünge gut abgefedert, also ich bin absolut begeistert.“, meinte Jack und seine Augen leuchteten.
Ich errötete ein wenig, mein Herz schlug noch ein bisschen schneller.
Kate nickte. „Ja da kann ich ihm nur zustimmen, du hast wirklich Talent, das war sehr gut.
Es ist als würdest du den Takt fühlen und spüren wie das Lied als nächstes verläuft.
Du hast dir wirklich keinen einzigen Fehler erlaubt und das beeindruckt mich ungemein. Ich würde gerne mehr von dir sehen.“
Ich lächelte sie an und bedankte mich.
Noch nie hatte ich so viel Lob bekommen und noch nie hatte es mir so viel bedeutet.
Ich sah einen Hoffnungsschimmer in mir aufglimmen und atmete wieder tief durch, um mich zu beruhigen.
„Wir können leider nichts allein entscheiden, obwohl ich mir sicher bin, dass unsere Kollegen genauso begeistert sein werden. Wir nehmen das Video mit, dann bekommst du von uns Bescheid, sobald wir eine Entscheidung haben.“
Jack zwinkerte mir zuversichtlich zu.
Wir verabschiedeten uns und nachdem auch meine Lehrerin mir nochmal zusicherte, wie begeistert sie war, ging ich nach hinten, wo Daniel und Mel schon auf mich warteten.
Mel sprang auf mich zu und schloss mich in die Arme, während Daniel mir einen Kuss auf die Stirn hauchte.
„Ich habe es gewusst, gewusst, gewusst, sie werden dich nehmen, keine Frage, die waren doch beide so begeistert, also wenn das nichts wird, dann weiß ich nicht was die da dort machen.“
Mel redete aufgeregt immer weiter, während wir gemeinsam zum Ausgang gingen. Ich hatte Mel und Michael versprochen nach dem Auftritt mit ihnen essen zu gehen. Sehr zu Daniels Missfallen, denn er ließ mich nur ungern allein. Schließlich musste er aber auch los, da er noch einen Job zu erledigen hatte.
Er versprach mir, dass er mich abholen würde.
Michi war begeistert, dass es so gut funktioniert hatte und überhäufte mich mit Umarmungen, Glückwünschen und Lob.
Irgendwann wurde mir das Ganze zu viel und ich hielt ihm einfach den Mund zu.
Ein paar andere Mädels, die ich aus meiner Klasse kannte, gratulierten mir, doch ich spürte das etwas anders war, sie blieben auf Abstand.
Mel meinte dies sei wegen Daniel, dass sie Angst vor ihm hätten und da ich ihm offensichtlich nahestand hatten sie auch Respekt vor mir.
Kompletter Schwachsinn, aber mir konnte es egal sein.
Wir hatten einen wunderschönen Nachmittag zu dritt, während wir auf dem Footballfeld der Schule saßen, mit Michael ein paar Bällen warfen und uns mit Burger und Pommes vollstopften.
Daniels Auto stand mitten auf dem Schulhof, er lehnte lässig daran.
Doch was ich dann sah, ließ meinen Magen sich zusammenziehen.
Ein Mädchen stand neben ihm und die beiden unterhielten sich.
Sie war wunderschön, ihr blondes Haar fiel wie Gold auf ihre Schultern.
Sie trug eine enge Jeans und ein weitausgeschnittenes Top mit einer braunen Lederjacke darüber.
Sie war der Typ Mädchen auf den man neidisch sein musste!
Und sie unterhielt sich mit meinem Freund.
Anscheinend sehr ausgelassen, denn sie lachte auf, während er sie durch die verspiegelten Gläser seiner Sonnenbrille angrinste.
Ich war stehen geblieben und beobachtete die beiden gebannt an.
Mel sah mich verwirrt an, dann folgte sie meinem Blick und schnappte nach Luft.
„Sel… willst du noch mit zu mir?“
Mein Blick hing fest auf ihm und ich hatte das Gefühl von innen heraus zerfressen zu werden.
„Nein, mir geht’s gut.“
Ich drückte ihr einen Kuss auf die Wange und wandte mich ab.
Langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen und trat zu den beiden.
Daniel sah zu mir auf und lächelte.
„Hey.“
Ich schluckte schwer.
Er tat so als wäre sie nicht da. War das sein Ernst?
Mein Blick wechselte zwischen dem Mädchen, was mich
nun von oben bis unten musterte und ihm.
„Hey.“ Erwiderte ich dann.
„Ich bin dann mal weg, wir sehen uns de Lucia.“, damit drehte sie sich um und verschwand zwischen den Autos des Parkplatzes.
Daniel stieß sich vom Auto ab und ging einen Schritt auf mich zu.
Schweigend trat ich zu Seite und ging zum Auto.
„Alles ok?“ fragte er leise und ich nickte nur, dann stieg ich ein.
Als er vom Parkplatz fuhr nahm er meine Hand und streichelte sie sanft.
Was sollte das?
Versuchte er mich etwas zu beruhigen?
Ich wusste das es lächerlich war, wegen diesem Mädchen angepisst zu sein, aber ich war es nun mal.
„Wer war das Mädchen?“ fragte ich ihn dann, etwas schlecht gelaunter im Ton als geplant.
Sein Blick lag sofort auf mir, als versuchte er herauszufinden was ich dachte.
„Bist du etwa eifersüchtig Baby?“, ein kleines Zucken war in seinen Mundwinkeln zu erkennen und ich warf ihm einen bösen Blick zu.
„Mistkerl.“
Das brachte ihn zum Lachen.
Er hielt an der nächsten roten Ampel und im nächsten Moment hatte er mich an sich gezogen.
Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, als ich ihn überrascht ansah, dann legten sie sich auf meine und ich vergaß warum ich gerade noch wütend auf ihn war.
Verdammt!
Ich war so überrumpelt, dass seine Zunge sofort an meine stieß und sie herausforderte.
Innerhalb von Sekunden reagierte mein Körper wie gewohnt auf ihn und ich umklammerte seinen Arm.
Als er mich freigab, glühten seine Augen förmlich.
„Das war Olivia, sie ist Jasons Schwester. Nicht konkurrenzfähig.“, murmelte er an meinen Lippen.
Einen Moment musste ich noch nach Luft schnappen und mich wieder sammeln.
Als wäre nichts gewesen, fuhr er weiter, seine Hand hielt meine aber weiterhin fest und sein Daumen malte Kreise auf meinem Handrücken.
„Sie ist hübsch.“, stellte ich nach einer Weile, in der wir geschwiegen hatten, fest.
Daniels nächster Blick war wieder auf mich gerichtete.
„Kein Grund zur Sorge, du bist mein Mädchen, sie kommt nicht an dich ran.“, seine Lippen zogen sich wieder zu einem Grinsen und er zwinkerte mir zu.
Mein Herz schmolz.
Sein Mädchen, Gott wie viel mir diese zwei Worte bedeuteten.
Es war die Wahrheit, ich gehörte ihm voll und ganz.
Damit war das Thema für ihn erledigt und er fragte mich über Auffälligkeiten am Nachmittag aus.
Hauptsächlich wollte er wissen ob irgendwelche Jungs außer Michael sich in meine Nähe getraut hatten.
Vor unserem Haus hielt er und ich sah Dennis mit Ben im Garten Fußball spielen.
„Ich muss noch arbeiten.“
Daniel sagte nichts mehr, aber ich wusste, dass wir beide gerne mehr Zeit zusammen verbracht hätten.
Bevor ich ausstieg gab er mir noch einen Kuss auf unsere verschränkten Hände, dann fuhr er weg.
Dennis begrüßte mich grinsend.
Ben begrüßte mich freudestrahlend, bis er wieder zu Dennis lief der ihm ein paar Tricks mit dem Ball zeigte.
Die ganze Woche ging ungefähr so weiter. Ich sah Dennis gefühlt öfter als Daniel, weil dieser so oft unterwegs war.
Am Wochenende gab ich meiner Tante frei und nahm Ben mit zu Daniel, weil er einen Job hatte, bei dem er alle Jungs brauchte.
Wir saßen im Garten und spielten Spiele, bis ich am Abend das Essen vorbereitete.
Seltsam, dass das für mich schon fast alltäglich wurde, die Jungs waren zu irgendwelchen Jobs unterwegs und ich wartete zuhause.
Ben und schauten gerade seine Kinderserie, als ich die
Autos in der Auffahrt hörte und Stimmen vernahm.
Schnell machte ich den Rest des Essens fertig und deckte den Tisch, sie hatten bestimmt Hunger.
Laute Stimmen tönten durch den Gang und als ich ins Wohnzimmer trat, flitzte Ben in meine Richtung, um sich hinter mir zu verstecken.
Natürlich, die einzige laute Stimme bei uns war Dad und das war meistens nichts Gutes.
Beruhigend beugte ich mich zu ihm und strich ihm durchs Haar.
„Fuck, warum muss Tuck gerade dieses Wochenende in scheiß Chicago rumhängen, ey.“
„Beruhige dich, wir bekommen das auch hin…“
Dennis kam als erste um die Ecke und warf mir einen besorgten Blick zu. Dann änderte sich sein Gesichtsausdruck und er nahm Ben auf die Arme.
Ihn begrüßte mein Bruder quietschend, er vertraute ihm und hatte gerade in der letzten Woche viel Zeit mit ihm verbracht.
„Kannst du mal nach unten gehen, Fabio hats erwischt.“ Flüsterte Dennis mir zu, bevor er ihn in den Garten trug, wahrscheinlich damit er nicht mitbekam was im Haus geschah.
Mein Atem stockte, dann stürzte ich in den Flur.
Fluchend stützten sie Fabio, dessen Shirt voller Blut war.
Ich war wie gelähmt und beobachtete das Spektakel vor mir, als Daniel sich zu mir umsah riss ich mich los und
eilte zu ihnen.
„Bringt ihn runter.“ Wies ich sie an und schon schleppten sie Fabio die Treppen hinunter in Tucks provisorische Praxis.
Schnell folgte ich ihn, durchsuchte sämtliche Schubladen und Schränke nach Utensilien.
Fabios Stöhnen wurde lauter.
Schnell zog ich mir Handschuhe über und trat zu ihm.
Daniel hatte sein T-Shirt aufgerissen und Leon reichte mir in Alkohol getränkte Tücher, um Fabios Oberkörper zu reinigen, vor lauter Blut konnte ich nicht mal die Wunde sehen!
Ich schickte einen stummen Dank an meine Mutter, die mir in Miami beigebracht hatte wie man sämtliche Arten von Wunden versorgte.
„Was ist passiert?“, fragte ich die anwesenden während ich mir das Loch an Fabios rechter Flanke ansah.
„Er wurde angeschossen.“ klärte Jaden mich sofort auf.
„Gibt es eine Austrittswunde?“
Als niemand antwortete sprach ich einfach weiter.
“Wir müssen ihn umdrehen!“
Sie halfen mir Fabio wieder anzuheben, was dieser mit einem weiteren Stöhnen kommentierte.
Erleichtert atmete ich auf.
Da war die Austrittswunde.
„Es ist ein glatter Durchschuss, halb so schlimm. Wo hat Tuck das Morphium?“
Nach nur ein paar Sekunden reichte Leon mir eine
Spritze.
Ich initiierte Fabio das Schmerzmittel, sodass er sich ein wenig entspannen konnte und machte mich an den Verband.
Mit geübten Handgriffen und die Hilfe der anderen, die Fabio immer wieder anheben musste, damit ich den Verband um seinen Bauch legen konnte.
Nachdem das geschafft war und die Wunde nicht mehr blutete atmete ich erleichtert durch.
Sie hatten Fabio auf ein Bett im Nebenraum gelegt, er würde wohl noch eine Weile schlafen.
„Geht’s sonst allen gut?“, prüfend sah ich sie der Reihe nach an.
Alle nickten sofort. Dann verschwanden sie nacheinander unter die Dusche, während ich den Raum vom Blut säuberte und mich dann zu Fabio an Bett setzte, um seine Vitalzeichen im Auge zu behalten.
„Hey, wie geht’s ihm?“
Jaden trat neben mich und sah besorgt zu seinem Freund.
„Unverändert, aber es hat aufgehört zu bluten was schonmal gut ist.“ Er nickte.
„Du solltest nach oben gehen, Ben hat nach dir gefragt. Ich werde solang bei ihm bleiben.“
„Ok, ich bring dir gleich was zu essen runter.“
Ich wandte mich schon zum Gehen, als Jaden auf
meinem Stuhl Platz nahm und sich umsah.
„Sel? Woher wusstest du was zu tun ist? Du hast ausgesehen als wüsstest du genau was du zu tun hattest.“ Forschend musterte er mich.
Ich nickte und lächelte leicht.
„Meine Mutter ist Krankenschwester, sie hat mir gezeigt wie man sich um solche Wunden kümmert.“ Ich zuckte die Schultern.
„Das war nicht unbedingt unpraktisch in einer Stadt wie Miami, auch wenn ich es bis jetzt nicht gebraucht habe.“
Jaden nickte.
„Danke.“
Ich verließ den Raum und ließ die beiden allein.
Oben fand ich Leon, Jason und Daniel in der Küche vor, wie sie sich leise unterhielten.
Ich trat zu ihnen und brachte sie auf den neusten Stand bezüglich Fabios Zustands.
„Hey Jungs, Essen ist fertig.“, rief ich in den Garten, wo Ben und Dennis immer noch herumtobten.
Sie flitzten herein und reservierten sich direkt die Plätze nebeneinander.
Die Stimmung während des Essens war etwas bedrückt, doch Ben und Dennis ließen sich davon nicht runterziehen.
Sie sprachen über den Kindergarten, Sportarten und Mädchen, sodass auch bei Daniel das ein oder andere Lächeln erschien.
Wie anderen hingen ein wenig unseren Gedanken nach.
„Ich sollte mit Ben nach Hause, dann könnt ihr bei Fabio bleiben und…“
Daniel sah sofort zu mir auf.
„Nein. Du… bleibst hier. Fabio ist ausgeknockt und muss sich eh ausruhen, es gibt nichts was wir tun könnten. Außerdem brauchen wir dich vielleicht noch einmal.“
„Ja Sel, bitte geh nicht.“, schickte Dennis hinterher und warf mir einen bedeutungsvollen Blick zu.
Schnell nickte ich und wandte mich ab.
Während ich einmal stündlich nach Fabio und Jaden sah, der den Raum noch nicht einmal verlassen hatte, machten es sich die anderen im Wohnzimmer gemütlich, wo sie mit Ben Autorennen auf dem Fernseher spielten.
Ben sah Daniel immer ehrfürchtig an und hörte aufmerksam zu, wenn er ihm erklärte was er tun musste oder wo er die Controller bedienen sollte.
Mein Bruder wollte unbedingt bei Dennis schlafen, und nachdem dieser auch einverstanden war, brachte ich seine Tasche gleich in das Zimmer.
Dennis konnte super mit Kinder umgehen, ich fragte mich, ob er das vom Kinderheim konnte, oder ob er es einfach im Blut hatte.
Ich las meinem Bruder seine Gute Nacht Geschichte vor und er schlief schneller ein als sonst, der Tag hatte ihn wahrscheinlich an seine körperlichen Grenzen gebracht
und er war erschöpft.
Müde kuschelte ich mich an Daniel, der mich in den Arm nahm, aber nebenbei noch telefonierte und arbeitete.
Wegen einem mir bekannten Geräusch schreckte ich mitten in der Nacht wieder auf.
Zuerst war ich verwirrt, ich lag in Daniels Bett, er schlief neben mir.
Wie immer lag sein Arm um mich geschlungen.
Hatte er mich mal wieder hergetragen?
Ich musste ziemlich tief geschlafen haben.
Dann hörte ich nochmal dieses Geräusch, es kam von nebenan.
Das war Dennis Zimmer, wo Ben schlief!
Schnell stand ich auf und schlüpfte in einen langen Pullover von Daniel, weil ich wieder mal nur Unterwäsche trug, dann lief ich hinüber.
Bens Wimmern ertönte von der linken Seite des Bettes.
Auf der anderen schlief Dennis noch tief und fest.
Ich lief zu meinem kleinen Bruder und rüttelte ihn wach, je schneller er aus dem Traum aufwachte, desto weniger musste er sehen.
Mit einem Schrei wachte er schließlich auf.
Über seine Wangen liefen Tränen und er sah sich verwirrt um.
Schnell knipste ich das Nachttisch Licht an, damit er mich erkannte.
Weinend fiel Ben in meine Arme und ich hielt ihn fest.
„Ist schon ok, mein Schatz, ich bin ja da… ganz ruhig… du
bist in Sicherheit… dir passiert nichts.“
Als Dennis realisiert hatte, was gerade passierte, fuhr er hoch und kam mit besorgter Miene zu uns rüber.
Schnell half er mir, mich mit Ben auf die Bettkante zu setzten und strich ihm beruhigend über den Rücken.
„Ich… Sel… es war Dad… Dad war da und er hat… er hat uns wehgetan…“ seine Stimme klang weit weg.
Ich schloss die Augen und presste die Lippen zusammen.
Verdammt, davon wollte ich ihn fernhalten.
Von diesen Alpträumen, wie ich sie hatte.
Überraschenderweise hatte ich sie wirklich nur zuhause, wenn Daniel nicht neben mir lag.
Mein Bruder weinte immer noch, als ich wieder aufsah, lag Dennis besorgter Blick auf mir.
Da öffnete sich die Tür und Daniel kam herein, er trug nur Shorts und sah verschlafen aus, wahrscheinlich war er von Bens Weinen aufgewacht.
Er kam näher und ging dann vor mir in die Hocke.
Schnell riss ich mich wieder zusammen und drückte Ben enger an mich, hoffentlich sagte er nichts mehr.
„Ich werde bei ihm bleiben heute Nacht.“, sagte ich zu den beiden dann leise.
„Ich kann auf dem Sofa schlafen.“ Meinte Dennis und
wollte schon aufstehen.
„Nein Dennis, das ist dein Zimmer, du schläfst hier, ich geh…“ erwiderte ich sofort.
„Ben schläft bei uns.“ Meinte Daniel und sein Blick lies keinerlei Diskussion zu.
Auch wenn ich diesen Blick hasste, diesmal war ich ihm wirklich dankbar dafür.
Ich stand vorsichtig auf, meinen Bruder immer noch auf dem Arm und ging dann aus dem Zimmer.
In Daniels legte ich Ben vorsichtig hin, er war schon wieder eingeschlafen, die Frage war nur wie lange.
Daniel kam hinter mir, und schloss die Tür.
Ich setzte mich neben meinen Bruder und betrachtete ihn besorgt.
„Danke.“ flüsterte ich, als Daniel neben mir aufs Bett kam.
Er nickte.
„Versuch noch ein bisschen zu schlafen.“
Ich legte mich neben Ben und hielt ihn im Arm.
„Was ist mit dir?“ fragte ich leise.
Er schüttelte den Kopf. „Ich geh mal nach Fabio sehen.“
Ich nickte und beobachtete wie er sich eine Jogginghose und ein Shirt überzog, dann verließ er das Zimmer.
Ich wachte auf, als jemand vorsichtig an meinem Arm zog, ich hatte die Augen noch nicht geöffnet, ich wollte noch nicht aufstehen.
„Ben…, lass Selina noch ein bisschen schlafen… komm wir gehen frühstücken.“
Daniels leise Stimme nahm ich auf meiner anderen Seite
wahr, dann hörte ich leise, tapsende Schritte und eine Tür, die sich öffnete und schloss.
Bevor ich groß überlegen konnte, was passiert war, war ich schon wieder eingeschlafen.
Als ich das nächste Mal aufwachte, fiel helles Licht ins
Zimmer, es musste schon fast Mittag sein.
Wann hatte ich das letzte Mal so lang geschlafen?
Mühsam stand ich auf und ging ins Bad um zu Duschen.
Die Stimmen führen mich in die Küche, dort waren alle versammelt und saßen am Frühstückstisch.
Sogar Fabio saß dort!
Ich trat ein und sah ihn erschrocken an.
„Hey Doc, da bist du ja.“ Er grinste, als wäre nichts passiert.
„Fabio… geht’s dir gut? Was machst du hier, du solltest dich noch ausruhen!“
Er winkte ab. „Mir geht’s gut, wie du gesagt hast es war ein glatter Durchschuss, in ein paar Tagen bin ich wiederhergestellt, dank deiner Zauberkräfte.“
Daniel schob mich zu einem leeren Stuhl und gab mir eine Tasse Kaffee, langsam entspannte ich mich, warf aber immer wieder sorgenvolle Blicke auf Fabios Seite, wenn er ruckartige Bewegungen machte.
Sie unterhielten sich und lachten laut, mitten unter ihnen saß mein kleiner Bruder und erzählte irgendwelche Witze und Geschichten.
Die Stimmung war so viel gelöster als gestern, nachdem es Fabio wieder einigermaßen gut ging.
Als Tuck am Abend von seinem Job wiederkam untersuchte er Fabio nochmal und wechselte die Verbände.
„Es sieht alles gut aus, ziemlich gute Arbeit Selina.“
Ich lächelte verlegen.
Als ich nach Hause kam, hörte ich Geräusche aus dem Wohnzimmer und sah auf.
Mein Vater stand in der Tür und sah wütend zu mir. Nicht nur wütend, sein Blick war mörderisch.
Ich erstarrte in meiner Bewegung und ging alles durch was hätte passieren können in den letzten Tagen.
Was hatte ich vergessen oder nicht zufriedenstellend ausgeführt?
Dann fiel mein Blick auf das Stück Papier was er in der Hand hielt.
„Was ist?“ fragte ich feindselig.
Sein Blick wurde noch kälter.
„Was soll das?“ fragte er mich mit zitternder Stimme.
Er zitterte vor Wut.
Normalerweise würde ich sofort auf Abstand gehen, aber es machte keinen Sinn in diesem Zustand. Er würde mich ja doch wieder zurückholen.
„Ich habe keine Ahnung von was du redest.“
Meinte ich weiterhin und legte meine Tasche ab.
„Ich rede von der Juilliard, haben wir dir nicht klar gemacht, dass das nicht funktionieren wird? Wir werden sicherlich kein Geld dafür verschwenden, außerdem wirst du hierbleiben und für deinen Bruder sorgen.“
Das war der Brief von der Juilliard?
Sie hatten sich ziemlich schnell entschieden. Erst vor einer Woche war die Audition gewesen.
Ich lachte bitter auf.
„Ich sorge für meinen Bruder, schon lange, seid du es nicht mehr tust, seit du nur noch im Wohnzimmer liegst und dir ein Bier nach dem anderen rein pfeifst. Was glaubst du von was ich das bezahle?
Du schlägst Mum dafür, dass sie in die Arbeit geht, aber nur wegen ihrer Arbeit bekommst du dein Bier. Du solltest dich schämen, ich hoffe wirklich, dass Ben dich so schnell wie möglich vergisst, denn so ein Vorbild will ich nicht für meinen Bruder.“
Nun zitterte ich auch.
All die Jahre, meine ganze Wut über das was er uns angetan hatte.
Nur wegen ihm mussten wir so leben, musste ich so leben!
Daniel anlügen und alles vertuschen.
Was ich sagte, fand bei ihm allerdings, wie immer, kein Gehör und im nächsten Moment spürte ich seine Hand in meinem Gesicht.
Er hatte wieder zugeschlagen.
Ich versuchte mich zu verteidigen, aber er war stärker, schlug und trat auf mich ein, bis ich nur noch weinend am Boden lag, dann zog er mich hoch und warf mich gegen den Schrank, wo die Scheiben zerbrachen.
Seine Hände schlossen sich um meine Kehle.
Panisch schnappte ich nach Luft.
„Du bist so undankbar, das ist wirklich unglaublich. Du Schlampe, hast du eine Ahnung was wir alles für dich geopfert haben?“
Noch ein Schlag und noch einer.
Irgendwann bekam ich nichts mehr mit und empfing dankbar die taube Dunkelheit.
Als ich aufwachte, war ich allein.
Er war wahrscheinlich in die Bar gegangen und hatte mich liegen lassen.
Mühsam versuchte ich aufzustehen, stöhnte aber unter den Schmerzen auf.
Arme, Rippenbereich, mein Kopf und mein rechter Fuß taten höllisch weh.
Außerdem im Nierenbereich, da hatte ich wohl auch etwas abbekommen.
Auf dem Tisch lag der Brief.
Vorsichtig robbte ich über die Glasscherben dorthin und nahm ihn in meine blutverschmierte Hand.
„Liebe Frau Alliston, wir freuen uns Ihnen mitteilen zu
können, dass wir Sie auf unserer Schule gerne willkommen heißen würden. Weiterhin bieten wir Ihnen ein kostenloses Stipendium an…“
Freudentränen vermischten sich mit den anderen.
Schnell steckte ich den Brief ein und stand mühsam auf.
Ich konnte mich nur sehr langsam bewegen und flach atmen.
Weg, ich musste hier weg!
So schnell wie möglich, wenn er wieder kam würde es weitergehen und ich war mir nicht sicher ob mein Körper noch mehr aushielt.
Ich schnappte mir mein Handy und Geld, steckte sie in meine Jackentasche.
Diese versuchte ich zuzuhalten, damit man nicht das zerrissene Kleid sah und humpelte aus dem Haus.
Beim Hinausgehen kam ich am Spiegel vorbei und erschrak.
Mein Gesicht war rot und geschwollen, während sich der
Bereich um mein Auge schon wieder blau färbte.
Meine Lippe war aufgesprungen und auch an meiner Schläfe klaffte eine Wunde aus der Blut über mein Gesicht lief.
Die Tränen liefen mir über die Wangen, ich konnte sie nicht mehr stoppen.
Schnell zog ich mir die Kapuze ins Gesicht und verließ das Haus.
Als ich an zwei Straßenecken vorbei war, atmete ich vorsichtig auf und holte mein Handy hervor.
Ich scrollte in der Kontaktliste runter und wählte dann die gesuchte Nummer.
„Selina?“ Seine Stimme klang sofort besorgt, als wüsste er warum ich genau ihn angerufen hatte.
Im Hintergrund hörte ich leise Stimmen, doch dann wurde es leise.
„Dennis… ich… ich könnte etwas Hilfe gebrauchen.“
Ich keuchte auf und versuchte normal zu atmen.
„Verdammt! Ich bin unterwegs, wo bist du?“
Ich nannte ihm schnell den Straßenamen und ließ mich dann an der Wand auf den Boden sinken.
Die Kapuze zog ich mir ins Gesicht, damit kein Vorbeigehender irgendwelche Fragen stellte.
Es dauerte vielleicht fünf Minuten, vielleicht auch weniger bis ich quietschende Bremsen und dann Schritte hörte, die näher kamen.
Dennis zog scharf Luft ein, als ich zu ihm aufsah.
Die Tränen liefen immer noch über meine Wangen und vermischten sich mit dem Blut.
„Verdammte scheiße.“ Murmelte er und legte mir die Decke um die Schultern, die er in der Hand hielt.
Etwas mit meinen Rippen stimmte nicht, ich konnte nur schwer atmen, mein Arm schmerzte auch immer schlimmer und mein Hals tat beim Schlucken ebenfalls weh.
Kein Wunder nachdem er mich lange gewürgt hatte,
nachdem ich mit der Vitrine Bekanntschaft gemacht hatte.
Es war wohl nur meinem Training zu verdanken, dass ich es überhaupt geschafft hatte weiterzulaufen und solange wach zu bleiben.
Mit einer schnellen Bewegung hob Dennis mich hoch, ich klammerte mich verzweifelt an seinen Hals.
„Es wird alles wieder gut, ich bring dich zu de Lucia, Sel du musst es ihm sagen. Er wird dich beschützten und dein Dad wird dich nie wieder anfassen. Gott ich hätte ihn kalt machen sollen, als ich ihn das erste Mal sah.“
Mit geschlossenen Augen schüttelte ich den Kopf, konnte aber nicht mehr sagen.
Die Autofahrt dauerte nicht lange, wahrscheinlich brach Dennis sämtliche Verkehrsregeln.
Dann hob er mich wieder aus dem Auto und klingelte bei Daniels Haus Sturm.
Es dauerte nicht lange, dann wurde die Tür aufgerissen.
„Hey wo… Selina? ...Oh Fuck! “
Jason stand in der Tür und sah uns geschockt an.
Ich konnte es ihm nicht verübeln.
„Hol de Lucia, ich bring sie runter zu Tuck.“ wies Dennis ihn mit neutraler Stimme an, dann ging er schon an Jason vorbei in Richtung Treppe.
„De Lucia.“, schrie Jason ins Treppenhaus, während er uns folgte.
Verdammt die Schmerzen sollten einfach aufhören!
Mein Sichtfeld verschwamm an den Rändern und langsam fielen mir die Augen zu.
„Nein, Sel du musst wach bleiben, nicht einschlafen!“ Dennis sah besorgt zu mir runter.
Verzweifelt versuchte ich die Augen offen zu halten.
„De Lucia komm sofort her!“, schrie Jason wieder.
Im nächsten Moment hielt er sich das Telefon ans Ohr und erteilte jemandem Befehle.
Dennis hatte mittlerweile die Treppe erreicht, drehte sich aber nochmal um, da Daniel wahrscheinlich gleich…
„Was ist denn? Chill mal dein Leben alter…“ hörte ich seine genervte Stimme im Flur.
Ich wollte erleichtert aufatmen, doch es ging nicht, ich kam nur schlecht an Luft.
„Selina ist…“ weiter kam Jason nicht denn Daniel trat in diesem Moment in den Flur und ich sah zu ihm auf.
Eine Sekunde bewegte sich keiner, dann stürzte er auf mich zu.
Angst stand in seinen Augen, zusammen mit unfassbarer
Wut.
„NEIN! Seli…was ist passiert, wer war das, ich schwöre ich bring ihn um!“
Er flucht immer wieder und hob mich sofort aus Dennis Armen.
Ich zog zischend Luft ein, er fluchte wieder leise.
Mit schnellen Schritten eilte er in den Keller und stieß
die Tür mit seinem Rücken auf.
Im gleichen Moment öffnete sich eine weitere Tür und ich erkannte Tuck‘s Umrisse.
Daniel legte mich auf den Tisch und fuhr mit seinen Fingern über die nicht verletzten Stellen an meinen Wangen. Viele waren es nicht.
„Wer. War. Das.!? Rede mit mir!“ verlangte er mit zusammengebissenen Zähnen und belegter Stimme zu wissen.
In seinen Augen sah ich unterdrückte Wut, was bei Daniel sehr schlecht war.
Die letzten Male hatte ich es ihm nicht gesagt, aber ich konnte nicht mehr.
Wie sollte das auch weitergehen?
„Mein Dad.“ Flüsterte ich schließlich und schloss erschöpft die Augen.
Er zog langsam Luft ein und ich sah ihn wieder an.
Tuck hatte mittlerweile ein Spritze aufgezogen, ich spürte wieder das Stechen in meiner rechten Armbeuge.
Sein Kiefer war angespannt, seine Hände zitternden.
Mittlerweile waren die andere hinter Daniel ins Zimmer getreten und sahen uns geschockt zu.
„Die anderen Male auch?“ fragte Daniel weiter.
Ich hob den Blick an die Decke, von der helle Strahler den Raum erleuchteten.
Wieder verschwamm meine Sicht, diesmal lag es aber wohl eher an den Schmerzmitteln, die Tuck mir gegeben
hatte.
Mühsam brachte ich ein Nicken zustande.
Ich traute mich nicht zu ihm rüber zusehen, ich hatte Angst vor seiner Reaktion.
Dass ich es ihm solange verschwiegen hatte, hatte uns beide belastet.
Im Augenwinkel bekam ich mit, wie seine Hände immer stärker zitterten, dann schob er sich direkt in mein Sichtfeld sodass ich mich nicht mehr bewegen musste, um ihn anzusehen.
Ich inhalierte förmlich seinen Geruch.
„Es wird alles gut Baby, wir bekommen das wieder hin.“
Er murmelte es an mein Ohr und versuchte meine Tränen zu stillen.
Es half nur ein wenig, ich wurde langsam ruhiger, aber sie hörten nicht auf über meine Wangen zu laufen.
Tuck hatte angefangen mein Kleid aufzuschneiden, dann tastete er mich ab.
Daniel schickte die anderen wieder nach oben, aber er blieb in meiner Nähe solange ich die Augen offenhalten konnte.
Dann war da wieder die Dunkelheit.
Bevor ich die Augen öffnete checkte ich, ob ich mich bewegen konnte.
Dann öffnete ich die Augen und sah… Nicht viel.
Das Zimmer war komplett abgedunkelt, nur vereinzelt
fielen Lichtstreifen herein.
Aber ich wusste, dass ich in Daniels Zimmer war.
„Daniel?“, fragte ich mit schwacher Stimme in die Dunkelheit.
Meine Stimmbänder waren vielleicht noch geschwollen.
„Ich bin hier.“
Kam eine leise Antwort von der anderen Seite des Zimmers, dann erkannte ich seine Umrisse.
Langsam kam er auf mich zu und ging neben dem Bett in die Hocke.
So saß er dort, eine Hand lag in meiner, die andere strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Ich versuchte zu lächeln, selbst das schmerzte.
„Wie schlimm ist es?“ fragte ich weiter.
Er atmete noch einmal tief durch.
In seinem Blick flackerte noch immer die Wut.
„Drei gebrochene Rippen, er musste sie stabilisieren, sonst hätten sie deine Lunge getroffen… der rechte Arm und dein linker Knöchel sind geprellt… ziemlich viele Blutergüsse und Prellungen an der Hüfte. Schwellungen am Hals und Schnitte am ganzen Körper… ein paar waren tief, aber nicht viele. Er musste ein paar Glassplitter aus deiner Schulter holen.
Das Röntgenbild hatte leichte Schatten in der… in der Nierengegend gezeigt, dass will Tuck noch im Auge behalten.“
Immer wieder musste er neu ansetzten, weil auch seine Stimme versagte.
Nachdem er fertig war, nickte ich nur und schloss kurz die Augen.
Da hatte mein Vater ja ganze Arbeit geleistet.
Als ich sie wieder öffnete und ihn ansah, fiel mir ein Schimmer um sein Auge und eine kleine Wunde an seiner Lippe auf.
Meine Hand fuhr an sein Gesicht und ich strich vorsichtig über seine Wange.
„Was ist das?“
Seine Augen fanden meine, dann antwortete er widerwillig.
„Ich wollte zu dir nach Hause fahren. Die Jungs meinten ich soll hierbleiben und warten bis du wach bist, Fabio und ich hatten eine kleine Auseinandersetzung.“
Ich runzelte die Stirn.
Sie hatten sich wegen mir geprügelt?
„Warum wolltest du zu mir?“ fragte ich weiter, obwohl ich die Antwort im weitesten Sinn schon kannte.
„Ich werde ihn umbringen.“
Erwiderte Daniel sofort und sah mir in die Augen, damit ich wusste, dass er es ernst meinte.
Wieder schloss ich die Augen und schüttelte dann den Kopf.
„Nein Daniel, bitte lass es gut sein, ist schon…“ wieder
unterbrach er mich.
„Sag jetzt nicht ok! Es ist nicht ok! Verdammt Seli… nichts ist daran ok. Nicht nur, dass es unwürdig ist seine Tochter zu schlagen, du bist mein Mädchen, wer dich verletzt, stirbt. Niemand, absolut niemand verletzt was Mein ist.“
Ich starrte in seine Augen.
So viel Wut, Verzweiflung und Liebe spielte sich dort gleichermaßen ab, sodass ich lächeln musste.
Beruhigend legte ich meine Hand wieder an seine Wange und streichelte sie.
„Danke… aber er ist immer noch mein Vater. Du kannst ihn nicht einfach umbringen.“
Vorsichtig drehte er den Kopf und küsste meine Handfläche.
„Schlaf, wenn du das nächste Mal wach wirst, wird es dir besser gehen.“, murmelte er.
Ich wollte schon fast tun, was er sagte, doch dann erinnerte ich mich und zuckte zusammen, schmerzvoll stöhnte ich auf.
Daniel sah mich wieder besorgt an und runzelte die Stirn.
„Ich… ich muss Ben holen, er ist noch im Kindergarten, … er darf auf gar keinen Fall nach Hause… ich…“
Daniel nahm meine Hand wieder fester in seine und sah mir dann tief in die Augen.
„Beruhige dich, Dennis wird ihn abholen, er bringt ihn hierher, keiner von euch beiden geht wieder dahin zurück. Schlaf jetzt, über alles andere reden wir, wenn du wieder wach bist.“
Seine Lippen legten sich auf eine Stelle an meiner Stirn, an der ich keine Schmerzen spürte.
„Du bleibst aber hier, oder?“ fragte ich mit schwacher Stimme.
Kurz lächelte er, nickte dann aber ernst.
„Natürlich.“
Ich wurde wach und sah mich nach Daniel um, seine Hand war weg und mein Herz fing sofort an schneller zuschlagen.
Wo war er?
War er weggefahren?
Auf dem Weg zu meinem Vater?
Vorsichtig setzte ich mich auf und testete, ob ich mich bewegen konnte, ohne dabei Schmerzen zu haben.
Es ging überraschend gut.
Tuck konnte manchmal wirklich zaubern.
Daniel brachte er auch immer so schnell wieder auf die Beine.
Gerade als ich aufstand, öffnete sich die Tür und Daniel trat ein.
Als er sah, dass ich neben dem Bett stand, wurde sein Gesichtsausdruck schockiert und ich sah sogar Angst darin.
Schnell kam er auf mich zu und hielt mich fest.
„Was tust du denn da!?“
Sanft drückte er mich wieder aufs Bett, wo ich sitzen blieb und meine Arme sofort um ihn schlang.
Erleichtert stieß ich Luft aus und klammerte mich an ihn.
Gott sei Dank, er war noch da.
Oder schon wieder?
Seine Hand strich sanft über meine Haare.
Ich sah zu ihm auf, sein Blick lag besorgt auf mir.
„Wo… wo warst du?“ fragte ich mit zitternder Stimme.
Seine Hand fuhr zu meiner Wange und er ging wieder in die Hocke, damit er auf meiner Höhe war.
„Ben ist gerade gekommen und ich wollte ihn begrüßen. Ich war keine fünf Minuten weg.“
Erleichtert nickte ich und mein Kopf fiel an seine Schulter.
Ich war verdammt abhängig von ihm.
Das gefiel mir ganz und gar nicht.
„Wie geht’s dir?“ fragte er und sah mich mit ernstem Blick an, der mir klarmachte, ihn bloß nicht anzulügen.
„Besser. Es geht schon.“
Immer noch misstrauisch nickte er, bevor er aufstand und mir hoch half.
„Hast du Hunger? Fabio hat was bestellt.“
Bei seinem Tonfall musste ich auflachen, bereute es jedoch sofort.
Verdammt nochmal, ich konnte nicht mal Lachen ohne Schmerzen.
Zischend zog ich Luft ein, was zu Folge hatte, dass mein Freund mich wieder besorgt musterte.
Daniel hob mich auf seine Arme, da ich durch meinen verstauchten Knöchel nicht auftreten konnte.
Von unten hörte ich Stimmen, als er mich die Stufen vorsichtig nach unten trug.
Vor der Küche stellte er mich zurück auf die Beine, er wusste das ich nicht wollte, dass Ben mich so sah.
Mein Gesicht sah bestimmt schlimm aus, denn die Jungs starrten mich geschockt an, als zu uns aufsahen.
Schnell senkte ich den Blick und sah zu Daniel.
Dieser bedachte seine Freunde mit einem bösen Blick. Seine Hand drückte meine ermutigend.
Dann hörte ich die Stimme meines Bruders und wandte mich wieder um.
Er kam auf mich zugelaufen und ich ging automatisch in die Knie, um ihn auffangen zu können.
Ich spürte starke Schmerzen, als er in meine Arme fiel, doch ich biss die Zähne zusammen und drückte ihn fest an mich.
Er war hier. Er war in Sicherheit.
Ich redete es mir immer wieder ein, damit ich mich innerlich beruhigen konnte.
Als er sich von mir löste, streichelte er genau wie Daniel meine Wange und gab mir einen Kuss auf die andere Seite.
„Hey mein Großer.“
„Sel, können wir bitte hierblieben?“
Sein Blick wurde traurig und ängstlich, als würde er das alles sehr gut verstehen.
Genau das was ich niemals wollte!
Ich hielt die Luft an und starrte meinen kleinen Bruder.
„… Ben… wir…“ Ich atmete nochmal tief durch. „Wir könnten nicht hierbleiben… es ist nicht…“
„Natürlich bleibt ihr hier.“, mischte Daniel sich ein und sah zu uns herunter.
Sein Blick war undurchdringlich.
„Ben komm her, lass deine Schwester auch etwas essen.“
Meinte Dennis von hinten und lenkte meinen Bruder von mir ab.
Im Moment war ich unglaublich erleichtert.
Ich hatte nie gewollt, dass er etwas davon mitbekam.
Warum hatte ich wohl diese Maßnahmen ergriffen?
Daniel half mir wieder auf die Beine und hob mich dann auf einen der freien Stühle.
Nachdem Dennis und Ben wieder im Garten waren, hatte Daniel mich zur Couch getragen und mir mit Kissen und diversen Decken ein gemütlichen Ort geschaffen.
„Du kannst also auch fürsorglich sein.“, murmelte ich, als er mir eine Tasse Tee reichte.
Seine Augen blitzten auf und ein leichtes Grinsen erschien auf seinen Lippen.
„Durchaus. Wie fühlst du dich?“ fragte er mich bestimmt schon zum fünften Mal in den letzten beiden Stunden.
„Es geht mir gut… Daniel, komm her.“
Widerwillig setzte er sich zu mir, musterte mich besorgt.
„… was du gesagt hast, wir können nicht hierbleiben, das ist euer zuhause und es nicht leicht plötzlich mit einem Kind zu leben, ich weiß das selbst sehr gut…“
„Ich werde ganz sicher nicht zulassen, dass ihr wieder dahin zurück geht. Vergiss es.“ Energisch schüttelte Daniel den Kopf.
„Du kannst das nicht einfach entscheiden… “
„Wir haben das alle entschieden Sel.“
Ich drehte mich um und sah Fabio am Türrahmen lehnen.
Die anderen Jungs standen bei ihm und nickten.
„Schon als du noch geschlafen hast, habe ich mit den Jungs geredet und wir haben zusammen entschieden, dass ihr hierbleibt.“
Mir stiegen Tränen in die Augen, sie war so unglaublich süß.
Es fühlte sie an als würde mir ein riesiger Stein vom Herzen fallen.
Jetzt war es raus, ich hatte keine Geheimnisse mehr vor Daniel.
Mein Freund hatte innerhalb von vier Stunden die Jungs beauftragt alle persönlichen Sachen aus unserem Haus zu holen.
Laut Dennis hatte mein Dad kein Wort gesagt, nachdem er Daniels Nachricht bekommen hatte.
Ich durfte sie nicht sehen, aber ich konnte mir vorstellen, was darinstand.
Das Gästezimmer hatten sie in ein Kinderzimmer umgebaut und sämtlich nicht kindgerechten Sachen wurden weggepackt.
Die Jungs kümmerten sich um meinen Bruder, als wäre er ihr eigener.
Nach dem Kindergarten musste er nicht mehr zu Freunden gehen, mindestens einer der Jungs holte ihn ab.
Die Tage nach dem Vorfall behandelte Daniel mich wie eine gebrechliche, alte Frau.
Er hatte mir Krücken besorgt, damit ich mich auch ohne ihn fortbewegen konnte, was ohnehin nicht oft der Fall war.
Er war jede Nacht bei mir und hielt mich im Arm, wenn ich wieder aus einem meiner Albträume weinend und schreiend aufwachte.
Sofort war er bei mir, um mich aufzufangen, wenn er
Sorge hatte, ich könnte umkippen.
Er arbeitete am Telefon oder am Laptop, ich saß neben ihm auf der Couch und versuchte mich auf ein Buch oder den Fernseher zu konzentrieren.
Wenn ich mir nur ein Glas Wasser aus der Küche holen wollte, folgten seine Blicke mir solange, bis ich wieder
neben ihm in meinem Kissenlager saß.
Oft war Ben bei mir und wir spielten Brettspiele oder sahen zusammen Fern.
Er hatte es geschafft, dass ich die ganze nächste Woche von der Schule befreit war, was Mel mächtig ärgerte.
Am Montag hatte sie angerufen, doch mein Handy lag oben, also war Daniel gegangen.
Bis er unten war, hatte sie ihn schon heftig beschimpft und es war in einen lautstarken Streit ausgeartet.
Tuck untersuchte regelmäßig meine Wunden und Verstauchungen, bald war fast alles wie gewünscht verhielt.
Nur mein Knöchel brauchte etwas länger, sodass ich die Krücken länger hatte als es mir lieb war.
Dadurch hörte das Gerede in der Schule natürlich nicht auf, aber ich war froh wieder etwas Normalität zurückzubekommen.
Ich traf mich wieder öfter Mel und Michael, meistens war Fabio dabei, da Daniel sich strikt weigerte mich unbewacht zu lassen.
Mel hatte ihm am Telefon schon oft an den Kopf geworfen, dass er mich einsperren würde.
Manchmal kam es dem zwar ziemlich nahe, aber ich wusste, dass es nur zu meiner Sicherheit war.
Ich hatte ihn die meiste Zeit bei mir und ich wusste, dass er ruhiger war, wenn ich in seiner Nähe war.
Die Wochen waren stressig für ihn, er arbeitete viel und
war nervös, da er den Verantwortlichen für die Angriff auf sich bei Kimberleys Party nicht finden konnte.
Ein falsches Wort der Jungs reichte und er explodierte.
Wir hatten auch schon öfter gestritten, da ich mich nicht zurückhielt.
So wirklich klärten wir die Probleme auch nicht, er verbot mir etwas, damit war die Diskussion zu Ende und ich musste es hinnehmen.
Es war nicht wirklich die beste Art diese Sachen zu klären, aber es war seine Art.
Zwei Monate nach meinem Unfall mit Dad, war ich komplett genesen und konnte wieder ohne Probleme laufen.
An diesem Abend wollten die Jungs feiern gehen und ich wusste, dass sie Daniel mitnehmen wollten.
Es war immerhin Fabios Geburtstag.
Doch Daniel weigerte sich da er mich nicht in Gefahr bringen wollte.
Er entschied zwischen seinen Freunden und mir und das gefiel mir ganz und gar nicht!
„Ich bin doch hier in Sicherheit, es wird schon niemand in dein Haus einbrechen!“, versuchte ich ihn zu überzeugen.
„Das Risiko gehe ich bestimmt nicht ein.“
„Komm schon, du bist immer nur hier, du musst auch mal etwas anderes machen, du stellst die Jungs zurück.
Deinen Bruder. Es ist sein Geburtstag!“
Doch Daniel schwieg und starrte in seinen Laptop.
Genervt verdrehte ich die Augen.
„Gott du bist so verdammt stur! Dann werde ich eben mitgehen.“
Daraufhin hatten wir heftig gestritten und uns angeschrien, bis Daniel verschwand und ich endgültig keine Lust mehr darauf hatte.
Ich rief Mel an, zehn Minuten später holte sie mich ab.
Mel unterstützte mich und fand ein paar böse Wörter, während sie sich an meinen Haaren zu schaffen machte und mich schminkte.
Sie hatte mich letztendlich überzeugt an diesem Abend eine bisschen Ablenkung zu bekommen und mit ihr und Michael in den Club in der Stadt zu gehen.
Ich hatte gehofft, dass Daniel nochmal anrief oder irgendein Lebenszeichen kam, aber nichts, mein Handy zeigte keine einzige Nachricht an.
Ob er schon nach Hause gekommen war?
Im Moment konnte man bei ihm nie wissen, wie seine Reaktion aussah, seine Stimmungen schwankten manchmal minutenweise.
„Komm schon Sel, ich weiß du willst nochmal mit ihm reden, aber vielleicht beruhigt ihr euch für heute und morgen sieht die Welt schon ganz anders aus.“ Meinte sie und strich mir verständnisvoll über die Schulter.
Ich atmete tief durch und nickte.
Sie hatte Recht, ich sollte mich mal wieder ablenken, Spaß haben, den ganzen Stress vergessen.
Morgen konnte ich mir immer noch seine Vorwürfe und Sorgen anhören.
Denn die würden ganz sicher kommen.
„Na los Mädels, beeilt euch mal, wir wollen da heute noch ankommen.“, rief Michael von unten.
Mel hatte mich in eines ihrer schwarzen Cocktailkleider gesteckt.
Der Rock unten war enganliegend und nach oben und am Ausschnitt war es mit kleinen glitzernden Steinen bestickt.
Dank Michael kamen wir ohne langes Anstehen in den Club und begaben uns gleich an die Bar.
Während Michael von einem Mädchen nach dem anderen angetanzt wurde, machten Mel und ich uns einen Spaß daraus sie zu beobachten.
Wir fanden eine Sitzecke und tranken ein paar Cocktails, obwohl ich wieder auf alkoholfreie zurückgriff, was mir tadelnde Blicke von ihr einbrachte.
Aber musste es tun, es war eine Vorsichtsmaßnahme,
nach den Vorfällen der letzten Monate wollte ich mitbekommen was um mich herum geschah.
Vor allem, weil ich dieses Mal auf mich allein gestellt war.
Ein bisschen nervös macht es mich, so komplett allein unterwegs zu sein, aber ich sagte mir, dass ich mich
darin gewöhnen müsste.
Daniel konnte nicht ewig auf mich aufpassen und immer an meiner Seite sein.
Da kamen zwei Jungs zu uns an den Tisch und erzählten uns irgendetwas, von dem ich die Hälfte wegen der Lautstärke gar nicht mitbekam.
Doch Mel schien es nicht zu stören.
Ich ließ gelangweilt meinen Blick über die tanzenden Leute schweifen, zur Bar und wieder zurück, als mir jemand auffiel, der mich direkt ansah.
Kurz zuckte ich zusammen, dann grinste ich.
Fabio lehnte an der Bar und grinste mich ebenfalls an.
Ein paar Minuten später stand er neben mir.
„Hey Kleine, ich hätte nicht gedacht, dass du fliehen kannst.“
Ich verdrehte die Augen und lächelte.
„Du weißt das es nicht so ist, aber er… er hat es heute Abend übertrieben.“
Fabio nickte verständnisvoll.
„Nun, ich würde ja sagen setz dich zu uns, aber wir haben alle ein Mädchen da und du würdest sie mit wahrscheinlich vertreiben und da es mein Geburtstag ist…“
Empört starrte ich ihn an, bis wir zusammen lachten.
„Ist schon ok, geh nur, ich bin hier genauso sicher.“
Ich zwinkerte ihm zu, dann sah ich zu Mel, die sich zwar noch mit dem Kerl neben ihr unterhielt, doch ihre Blicke
folgten Fabio, wie er in der Menge verschwand.
„Hey Sel, komm mit, tanzen.“
Michael stand plötzlich neben mir und schien von Fabio nichts mitbekommen zu haben.
Erleichtert lächelnd stand ich auf und folgte ihm.
Wir tanzten ein paar Lieder, bevor ich zu Mel zurückkehrte.
Wieder sah ich mich um und entdeckte Fabio und die Jungs auf der anderen Seite des Clubs. Sie hatten ebenfalls einen Tisch und amüsierten sich ausgelassen mit ein paar sehr leicht bekleideten Mädchen.
Ich musste grinsen.
Die ein oder andere würde ich wohl morgen früh aus dem Haus schleichen sehen.
Dann schweifte mein Blick weiter und blieb an einem mir sehr bekannten Körper hängen.
Er stand auf einer der erhobenen Plattformen.
Ohne es zu merken machten die Männer einen Bogen um ihn, gleichzeitig schien er aber die Frauen wie das Licht die Motten anzuziehen.
Doch sein Blick lag die ganze Zeit auf uns. Auf mir.
Verdammt.
Er hatte mich gefunden.
Daniel.
Er wollte, dass ich zu ihm komme.
Das konnte ich allein an seiner Haltung sehen.
Ich sah auf mein Handy. Er hatte mich schon fünfzehn Mal angerufen. Verdammt!
Mit einem großen Schluck trank ich mein Glas leer und machte mich daran aufzustehen.
Daniel hob den Kopf an und forderte mich nochmal deutlich auf, zu ihm zu kommen.
Er hatte gewonnen, wie immer.
Ich kämpfte mich durch die Leute bis ich direkt vor das Podest trat, auf dem er stand und mich wie ein Raubtier ansah, ich war offensichtlich seine Beute.
Er bot mir seine Hand an und half mir den letzten Schritt nach oben.
Sobald ich auf seiner Höhe stand zog er mich bereits in seine Arme.
Das hatte ich nicht erwartet. War er nicht sauer auf mich?
„Fabio hat gesagt, dass du hier bist. Ich hätte fast den Verstand verloren als ich dich nicht mehr gefunden hab.“
Murmelte er an mein Ohr.
Seine Lippen strichen über meinen Hals und ich erschauderte sofort.
Er atmete genießerisch an meinem Hals ein, als könnte meine reine Anwesenheit seine Nerven beruhigen.
Ich erwiderte nichts und wartete auf seine nächste Reaktion, wieder einmal konnte ich nicht einschätzen was als Nächstes kommen würde.
Würde er mich nach Hause schleifen? Sich von mir trennen? Sich ein anderes Mädchen holen, welches ihm mehr gehorchte als ich?
„Aber jetzt sind wir schon beide hier. Ich werde meinem Bruder einen Besuch abstatten, aber glaub bloß nicht, dass ich dich nicht im Auge behalte. Also keine anderen Männer.“
Ich sah auf und er grinste mich an.
Sofort erwiderte ich es und verdrehte die Augen.
„Na klar, als ob irgendjemand dir den Platz streitig machen könnte.“
„Hier sind ein paar die es auf jeden Fall versuchen würden.“
Sein Blick wurde böse und streifte über die tanzenden Leute bevor er zu mir zurückkehrte und wieder weich wurde.
Ich drückte ihm meine Lippen auf die Wange.
„Ich werde jetzt gehen.“
Gerade als ich mich umdrehte zog er mich zurück und seine Lippen eroberten meine.
Überrascht schnappte ich nach Luft, was er sofort ausnutzte. Seine Zunge streichelte meine, während seine Hände über meinen Körper fuhren.
Inmitten von hundert tanzenden Menschen!
Atemlos lösten wir uns schließlich und starrten uns an.
Er ließ den Blick nochmal über meinen Körper streichen bevor er mich aus seinen Armen entließ.
Ich konnte seine Blicke durch den ganzen Club auf mir spüren, während ich mit Mel anstieß oder mit ihr tanzte, er war immer da.
Ab und zu sah ich zum ihm rüber nur um die Bestätigung zu erhalten, dass er jede meiner Bewegungen beobachtete.
Es war schon später, als ich mal wieder eine Tanzrunde mit Mel einlegte und sich plötzlich jemand hinter mir im Takt der Musik bewegte.
Dann legte sich eine Hand auf meine Hüfte.
Erschrocken zog ich Luft ein und drehte mich um.
Ein Kerl, um die zwanzig musste er sein, grinste mich mit glasigen Augen an und zog mich näher an sich.
Sofort stieß ich ihn zurück und versuchte Abstand zwischen uns zu bekommen.
„Lass mich los.“ sagte ich und wollte mich abwenden, doch er ließ nicht locker.
„Ach komm, bleib noch ein bisschen, wir können eine schöne Zeit zusammen verbringen.“, stattdessen zog er mich noch ein Stück näher.
„Nein, ich muss gehen.“
Wieder versuchte ich mich zu lösen, doch sein Griff wurde fester.
Kurz kniff ich die Augen zusammen, ich spürte Daniels Blick immer noch deutlich und was er gerade sah, gefiel ihm sicher überhaupt nicht.
„Du kannst mit mir nach Hause.“
Ich hob die Augenbrauen, war das sein Ernst?
Das war sein Tod.
Da spürte ich Daniels Anwesenheit, er kam auf uns zu, das wusste ich, ohne mich umzusehen.
„Das hättest du nicht tun sollen.“, murmelte ich vor mich hin.
„Was sagst du Kleines?“ Er grinste mich immer noch an.
Kurz lächelte ich, dann riss ich mich los.
„Du solltest so schnell wie möglich verschwinden.“, versuchte ich ihm klar zu machen.
„Was redest du denn? Komm schon, komm mit mir.“
Wieder wollte er mich am Arm zu ziehen, doch ich trat schnell zurück.
Man wie viel hatte der Kerl getrunken?
Wollte er wirklich sterben?
„Ich kann ihn nicht lange abhalten, also geh jetzt.“, warnte ich ihn es das letzte Mal und drehte mich dann um.
Daniel war nur noch ein paar Schritte entfernt, zu weit, dass er uns bei diesem Lärmpegel hätte hören können, doch sein Blick war alles andere als nett.
Er hing kalt und wütend auf dem Kerl hinter mir.
Schnell setzte ich mich in Bewegung und ging auf ihn zu.
Als ich ihn erreicht hatte, legte ich ihm eine Hand auf die Brust.
Egal wie wütend ich auf ihn war oder wie heftig wir heute gestritten hatten, ich wollte nicht, dass
irgendjemand starb.
„Daniel. Nicht.“, versuchte ich seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken.
Er war wütend, sehr wütend, seine Fäuste zitterten und ich sah wie sein Kiefer angespannt zuckte.
Kurz zuckte sein Blick zu mir hinunter, dann wieder zu dem Kerl, der mich gerade noch festgehalten hatte.
Er wollte weitergehen, doch ich nahm seine Hand.
Ich stand direkt vor ihm und versperrte ihm so den Weg.
Im Augenwinkel sah ich, dass die Jungs bereits standen, um im Notfall einzuschreiten, Daniel zu unterstützen oder ihn abzuhalten konnte ich nicht sagen.
Seinen Atem konnte ich auf meinen Lippen spüren, als er den Kopf senkte.
Verzweifelt versuchte ich mich zu konzentrierte, während mein Herz aber wieder mit doppelter Geschwindigkeit schlug.
„Ich bin hier. Es ist alles gut, lass uns gehen.“ versuchte ich beruhigend auf ihn einzureden.
Sein Blick wechselte zwischen dem Kerl, der hoffentlich endlich das Weite gesucht hatte und mir.
„Sel? Ist alles…“
Mel hatte sich anscheinend von ihrem Typen losreisen können und sah mich nun besorgt an.
Ich nickte ihr schnell zu und sie verstand, dass ich jetzt mit ihm gehen musste.
Schnell wandte ich mich wieder zu Daniel um, der immer
noch die Zähne zusammengebissen hatte und nun auch Mel böse anstarrte.
Langsam fuhr ich mit meinen Händen an seine Wangen, sodass er gezwungen war, wieder mich anzusehen.
„Hey. Wir gehen nach Hause. Jetzt.“
Ich war überrascht wie stark meine Stimme klang, sie schien ihn irgendwie zu erreichen.
Die Kälte verschwand aus seinem Blick und wurde durch so etwas wie Stolz ersetzt.
Sein Arm schlang sich unmissverständlich um meine Taille und hielt mich dicht an seiner Brust.
Seine Hand fuhr über meine halbhochgesteckten Haare, für die Mel bestimmt eine halbe Stunde gebraucht hatte.
Ich wusste, dass er meine Haare offen lieber mochte, doch jetzt wollte ich erstmal nach Hause.
Also löste ich meine Hände von seinen Wangen und atmete kurz auf.
Wir gingen durch die tanzende Menge zum Ausgang.
Er war kurz davor umzudrehen und dem Kerl eine reinzuhauen, das konnte ich allein an seiner verkrampften Haltung erkennen.
Also zog ich ihn aus dem Club.
Der Türsteher grinste mich an und zwinkerte, was Daniel mit einem Knurren kommentierte.
Beruhigend schmiegte ich mich an ihn und ließ mich dann zu seinem Auto leiten.
Natürlich hatte er direkt vor dem Club geparkt.
Er hielt mir die Tür auf und folgte mir dann, er sagte nichts, keinen Ton.
Nur seine Hand nahm sofort wieder meine, nachdem er eingestiegen war.
Immer noch sichtlich angespannt, parkte er aus und fädelte sich in den Verkehr ein, wie immer etwas zu schnell, aber zumindest waren wir soweit gekommen.
Wir schwiegen die ganze Fahrt, vor dem Haus parkte er und wartete bis ich ausgestiegen war, dann nahm er wieder meine Hand, als wäre es das Einzige was ihn davon abhielt nochmal umzukehren.
Ich hasste dieses Schweigen, aber der Streit stand mir noch bevor.
Drinnen ging ich nach oben um mich umziehen, während er mir erst nachsah, dann im Wohnzimmer verschwand.
Er würde dort auf mich warten.
Schnell war ich aus dem Kleid geschlüpft, hatte mich abgeschminkt.
Meine Haare fielen in sanften braunen Wellen herab und glänzten im schwachen Licht unseres Badezimmers.
Ich tippte an Mel eine SMS, dann kehrte ich in Jogginghose und einem Pullover von Daniel ins Wohnzimmer zurück.
Er saß in seinem Sessel, mit den Armen auf den Oberschenkeln abgestützt, den Kopf gesenkt, die Hände an seinem Glas.
Darin war wahrscheinlich Schnaps, die Flasche stand offen auf dem Tisch, daneben lag seine Waffe. Er hatte sie also den ganzen Abend dabeigehabt.
Wie hatte der die wohl in den Club reingebracht? So etwas zu verhindern war doch eigentlich die Aufgabe von den Sicherheitsleuten an der Eingangstür?
Sobald ich eingetreten war, hatte er mich schon gehört und aufgesehen.
Ich setzte mich auf die Couch, die neben dem Sessel stand, aber immer noch sehr viel Abstand ließ.
Die Erinnerungen von vor ein paar Wochen, als er sich liebevoll um mich gekümmert hatte kamen auf.
In meinem Hals bildete sich ein Kloß, die Tränen stiegen mir in die Augen.
Er nahm noch einen Schluck und füllte sein Glas nach.
Stille legte sich zwischen uns, keiner wollte oder konnte etwas sagen.
Schließlich seufzte ich und sah auf meine Hände.
„Es tut mir leid.“
Nachdem er nichts erwiderte, sah ich auf und bemerkte, dass er mich schon ansah, als hätte er darauf gewartet das ich aufsah.
Der verschlossene Ausdruck wich aus seinem Gesicht und es wurde eine Spur weicher.
„Was wollte der Kerl von dir?“ fragte er mit zusammengebissenen Zähnen.
„Das ist nicht wichtig…“
„Seli, was wollte er von dir?“ knurrte er fast schon, sein Blick war jetzt starr in sein Glas gerichtet.
Mittlerweile erschrak ich nicht mehr zusammen, wenn er so offensichtlich um Fassung rang.
„Das ich bei ihm bleibe, tanzen, er wollte das ich mit zu ihm gehe…“, murmelte ich schließlich.
Daniel fluchte etwas, dann schleuderte er plötzlich das Glas gegen die Wand neben sich.
Diesmal erschrak ich und schloss die Augen, nur um sie kurz darauf wieder zu öffnen.
Der Alkohol lief daran herunter, während die Scherben sich auf dem Boden verteilten.
Daniel war von seinem Sessel aufgesprungen und atmete schwer, seine Hände waren zu Fäusten geballt.
Er stand vor der großen Glasfront, die in den Garten hinausführte.
Ich atmete ebenfalls kurz durch, dann stand ich langsam auf, trat auf ihn zu und schlang meine Arme um seine Mitte.
Den Kopf legte ich an seine Brust und hörte auf seinen beschleunigten Herzschlag.
Eine Weile blieb es still, bis auf unseren Atem, dann entspannte er sich endlich und legte seine Arme um mich.
Er drückte mich an sich, als wolle er mich nie wieder loslassen und ich war mir sicher, dass er es nicht tun würde, wenn ich ihn bitten würde.
„Es ist vollkommen unerheblich was er wollte, ich bin hier, bei dir.“
Er gab mir einen Kuss auf die Haare, dann legte er seine Hände an mein Gesicht und hob es hoch, damit ich ihn ansah, genau wie ich es vorher bei ihm getan hatte.
„Es tut mir leid. Ich wollte dir heute Abend etwas Freiraum lassen, aber er hat dich festgehalten, wie niemand außer ich dich halten sollte. Das hat alles lahmgelegt. Ich wollte ihn umbringen. Ihm jeden einzelnen Knochen brechen. Wenn er dir was getan hätte… oder, wenn er dich bekommen würde.“
Während er das sagte, waren so viele Emotionen über sein Gesicht gehuscht.
Fasziniert hatte ich sie beobachtet.
Es kam nicht oft vor, dass er mir so viel von sich zeigte.
Er ließ mich nur sehr selten hinter seine Mauern blicken, daher war ich dankbar für jede einzelne Sekunde.
Meine Hände lagen immer noch um ihn, sodass ich einfach nur lächelte.
Er hatte eine ausgeprägte eifersüchtige Ader, dass sollte ich mir merken!
„Niemand nimmt mich dir weg. Ich gehöre doch schon dir, wieso sollte ich einen anderen wollen?“
Einen Augenblick starrte er mich noch an, dann senkten sich seine Lippen auf meine.
Seine Arme lagen um meine Taille und hielten mich fest.
„Ich hatte wahnsinnige Angst, als ich dich nicht gefunden hab.“ Mein Herz zog sich zusammen.
Er hatte sich Sorgen um mich gemacht!
„Tut mir leid, ich musste einfach mal raus. Ich hatte das Gefühl hier keine Luft mehr zu bekommen.“, murmelte ich an seine Brust.
Seine Arme schlossen sich fester um mich.
„Ich wollte nie, dass du dich so fühlst. Nur der Gedanke daran, dass dir irgendjemand da draußen wehtun könnte, das…, das ist für mich unerträglich.“
Daniel zog mich wieder näher an sich, dann lagen seine Lippen wieder auf meinen.
Er hob mich hoch und noch während ich meine Beine um seine Hüfte schlang trug mich schon die Treppe hinauf in sein Zimmer.
Dort setzte er mich auf dem Bett ab und wandte sich ab, als ich ihn am Arm festhielt.
Ich wollte gerade etwas sagen, aber er hatte sich zu mir gebeugt und drückte seine Lippen auf meine Stirn.
„Bin gleich wieder da, ich mach schnell die Scherben unten weg, sonst regt sich Tuck auf.“
Ich nickte, dann verschwand seine Berührung und ich wusste, dass er aus dem Raum gegangen war.
Noch etwas benommen schälte ich mich aus dem Pulli und der Jogginghose.
Als er zurückkam, zog er sein Shirt aus, dann kam er wieder zu mir.
Er stand vor dem Bett, in dem ich nun nur noch in Unterwäsche lag und betrachtete mich.
„Oh Baby.“ Murmelte er, dann kam er zu mir runter und schloss mich in seine starken Arme.
Seine Lippen fanden meine, verlangend, fordernd.
Sein Blick strick glühend heiß über meinen Körper.
Seine Lippen strichen zu meinem Hals und mein Atem ging stockend.
Sein Schlafzimmer schien sich aufzuheizen und ich holte unregelmäßig Luft.
„Seli.“ Murmelte er und ließ seine Lippen zu meinem Schlüsselbein hinunter wandern.
Er musste meinen Puls spüren, der doppelt so schnell ging wie normal.
Langsam strichen seine Hände meine Seiten entlang bis zu meinem Hüfte, wobei er mich wieder an sich drückte, sodass ich seine Männlichkeit an meinem Bauch spürte.
Wie auf einen Schlag war ich hellwach und musste ein stöhnen unterdrücken.
Ich klammerte mich an seinen Körper.
„Daniel…“ hauchte ich an seinen Hals, als er sein Gesicht wieder in meinen Haaren vergrub.
Er sah mit verhangenem Blick zu mir und hielt inne.
„Ich… ich hab noch nicht…“
Meine Augen wechselten zwischen seinen während er mich liebevoll ansah.
Ein paar Sekunden war es still, nur unser Atem ging unregelmäßig.
„Du meinst noch nie?“ fragte er leise.
Ich schüttelte leicht den Kopf und wurde rot, am liebsten hätte ich mich abgewendet.
Es war mir peinlich, welches Mädchen war mit neunzehn immer noch Jungfrau?
Ich starrte auf Daniels Brust, damit ich ihm nicht in die Augen sehen musste.
Plötzlich hatte ich wahnsinnige Angst vor seiner Reaktion.
„Baby sieh mich an.“
Seine Hand hob mein Kinn an.
Nur langsam konnte ich meinen Blick zurück in sein Gesicht heben.
Was ich dort sah, ließ mich nach Luft schnappen.
Er lächelte mich an und seine Augen glitzerten. Nicht vor Spott, da war etwas anderes in ihnen. Liebe?
„Mein Mädchen.“
Daniels Lippen strichen meine Wange entlang bis sie meine Lippen fanden.
„Mein unschuldiges Mädchen.“, hauchte er an meine Lippen.
Dann löste er sich ein kleines Stück von mir, damit er mich ansehen konnte.
Er hatte sich auf die Unterarme gestützt und strich mir durch die Haare.
„Wir machen es ganz langsam, wenn es dir zu viel wird oder ich dir wehtue sagst du es mir ok?“
Ich nickte und biss mir auf die Unterlippe.
Langsam fuhren seine Hände unter meinen Rücken und öffneten geschickt meinen BH.
Sein Blick hing weiterhin in meinem.
Ein paar Sekunden später hatte er ihn mir schon abgenommen und küsste seinen Pfad von meinem Hals weiterabwärts.
Zitternd vor Lust schnappte ich nach Luft und versuchte möglichst still zu halten.
Daniel küsste sich meinen Bauch hinunter und auch meine Hüfte.
Immer noch langsam streifte er mir mein Höschen ab.
Zischend zog ich Luft ein, als ich seinen Atem dort spürte.
Er sah zu mir auch und lächelte wieder. Sein Lächeln haute mich jedes Mal um.
„Entspann dich Baby.“
Er wartete mein Nicken ab, dann zog er mich an sich.
„Warum hast du es mir nicht gesagt?“ fragte er leise.
Seine Fingern strichen über meinen nackten Rücken, ich lag an seiner Brust und fuhr die Umrisse seiner Tattoos nach.
Vorsichtig sah ich zu ihm auf.
„Was?“ fragte ich.
„Das mit deinem Vater.“
Ich senkte den Blick wieder auf seine Tattoos.
Ich hatte das Bedürfnis ihn zu berühren, auch wenn wir das heute Nacht schon lange und oft getan hatten.
Und Himmel, Daniel war nicht nur im Küssen gut!
Mit dem Daumen unter meinem Kinn, zwang er mich ihn anzusehen.
„Ich… ich hatte es außer Mel niemandem erzählt. Ich hatte Angst, wenn es rauskommen würde, würden sie mir Ben wegnehmen. Und irgendwie hatte ich nie den Mut es dir zu sagen.“, gestand ich ihm.
Einen Moment war es still und er schien darüber nachzudenken.
„Dennis wusste es auch. Er hat es rausgefunden.“ Fügte ich schließlich hauchend hinzu.
Wie auf Kommando glitt Wut über Daniels Gesicht und ich erstarrte in meiner Bewegung.
Ich betete innerlich, dass er nicht ausflippen würde. Nicht jetzt, nicht nach dieser Nacht.
„Er wusste es und hat nichts getan?“ fragte er dann mit zusammengebissenen Zähnen.
Ich nickte.
„Ich habe ihn angefleht nichts zu sagen. Es war nicht seine Schuld. Er hätte nichts tun können.“
Nach einer weiteren Weile entspannte er sich wieder und nickte ebenfalls.
„Ich will, dass du mit mir über alles redest. Egal was es
ist, du musst es mir sagen. Hab keine Angst, dass ich böse auf dich sein könnte, das wird nicht passieren.“
Seine Lippen strichen sanft über meine Stirn, als ich wieder nickte.
Er wollte nur, dass ich sicher war und das war ich bei ihm, warum also mussten wir uns deswegen ständig streiten?
Weil ich auch ein bisschen mehr Freiheit wollte?
„Was soll das heißen? Willst du mich verarschen, wofür bezahl ich dich eigentlich...Nein diese Scheiße kannst du dir sparen… ist mir egal wie du es machst… ich will, dass du ihn wiederfindest und mir sagen kannst wo er war und wieso er verschwunden ist.“
Ich legte auf und fluchte laut.
Meine Hände ballten sich zu Fäusten, wieso konnten die Leute nicht einfach ihren Job machen?
So schwer war das doch nicht!
Wir arbeiteten seit fast zwei Monaten dauerhaft daran Dimitri zu finden. Und jetzt war auch noch Giovanni abgetaucht. Verfluchte Scheiße!
Dimitri hatte seit der Party keine Versuche mehr unternommen in meine oder Selinas Nähe zu kommen.
Warum?
Wenn er den Auftrag wollte, musste er sich einen von uns holen und zwar bald.
Nun war er immer noch wie vom Erdboden verschluckt.
Es ergab alles keinen verdammten Sinn!
Die Tür öffnete sich und Dennis kam rein.
„De Lucia, alles klar?“
Ich nickte nur abwesend und suchte ein paar Papiere vom Tisch zusammen.
Ich war immer noch sauer, dass er über Selinas Dad Bescheid wusste und kein Wort gesagt hatte.
Auch wenn Selina mir das Versprechen abgenommen hatte, dass ich nichts ihm gegenüber tun würde, war ich sauer auf ihn.
„Oooook du willst es mir nicht sagen, auch gut. Ich wollte dir auch nur mitteilen, dass wir jetzt nach Hause fahren, es sei denn du brauchst uns noch.“
Ich sah zu ihm auf.
Dann schüttelte ich seufzend den Kopf.
„Nein, fahrt ruhig, wir sehen uns dann morgen, ich werde heute wahrscheinlich hierbleiben.“
Er nickte noch ein wenig zögerlich, dann verließ er das Büro wieder und kurz darauf hörte ich, wie die Motorengeräusche leiser wurden.
Die Jungs waren vorsichtig geworden, wenn sie mit mir sprachen.
Nur Selina weigerte sich anders mit mir umzugehen, wie zuvor, was schon ein paar Streits verursacht hatte.
Ich musste mich zusammenreißen, denn ich konnte sehen, dass sie manchmal zurückschreckte, wenn wir
uns anschrien.
Generell war alles schnell wieder vergessen, wenn ich sie an mich zog und sie mitten im Satz verstummte, weil ich ihre Lippen in Besitz nahm.
Zu gerne wäre ich mit ihnen nach Hause gefahren.
Aber ich musste heute wohl mit dem Zimmer in dieser Wohnung vorliebnehmen.
Ich hatte sie als Zweitwohnung und Geschäftssitz unserer Firma gemietet, wo wir unsere Geschäfte abwickelten und auch schlafen konnte, wenn es länger dauerte oder wir eine Tarnung aufrechterhalten mussten.
Mit dem Telefon in der Hand machte ich mir noch einen Kaffee und arbeitete dann weiter.
Ich merkte gar nicht wie die Stunden an mir vorbeistrichen, es war inzwischen fast Mitternacht, als ich ein Geräusch im Gang wahrnahm.
Erschöpft sah ich auf, dann öffnete sich schon die Tür.
Ein Lichtstreifen viel hinein und erleuchtete das sonst dunkle Büro.
Nur der Laptop, an dem ich saß, hatte das Zimmer erleuchtet.
Ich brauchte kurz, bis ich realisierte, wer in der Tür stand, dann stand ich sofort auf.
„Wie… wie kommst du hier her?“
Sie lächelte und schaltete das Licht an.
Ich kniff die Augen zusammen, als das Zimmer hell
erleuchtet wurde.
„Fabio hat mich hergefahren, ich dachte mir schon, dass du nichts essen und die ganze Nacht nur in den Bildschirm starren würdest.“
Damit kam sie herein und stellte mir einen Teller mit Alufolie auf den Tisch.
Der Geruch von Essen stieg mir in die Nase.
Manchmal wusste ich schon, warum ich Fabio zu meiner rechten Hand gemacht hatte.
Er wusste genau, was ich brauchte.
Und im Moment war das mein Mädchen.
Ich ignorierte den Teller, ging um den Tisch herum und zog sie in meine Arme.
Immer noch lächelnd schmiegte sie sich an mich.
Die Anspannung fiel von mir ab, sobald ich sie in die Arme schloss.
Es war als würde alles nur halb so schlimm sein und ich wurde wieder wacher, als nach drei Tassen Kaffee und den Zigaretten.
Als ich daran dachte erstarrte ich, doch da hatte sie es schon bemerkt und löste sich mit missbilligendem Blick von mir.
Auf meinem Schreibtisch stand ein voller Aschenbecher und sie konnte es wahrscheinlich auch an mir riechen.
„Tut mir leid.“ flüsterte ich und drückte meine Lippen auf ihre, doch sie erwiderte meinen Kuss nicht und löste sich von mir.
„Entzieh dich mir nicht.“ warnte ich sie und meine Stimme klang drohender als ich es wollte.
Sie hob eine Augenbraue und ihr Blick traf mich.
„Ist das ein Befehl?“ fragte sie herausfordernd.
Fast automatisch verspannte sich mein Kiefer.
Diesen Ton mochte nicht.
Niemand sprach so mit mir, auch wenn sie es schon öfter getan hatte.
Ich wusste, dass sie es nicht ausstehen konnte, wenn ich ihr etwas verbot, doch es turnte mich andererseits unglaublich an, wenn sie sauer war.
Mein Mädchen hatte dann dieses Glitzern in den Augen dem ich nicht widerstehen konnte.
Als ich nicht antwortete, weil ich sie wieder mal nur angestarrte hatte, seufzte sie und sah wieder auf den Aschenbecher.
Am liebsten hätte ich ihn aus dem Fenster geworfen und gelüftet.
„Daniel, wenn… ich bin bei dir, du brauchst diese Dinger nicht.“
Ich nickte und zog sie zurück an meine Brust.
Meine Lippen strichen über ihre Schläfe und ich zog genießerisch den Geruch ihrer Haare ein.
„Ich weiß.“
Selina löste sich aus meinen Armen und ging in die Küche.
Ich folgte ihr und beobachtete meine Freundin dabei, wie sie mir das Essen aufwärmte und sich zu mir an die Theke setzte.
„Was ist passiert?“ fragte sie und sah mich nachdenklich an.
Innerlich fluchte ich, mein Bruder war wie ein Mädchen, er konnte nichts für sich behalten.
„Nichts worum du dir Sorgen machen müsstest.“, erwiderte ich und aß weiter.
Sie verdrehte genervt die Augen. „Na klar.“
Sofort hielt ich inne und sah sie kritisch an.
„Baby, hast du grade die Augen verdreht?“
Sie schnappte nach Luft und ihre Augen wurden etwas größer, bevor sich ein Lächeln auf ihre Lippen schlich.
„Vielleicht.“ hauchte sie dann leise.
Ich hob eine Augenbraue und umrundete den Tisch während sie an die Wand zurückwich.
Ihre Augen folgten aufmerksam jeder meiner Bewegungen.
Seitdem wir das erste Mal miteinander geschlafen hatten, konnten wir die Tage danach nur schwer die Finger voneinander lassen.
Selinas verlangender Blick traf mich, als ich sie erreichte und an der Wand einkesselte.
„Freches Mädchen.“ flüsterte ich an ihre Lippen, dann küsste ich sie und hob sie auf meine Hüften, im gleichen Moment in dem sie ihre Beine um mich schlag.
Sie passte sich sofort an meinen Körper an.
Mit schnellen Schritten ging ich ins Schlafzimmer und ließ sie aufs Bett fallen.
Die Zwischenprüfungen kamen mit jedem Tag näher und ich versuchte verzweifelt mir den Stoff einzuprägen, was leider nicht so einfach war wie gedacht.
Manchmal saß ich bis tief in die Nacht am Schreibtisch und versuchte die Formeln in den Kopf zu bekommen.
Schlafen konnte ich eh nicht, wenn Daniel unterwegs war, er war oft nicht zuhause, oder kam sehr spät.
Natürlich sagte er mir nicht wo er war oder beließ es bei ein paar Ortsnamen.
Lernen hatte ich ihn noch nie sehen, aber das hatte er wahrscheinlich nicht nötig.
Das waren keine Dinge, die für ihn von Bedeutung waren, er hatte andere, wichtigere Sachen zu tun.
Aber ich hatte neben allem immer noch ein Thema auf dem Herzen, worüber ich unbedingt mit ihm sprechen musste.
„Ich weiß nicht, wann ein guter Moment ist, um es ihm zu sagen.“, murmelte ich und kritzelte wieder etwas auf meinen Block.
„Es gibt keinen guten Moment, außerdem ist es doch keine große Sache. Es sind drei Tage, du machst ja keine Weltreise oder so. Was soll er schon machen?“
Mel versuchte mich seit einer Woche zu beruhigen, dass Daniel nicht ausflippen würde, sobald er es erfuhr, aber ich wusste, dass dies der Fall sein würde.
Ich kannte ihn, konnte manchmal genau sagen, welche Reaktion folgen würde.
Ich wusste, dass er damit nicht einverstanden sein würde.
„Na gut, ich rede heute Abend mit ihm, wenn er heimkommt.“
Mel nickte etwas gedankenversunken.
„Ja tu das und schieb es nicht weiter auf, du musst die Flüge buchen und wenn er es anders herausfindet, steckst du viel tiefer drin als jetzt.“
Ich nickte und wir konzentrierten uns wieder auf die Aufgaben.
Wenn die Jungs zuhause waren, konnte ich das Lernen vergessen, also war ich in den letzten Tag wieder öfter zu Mel gegangen.
Fabio hatte mir Anfangs etwas geholfen, war dann aber ebenfalls halb verzweifelt und hatte sich in den Garten verzogen.
Ich kam spät heim, trotzdem war Daniel noch nicht da.
Dennis informierte mich darüber, dass sie das vorbereitete Essen komplett gegessen hatten und wir dringend wieder einkaufen müssten.
Ich nahm es mit einem Nicken zur Kenntnis und ging in unsere Zimmer, wo ich müde aufs Bett fiel und für einen
Moment die Augen schloss.
Ich schreckte von einem Geräusch im Gang auf.
Verwirrt sah ich mich um, ich lag vollständig angezogen im Bett, die Lernsachen auf dem Boden.
Ich war eingeschlafen.
Zwei Stunden, länger konnte es nicht gewesen sein.
Schnell stand ich auf und ging ins Bad, um mich umzuziehen, dann lauschte ich wieder auf das Geräusch.
Zwei Stimmen unterhielten sich leise, zu leise, ich konnte nichts verstehen, dann kamen Schritte näher und die Tür wurde leise geöffnet.
Ich drehte mich um und sah Daniel hereinkommen.
Er lächelte mich an, ich konnte sehen wie müde er war.
„Hey.“
Ich lächelte und er gab mir einen kurzen Kuss, bevor er im Bad verschwand.
Nachdem ich meine Sachen aufgeräumt hatte, setzte ich mich aufs Bett und wartete.
Als er herauskam, setzte er sich zu mir aufs Bett und schloss mich in seine Arme.
Ein paar Minuten genoss ich einfach nur seine Nähe und seine Berührung.
„Daniel?“, mein Herz schlug schneller.
Warum hatte ich so eine verdammte Angst davor mit ihm zu reden? Es war immer noch Daniel.
„Mhm.“ Machte er leise.
„Ich… ich muss mit dir über etwas reden…“ ich richtete mich auf und drehte mich, damit ich ihn ansehen konnte.
Er lehnte mit dem Rücken an der Wand hinter unserem Bett und sah mich aufmerksam an.
Seine Hand strich durch mein Haar und hielt mich bei ihm.
Also holte ich nochmal tief Luft und erzählte es ihm.
„Ich… ich flieg nach Florida“ sagte ich und sah auf meine Hände.
Seine Bewegung stockte und seine Hand glitt herab zu
meiner Schulter.
„Wieso?“ fragte er lediglich.
Seine Stimme war beherrscht, genau wie sein Gesichtsausdruck, ich konnte nichts daraus lesen und trotzdem überlief mich ein Schauer.
„Ich muss Ben’s Geburtsurkunde holen, damit ich das Sorgerecht beantragen kann und eine Freundin feiert ihren Geburtstag, sie hat mich eingeladen.“
„Wie hast du dir das vorgestellt?“, sein Blick lag immer noch auf mir, aber ich konnte ihn noch nicht ansehen.
„Ich fliege am Freitag nach der Schule hin und am Montag bin ich wieder da.“
„Du… du wolltest allein dort hin?“ fragte er mit erhobenen Augenbrauen.
Ich nickte stumm.
„Nein.“ Da sah ich erschrocken auf.
Er konnte mir doch nicht verbieten nach Florida zu fliegen!
„Was?“
„Ich sagte Nein, du wirst nicht allein dorthin fliegen, weißt du eigentlich wie viele Gangs es in Miami gibt? Die alle von dir und mir wissen? Du wärst eine leichte Beute für sie, dass lass ich nicht zu.“
Sein Blick war hart und undurchdringlich, es gab keine Chance dies durch eine Diskussion zu lösen.
Ich musste es trotzdem versuchen.
Ich musste nach Miami!
„Ich… du kannst mir nicht verbieten nach Miami zu fahren.“
Wir starrten uns schweigend an.
Ich wusste, dass er nicht begeistert sein würde, aber ich hatte nicht erwartet, dass er es mir verbieten würde.
Immerhin konnte ich immer noch tun und lassen was ich wollte und führte ein eigenes Leben.
Mein Freiheittrieb wuchs immer mehr an, ich presste die Handflächen aneinander, sodass ich nicht sofort nachlegte.
„Das tu ich auch nicht, ich komme mit dir.“
Jetzt war ich die, die ihn geschockt ansah.
Er wollte mitkommen!?
Hatte ich wirklich erwartet, er würde mich nach Florida oder irgendwo anders allein hinfahren lassen?
Nachdem ich nicht einmal mehr allein in Clubs gehen konnte.
Ich schloss die Augen und schüttelte den Kopf.
Ich hätte es wissen müssen!
„Du… ich… das ist keine gute Idee.“
Eigentlich sollte ich mich freuen, dass er mitkommen wollte, aber er würde meine alten Freundinnen kennenlernen, das machte mir Angst. Ich wusste wie sie waren, ich war genauso gewesen. Und er würde Sachen erfahren. Sachen über mich.
„Entweder mit mir oder gar nicht, du entscheidest.“
Sein Blick war hart, seine Stimme strahlte das gleiche aus.
Ich sah wieder auf meine Hände.
Ich hatte keine andere Wahl, einfach zu verschwinden kam nicht in Frage, dann würde er mich spätestens nach drei Stunden zurückholen, wenn ich überhaupt so weit kommen würde.
Außerdem wollte ich ihn nicht so hintergehen.
Ich würde an diesem Abend sein, wie ich früher war. Was wenn er mich dann nicht mehr wollte?
Was wenn ich ihn so dazu brachte mich zu hassen, sich von mir zu trennen?
Ich könnte nicht ohne ihn leben.
Nicht nur wegen der Leute, die immer noch Jagd auf mich machten und nicht aufhören würden, auch wenn wir uns trennten.
Ich wüsste nicht was ich ohne ihn machen sollte.
Er war in den letzten Monaten der Mittelpunkt meines Lebens geworden. In diesem Moment hasste ich diese Abhängigkeit.
Er war verwoben mit allen Bruchstücken meines Lebens, er war überall.
Verdammt, ich wohnte ja sogar bei ihm!
Also seufzte ich und nickte schließlich.
Ich konnte seinen Blick die ganze Zeit auf mir spüren.
Er wusste, dass etwas los war, aber er fragte nicht.
Wieder erwartete er, dass ich es ihm erzählte, freiwillig.
„Dann fliegen wir zusammen.“
Ich sah auf.
Er nickte und wartete kurz, ob ich noch etwas sagen würde, aber ich konnte nicht, noch nicht.
Dann stand er auf und ging aus dem Raum.
Ich brauchte Zeit für mich, aber gleichzeitig wünschte ich mir, er würde zurückkommen und mich in den Arm nehmen.
Bevor er nochmal wiederkam, war ich eingeschlafen.
Am nächsten Morgen saß Dennis am Ende vom Bett und sah nachdenklich auf mich.
„Guten Morgen Prinzessin.“
Er grinste als er merkte, dass ich wach war.
Ich lächelte.
„Dennis, was machst du hier?“
„Ich wollte nur sehen wie es dir geht, da ich das Gefühl habe de Lucia und du redet gerade mal wieder nicht über die wichtigen Dinge.“
Ich runzelte die Stirn. „Wie kommst du darauf?“
Er zuckte die Schultern.
„Weiß nicht vielleicht, weil mein Kumpel gestern so geschaut hat als würde er gleich jemanden umbringen, wenn wir ein Wort gesagt hätten, dann hat er zwei Flüge gebucht und ist die ganze Nacht verschwunden.“
„WAS?“ ruckartig richtete ich mich auf und sah ihn geschockt an.
„Beruhige dich, heute früh ist er wieder zurückgekommen. Ja, er war nüchtern und er hat keinen umgebracht. Glaub ich zumindest.“ Dennis grinste wieder.
Wie konnte er sowas nur so locker sagen?
„Wo war er?“ hauchte ich und in meinem Kopf formten sich wirre Bilder.
Dennis zuckte die Schultern.
„Keine Ahnung, er hat sich in Jasons altes Zimmer verzogen und ist seitdem nicht mehr rausgekommen, wahrscheinlich schläft er jetzt, verständlich, wenn er die ganze Nacht wach war. Ich wollte nur wissen ob ihr euch gestritten habt.“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein eigentlich nicht.“
Doch innerlich schlug das schlechte Gewissen durch.
Dennis nickte nachdenklich. „Ok.“
„Du solltest jetzt erst mal frühstücken und dann kannst du ja mal nach ihm sehen, aber lass ihn jetzt erst mal schlafen.“
Damit ging er aus dem Raum und ich war wieder allein.
Er war die ganze Nacht weg.
Wo könnte er gewesen sein?
Bei einem anderen Mädchen?
Wieder spürte ich diesen seltsamen Stich, der immer da war, wenn ich ihn mit einem anderen Mädchen sprechen sah.
Es war nicht nur die Eifersucht, denn die Mädchen in seiner Umgebung sahen überdurchschnittlich gut aus, es war die Angst, dass er meine Strapazen vielleicht irgendwann satthatte.
Er sprach nicht über seine Gefühle. Eigentlich nie.
Aber für mich war das vollkommen in Ordnung.
Mühsam stand ich auf und ging unter die Dusche, als ich wieder ins Zimmer trat, fielen mir Flugtickets auf, die auf dem Tisch lagen.
Es waren Direktflüge nach Miami, er hatte sie sogar schon bezahlt. Mal wieder.
Schnell zog ich mich um, dann ging ich zu Dennis runter und frühstückte mit ihm.
Er erzählte mir Sachen aus der Zeitung, aber ich hörte ihm gar nicht richtig zu.
Meine Gedanken machten sich selbständig und gingen jeden Ort durch, wo Daniel gewesen sein konnte und mit
wem.
Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und ging mit einer Tasse Kaffee wieder nach oben, diesmal in Jasons ehemaliges Zimmer. Es stand leer, da er mit Sandra in eine eigene Wohnung gezogen war.
Ich atmete noch einmal tief durch, dann trat ich leise ein.
Im Zimmer war es dunkel, nur durch das kleine Fenster viel etwas Licht herein.
Daniel lag im Bett auf der Seite und schlief.
Leise ging ich zu ihm und kniete mich dann vor das Bett, damit ich auf seiner Höhe war.
Die Tasse stellte ich auf dem Nachttisch ab.
Ich wollte ihn nicht wecken, aber meine Hand strich wie von selbst über seine Wange in seine Haare.
Dort blieb sie liegen und streichelte seinen Hinterkopf, während ich sein Gesicht musterte.
Er sah müde aus, Augenringe lagen deutlich unter seinen Augen.
Wie egoistisch es von mir war, von ihm zu verlangen nach Miami zu fliegen, wenn er hier mehr als genug Arbeit hatte.
Mein Blick glitt zu seiner Hand und ich zog erschrocken Luft ein.
Sie war geschwollen und an den Knöcheln hatte er leichte Abschürfungen.
Was zum Teufel hatte er gemacht? Sich geprügelt?
Vorsichtig nahm sie in meine und hauchte einen Kuss darauf.
„Es tut mir leid.“, murmelte ich leise.
Ich fühlte mich wirklich schlecht und wollte am liebsten alles absagen.
Ich wollte aufstehen und ihn wieder allein lassen, als seine Hand sich anspannte und meine festhielt.
Mein Blick glitt wieder zu seinem Gesicht hoch und ich stellte fest, dass er mich aus seinen dunklen Augen ansah.
„Was tut dir leid?“ fragte er mit leiser Stimme.
Ich presste die Lippen aufeinander, er hatte es gehört.
Ich musste es ihm sagen, ich konnte ihm nicht schon wieder etwas verschweigen.
Irgendwann würde er sich von mir trennen, weil es ihm einfach zu viel wurde.
Ich hatte mich aufgeregt, weil er mir nie irgendetwas erzählt hatte, aber ich tat genau das gleiche.
„Ich… alles, dass ich dir das von meinem Vater nicht erzählt habe, dass ich dir nichts von Miami gesagt hab.“
Sein Blick lag weiterhin auf mir, abwartend.
„Ich wollte allein dorthin, weil ich nicht wollte, dass du oder irgendjemand hier meine Freundinnen kennenlernt…, weil ich nicht wollte, dass du weißt wie ich war… wie ich bei ihnen bin. Was dort alles passiert ist.“
Er sagte immer noch nichts.
Sein Blick verlangte nach weiteren Erklärungen.
Also fuhr ich stockend fort.
„Ich war dort ganz anders als hier. Ich hatte viele Freunde. Männlich wie weiblich, ich war Cheerleader Captain, dadurch ziemlich beliebt… viele wollten mit mir befreundet sein, manchmal auch mehr.
Wir hatten damals viel Geld, aber wir lebten sehr verschwenderisch. Als mein Dad seinen Job verlor, haben wir auch sehr viel Geld verloren, mit seiner Alkohol- und Spielsucht wir mussten schließlich das Haus verkaufen und sind dann hierhergezogen.
Ich bin nicht stolz darauf, wie ich damals war, deswegen dachte ich, dass…, dass du mich vielleicht hassen würdest, wenn du merkst wie ich bei ihnen bin. Und…, dass ich dich dann verlieren würde. Das wäre das Schlimmste für mich, weil ich…“
Ich verstumme und spürte wie der Klos in meinem Hals sich langsam auflöste.
Es fühlte sich gut an, ihm alle gesagt zu haben.
Warum hatte ich das nicht schon früher getan?
Trotzdem spürte ich eine Träne über meine Wange laufen.
Er sagte immer noch nichts.
Er sah mich weiterhin mit diesem undurchdringlichen Blick an, aus dem ich kein Gefühl, keine Regung entnehmen konnte.
Dann hob er seine Hand und legte sie wieder an meine
Wange, er strich die Tränen weg.
„Wie kommst du darauf, dass ich dich jemals hassen könnte?“ Seine Stimme klag noch etwas verschlafen.
Ich sah auf.
„Ich habe dir das mit meinem Dad verschwiegen.“
„Aber schließlich hast du es mir gesagt und damit abgeschlossen.“
„Ich wollte allein nach Miami.“
Der Kloß in meinem Hals wurde wieder größer und meine Stimme brach.
„Und doch bist du hier, bei mir.“
„Wegen mir hast du so viele Probleme bekommen.“
Da sammelte sich wieder die Tränen in meinen Augen.
Er richtete sich auf und zog mich näher an sich.
„Seli du bist mein Mädchen, ich könnte dich niemals hassen. Egal was passiert.“
Mit jedem Wort war er nähergekommen und strich nun mit seinen Lippen federleicht über meine.
Einige Tränen liefen mir über die Wange, doch er wischte sie alle sanft mit dem Daumen weg.
„Ich liebe dich Daniel.“
Eine Sekunde sah er mir tief in die Augen und ich glaubte schon fast, er konnte mir in mein tiefstes Inneres sehen wie ernst ich das meinte.
Dann legten sich seine Lippen leidenschaftlich auf meine.
Der Kuss war liebevoll, sanft und voll unglaublich viel Gefühl.
Er zeigte mir auf seine Weise was er für mich empfand.
Als er sich langsam von mir löste, drückte er seine Lippen noch auf meine Stirn und rutschte dann weiter in die Mitte des Bettes.
Seine Hand zog mich zu ihm und als ich im Bett neben ihm lag, zog er mich wieder eng an sich.
„Du siehst müde aus.“, murmelte er an meinen Hals, den er mit leichten Küssen bedeckte.
Meine Augen schlossen sich, doch ich wollte ihn unbedingt noch etwas fragen.
„Wo warst du heute Nacht? Woher hast du diese Verletzungen?“
Einen Moment sagte er nichts, sodass ich meine Augen wieder öffnete und direkt in seine sah, die mich immer noch musterten.
„Ich habe trainiert, musste ein bisschen Stress abbauen.“
Ich ließ erleichtert Luft entweichen, hatte ein schlechtes Gewissen.
Wenn ich ihm sofort alles gesagt hätte, hätte er den Stress bei mir abbauen können.
Ich hätte für ihn da sein sollen.
„Ich… ich hatte Angst, dass du zu einem anderen Mädchen gefahren wärst.“
Ich presste die Lippen zusammen und wollte eigentlich
gar nicht daran denken.
Daniel sah mir weiterhin in die Augen und schüttelte dann den Kopf.
„Niemals Baby.“, murmelte er mit seinen Lippen an meiner Stirn.
Ich sagte nichts mehr, sondern kuschelte mich an ihn.
Ende der Woche verabschiedete ich mich von Mel und Michael, dann fuhren wir von der Schule direkt zum Flughafen.
Ben würde übers Wochenende bei den Jungs bleiben, die mir versprochen hatten, nichts Dummes zu machen.
Anfangs war ich misstrauisch, aber Dennis hatte mich schließlich überzeugt.
Wir checkten ein und gingen durch die Sicherheitskontrolle.
Ich war überrascht, dass Daniel ohne Probleme durchkam, da ich gesehen hatte, dass er eine Waffe eingepackt hatte.
Zuhause hatte ich ihn schon daran erinnert, dass er damit nicht durchkommen würde, doch er meinte das sei kein Problem.
Als wir im Sicherheitsbereich waren, grinste er mich überlegen an und legte seinen Arm um mich.
Ich lächelte nur kopfschüttelnd, ich wollte es gar nicht wissen, wie er das wieder gemacht hatte.
So schlenderten wir durch die verschiedenen Geschäfte
zu unserem Gate und warteten, bis der Flug aufgerufen
wurde.
Im Flugzeug schlief sofort nach dem Start an Daniels Schulter ein.
Dieser weckte mich, als wir den Landeanflug antraten.
Fasziniert betrachtete ich, wie die Häuser und Bäume immer größer wurden, als wir uns dem Boden näherten.
Ich sah meine Heimatstadt unter mir und freute mich riesig, hier zu sein.
Miami Beach strahlte in der Sonne, überall am Flughafen liefen Menschen in Shorts und Flip-Flop rum.
Wir trugen ganz normale Sachen, da es zuhause leider noch nicht so warm war.
Obwohl wir Anfang März hatten, spürte ich wie die Sonne auf uns herunterbrannte und die Haut wärmte.
Es musste um die dreißig Grad haben.
Unwillkürlich musste ich lächeln.
Hier war es nie wirklich kalt geworden.
Schnell holten wir das Gepäck, es war nur eine Tasche, mit den wichtigsten Sachen, dann holte Daniel unseren Wagen.
Als er grinsend wieder herauskam, verdrehte ich schon die Augen.
Natürlich musste er sich wieder ein ganz besonderes
Auto aussuchen.
Vor uns stand ein flaches weißes Cabrio.
„Musste das sein? Wir hätten auch ein normales Auto
nehmen können.“ Meinte ich kopfschüttelnd.
Mein Freund lachte nur und schüttelte den Kopf.
„Einen gewissen Standard erwarten die Leute hier schon. Vor allem von mir.“
Wieder verdrehte ich die Augen, dann stieg ich neben ihm ein.
„Was ist das für ein Auto?“
„Das mein Schatz, ist ein Lamborghini Gallardo Spyder. Ich dachte mir schon, dass er dir gefällt.“
Ich lachte auf, natürlich hatte er den nur genommen, weil er mir gefallen würde.
Grinsend sah er zu mir rüber, während wir uns in den Verkehr von Miami einfädelten.
Es war ein schönes Auto, auch wenn ich mit dem ganzen Rest nichts anfangen konnte.
Während der Fahrt erzählte ich ihm von dem ein oder anderen Laden, den ich kannte, der an uns vorbeizog.
Wir wohnten bei meiner Cousine, da sie als Krankenschwester arbeitete, war sie fast nie zuhause und hatte uns angeboten, dass wir bei ihr schlafen konnten.
Daniel parkte vor dem Wohnhaus und sah sich unauffällig um.
Ich sperrte auf und ließ ihn mit unseren Taschen eintreten.
Die Wohnung war für Miamis Verhältnisse groß.
Wenn man reinkam, trat man sofort ins Wohnzimmer
mit einer kleinen Küche links an der Wand.
Den Gang entlang gingen das Badezimmer, das Schlafzimmer und das Gästezimmer ab.
Sie hatte auch einen Balkon vor beiden Schlafzimmern.
Wir zogen uns um und packten ein paar Sachen, dann stiegen wir wieder in das Angeber-Auto.
Daniel verdrehte nur die Augen und murmelte irgendetwas mit mangelndem Geschmack, als ich das Auto so nannte.
Seine Stimmung war hier sehr viel lockerer, als zuhause.
Es war als würden wir Urlaub machen und uns einfach mal eine Auszeit nehmen nur wir beide.
Wie ein ganz normales Paar.
Fast war es ja auch so, wenn wir nicht ein paar Pflichttermine erfüllen mussten.
Daniel genauso wie ich.
Er meinte, er hatte ein paar alte Freunde hier, die er
besuchen müsste.
Ob es wirklich Freunde waren oder nicht ließ er offen und ich fragte auch nicht mehr nach.
Er hatte mir nur erzählt, dass er mit seiner Mutter hier gewohnt hatte, er konnte noch nicht alt gewesen sein, als er herkam.
Im ersten Moment stand ich wie angewurzelt am Strand und sah auf das Meer hinaus.
Es war wunderschön.
Das Wasser glitzerte immer noch in der Sonne und der Sand war warm unter meinen Füßen, genauso wie ich es in Erinnerung hatte.
Für einen Moment wünschte ich mir Ben wäre hier und könnte das alles wiedersehen.
Er hatte es immer geliebt am Strand Sandburgen zu bauen.
„Seli?“ Daniels Stimme riss mich aus meinen Gedanken und ich drehte mich zu ihm um.
Er stand direkt hinter mir und sah forschend zu mir runter.
„Alles ok?“ fragte er dann.
Ich nickte nur und schmiegte mich an seine Brust.
Er hatte sein T-Shirt ausgezogen, also konnte ich seine warme Haut unter meiner Wange fühlen.
Seine Lippen strichen über meine Stirn, dann schob er mich ein Stück weg, damit er mich nochmal prüfend ansehen konnte.
Ich lächelte. „Alles gut, wirklich.“
Er nickte und schob sich seine Sonnenbrille auf die Nase. Dann schnappte er sich meine Hand und zog mich in Richtung Meer.
Während wir über den Sand liefen beobachtete ich ihn verstohlen.
Seine Muskeln bewegten sich geschmeidig bei seinen Bewegungen und obwohl ich es schon so oft zuhause gesehen hatte, konnte ich nicht genug von diesem Anblick bekommen.
Seine Haut strahlte in der Sonne, es war unbeschreiblich.
Natürlich entging mir nicht, dass auch andere auf den Geschmack gekommen waren und ihn anstarrten.
Überwiegend die weibliche Partei.
Ich schloss meine Hand fester um seine und legte zusätzlich meinen Arm um seine Taille.
Er lächelte zu mir runter und sah mir unter seiner Sonnenbrille wissend in die Augen.
Dann erreichten wir das Wasser, welches kalt um unsere Füße spülte.
Etwas weiter draußen konnte man Schiffe erkenne, ansonsten Surfer und Schwimmer.
Daniel ging weiter und als ihm das Wasser bis zum Bauch ging, zog er mich an sich.
Ich stand mittlerweile bis zur Brust im Wasser, er war ein ganzes Stück größer als ich.
Seine Arme schlossen sich um mich und ich schlang meine Beine um seine Hüfte, so dass wir auf gleicher Höhe waren.
Er grinste mich an und hauchte mir dann einen Kuss auf die Lippen.
„Es ist immer noch wunderschön hier.“, meinte ich als ich meinen Blick über die Skyline von Miami streichen
ließ.
Daniel folgte meinen Augen und nickte stumm.
„Wie lange warst du hier?“ fragte ich ihn neugierig.
„Sechs Jahre. Bevor ich nach Boston musste.“
Seine Stimme ließ keinerlei Emotionen zu.
„Vielleicht sind wir uns ja schon mal über den Weg gelaufen.“
Er grinste mich an.
„Das wüsste ich, außerdem waren die Snobs normalerweise in anderen Teilen der Stadt unterwegs.“
Entgeistert starrte ich ihn, als er erst grinste und dann laut loslachte.
Fasziniert beobachtete ich ihn, bevor ich ihn auf den Oberarm schlug.
„Ich war kein Snob!“ erwiderte ich und sah ihn beleidigt an.
Er zwinkerte mir schmunzelnd zu. „Natürlich nicht.“
Den ganzen Tag blieben wir am Strand, alberten herum und genossen die Sonne.
Abends wollte Daniel mit mir essen gehen.
Ich warf ihm einen misstrauischen Blick zu, als er meine Hand nahm und mich in ein sehr elegantes Restaurant führte, doch er ignorierte es.
Also ließ ich mich mitziehen und beobachtete, wie er mit dem Kellner sprach, bevor wir zu einem Platz gebracht wurden.
Noch in der Wohnung bei meiner Cousine war ich
vollkommen perplex gewesen, als er in einem weißen Hemd aus dem Bad kam.
Er hatte die Ärmel hochgekrempelt und so weit aufgeknöpft, dass man seine Kette sah.
Das weiß strahlte geradezu im Kontrast zu seiner Haut. Ich konnte von diesem Anblick nicht genug bekommen. Genau wie am Strand starrte ich ihn minutenlang an und fragte mich immer wieder, wie es möglich war, dass er gerade mir sein Lächeln schenkte.
Als der Kellner mit unseren Bestellungen wieder verschwunden war, sah ich abwartend zu Daniel.
„Also?“ fragte ich schließlich, als er nichts sagte.
Er lächelte und strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr.
„Ich dachte ich sollte dich mal zu einem Date ausführen.“
Verwirrt sah ich ihn an.
„Zu einem Date?“ fragte ich nach, da ich mir nicht sicher war, ob ich verstanden hatte war er meinte.
Er sah mich nickend an.
„Wir hatten bis jetzt noch keins, falls es dir aufgefallen ist.“
Er hatte Recht, wir waren auf Partys aber noch nie waren wir alleine essen.
„Ich war noch nie auf einem Date.“, murmelte ich leise und fuhr mit meinen Fingern über seine Hand, die auf dem Tisch lag.
Er hob die Augenbrauen an und sah mich entsetzt an.
„Wie bitte? Erzähl mir doch nicht, dass dich noch nie jemand auf ein Date eingeladen hat. Gerade hier?“
Daniel war ernsthaft geschockt und ich biss mir verunsichert auf die Unterlippe.
„Ich glaub ich hatte zwei Einladungen oder so, aber ich habe abgelehnt.“
Er sah mich immer noch geschockt an, während ich schüchtern lächelte.
„Zwei? Herr im Himmel, wenn ich gewusst hätte, dass du hier gewesen bist, hätte ich dich schon viel früher geholt.“, murmelte er, aber sein brennender Blick lag auf mir.
Ich verzog den Mund.
„Ich glaub nicht, dass du mich gemocht hättest, so wie ich hier war.“
Er runzelte die Stirn, also fuhr ich seufzend fort.
„Ich habe dir schon erzählt, dass wir ziemlich beliebt waren, wir Mädels waren eben jung, haben uns über alles hergemacht was wir wollten und jeden runtergemacht der nicht unserer Meinung war, oder in unser Weltbild gepasst hat. Das ist mir damals gar nicht aufgefallen, aber wenn ich jetzt darüber nachdenke, ist es einfach abscheulich.“
Ich presste die Lippen aufeinander.
Sofort legte sich Daniel Hand an meine Wange.
„Es macht keinen Unterschied. Wichtig ist wie du es jetzt siehst, wenn du jetzt zufrieden bist, solltest du glücklich
sein und nicht zurückblicken.“
Ich lächelte ihn dankbar an und küsste seine Handfläche.
„Erzähl mir von deiner Zeit in Miami, wie alt warst du, als ihr hergezogen seid?“
Etwas in Daniels Blick veränderte sich, er schweifte ab und sah auf den Tisch.
Sein ganzer Körper spannte sich an.
Dann räusperte er sich und sprach fast schon mechanisch weiter.
„Ich war zehn als meine Großmutter starb, sie hinterließ meiner Mutter ein wenig Geld, sodass wir hierher konnten. Sie fand einen Job und eine hübsche kleine Wohnung, nur war die Gegend nicht gerade die beste.
Es herrschte hohe Kriminalität und Drogen wurden offen auf der Straße ausgetauscht.
Meine Mutter hielt mich solange raus, wie sie konnte, aber…“
Daniel stieß Luft aus und verschränkte seine Hand mit meiner.
„… sie wurde krank, Kehlkopfkrebs. Lag in der Familie, mein Großvater ist ebenfalls an Krebs gestorben.
Ich war dreizehn, als wir die Diagnose bekamen.
Sie bekam eine Chemo, musste ihren Job aufgeben.
Irgendwann reichte das Geld nicht mehr, also trat ich der Gang bei und drehte meine ersten krummen Geschäfte, um Geld für Ihre Medikamente aufzubringen.
Sie fragte nie woher ich das Geld hatte, wahrscheinlich konnte sie es sich denken, aber sie war zu schwach, um mich vor dem Einfluss zu beschützen.
Wir kämpften drei Jahre gegen den Krebs, doch letztendlich verlor sie und ließ mich allein zurück.
Mit sechszehn. Ich habe die Welt gehasst und jeden für ihren Tod verantwortlich gemacht.
Man hatte mir die einzige Konstante, das einzige Gute in meinem Leben genommen.“
Ich musste meine Tränen zurückhalten, als ein Bild von Daniel in meinem Kopf entstand, wie fertig er gewesen sein musste, als seine Mutter starb. Er zerriss mir förmlich das Herz.
„Mein Vater war nie für mich oder sie da gewesen und plötzlich sollte ich zu ihm und seiner neuen Familie ziehen. Mein gewohntes Umfeld, meine Freunde in Miami verlassen. Noch nie hatte er sich auch nur einen Dreck um mich geschert.
Ich war für ihn eine Last, er wusste von mir, er wusste von Mum, doch er hatte keinen Finger gerührt, um ihr zu helfen.
Als die Behörden ihn zwangen mich aufzunehmen, nachdem ich mit Alkohol am Steuer einen Unfall gebaut hatte, hat er mich vom Krankenhaus abgeholt.
Da hatte ich ihn zu ersten Mal gesehen. Dann brachte er mich nach Boston.“
Als er geendet hatte ließ ich leise die Luft entweichen, die ich angehalten hatte.
Er hatte mir noch nie so viel über sich erzählt, noch nie über seine Vergangenheit gesprochen.
Unsere Hände lagen immer noch verschlungen auf dem Tisch, ich zog beruhigende Kreise auf seinem Handrücken.
Daniel holte tief Luft und sah dann wieder zu mir auf.
Er lächelte ein bitteres Lächeln.
„Jetzt weißt du den Großteil meiner Vergangenheit.
Nicht gerade eine Gute Nacht Geschichte.“
„Danke, dass du es mir erzählt hast.“
Er drückte seine Lippen auf meine Hand, hielt allerdings meinen Blick fest.
„Ich kann nicht glauben, dass du immer noch hiersitzt.“
Ich schnaubte.
„Wo sollte ich sonst sein?“ fragte ich ihn herausfordernd.
„Bei einem Kerl der deiner würdig ist.“ Murmelte er wieder an meine Hand und kniff die Augen zusammen.
Plötzlich sah er wahnsinnig müde aus.
Am liebsten wäre ich zu ihm gegangen und hätte mich auf seinem Schoß an ihn geschmiegt.
Ich wartete bis er wieder aufsah und sah so viel Schmerz in seinen Augen.
Wie konnte er nur so etwas sagen?
„Das bist du. Mehr als das. Du bist es, den ich will. Ich bin diejenige, die jeden Morgen aufwacht und sich fragt warum du immer noch da bist. Wann du mich satthast.“
Wenn wir gerade dabei waren unsere Ängste offenzulegen dann konnten wir, dass auch beide tun.
Vielleicht hätten wir uns dafür ein anderes Publikum aussuchen sollen, aber so saßen wir in einem vollen Restaurant, so nah beieinander und ließen den anderen tief hinter unsere Fassade blicken.
Daniel schüttelte stirnrunzelnd den Kopf.
„Niemals. Wie kannst du sowas nur denken?
Ich kann nicht genug von dir bekommen und ich kann nicht mehr ohne dich. Das wusste ich schon als du mich an deinem Spind so böse angefunkelt hast. Du hast mich herausgefordert.
Das tust du noch, jeden verdammten Tag.“
Ich hatte die Luft angehalten.
Was er gerade gesagt hatte kam so nah an die drei Worte ran, die ich so gerne hören würde.
Aber ich wusste, dass sie nicht kommen würden.
Und es war in Ordnung.
Ich wusste was er für mich empfand. Er zeigte es mir.
Das Essen kam und es war wirklich himmlisch.
Daniel fragte mich ob es gut für mich war.
Sofort grinste ich ihn an und biss mir auf die Unterlippe.
Sein Blick saugte sich daran fest und er atmete tief durch.
„Es ist fantastisch, aber weißt du was mindestens genauso gut ist?“
Er grinste und wartete bis ich fortfuhr.
„Unser Zimmer, Lieferfutter, in deinen Armen.“
Sein Atem stockte und er musste sich räuspern als sein brennender Blick über mich strich.
Er schüttelte den Kopf und lächelte.
„Gott Frau, wenn ich das gewusst hätte, hätten wir uns den drei Stunden Flug sparen können.“
Nach dem Restaurant brachte er mich in eine kleine Bar etwas außerhalb des Stadtzentrums.
Ich erzählte ihm von meiner Zeit in Miami. Als er an der Reihe war ließ er viele Sachen aus oder verstummte mitten im Satz, sodass ich mir den Rest selbst denken konnte und musste.
Er bestellte mir Drinks und niemand stellte Fragen wegen meines Alters, wahrscheinlich waren sie von Daniels Blicken eingeschüchtert.
Keiner interessiert sich für uns, deswegen bedachte uns auch niemand mit schrägen Blicken, als ich auf seinen Schoß kletterte und meinen Kopf an seinen Hals legte, um näher bei ihm zu sein.
Erst spät fuhren wir zurück in Katies Wohnung, wobei mir im Auto schon die Augen zufielen.
Daniel weckte mich, als wir ankamen und führte mich nach oben ins Schlafzimmer.
Mit kleinen Augen sah ich zu ihm hoch und zog ihn zu
mir runter.
Er lächelte gequält.
„Baby sieh mich nicht so an, wenn ich mich zusammenreißen soll.“
Ich grinste ihn an. „Vielleicht sollst du das ja nicht.“
Daniel knurrte auf und seine Lippen lagen auf meinen.
Verlangend. Heiß.
Wieder lag ich in seinen Armen und schmiegte ich mich an seine Brust.
„Denk ja niemals, dass ich dich satthaben könnte. So etwas will ich nie wieder von dir hören.“
Er drehte uns um, sodass ich unter ihm lag und seine Wange streicheln konnte.
Seine Lippen strichen meinen Hals entlang bis zu meiner Wange. Ich erschauderte wieder.
„Ich muss nochmal telefonieren, dann komm ich zu dir. Schlaf meine Schöne.“
Seine Lippen legten sie an meine Stirn und meine Augen schlossen sich auf Befehl.
Einen Moment genoss ich noch den Moment seiner Nähe, dann würde es kühl, wo er gerade noch gelegen hatte.
Gerade als ich die Balkontür zur Wohnung schloss und mich draußen an das Geländer lehnte, klingelte mein Handy auch schon.
Schnell holte ich es aus der hinteren Hosentasche und verdrehte die Augen, als ich die Nummer erkannte.
„Ich bin keinen Tag weg und schon vermisst du mich?“
Am anderen Ende hörte ich ein Lachen und ein paar Stimmen im Hintergrund.
„Halt die Schnauze, alles klar bei euch?“ fragte Dennis und ich konnte sein Grinsen schon wieder vor mir sehen.
Ich verdrehte die Augen.
Eigentlich wollte er doch nur wissen ob es Selina gut ging.
„Ja alles gut, was willst du?“ fragte ich und sah auf Miamis Skyline vor mir.
„Ich wollte mit dir über ein paar Jobs sprechen, die wir heute erledigt haben.“
Er erzählte mir kurz wie alles gelaufen war und, dass sie niemanden umlegen mussten.
Gute Nachrichten.
Mit Ben war auch alles gut und sie hatten ihn pünktlich ins Bett gebracht.
Sie waren also doch für etwas zu gebrauchen.
Kurz darauf legte ich auch schon wieder auf und sah, dass ich eine Nachricht bekommen hatte.
Anscheinend schon, als wir beim Essen waren.
Gedankenverloren fischte ich eine Zigarette aus meiner Hosentasche und wollte sie anzünden, als ich innehielt.
Dann warf ich sie über den das Balkongeländer weg und atmete tief durch.
Sie hatte recht. Ich brauchte die Zigarette nicht.
De Lucia du Dreckskerl bist in der Stadt und sagst nicht Bescheid!? Ich glaub dir haben sie das Hirn weggepustet! Du hast 48 Stunden.
Ich verdrehte die Augen.
Sie waren wirklich schnell, einen halben Tag haben sie gebraucht, um mich in der Stadt aufzuspüren.
Dann hieß es wohl dem Moonshine einen kleinen Besuch abzustatten.
Ich antwortete nicht, aber das tat ich nie.
Drinnen legte ich das Handy auf den Nachttisch und legte mich dann zurück ins Bett. Von Selina hörte ich leise, gleichmäßige Atemzüge, sie schlief also schon.
Sobald ich mich zu ihr legte, drehte sie sich wie aus Reflex um und kuschelte sich an meine Brust.
Ich legte meinen Arm um sie und hauchte ihre einen Kuss auf die Schläfe.
Meine Gedanken wanderten zurück an unser Gespräch im Restaurant, während ich sie im Arm hielt.
Ich hatte ihr von meiner Vergangenheit erzählt, niemand außer Fabio und Jason wussten detailliert davon, doch ich wollte unbedingt, dass sie zum engsten Kreis gehörte.
Vielleicht auch um zu sehen, ob sie bei mir blieb.
Und das tat sie.
Sie erzählte mir von ihrer Angst, dass ich sie satthaben konnte und ich dachte daran wie verrückt das klang.
Wenn einer von uns Angst haben müsste, dann war ich es. Ich war nicht gut genug für sie.
Ich konnte ihr nicht geben, was sie brauchte und doch blieb sie bei mir und zweifelte an sich selbst.
Mein wunderschönes Mädchen. Meine Prinzessin.
Am nächsten Morgen wurde ich von Geräuschen geweckt und machte ihre Stimme in der Küche aus. Sie sprach mit jemandem, wahrscheinlich ihrer Cousine.
Schnell ging ich ins Bad und duschte, bevor ich zu ihnen in die Küche kam.
Selina sah auf, als ich hereinkam und stellte mich gleich dem anderen Mädchen vor.
Sie gab mir die Hand und lächelte mich neugierig an.
„Hey, freut mich dich kennenzulernen.“
Während ich mir einen Kaffee machte, sprachen die beiden über Selinas wichtigsten Grund warum wir hier waren.
„Sind das die Unterlagen?“
„Ja das ist der Antrag für die Geburtsurkunde, dein Termin ist in zwei Stunden. Und das ist der Antrag auf Sorgerechtsübertragung, den müssen deine Eltern unterschreiben oder sonst geht es durchs Gericht.“
Selina nickte und sah sich die Blätter an.
Ich würde ihre Eltern auch ohne Gericht dazu bekommen, dass sie die Papiere unterschrieben.
Niemand würde Seli Ben wegnehmen, das würde ich nicht zulassen.
„Na gut ihr zwei, ich muss leider auch schon los, wieder in die Arbeit. Heute könnte es spät werden und morgen Abend komme wahrscheinlich nicht nach Hause, hab etwas von nem Straßenrennen aufgeschnappt und da gibt es immer Verletzte, also wurde Sonderschicht angeordnet.
Ich schlaf dann gleich im Krankenhaus. Ihr habt also die ganze Wohnung für euch.“
Sie lächelte uns zu und verließ dann kurz darauf das Zimmer.
Als sie das Straßenrennen erwähnte, wurde ich hellhörig.
Wollten sie deshalb, dass ich ins Moonshine kam?
Dort begannen die Rennen immer.
Eigentlich wollte ich auf keinen Fall das Selina bei so etwas dabei war, aber wie es aussah blieb mir keine andere Wahl.
Ich ließ sie noch fertig frühstücken und nachdem sie mit ihrem Bruder telefoniert hatte, setzte sie sich zu mir auf die Couch.
„Ich habe gestern eine Nachricht bekommen. Sie haben mich aufgespürt, ich muss morgen Abend in einen Club.“
Neugierig lag ihr Blick auf mir.
„Welcher Club?“ fragte sie ruhig.
„Moonshine.“
Sie dachte kurz nach, kannte es aber anscheinend nicht.
„Heißt das, wir gehen aus, oder willst du mich zu meiner eigenen Sicherheit hier einschließen?“ fragte sie weiter.
„Beim Moonshine beginnen die Straßenrennen, die Katie vorher erwähnt hat. In den Club müssen wir, aber wir werden weg sein, wenn die Rennen losgehen. Ich will nicht, dass du in der Nähe von so etwas bist.“
Sie nickte und sah mich forschend an.
„Du bist auch mal diese Rennen gefahren, oder?“
Ich biss die Zähne zusammen, nickte dann aber.
Sie nickte ebenfalls.
„Ich müsste heute noch was einkaufen für die Party.“ Meinte sie dann und erhob sich von der Couch.
Normalerweise würde ich nicht mit ihr einkaufen gehen aber wenn ich sie morgen Abend schon mitnehmen musste, brauchte sie auch dafür etwas Passendes.
Abwesend tippte ich wieder auf meinem Handy herum, doch als Selina zurück ins Schlafzimmer gehen wollte, hielt ich sie am Arm fest und zog sie zurück auf meinen Schoß.
Dann legte ich meine Hand in ihren Nacken und drückte meine Lippen auf ihre.
Sie war etwas überrascht, sodass sie diese gleich öffnete.
Es dauerte etwas länger, da ich zwei Kleider brauchte und mir keines der Kleider gefiel die Daniel meinte, dass sie passend für diesen Club waren.
Sie waren sehr knapp geschnitten und zeigten ziemlich viel Haut.
Also kaufte ich schlussendlich ein schwarzes kurzes Kleid mit hohen Schuhen, die mich wahrscheinlich umbringen würden.
Als ich Daniel dies sagte, lachte er nur und meinte, er würde schon aufpassen.
Mir war aufgefallen, dass er viel entspannter war, als Zuhause.
Vielleicht tat ihm das mal ganz gut, damit er seine ewige Paranoia ein bisschen ablegte.
Vielleicht war es aber auch, weil wir gestern unsere Mauern wieder um ein großes Stück eingerissen hatten.
Ich hoffte nur, dass morgen Abend auch alles gut lief, denn ich wusste wirklich nicht wie ich mit seinen Freunden umgehen sollte.
Je knapper die Zeit wurde, desto nervöser wurde ich.
Plötzlich war ich mir nicht mehr sicher, ob es richtig war herzukommen.
Wir hatten uns alle verändert und neue Freunde gefunden.
Vielleicht wollten sie mich eigentlich gar nicht mehr dabeihaben.
Er hatte nur die Augen verdreht, als ich ihm von meinen Bedenken erzählte.
Ich atmete noch einmal tief durch und spürte einen leichten Druck an meiner Hand.
Daniel sah zu mir runter, nickte mir zu.
Dann traten wir ein und sahen auf die tanzende Menge im Haus hinunter.
Crystal hatte ein halbes Schloss als Zuhause, wenn man hereinkam, stand man erst mal auf einem kleinen Balkon, von dem zwei Treppen hinunter ins Vorzimmer, welches wiederum ins Wohnzimmer führte.
Dort war eine Bühne mit einer Band aufgebaut und darum herum tanzten die Leute.
An drei Seiten waren Bars aufgebaut worden, wo der Alkohol schon in Strömen floss.
Ein hohes Kreischen lies mich zusammenzucken.
Daniel zog mich kurz noch näher an sich, entspannte sich aber, als ein Mädchen die Treppe herauf gelaufen kam.
„Ohh mein Gott Sel du bist hier!!!“
Ich ließ mich von ihr in die Arme schließen und grinste sie an.
Sie sah immer noch genauso aus wie damals, ihre blauen Augen strahlten und ihre Haut war wie immer perfekt gebräunt.
Stundenlanges Sonnenbaden und sehr viel Kosmetik war das Geheimnis.
Ihre Haare waren perfekt nachgefärbt, das wusste ich, weil sie eigentlich dunkelbraune Haare hatte, diese aber aufs Blut hasste.
Ihre Klamotten waren nicht länger geworden, seit wir uns das letzte Mal gesehen hatten.
Sie trug ein weißes Cocktailkleid, was den perfekten Kontrast zu ihrer Haut darstellte.
Es hatte einen tiefen Ausschnitt und auch von unten bedeckte es nur das Nötigste.
So wie ich sie kannte, war der Rückenausschnitt auch nicht gerade züchtig gehalten.
„Hey Crystal, alles Gute zum Geburtstag.“
„Danke Baby, ich kann‘s nicht glauben dich wieder hier zu haben, Gott ich habe dich vermisst, aber ein bisschen blass bist du geworden, haben die da oben nicht viel Sonne? Du armes Ding.“
Kurz war ihr Blick mitleidig, dann schweifte er hinter mich und sie musterte Daniel interessiert.
Sofort bekam sie dieses Glitzern in den Augen, was sie immer hatte, wenn ihr jemand gefiel.
Schnell trat ich einen Schritt näher zu ihm und er legte automatisch seinen Arm um meine Taille.
Natürlich sah sie dies, ignorierte es aber gekonnt.
„Crystal das ist Daniel, er ist mein Freund.“
Machte ich ihr mit freundlichem aber, bestimmtem Ton
klar.
Sie lächelte ihn an, dann sah sie wieder zu mir.
„Ich kann gar nicht glauben, dass du dich festgelegt hast. Nachdem was alles hier passiert ist...“
Erschrocken schnappte ich nach Luft.
„S eine Nonne? Das kann ich mir nur schwer vorstellen. Schön, dass du hier bist. Du hast uns allen gefehlt.“
Gott sei Dank.
Hinter Crystal, trat nun auch Summer und nahm mich ebenfalls in die Arme.
Natürlich achteten sie dabei immer darauf, dass nichts ihre Haare oder das Gesicht berührte.
Crystal und Summer waren schon immer beste Freundinnen gewesen.
Ihre Eltern hatten einander neu geheiratet, also waren sie auch Stiefschwestern, das Beste was den beiden jemals passieren konnte.
Die gebräunte Haut war auffällig identisch.
Der einzige Unterschied war, dass Summer braune Haare und braune Augen hatte.
Ich fand sie immer schon die Hübschere von beiden, was man natürlich niemals laut ausprechen durfte.
Auch Summer musterte Daniel neugierig, sodass ich ihn den beiden nochmal vorstellte.
„Freut mich dich kennenzulernen.
Aber nun kommt, wir müssen auf deine Rückkehr trinken, außerdem werden die anderen ganz sicher
auch mit dir reden wollen.
Sag mal Crys hast du Lukas heute schon gesehen, das schwarze Hemd steht ihm wirklich gut, vielleicht solltest du ihn überreden so etwas öfter zu tragen…“
Tratschend stöckelten sie die Treppe hinunter.
Bevor ich ihnen folgte wandte ich mich zu Daniel um und verdrehte unauffällig die Augen.
Dieser grinste nur stumm und hielt meinen Arm, während wir ebenfalls die Treppe runtergingen.
Er hatte ja versprochen, auf mich aufzupassen, während ich diese Schuhe trug.
Unten war es als würde ich in einem Zoo leben, jeder starrte mich an, als wir uns durch die Leute hinter Summer und Crystal her an die Bar schlängelten.
Ab und zu musste ich stehen bleiben und jemanden meiner alten Freunde begrüßen, doch die meisten warteten bereits an der Bar auf uns.
Die Mädels liefen kreischend auf mich zu und fielen mir um den Hals, während die Jungs nur grinsend an der Bar standen und warteten.
Natürlich war ihnen allen Daniel nicht entgangen und Summer hatte bestimmt schon weitererzählt, dass er mein Freund war.
Als ob es irgendjemanden von ihnen hier interessierte.
Sie schmissen sich mit genügend Alkohol an alles ran, was sich bewegt.
Ich redete mit den Mädels und nachdem ich Daniel allen vorgestellt hatte, gesellte er sich zu den Jungs.
Ich wusste genauso gut wie er, dass sie nicht annähernd erwachsen oder entwickelt waren wie er, aber für einen Abend würde es hoffentlich gehen.
Hier ging es noch um Frauen und Alkohol, nicht um das richtige Leben.
Davon wollten die hier nichts wissen. Noch nicht.
Meine Mädels erzählten tausendfach Geschichten wer mit wem zusammen war, wer wen betrogen hatte und wer zur Ballkönigin gekrönt wurde.
Natürlich Crystal.
Kurz kam ich mir vor wie bei Gossip Girl, da sie alle ihre Freunde wechselten wie das Bettlaken.
Aber ich konnte mich noch gut erinnern, als diese Themen auch für mich Mittelpunkt der Erde waren.
Es gab für mich nichts Wichtigeres als mit ihnen über diese Themen zu sprechen.
Jetzt hörte ich nur zu und trank meinen Champagner.
Irgendwann legte sich sein Arm um meine Mitte und ich lehnte mich an seine Brust.
„Wir gehen raus, eine rauchen Baby.“
Ich sah zu ihm hoch und runzelte die Stirn.
Er lächelte leicht und gab mir einen Kuss auf die Schläfe.
„Nur eine ich versprech‘s.“
Ich sah ihm nach bis er zur Tür raus war, dann wandte ich mich um und merkte, dass mich alle anstarrten.
„Was ist?“ fragte ich verwirrt.
Summer lächelte mich an und beugte sie dann mit den anderen vor.
„Erzähl mal Sel, wie hast du dir den denn geschnappt, ich muss schon sagen er ist sehr heiß, aber auch etwas einschüchternd. Ich meine wie alt ist er? ...“
„Er ist zweiundzwanzig.“, meinte ich nur und nahm einen Schluck aus meinem Glas.
„Erzähl doch mal.“ fragte nun Zoey nach, die neben mir saß und mich neugierig ansah.
Ich lächelte.
„Eigentlich war das gar nicht so spektakulär, ich bin im Gang in ihn hineingerannt und danach haben wir uns öfter zufällig getroffen. Keine Ahnung es kam eins zum anderen und wir waren schließlich zusammen.“
Ich hatte nicht gelogen und nur ein paar Sachen weggelassen.
Ziemlich viele Sachen weggelassen, aber das mussten sie nicht wissen.
Je mehr Champagner wir in uns rein schütteten desto mehr fühlte ich mich, als wäre alles wie früher.
Summer hatte schon immer ein Händchen dafür alle anderen inklusive ihr selbst betrunken zu machen.
So standen wir irgendwann auf der Tanzfläche und
tanzten in unserem alten Kreis zu irgendwelchen
Liedern.
Ich löste mich aus der Gruppe, um mir etwas zu trinken zu holen, als mich zwei Arme von hinten auffingen.
Bevor ich seine Stimme an meinem Ohr hörte, erkannte ich ihn schon an seinem Geruch und lächelte.
„Hey Baby“, sein warmer Atem strich an meine Hals entlang und hinterließ Gänsehaut.
Ich drehte mich um und schmiegte mich an ihn.
„Hey.“
Im nächsten Moment spürte ich seine Lippen auf meinen und schmeckte seinen Atem.
Es war vermischt mit Bier, Rauch und ihm.
Hilflos ließ ich mich gegen ihn fallen und genoss das Gefühl, was sich in mir ausbreitete.
Irgendwann lösten wir uns und sahen uns mit stockendem Atem an.
„Deine Freundinnen sind sehr nett, aber etwas zu aufdringlich, ich musste ihnen gerade mal zeigen, dass sie sich die Mühen sparen können.“
Er zwinkerte mir grinsend zu.
Ich lächelte und lehnte meinen Kopf an seine Brust.
Ich wusste es, sie würden es nicht respektieren.
„Willst du noch was trinken?“ fragte er und nahm mir mein Glas aus der Hand.
„Willst du denn noch bleiben?“ fragte ich ihn leise.
Überrascht sah er mich an.
„Du willst schon gehen?“
Ich wiegte den Kopf.
„Nein, aber ich will nicht, dass sie dich die ganze Zeit an dich ranmachen.“
Sofort grinste er wieder.
„Mach dir mal keine Sorgen, damit werde ich schon fertig.“
Damit hauchte er mich einen Kuss auf die Wange und schob mich zur Bar.
Zu meiner Überraschung ging er einfach selbst auf die andere Seite und holte ein paar Gläser, während ich mich auf einen der Barhocker setzte.
„Ich mach dir jetzt mal etwas Richtiges zu trinken, ihr könnt doch nicht den ganzen Abend nur Schampus in euch rein schütten.“
Ich musste lachen wie er es betonte, als wäre es das ekligste auf der Welt.
Ich war es gewöhnt. Früher hatten wir nur dieses Zeug getrunken.
Ich beobachtete meinen Freund dabei, wie er ein paar Minuten alle möglichen Sachen in einen Becher kippte, diesen dann professionell schüttelte und mir schließlich einen perfekt Cocktail auf den Tresen stellte.
Misstrauisch beäugte ich das Getränk.
„Ich wusste nicht, dass du so was kannst.“ Meinte ich überrascht.
Er grinste mich überlegen an.
„Tja mein Schatz, noch etwas was du nicht über mich wusstest. Ich habe ein paar Jahre als Barkeeper gearbeitet und ehrliches Geld verdient.“
„Wie langweilig.“, meinte ich nur grinsend und nahm einen Schluck.
„Was bekomm ich dafür?“ fragte er dann frech.
Ich grinste ihn ebenfalls an.
Er hatte sich auf dem Tresen angelehnt und hielt sein Gesicht nah vor meinem.
„Was willst du denn?“
Er lachte auf.
„Daaas darfst du einen Kerl doch niemals fragen.“
Ich sah ihn abwartend an und küsste ihn schließlich über den Tresen.
„Was würde ich nur ohne dich hier machen?“ flüsterte ich an seine Lippen.
„Ein paar Kerle mitnehmen, so begeistert wie die hier von dir sind, dürfte das nicht schwer sein.“
Er ließ seinen Blick kurz schweifen, bevor er zu mir zurückkam.
Er war nun nicht mehr belustigt, sondern ernst und ein bisschen wütend.
„Damit komm ich schon klar.“, wiederholte ich seine Worte von vorhin nochmal leise, was er mit einem Augenverdrehen kommentierte.
„Da habe ich aber Glück gehabt.“, murmelte er dann und nahm meine Lippen wieder in Besitz.
„Selina! Komm her. Mit deinem Freund kannst du zuhause auch rummachen, hier wird gefeiert.“
Crystals Stimme ließ mich zusammenzucken.
Nur wiederstrebend löste ich mich von Daniel.
„Geh ruhig, ich schau mal ob ich die Jungs beim Beer Pong abziehen kann.“
Grinsend zwinkerte er mir zu und verschwand dann auf die Terrasse.
„Mädels die Jungs spielen draußen Beer Pong, scheint ein großes Spiel zu werden. Drei gegen einen.“
Erzählte Kira uns aufgeregt, als sie von einer ihrer Raucherpause wiederkam.
Ich schloss kurz die Augen. Nein Daniel, bitte tu das nicht.
Im Garten hatten die Jungs die Platte aufgebaut.
Darum herum standen Bänke und Stühle, es hatte sich schon eine Traube von Menschen gebildet, doch als Crystal vorbeiging, wurde sofort ein Weg frei und wir standen direkt in der ersten Reihe.
Natürlich musste Daniel es machen.
Er unterhielt sich gerade mit den drei besten Beer Pong Spielern der Stadt.
Mike, Jan und Tom hatten dreimal die Stadt Meisterschaft gewonnen.
„Daniel bist du dir sicher, dass du das machen willst? Die drei sind die besten der Stadt.“
Ich sah ihn unsicher an, doch er grinste nur und zog mich in seinen Arm.
„Sie sind die besten der Stadt, weil sie noch nicht gegen mich gespielt haben. Gib mir einen Glückskuss Baby.“
Ich grinste ihn kopfschüttelnd an.
Er war so arrogant, manchmal wunderte ich mich wie das ganze Ego eigentlich in seinen Kopf passte.
Ohne dass ich noch etwas erwidern konnte, zog er mich an sich und brachte mich dazu unsere Umgebung zu vergessen.
Das Grölen holte mich wieder zurück und ich sah, wie uns alle anstarrten und warteten, dass sie anfangen konnte.
„Wow, wenn das mein Glückskuss war, will ich unbedingt einen Gewinnerkuss.“
Seine Stimme war rau und ich sah wieder das Glitzern in seinen Augen.
Grinsend löste ich mich von ihm.
Was hatte ich erwartet? Das er verlieren würde?
Fabio hätte mich augenverdrehend angesehen und gemeint, ich sollte ein bisschen mehr Vertrauen in seinen Bruder haben.
Als ob ich das nicht hatte, aber so langsam glaubte ich, dass es nichts gab, was er nicht konnte!
Im Ernst er war wirklich in allem gut!
Und so schlug er die drei Stadtmeister in nur zehn Zügen.
Die Jungs waren schockiert, die Zuschauer begeistert.
Und Daniel?
Er kam einfach arrogant grinsend zu mir um sich seinen „Gewinnerkuss“ abzuholen.
Crystal zitierte alle nach drinnen, um mehrere Trinkspiele zu veranstalten, an denen ich diesmal aber nicht teilnehmen wollte.
Es lief eh immer auf das gleiche heraus, entweder man trank oder man knutschte mit irgendjemandem rum.
Beides war im Moment nicht gut.
Ich setzte mich auf die Couch und sah ihnen zu wie so gut wie jeder mit jedem knutschte und ein Kleidungstück nach dem anderen den Boden fand.
„Hey Seli.“
Ich zuckte zusammen und sah auf.
Nur Daniel nannte mich Seli, aber es war die falsche Stimme.
Luca stand neben der Couch und hielt einen Drink in der Hand.
Er grinste auf mich runter.
„Schön, dass du gekommen bist, Crystal hat das sehr gefreut. Und mich natürlich auch.“
Er zwinkerte mir zu und grinste.
Etwas verwirrt lächelte ich und nahm noch einen Schluck aus meinem Becher.
„Wie lang bist du in der Stadt, vielleicht können wir uns treffen und einen Kaffee trinken gehen oder was essen,
wenn du möchtest.“ Bot er mir an.
Verwirrt sah ich ihn an.
Hatte er nicht mitbekommen, dass ich mit Daniel gekommen war?
Erwartete er das ich mit ihm Essen gehen würde, wenn ich einen Freund hatte?
„Luca ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist… ich bin…“
In diesem Moment tauchte Daniel neben mir auf und zog mich in seinen Arm.
„Hey Baby, da bist du ja, ich habe dich schon gesucht.“ Erleichtert atmete ich auf, doch an seinem Blick sah ich, dass es ganz und gar kein Zufall war, dass er gerade in diesem Moment aufgetaucht war.
Daniel hatte mich wahrscheinlich den ganzen Abend im Auge behalten.
Er nickte Luca knapp zu und zog mich näher an sich.
Dann wanderten seine Lippen über meine Wange zu meinen Lippen und küssten mich besitzergreifend.
Innerlich biss ich mir auf die Lippe und grinste wie ein Honigkuchenpferd.
Als er sich wieder von mir löste, war Luca verschwunden und ich schmiegte mich in seine Arme.
„Er beobachtet dich schon den ganzen Abend.“, murmelte er in meine Haare.
Ich verzog das Gesicht.
Luca war schon früher ein ganz schöner Aufreißer gewesen, anscheinend hatte sich das kein Stück geändert, aber jeder auf dieser Party hatte wohl mitbekommen, dass ich mit Daniel zusammen war.
Er hatte mich an diesem Abend öfter geküsst, als zuhause in einer Woche.
In der Männerwelt nannte man das wahrscheinlich Reviermakierung.
Ich konnte spüren, dass ihn diese Aktion entspannte, da Luca nun Bescheid wusste.
Es war schon spät als ich vom Klo zurückkam und mich nach Daniel umsah.
Viele waren schon heimgegangen oder lagen betrunken auf den Sofas herum.
Also trat ich in den Garten und entdeckte ihn bei einer Gruppe Jungs stehen.
Er hielt wieder eine Zigarette in der Hand.
Gerade wollte ich zu ihm gehen, als ich hörte worüber sie redeten.
„…Andrew hat sie gevögelt. Als Cheerleader Captain muss sie wohl ne ziemlich Ausdauer gehabt haben. Ist das immer noch so?“
David grinste Daniel dreckig an und wackelte mit den Augenbrauen.
Ich schloss für einen Moment die Augen. Bitte nicht.
Ich betete innerlich das ich mir das eingebildet hatte.
„Das wirst du niemals herausfinden, dafür werde ich
sorgen.“
Erwiderte Daniel, seine Stimme war beherrscht, aber ich konnte hinter seine Fassade blicken.
Er drehte sich um und entdeckte mich an der Terrasse stehen.
Einen Moment starrten wir uns an und ich versuchte in seinen Augen zu erkennen ob er David glaubte oder nicht.
Aber er ließ mich nichts erkennen, ging mit angespannter Haltung und geballten Fäusten auf mich zu.
„Daniel…“, hauchte ich ängstlich, als er vor mir stand und mich kalt ansah.
Er schüttelte den Kopf und zog mich am Arm weiter in einen nicht beleuchteten Teil des Gartens.
Dort lehnte ich an der Wand und klammerte mich verzweifelt an seine Faust, betete das er mich endlich ansah.
Sein Atem ging schwer und er biss die Zähne zusammen.
„Stimmt es?“ fragte er, aber er sah mich nicht an.
„Es ist nicht wahr Daniel, du musst mir das glauben. Ich… ich habe mit keinem von Ihnen geschlafen… mit keinem.“
Er öffnete seine Augen und sah mich verzweifelt an.
Er wusste nicht wem er glauben sollte.
„Warum sagt er es dann?“ fragte er leise.
Ich schloss die Augen und schluckte.
Nun war der Moment das ich ihm alles erzählen musste, eigentlich wollte ich das um jeden Preis vermeiden, aber
anscheinend musste ich den hässlichen Teil auspacken.
„Hier… hier wird jedes Jahr eine regelrechte Jagd auf… auf Jungfrauen veranstaltet. Mein bester Freund, Andrew, er wollte nicht das ich da reingezogen werde, also hat er behauptet mit mir geschlafen zu haben, um mich zu schützen. Aber es ist nichts passiert. Ich würde dich niemals anlügen.“
Tränen liefen über meine Wangen und es war als würde mein Herz in Stücke zerbrechen.
Wenn er mir nicht glaubte, traten meine schlimmsten Albträume bezüglich dieser Party, dieser Leute ein.
Ich verabscheute hier jeden, was sie getan hatten, was ich getan hatte.
Er ließ Luft austreten und sah mich forschend an.
Konnte er mir glauben?
„Seli.“ Seine Hände legten sich an meine Wangen.
„Es tut mir so leid, dass du so etwas tun musstest. Das war es, oder? Das war der Grund, die Sache wovor du Angst hattest, dass ich sie erfahre. Gott ich bin so ein Idiot.“
Seine Stirn legte sich an meine, er strich meine Tränen mit den Daumen fort und sah mich flehend an.
„Es tut mir leid.“ flüsterte ich.
Er schüttelte den Kopf und zog mich an seine Brust.
„Ich sollte darüber gehen und jeden einzelnen
zusammenschlagen, dafür dass sie so über dich reden, dafür, dass sie mir die Zweifel eingeredet haben.“
„Daniel, du bist der Einzige, der mich hatte."
Ihre Stimme war so schwach, dass mein Herz fast stehen blieb.
Ich drückte sie noch näher an mich und atmete ihren Geruch ein.
Sie beruhigte meine Nerven und die grauenvollen Bilder verschwanden langsam aus meinem Kopf.
Nachdem wir beide nochmal mal durchgeatmet hatten, strich ich ihre Tränen weg und drückte meine Lippen auf ihre.
Würde diese Wirkung jemals nachlassen?
Die Wut, die Zweifel alles war vergessen, wenn sie bei mir war.
Da waren nur sie und ich.
„Willst du nach Hause?“ fragte ich sie leise.
Schließlich nickte sie, aber schmiegte ihr Gesicht an meinen Hals.
Ich hielt sie fest, konnte mich nicht von ihr lösen.
So blieben wir noch ein paar Minuten stehen, bevor wir zurückgingen, um uns zu verabschieden.
Schnell und ohne Ausschweife verabschiedete Selina sich von ihren Freundinnen, sie ließ sich nichts anmerken, trotzdem blieb ich nah neben ihr und zog sie
wieder in meinen Arm, als wir endlich draußen waren.
Wir atmeten beide erleichtert auf.
Ich fuhr uns zurück, Tempobegrenzungen interessierten mich nicht.
Ich hielt ihre Hand fest in meiner, wollte sie bei mir haben, denn sie hatte sich noch nicht ganz erholt.
Ich verfluchte mich selbst dafür, dass ich so dumm gewesen war.
Ich brachte sie ins Bett, zog sie fest an mich.
„Es tut mir leid Baby.“
Sie wandte sich um und lächelte mich an.
„Ist schon ok, du musst dich nicht entschuldigen. Ich hätte wohl nicht anders reagiert.“
Ich schlüpfte in das viel zu kurze Kleid und trat zu Daniel ins Wohnzimmer.
Er stand am Fenster und sah auf die Stadt hinaus, wo die Sonne schon vor ein paar Stunden untergegangen war.
„Du siehst wunderschön aus.“, seine Lippen landeten auf meiner nackten Schulter und hinterließen Gänsehaut auf meinem ganzen Arm.
Eigentlich fand ich langsam tatsächlich gefallen an dem Stofffetzen.
Die Fahrt verlief relativ still, wir hingen beide unseren Gedanken nach.
Wir hatten auch nicht mehr über den vergangenen
Abend gesprochen für Daniel war das Thema abgeschlossen.
„Seli ich will, dass du niemandem deinen richtigen Namen sagst. Ich werde mit den Jungs ein paar Geschäfte besprechen müssen, währenddessen gehst du mit Hannah an die Bar. Sie ist eine alte Freundin, du kannst ihr vertrauen. Bestell dir was immer du willst. Ich stell dir die anderen nicht vor, damit sie keine Fragen stellen. Bleib bei Hannah bis ich dich wieder hole.“
Ich nickte nur stumm und versuchte die vielen Informationen zu verarbeiten.
Dann kamen wir auch schon auf einem riesigen Parkplatz an.
Überall waren Leute, knutschende Paare, Mädels mit viel zu kurzen Kleidern.
Daniel nahm meine Hand sobald wir ausgestiegen waren und führte mich zum Eingang eines großen Gebäudes.
Viele Leute standen davor und warteten auf den Einlass, doch Daniel ging einfach an ihnen vorbei und so traten wir schnell in einen riesigen Club ein.
Warme Luft aus Alkohol, Tabak und Schweiß strömte mir entgegen und ich sah mich neugierig um.
Es handelte sich um eine riesige Halle mit mehreren Bars an der Seite und einer großen Tanzfläche in der Mitte, wo sich schon viele Leute versammelt hatten.
All die Jahre war ich nie in dieser Gegend gewesen.
Daniels Hand drückte meine kurz, dann hauchte er mir
noch einen Kuss auf die Schläfe, bevor er mich zügig weiterführte, tiefer in den Club hinein.
Wir gingen durch ein paar Räume und Türen, dann waren wir in einem etwas ruhigeren Bereich.
Er steuerte auf einen großen runden Tisch zu an dem ein paar Männer und zwei Mädchen saßen.
Sobald wir näher kamen stand die eine schon auf und lächelte uns strahlend entgegen.
Sie trug ein kurzes rotes Kleid, welches sich perfekt an ihre Figur schmiegte.
Ihre blonden Haare waren zu einem Dutt nach oben gebunden, sodass ihre blauen Augen ihr förmlich aus dem Gesicht sprangen.
Sie war der Inbegriff von Schönheit.
Als wir sie uns erreichte nahm sie Daniel in den Arm, wobei ich bemerkte, dass er ihr etwas zuflüsterte.
Kurz spürte ich einen Stich in meinem Inneren, das waren wohl die Art Frauen, mit denen er hier seine Zeit verbracht hatte.
Sie nickte und nahm dann auch mich in eine Umarmung.
„Es freut mich so dich kennenzulernen. Ich bin Hannah. Wir werden heute ganz bestimmt viel Spaß haben.“
Ich erwiderte ihr Lächeln und atmete auf, sie war anscheinend sehr nett.
Die anderen beäugen mich kritisch, wandten sich aber schon an Daniel und begrüßten ihn freundschaftlich.
Hannah sprach noch kurz mit einem Mann, er war etwas
älter, bestimmt schon um die Ende zwanzig und trug eine schwarze Jeans, sowie ein schwarzes Hemd.
Seine Haare waren sehr kurz und blond.
Kurz darauf kam sie wieder zurück und nahm meinen Arm.
Kurz warf Daniel mir noch einen Blick zu, dann nickte er und ich wurde zur nächsten Bar auf der anderen Seite des Raums gezogen.
„Oh ich sag‘s dir, ich bin wirklich froh, dass er diesmal keine Barbie mitgebracht hat. Die letzten Male waren die Weiber immer an ihm geklebt und haben total genervt.“
Die anderen? Eine eiskalte Hand legte sich um mein Herz.
Ich könnte mich selbst ohrfeigen, natürlich gab es andere Mädchen, wie denn auch nicht?
Hannah verdrehte die Augen und wedelte einen Barkeeper mit ihrer Hand zu uns rüber.
Dann sah sie erschrocken zu mir.
„Oh das hätte ich nicht sagen sollen. Oh Selina, das tut mir leid.“
Verwirrt blinzelte ich sie an.
„Moment nochmal von vorne, woher kennst du meinen Namen und warum tut dir das Leid?“
Jetzt lächelte sie mich wieder an.
„De Lucia und ich kennen uns schon sehr lange, er hat mir gesagt, wie du heißt und dass die Jungs dich aber
nicht kennen sollen.
Naja, und der Kommentar mit den Mädels war eher taktlos, wenn man bedenkt, dass du seine erste feste Freundin bist.“
Sie musste bemerkt haben, dass ich schon wieder
zusammenzuckte, denn sie lachte nur.
„Nein, das hat er mir nicht gesagt. Das war auch nicht nötig. Ich beobachte die Leute, das kann ich gut und er hat sich bei keinem Mädchen bis jetzt so verhalten wie bei dir. Als die Jungs ihn begrüßt haben, ist er in deiner Nähe geblieben und wie er dich ansieht sagt eigentlich schon alles.“
Sie lachte auf.
„Ganz zu schweigen von den sorgenvollen Blicken die ganze Zeit hier herwirft, und denkt das ich sie nicht mitbekomme.“
Ich schüttelte lachend den Kopf.
„Na dann lassen wir den Abend doch mal beginnen, was willst du trinken?“ fragte sie lächelnd.
Ich hatte keine Ahnung was ich nehmen sollte, es war im Moment alles etwas viel.
„Ich nimm was du nimmst.“
Sie lachte auf und klatschte in die Hände.
„Traumhaft! Ich hoffe wirklich, dass er dich öfter herbringt. Wir nehmen Champagner, eine Flasche!“ sagte sie dann zum Barkeeper, der ihr nickend zuzwinkerte.
Als wir die Gläser bekamen, unterhielten wir uns schon.
Ich erfuhr, dass sie ursprünglich aus Bishop stammte, einer Kleinstadt in Kalifornien.
Ihre Familie war noch dort, aber sie mochten das Stadtflair und war deswegen nach Miami gekommen, wo sie Johannes kennenlernte.
Die beiden waren nun schon seit vier Jahren zusammen.
Wir konnten von oben sehen, wie die Tanzflächen immer voller wurden, die Mädchen herumgereicht wurden wie Gegenstände.
Hannah konnte mir zu fast jeden Typen, der hier herumlief, eine Geschichte erzählen.
Die meisten waren kriminell, die einen mehr, die anderen weniger.
Sie erzählte mir auch von dem Straßenrennen, welches heute Nacht stattfand und fand es gut, dass Daniel bis dahin abhauen wollte.
„Er ist selbst ziemlich viele gefahren, er war einer der besten, aber man weiß nie wann einen die Polizei erwischt oder ein entgegenkommendes Fahrzeug. Diese Rennen sind ziemlich gefährlich. Es gab schon viele Unfälle.“
In meinem Kopf spielten sich viele Szenen ab, wie Daniel in Lebensgefahr geriet und meine Kehle schnürte sich zu. Ich hatte mich die ganze Zeit beherrscht nicht nach Daniel zu sehen, nun schweifte mein Blick aber durch den Raum.
Er stand an einem anderen Tisch und unterhielt sich mit einem Mann.
An fast allen sichtbaren Stellen war dieser tätowiert oder hatte Piercings.
Daneben stand das andere Mädchen, welches ich schon beim Hereinkommen gesehen hatte.
Sie verschlang Daniel förmlich mit Blicken und ihre Brüste sprangen ihr fast aus dem Kleid.
„Die hats echt nötig, vorher hat sie gemeint, sie könnte Johannes zu nah kommen, da habe ich mal kurz die Krallen ausgefahren.“, grinsend zuckte Hannah die Schultern und nahm noch einen Schluck Champagner.
Ich lachte bei dem Gedanken auf, das konnte ich mir gut vorstellen, Hannah war nicht der Typ, der sich zurückhielt, so wie ich.
„Es dauert nicht mehr lang.“, meinte Hannah neben mir.
Ich schaute wieder überrascht zu ihr.
„Woher weißt du das?“
„Johannes, wenn ein Geschäft zu Ende geht wird er entspannter und trinken sie zusammen einen kurzen, gerade hat er welche bestellt.“ Sie lächelte.
Sie wirkte wirklich glücklich hier.
Ich wusste nicht ob ich hier leben könnte und diese Nummer öfter abziehen müsste.
Sie musste ihn wirklich sehr lieben.
„Woher kennst du Daniel eigentlich?“ fragte ich sie.
Sie wandte sich wieder um.
„Ich habe ihn vor circa vier Jahren kennengelernt.
Er war kurz davor die Stadt zu verlassen, brauchte aber für einen letzten Job noch eine Begleitung und wie du vielleicht schon gemerkt hast sind wir hier nicht wirklich viel wert, wir sind austauschbar.
Johannes hat mich sozusagen ausgeliehen, auch wenn es ihm nicht recht war, wusste er, dass mir bei de Lucia nichts passieren kann, dass er auf mich aufpassen würde. Also ging ich mit ihm zu diesem Job.
Wir waren danach noch etwas essen und haben uns länger unterhalten.
Er ist ein guter Kerl, aber das muss ich dir nicht sagen, ich denke du kennst ihn ziemlich gut.“
Sie zwinkerte mir verschwörerisch zu.
Ich lächelte, da spürte ich seinen Blick auf mir.
Hannah trank ihr Glas aus, also war es vorbei, ich sah auf ihre Uhr, drei Stunden waren wir hier gewesen.
So lange war es mir gar nicht vorgekommen.
Sein Geruch erreichte mich noch vor seiner Hand, die sich auf meinen Rücken legte.
Ich drehte mich um und lächelte.
Er sah entspannter aus, anscheinend hatte alles geklappt.
Hinter ihm trat Johannes zu Hannah und legte seinen Arm um sie.
„Können wir los?“ fragte Daniel und ich nickte nachdem ich mein Glas ausgetrunken hatte.
Wir verabschiedeten uns noch von den anderen beiden, dann führte er mich durch die Gänge aus dem immer voller werdenden Club hinaus.
Die kühle Luft schlug mir draußen entgegen und mir wurde kurz schwindelig, zu viel Sauerstoff auf einmal, dachte ich schmunzelnd.
Daniels Arm legte sich nun wieder um mich und zog mich eng an sich.
„Alles ok?“ fragte er und ich nickte als Antwort.
Er sah zu mir runter und lächelte.
„Ist das Geschäft gut gelaufen?“
Er nickte.
Wir traten gerade ans Auto und er hielt mir die Tür auf, als eine Stimme nach ihm rief.
„De Lucia!“
Daniel wandte sich um und knurrte.
Verunsichert sah ich von ihm zu dem Mann, der auf uns zukam.
„Wo willst du hin? Ich habe dich zum Rennen angemeldet, wenn du mal wieder in der Stadt bist muss man denen doch zeigen, dass du es immer noch kannst.“
Er stand jetzt direkt vor uns, ich spürte wie angespannt
Daniel war.
Der Mann trug eine schwarze Jeans und ein blaues T-Shirt.
Insgesamt nichts Besonderes, er war gut gebaut und seine braunen Augen sahen uns erwartungsvoll an.
Er wirkte sympathisch, doch dass er Daniel zum Rennen angemeldet hatte konnte nichts Gutes bedeuten.
„Was hast du getan? Bist du bescheuert Adams?“
Daniel war sauer, seine Hände zitterten, aber ich traute
mich nicht danach zu greifen, um ihn zu beruhigen.
„Sorry Bro, ich dachte du würdest bestimmt dabei sein wollen. Kannst deine Schnecke ja auf den Beifahrersitz schnallen, damit sie mal sieht wies hier abgeht.“
Er grinste mich dreckig an.
„Aber du kannst jetzt nicht absagen, das würde deinen Ruf schädigen und wir wissen beide wie wichtig das Geschäft heute für dich war.“
Daniel Atem ging stockend und unter seinem Todesblick wären ein paar andere bestimmt sofort eingeknickt.
Doch der Typ schien ihn gar nicht zu bemerken, er wartete auf Daniels Zustimmung.
Würde er das machen?
Anscheinend war es ziemlich wichtig.
„Schön ich mach‘s. Zieh Leine.“
Daniels Stimme war eiskalt und drohend.
Es war als würde ich keine Luft mehr bekommen, die Bilder, die sich nach Hannahs Schilderungen vorher in meinen Kopf geschlichen hatten, tauchten wieder auf.
Daniel zwischen einem kaputten Auto.
Verletzt, vielleicht sogar tot.
Dieser Adams gab sich damit zufrieden und zog grinsend wieder ab.
Ich sah ihm noch hinterher, bis er im Club verschwand, dann sah ich zu Daniel.
Er hatte den Kopf auf seine Hände am Autodach gelegt und rang um Fassung.
Vorsichtig legte ich meine Hand auf seinen Rücken.
„Bist du dir sicher, dass du das machen willst?“ fragte ich ihn leise.
Er sah auf und ich erzitterte unter seinen kalten Augen.
„Du musst von hier verschwinden.“ Meinte er dann und holte sein Handy hervor.
„Nein, ich werde nicht ohne dich gehen!“
Daniel schüttelte den Kopf.
„Und ich werde nicht zulassen, dass du das mitansiehst.“
Er wählte eine Nummer und wartete.
Ich würde ihn unter keinen Umständen alleine lassen.
Am Ende wurde er doch noch verletzt und ich war nicht da!
Mich durchfuhr ein Schauer, wenn ich nur daran dachte. Als anscheinend niemand abnahm fluchte er und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar.
„Fuck!“
Meine Händen finden sein Gesicht ein und ich zwang ihn mich anzusehen. „Daniel sieh mich an.“
Ich stand direkt vor ihm, sodass ich seinen Atem spüren konnte.
Er war der Beste, in allem, versuchte ich mich zu beruhigen.
„Ich krieg das hin, du fährst dieses Rennen und dann können wir nach Hause. Es ist keine große Sache ok? Ich werde in der Zeit bei Hannah bleiben.“
Langsam beruhigte er sich wieder, sah sich kurz um, dann legte er seine Hand an meine Wange.
Sein Ausdruck blieb aber angespannt.
„Du wirst ihr nicht von der Seite weichen, bis ich wiederkomme. Ok?“
Sofort nickte ich.
Einen Moment sahen wir uns noch an, dann schloss er das Auto hinter uns wieder ab und führte mich zurück zum Club.
Dort war es jetzt ruhiger, es hatten sich viele Grüppchen gebildet und die Musik war leiser.
Ich stand zwischen Hannah und Daniel der sich mit Johannes unterhielt.
Auf der Bühne hinter dem DJ Pult standen drei riesige Typen, die sich unterhielte, dann wandte sich einer an
die Menge und hob das Mikrofon.
„Meine lieben Freunde. Herzlich willkommen im Moonshine.“
Die Unterhaltungen verstummten und allen sahen zu
dem Mann.
„Ich möchte euch nicht lange warten lassen ihr wisst genau was jetzt kommt. Nur eine Regel ist heute anders. Jeder muss seine Begleitung dabeihaben. Besteigt die Autos!“
Ein lautes Raunen und Jubeln gingen durch die Menge, sodass ich es fast nicht mitbekam wie Daniel neben mir Luft einzog.
Als ich zu ihm sah, waren seine Augen wieder verschlossen, sein Gesichtsausdruck wütend.
Er nahm meine Hand in seine und folgte Hannah und Johannes die mit der Menge zum Ausgang strömte.
Draußen schlug mir wieder die kühle Luft entgegen.
Auf dem riesigen Parkplatz standen jetzt zwei Autos nebeneinander, an den Seiten daneben standen schon Massen an Leuten.
Daniel ging auf die kleine Gruppe zu, die zwischen den Autos stand.
Hannah und Johannes waren direkt hinter uns, ich hörte sie reden.
Der Mann von der Bühne drehte sich um und grinste breit, als er Daniel sah.
„De Lucia, gut dich zu sehen, bist ganz schön groß geworden. Fährt die Kleine mit dir?“
Fragte er und deute auf mich.
Kurz wurde Daniels Hand um meine fester.
„Nein.“ Antwortete er dann.
Mein Herz zog sich zusammen.
Er wollte mich nicht dabeihaben, um mich nicht in Gefahr zu bringen.
Aber er würde sich selbst in Gefahr bringen.
Das Lächeln des Mannes verblasste.
„Du hast die Regeln gehört. Jeder muss heute seine Begleitung dabeihaben.“
„Wenn du sie nicht nimmst, fährt sie mit mir.“ Rief ein weiterer Mann zu uns rüber.
Er lehnte am anderen Auto und ließ seinen Blick langsam über mich wandern.
Daniel entfuhr ein Knurren und er zog mich ein Stück hinter sich.
„Du wirst sie nicht bekommen.“
Schnauzte er den anderen an und bedeutete mir ins Auto zu steigen.
Also musste er mich wohl oder übel mitnehmen.
Wollte ich das?
Eigentlich hatte ich keine Wahl und lieber war ich bei ihm, als bei dem schmierigen Typen im anderen Auto.
Hannah und ich tauschten einen Blick und sie nickte mir zuversichtlich zu.
Kurz nach mir stieg Daniel ins Auto und beschäftigte sich mit den Einstellungen des Autos.
„Es tut mir leid, aber ich werde nicht zulassen, dass er dich mitnimmt. Er würde dich umbringen.“
Ich nickte stumm und sah aus dem Fenster.
An den Seiten jubelten die Menschen, der andere Fahrer machte sich fertig. Neben ihm saß ein junges Mädchen, sie dürfte kaum älter als ich sein.
Daniel legte mir den dreifachen Sicherheitsgurt an und sah sich immer wieder um.
„Daniel halt dich nicht zurück, du musst dieses Rennen gewinnen, also mach alles so wie früher.“
Sein Blick wanderte zu mir.
„Ich bring dich schon wieder in Lebensgefahr.“, murmelte er und seine Hand strich über meine.
„Ich vertraue dir, weißt du noch?“
Sofort nickte er.
Von draußen kam das Signal die Motoren zu starten.
Schnell nahm ich seine Hand in meine, sodass er nochmal zu mir rüber sah.
Stumm sahen wir uns an und tauschten so alles aus, was wir nicht mehr sagen konnte.
Dann wandte er sich wieder nach vorne und die Maske schob sich wieder vor sein Gesicht.
Ich sah ebenfalls zur Straße und machte mich bereit.
Mein Herzschlag hatte sich beschleunigt, ich hatte keine Ahnung auf was ich mich hier eingelassen hatte.
Böser Fehler, flüsterte eine Stimme in meinem Kopf, doch ich verbannte sie schnell.
Bei Daniel würde mir nichts passieren, er würde das nicht zulassen.
Dann ertönte das Startsignal und er trat auf das Gaspedal.
Das Auto machte einen Satz und drückte mich tief in den Sitz.
Wir ließen die jubelnde Menge hinter uns und fuhren auf die offene Straße.
Daniels war weit schneller als sonst, jenseits jeglicher Geschwindigkeitsbeschränkungen.
Mit gekonnten ruhigen Bewegungen lenkte er den Wagen zwischen den anderen Autos durch.
Der andere fuhr immer wieder neben uns und versuchte Daniel auszubremsen.
Doch der achtete gar nicht darauf und konzentrierte sich weiter auf den Verkehr.
Wir schossen durch die Straßen, wo der Verkehr langsam weniger wurde, immer wieder hatten sich Menschen am Straßenrand gesammelt und jubelten den Autos entgegen.
Direkt vor uns sprang eine Ampel auf Rot, doch Daniel gab Gas und schoss einfach über die Kreuzung.
Hupen ertönten hinter uns und irgendwo im Hintergrund nahm ich Polizeisirenen wahr.
Meine Hände zitterten, ich ballte sie zu Fäusten damit er es nicht sah.
Es würde ihn nur davon abhalten zu gewinnen.
Ein paar Minuten später fuhren wir auf eine Straßensperre zu, leuchtende Pfeile deuteten auf die andere Richtung.
War das geplant gewesen?
Plötzlich tauchte neben uns das andere Auto auf und der Fahrer grinste dreckig zu mir.
„Halt dich fest!“ rief Daniel mir zu und ich tat sofort was er sagte.
Meine Hände klammerten sich in den Sitz und ich
machte mich auf das Schlimmste gefasst.
Im nächsten Moment legte er eine Vollbremsung in der Kurve hin und zog die Handbremse, sodass das Auto eine 180 Grad Drehung machte.
Wir wurden in die Sitze gedrückt und ich hielt die Luft an.
Im nächsten Moment gab Daniel wieder Gas und wir schossen in die entgegengesetzte Richtung.
Hinter uns sah ich noch wie der andere ebenfalls wendete, allerdings länger brauchte, weil er weiter ausgeholt hatte.
Erleichtert schnappte ich nach Luft und musste mir ein Grinsen verkneifen.
Irgendwie war es ziemlich aufregend dieser Adrenalinkick.
Am Ende der Straße konnte ich das Moonshine erkennen, im selben Moment tauchten weit hinter uns Polizeiwagen auf.
Daniel registrierte sie mit einem Blick in den Rückspiegel und gab nochmal Gas.
Mir war gar nicht bewusst das dieses Auto noch mehr aushielt, doch wir schossen weiter über die Straße.
Keine Minute später erreichten wir weit vor dem anderen Wagen die Ziellinie und Daniel fuhr das Auto in eine Einfahrt, die sich direkt hinter uns schloss.
Erst als er Motor erstarb konnte ich wieder aufatmen und entspannte meine Finger.
Sie taten weh, weil ich sie so fest zusammengepresst hatte.
Daniel sah zu mir, dann beugte er sich rüber und presste seine Lippen auf meine.
Seine Hand legte sich in meinem Nacken und zog mich über die Mittelkonsole an ihn.
Mein Körper konnte sich so gar nicht beruhigen!
Als er sich von mir löste, lehnte seine Stirn an meiner und er lächelte, seine Augen leuchteten.
„Das war eine neue Bestzeit, du bist wohl mein Glücksbringer.“
Ich spürte seinen Atem auf meinen Lippen und konnte nicht anders als ihn nochmal zu küssen.
„Wir sollten reingehen, sonst kommen sie alle her.“ Murmelte er an meine Lippen und löste sich dann von mir.
Enttäuscht zog ich mich zurück und stieg mit ihm gemeinsam aus dem Wagen.
Wir standen in einer dunklen kleinen Garage die wahrscheinlich dafür sorgen sollte, dass die Polizei die Autos des Rennens nicht fand.
Daniels Arm legte sich um meine Taille während wir durch die dunklen Gänge zurück ins Innere des Clubs gingen.
Erst auf der Tanzfläche ließ er mich los und lotste mich
zu Hannah an die Bar weiter.
Diese grinste als sie uns entdeckte.
„Du hast es nicht verlernt, aber mit diesem Mädchen neben mir hätte ich auch Höchstleistungen gebracht.“
Die beiden grinsten sich an und Daniel bestellte Getränke für uns.
Er unterhielt sich mit Johannes und den vielen Leuten, die ihm zum Sieg gratulierten, währenddessen blieb ich bei Hannah und trank noch einen Cocktail.
Ich beobachtete Daniel wie er locker mit den verschiedenen Leuten umging, ob es ältere Männer waren, Jungs in seinem Alter oder zu meinem Missfallen auch viele Mädchen.
Sie zeigten viel Ausschnitt und sahen ihn an, als wollte sie ihn in der nächsten Minute verschlingen wollen.
Gegenseitig warfen sie sich sogar gegenseitig abschätzige Blicke zu.
Unauffällig sah Daniel immer wieder zu mir.
„Wie wars für dich?“ fragte Hannah.
Ich lächelte und schüttelte den Kopf.
Es war der Wahnsinn gewesen und gleichzeitig die pure Hölle.
„Ich hatte ne scheiß Angst, aber ich meine, gibt es irgendetwas was er nicht kann?“
Hannah lächelte und zwinkerte.
„Wenn es das gibt, habe ich es noch nicht herausgefunden, du kannst mir aber gerne Bescheid geben, wenn du etwas gefunden hast. Dann könnte man ihn endlich mal ein wenig aufziehen.“
Sie bestellte gerade eine weitere Runde für uns, als eine mir vertraute Stimme ertönte.
Ich drehte mich um und schnappte erschrocken nach Luft.
Zwischen ein paar tanzenden Leuten erkannte ich die Person zu der Stimme.
Dann trafen mich die hellblauen Augen und weiteten sich erschrocken.
Innerhalb ein paar Sekunden stand er vor mir, während ich ihn immer noch erschrocken anstarrte.
„Sel? Was tust du hier?“
Ich konnte nicht antworten.
Verzweifelt versuchte ich die Person vor mir zu erkennen.
Unter den Tattoos und Piercings hatte ich ihn fast nicht erkannt, doch diese Augen würde ich niemals vergessen.
„Andrew?“, hauchte ich leise.
Er musterte mich, schüttelte den Kopf und trat dann näher.
„Lass uns einen Moment rausgehen und reden ok?“
Immer noch starrte ich auf seine Lippe, in der nun ein Ring steckte.
Wie oft hatte er mir einen Kuss auf die Stirn gegeben, um mich zu trösten?
„S alles ok, wer ist das?“
Hannah kam an meine Seite und musterte Andrew kritisch. Dieser erwiderte den Blick und sah nicht gerade begeistert aus.
Dann wanderte sein Blick wieder zu mir und er sah mich flehend an.
„Ich… ich bin gleich wieder da.“, murmelte ich an Hannah gewandt.
Sie hielt meinen Arm noch eine Sekunde fest und sah mich prüfend an. Schnell nickte ich ihr zu.
„Alles gut, ich kenne ihn.“
Dann ging ich in Richtung Ausgang.
Andrew folgte mir, ich konnte ihn direkt hinter mir spüren.
Draußen war es ruhig geworden nur noch ein paar Gruppen standen herum und unterhielten sich.
Andrew zog mich etwas abseits der Leute und wandte sich dann um.
„Was tust du hier Sel? Das ist kein Ort für dich.“
Er sah mich besorgt an.
„Dasselbe könnte ich dich fragen, und was zur Hölle ist das?“ fragte ich ihn und deutete auf sein Gesicht.
Sofort blickte er zu Boden und kaute auf seiner Lippe, zumindest hatte er diese Angewohnheit nicht abgelegt.
Er zuckte die Schultern und sah vorsichtig auf.
„Die Piercings sind nur Fake, gut die Tattoos sind echt, aber du weißt doch das ich immer schon welche wollte, wir wollten zusammen zum Stechen gehen!“
Ich lächelte und griff nach seinem Arm.
Dort thronten jetzt verschnörkelte Linien und Symbole einige erkannte ich wieder und strich vorsichtig darüber.
„Wieso bist du zurück in Miami?“
Ich seufzte und lies seinen Arm wieder los.
„Ich bin dabei mir eine Sorgerechtsübertragung für Ben zu holen und hab Crys besucht.“
Er nickte. „Euer Vater?“
Nun war ich die die nickte und zu Boden sah.
Er trat näher und strich über meine Arme.
„Aber wir sind da weg, wir… wir wohnen jetzt bei… einem Freund. Und bald geh ich nach New York also, es läuft gut für uns.“
Ich lächelte ihn an und er erwiderte es schwach.
„Ich bin erleichtert das zu hören, ich habe mir wahnsinnige Sorgen um dich gemacht.“
Seine vertrauten Augen beruhigten mich immer noch.
„Es tut mir leid, dass ich mich nie bei dir gemeldet hab, ehrlich ich…“
Andrew schüttelte den Kopf und trat näher zu mir.
„Mach dir keine Gedanken und nehme es dir nicht übel, du hast eine schwierige Zeit hinter dir.“
„Wie bist du hier her gekommen Andrew? Das ist nicht unsere Welt, war sie nie.“
Er nickte und ließ seinen Blick über den Parkplatz schweifen.
„Es hat sich einiges verändert, ich habe jetzt einen Job, deswegen bin ich hier.“
Verwirrt runzelte ich die Stirn.
„Ich dachte du wolltest zur Polizei?“ fragte ich leise.
Andrew sah mich nur stumm an als würde er auf etwas warten.
Dann schnappte ich erschrocken nach Luft.
„Du bist Undercover hier.“, hauchte ich und sah ihn wieder überrascht an.
Er nickte und sah sich wieder unauffällig um.
„Ja, und du Süße hättest mich fast enttarnt. Mir ist fast das Herz stehen geblieben als ich dich gesehen hab. Also was tust du hier?“
Ich war versucht zu lügen, wie ich es schon so oft getan hatte. Aber Andrew war mein bester Freund. Mit ihm konnte ich reden.
„Ich…“
„Selina?“
Eine Stimme ließ mich zusammenfahren, Andrew trat sofort näher zu mir und fixiert jemanden hinter mir.
Und ich wusste auch wen.
Schnell drehte ich mich um und sah wie Daniel mit schnellen Schritten zu uns kam.
Er sah mich forschend an, dann fiel sein Blick auf Andrew.
Sofort biss er die Zähne zusammen, als er sah wie nah dieser bei mir stand.
Schnell hatte er zu mir aufgeschlossen und zog mich an seine Seite.
„Was tust du hier draußen?“
Seine Stimme war neutral, sein Blick schweifte immer wieder zu Andrew, der ihn kritisch musterte.
„Ich… hab Andrew getroffen, ich habe dir von ihm erzählt, er war mein bester Freund hier.“ Ich lächelte beide an, doch keiner erwiderte es.
„Andrew das ist Daniel, mein Freund.“ Stellte ich auch ihn vor.
Kurz starrten sie sich noch an, dann zog Daniel mich unmissverständlich näher an sich und nickte Andrew zu.
Andrews Augen weiteten sich und er sah von mir zu Daniel und wieder zurück.
Doch mein Freund interessierte sich nicht weiter für ihn, er wandte sich an mich und sah mich forschend an.
„Wir sollten gehen. Es ist spät.“
Eigentlich wollte ich lieber bei Andrew bleiben und alles erfahren was im letzten Jahr passiert war.
Trotzdem nickte ich.
Als er sich abwandte hielt Andrew mich am Arm fest.
„Sel warte…“
Sofort knurrte Daniel auf und trat schützend vor mich.
Schnell packte ich seinen Arm und zog ihn zurück.
Er reagierte vollkommen über!
Es war doch nur Andrew.
„Sel kann ich dich eine Sekunde sprechen? Allein. Bitte.“
Andrews Blick war drängend.
Ich seufzte und wandte mich an Daniel, der ziemlich sauer aus, nickte aber widerwillig als ich ihn bittend ansah und ihm einen Kuss auf die Wange hauchte.
Er trat ein paar Schritte zurück, ich war mir aber sicher, dass er in einer Sekunde wieder neben mir war, sollte Andrew mich auch nur falsch ansehen.
Mein besitzergreifender Freund.
Fast musste ich lächeln, doch dann fing Andrew an zu sprechen.
„Selina weißt du eigentlich wer das ist? Wieso bist bei ihm? Wie kann es sein das er dein Freund ist? Du musst dich von ihm fernhalten!“
Verwirrt sah ich ihn an.
Andrew seufzte.
„Sel das ist Daniel de Lucia, er ist einer der größten Verbrecher überhaupt. Ein Dutzend meiner Kollegen versucht ihn dran zu kriegen. Bitte du musst dich von ihm fernhalten! Er könnte dich umbringen.“
Ich schüttelte den Kopf und trat erschrocken zurück.
Wie konnte es sein das Andrew auch einer von diesen Leuten war, die Daniel verurteilten, obwohl sie ihn nicht mal kannten? Hatte er sich so sehr verändert?
„Du weißt nicht wovon du da redest Andrew.“
Dieser schüttelte energisch den Kopf.
„Nein du weißt das nicht. Was ist los mit dir? Die Selina, die ich kannte hätte sich niemals mit so jemandem
abgegeben!“
Er hatte lauter gesprochen, ich war mir sicher das Daniel nun wohl mitbekommen hatte wovon wir sprachen.
Ich sah meinen besten Freund an und wäre am liebsten in Tränen ausgebrochen.
Es war so schön ihn wieder zu sehen, aber seine Reaktion auf Daniel hatte alles zerstört.
„Auf Wiedersehen Andrew.“
„Sel geh nicht. Bitte ich versuche nur dich zu beschützen.“
Schnell drehte ich mich um und ging zu Daniel der auf mich wartete und Andrew böse Blick zu warf.
„Alles ok?“, fragte er an mein Ohr und zog mich an sich.
Ich nickte, schmiegte mich aber an seine Brust, als könnte er als das von mir fernhalten.
Es tat mir wahnsinnig weh Andrew einfach so schon wieder zu verlassen, doch meine Beziehung zu Daniel würde er niemals verstehen.
Er war jetzt Polizist und stand damit auf der anderen Seite.
Auch wenn er mein bester Freund war, hatte ich eine Entscheidung getroffen, als ich bei Daniel geblieben war.
Wir stiegen ins Auto wo ich sogleich meine hohen Schuhe auszog.
Die hatte ich schon viel zu lang getragen, eigentlich
hasste ich hohe Schuhe.
„Bist du wirklich ok?“ fragte Daniel leise und streichelte
meine Wange.
Lächelnd schmiegte ich mich an ihn.
„Ja, alles gut.“
Dann fuhr er los und ich sah eine Weile aus dem Fenster, versuchte mich abzulenken.
In der Wohnung angekommen warf Daniel mir immer noch besorgte Blicke zu.
Er schüttelte kurz den Kopf, sagte aber nichts.
Nachdem wir eine Weile im Bett gelegen hatten konnte er sich schließlich nicht mehr zurückhalten.
„Wirst du mir erzählen was das mit Andrew war?“ fragte er leise, als er meinen Arm streichelte.
Als ich nichts sagte, sprach er weiter.
„Wieso bist du einfach gegangen? Ich habe mir Sorgen gemacht. Du kannst doch nicht einfach verschwinden und mir nichts sagen!“
Ich schluckte, daran hatte ich gar nicht gedacht.
„Ich… ich war so geschockt ihn dort zu treffen, er war immer der Anständigste von uns er… ich wollte wissen was er dort tut.“
Kurz war es still bis auf unseren Atem.
„Und?“ fragte Daniel dann.
Ich schluckte, konnte ich Andrew verraten? Aber Daniel würde ihm nichts tun.
„Er… er war Undercover dort, er ist bei der Polizei.“
Murmelte ich leise.
Daniel stieß zischend Luft aus und machte Anstalten aus
dem Bett zu springen. „Verdammte Scheiße.“
Sofort richtete ich mich auf und sah zu ihm.
„Daniel du darfst ihm nichts tun, bitte er ist… er war mein bester Freund.“
Er schloss die Augen. Sein Kiefer war angespannt.
„Er könnte dich anzeigen, weil du mit mir gefahren bist.“
Ich schüttelte den Kopf.
„Das würde er niemals tun, außerdem sind wir doch morgen eh schon wieder weg. Dann sehe ich ihn wahrscheinlich nie wieder.“
Daniel öffnete die Augen und nickte dann.
Seine Hand streichelte meine Wange.
„Er hat mich erkannt, oder? Deshalb wollte er mir dir sprechen.“
Ich nickte und nahm seine Hand in meine.
„Er dachte ich wüsste nicht…“
Daniel grinste. „Wer ich bin und was ich tue?“
„Er wollte mich nur schützen, wie schon immer.“
Daniel sah mich forschend an.
„Musst du denn vor mir beschützt werden?“
„Ich habe mich für dich entschieden Daniel, vergiss das nicht. Vor dir muss mich niemand schützen.“
Damit hauchte ich ihm einen Kuss auf die Lippen und kuschelte mich an ihn.
Seine Arme lagen wieder um mich und hielten mich fest.
Beschützten mich, denn er war der Einzige, der das konnte.
„Schlaf jetzt.“, flüsterte ich an seine Haut, wie er es oft bei mir tat.
Kurz sah er mich noch forschend an, doch dann nickte er und schloss die Augen.
Das Klingeln eines Handys weckte mich.
Daniel lag nicht mehr neben mir, dann verstummte das Klingeln auch schon wieder.
Es kam aus dem Wohnzimmer, also war er schon aufgestanden.
Gähnend streckte ich mich und kletterte aus dem Bett.
Ich ging in die Küche und machte mir eine Tasse Tee, dann trat ich ins Wohnzimmer.
„Ok, ja ich melde mich nochmal, wenn ich wieder zurück bin, dann besprechen wir den Rest.“
Daniel trug nur eine kurze Jeansshorts, als er sich zu mir umdrehte blieb mir wie immer kurz die Luft weg.
Lächelnd kam er auf mich zu und drückte mir einen Kuss auf die Stirn.
„Wer war das? Fabio?“
Nachdenklich schüttelte er den Kopf.
„Nein Johannes.“
Ich nickte und ging in die Küche, doch dann erstarrte ich und drehte mich langsam um.
Daniel musterte mich besorgt.
„Du hast ihm doch nichts gesagt von… von Andrew?“
Er kam ein paar Schritte auf mich zu, sodass die Panik in
mir aufstieg.
„Nein, ich habe ihm nur gesagt, dass er vorsichtig sein soll.“
Das beruhigte mich nicht wirklich.
„Ihm wird nichts passieren Seli, Johannes ist nicht in dieser Art von Geschäft tätig.“
Ich nickte erleichtert.
Sein Ton gab mir allerdings auch zu verstehen, dass keine weiteren Fragen zugelassen waren.
Gemeinsam frühstückten wir, während ich verträumt aus dem Fenster sah.
„Wann müssen wir los?“
Kurz schwiegen wir beide, dann legte er den Kopf schief und lächelte.
„Wir können nochmal nach Miami Beach und von dort zum Flughafen, wenn du willst. Ben vermisst dich übrigens schon, oder eine gesunde Nahrung, das konnte Fabio nicht wirklich unterscheiden.“
Ich lachte auf und dachte daran, was sie meinem Bruder wohl alles zu essen gaben.
Außer Pizza und Suppe aus der Tüte würde wahrscheinlich nicht viel rausschauen.
Ich musste mich nicht lange umsehen, sobald sie uns entdeckt hatten, grölten die Jungs los.
Ben war ebenfalls unter ihnen und grinste glücklich.
Er lief auf mich zu.
Ich schloss ihn in die Arme und drückte ihn fest an mich.
Zusammen verließen wir das Gebäude und gingen zum Parkplatz.
Die Jungs hatten tatsächlich Daniels Auto hergefahren, hatte ich erwartet, dass er sich irgendwo auf den Beifahrersitz setzten würde?
Manchmal schüttelte ich den Kopf über mich selbst.
Auf dem Heimweg löcherte ich meinen Bruder mit Fragen was sie alles gemacht hatten.
„Was passiert während Selina weg ist, bleibt ein Männergeheimnis.“, meinte Dennis dann grinsend, was mich äußerst beunruhigte, doch Fabio meinte, dass nichts Wildes passiert war.
Zuhause machte ich mich gleich an den angefallenen Haushalt.
Ich sollte den Jungs wirklich beibringen ihre Wäsche zu waschen und dass sich diese nicht von selbst in ihre Hightech Waschmaschine bewegt.
Als ich dann im Wohnzimmer saß und gelangweilt durch die Fernsehkanäle zappte, stand plötzlich Daniel neben mir.
„Ich fahr mit Fabio ins Büro, warte nicht auf mich es könnte später werden.“
Ich nickte schnell, als er sich nach einem Kuss auf meine Haare umdrehte.
„Daniel!“ schnell stand ich auf und lief zur Tür, wo er wartete.
Als ich ihn erreicht hatte, zog ich ihn am mich und drückte meine Lippen auf seine.
Sofort entfachte es wieder dieses Feuer in mir und auch er reagierte darauf.
Die Haustür fiel wieder zu und er drückte mich mit dem Rücken an die Wand.
Er übernahm die Führung und zog mich eng an sich.
Die Hitze wanderte nach unten, als er mich zwischen sich und der Wand einkesselte.
„De Lu…. Oh kommt schon Leute ihr hattet jetzt das ganze Wochenende Zeit, nehmt euch n Zimmer.“, meinte Fabio, als er in den Flur trat.
Daniel knurrte ihn an, löste sich dann aber von mir und hauchte mir ein „Ich beeil mich.“ ins Ohr und war schon aus der Tür.
Fabio folgte ihm, immer noch grinsend und zwinkerte mir noch kurz zu.
Ich verdrehte nur die Augen und schloss die Tür hinter ihnen.
Kurz überlegte ich joggen zu gehen, da eigentlich alle beschäftigt waren, dann verwarf ich den Gedanken allerdings wieder.
Alleine in der Dunkelheit zu laufen war im Moment nicht meine Lieblingsbeschäftigung.
Wir stiegen in mein Auto und fuhren zum Büro in die Stadt.
Auf der Fahrt erzählte ich meinem Bruder ausführlich was in Miami passiert war.
Die Kurzfassung hatte ich ihm schon am Telefon erzählt und er war ausgerastet.
Aufbrausend war er genauso wie ich und Selina war für ihn so etwas wie eine Schwester.
„Und warum hast du den Typen noch nicht umgelegt?“ fragte er.
Ich verdrehte die Augen.
„Weil ich es ihr versprochen habe, das könnte ich niemals brechen, selbst wenn ich wollte. Er wird schon nichts tun.“
„Oder er fixiert sich jetzt noch mehr auf dich, weil du mit seiner besten Freundin zusammen bist und gräbt weiter was an dem Abend alles passiert ist.“, erwiderte Fabio und ich musste zugeben, dass mir das ebenfalls im Kopf herumgegangen war.
„Behalt ihn im Auge, setz Mia drauf an, wenn es sein muss, ich will alles über den Typen wissen. Aber mehr nicht!“
Fabio nickte, ich war schon immer der Taktische von uns gewesen, auch wenn es nicht so aussah.
Kurz fasste er mir zusammen, was hier so los war und welche Aufträge noch offen waren.
Ich hatte viel nachzuarbeiten.
Im Büro rief ich sogleich ein paar Leute in Miami an, um den neuen Deal abzuwickeln.
Wir arbeiten noch ein paar Stunden, dann befanden wir uns für diesen Abend in einer Sackgasse, sodass wir aufbrachen, um nach Hause zu fahren.
Selina schlief bestimmt schon, es war mal wieder halb drei geworden.
Als wir an Haus ankamen war es still und nur aus einem Fenster schien noch ein schwaches Licht.
Es war mein Zimmer.
Also war sie noch wach.
Innerlich schüttelte ich den Kopf.
Sie war viel zu gut für mich.
Wir betraten das Haus und Fabio schaltete den Fernseher an, ich ging gleich hoch.
Selina saß am Fenster und sah in den Wald hinaus.
Neben ihr lag eine Decke und eine Tasse Tee stand auf dem Tisch.
Sie sah auf, als ich hereinkam und lächelte.
Ich ging vor ihr in die Hocke, sie hatte tiefe Augenringe.
„Du solltest doch nicht auf mich warten.“
Sagte ich leise und ließ meine Finger durch ihre Haare gleiten.
Schuldgefühle flammten in mir auf, ich wusste, dass sie ohne mich nicht gut schlafen konnte, trotzdem hatte ich sehr lange gebraucht und sie wachgehalten.
Sie schüttelte den Kopf und lächelte.
„Mach dir keine Gedanken, ich wollte auf dich warten.“
Damit stand sie auf und ging zum Bett.
Einen Moment sah ich noch aus dem Fenster, wo der Wald still vor mir lag, dann ging ich ins Bad und schlüpfte schließlich zu ihr ins Bett.
„Daniel?“
Ich sah zu ihr auf und verlor mich in ihren wunderschönen Augen.
Jedes verdammte Mal, wenn ich sie ansah.
„Ich hatte wirklich Spaß in Miami. Meinst du wir können sowas mal wieder machen. Einfach mal wegfahren, nur wir beide?“
Ich musterte ihr Gesicht.
Hoffnungsvoll sah sie mich an, ihre Finger strichen meine Wange entlang.
„Du meinst wie ganz normale Menschen?“
Ich lachte auf und gab ihr einen Kuss auf den Scheitel.
Sie fiel mit ein und schmiegte sich wieder an mich.
„Mal sehen was sich machen lässt. Schlaf jetzt Baby.“
Ich wachte auf, als es schon hell war.
Unten hörte ich verdächtige Geräusche und grübelte, was sie wohl schon wieder angestellt hatten und nun zu vertuschen versuchten.
Letzte Woche war ein Topf Deckel, zwei Teller und eine
Pfanne kaputtgegangen und alles wurde verschleiert in dem sie sie einfach in den Müll und ein paar Küchentüchern versteckt hatten.
Müde stand ich auf und stieg unter die Dusche.
Mit Daniels T-Shirt und Jeans ging ich die Treppe runter und trat in den Flur.
Auf einmal war alles still und ich sah mich um, dann trat ich in die Küche und erschrak kurz.
„Haaaapppyyy Birthdaaaayyy!!!!!“
Eine Horde Jungs sprang auf und schmiss mit Konfetti in der Küche herum.
Dann stürmten sie auf mich zu und umarmten mich.
Kurz war ich noch überrumpelt, doch dann lachte ich nur und nahm sie alle in den Arm.
Dennis hob mich hoch und sprang selbst wie ein kleines Kind auf und ab.
Als er sich endlich beruhigt hatte, erreicht mein Bruder mich.
In seinen Haaren befand sich Konfetti, doch es störte ihn nicht.
Er gab mir einen Kuss auf die Wange und schlang seine Arme um mich.
„Alles Gute zum Geburtstag Sel.“ Ich drückte ihn an mich.
„Danke mein Schatz.“
Sie hatten mir sogar ein paar Geschenke gekauft.
Wahrscheinlich hatte Ben ihnen gesagt, dass ich
Geburtstag hatte, sonst hätten sie es ja nicht wissen können.
Wir verbrachten den Tag im Garten, die Jungs grillten und spielten Football.
Am Abend überraschten sie mich dann damit, dass sie ein paar Leute aus der Schule eingeladen hatten.
Unter meinem Namen natürlich, sonst wäre wohl keiner gekommen.
Klar, wer würde schon ohne ein komisches Gefühl zu einer Party von Daniel de Lucia gehen?
Rund hundert Leute waren da, die meisten kannte ich nicht mal, auch wenn Fabio und Dennis mir ein paar von ihren Freunden vorstellten, die aus Chicago, Los Angeles und sonst wo hergekommen waren.
Daniel blieb in meiner Nähe, hielt sich aber zurück.
Er musste ja sein Bad-Boy-Image vor den anderen aufrechterhalten.
Manchmal musste ich mir wirklich ein Grinsen verkneifen, wenn sie mit ängstlichen Blicken an ihm vorbeigingen.
Ich stand gerade an der Bar, als ich ihn hinter mir spürte.
„Du bist heute Abend der Angstfaktor.“
Er grinste mich an, als ich mich zu ihm umdrehte.
„Ist doch gut so, dann rastet keiner von ihnen aus und meint er muss sich aufführen.“
Ich schlang meinen Arm um seine Taille, als er mich an sich zog.
„Wenn die nur wüssten wie du wirklich bist.“
Er senkte den Kopf, sodass er direkt über mir schwebte und nur ich ihn verstehen konnte.
„Es geht keinen was an, wie ich mit dir umgehe. Das ist unsere Sache. Lass sie ruhig denken ich bin gefährlich, dann lassen sie uns in Ruhe.“
Damit zwinkerte er mir zu und reichte mir den Drink, den er mir gemacht hatte.
Einen Moment sah ich ihn nur an und hauchte ihm dann einen Kuss auf die Wange.
Es reichte damit die Leute in unserer direkten Umgebung verstummten, was wir aber ignorierten.
„Komm mit.“, flüsterte er in mein Ohr und nahm meine Hand in seine.
Es wurde ruhig um uns, als wir raus in den Garten traten.
Daniel legte seinen Arm um mich und führte mich ein weiter ein Stück in den Garten hinein.
Er war riesig, ein weiterer Pluspunkt an diesem Haus.
Hinter ein paar Bäumen versteckt kamen wir bei einer weißen Bank an, sie sah schon älter aus.
Sie war geschmückt mit Lichterketten, die mit den Sternen über unseren Köpfen um die Wette funkelte.
„Das ist wunderschön.“, flüsterte ich und sah lächelnd zu ihm auf.
Er führte mich weiter, wir setzten uns auf die Bank und ich lehnte mich an seine Brust.
Seine Arme empfingen mich und hielten mich warm.
Eine Weile saßen wir einfach nur so da und lauschten der entfernten Musik und den Grillen, die in der Nacht zirpten.
„Ich hab3 was für dich.“, meinte er leise und zog etwas aus seiner Hosentasche.
Überrascht setzte ich mich auf und drehte mich zu ihm um.
„Du hättest mir nichts kaufen müssen.“
Er lächelte und nickte. „Ich wusste, dass du das sagen würdest, aber ich habe es nicht gekauft.“
Er gab mir eine kleine dunkelblaue Box.
„Hast du es geklaut?“, fragte ich misstrauisch.
Daniel lachte.
„Auf keinen Fall, wie denkst du nur von mir?“ Doch sein Grinsen sprach Bände.
„Man kann ja nie wissen.“, murmelte ich noch.
Mit zitternden Fingen nahm ich sie an und öffnete sie vorsichtig.
Ich hielt unwillkürlich die Luft an.
Auf einem schwarzen Seidentuch lag eine Kette mit einem Anhänger.
Ich kannte diesen Anhänger.
Die Jungs hatten diese Ketten, genauso wie Daniel.
Als ich ihn vorsichtig umdrehte wusste ich was es war.
Eine Erkennungsmarke. Ihre Erkennungsmarke.
Hinten war Daniels Name eingraviert als Oberhaupt.
Daniels Name diente als Bekenntnis.
Legte man sich mit einem aus der Gruppe an, hatte man Daniel als Feind und das wollte wirklich keiner.
Meine war etwas anders, ein bisschen kleiner und Daniels Name war größer geschrieben.
Als ausdrückliche Warnung.
Ich lächelte und schluckte gegen den Kloß in meinem Hals an.
„Gefällt‘s dir?“ fragt er, nachdem ich über den Anhänger strich.
Stumm nickte ich und sah zu ihm hoch.
„Es ist wunderschön, danke.“
Er beugte sich zu mir und legte mir die Kette dann um den Hals, wie bei den anderen auch.
„Du gehörst zu mir.“
In seinen Augen lag wahnsinnig viel Liebe und Vertrauen, das hatte ich noch nie bei ihm gesehen.
Dann kamen seine Lippen immer näher an meine und ich spürte seinen Atem an meinem Mund.
Als er mich küsste fühlte es sich an, als würde er es das erste Mal tun.
Als würden wir uns zum ersten Mal treffen und perfekt zueinander passen.
Nur unsere Welten waren es, die nicht zusammenpassten, doch darüber wollte ich jetzt nicht nachdenken.
Ich war glücklich in diesem Moment und ich wollte, dass es nie endete.
Er zog mich wieder an seine Brust.
Seine Lippen strichen über meine Haare, während seine Hand an meinem Rücken auf und ab glitt.
„Ich sollte dich wieder reinbringen, sonst wirst du noch krank.“
Leicht nickte ich, ich wollte zwar nicht gehen, aber ich wusste, dass ich mich nicht an diesem Moment festklammern konnte.
Bevor ich mich lösen konnte, hob Daniel mich schon auf seine Arme und stand auf, er ging mir mit auf den Armen über das Gartenstück zurück zur Terrasse.
Als er mich absetzte nahm ich seine Hand und wir gingen zurück zu den anderen.
Die hatten schon ordentlich was getrunken, waren alle super drauf und empfingen uns lachend.
„Herzlichen Willkommen Sel, jetzt gehörst du offiziell zu uns.“ Lallte Fabio und nahm mich in den Arm.
„Jetzt darfst du offiziell noch öfter für uns Kochen.“ Ergänzte Dennis grinsend.
„Sel?“
Wir drehten uns nach einer bekannten Stimme um.
Ein Lächeln erschien auf meinem Gesicht.
Sie war gekommen.
Trotz ihrer Differenzen mit Daniel, war sie gekommen, meine beste Freundin.
Mel stand in einem roten Minikleid vor mir und lächelte verlegen.
Ich erwiderte es und ging schnell auf sie zu.
„Heeey, ich freu mich das du gekommen bist. Du siehst toll aus.“
Sie grinste mich an und gab mir einen Kuss auf die Wange.
„Ich musste doch kommen, Michael war sich noch nicht sicher, aber ich denke er kommt später nach.“
Ich lächelte.
Meine Freunde waren die besten, auch wenn sie Daniel nicht besonders mochten, würden sie trotzdem wegen mir kommen.
Wir gingen hinein und holten uns etwas zu trinken.
Nebenbei unterhielten wir uns über die Leute, die gekommen waren.
Ich spürte, dass Daniel mich von der Terrasse aus beobachtete, es gab mir eine gewisse Sicherheit.
Michi war schließlich auch gekommen, auch wenn er sich schnell zu seinen Kumpels verzogen hatte.
Es waren schon wieder zwei Stunden vergangen und viele waren schon ziemlich betrunken, als Mel Handy klingelte.
Sie gab mir ein Zeichen, dass sie rausgehen würde, also ging ich zurück zur Bar und holte uns noch zwei Cocktails.
Keine zwei Minuten später stand Dennis vor mir und grinste mich an.
„Hey.“, meinte er und grinste weiter.
Leicht verwirrt lachte ich und sah ihn fragend an.
„Ich habe eine Überraschung für dich.“
Jetzt wurde ich noch misstrauischer.
Er nahm meine Hand und zog mich hinter sich her, zur Haustür hinaus.
Er war so aufgeregt, dass er fast schon von einem Fuß
auf den anderen sprang.
Wir treten aus dem Haus, dann blieb er plötzlich stehen.
Damit hatte ich nicht gerechnet und lief fast in ihn hinein.
„Wow Dennis was…“
Seine Hand packte mein Handgelenk, er wollte mich zurückschieben.
„Selina geh wieder rein!“
Verwirrt sah ich an ihm vorbei und es fühlte sich an, als würde sich eine kalte Hand um mein Herz legen und zudrücken, ich bekam keine Luft, konnte nicht mal schreien.
Dennis reagierte dagegen blitzschnell, er drehte mich in seine Arme und dem Geschehen den Rücken zu, als ein Schuss ertönte.
Im nächsten Moment fand ich mich mit dem Rücken zur Wand wieder, immer noch in Dennis Armen.
Sein Blick wurde glasig und sein Arm um mich schwächer, ich erkannte, dass der Schuss in seine Schulter gegangen und die Kugel dann fünf Zentimeter neben mir in der Wand eingeschlagen war.
„Oh Gott Dennis, du… er hat dich getroffen…“
Ich versuchte ihn zu halten, doch dann gingen wir zusammen auf die Knie.
Dennis schirmte mich aber weiterhin so gut es ging ab.
„Selina… du musst von hier verschwinden… er darf dich nicht…“, seine Stimme war wie ein Krächzen.
Ich zog uns beide hinter das Auto welches als am nächsten stand, als die nächsten Schüsse fielen.
Es mussten bestimmt fünf oder sechs sein, in meinem Kopf hallten sie allerdings wieder und wollten einfach nicht enden.
Panisch schnappte ich nach Luft.
Dennis stöhnte und lehnte seinen Kopf an das Auto hinter ihm.
Ich riss sein Hemd in Stücke und presste es auf die blutende Wunde.
Er war nicht lebensgefährlich verletzt, aber ich konnte sehen, dass er verdammte Schmerzen hatte.
„Scheiße Dennis! Was passiert hier?“
Gerade sah ich von ihm auf in die Richtung, aus der die Schüsse kamen.
Sie waren verstummt, nur aus dem Haus waren jetzt Tumulte zu hören.
Vorsichtig spähte ich um das Auto herum.
Er stand immer noch da, er kam nicht näher, bemerkte
aber, dass ich zu ihm rüber sah.
Er starrte mich hasserfüllt an, doch leider konnte ich in
der Dunkelheit nicht viel erkennen, wahrscheinlich hätte ich ihn sowieso nicht gekannt.
Gerade wollte er den Arm mit der Waffe wieder heben und auf mich zielen, als eine Gruppe Jungs aus dem Haus kam.
Einen Moment sahen sie sich um, dann ertönten die Befehle in die Nacht.
„Schnappt ihn euch. Ich will seinen Kopf!“
Ich sah noch wie der Typ zwei weitere Schüsse abgab, sich umdrehte und in die Dunkelheit verschwand.
Im nächsten Moment kniete Fabio neben mir und presste seine Hand auf Dennis Wunde, während Daniel mich an sich zog und panisch ansah.
„Hat er dich erwischt?“ fragte er fast schon panisch.
Seine Augen scannten meinen Körper, als er nirgendwo Blut sah, atmete er erleichtert auf.
Ich schüttelte nur den Kopf, konnte aber antworten, da ich noch unter Schock stand.
Das Adrenalin strömte durch meinen Körper und ich fing an zu zittern.
Mein Freund nahm mich fest in seine Arme und drückte mich an seine Brust, währenddessen er mit Dennis sprach, um ihn wach zu halten.
„Hast du ihn erkannt? Dennis konzentrier dich, kanntest du den Typ?“
Dennis hatte die Augen nur noch halb geöffnet, nickte aber.
„Es…es war…Brian…“
Fabio zog Luft ein und starrte ihn mit großen Augen an.
„Bist du dir sicher?“ fragte er dann vorsichtig.
Dennis nickte noch schwach, dann fielen ihm die Augen zu.
Wer war zum Teufel nochmal Brian?
Welchen Groll hegte er auf Daniel, dass er mich und Dennis beinahe umgebracht hatte?
Würde das niemals enden?
Am liebsten hätte ich mein Gesicht an Daniels Brust vergraben und wäre nie wieder aufgewacht.
Das konnte doch alles nicht wahr sein!
Schwerfällig holte ich Luft und beobachtete die Jungs, die sich um Dennis kümmerten.
„Wir müssen ihn reinbringen.“
Tuck gab wie mechanisch die Anweisungen während Jaden und Fabio Dennis ins Haus trugen.
Im selben Moment tauchte Mel im Flur auf und starrte erschrocken auf die Situation die sich ihr bot.
„Verdammte Scheiße!“, sie stürzte auf mich zu und schloss mich in ihre Arme.
„Bist du verletzt? Was ist passiert?“
Ich zitterte immer noch am ganzen Körper, und klammerte mich an sie.
Daniel brachte uns in die Küche und ging dann nach nebenan, um die Musik auszustellen und die Party für beendet zu erklären.
Woanders hätten die Gäste wahrscheinlich gemurrt, aber bei ihm traute sich das keiner.
So wurde es innerhalb von fünf Minuten ruhig und alle waren verschwunden.
Mel machte mir einen Tee, räumte den Tisch frei von sämtlichen Flaschen und setzte sich zu mir.
„Ist das schon öfter passiert? Hattest du deswegen letztens so Angst?“, fragte sie ruhig.
Ich presste die Lippen zusammen, ich konnte ihr nichts sagen, am Ende wurde sie auch noch mit reingezogen.
„Ok, lass mich raten de Lucia wollte nicht, dass du mir etwas sagst.“
Ich sah auf. „Es ist besser so Mel. Ich will dich nicht in Gefahr bringen.“
„Du bringst dich selbst in Gefahr Sel!“
Ich nickte und lächelte bitter.
„Ja, da hast du wohl recht.“
Wieder nahm sie mich in den Arm.
Michael rief ununterbrochen auf ihrem Handy an.
„Soll ich heute Nacht hierbleiben?“
Ich schüttelte den Kopf und drückte ihre Hand.
„Nein, schon ok, es geht mir gut. Mach dir keine Sorgen.“
Sie nickte.
„Ruf mich bitte an, wenn was ist ok?“
Wieder nickte ich, verabschiedete mich dann von ihr.
Nachdem sie weg war, trat ich ins Wohnzimmer, wo ich
die Jungs vorfand.
„… Chance, er hatte wahrscheinlich in der Nähe ein Auto stehen, wir haben Reifenspuren gefunden, aber wir konnten ihn nicht einholen.“
Daniel nickte.
Jaden bemerkte mich als erstes, als ich neben Daniel trat, der mich sofort wieder an sich zog und mir einen Kuss auf den Scheitel drückte.
„Wie geht’s Dennis?“ fragte ich leise.
Wenn er nicht gewesen wäre, wäre die Kugel wahrscheinlich direkt in meine Brust gegangen.
Dann wäre ich vielleicht nicht mehr am Leben.
Schnell schob ich diesen Gedanken weg.
„Er schläft, aber es war keine ernsthafte Verletzung, Durchschuss durch die Schulter.“, meinte Tuck, der gerade die Treppe heraufkam.
Wir nickten erleichtert.
Im Wohnzimmer lagen viele Plastikbecher und Schnapsflaschen standen herum.
Da hatten wir einiges zu tun, bevor Ben heimkam.
Sie verzogen sich in die Küche, um noch ein paar Sachen zu besprechen.
Da ich nichts anderes zu tun hatte und ich auf gar keinen
Fall schlafen konnte, machte ich mich daran das
Wohnzimmer aufzuräumen.
Im Nu waren die Becher in einer großen Plastiktüte verschwunden und die Schnapsflaschen, stellte ich auf den Tisch.
Die würden die Jungs schon noch leer machen.
Als ich fertig war und alles wieder normal und einigermaßen sauber aussah, war es schon halb sechs in der Früh und ich saß nachdenklich auf der Couch.
Die Stimmen drangen immer noch leise aus der Küche.
Warum musste der Mistkerl meine Party versauen?
Warum musste immer mir so etwas passieren?
Ich war so in Gedanken versunken, dass ich zusammenschreckte, als Daniel sich neben mich setzte.
Aufmerksam musterte er mich, als würde er versuchen herauszubekommen, was ich gerade dachte.
„Alles gut bei dir?“ fragte er dann leise.
Ich zuckte die Schultern und ließ meinen Kopf dann an seine Brust fallen.
Sofort legte er die Arme um mich und hielt mich fest.
Es gab mir Sicherheit.
Bei ihm würde mir nichts passieren.
Auch wenn es heute verdammt knapp war.
Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was er tun würde, wenn es mich anstatt Dennis getroffen hätte.
Ich hatte Angst vor diesen Gedanken, also versuchte ich mich abzulenken.
Ich dachte an Miami, wo wir am Strand waren und
einfach mal abschalten konnten.
Am Abend saß ich gerade mit meinen Mathebüchern auf dem Bett, als Daniel hereinkam und sich zu mir setzte. Während ich die Formeln abschrieb, massierte er meine Schultern.
„Kommst du voran?“ fragte er leise, seine Finger strichen abwechselnd meinen Nacken und meine Schultern entlang.
Ich seufzte und schloss die Augen.
Es fühlte sich so gut an.
„Nicht wirklich.“
Ich drehte mich zu ihm um und musterte ihn forschend.
„Und du?“ fragte ich dann neugierig.
Sofort legte sich ein Schatten über sein Gesicht und es war als würde seine Augen noch dunkler werden, als sie von Natur aus schon waren.
Seine Hände sanken aufs Bett bis ich sie in meine nahm und ihn weiter ansah.
„Keine Spur, es ist als wäre er vom Erdboden verschwunden. Genauso wie bei Dimitri. Der für den sie arbeiten ist wirklich gut. Seine Aufträge sind präzise und gut geplant.“
Nachdenklich nickte ich.
„Hast du eine Ahnung wer einen Groll gegen dich hegt?“
Daniel lachte bitter auf und sah auf unsere Hände.
„Ungefähr zweihundert Menschen würden in Frage kommen.“
Als er seufzte fielen seine Schultern herunter und er sah plötzlich sehr müde und erschöpft aus.
Ich hatte mich schon vor diesem Vorfall gefragt wie viele Tagen und Nächte am Stück er noch arbeiten konnte, ohne in sich zusammenzufallen.
Sanft drückte ich ihn in die Kissen und macht es mir neben ihm bequem.
Mit meinem Finger strich ich über seine Brust.
Er hielt die Augen geschlossen und atmete flach.
Eine Weile lagen wir einfach so schweigend da, bis ich ihm einen Kuss auf die Wange hauchte.
„Du arbeitest zu viel. Nimm dich mal einen Tag raus, die Jungs kriegen das auch ohne dich hin. Du musst dich ausruhen, sonst gehst du kaputt.“
Er schlug die Augen auf und sah mich zweifelnd an.
„Das letzte Mal war zu knapp, er hätte dich um ein Haar erwischt. Ich werde nicht ruhen, bis ich alle die dafür verantwortlich sind umgelegt habe.“
In seinen Augen blitzte Wut und Verzweiflung auf.
„Daniel, du musst auch ein bisschen leben. Ich werde nicht nur hierbleiben, weil es sicher ist. Wir müssen doch trotzdem weitermachen.“
„Ich lebe, wenn ich bei dir bin. Du, bei mir. Das ist alles was ich will. Und deswegen brauche ich deine Sicherheit.“
In diesem Punkt war eine Diskussion sinnlos.
Also beließ ich es dabei und kuschelte mich an ihn.
Ich wusste, dass er das in diesem Moment brauchte, die Gewissheit, dass ich ganz nah bei ihm war und er mich beschützen konnte.
Die Frage war nur wie lange er das noch konnte.
Er hatte recht, letztes Mal war zu knapp.
Ich lag noch lange wach und dachte nach, ob ich unser Problem lösen konnte, während ich Daniels Atemzügen lauschte.
Als mein Handy klingelte löste ich mich schnell von ihm und ging aus dem Zimmer, um ihn nicht zu wecken.
Mein Blick fiel auf das Display.
Es war meine Cousine.
„Kathie?“
„Sel! Es tut mir leid, dass ich so spät anrufe, aber ich bin grade erst aus der Arbeit gekommen und gestern hatte ich es vergessen. Es tut mir so leid!“
Ich lachte auf und setzte mich im Flur auf den Boden.
„Alles Gute zum Geburtstag nachträglich!“
Ich lächelte.
„Danke Katie, du hättest nicht extra noch anrufen müssen.“
„Doch, doch… oh ich bin gestern zufällig Andrew über den Weg gelaufen, er hat mir seine Nummer gegeben und mich gebeten sie dir zu geben. Er wollte unbedingt mit dir reden, es klang ziemlich dringend.“
Meine Kehle schnürte sich zu.
Ihm war doch nichts passiert, oder?
Katie gab mir seine Nummer durch und ich speicherte sie ein, aber ich brachte es auch die nächsten Tage nicht über mich ihn anzurufen.
Die nächsten Wochen sah ich nur sehr wenig von Daniel.
Ständig war er unterwegs, erfüllte Aufträge oder machte sich auf die „Jagd“ wie Dennis es nannte.
Dieser war meistens bei mir zuhause, weil er mit seiner Schulter noch keinen Job erledigen durfte.
Natürlich nervte ihn das furchtbar, er meinte er kam sich immer so nutzlos vor.
Aber ich war froh, dass er da war, sonst wäre ich immer allein gewesen.
Wir spielten Brettspiele mit Ben oder die beiden sahen fern, während ich für die Prüfungen lernte.
Er kam in die Küche und setzte sich neben mich auf den Küchenstuhl, eine Weile sah er mir nur zu, wie ich versuchte irgendeine Aufgabe in Mathe zu lösen, dann nahm er mir den Stift aus der Hand und zog mich hoch.
Überrascht sah ich ihn an und folgte ihm durchs Wohnzimmer.
„Dennis, wo gehen wir hin… was…?“
An der Haustür bleib er stehen und drehte sie grinsend um.
„An deinem Geburtstag wollte ich dir eigentlich dein
Geburtstagsgeschenk überreichen, leider hatte ich keine Gelegenheit mehr dazu, also dachte ich mir, ich gib es dir
jetzt.“
Immer noch etwas verwirrt folgte ich ihm auf die Auffahrt und in die riesige Garage.
„Dennis?“ fragte ich misstrauisch, als er zum Schlüsselkasten ging und einen Autoschlüssel herausnahm.
Er drückte ihn mir grinsend in die Hand drückte.
„Das ist ein Scherz, oder?“ fragte ich wieder.
„Nein, ich dachte du wolltest vielleicht etwas Freiheit zurückhaben und de Lucia war einverstanden, wenn es ein Auto mit maximaler Sicherheit ist. Und das ist es. Jetzt schau schon.“
Dennis grinste mich an wie ein Kind, welches selbst ein Geschenk bekam.
Ich drückte den Schlüssel und hörte wie sich ein Auto im hinteren Teil er Garage entsperrte.
Langsam ging ich darauf zu und um mich herum gingen die Lichter an der Decke an.
Ich schnappte nach Luft und drehte mich mit großen Augen zu Dennis um, der mir gefolgt war.
„Gefällt’s dir?“
Ehrfürchtig strichen meine Finger über den schwarzen Lack eines Audi RS 3.
„Du bist doch vollkommen verrückt. Du kannst mir doch kein Auto schenken!?“
Dennis zuckte mit den Schultern und winkte ab.
„Klar kann ich und jetzt sag mir ob‘s dir gefällt!“
„Natürlich gefällt’s mir das ist der absolute Wahnsinn.“ Rief ich und schmiss mich lachend in seine Arme.
„Danke Dennis das ist wirklich… ich weiß nicht was ich sagen soll.“
Er grinste mich immer noch.
„Du brauchst nichts sagen Sel, es reicht mir, wenn du weiterhin bei uns bleibst und ab und zu mal kochst.“
Ich musste lachen und den ganzen Nachmittag zeigte er mir alle möglichen Vorteile des Autos auf.
Daniel war genauso erfreut, dass es mir gefiel.
Fast war ich ein bisschen sauer auf ihn, weil er es mir ganze zwei Wochen verschwiegen hatte.
„Du kennst doch Dennis, er wollte mich mal wieder übertreffen und dachte, was ist besser als ein Auto?“
Ich musste lachen und kuschelte mich in Daniels Arme.
„Du bist besser.“, murmelte ich dann an seinen Hals, während meine Lippen an seiner Haut entlang strichen.
Er schauderte leicht und gab ein zufriedenes Geräusch von sich.
Seine Hände wanderten unser mein Shirt und schoben es nach oben, damit er mir heiße Küsse auf den Bauch drücken konnte.
Ich zog überrascht Luft ein und sofort reagierte mein Körper auf ihn.
Das war ihm auch aufgefallen, denn er sah zu mir auf und grinste triumphierend.
Ich sah von meinen Matheaufgaben auf, als mein Handy klingelte. Es zeigte an, dass Fabio mich anrief.
Kurz überlegte ich es einfach klingeln zu lassen, doch dann nahm ich ab.
Er hatte mich die letzten Tage schon genug genervt mit seinen ständigen Ansagen und Kontrollanrufen, ob ich auch wirklich zuhause war, wenn sie nicht im Haus waren.
Dennis war zum ersten Mal Anfang der Woche wieder zu einem Auftrag mitgekommen und ich war mit Ben alleine Zuhause gewesen.
„Was?“ bluffte ich.
Er war gerade mal eine halbe Stunde weg und machte sich schon in die Hose.
„Hallo Selina.“
Eine unbekannte Stimme klang durch mein Telefon.
Mir lief es kalt den Rücken hinunter.
„Wer ist da?“
Der Kerl in der Leitung lachte auf.
Es klang kratzig, als würde er sehr viel rauchen.
„Ich bin ein alter Freund von deinem Freund.
Ich habe mich ein bisschen mit Fabio unterhalten und er hat mir von dir erzählt, du musst ja wirklich ein außergewöhnliches Wesen sein, wenn de Lucia es mit dir länger als eine Woche aushält.
Als wir das letzte Mal zusammenrumgehangen haben, waren ihm die Mädchen nach einer Nacht schon lästig.“
Ich schnappte nach Luft.
Oh mein Gott, das durfte jetzt nicht wahr sein.
Er hatte sich Fabio geschnappt!
Fabio hätte niemals freiwillig irgendetwas von mir erzählt, wenn er das tat müsste er zwangsläufig auch von Ben erzählen und das war ein No-Go.
Sie mussten es Daniel bei ihrem Leben schwören, kein Wort zu sagen.
Daniel.
Verdammte scheiße, ich musste ihn anrufen.
„Ich würde dich gerne persönlich kennenlernen. Wie wäre es, wenn du uns etwas Gesellschaft leistest und ich dir im Gegenzug verspreche Fabio kein Haar zu krümmen bis du da bist. Na, wie hört sich das für dich an?“
Ich schluckte schwer.
Was sollte ich nur tun?
Ich musste Fabio helfen, aber er würde uns niemals gehen lassen, wenn wir beide da waren.
Dann würde er Daniel mit unseren beiden Leben erpressen.
„Es hört sich so an als würdest du mich verarschen.“ stieß ich zwischen den Zähnen hervor.
Mein Puls war schon auf hundertachtzig und ich lief unruhig durch die Küche.
Warum musste Daniel genau heute einen Auftrag erledigen und nicht erreichbar sein?
Warum hatte er Fabio nicht einfach mitgenommen?
Er wollte doch nur kurz für mich einkaufen gehen.
Verdammt, Fabio war für mich aus dem Haus gegangen und wurde dann geschnappt!
Sie könnten schon hier sein.
Erschrocken fuhr ich herum und suchte die Einfahrt und
den Garten ab.
Man konnte nichts erkennen.
„Aber, aber das würde ich doch niemals tun. Lass es mich umformulieren. Wenn du nicht innerhalb von einer Stunde in der alten Lagerhalle im Valley bist, werde ich zuerst Fabio und dann dein Kind umbringen.
Vielleicht fällt dir die Entscheidung nun etwas leichter.“
Ich schnappte nach Luft.
Mein Kind!
Er hatte keine Ahnung.
Fabio hatte also nichts gesagt.
Es war eine Falle, das war mir klar, aber ich konnte Fabio nicht einfach sterben lassen.
„Ich will mit Fabio sprechen.“ Presste ich hervor.
Die Angst kroch in mir hoch und legte sich wie eine eiskalte Hand um meine Kehle.
„Das kannst du, wenn du hier bist. Also Selina, deine Entscheidung?“
„Ok. Eine Stunde.“, antworte ich atemlos.
Daniel würde stinksauer auf mich sein. Aber er hatte schon genug um die Ohren.
„Gute Entscheidung. Ich simse dir die Adresse.
Das du nicht bei de Lucia anrufst und dich ausheulst dürfte klar sein, oder? Wenn du irgendjemandem von unserem kleinen Treffen erzählst, werde ich es wissen und in der nächsten Minute wird Fabio tot sein.“
Ich ließ Luft entweichen.
„Ja.“ Hauchte ich dann.
„Ich freu mich auf dich Seli.“
Ich zuckte zusammen.
Wie viel wusste er über mich, über unser Leben?
Hatte er uns beobachtet?
Wer war er überhaupt?
Einer aus Miami oder Boston? Oder von wo anders?
Es gab noch so viele Sachen in Daniels Leben, von denen ich keine Ahnung hatte.
Ich wollte es nie wissen, doch im Moment wäre ich um jede noch so kleine Information dankbar gewesen.
Die Verbindung wurde beendet und ich starrte wie benommen auf mich Handy.
Bens Schrei riss mich aus meinen Gedanken und sofort rannte ich aus der Küche nach oben in sein Zimmer.
Waren sie schon da und hatten ihn geschnappt?
Ich stürmte durch die Tür und ging neben ihm in die Knie, als ich ihn auf dem Boden spielen vorfand er
grinste vor sich hin.
Er war ok, es war alles in Ordnung.
„Oh Gott Baby.“
Ich schloss ihn in meine Arme und drückte ihn fest an meine Brust.
„Sel, was ist los?“
Er starrte mich mit großen Augen an.
„Das erklär ich dir nachher, wir machen jetzt einen kleinen Ausflug. Pack deine Sachen in deinen Rucksack. Beeil dich.“
Damit ließ ich ihn los und sammelte ein paar Klamotten ein.
Ich rannte in Daniels und mein Zimmer, holte seinen Pass, Unterlagen und ein großes Bündel Bargeld, aus dem Versteck welches Daniel mir für den Notfall gezeigt hatte.
Es war der Notfallplan, wenn er schnell untertauchen musste.
Hinter unserer Kommode gab es ein kleines Loch in der Wand, wo die Sachen versteckt waren.
Ich fand noch weitere Pässe der Jungs mit verschiedenen Namen und Geburtsdaten.
Schnell suchte ich Bens heraus, den Rest legte ich zurück.
Alles zusammen stopfte ich mit Bens Klamotten in eine Tasche.
Nebenbei tippte ich eine SMS an meine Tante, dass sie
Ben in zwei Stunden bei Mel abholen sollte.
Ich lief zurück in Bens Zimmer, er war fertig angezogen und hielt seine Spielzeugautos in der Hand.
„Sehr gut mein Schatz, pack alles hier rein, dann können wir schon los, das wird super.“
Ich zwinkerte ihm zu und versuchte ein Lächeln.
Dann schickte ich ihn runter und lief nochmal in Daniels Zimmer.
Ich kritzelte ein paar Worte auf einen Zettel und legte ihn auf die Pässe in der Wand.
Die Kommode schob zurück nur ein kleines Stück zur Seite, niemandem würde es auffallen, aber ich wusste, dass Daniel es bemerken würde, sobald er heimkam.
Hoffentlich war es dann noch nicht zu spät.
Mein Blick fiel auf die Uhr, ich hatte schon zwanzig Minuten verschwendet.
Ich musste mich beeilen.
Eine SMS von Fabios Handy ging ein.
In dieser war eine Adresse im Valley.
Verdammter Bastard, wer auch immer er war.
Schnell hatte ich Ben ins Auto gepackt und fuhr deutlich über der Geschwindigkeitsbegrenzung in die Stadt, zu Mels Haus.
Auch wenn ich ein paar Umwege nahm, um eventuelle Verfolger abzuhängen, war ich nach zehn Minuten dort und klingelte sturm.
„Hey Sel…, was ist denn los?“
Überrascht sah sie von Ben zu mir und wieder zurück.
Als sie meinen panischen Gesichtsausdruck sah, runzelte sie sofort die Stirn.
„Mel, du musst bitte auf Ben aufpassen, es ist nicht für lange, in zwei Stunden kommt unsere Tante und holt ihn ab.“
Sofort nickte sie und schob Ben ins Haus.
„Was ist los Sel? Ist etwas mit De Lucia, hat er dir was getan?“
Erschrocken sah ich auf.
„Nein, er hat nichts damit zu tun, ich muss nur kurz weg, das ist ziemlich wichtig.“
Wieder nickte sie.
Ich ging in die Hocke und drückte Bens kleinen Körper an mich.
„Sei brav und geh mit niemandem mit außer mit Tante Petra oder Daniel ok? Niemandem anders, versprochen?“
Er nickte eifrig und erwiderte unseren Klein-Finger Schwur.
„Ich habe dich lieb Großer.“
„Ich habe dich auch lieb Sel.“
„Pass auf dich auf.“ Murmelte Mel mir zu.
Ich drückte meine Lippen an seine Stirn, dann löste ich mich von ihm und umarmte noch schnell Mel, bevor ich zurück zu Auto lief.
Ich unterdrückte die Tränen, die in meine Augen stiegen.
Hatte ich die beiden gerade das letzte Mal gesehen?
Hoffentlich würde Tante Petra es verstehen und meinen Bruder beschützen, wenn ich es nicht schaffen sollte.
Wieder fünf Minuten verschwendet.
Blieben nur noch eine knappe halbe Stunde.
Die würde ich raus ins Valley brauchen.
Ich schaltete den Radio an, um meine Gedanken nicht so laut in meinem Kopf zu hören.
Verzweifelt versuchte ich an nichts zu denken und riss mich zusammen nicht sofort Daniel anzurufen.
Mich zumindest von ihm zu verabschieden.
Der Klos in meinem Hals wurde großer, immer wieder versuchte ich ihn herunterzuschlucken, doch es gelang mir nicht.
Fünf Minuten vorher kam ich im Valley an, schnell fand ich die Halle und parkte ein Stück weiter.
Bevor ich ausstieg legte sich meine Hand an die Halskette die Daniel mir geschenkt hatte.
Im Stillen schickte ich ihm alle meine Gedanken und Gefühle in diesem Augenblick, bevor ich mich verabschiedete und mit Tränen in den Augen ausstieg.
Ich wischte sie weg, bevor ich in die Halle trat und mich umsah.
Vor den Fenstern hingen alte Planen, sie ließen nur wenig Licht herein.
Hin und wieder hörte ich ein Knarzen von Metall oder den Wind, der durch die Schlitze pfiff.
„Da ist ja unserer Prinzessin.“
Eine Stimme über mir ließ mich zusammenzucken.
Schnell sah ich auf.
Auf einer offenen Galerie stand ein Kerl und grinste dreckig zu mir runter.
Er musste ungefähr in Daniels Alter sein.
Seine Haare waren kurz geschoren, aber sie sahen dunkel aus, schwarz oder braun.
Er trug dunkle Klamotten, eine Lederjacke und eine Jeans.
„Bringt sie zu mir!“ rief er und sofort war ich von drei Schränken umzingelt.
„Wo ist Fabio?“ fragte ich mit fester Stimme.
Doch ich bekam keine Antwort, sie traten noch näher zu mir, während der Kerl mich weiterhin lächelnd von oben herab anstarrte.
Ich schluckte noch einmal schwer, dann setzte ich mich in Bewegung, ohne dass mich einer von ihnen anfassen musste.
Ich stieg die Stahltreppe hinauf.
„Es freut mich endlich deine Bekanntschaft zu machen, ich habe schon so viel von dir gehört. Ich bin Julian.“
Insgesamt sah er sehr gepflegt aus, aber von nahem konnte ich Narben an seinen Armen, den Händen und vereinzelte im Gesicht erkennen.
Er war definitiv im selben Geschäft wie Daniel.
Er führte mich in einen kleinen Raum mit einem
Tisch und einem Stuhl.
Heizungsrohre verliefen an der Decke und an den Wänden.
Kleine Fenster ließen ein paar Lichtstrahlen herein, sonst war es düster und dreckig.
Hier hatte schon sehr lange niemand mehr gewohnt oder sich aufgehalten.
„Setz dich.“ Der Kerl deutete auf den Stuhl.
Doch ich blieb stehen und hob das Kinn noch etwas an.
Wie bei Daniel, konnte ich es nicht leiden, wenn man mir sagte was ich tun sollte.
Wieder grinste er.
„Ok Süße, du kannst es auf die harte oder die sanfte Tour haben. Du entscheidest.“
Als ich mich immer noch nicht bewegte, packte er mich am Arm und zog mich an eine der Wände.
Dort drückte er mich zu Boden und zog aus seiner Hosentaschen ein Paar Handschellen heraus.
Damit fesselte er mich an die Rohre, sodass ich meine Arme nicht mehr bewegen konnte.
„Wie gut, dass du zum reden keine Arme brauchst. Also meine Liebe, ich nehme an in deiner Jackentasche befindet sich dein Handy. Wenn du erlaubst…“
Er trat wieder zu mir und tastete meine Jacke ab.
Zu gerne wäre ich zurückgewichen, da er mir zu nahe kam doch mein Rücken war bereits an der Wand und ich konnte keinen Millimeter wegrücken.
Nach ein paar Sekunden fand er es und zog es heraus.
Er tippte darauf herum und lächelte dann.
„D? Soso, mein alter Freund ist immer noch ziemlich paranoid was? Tja hätte besser auf seine Prinzessin aufpassen sollen.“
Ich schloss die Augen und schüttelte den Kopf.
„Wo ist Fabio? Was willst du eigentlich von mir?“
Kurz sah er auf, bevor er sich auf dem Stuhl neben dem Tisch niederließ.
Seine Schränke warteten an der Tür und sahen mich mit kühlen Blicken an.
„Ziemlich viele Fragen auf einmal, aber ich werde sie dir beantworten, weil du sogar noch etwas früher als erwartest hier warst. Du hast dir eine Belohnung verdient.“
Er zwinkerte mir zu und tippe dann wieder auf meinem Handy herum.
„Ich bin Freund von de Lucia und Fabio…“
Ich schnaubte.
„Wohl eher ein ehemaliger Freund.“ Julian sah auf und grinste.
„Das ist Ansichtssache. Was ich von dir will? Ich will de Lucia genau da treffen, wo es ihm am meisten weh tut. Das gleiche hat er bei mir getan, also ist er technisch gesehen selbst schuld. Er hätte es kommen sehen müssen.“
Ich ließ Luft entweichen und atmete tief durch.
„Du hast Fabio, reicht dir das nicht, warum ich auch noch?“ fragte ich dann mit schwacher Stimme.
Wieder grinste Julian.
„Besser verhandelt man mit ausreichend Druckmitteln, wenn ich Fabio aus Versehen erschieße, weil er mir auf den Sack geht, habe ich immer noch dich.“
Ich schloss die Augen.
Verdammt.
Wäre ich doch nur nicht ans Telefon gegangen!
„Wollen wir doch mal sehen ob dein Freund auch so kooperativ ist.“ Wieder grinste er und hielt sich mein Handy ans Ohr.
Ich schloss die Augen und betete, dass er nicht ranging.
Bitte Daniel, geh einmal nicht ans Telefon!
„Hallo de Lucia…“
Verdammt. Er würde uns alle umbringen.
Als ich nach Hause kam, spürte ich sofort, dass etwas nicht stimmte.
Selinas Auto war weg und auch Fabios Wagen stand nicht in der Auffahrt.
Waren sie zusammen weggefahren?
Schnell sprang ich aus dem Wagen und lief ins Haus.
Es war niemand da.
In meinem Zimmer sah ich mich kurz um.
Selina hinterließ mir immer eine Nachricht, wenn sie außer Haus ging, doch auf meinem Handy war nichts.
Die Kommode.
Sie hatte sie bewegt!
Meine Hände fingen leicht an zu zittern.
Ich zog ihn zur Seite und griff in das Loch in der Wand.
Unsere Pässe waren noch dort, das Bargeld.
Einer fehlten. Bens Pass.
Hatte sie ihn mitgenommen?
Wenn sie mich verlassen hätte, hätte sie ihren auch mitgenommen, aber es fehlte nur einer.
Eine kalte Hand legte sich um mein Herz und presste jede Luft aus mich heraus.
Was war hier los verdammt?
Dann tasteten meine Finger ein Stück Papier.
Schnell zog ich es heraus und faltete es auseinander.
Selinas Handschrift. Ohne Zweifel.
Er hat Fabio. Ich musste es tun. Bitte verzeih mir.
Ben ist bei meiner Tante, versuch ihr alles zu erklären, sie wird ihn beschützen!
Ich liebe dich. S.
Ich ließ meinen Atem entweichen und mein Blut fühlte sich an als würde es in den Adern erfrieren.
Verdammte Scheiße.
Ich zerknüllte den Zettel und sprang auf.
„Fuuuckk!!“
Ich hörte wie unten die Stimmen verstummten und im
nächsten Moment Schritte im Gang.
„De Lucia was ist passiert?“ Jason stürmte gefolgt von Dennis ins Zimmer.
„Er hat Fabio und Seli.“ Presste ich hervor.
Ich zitterte vor Wut.
Fabio konnte sich selbst verteidigen, aber mit Selina hatte er verdammt nochmal meinen wunden Punkt
getroffen.
„Wer?“
Ich schüttelte den Kopf.
Ich hatte keine verdammte Ahnung!
„Ich will ihren Aufenthaltsort. Sofort!“ rief ich und schnappte mir schon meinen Laptop.
Gefolgt von den anderen beiden stürmte ich ins Wohnzimmer, dort hatte Tuck schon sämtlich Geräte aufgebaut.
Während Jaden arbeitete, herrschte Stille im Zimmer.
„Geht das nicht etwas schneller?“ fragte ich ungeduldig und lief auf und ab.
„Ich bin dran.“ Erwiderte Jaden.
Dann klingelte mein Handy am Tisch und alle Blicken richteten sich darauf.
Selina
Mein Herz machte einen Sprung.
„Seli? Wo bist du?“
„Hallo de Lucia...“
Ich holte zischend Luft und schloss die Augen.
Das konnte nicht sein.
Er war verschwunden, sie hatten ihn alle für tot gehalten.
„Julian.“
Ich presste seinen Namen zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Die anderen schnappten erschrocken nach Luft und machten sich an die Ortung meiner Freundin.
„Ding, Ding Hundert Punkte mein alter Freund.“
Sein Lachen klang durch die Leitung.
„Wo ist Selina?“
Ich versuchte krampfhaft mich zu beherrschen.
Es wurde ruhig.
„Sie sitzt hier neben mir, möchtest du ihm etwas sagen Hübsche?“
Wieder holte ich langsam Luft und versuchte mich zu beruhigen, da im Moment wohl jeder auf einen Ausbruch meinerseits wartete.
„Daniel komm nicht hierher… bitte, egal was er sagt, komm ja nicht hier her…“
Ihre Stimme klang heiser durch die Leitung.
Mein Magen zog sich schon wieder zusammen.
Sie sollte hier sein. In Sicherheit.
Ich knirschte mit den Zähnen und spürte Dennis besorgten Blick auf mir.
„Na na na, so war das aber nicht abgesprochen Prinzessin. Dafür werde ich dich wohl bestrafen müssen.“
Seine Stimme war etwas leiser, er sprach mit Selina.
„Wenn du sie auch nur anrührst Julian, ich schwöre dir ich brech dir jeden Knochen in deinem jämmerlichen Körper und verfütterte dich an die Ratten.“
Ich warf den Jungs drängende Blicke zu, verdammt ich musste wissen wo sie waren!
Sie nickten und deuteten auf den Bildschirm.
Im Valley, eine alte Lagerhalle.
Noch mit dem Handy am Ohr machte ich kehrt und stürmte aus dem Haus.
Die Anderen würden mir folgen.
Julians Lachen ertönte an meinem Ohr.
„de Lucia, so schön diese Vorstellung auch sein mag, müssen wir dies etwas verschieben. Im Moment würde ich dich wirklich erst einmal um ein Treffen bitten.
Die Jungs haben die Adresse bestimmt bereits herausgefunden. Ich hoffe nur das du auch schnell genug hier bist, um deine kleine Prinzessin zu retten. Bis gleich mein alter Freund.“
Damit war die Verbindung beendet und ich wendete den Wagen.
Verdammt, wieso hatte ich nur nicht an ihn gedacht?
Seit dem Vorfall mit seiner damaligen Freundin, trug er einen Hass auf mich in sich, der sich wohl in den letzten Jahren vervielfacht hatte.
Denn nun hatte er sich meine Freundin geschnappt.
Hätte ich doch nur besser auf sie aufgepasst!
Wäre ich nur bei ihr geblieben, wie sich mich gebeten
hatte!
Die Sonne schien auf ihren nackten Rücken und ihre Haare ergossen sich über das Kissen wie ein Heiligenschein.
Sie war wunderschön, wenn sie schlief.
Ein kleines Lächeln umspielte ihre geschwollenen Lippen.
Ich zog sich näher an mich, um ihre Haut an meiner zu spüren.
Bald würde ich aufbrechen müssen, doch ich wollte jeden Moment mit ihr genießen.
„Guten Morgen Baby.“, flüsterte ich in ihr Ohr und strich mit den Fingern über ihren Hals, ihren Rücken entlang bis zu ihrer Hüfte.
Noch während sie aufwachte, kuschelte sie sich an meine Brust und kam so noch etwas näher.
Die Decke umspielte unsere Hüften, die Sonnenstrahlen wärmten Selinas Haut.
„Musst du schon gehen?“ fragte sie immer noch verschlafen und sah mich aus zusammengekniffenen Augen an.
„Bald.“ Murmelte ich und drückte meine Lippen an ihre Schläfe.
„Bleib einfach bei mir. Wir könnten den ganzen Tag im Bett bleiben.“
Wir grinsten uns verschmitzt an.
„Mhm, so verlockend das Angebot auch ist, muss ich mich leider um unseren Lebensunterhalt kümmern. Sonst
haben wir bald kein Bett mehr.“
Ich zwinkerte ihr zu, während sie nur die Augen verdrehte.
Ich zog Luft ein und grinste.
„Was war das? Hast du die Augen verdreht?“
Ich zog sie auf meine Brust und genoss das Gefühl von Haut an Haut.
Ihre makellose Hand in meiner vernarbten.
So verschieden und doch so harmonisch.
Ich hörte ihr Lachen, als säße sie noch direkt neben mir.
Nur noch ein paar Straßen bis zum Ziel.
Baby ich bin gleich bei dir.
Das konnte nicht das letzte Mal gewesen sein, dass wir miteinander schliefen, nicht das letzte Mal, dass ich sie gesehen hatte.
So durfte es nicht enden.
Als ich ankam sprang ich sofort aus dem Auto und lief auf die alte Lagerhalle zu, wo mich schon zwei Jungs von Julian erwarteten.
Ohne dass sie etwas sagen mussten ging ich hinein und in die Richtung, die sie mir wiesen.
Vor einer alten Tür tasteten sie mich ab und nahmen mir meine Waffe ab.
Wenn ich die nicht in einem Stück zurückbekam, konnten sie sich auf etwas einstellten!
Meine Hände fesselten sie hinter meinem Rücken mit Kabelbinder.
Es war nicht angenehm, aber ich war daran gewöhnt.
Insgesamt interessierte es mich nicht wirklich was da um mich herum passierte, ich wollte nur zu Selina.
Ich musste sehen ob es ihr gut ging.
Dann öffnete sich die Tür und Julian trat grinsend hervor.
Er hatte sich kaum verändert.
„Hallo alter Freund, schön, dass es so schnell geklappt hat, komm doch herein und setz dich.“
Ohne etwas zu erwidern trat ich ein und sah mich schnell um.
Selina saß an der linken Wand, ihre Hände waren an ein Rohr hinter ihr gefesselt.
Ich biss die Zähne zusammen, als sie ihren Blick erschrocken zu mir hob.
„Daniel.“, hauchte sie.
Ich stand kurz davor einfach zu ihr zu gehen und Julian umzulegen.
Dieser Mistkerl hatte sie hier mit reingezogen.
Niemals sollte sie diese Welt sehen!
Julians Männer schoben mich zu einem Stuhl und fesselte meine Beine ebenfalls daran.
„Ach ist das nicht schön.“
Der Mistkerl stand grinsend im Raum zwischen uns und sah von mir zu Selina und wieder zurück.
„Ihr gebt ein wirklich tolles Paar ab, zu schade.“
Ich verdrehte die Augen.
„Was willst du?“
Wieder lächelte er.
„Ist das nicht offensichtlich? Ich will dein Mädchen.“
Mein Knurren konnte ich nicht unterdrücken.
„Du wirst sie niemals kriegen.“ Erwiderte ich und sah zu Selina rüber.
Ihr Blick war erschrocken und verängstigt.
Wenn ich nur in ihren Kopf gucken könnte.
Julian lachte auf und ging neben ihr in die Hocke.
Mit der Hand fuhr er durch ihre Haare, dann packte er sie und zog daran.
Schmerzerfüllt schrie sie auf.
Innerlich platzte mir der Kragen.
Niemand fasste mein Baby an!
Niemand tat ihr weh!
Sie war meins!
Ich rüttelte an den Fesseln und brachte ihn mit Blicken und meinen Gedanken um.
„Lass sie los Julian, ich schwöre…“, ich keuchte auf.
Es war als könnte ich ihre Schmerzen fühlen, wehrte mich dagegen, ich wollte nicht, dass sie irgendetwas davon spüren musste.
Als er sie losließ, fiel Selina zurück auf den Boden.
Sie wimmerte und ich sah Tränen in ihren Augen.
Schnell blinzelte sie sie weg und sah böse zu ihm auf.
Das war mein Mädchen.
Sie zeigte keine Schwäche und selbst wenn, stand sie
danach wieder auf und verpasste ihm einen Arschtritt.
Grinsend kam er auf mich zu, hielt mir ein Messer unter mein Kinn und zwang mich so ihn anzusehen.
Mein Blick musste puren Hass zeigen.
Leider grinste er nur noch mehr.
Dieser verdammte Hurensohn.
„Wenn du sie noch einmal anfasst, mach ich dich kalt.“, drohte ich ihm heiser.
Er lachte laut auf.
„De Lucia du bist süß, ich mach mit deiner Schlampe was ich will und du kannst rein gar nichts anderes tun, als zusehen.“
Er grinste immer noch überheblich.
Verdammt, irgendwas musste ich doch tun können!
Ich zermarterte mir das Gehirn, aber ich fand einfach keinen Ausweg.
Wenn ich mich nicht befreien konnte, konnte ich nichts ausrichten, dann konnte er wirklich machen was er wollte.
Ich sah zu Selina und merkte, dass ihr Blick brennend auf mir lag.
Als würde sie mir irgendetwas sagen wollen.
Ihr Blick wechselte unauffällig zwischen mir und ihrem Stiefel.
Ich brauchte einen Moment bis ich verstand was sie
meinte.
Natürlich.
Jaden hatte ihr beigebracht sich zu verteidigen und alles zu nutzen was sie hatte.
Seitdem trug sie immer ein kleines Messer in jedem ihrer Stiefel.
Aber es war die Notlösung, deswegen hatte sie sie noch nicht benutzt.
Sie wollte, dass ich es benutzte.
Ich warf ihr einen langen Blick zu, als Zeichen, dass ich es verstanden hatte.
Sie war ein Genie.
Julian hatte sie wohl unterschätzt und nicht auf Waffen überprüfen lassen.
„Brian ist zurück.“, meinte einer seiner Männer und nickte Richtung Tür.
Ich erstarrte und knirschte mit den Zähnen.
Mit diesem Arschloch hatte ich auch noch eine Rechnung offen!
Man hörte ein paar Geräusche.
Was war da draußen?
Hatten die Jungs eingegriffen?
Ich hatte ihnen befohlen sich da rauszuhalten.
Keiner von ihnen sollte verletzt werden oder mit reingezogen werden.
Er hatte schon Selina, Fabio und mich.
Mehr bekam er nicht.
Wo war Fabio? Hatte er ihn schon umgebracht?
Ich wollte gar nicht darüber nachdenken.
Julian war schon immer gut im Spielchen spielen, nie hatten wir daran gedacht, dass wir mal gegen einander spielen würden.
Wir hatten sie nur für kleinere Übel eingesetzt.
Aber über die Jahre hatte er sie anscheinend perfektioniert und probierte sie nun an mir aus.
Dieser Mistkerl!
Tausende von Schimpfwörtern flogen durch meinen
Kopf.
Julian war nicht begeistert, nickte aber.
Dann grinste er uns wieder an.
„Nicht weglaufen meine Freunde.“
Damit verließ er den Raum.
Sobald er weg war, fiel mein Blick auf Selina.
Sie hangelte sich das Rohr hoch und versuchte sich dann an der Wand entlang mit der Handschelle vorzuschieben.
Dabei achtete sie immer darauf, dass das Metall kein Geräusch machte.
Sie war schon fast bei der Hälfte, als wir draußen eine Tür schlagen und Stimmen hörten.
Sofort hörte ich wie ihr Atem schneller ging, dann sah ich wie sie ihre Muskeln anspannte und sich an der Wand abstütze.
Sie hob ihren Fuß und hielt ihn möglichst nah an meine Hände.
Ich drehte den Stuhl noch ein Stück, damit ich besser
heran kam.
Keiner von uns machte einen Mucks, sonst hätten wir uns verraten, aber ich spürte ihr Zittern.
Meine Finger tasteten nach dem Messer, dann fand ich es und zog es heraus.
Im selben Moment ließ Selina los und ihre Füße kamen wieder auf dem Boden auf.
Schnell schlüpfte sie in ihre vorherige Position und ich drehte den Stuhl wieder.
Ihre Augen lagen nun aber aufmerksam auf mir.
Hinter meinem Rücken versuchte ich die Fesseln aufzuschneiden, was gar nicht so einfach war, da ich nichts sehen konnte.
„Es wird alles gut Baby, ich bring uns hier schon wieder raus.“ Murmelte ich während ich mich auf das Messer an meinen Fesseln konzentrierte.
Ich durfte es auf keinen Fall fallen lassen, dann hatten wir unsere letzte Chance vertan und Julian würde uns umbringen.
Ich verstand eh nicht, warum er uns noch am Leben ließ, er hasste mich, warum also zog er es unnötig in die Länge?
Wollte er mich zusehen lassen wie er mein Mädchen quälte und uns dann zusammen umbringen?
Ich verstand sein System nicht, aber das hatte ich noch nie, also konzentrierte ich mich wieder auf die Fesseln.
Langsam lockerten sie sich und ich schnitt weiter.
Wir hörten Schritte und Selinas Blick wurden immer drängender.
Ich konzentrierte mich noch einmal, dann hatte ich die Hand frei.
An meiner anderen hingen die Fesseln lose.
Schnell schob ich das Messer in meinen Schuh und hielt
sie wieder so, dass man nicht sehen konnte, dass sie frei waren.
Dann nickte ich ihr zu.
Sie atmete erleichtert auf, dann öffnete sich die Tür.
„De Lucia, ich habe ein kleines Spiel vorbereitet. Hast du
Lust mitzuspielen?“
Er grinste mich dreckig an.
„Ich spiele nicht mit dir.“ Spuckte ich ihm wütend entgegen.
Julian zuckte dir Schultern und wandte sich dann zu Selina.
„Ok meine Schöne, dann haben wir wohl ein Problem.
Sei mir nicht böse, dass ich nicht mir dir spiele, aber du bist einfach nicht in der körperlichen Verfassung wie dein Freund hier.
Was wirklich gut ist, denn da wärst du wahrscheinlich nur halb so hübsch.“
Er stand mit dem Rücken zu mir, aber ich konnte erahnen wie dreckig er sie angrinste.
Warnend knurrte ich ihn an.
Er sollte verdammt nochmal die Finger von ihr lassen.
„… und genau deswegen werde ich mit deinem Freund spielen müssen, ob er möchte oder nicht, denn ich konnte nur seinen Bruder auftreiben.“
Ich sah wie sie blass wurde.
Was meinte er damit?
Ich musste mich zusammenreißen ihn nicht anzuspringen und ihm die Kehle durchzuschneiden.
Auch wenn ich die Möglichkeit hatte wollte ich vorher wissen wie sein Plan aussah und was er wirklich von uns wollte.
„Also folgendermaßen lauten die Spielregeln.“
Er drehte sich wieder zu mir um und ging dann zu dem Tisch, der an der Wand zwischen uns stand.
Darauf stand jetzt ein Tablet.
Er schaltete es an und ein leicht verpixeltes Bild erschien auf dem Bildschirm.
Ein Mann saß in einer Halle, er trug eine Augenbinde und war ebenfalls an einen Stuhl gefesselt.
Ich schnappte nach Luft, im gleichen Moment wie Selina geschockt zu mir sah.
Da war Fabio.
„Ja ganz richtig, ganz zufällig sind Fabio und ich uns über den Weg gelaufen und da man dieses Spiel nur zu dritt spielen kann, haben wir jetzt die perfekten Bedingungen.“
Innerlich verfluchte ich ihn und wünschte ihm jede mögliche Krankheit an den Hals.
„Das Spiel was wir spielen wird dir nur zu gut bekannt sein de Lucia. Es heißt „Triff deine Wahl“. Du wirst dich nämlich entscheiden müssen, zwischen deinem Bruder und deinem Mädchen.“
Geschockt sah Selina von mir zu Julian und wieder auf den Bildschirm.
„Dieses ganze Gebäude ist mir Sprengstoff versehen, jede noch so kleine Ritze, weil es nämlich nächste Woche zum Einsturz gebracht werden soll.
Ich dachte mir, wir tun den Behörden einen Gefallen und reißen es schon heute ab.
Also habe ich mir Dimitri geschnappt, wie du weißt kann er sehr gut mit Bomben umgehen, fast so gut wie du.“
Er zwinkerte mir grinsend zu.
„Jedenfalls hat er mir so einen schönen Auslöser gebastelt und genau auf eine Minute eingestellt.
Meine Jungs und ich werden das Gebäude verlassen, dann starte ich den Auslöser, hier auf dem Bildschirm wird ein Countdown erscheinen und wie ich es berechnet habe, mein guter Freund wirst du, wenn überhaupt, nur einen der Beiden retten können.
Deinen Bruder oder deine Freundin. Also Daniel de Lucia triff deine Wahl.“
Geschockt starrte ich ihn an.
Damit war ich aber nicht alleine.
Selina sah aus als würde sie gleich umfallen.
Oh Baby, mach dir keine Sorgen den Bastard bring ich zur Strecke!
Er grinste und sah zwischen uns beiden hin und her.
Ich starrte ihn böse an, während Selina verzweifelt versuchte die Tränen zurückzuhalten.
Wie konnte er so etwas von mir verlangen?
Wir konnte er glauben ich würde dieses Spiel spielen?
„Du solltest mich weniger böse anschauen und mehr überlegen de Lucia, ich würde gerne vorher wissen auf wen deine Wahl fällt…“
„…oder weißt du was? Ich lass mich einfach
überraschen, meine Jungs und ich werden vor dem Haupteingang warten. Der einzige Ausgang.
Wir sehen uns also dann draußen, oder auch nicht.“
Wieder grinste er.
Er legte den Schlüssel für Selinas Handschellen auf den Tisch.
Dann drehte er sich zu Selina um und hob ihr Kinn leicht an.
„Nicht traurig sein Hübsche, auch wenn seine Wahl auf Fabio fällt, solltest du daran denken, dass du selbst schuld bist an diesem Schlamassel.
Was auch immer du in ihm gesehen hast, war niemals dazu bestimmt wahr zu werden. Frauen sind in unserer Welt einfach nichts wert und das werden auch keine gesäuselten Worte deines Freundes ändern.
Er ist nun mal einer von uns, war er schon immer und er
wird es immer sein. Das war niemals dazu bestimmt zu funktionieren. Er wusste von Anfang an, dass es dich irgendwann erwischen würde.“
Ich sah wie ihre Augen sich mit Tränen füllten und ihr über die Wangen liefen.
Baby glaub ihm kein Wort!
Verdammt, ich stand kurz davor durchzudrehen.
Lächelnd wischte er über ihre Wangen, dann verbeugte er sich theatralisch und verließ mit seinen Bodyguards den Raum.
Schnell ließ ich die Kabelbinder um meine Arme fallen und machte mich daran, die Fußfesseln zu lösen.
Einen Moment war es still, dann trat er auf dem Tablet in die Kamera und grinste uns wieder an.
„Hier ist der Ausgang, nur falls ihr es soweit schaffen solltet.“
Er lachte und dann sah man nur noch Fabio auf seinem Stuhl sitzen.
Das würde verdammt knapp werden.
„Baby, mach dir keine Sorgen, ich bekomm uns da schon raus.“ Murmelte ich und sah zu ihr hoch.
Sie schüttelte den Kopf und blinzelte gegen die Tränen.
„Du musst Fabio retten. Er ist dein Bruder, du darfst ihn nicht im Stich lassen…“
Ihre Stimme versagte, in diesem Moment schnitt meine Beine frei.
Sofort lief ich zu ihr und machte mich daran sie zu
befreiten.
„Ich werde mich überhaupt nicht entscheiden Seli, denn ich werde dieses Spiel nicht spielen.“
Im nächsten Moment erschein ein auf dem Tablet ein grüner Rahmen und ein Countdown fing an zu zählen.
Verdammte Scheiße aber auch!
Selina begann zu zittern.
„Du musst gehen!“
Ihre Stimme brach, wieder hatten sie Tränen in den Augen.
Doch ich schüttelte wieder den Kopf, dann waren ihre Hände frei.
„Ich geh nicht ohne dich.“
Schnell zog ich sie hoch und lief zur Tür.
„Nimm das Tablet mit!“ rief ich noch, dann stürzte ich auf den Gang.
Ich hörte ihre Schritte hinter mir, während ich die Treppen runter in den Raum stürmte, wo mein Bruder gefesselt saß.
Sofort zog ich das Messer wieder raus und begann seine Fesseln anzuschneiden.
Selina legte das Tablet auf den Boden und zog Fabio die Augenbinde runter.
Kurz sah er sich verwirrt um.
„Verdammt es war die ganze Zeit Julian! Selina was machst du denn hier? Was ist hier nur los?“ fragte er.
Ich schnitt schnell weiter.
„Wie lang haben wir noch?“ fragte ich meine Freundin.
„Dreißig Sekunden.“ Hauchte sie fast schon.
Ich fluchte.
„Schau welche Tür nicht komplett verkabelt ist…“
Sie lief zum Hinterausgang und begutachtete die Tür.
„Ich glaube mit der müsste es gehen.“ Meinte sie und sah sich unsicher zu uns um.
„Lauf raus und dann soweit wie möglich weg…“
„Ich werde nicht ohne euch gehen!“ erwiderte sie.
Kurz schloss ich die Augen.
Wollte sie mich verarschen?
„Darüber diskutiere ich nicht Seli, du…“
Dann hatte ich Fabio Hände frei und er sprang auf.
„Auf geht’s!“ rief er.
Ich wies zum Hintereingang, da ich wusste, dass Julian jeden umbringen würde, der den Haupteingang auch nur zu nahekam.
Ich nahm meine Waffe vom Tisch und rannte ihnen hinterher.
Vorsichtig, um keine Fehlzündung zu riskieren zog ich die Hintertür auf.
„Wie lange?“ rief ich den beiden zu.
„Zehn.“ Erwiderte Selina und lief durch die Tür.
„Lauft so weit wie möglich!“ rief ich und zog die Tür hinter uns wieder zu.
Sie würde einiges an Explosionskraft aufhalten.
Dann drehte ich mich um und folgte ihnen.
In Gedanken zählte ich runter.
Vier
Drei
Zwei
Eins.
Ein gewaltiger Knall tat sich hinter uns auf, sodass Selina erschrocken stehen blieb und sich umdrehte.
Verzweifelt lief ich zu ihr und zog sie mit mir mit, da sie anscheinend in eine Art Schockstarre verfallen war.
Dann erfasste uns die Druckwelle und wir fielen zu Boden.
Hart schlug ich mit dem Kopf auf.
Verdammte Scheiße aber auch!
Dunkelheit legte sich über mich, gerade als ich eine Bewegung an meiner Hand wahrnahm.
Als ich wieder zu mir kam, richtete ich mich schnell auf und sah mich um.
Verdammte Kopfschmerzen!
Selina lag neben mir auf dem Boden, mein Bruder kam gerade zu uns gelaufen.
„Baby bist du ok?“ fragte ich sie, als sie die Augen aufschlug.
Stirnrunzelnd nickte sie, sah mich dann besorgt an.
Ihre Augen weitete sich erschrocken.
„Daniel du blutest!“
Verwirrt tastete ich an meine Stirn.
Verdammt!
Ich hatte anscheinend eine Platzwunde vom Aufprall davongetragen, wahrscheinlich auch eine Gehirnerschütterung, doch das interessierte mich im Moment herzlich wenig.
Schnell rappelte ich mich auf und half Selina.
„Seid ihr beiden ok?“ fragte Fabio außer Atem, als er uns erreicht hatte.
Ich reichte ihm mein Handy und er hielt es im nächsten Moment schon ans Ohr.
Ich nickte und schloss Selina in den Arm.
Panisch klammerte sie sich an mich.
Unser Atem ging noch stockend, Tränenspuren waren noch auf ihren Wangen erkennbar.
Ich drückte ihr meinte Lippen auf die Stirn und presste die Augen einen Moment zusammen.
„Wir sollten so schnell wie möglich von hier verschwinden, bevor…“
Doch es war zu spät.
Fabio hatte gerade das Telefonat beendet, da traten Julians Jungs um die Ecke.
Er folgte ihnen, sein Blick mehr als angepisst.
Hatte mich wohl mal wieder unterschätzt der Gute.
Schnell schob ich Selina hinter mich und richtete mich auf.
Schnell zog ich die Waffe aus meinem Gürtel und
machte mich kampfbereit.
Sie kamen näher und im nächsten Moment gingen seine Gorillas auf uns los.
Sie traten um die Ecke und kamen auf uns zu, dann gingen sie auf Daniel und Fabio los.
Die beiden versuchten mich abzuschirmen, mich zu verteidigen, doch es waren einfach zu viele und ich wurde von hinten gepackt.
So sehr ich mich auf wehrte, ich hatte keine Chance.
Daniel musste ziemlich viel einstecken und ich verfolgte schluchzend das Spektakel.
Sie würden uns alle umbringen.
Dann wurde ich plötzlich vor Julian gestoßen und ging in die Knie.
Er grinste mich dreckig an und zielte dann mit seiner Waffe auf meinen Kopf.
„De Lucia!“
Sofort verstummten die Geräusche hinter mir und ich schloss die Augen.
Es war vorbei.
„Wenn du nicht willst, dass deine Kleine stirbt, solltest du aufhören meine Männer zu töten.“
Ich hörte wie Daniel und Fabio nach Luft schnappte.
Verdammt.
Wieder hatte ich zugelassen, dass Daniel mit meinem
Leben erpresst wurde.
„Lass… lass sie da raus Julian, dass hier geht nur um dich und mich.“
Daniels Stimme hinter mir zitterte fast schon.
Ich wollte mich unbedingt umsehen und ihn in meine Arme schließen, doch ich hatte leider eine Waffe am Kopf.
Und Julian würde wohl nicht zögern abzudrücken, wenn ich auch nur einen Finger bewegte.
„Du hast Recht de Lucia, das hier ist persönlich. Du hast mir genommen, was ich am meisten geliebt habe, also nimm ich dir das was du liebst.
Wir versuchen es nochmal, für wen entscheidest du dich?“
Ich betete, dass ich aus diesem Albtraum aufwachte.
„Ich werde mich nicht entscheiden Julian, da musst du mich schon umbringen.“
Erschrocken schnappte ich nach Luft und riss die Augen auf.
Wie konnte er nur?
Julian sah grinsend zu mir und dann wieder zu Daniel.
„Aber, aber, wäre das nicht viel zu leicht? Wenn du dich nicht entscheidest, entscheide ich.“
Wieder dieses Grinsen.
Es blieb still.
Ich hörte wie einzelne Stahlträger der Halle in sich zusammenfielen, vereinzelt war Feuer ausgebrochen
und ein starker Rauchgeruch lag in der Luft.
Nicht mehr lange und die Feuerwehr würde hier auftauchen.
„Du warst noch nie gut im Entscheidungen treffen.“, ertönte eine Stimme hinter Julian und alle drehten sich um.
Als ich aufsah, kamen Jason und die Jungs geradewegs auf uns zu.
Erleichtert atmete ich auf.
In diesem Moment gingen Daniel und Fabio wieder auf die Gorillas um sie herum los, während Julian mich an sich zog.
Zumindest versuchte er es, denn ich wehrte mich und trat nach ihm.
Es reichte, er konnte mich nicht ständig als Geiseln halten.
Die Jungs kamen uns zur Hilfe und gingen auf Julian und die anderen los.
Ich wusste nicht wo ich hinsehen sollte, versuchte mich so gut es ging freizukämpfen, da immer wieder Hände nach mir griffen.
Dann plötzlich, ertönte ein Schuss und ich zuckte heftig zusammen.
Verdammt wer war getroffen?
Hatten sie getroffen?
Wer hatte geschossen? War Daniel verletzt?
Erschrocken sah ich mich um und spürte dann einen heftigen Schmerz in meiner Schulter und tastete danach.
Einige Augenpaare richteten sich erschrocken auf mich, als ich verwundert auf meine blutverschmierten Hände starrte.
Verdammt, sie hatten mich getroffen.
Ich sank zurück auf die Knie, dann kippte ich zur Seite und alles wurde schwarz.
Irgendwo im Hintergrund hörte ich nur noch einen wütenden Schrei und einen weiteren Schuss.
Hoffentlich war keiner der anderen verletzt worden.
Ich fühlte, dass ich immer noch lag, allerdings konnte ich nichts hören, nichts sehen.
Es war als hätte man mich von sämtlichen Sinnen und Nerven meines Körpers getrennt.
Ich schwebte durch die Dunkelheit und ich wurde immer leichter.
Dann wurde ich wieder weggezogen, weg von der
Erlösung.
„…lina!“
Die Stimme war so weit weg und doch so nah.
Ich wurde immer müder und träge.
Die Wunde an meine Schulter brannte wie Hölle, doch mein Kopf war wie in Watte gepackt.
„Seli bleib bei mir komm schon, lass mich nicht alleine! Du hast es versprochen.“
Die Stimme war nun näher.
Ich wollte antworten, aber ich konnte nicht.
Ich hatte die Kontrolle über meinen Körper verloren.
Wer war die Stimme?
Die Dunkelheit kam wieder näher.
Was hielt mich noch hier?
Die Schmerzen wurden weniger, ich spürte fast nichts mehr.
„Komm schon, bitte Baby.“
Wieso war die Stimme so voller Liebe und doch klang sie nach sehr viel Trauer und Schmerz?
Dann ging plötzlich ein Ruck durch mich und ich schlug die Augen auf.
Grelles Licht war zu erkennen, deswegen schreckte ich gleich wieder zurück.
„Seli!“
Ein Gesicht erschien in meinem Sichtfeld, es schwebte über mir.
Dann kamen in Bruchteilen die Erinnerungen zurück.
Daniel. Fabio. Julian.
Das brennende Gebäude hinter mir.
Das Spiel.
„de Lucia triff deine Wahl.“
Daniel.
Ein Schuss, sie hatten mich getroffen.
„Daniel.“
Wie von selbst formten meine Lippen seinen Namen.
„Ich bin hier Baby, ich bin da.“
Seine Stirn lehnte an meiner, unsere Blicke waren fest ineinander verankert.
Sie waren feucht, weinte er etwa?
Er war hier. Er lebte.
„Es…tut mir so leid…“, brachte ich hervor, dann versagte meine Stimme.
Er schüttelte den Kopf.
„Nein, du hast an nichts Schuld. Hörst du? Du musst wach bleiben.“
Ich wollte nicken, ihm um den Hals fallen und ihm so klarmachen wie sehr ich ihn liebte, wie wichtig er für mich war.
Mit der Hand strich er mir die Haare aus dem Gesicht, dann küsste er mich.
So voller Liebe und Gefühl.
Mein Herz flatterte und ich fühlte mich als würde ich fliegen.
Gleichzeitig legte sie wieder diese Müdigkeit über mich und ich wurde langsam weggezogen.
„Baby bitte, bleib wach, ich… ich liebe dich.“
Meine Augen weiteten sich, dann liefen mir wieder die Tränen über die Wangen.
„Daniel…“
Niemals hätte ich erwartet diese Worte von ihm zu hören.
Und jetzt hatte er sie gesagt.
Dann legte sich die Dunkelheit über mich und zog mich
zurück. Verdammt.
Als ich aufwachte, musste ich ein paar Mal blinzeln bis ich mich an die Helligkeit gewöhnt hatte.
Dann schlug ich die Augen auf und fand mich in einem kleinen weißen Raum wieder.
Vorsichtig drehte ich den Kopf, ich lag in einem schmalen Bett und Schläuche steckten in meinen Armen.
Zu meiner rechten sah ich ein großes Fenster, was durch Vorhänge verschlossen war, daneben war eine kleine Sitzgruppe platziert, dort saß ein Mann.
Einen Moment brauchte ich noch, dann erkannte ich ihn. Es war Fabio.
Sein Gesicht hatte er in den Händen vergraben, sein Haltung sah aus, als wäre er sehr müde und würde schon seit Stunden dort sitzen.
Warum war ich hier?
Sonst hatten sie mich immer zu Tuck gebracht, jeder von uns wurde zu Tuck gebracht.
Warum war ich im Krankenhaus?
Und wo waren die anderen?
Wo war Ben? Wo war Daniel?
Wieso war Fabio hier, aber er nicht?
Er würde mich doch niemals allein irgendwo lassen. Von den Gedanken, die durch meinen Kopf jagten, bekam ich wieder Kopfschmerzen und stöhnte leise auf.
Natürlich schreckte dies Fabio auf und er stand in der
nächsten Sekunde neben mir.
„Selina! Wie geht’s dir? Weißt du, weißt du… wer ich bin?“
Ich sah ihn einen Moment an bevor ich lächelte.
„Natür… natürlich weiß ich wer du bist.“
Er atmete erleichtert auf und zog einen Stuhl an mein Bett.
Dann nahm er meine Hand und wärmte sie mit seinen.
„Ich bin so froh, dass du endlich wach bist, ich dachte, schon sie hätten dir zu viel von diesem Mittel gegeben.“
Ich lächelte.
„Wo ist Daniel?“ fragte ich nun die Frage, die mich am meisten interessierte.
„Er…er ist unterwegs.“
Ich runzelte die Stirn und sah ihn misstrauisch an.
Wohin unterwegs? Warum ohne Fabio, und warum war ich verdammt nochmal hier?!
Langsam wurde ich sauer, auch nachdem Fabio so rumdruckste.
„Fabio ich frage dich jetzt noch einmal, wo ist Daniel und warum bin ich hier?“ meinte Stimme klang trotz der Unsicherheit sehr ruhig und bedrohlich.
Er schien kurz zu überlegen, wahrscheinlich wählte er eine Wortwahl, bei der ich mich nicht zu sehr aufregen würde.
Gut das ich lange genug mit ihnen zusammengelebt hatte und wusste was gemeint war, egal welche
Formulierung oder Umschreibung es war.
„Er erledigt einen Auftrag und du bist hier, weil Tuck der
Meinung war, du bist hier besser aufgehoben.
Er hatte kein MRT Gerät zuhause, also brachten wir dich hier her, um innere Verletzungen ausschließen zu können.“
Ich nickte langsam.
„Und… Ben?“ meine Stimme wurde wieder leiser und heiser.
„Er ist zuhause, es geht ihm gut, er kommt dich morgen besuchen, weißt du es ist mitten in der Nacht.“
Mein Blick fiel auf die Uhr, es war halb 3 Uhr nachts.
„Wie schlimm hat es mich denn erwischt?“ fragte ich
weiter und versuchte nebenbei die letzten Erinnerungen zu rekonstruieren.
„Sie haben die Kugel rausgeholt, sie hat nichts Wichtiges getroffen oder verletzt, du hast ein paar Prellungen, Verstauchungen aber nichts Wildes, dein Kopf macht den Ärzten eher Sorge, du scheinst eine Gehirnerschütterung vom Aufprall zu haben. Sie haben eine Gehirnschwellung befürchtet, aber das du wach bist ist ein gutes Zeichen.“
Ich schluckte und musste mich bemühen die Augen offen zu halten.
„Schlaf erstmal weiter, ich bleibe hier und pass auf dich
auf.“
Mit einem schwachen Nicken nahm ich es zur Kenntnis
und wie von selbst schlossen sich meine Augen.
„Fabio, bring Daniel hierher.“ Nuschelte ich noch, bevor ich wieder davondriftete.
„Das kannst du nicht machen, nicht jetzt… ja… sie will, dass du herkommst…na schön…“
Eine leise Stimme weckte mich und ich versuchte mich zu strecken, wobei Schmerzen meinen Körper durchzuckten.
Die Kopfschmerzen waren weg, aber ich hatte wahnsinnigen Hunger.
Langsam öffnete ich wieder die Augen und sah wieder Fabio am Fenster stehen.
Er starrte in den Krankenhausgarten hinaus.
Ich räusperte mich und sah ihn böse an, als er sich umdrehte.
„Wo ist er?“ fragte ich.
Da war doch irgendetwas, warum war Daniel nicht hier, letztes Mal war er mir keine Sekunde von der Seite gewichen, sie verschwiegen mir etwas und ich wollte verdammt nochmal wissen was es war.
Fabio verzog den Mund.
„Ich habe ihm gesagt das du ihn sehen willst, er meinte er kommt sobald er es schafft. Selina du solltest dir nicht so viele Gedanken…“
„Fabio ich will das du mir jetzt sofort sagst was los ist…“
Mein Herzschlag ging schneller, als ich mich aufregte,
das bekam auch er mit, da der Apparat neben meinem Bett schneller piepte.
Sein Blick wurde unsicher und wechselte zwischen mir und dem piependen Kasten.
Dann wurde die Tür geöffnet und eine Schwester stürmte herein.
„Was ist los? Ms. Alliston geht es ihnen gut?“
Ich beachtete sie nicht weiter, sondern sah Fabio weiter mit bösem Blick an.
Er knete seine Hände, wo er auch das Handy hielt.
Gerade öffnete er den Mund, da unterbrach ihn die Schwester.
„Sie sollten besser gehen, solche Aufregungen sind nicht gut für Ms. Alliston.“
Mein Blick traf sie, doch sie sah ungerührt davon zu Fabio und deutete zur Tür.
Er nickte schließlich, nahm seine Jacke und verschwand.
Stöhnend ließ ich mich ins Bett zurückfallen und grübelte weiter.
Was konnte alles passiert sein, seit ich umgefallen war?
Wie viel Uhr war es eigentlich, welcher Tag?
Ich tastete in den Schubladen und fand ein Handy dort liegen. Es war nicht meins, das hatte Julian wahrscheinlich behalten.
Wo war der eigentlich? Was war passierte nachdem ich ohnmächtig geworden war?
Schnell scrollte ich durch das Adressbuch und wählte
seine Nummer.
Es klingelte ein paar Mal, dann hörte ich wie abgehoben wurde.
„Ja?“ fragte eine leise Stimme.
Ich hielt die Luft an, sie war schwach, müde und brüchig.
„Daniel?“ fragte ich genauso leise zurück.
Er räusperte sich und ich hörte leise Stimmen im Hintergrund.
Anscheinend ging er in einen anderen Raum, denn als er wieder sprach, war es leise.
„Alles ok?“ fragte er.
„Mir geht’s gut, wo bist du?“ fragte ich weiter.
Er wollte mich schon wieder aus irgendeiner Sache raushalten, dieses Mal gefiel mir aber sein Tonfall und seine Handlung ganz und gar nicht.
Ich mochte es nicht, wenn er mich ausschloss.
„Ich… ich kann jetzt grade nicht, ich…“
„Nein Daniel, du sagst mir jetzt was los ist, warum bist du nicht hier, was ist so wichtig, dass du mich hier allein lässt, ohne mir zu sagen wo du bist und was du machst?“
Kurz war es still, dann hörte ich wie er seufzte.
„Ich bin gerade bei einem Job, ich komm später vorbei ok?“, mehr sagte er nicht.
Ich schloss kurz die Augen und atmete tief durch, um mich nicht noch mehr aufzuregen.
„Na schön.“, meinte ich dann.
Kurz darauf wurde die Leitung tot.
In den nächsten Stunden versuchte ich mich abzulenken, indem ich Fern sah oder auf dem Handy herumtippte.
Fabio hatte eine SMS geschrieben, dass Ben ein bisschen krank war und deswegen sie ihn deswegen erst morgen vorbeibringen konnten.
Ich hatte mit ihnen telefoniert und wollte nach Hause kommen, doch Fabio lehnte dies strikt ab.
Leider schwieg er auch immer noch über Daniels Aufenthaltsort.
Kurz hatte ich auch mit Mel gesprochen, die mir versicherte so schnell wie möglich vorbeizukommen.
Meine Eltern hatten anscheinend nichts von diesem Vorfall mitbekommen.
Ich war kurz davor wieder einzuschlafen, als sich meine Zimmertür öffnete und schwere Schritte eintraten.
Ich hob verschlafen den Kopf und schlug die Augen auf, als sich eine Hand an meine Wange schmiegte.
„Daniel.“
Er lächelte kurz, aber es erreichte nicht seine Augen.
Diese sahen mich aus einem kalten grau an.
„Hat etwas länger gedauert. Tut mir leid.“
Ich nickte nur und setzte mich auf.
Dann zog ich ihn an mich und inhalierte seinen Geruch.
Seine Arme schlossen sich um mich und drückten mich vorsichtig an ihn.
„Wie geht’s dir?“ fragte er dann und sah mich vorsichtig
an.
Ich zuckte die Schultern.
„Ich habe keine Schmerzen und eigentlich will ich nur nach Hause.“
Er nahm es mit einem Nicken zur Kenntnis und sah auf seine Hände.
Ich nahm sie in meine und wartete bis er mich ansah.
„Was ist los? Rede mit mir.“
Ich bemühte mich um eine feste Stimme, wobei das gar nicht so leicht war, da in mir das reinste Chaos herrschte.
„Gehen wir ein Stück? Du könntest ein bisschen frische Luft gebrauchen.“, meinte er nur ausweichend und stand schon auf, sodass ich nur nickte und meine Jacke entgegennahm, die er mir hinhielt.
Dicht nebeneinander gingen wir durch die Gänge zum Aufzug, der in den Garten des Krankenhauses führte.
Ein Stück gingen wir schweigend nebeneinander her, bis ich ihn am Arm festhielt und ihn schweigend ansah.
„Ist es wegen Julian?“
Sein Blick verdunkelte sich, doch er zeigte keine Reaktion.
Das reichte mir schon.
„Daniel es war nicht deine Schuld, ich hätte es wissen müssen, ich habe nicht nachgedacht.“
Er schüttelte den Kopf, verzog das Gesicht und fuhr sich durch die Haare, die schon in alle Richtungen abstanden, als hätte er einen langen Tag hinter sich.
„Es ist meine Schuld.“ Sagte er dann leise.
Seine Hände zitterten, als er sie zu Fäusten ballte. „Daniel.“
„Er hat dich nur wegen mir erwischt!“ meinte er nun lauter und sein Gesicht war eine schmerzverzerrte Maske.
„Na und? Wie oft haben sie mich wegen dir nicht erwischt?“, ich fing an zu zittern, schluckte gegen den Kloß in meinem Hals an, doch Daniel schüttelte nur den Kopf.
„Er hätte dich töten können. Fünf Zentimeter weiter unten und du wärst jetzt tot.“
Seine Stimme war ruhiger und zitterte. Auch nicht viel besser.
„Das hat er aber nicht, ich bin immer noch hier. Ich bin immer noch bei dir.“
Ein Kloß stieg meinen Hals weiter hinauf.
Verdammt!
Daniel schüttelte wieder energisch den Kopf und drehte sich von mir weg.
„Nur Julian ist schuld daran, aber es ist mir völlig egal was war, weil wir hier sind. Das ist das Einzige was zählt. Wir sind nun mal nicht normal, das hast du selbst gesagt, das will ich auch gar nicht.“
„Das wird nicht noch einmal passieren.“, sagte Daniel bitter.
„Was willst du denn tun? Willst du mich für immer
einsperren, komplett überwachen… während du jeden umbringst der mich auch nur schief anschaut? Das ist doch keine Lösung! Ich würde für dich alles riskieren, aber du kannst das nicht allein machen, du…“
Ein schrecklicher Gedanke schoss mir durch den Kopf, als ich in seine Augen blickte.
Er würde doch nicht… oh mein Gott.
Daniel musste gesehen haben wie mein Blick sich änderte und ich es wusste.
Er trat näher zu mir.
„Ich will nicht, dass du nochmal verletzt wirst.“, flüsterte er und seine Hand streichelte meine Wange.
„Warum tust du es dann gerade? Du hast gesagt, dass du mich liebst, ich erinnere mich daran, war das gelogen?“, meine Stimme brach, Tränen liefen über meine Wangen.
Er schloss die Augen und atmete tief ein, während ich wartete.
„…, wenn das hier das letzte Mal wäre, das wir uns sehen, was würdest du sagen?“
Ich schüttelte heftig den Kopf und ignorierte die Kopfschmerzen.
„Tu das nicht Daniel. Bitte.“
Mein Blick wurde flehend, während mein Herz in tausend Teile zerbrach.
Das konnte er mir doch nicht antun!
„Es tut mir leid.“
Seine Stimme zitterte, während mir immer mehr Tränen über die Wangen liefen.
„Nein, bitte, nein…“ Hauchte ich leise.
Er beugte sich zu mir runter und seine Lippen legten sich auf meine Stirn.
Ich schloss die Augen und als die Bewegung verschwand, wusste ich das er weg war.
Ich konnte nur stockend atmen und spürte wie ein Teil von mir starb.
Ich wollte ihm nachlaufen aber die Welt verschwamm vor meinen Augen, so konnte ich mich nicht bewegen und starrte auf die Stelle, an der er eben noch gestanden hatte.
Schlussendlich brach ich weinend auf dem kalten Boden zusammen und empfing dankbar die Dunkelheit.
Im gleichen Bett wachte ich wieder auf, wieder an Schläuche gekettet.
Ich wollte die Augen öffnen, doch als meine Erinnerungen zurückkamen, spürte ich wieder diesen brennenden Schmerz in meiner Brust.
Er hatte mich verlassen.
Einfach so war er gegangen.
Wie konnte er mir so etwas nur antun?
Mühsam schlug ich die Augen trotzdem auf und sah wieder die weiße Raumdecke über mir.
Nur jetzt sah sie kalt und trostlos aus.
Nichts an diesem Raum war noch warm, heilend oder beschützend.
Es war als würde ich aus einem Traum aufwachen und ich erwartete fast das eine Schwester hereinkam und mir sagte, dass es der erste April war.
Schwer atmete ich auf.
In mir lag eine tiefe Leere, diese kalte schwere Hand, die sich um mein Herz legte und die Erinnerungen an sein Gesicht, als er sich umdrehte und ging.
„Sie ist wach… oh mein Gott Selina, du bringst mich noch um!“
Ich zuckte erschrocken zusammen, als ein Mädchen ins Zimmer gestürmt kam.
Sie nahm mich sofort in den Arm und legte mir eine Hand an die Wange.
„Hey Süße, du jagst mir vielleicht Schrecken ein, was tust du denn da draußen so allein? Du weißt doch wie kalt es hier in der Nacht immer noch ist.“
Es war Mel, meine beste Freundin aber, wenn ich sie ansah, sah ich nur die Momente wie sie aussah, wenn sie mit Daniel gestritten hatte.
Er war überall, er hatte mein Leben zusammengehalten.
Innerlich zuckte ich zusammen, wenn er weg war, mussten wir wieder zurück zu meinem Vater?
Würde er das zulassen?
Ben das antun? Ben.
Wo war mein Bruder?
Eine Träne lief mir über die Wange und Mel sah sofort erschrocken auf.
„Selina, was ist denn los? Es geht dir gut, du musst dir keine Sorgen machen, wir…“
„Mel…“ unterbrach ich sie und packte ihre Hand fester.
„Er… er ist weg.“, meine Stimme brach als ihre Augen groß wurden und sie mich geschockt ansah, als sie verstand was ich meinte.
Ich war nicht allein draußen gewesen.
Er hatte mich zurückgelassen.
„Nein…, dass… das glaub ich einfach nicht, du… er würde niemals ohne dich gehen… Sel…“
Ihre Schultern sanken nach unten, dann stand sie auf und schloss mich wieder in ihre Arme.
So wie sie da an meiner Bettkante saß, konnte man fast glauben, sie hätte ihn gemocht.
Aber ich wusste, dass sie um mich weinte.
Weil sie wusste, dass ein Teil von mir mit ihm gegangen war.
Innerhalb von einer Sekunde auf die andere hatte er alles zerstört, was wir uns zusammen aufgebaut hatten.
Vertrauen, Liebe, Freundschaft, Familie und ein gemeinsames Leben.
Alles weg. Einfach weg.
Die Ärzte kamen herein und machte es kurz, da sie anscheinend nicht genau wussten, wie sie mit mir
umgehen sollten.
Sie wollten mich noch einen Tag zur Beobachtung behalten, doch ich wehrte mich dagegen, bis ich mich schließlich selbst entließ.
Auch gegen den Psychologen legte ich mich Veto ein. Ich hatte keine Lust mit irgendjemanden über die Geschehnisse zu sprechen.
Einen Haufen an Medikamenten gaben sie mir mit, doch mein Kopf war nur damit beschäftigt, zu überlegen was mich zuhause wohl erwarten würde.
Würden die Jungs auch weg sein?
Ich weiß es ist fies, an dieser Stelle aufzuhören, aber psst ein zweiter Teil ist bereits in Arbeit!!
Tag der Veröffentlichung: 06.10.2017
Alle Rechte vorbehalten