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Spielverderber

Himmel und Hölle waren nie die besten Kooperationspartner gewesen.

Eigentlich bestand der einzige Akt der Kooperation zwischen ihnen darin, voneinander so gut es geht zu lernen, um die Fehler des Anderen nicht zu wiederholen.

Möglicherweise lag es an ihren unterschiedlichen Zielen.

Möglicherweise auch an der Verschiedenheit ihrer jeweiligen Angestellten.

Möglicherweise war dieses kalte Betriebsklima auch nur eine Interpretation derer, die so fanatisch an Himmel und Hölle glaubten.

Die Kinder von Kirschblütenhausen verstanden von diesen Dingen nicht wirklich viel, doch ihr Spiel war dem zwischen Gut und Böse sehr ähnlich.

Sie hatten sich in zwei Reihen gegenüber aufgestellt. Jeweils fünf Kinder auf jeder Seite, alle zwischen acht und neun Jahre alt. Die Einen trugen rote Kopfreifen mit aufgeklebten roten Hörnchen, die anderen gelbe Kopfbänder, die sie zu ihrem Bedauern leider nicht über sich in der Luft schweben lassen konnten. Jeweils ein Kind von jeder Seite trug eine Karte, ein anderes einen Kompass und ein drittes einen Sack mit fünf geladenen Wasserpistolen bei sich. Die beiden "Anführer" stellten gleichzeitig ihre mit Alarmsignalen versehenen Armbanduhren.

"Die Regeln sind klar?", stellte der Junge, der die Engel anführte richtig.

"Klar wie Kloßbrühe!", entgegnete das Mädchen, das an der Spitze der Teufel stand.

"Dann viel Glück?", sagte Engel mit breitem Grinsen.

"Das werdet ihr brauchen", entgegnete Teufel.

Damit trennten sich beide Gruppen, um zum jeweiligen Startpunkt zu gehen.

Die Schnitzeljagd konnte beginnen.

 

Die "Teufel" arbeiteten sich Stück für Stück vor. Clara, ihre Anführerin ging zwischen Linus, der für den Kompass zuständig war, und Melina, die die Karte hielt.

"Erster Steuermann, ist unser Kurs richtig?", wandte sie sich an Linus.

Dieser nickte grinsend. "Ey Ey, Käptain, wir halten immer genau Richtung Westen."

"Navigationsoffizier", richtete Clara das Wort an Melina. "Stimmst du den Aussagen des Steuermannes zu?"

"Aussagen vollkommen korrekt", gab Melina salutierend zurück.

"Sehr gut", folgert Clara daraus. "Wie steht die See, Wetterfrosch?"

"Wetterfrosch" Florian sieht zum Himmel. "Leichter Südwind. Das wird die Engel sicher aufhalten. Sie werden rudern müssen."

"Kanonier, sind die Geschosse für ein Gefecht vorbereitet?"

Laura hebt die fünf voll geladenen Wasserpistolen hoch, die sie mitgenommen hatte. "Ey Ey, Käptain!"

Clara grinst. "Setzt die Segel und volle Fahrt voraus!"

 

Den "Engeln" machte der Gegenwind, der über das Meer aus Getreideähren wehte, überhaupt nichts aus.

Dennis, der Anführer ging voraus. "Navigationsoffizier, hast du den Kurs berechnet?"

Dominic nickt. "Ey Ey, Käptain, wir müssen immer geradeaus."

Dennis nickt. "Erster Steuermann?"

"Kurs wird befolgt", meldet Tobias.

"Wir müssen uns in die Riemen legen, Käptain!", meldet "Wetterfrosch" Janina. "Der Wind steht gegen unsere Fahrtrichtung!"

Dennis grinst. "Ein wenig Wind hält keinen Engel auf. Wir fliegen einfach darüber hinweg. Und wenn die Teufel Ärger machen..."

"Stehen die Kanonen bereit!", meldet "Kanonier" Larissa.

Die Flotte der Engel setzte ihre Fahrt fort.

 

Keiner der beiden Mannschaften, war zu dem Zeitpunkt bewusst, dass auch noch ein drittes Schiff in See stach. Dieses Gefährt beherbergte nur zwei Besatzungsmitglieder. Der Junge war sieben, das Mädchen sechs Jahre alt. Diese Kinder hatten weder eine Karte, noch einen Kompass bei sich, anstelle von Wasserpistolen verfügten sie über eine ganz besondere Ausrüstung, sie konnten es kaum erwarten, diese einzusetzen.

Die beiden nahmen einen geheimen Weg, der hinter eine dichte Hecke hindurch führte. Sie trugen ein breites Grinsen auf ihren Gesichtern. Sie spielten ihr eigenes Spiel, und dieses sogar sehr gut.

"Ist es dort?", fragte das Mädchen und deutete auf die Büsche, die am Ende der Wiese aufragten, die sie hinter dem Schleichweg betraten.

Der Junge nickte. "Genau dort haben sie es versteckt. Stell du dich an den Rand, wenn jemand kommt, pfeifst du."

Das Mädchen wollte sich gerade zu dieser Position begeben, als ihr etwas einfiel. "Aber...ich kann doch gar nicht pfeifen."

Der Junge zögerte. "Dann...klatschst du in die Hände."

Das Mädchen nickte. "In Ordnung!"

Sie lief zu dem Beginn der Allee hinüber und versteckte sich hinter einem Baum. Niemand kam. Alles war ruhig. Sie drehte sich um und zeigte dem Jungen einen Daumen nach oben.

Dieser sah das Zeichen und verschwand schon im Gebüsch. Es dauerte lange, er bekam einige Kratzer ab, knickte mehrere Zweige um, aber schließlich fand er, was er suchte.

 

Etwa eine halbe Stunde später, kamen Engel und Teufel von verschiedenen Richtungen gleichzeitig an der Wiese an.

"Wir waren zuerst da!", behauptete Dennis.

"Niemals!", widersprach Clara. "Wir haben die Wiese zuerst betreten!"

Die beiden Anführer sahen sich trotzig an. Doch die Regeln dazu waren eindeutig: Engel und Teufel mussten sich den Schatz teilen.

"Also gut!", meinte Dennis schließlich. "Wir teilen durch zwei. Aber nächstes Mal gewinnen wir!"

"Ihr hattet nur Glück", gab Clara zurück. "Aber gut, die Flotte der Teufel erkennt das Unentschieden an. Der Schatz wird geteilt."

"Der Schatz ist weg!"

Dominic und Melina kamen gleichzeitig aus dem Gebüsch. "Verschwunden!", fügt Melina noch hinzu.

"Wir haben nur die hier gefunden", Dominic hält zwei selstgebastelte, unordentlich gemahlte und geschnittene Spielkarten hoch. Pik, Herz, Karo und Kreuz waren aufgemahlt, Herz und Karo rot, Pik und Kreuz grün. Das Karo trug einen Dreizack, das Herz Teufelshörner, ganz im Gegensatz zu Pik mit zwei kleinen Schwingen und Kreuz, über dem ein Heiligenschein schwebte. Die Karten waren in diesen Formen identisch.

"Das kenne ich!", rief Clara aus. "Nino, mein kleiner Bruder, hat sowas gemalt."

"Meine kleine Schwester Sophie auch!", stimmte Dennis zu.

Beide Mannschaften starrten sich überrascht an. Gleich darauf wurden die Kinder ärgerlich.

"Das können wir uns doch nicht gefallen lassen!", meinte Clara.

Dennis nickte. "Den beiden Spielverderbern zeigen wir es!"

 

Die beiden Spielverderber waren darauf vorbereitet. Der Schatz, der vorallem aus Süßigkeiten und Schokolade bestand, war schon in den geheimen Verstecken der Kinder verschwunden. Sie lachten nur über die ärgerlichen Mienen ihrer älteren Geschwister.

"Spielverderber zu sein, macht Spaß!", meinte Nino grinsend.

Sophie nickte. "Sollten wir öfter machen!"

Wie immer trennten sich Engel und Teufel nach ihrem Duell, diesmal aber mit derselben Meinung: Kleine Geschwister sollten in der Hölle braten!

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 06.08.2014

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