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Cat Cowboys

Mitten in der Nacht wachte Saskia auf. Es war Neumond, daher war das Zimmer stockduster. Die gegenüber liegende Zimmerwand sah wie ein Schwarzes Loch aus den Weiten des Alls aus. Ein seltsamer Geruch strömte durch das Zimmer. Etwas stimmte hier nicht.

Saskia stand auf, zog ihre Pantoffeln und ihren Morgenmantel an und ging ohne zu zögern durch die Wand hindurch.

Erst auf der anderen Seite fiel ihr wieder ein, was geschehen war: Sie hatte die Untere Welt betreten, die mal wieder ihre Hilfe benötigte.

Es war taghell, doch Saskia überkam ein leichtes Frösteln, als sie die Treppe aus riesigen Kartoffelchips in das Tal herab stieg. In der Unteren Welt ging etwas vor sich. Etwas Unheimliches. Sonst würde sie auch nicht nach ihrer Teilzeit-Agentin rufen.

Diese Theorie bestätigte sich, als Saskia an den Ästen der roten Weide zog und in das Schloss des Maulwurfkönigs herab gefahren wurde.

Der Maulwurfkönig war nicht da.

Dabei war er immer da, wenn die Untere Welt Saskia rief.

Immer war er hier, um ihr den Auftrag zu erklären. Doch im gesamten Thronsaal gab es keine Spur von ihm.

„Maulwurf?“, rief Saskia fragend in die Leere. Sie redete ihn immer mit „Maulwurf“ an. „Bist du hier irgendwo?“

Der Thronsaal war leer. Saskia stand ratlos herum. Irgendwer musste doch hier sein!

Sie ging zu der Leinwand, an der ihr immer die Aufträge erklärt wurden. Tatsächlich befand sich im Recorder eine Videokassette.

Hoffentlich hat er die nicht wieder mit der Aufnahme einer Geburtstagfeier verwechselt, dachte Saskia, während sie auf PLAY drückte.

Wie erwartet erschien der Maulwurfkönig auf dem Bildschirm.

Bei einer Rutschpartie auf einem Spielplatz.

Saskia spulte vor, bis sich das Bild änderte.

„Hallo, Saskia“, rief ihr ein Maulwurfkönig an einem schneeweißen Strand zu. „Ich hoffe, die Brieftaube wird rechtzeitig ankommen. Mein Flieger hat eine Panne, daher werde ich länger hier bleiben müssen.“

Saskia hatte bis zu dem Zeitpunkt nicht gewusst, dass es in der Unteren Welt Flugzeuge gab.

„Es ist ganz wichtig, aus den Archiven des Unteren Schlosses wurde der Bauplan für eine ultimative Hypnose-Maschine entwendet, die alle Bewohner der Unteren Welt in willenlose Marionetten verwandeln kann. So sieht der Plan aus!“

Auf dem Bildschirm erschien eine Rolle aus blausilbernem Papier, die von einer roten Schnur zusammengehalten wurde.

„Gestohlen wurde dieser Plan von den Cat Cowboys.“

Es erschien ein Gruppenfoto von mehreren, auf zwei Beinen stehenden Katzen mit Cowboyhüten und -revolvern.

„Der Anführer, der grau getigerte Kater in der Mitte, nennt sich ‚Billy the Cat’ und gilt als äußerst schusssicher. Deshalb ist deiner Ausrüstung eine kugelsichere Weste beigefügt.“

Die kugelsichere Weste rollte aus einem Seitenfach neben der Leinwand, beim überziehen sah Saskia, dass die Weste eine aufgemalte Zielscheibe auf der Brust trug.

„Der Teleport wird dich direkt nach Cattown beamen, sei aber vorsichtig, dass dich niemand entdeckt, die meisten Katzen mögen Menschen nicht besonders. In der Mitte von Cattown befindet sich das Hauptquartier der Cat Cowboys. Darüber wissen wir aber nur, dass der Bauplan dort versteckt ist.“

Der Maulwurfkönig sah sich auf dem Bildschirm um. „Muss Schluss machen. Der Eiswagen ist da! Viel Glück!“ Der Bildschirm wurde schwarz.

Saskia begutachtete den Rest ihrer Ausrüstung. Mit Schlafmittel präpariertes Katzenfutter, einen zylinderförmigen Behälter für den Plan und eine Taschenlampe. Außerdem ein Cowboyhut mit weiter Schlappe und ein umschnall barer Katzenschwanz, was ihre Tarnung sicherstellte.

„Hasta la vista“, murmelte Saskia, während sie den Transmitter aktivierte.

 

Saskia landete in einer Nebengasse in Cattown. Sie riskierte einen vorsichtigen Blick um die Ecke. Keine der menschengroßen Katzen war zu sehen. Eine gute Voraussetzung, um unbemerkt ins Hauptquartier zu kommen! Saskia leitete den Auftrag ein.

 

Billy the Cat ließ seine Krallen auf dem hölzernen Konferenztisch prasseln und sah unter seiner weiten Hutschleppe in die ernsten Gesichter seiner Kameraden.

„Ein Menschenkind.“ Seine Stimme war schneidend wie ein Messer. „Der werte Maulwurfkönig hat also ein Menschenkind aus der Oberen Welt geschickt, um den Plan zurück zu fordern.“

„Ganz recht, Sir“, antwortete Kitty, mit den Locken in ihrem Fell spielend. Die schlanke, braune Kätzin war für die Sicherheit im Quartier zuständig. „Unseren Informationen zu Folge wird das Mädchen versuchen, uns den Plan wieder zu entreißen. Und sie wird allein vorgehen.“

„Sir“, fragte der Siamkater Janosch, „wäre es nicht besser, dieses Kind vom Quartier fernzuhalten?“

Ein dünnes Lächeln zog sich über Billys pelziges Gesicht. „Wozu eine Spionin abwehen, wenn sie einem direkt in die Krallen läuft?“ Damit zog er eine tiefe Furche in den Tisch. „Wir lassen doch auch keine Maus entwischen!“

 

Saskia stieg durch ein von betrunkenen Katzen eingeschlagenes Kellerfenster ins Quartier ein. Sie lauschte, hörte ferne Schritte. Als diese verklungen waren, wartete Saskia noch einige Zeit, da sie wusste, wie gut Katzenohren waren. Sie ging langsam und setzte ihre Schritte mit Bedacht, immer eins der lähmenden Katzenfutter griffbereit.

Saskias Kopf hämmerte. Wo würde Billy the Cat nur den Plan verstecken? Sie spürte beim Gehen etwas in einer Seitentasche der Schutzweste. Ein kleiner zusammen gefalteter Brief des Maulwurfkönigs.

Hallo Saskia,

Ich musste damit rechnen, dass die Cat Cowboys das Video in ihre Krallen bekommen würden, daher habe ich diese Informationen schriftlich verfasst. Im Hauptquartier…

 

„Das Kind befindet sich genau hier!“ Kitty zeigte auf den blinkenden Punkt im elektronischen Plan. Sie hatte ein System eingebaut, das alle nicht-katzenhaften Eindringlinge sofort identifizierte.

„Nicht so schnell“, maunzte Bille the Cat, der mit Janosch daneben stand. „Wir lassen das Menschlein noch ein wenig zappeln…“

 

Ratlos stand Saskia im Raum. Vor ihr zweigte sich der Weg. Zum achtzehnten Mal. Sie hatte sich verirrt. So etwas war ihr noch nie passiert, weder in der Oberen, noch in der Unteren Welt. Wie sollte sie da überhaupt noch zum Plan finden?

Eine Katze zu fragen, war ausgeschlossen. Menschen waren in der Unteren Welt Außenseiter und in Orten wie Cattown überhaupt nicht gern gesehen.

„Zutritt verboten!“, stand an der fest verriegelten Tür. Interessant. Saskia fing sofort an, an der Klinke zu rütteln, jedoch erfolglos.

„Da will doch nicht etwa jemand einbrechen!“

Erschrocken fuhr Saskia herum. Sie erkannte die drei Cowboy-Katzen hinter ihr vom Foto wieder. Der Große, Gestreifte musste Billy the Cat sein. Seine Fangzähne blitzten.

„Einbrechen ist nicht wirklich sehr höflich.“

Saskia überwand den Schrecken mit einem Schlucken. Sie durfte jetzt nicht nachgeben!

„Es ist auch nicht sehr höflich, die Untere Weltherrschaft mit einer Hypnose erlangen zu wollen“, entgegnete sie, nach dem Katzenfutter suchend.

„Lass doch, Kindchen, diese Schlafdrops helfen dir auch nicht, ich hatte schon zu Mittag gegessen.“

„Mist!“, fluchte Saskia, absichtlich so laut, dass Billy the Cat es hören konnte.

„Tja, meine Kleine“, letzteres betonter er besonders deutlich, „ich fürchte, das war’s für dich und deine Kariere in der Unteren Welt. Ich tue es nur äußerst ungern, aber ich muss…“

Was der Kater noch hätte tun müssen, erfuhr Saskia nie. Kitty hatte mit einem Mal eine Bratpfanne in den Pfoten, wo auch immer sie diese versteckt hatte, und ließ diese krachend auf den Schädel ihres Vordermannes sausen. „Sorry, Bill, musste sein“, murmelte sie, während Janosch einen Schlüsselbund hervor zauberte und sich an der Tür zu schaffen machte.

„Die ganze zeit in der Gesellschaft dieser größenwahnsinnigen Katze zu verbringen ist wirklich anstrengend“, murrte auch er. „Das nächste Mal lese ich das Kleingedruckte dreimal, bevor ich mich als Doppelagent irgendwo einschleusen lasse!“

„Ist dahinter wirklich der Plan?“, fragte Saskia nach. Sie hatte ihre Kontaktpersonen trotz des Briefes vom Maulwurfkönig erst auf den zweiten Blick erkannt.

„Wir sind hier laut Papier die leitenden Sicherheitschefs“, erinnerte sie Kitty. „Wo steht der Transmitter?“

„In einer Gasse neben den Kellerfenstern“, antwortete Saskia schnell, während sie die Schriftrolle auffing, die Janosch ihr zuwarf, und verstaute. „Ist der Weg sicher?“

„Wo Billy the Cat hingeht ist alles sicher!“, entgegnete Janosch, während er und Kitty denselben in den Raum trugen und dort einsperrten. „In sechzehn Minuten kommt hier der Sicherheitsdienst vorbei und gabelt ihn auf. Und wir drei sind verschwunden.“

Saskia führte die Katzen zu dem zerbrochenen Fenster.

„Da ist ein Mensch!“, lautete die Begrüßung der Passanten, sobald sie sich aufgerappelt hatten. Die Katzen, die Saskia entdeckt hatten, standen am anderen Ende der Straße.

„Mist!“ Diesmal war Saskias Ausruf aufrichtig gemeint. Die Straßen waren voll von Katzen, als die drei den Transmitter erreichten und verschwanden.

 

„Saskia, Janosch, Kitty! Toll, dass ihr alle da seid!“ Der Maulwurfkönig trug immer noch die Badehose unter seinem roten Mantel, als er seine Agenten empfing. „Ich wollte eigentlich früher hier sein, aber diese ganze Sache mit dem Flughafen war so kompliziert!“

„Der Plan ist in Sicherheit!“, meldete Saskia gehorsam. Sofort kam der Bär, Schlüsselmeister Tatze, um ihn zu konfiszieren.

„Wir waren gezwungen, unsere Identität preiszugeben und sind in Cattown nicht mehr verfügbar“, meldete Kitty.

„Ja, schon gut. Ich denke, Billy-Kätzchen ist erst einmal sicher gestellt.“ Der Maulwurfkönig blinzelte. „Ich werde dafür sorgen, dass er keine Macht mehr ausüben kann. Kitty, Janosch, was haltet ihr davon, neue Bürgermeister von Cattown zu werden?“

Saskia folgte der Unterhaltung nicht weiter. Sie verabschiedete sich von den dreien und begab sich zurück in die Obere Welt.

Bis zum nächsten Auftrag.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 05.05.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
An alle Träumer unter euch und an die, denen der erste Teil ebenfalls gefallen hat.

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