„Sitzt still!“ Steinkralles Mahnung brachte uns zu dem Kunststück, gleichzeitig mit hochgereckten Ohren auf den Hinterbeinen zu landen. Immer wieder hatten wir uns umgedreht, um den WiesenClan bei seiner Ankunft zu sichten. Wir drei mussten wie ein Sack Flöhe wirken.
„Lass sie.“ Wenigstens Sturmherz brachte Verständnis für uns auf. „Du weißt, wie aufgeregt ich auf meiner ersten Großen Versammlung war.“
„Wie könnte ich das vergessen.“ In Steinkralles Stimme schwang eine Betonung mit, die ein wohl gehütetes Geheimnis barg. Ich musste ein Schnurren unterdrücken. Wie sie wohl auf mein Wissen über den Gang zu der geheimen Felsnase reagieren würden?
Meine Gedanken kehrten zurück zu dem WiesenClan und dem, was in dieser Nacht noch geschehen würde. So unauffällig wie möglich sah ich mich erneut um. Wo blieben sie nur?
„Sie kommen“, gab Käferflug bekannt. Er und Roggenpfote hielten sich bewusst abseits, was man von Kastanienglanz, Schneeblüte und Blattschatten nicht behaupten könnte. Fast den ganzen Weg über haben sie mit Eschenlicht, Kieselstein und Blattschatten geplaudert, als hätten sich die Freunde Blattwechsel lang nicht gesehen. Nicht einmal jetzt hörten sie auf, sich zu unterhalten.
Käferflug und Roggenpfote traten hervor, um ihren Clan zu begrüßten. Auch wir nickten den Katzen freundlich zu. Fuchsstern trat ihnen mit interessierter Miene entgegen.
Eisstern, der an der Spitze lief, erkannte sie anhand unserer Beschreibung.
„Ich grüßte dich, Fuchsstern.“ Seine Worte ließen den ganzen Clan aufschauen. „Das muss ihr Anführer sein“, hörte ich Feldschweif miauen.
„Eisstern, Anführer des WiesenClans.“ Ich spitze die Ohren, versuchte, eine Emotion aus Fuchssterns Stimme heraus zu hören. Sie neigte kurz den Kopf vor Eisstern und sah dann zu den anderen Katzen. „Dann ist es wirklich wahr“, hörte ich sie murmeln, als müsse sie sich erst jetzt die Gesellschaft ins Gedächtnis rufen.
„Ich verstehe, wenn du, oder auch der Steppenclan, uns wenig Vertrauen entgegen bringt“, miaute Eisstern im freundlichen Tonfall, „doch wir mussten uns unserer Sache sicher sein, bevor wir uns meldeten.“
„Natürlich“, miaute Fuchsstern, nun leiser und verständnisvoller. „Ich hätte genauso gehandelt.“ Etwas Seltsames lag in der Stimme der Anführerin. Etwas Schweres.
„Sie denkst sicher an die Zeit in den Bergen“, raunte uns Graupfote zu. Tatsächlich hatte die dunkelrote Kätzin einen Blick hinauf auf die Felsen geworfen. „Damals waren die Clans in einer ähnlichen Situation wie der WiesenClan jetzt. Allein und ohne Heimat.“
Mit seiner Gabe, sich in Katzen hinein denken zu können, erstaunte er mich immer wieder.
„Wir gehen es so ruhig wie möglich an.“ Fuchsstern deutete die Schlucht entlang. „Von dort hinten aus gibt es einen Ort, an dem du uns beobachten kannst. Ich lasse zunächst den SteppenClan sprechen, dann gebe das Zeichen. So werdet ihr so wenig Tumult wie möglich verursachen.“
Eisstern akzeptierte dies mit einem Nicken. Fuchsstern wandte sich zu den SteppenClan-Katzen.
„Schneeblüte, Kastanienglanz, Blattschatten. Ihr kommt mit uns, erwähnt aber zunächst nichts vom WiesenClan.“
Die drei nickten gehorsam. Ihnen schien es nichts aus auszumachen, mit einem fremden Clan die Talsenke zu betreten, schließlich waren sie mit vielen Katzen hier befreundet.
Gemeinsam zogen wir los, mein Pelz kribbelte vor Aufregung. Nun entdeckte ich unter den WiesenClan-Katzen auf Kaninchenwolke. Er wurde von einer Kriegerin gestützt, schien aber aufgeregt zu sein, wie ein frisch ernannter Schüler.
Auf seiner letzten Großen Versammlung war er ein Schüler, rief ich mir ins Gedächtnis.
Obwohl ich die Talsenke bereits auf der Patrouille gesehen habe, war ich nicht auf den Anblick vorbereitet, der sich mir bot.
Der SteppenClan war schon vor uns eingetroffen. Im licht des Vollmondes schimmerten ihre Pelze silbern, auch die gesamte Talsenke schien in einem überirdischen Schein zu glänzen, auch die Felsen erleuchteten. Als Schneeblüte, Kastanienglanz und Blattschatten erschienen, sprang ihr Clan auf, um sie in Empfang zu nehmen. Schon bald verlor ich meine Weggefährten zwischen den anderen Katzen aus den Augen. Aus dem Clan lief Sonnenpfote auf uns zu.
„Wir haben Eichenblitz auf einer Patrouille entdeckt und sofort Fuchsstern informiert.“ Tiefe Traurigkeit lag in ihrem Blick. „Es tut mir so leid.“
Ich schluckte die Trauer hinunter, die in mir aufstieg. „Wir konnten…er hat sich für uns geopfert. Ohne ihn wären wir nicht hier.“
Sonnenpfote nickte. „Auch wir haben ihn bewundert.“ Sie sah auf. Amselpfote und Haselpfote kamen ebenfalls auf uns zu.
„Wie ist die Mission verlaufen?“, fragte Amselpfote aufgeregt.
Ich wollte ihm schon antworten, doch zum glück kam Himmelpfote mir zuvor. „Fuchsstern wird dazu etwas sagen. Sie möchte euch die Neuigkeit persönlich überbringen.“
Amselpfote nickte. Er sah zum Stein in der Mitte. „Wann fangen sie endlich an?“
„Geduld“, miaute Haselpfote ruhig. „So lange können wir uns noch unterhalten.“ Sie sah sich um. „Hallo Graspfote! Du humpelst ja!“
„Hallo.“ Graspfote und Bienenpfote setzten sich zu uns. „Ich bin bei der Jagd gestürzt und hab mir einige Sehnen am Bein verletzt, aber Goldtupf sagt, dass ich bald wieder gesund bin.“
„Die Verletzung heilt schneller als erwartet“, stimmte Bienenpfote glücklich zu. Er sah sich um. „Habt ihr Rosenpfote und Blitzpfote gesehen?“
Graupfote schnurrte. „So wie ich die kenne, nerven sie die SteppenClan-Krieger und versuchen, Informationen heraus zu pressen.“
„Das haben sie schon letzten Mond versucht“, miaute Amselpfote. „Vergeblich. Da kommen sie!“
Die Schwestern setzten sich zu uns. Blitzpfote verzog das Gesicht. „Ich bin mir sicher, dass ihr genau wisst, wie man Fische fängt. Aber niemand wollte es mir verraten.“
„Wir plaudern eben keine Geheimnisse aus“, warf Haselpfote ein. „Darauf müsst ihr schon selbst kommen.“ Seine Stimme senkte sich. „Seid lieber froh darüber, Fisch ist zwar in Hülle und Fülle da, schmeckt aber nicht unbedingt am besten.“
Bettelnd sah Rosenpfote ihn an. „Ein kleiner Tipp vielleicht? Dann fangen wir ihn euren Jägern auch weg.“
Ihr Vorschlag löste allgemeine Heiterkeit unter uns Schülern aus.
„Psst!“ Himmelpfote hob den Schwanz. „Es geht los!“
„Sprich zuerst“, erteilte Fuchsstern Mausstern wie abgesprochen das Wort.
„Die Hunde halten sich immer noch auf unserem Territorium auf, ziehen sich aber langsam zurück. Die Beute kommt wieder, wir stehen guten Zeiten gegenüber.“ Er wandte sich von der Masse ab und sah zu Fuchsstern. „Ich denke, es hat einen Grund, weshalb du uns die Ergebnisse der Mission persönlich überbringen möchtest.“
„Ganz richtig“, bestätigte Fuchsstern. „Doch zunächst lass mich das Allgemeine erzählen. Die Hunde halten sich zunächst noch vom Wald fern, aber alle Patrouillen geben Acht. Größere Sorge machen uns Füchse, aber den, der durch unser Territorium gestreunt ist, haben wir schon lange nicht mehr zu Gesicht bekommen. Ihr solltet Acht geben, falls ihr ihn in der Steppe antrefft.“
„Danke, Fuchsstern“, miaute Mausstern. „Ich werde darauf achten.“
„Außerdem müssen wir beide uns demnächst mit neuen Nachbarn zufrieden geben.“
Der Satz löste im SteppenClan unruhiges Gemurmel aus. Auch Haselpfote, Amselpfote und Sonnenpfote sahen uns fragend an.
„Was meinen sie damit?“, fragte Sonnenpfote.
„Wir dürfen keine Auskunft geben“, entgegnete Bienenpfote. „Schau hin, aber gib Acht, dass dir die Augen nicht aus dem Kopf fallen.“
Fuchsstern hatte die Pause nur kurz genutzt. Sie sah zur Schlucht hinüber, durch die wir gekommen waren. „Ich konnte es zunächst auch nicht glauben, aber die Katzen, die uns die ganze Zeit beobachteten waren ein Clan. Ein Clan auf der Suche nach einer neuen Heimat.“
Sonnenpfote klappte der Kiefer hinunter, Haselpfote riss die Augen auf und Amselpfote keuchte überrascht. Mausstern starrte Fuchsstern an, als hätte sie ihm soeben erklärt, ihre Schüler würden lernen, fliegende Igel zu jagen.
Fuchsstern ließ keine weitere Unruhe aufkommen. „Es ist am besten, wenn sie selbst berichten. Eisstern, Anführer des WiesenClans!“
Eisstern war schon zuvor, gefolgt von Sonnenwind und Spatzenfeld, auf die Lichtung getreten, doch erst jetzt wurde er von den anderen wahrgenommen. Die anderen Krieger folgten, auch Kaninchenwolke, von einer anderen Katze gestützt, die ihn so nahe wie möglich an den Stein heran begleitete und sich dort neben ihm niederließ. Roggenpfote warf uns einen flüchtigen Blick zu. Vor dem Stein blieb Eisstern stehen und sah zu den Anführern über ihm auf. Mausstern fiel aus allen Wolken, seine braunen Augen weit aufgerissen, konnte er den Blick nicht von den Pelzen der vielen Katzen vor ihm abwenden.
„Ich grüße auch dich, Mausstern, Anführer des SteppenClans“, miaute Eisstern feierlich. „Dies ist meine Stellvertreterin Sonnenwind, das unser Heiler Spatzenfeld. Ich verstehe, wenn dieser Auftritt überraschend ist, doch für uns war es die beste Möglichkeit, uns zu zeigen.“
Maussterns Blick starrten den Anführer an, wie eine SternenClan-Katze. Als er sich besann, trat er auf dem Stein ein Stück zurück. „Komm zu uns herauf, Eisstern.“
„Kann mich eine Katze kneifen?“, miaute Sonnenpfote neben mir. „Ich glaube, ich träume.“ Der Rest des SteppenClans hatte ebenso reagiert. Dornenblatt sah von seiner Schülerin, die nur kurz genickt hatte, wieder auf den neuen Clan-Anführer, Falkensturz starrte wie gebannt auf den neuen Clan, der soeben angekommen war. Eisstern wandte sich an die versammelten Katzen.
„Im Namen meines Clans möchte ich mich zunächst bei euch allen für das Spiel in den letzten Monden entschuldigen. Ich wusste nicht, was kommen würde und musste mir sicher sein, dass ihr wirklich in Clans lebt, die strukturiert sind wie wir. Außerdem besagte eine Prophezeiung, dass die hier lebenden Katzen erst zu uns kommen würden.“
Damit sah er auf uns drei herab. Auch die SteppenClan-Katzen drehten sich zu uns um. Bis Eisstern wieder das Wort übernahm.
„Wir waren lange auf der Suche nach einer neuen Heimat, wo noch andere Clans leben.“ Nun drehte er sich wieder zu den beiden Anführern. „Auch wir lebten einst mit einem anderen Clan zusammen in einem Territorium, doch der FelsenClan wurde durch einen Waldbrand und viele Krankheiten fast vollständig ausgelöscht.“
Die Geschichte löste in allen versammelten Katzen tiefes Mitgefühl aus. Ich sah zu Kaninchenwolke, er seinen Kopf in den Himmel reckte, aber auf dem Boden sitzen blieb.
„Ich war noch ein Schüler des FelsenClans, als dies geschah.“ Seine Stimme war noch rauer als gestern, wahrscheinlich lag dies an der weiten Reise. „Ich habe meine Wurfgefährten in dem Feuer verloren, bevor der WiesenClan uns Unterschlupft gewährte. Fast alle Katzen starben in den darauf folgenden Monden an Krankheiten, auch unsere Anführerin und deren Stellvertreter. Wir waren so wenige, dass wir uns dem WiesenClan anschließen mussten.“
Seine Rede wurde von einem kurzen Husten unterbrochen. Ich sah, wie Spatzenfeld besorgt zu ihm aufsah, jedoch nicht zu dem Ältesten lief. Er würde nicht mehr lange leben, erinnerte ich mich.
„Ohne Grenzen, ohne Konkurrenz, ohne Gegenspieler ist das Kriegerleben nicht mehr, wie es sein soll“, fuhr der alte Kater fort. Seine Stimme klang leiser und schwächer. „Ich denke, ihr wisst alle, wovon ich rede. Unsere Traditionen und das Gesetz der Krieger waren uns wichtig. Daher benötigen wir andere Clans in unserer Nähe, um wieder unser altes Leben zu führen.“
Seine Stimme erstarb. Spatzenfeld eilte zu dem Ältesten und schob ihn in die richtige Liegeposition. Kaninchenwolke sah weiterhin erwartungsvoll zu Mausstern und Fuchsstern auf. Mausstern blinzelte mehrmals. Dann sah er auf, allerdings ohne etwas zu sagen.
„Danke, Kaninchenwolke“, miaute Eisstern leise zu seinem ehemaligen Mentor. Er sah zu den anderen Anführern. „Kaninchenwolke ist die letzte Katze im Clan, die noch aktiv an dem damaligen Clanleben teilgenommen hatte. Doch auch wir fühlen, dass etwas fehlt.“ Mit einem Mal glaubte ich, eine tiefe Sehnsucht in seiner Stimme zu hören. Die Sehnsucht nach einem richtigen Kriegerleben. „Das Gebiet hinter dem Zweibeinerort ähnelt unserem alten Territorium fast bis auf jeden Baum. Wir haben ein gutes Lager gefunden und uns inzwischen gut eingelebt.“ Der Anführer machte eine kurze Pause. Es schien in der Luft zu kribbeln. „Ich trete vor euch, in der Bitte, uns dieses Territorium zu überlassen und uns als dritten Clan hier aufzunehmen.“
Die Stille, die auf Eissterns Bitte hin folgte, war sicher die längste, erwartungsvollste, risikoreichste und lauteste Stille meines Lebens. Ich glaubte, den Herzschlag meiner Wurfgefährten zu hören, die mich wie immer in die Mitte genommen hatten. Unsere Herzen schlugen im gleichen Takt, jedenfalls kam es uns oft so vor. Diesmal schlugen sie alle gegen einen eisigen Strom an.
Die Spannung zwischen den drei Anführern auf dem Stein war geradezu greifbar. Eisstern hatte uns den Rücken zugekehrt, um Fuchsstern und Mausstern anzusehen, daher konnte ich nicht in seiner Miene lesen, doch höchstwahrscheinlich lag ein flehender Ausdruck in ihr. Mausstern und Fuchsstern wechselten Blicke. Ich hatte die beiden noch nie so ratlos gesehen.
Irgendwie schienen sie sich dennoch zu einigen, ohne ein Wort zu wechseln.
„Geht zurück zu den Wiesen, aber achtet die Grenzen!“, entschied Mausstern.
Eisstern nickte. „Das werden wir.“
„Vorerst…“ Fuchsstern zögerte kurz, „…kann dein Clan sich als…toleriert betrachten.“
„Danke, Fuchsstern.“
„Mehr klären wir nächsten Vollmond“, fügte Mausstern noch hinzu. „Die Versammlung ist beendet.“
In meinem Hals schien ein zu dickes Stück Frischbeute zu stecken.
„Toleriert?“, hörte ich Graspfote neben mir sagen. „Was soll das denn heißen?“
„Nachbarn, ja“, miaute Rosenpfote. „So ähnlich wie die Katzen vom Zweibeinerort. Aber noch kein eigenständiger Clan.“
„Das können sie doch nicht machen!“, empörte sich Sonnenpfote. „Diese Katzen brauchen ein zu Hause. Ihr kennt doch alle die Geschichte der Streuner. Denen haben wir zum Schluss auch geholfen!“
„Ja“, räumte Bienenpfote ein. „Aber die lebten nicht in unserer Nachbarschaft.“
Graspfote fuhr zu seinem Bruder herum. „Willst du den WiesenClan etwa loswerden?“
„Nein!“ Bienenpfote zögerte. „Aber…es muss für die beiden schon schwierig sein. Eine zweite Grenze zu kontrollieren, eingegrenzter Ausgang im Territorium und früher oder später wird es zu Konflikten kommen, das wisst ihr alle!“
„Es ist eben das Clanleben!“, miaute Blitzpfote. „Irgendwo kann ich die beiden auch verstehen.“
„Ich würde den WiesenClan gerne hier behalten“, gestand Amselpfote. „Solange sie keine Beute stehlen, wird es wohl wenig Ärger geben.“
Ich sah, wie sich die Clans wieder sammelten. „Ich glaube, ihr müsst los!“
Die drei nickten und standen auf. „Wir sehen uns auf der nächsten Versammlung“, miaute uns Haselpfote zum Abschied zu.
Wir folgten unserem Clan zurück. Der WiesenClan trennte sich erst von uns, als wir die Schlucht verließen. Zuvor hatten wir noch Gelegenheit, Roggenpfote abzupassen.
„Fuchsstern wird euch sicher zustimmen“, miaute Himmelpfote ihr zu. „Blattschatten meinte, Mausstern sei zwar manchmal ein Sturkopf, aber er ist auch gerecht. Sicher werden sie euch akzeptieren.“
„Danke“, war alles, was die Schülerin sagte, bevor sie mit ihren Clan-Gefährten abbog. Sie nahmen den umständlichen Weg um den Wald herum. Ich sah noch Kaninchenwolke.
„Eine richtige Große Versammlung. Oh, wie habe ich die vermisst.“
Sie wurden toleriert. Das wusste ich. Doch wie lange noch?
Als ich dem gebrechlichen Ältesten hinterher sah, wusste ich mit einem Mal, dass ich dieser Katze das letzte Mal in ihrem Leben begegnet war. Und er war glücklich. Diese Tatsache schien das Mondlicht am Silbervlies etwas heller leuchten zu lassen.
„Regenpfote, wach auf, du Schlafmütze. Deine Geschwister sind schon lange auf den Beinen!“
Ich rappelte mich langsam auf. War es nur eine Fehlwahrnehmung, oder war ich in allen Dingen der Langsamste im Wurf?
„Gibt es was Besonderes?“, murmelte ich gähnend, während ich mich reckte. Ich war erst spät eingeschlafen, da die Ereignisse auf der Großen Versammlung mich nicht losgelassen hatten. Nun stand die Sonne hoch am Himmel und strahlte lächelnd zu uns herab.
„Etwas ganz besonderes“, ließ Eschenlicht vermuten. „Zur Feier eurer Rückkehr haben wir uns etwas ganz besonderes einfallen lassen.“
Ich sah auf. „Wir?“
„Rindenpelz, Moospelz, Sturmherz, Kieselstein, Adlerpelz, Winterfrost und ich.“
Die Mentoren aller Schüler des Clans. Mit einem Mal war ich hellwach. „Darf Graspfote auch dabei mitmachen?“
„Auf eine besondere Weise. Glaube mir, Schattenglanz und Fuchsstern waren von der Idee begeistert!“
Ich schüttelte den Schlaf aus dem Pelz und tappte zum Frischbeutehaufen. Blitzpfote begegnete mir auf dem Weg.
„Hast du eine Ahnung, was die mit uns vorhaben?“, fragte ich, als ich eine Spitzmaus heraus pickte.
„Nein“, miaute Rosenpfote. „Aber Rindenpelz sagte, sie hätten sich etwas ganz Besonderes für uns ausgedacht.“
„Das sagte Eschenlicht auch.“ Wir ließen uns vor dem Schülerbau nieder.
„Denkst du immer noch an den WiesenClan?“
„Ja.“ Automatisch schweifte mein Blick zum Wald. „Ich hoffe, dass Fuchsstern und Mausstern sich für sie entscheiden werden.“
„Ich auch. Ich verstehe ja, wenn sie Sorgen um Probleme haben, aber wir können doch nicht einfach einen ganzen Clan verstoßen.“
„Ich weiß.“ Mir fielen die Geschichten der Ältesten wieder ein. „Zwischen dem BlattClan und dem SteppenClan gab es vor dem Kampf gegen die Streuner auch viele Konflikte. Weshalb sollte sich das mit einem dritten Clan verschlimmern?“
„Ich hoffe, sie entscheiden sich richtig.“ Rosenpfote sah auf. „Ich habe da eher andere Sorgen.“
Ich spitzte die Ohren. „Was ist denn?“
„Es geht um Graspfote und Bienenpfote. Seit Graspfotes Verletzung weicht Bienenpfote nicht von seiner Seite. Sogar beim Essen hohlen begleitet er ihn.“
Automatisch hielt ich nach ihren Brüdern Ausschau, konnte sie aber nicht auf Anhieb entdecken.
„Sie misten gerade die Kinderstube aus“, erklärte Rosenpfote. „Und das sollten wir nutzen. Blitzpfote und ich haben schon versucht, mit ihm zu reden, aber er hört nicht auf uns.“
Ich sah sie an. „Wie sieht Graspfote das?“
„Ich glaube, es geht ihm auch auf die Nerven, aber er möchte Bienenpfote nicht verletzen. Bei der Jagd hat er ihn vor einigen Tagen schon darauf hingewiesen, dass er es auch alleine schafft, aber Bienenpfote ließ sich nicht abwimmeln.“
Ich dachte an den Tag von Graspfotes Unfall. „Er macht sich immer noch Vorwürfe.“
„Ich weiß. Aber das macht er auch nicht besser, wenn er Graspfote in Watte packt.“
Ich seufzte. „Ich versuche, die beiden einzeln abzupassen und dann mit ihnen zu reden. Graspfote möchte doch sicher auch selbstständig sein.“
„Ja, aber noch weniger möchte er Bienenpfote kränken.“
Ich stand auf und sah mich um. „Ist Sturmherz im Lager?“
Rosenpfote verneinte. „Er wurde zur Morgenpatrouille eingeteilt. Beim Training kannst du nicht allein mit ihm reden.“
Ich seufzte. „Er wäre der Einzige, dem ich zutrauen würde, Bienenpfote zur Vernunft zu bringen. Als sein Mentor kennt er ihn am besten.“
Rosenpfote nickte. „Wenn ich ihn sehe, spreche ich ihn darauf an. Ich schaue auch, ob ich Kieselstein oder Aschenhauch zu etwas bewegen kann.“
Ich nickte. „Gut.“
„Regenpfote!“ Sie drehte sich noch einmal zu mir um. „Außer zu den genannten Katzen, sprich bitte mit niemandem darüber. Auch nicht mit Himmelpfote und Graupfote. Ich möchte nicht, dass Bienenpfote als persönlicher Wächter dargestellt wird.“
„Du hast mein Wort.“ Ich zögerte. „Mit Aschenhauch sprecht ihr am besten. Ihr seid schließlich ihre Töchter.“
Rosenpfote nickte. „Sobald ich sie sehe, frage ich sie.“
Wir trennten uns. Anscheinend gab es nicht nur im WiesenClan Probleme.
„Ein Spiel?“, wiederholte Himmelpfote ungläubig.
„Ein Spiel“, bestätigte Moospelz und legte den dicken Stock in die Mitte zwischen uns. Wir standen Bienenpfote, Blitzpfote und Rosenpfote gegenüber auf der Lichtung. Unsere Mentoren hatten uns die Stellungen in zwei Reihen angewiesen.
„Ein Kampfspiel, um genau zu sein“, fügte der braune Kater hinzu. „Ihr bildet zwei Teams, jedes Team versucht, diesen Stock an das Ende der Lichtung des anderen Teams zu bringen oder, ihn dem anderen Team abzujagen.“
„Aber das ist unfair!“, protestierte ich. „Die drei sind schon viel länger Schüler als wir!“
„In einem richtigen Kampf könnt ihr euch eure Gegner auch nicht aussuchen“, belehrte mich Rindenpelz. „Ich kann nur sagen: Macht das Beste daraus.“
„Mit denen werden wir schon fertig“, flüsterte Himmelpfote.
„Jedes Team wählt einen Anführer, der den anderen Befehle gibt“, erläuterte Moospelz weiter. Mit Blicken einigten wir uns auf Graupfote, die anderen erwählten Blitzpfote.
„Während des Spiels dürft ihr nicht mit ausgefahrenen Krallen kämpfen, Bisse werden nur angedeutet“, erklärte Moospelz weiter. „Es werfen sich nicht mehr als zwei Katze auf einen Gegner. Verstanden?“
„Ja, Moospelz“, antworteten wir im ungleichen Chor.
„Sehr gut. Wir warten nur noch auf Kieselstein und Graspfote. Graspfote wird bei dem Spiel die Punkte zählen und auf den Einhalt der Regeln achten.“
„Wir sind schon da.“ Kieselstein und Graspfote traten auf die Lichtung, Kieselstein setzte sich zu den anderen Mentoren. „Ich bin gespannt, was daraus wird.“
Graspfote stellte sich neben den Ast zwischen uns. „Die Anführer treten hervor! Eine Schwanzlänge vor den Ast!“
Graupfote und Rosenpfote traten wie beschrieben hervor.
„Der GrauClan und der RosenClan haben ihre besten Krieger hierher geführt, um im finalen Kampf die Grenzen festzulegen.“
„Er macht Tigerzahn Konkurrenz“, miaute mir Himmelpfote zu.
Graspfote fuhr fort: „Graustern und Rosenstern werden den Kampf auf mein Zeichen eröffnen.“
Ich und Himmelpfote duckten uns zum Sprung. Bienenpfote und Blitzpfote machten es uns gleich.
Graspfote habe die Schwanzspitze. „Los!“
Beide „Anführer“ setzten zum Stock. Rosenpfote Bekam ihn zu fassen.
„Schneidet ihr den Weg ab!“, rief uns Graupfote zu.
Als ich Rosenpfote von vorne angriff, schleuderte sie den Stock zu Blitzpfote, die ihn schnell auffing. Himmelpfote und ich schnitten ihr den Weg ab, Graupfote packte den Stock mit den Zähnen.
„Halt!“ Graspfote unterbrach das Spiel. „Drei Katzen gegen eine ist ein ungültiger Spielzug! Beide Clans in ihr Territorium, der RosenClan besitzt den Stock.“
„Diese Trainingsmethode sollten wir öfter anwenden“, hörte ich Winterfrost miauen. Graupfote drehte sich zu uns um. „Wir sind zu gut aufeinander eingespielt. Von jetzt an übernehme ich Rosenpfote, Himmelpfote, du kontrollierst Blitzpfote, Regenpfote, halte dich an Bienenpfote.“
„Verstanden, Graustern“, miauten wir scherzhaft, während wir unsere Stellungen bezogen.
Unsere Taktik ging auf. Himmelpfote entnahm Blitzpfote den Stock, ich hielt Bienenpfote zurück, als er auf sie zu lief und Graupfote legte den Ast am Rand der Lichtung ab.
„Ein Punkt für den GrauClan!“, verkündete Graspfote. „Alle auf ihre Positionen.“
Als ich mich umdrehte, entdeckte ich Fuchsstern und Schattenglanz am Rand der Lichtung. Adlerpelz schien ihnen das Spiel zu erklären.
Graupfote verfehlte den Stock, Blitzpfote schoss so schnell durch uns hindurch, dass wir sie nicht aufhalten konnten.
„Punkt an den RosenClan!“ Graspfote sammelte den Stock wieder auf. „Beratet euch gut, der nächste Kampfzug entscheidet.“
„Sie gehen meistens einzeln vor, während die anderen beiden das Umfeld frei halten“, miaute uns Graupfote zu. „Rosenpfote ist sicher schneller beim Ast als ich. Ich werde versuchen, sie umzuwerfen, wenn sie sich bückt. Himmelpfote, du läufst neben mir her und nimmst den Ast, Regenpfote, halte die anderen so gut es geht auf und bringe den Ast ins Ziel.“
Wir nahmen unsere Positionen ein.
Graupfotes Rechnung ging auf. Während er Rosenpfote kontrollierte, schnappte sich Himmelpfote den Ast. Ich stieß Blitzpfote zur Seite, damit sie ungehindert über die Lichtung kam. In wenigen Sätzen holte ich sie ein und übernahm den Ast.
Darauf hatte Bienenpfote nur gewartet.
Er sprang mich von vorne an und warf mich aus der Bahn. Ich landete auf dem Rücken im Gras, ließ den Ast jedoch nicht los. Ein Knacken ertönte, ich verlor den Halt und rollte ins Gras.
„Der Ast ist zerbrochen!“, hörte ich Graspfote verkünden. „Die Lichtung wird zu neutralem Gebiet erklärt.“
Wir rappelten uns nacheinander auf. Die Hälften des zerbrochenen Stocks lagen genau neben dem Punkt, von dem aus wir gestartet waren.
„Gut gekämpft, GrauClan“, miaute uns Blitzpfote zu. „Aber wäre der Ast nicht zerbrochen, hätten wir den Spielzug gewonnen.“
„Davon träumst du“, entgegnete Himmelpfote gehässig.
Meine Sinne wanderten zu Fuchsstern, die mit Rindenpelz, Sturmherz und Moospelz sprach. Ich sah noch, wie die drei Krieger nickten. Mir war sofort klar, was das bedeutete.
„Eure Idee hat gut funktioniert“, hörte ich Fuchsstern miauen. „Ich werde dies an weitere Mentoren weiter empfehlen.“ Sie ging weiter auf Bienenpfote, Rosenpfote und Blitzpfote zu.
„Ihr drei seid für die nächste Jagdpatrouille eingeteilt. Fangt gleich an.“
Ich beobachtete, wie die drei Schüler im Wald verschwanden und drehte mich dann um.
„Das war eine Prüfung, nicht wahr?“ Ich richtete die Frage an Eschenlicht und Kieselstein, ungeachtet ihres Gesprächs.
Der Tadel blieb aus. Graspfote sah uns abseits zu.
„Die Mentoren haben damit nichts zu tun.“ Es war Fuchsstern, die antwortete. „Bienenpfote, Rosenpfote und Blitzpfote sind bereit. Wenn sie die Jagdprüfung bestehen, ernenne ich sie heute Abend zu Kriegern.“
„Und was ist mit Graspfote?“, platzte es aus Himmelpfote hinaus.
„Es ist schon in Ordnung“, entgegnete der Schüler. „Ich habe mich schon damit abgefunden, später ernannt zu werden.“ Er streifte uns kurz mit dem Schwanz. „Danke, dass ihr euch für mich einsetzt, aber ich möchte meinen Geschwistern nicht im Weg stehen.“
Gegen seine Worte konnte ich weiter nichts einbringen. Ich nickte nur. „Es ist gut, dass ihr euch für eure Freunde einsetzt“, miaute Schattenglanz, als wir den Rückweg zum Lager antraten. Sie zögerte, als ich stehen blieb. „Ist etwas, Regenpfote?“
„Ich…ich habe gerade eine Wühlmaus gerochen. Darf ich jagen gehen? Der Prüfung stehe ich sicher nicht im Weg.“
Zu meiner Erleichterung erhielt ich die Erlaubnis und konnte dem auf den Grund gehen, was ich wirklich entdeckt hatte.
Ich erlegte die Maus mit einem schnellen Jagdzug. Vielleicht war es das erste Mal, dass ich so schnell Beute machte, doch sie diente nur zur Ablenkung. Weshalb die anderen Katzen den Geruch nicht wahrgenommen hatten, den der Steppenwind durch den Wald wehte, war mir schleierhaft. Doch die Katzen bewegten sich genau auf mich zu.
Ich vergrub die Maus und sah zum Fluss, um sie, wie zufällig, zu entdecken. Gerade in dem Moment passierten Dornenblatt und Blattschatten die Furt.
„Hallo, Regenpfote“, begrüßte mich Blattschatten, die mich zuerst entdeckte.
„Hallo Blattschatten. Hallo Dornenblatt. Wollt ihr zu Goldtupf?“
„Ja“, bestätigte Dornenblatt. „Und es ist ziemlich wichtig. Führst du uns bitte ins Lager?“
Ich nickte. „Wir müssen einen Umweg nehmen, Bienenpfote, Rosenpfote und Blitzpfote legen gerade ihre Kriegerprüfung ab.“
Die Heiler nickten und überließen mir die Rührung. Ich machte einen Bogen um die Büsche, da Blitzpfote dort gerne jagte, nahm die Abkürzung über die Trainingslichtung und hielt von dort aus direkt auf das Lager zu. Die Maus in meinem Maul hielt mich vom Reden keineswegs ab.
„Habt ihr etwas Neues über den WiesenClan?“
„Nicht viel“, antwortete mir Blattschatten. „Sie haben ihre Grenzen schon markiert, aber weit hinter der eigentlichen Linie. Sie wollen wohl nicht provokant wirken.“
Ich nahm mir vor, die Grenzpatrouille nachher auszufragen.
„Ich denke, es sieht positiv für den Clan aus“, miaute Dornenblatt, der meine Sorgen zu spüren schien. „Mausstern benimmt sich schon, wie ein Nachbar des WiesenClans. Er schickte Patrouillen zur Grenze, weist sie aber ausdrücklich an, diese nicht zu übertreten. Dem Fluss widmet er mehr Aufmerksamkeit.“
Ich nickte, erleichtert über diese Neuigkeit.
„Weshalb seid ihr dann hier?“ Im letzten Moment fuhr ich mir mit der Schwanzspitze über den Mund. „Verzeihung, das geht mich nichts an.“
„Vielleicht schon.“ Dornenblatt sah mich an. „Die Prophezeiung von euch dreien ist noch nicht zu Ende.“
Schattenglanz war gerade dabei, die Nachmittagspatrouille einzuteilen.
„Feldschweif, Dornenschweif, Rennwind, geht zur Hochebene und von dort aus zum Fluss. Haltet nach Dachsen Ausschau.“ Sie entdeckte uns. „Dornenblatt. Blattschatten. Seid gegrüßt.“
„Du auch, Schattenglanz. Wir müssen dringend mit Goldtupf und Taubenflug sprechen.“
„Sie sind im Lager. Ich melde euren Besuch gleich bei Fuchsstern. Regenpfote, bringe die Maus bitte gleich in die Kinderstube.“
„Komme danach mit deinen Geschwistern in den Heilerbau“, raunte mir Blattschatten zu.
Ich befolgte ihre Anweisung mit einem Nicken. Mausschweif sah auf, als ich kam.
„Vielen Dank, Regenpfote“, miaute die Königin.
„Gerne. Guten Appetit, Mausschweif.“ Als ich wieder hinaus kam, entdeckte ich Himmelpfote und Graupfote bei den Ältesten.
„Dornenblatt und Blattschatten sind im Lager“, miaute ich ihnen zu.
„Was ist mit uns?“, protestierte Buntschweif, als sie die mit Mäusegalle getränkten Moosballen fallen ließen und mir folgten.
„Das übernehme ich.“ Graspfote löste die beiden bei den Ältesten ab.
„Was ist so wichtig?“, verlangte Himmelpfote zu wissen.
„Werden wir gleich erfahren.“ Wir betraten den Heilerbau.
Wir waren nicht die einzigen, die zu dieser Audienz eingeladen wurden. Fuchsstern war ebenfalls dabei, sowie Eschenlicht, Adlerpelz und Winterfrost.
„Setzt euch“, bot uns Fuchsstern die letzte freie Ecke, abgesehen vom Kräuterlager, an. Wenn sie so nett zu uns war, konnte nichts Gutes auf uns zu kommen.
„Wo liegt das Problem?“, fragte ich unsicher.
„Ein neues Zeichen?“, mutmaßte Graupfote.
„Eher eine Befürchtung“, räumte Goldtupf ein. „Es gibt viele Katzen, die finden, dass der WiesenClan nicht hierher gehört.“
Ich erinnerte mich an die Unterhaltung mit den SteppenClan-Schülern auf der Großen Versammlung. Bienenpfote hatte Zweifel angedeutet und Haselpfote sah auch nicht sehr vertrauensvoll aus. Sie waren sicher nicht die einzigen.
„Ich kann meinen Katzen nicht befehlen, was sie denken sollen!“, sagte Fuchsstern dazu.
„Natürlich nicht“, miaute Dornenblatt. „Ich befürchte nur, dass Konflikte nicht ausbleiben werden.“
„Innerhalb der Clans?“, fragte Himmelpfote skeptisch, und doch verunsichert.
„Genau das ist meine Sorge“, stimmte Blattschatten zu. „Einige Katzen sprechen sich für den WiesenClan aus, andere gegen ihn, doch die meisten, darunter auch Mausstern, haben sich noch nicht entschlossen, was sie von der Sache halten sollen.“
„Mausstern muss sich bald entscheiden, wenn er nicht will, dass sein Clan zerbricht!“, entgegnete Fuchsstern.
„Wie stehst du dazu?“, fragte Goldtupf überraschen.
Fuchsstern zögerte, bevor sie antwortete. „Bevor die Streuner uns damals angegriffen hatten, vertrieben sie den SteppenClan. Wir wussten nicht, was mit ihnen geschehen ist und trotz aller Rivalitäten machten wir uns Sorgen um sie. Und um uns selbst.“
„Ein Clan braucht Rivalen“, stimmte Adlerpelz unserer Anführerin zu. „Sonst nützt das ganze Gesetz der Krieger nichts.“
„Dann muss er hier bleiben!“, sprach ich mich für den WiesenClan aus.
„Dafür braucht er euch drei“, miaute Dornenblatt. „Aufgrund der Prophezeiung vertraut Eisstern euch. Ihr könnt zwischen den Clans vermitteln. Und Gefahren abwenden“, fügte er hinzu.
„Gefahren?“, wiederholte Graupfote.
Goldtupf schien um Worte zu ringen, bevor sie antwortete: „Gefahren, die von einzelnen Katzen in den Clans ausgehen könnten.“
Ich sprang mit einem Ruck auf. „Ihr könnt doch nicht von uns verlangen, unsere Clan-Gefährten auszuspionieren!“
„Doch.“ Diese klare, keinen Zweifel zulassende Antwort ließ mir das Fell zu Berge stehen.
„Ich verstehe, wenn du dich unbehaglich dabei fühlst, Regenpfote. Aber für den WiesenClan…“
„Werde ich sicher nicht das Gesetz der Krieger missachten!“ Ich konnte immer noch kaum glauben, dass ausgerechnet meine Anführerin dies vorgeschlagen hatte.
„Beruhige dich.“ Blattschatten war aufgestanden und sah mir fest in die Augen. „Niemand verlangt dies von euch, Regenpfote. Es war nur ein Vorschlag.“
Ich atmete tief durch und setzte mich wieder.
„Ich erkenne den WiesenClan als Nachbarsclan an. Und deshalb gelten bei ihnen dieselben Regeln wie bei uns!“ Ich sah in die Runde der älteren Katzen. Sie mussen dies doch verstehen!
„Wir sind einer Meinung!“, versicherte mir Himmelpfote. „Bei allem Respekt, so etwas kommt für uns nicht in Frage!“
Fuchsstern sah kurz zu unseren Mentoren. „Ihr habt sie besser unterwiesen, als ich es je hätte tun können.“
Graupfote sah auf. „Das heißt, wir müssen nicht…“
„Nein, Graupfote“, bestätigte Fuchsstern. „Aber ich fürchte, um eine Aufgabe werdet ihr nicht drum herum kommen.“
„Wann ziehen wir los?“, fragte ich, kaum dass Fuchsstern uns diese Nachricht überbracht hatte.
Überrascht sah sie uns an. „Ihr habt keine Bedenken? Keine Sorgen, was auf der Reise geschehen könnte?“
„Was sollte schon geschehen?“, antwortete Graupfote gelassen. „Der WiesenClan vertraut uns. Wir wissen, wo ihr Lager ist. Es wird sicher nicht länger als einen Morgen dauern, bis wir dort sind.“
Fuchsstern nickte zufrieden. „Dennoch geht ihr nicht allein. Ihr seid immer noch Schüler. Daher werden eure Mentoren euch begleiten.“
Wir nickten folgsam. „Wann geht es los?“, fragte Himmelpfote.
„Morgen“, antwortete ihre Mentorin. „Wir brechen mit der Patrouille auf und trennen uns von ihr an der Grenze.“
„Wir sind bereit“, versicherte Graupfote. „Sollen wir dem WiesenClan noch eine Botschaft überbringen?“
„Erzählt Spatzenfeld von dem Treffen am Halbmond“, bat Dornenblatt. „Wir möchten ihn gerne näher kennen lernen.“
„Das machen wir“, versprach ich.
„Ihr habt für heute frei“, bot uns Adlerpelz an. „Sammelt eure Kräfte und verabschiedet euch vom Clan. Es ist möglich, dass es zu unvorhergesehenen Komplikationen kommt.“
„Komplikationen?“, wiederholte ich.
„Mit den Hunden habt ihr schließlich auch nicht gerechnet.“ In der Stimme des Kriegers lag Trauer.
„Wir werden unser Bestes tun“, versprach Himmelpfote
Fuchsstern schnurrte. „Das tut ihr schon die ganze Zeit.“
„Ihr zieht los!“, miaute Graspfote. „Dann bin ich aber ganz alleine im Schülerbau!“
„Wir sind sicher am Abend zurück“, versicherte ich meinem Freund. „Siehe es positiv, du hast den ganzen Bau für dich alleine.“
Graspfote ließ sich seufzend auf den Boden fallen. „Wenigstens kann ich das Kampftraining mit euch wieder aufnehmen.“
Himmelpfote sah auf. „Darfst du wieder mitmachen?“
Graspfote nickte. „Goldtupf hat mir heute die Nachricht überbracht. Morgen nimmt Kieselstein das Training wieder auf.“
„Meinen Glückwunsch“, schnurrte Graupfote. „Wir können das Spiel noch einmal spielen, ich bin auch auf deiner Seite.“
Graspfote sah auf, als seine Wurfgefährten mit drei Maulvoll Beute ins Lager zurückkehrten. „Bestanden?“
„Bestanden!“, miaute Bienenpfote euphorisch. „Ich fürchte, wir müssen heute umziehen.“
„Das ist toll!“, versicherte ihm Graspfote. „Vielleicht ist es ganz gut, dass ich etwas Zeit für mich habe.“
„Ich gratuliere“, miaute ich ihnen zu. „Ich fürchte, wir drei werden noch mindestens drei Monde warten müssen.“
„Ich glaube nicht“, miaute Blitzpfote. „Nach der Sache mit dem WiesenClan setzt Fuchsstern eure Ernennung sicher vor.“
Blitzpfote sah sich zu ihren Wurfgefährten um. „Habt ihr den Ältesten schon Frischbeute gebracht?“
Himmelpfote sprang auf. „Das übernehmen wir. Wir müssen uns ohnehin noch wegen vorhin entschuldigen.“
Ich lief meinen Geschwistern hinterher. „Ich komme mit euch.“ Wir gingen hinüber zum Ältestenbau.
„War eure Mission der Grund dafür, uns hier allein zu lassen?“, knurrte Vogelpelz genervt.
„Es tut uns leid“, entschuldigte sich Himmelpfote im Namen der Gruppe. „Aber das ist uns wirklich wichtig.“
„Ich verstehe euch“, miaute Buntschweif, sich gelassen über seine Maus hermachend. „Für drei junge Katzen wie euch muss das alles sehr aufregend sein.“
„Aufregend oder nicht“, knurrte Vogelpelz. „Pflichten sind zum erfüllen da!“
„Hört nicht auf sie“, flüsterte uns Tigerzahn zu. Er beugte sich zu uns vor. „Ihr erzählt mir doch nachher alles, was passiert ist?“
Ich nickte. „Gerne, Tigerzahn. Wir lassen nichts aus.“
„Ich weiß wirklich nicht, was dein Problem ist, Vogelpelz“, miaute der alte Kater lauter. „Meines Erachtens kümmern sich diese Schüler geradezu rührend um uns.“
Vogelpelz vergrub den Kopf in ihren Pfoten und schmollte.
„Alle Katzen, die alt genug sind, um Beute zu machen, fordere ich auf, sich unter der Eiche zu einem Clan-Treffen zu versammeln.“
Ich sah zu Bienenpfote, Blitzpfote und Rosenpfote, als Fuchssterns Ruf durchs Lager hallte.
„Das ist der wichtigste Moment eures Lebens. Jetzt kommt schon!“
Graspfote stieß sie an. „Wir haben genug darüber geredet. Ihr drei geht jetzt da raus und nehmt eure Kriegernamen in Empfang!“
„Wir wollten immer alles zusammen machen“, miaute Rosenpfote.
„Das können wir in einigen Monden immer noch!“ Graspfote schupste seine Wurfgefährten nacheinander aus dem Bau. „Zieht nicht solche Gesichter, man könnte meinen, ihr besuchtet eure eigene Beerdigung!“
Ich konnte mir ein belustigtes Schnurren nicht verkneifen. Wir Schüler kamen wirklich zu spät zu der Zeremonie, doch niemand schien sich darum zu kümmern. Mausschweif beobachtete die Szene von der Kinderstube aus, ihre Jungen würden bald kommen und für Nachwuchs im Clan sorgen. Aschenhauch sah dicht neben der Eiche und sah ihre Jungen mit vor Stolz glänzenden Augen entgegen.
Graspfote setzte sich neben Kieselstein, die ihm kurz etwas zuflüsterte. Ich sah, wie Rindenpelz den Schülern einen kurzen Wunsch zusprach.
Dann fing Fuchsstern auch an, zu sprechen: „Ich, Fuchsstern, Anführerin des BlattClans, rufe meine Kriegerahnen auf, auf diese drei Schüler hinab zu sehen. Sie haben hart gearbeitet um eure edlen Gesetze zu lernen.“ Sie beugte sich herab. „Rosenpfote, Bienenpfote und Blitzpfote, versprecht ihr, das Gesetzt der Krieger zu achten, euren Clan zu schützen, selbst wenn es euer Leben kostet?“
„Ich verspreche es!“ Die drei antworteten im Chor, wie eine Stimme. Ich konnte ihre Mienen dabei nicht erkennen.
„Dann gebe ich euch mit der Kraft des SternenClans eure Kriegernamen. Blitzpfote, von diesem Tag an wirst du Blitzstreif heißen. Der SternenClan ehrt deine Schnelligkeit und deine Ausdauer und heißt dich als vollwertige Kriegerin im Clan willkommen.“
„Blitzstreif! Blitzstreif!“, rief der Clan, während die frisch ernannte Kriegerin die Schulter ihrer Anführerin leckte.
„Bienenpfote“, fuhr Fuchsstern fort, „von diesem Tag an wirst du Bienenkralle heißen. Der SternenClan ehrt deine Treue und deine Kraft und heißt dich als vollwertigen Krieger im Clan willkommen.“
„Bienenkralle! Bienenkralle!“, rief der Clan. Rosenpfote sah auf, als sich Fuchsstern auch ihr zuwandte.
„Rosenpfote, von diesem Tag an wirst du Rosenduft heißen. Der SternenClan ehrt deine Klugheit und deine Entschlossenheit und heißt auch dich als vollwertige Kriegerin im Clan willkommen.“
„Rosenduft! Rosenduft!“, rief der Clan, während Rosenduft ihren Namen in Empfang nahm. Nun konnte der Clan die neuen Krieger begrüßen.
Als ich mich zu ihnen durchgedrängelt hatte, war Graspfote dabei, seine Wurfgefährten in ein Gespräch zu verwickeln.
„Ich werde ziemlich wütend auf euch, wenn ihr in den nächsten Tagen dasselbe Gesicht aufzieht! Ihr seid jetzt Krieger! Seid stolz darauf!“
„Du solltest auch zum Krieger ernannt werden“, wiederholte Blitzstreif.
„Ich werde auch zum Krieger ernannt werden! Jetzt seid doch erst einmal stolz auf euch!“
„Ihr müsst euch keine Vorwürfe machen!“, ergriff ich für Graspfote Partei „Wir werden bald nachfolgen.“
Zu meiner Überraschung nickte Bienenkralle als Erster. „Es wird auch Zeit, dass wir ein wenig voneinander abrücken.“
„Seht ihr?“, miaute Graspfote triumphierend. „Wenn wir Älteste sind haben wir genug Zeit zu viert das Lager auf den Beinen zu halten.“
„Lass das nicht Vogelpelz hören!“, warnte Himmelpfote ihn scherzhaft. „Sie erteilt in letzter Zeit gerne Predigten.“
Ihr Witz wurde von einem lauten Aufschrei unterbrochen. „Die Jungen!“, rief Moospelz und stürmte auf die Lichtung. „Mausschweifs Jungen kommen!“
Als wir erwachten, hatte Moospelz schon das halbe Lager frühzeitig auf die Beine befördert. „Goldtupf! Du musst kommen, Schnell! Etwas stimmt mit Flussjunges nicht!“
Mausschweif hatte ihr schwächendes Junges bereits aus der Kinderstube gebracht. Mir stockte der Atem. Selbst für ein neugeborenes Junges war der silbergraue Kater sehr klein. In der Kinderstube quiekten seine Wurfgefährten.
Gestern Abend waren die Jungen zur Welt gekommen. Es waren drei Kätzinnen, Weißjunges, Fliegenjunges und Mückenjunges, und zwei Kater, Fischjunges und Lichtjunges. Nun lag der kleinste von ihnen ausgestreckt auf der Erde und keuchte um sein Leben. Mausschweif leckte ihrem Sohn das Fell.
„Legt ihn auf die Seite!“, forderte Goldtupf die jungen Eltern auf. Sie beugte sich über das Junge. „Er ist anscheinend erkältet. Bringt ihn sofort mit den anderen Jungen in meinen Bau.“
Rennwind und Sturmherz halben, die anderen Jungen in den Heilerbau zu tragen. Ich sprang auf. „Können wir helfen?“
„Sicher ist kalte Luft in die Kinderstube gedrungen“, miaute Rennwind mit Fliegenjunges zwischen den Zähnen. „Sucht nach einem Loch und flickt es, wenn ihr etwas findet. Graspfote, Himmelpfote, bringt das Nestmaterial in den Heilerbau!“
Wir machten uns sofort an die Arbeit, Graupfote fand das Loch schnell, wir stopften die undichte Stelle mit Moos aus.
„Ich hoffe, Fischjunges wird wieder gesund“, miaute Graupfote. „Er ist noch so jung!“
„Goldtupf und Taubenflug kriegen ihn wieder hin“, versicherte ich ihm. „Wir waren nach der Eskapade im Fluss auch schnell wieder auf den Beinen.“
„Hoffentlich“, miaute er nur. Ein Junges zu verlieren war ein schwerer Schlag, für die Königin wie für den Clan.
„Der Bau ist abgedichtet“, meldeten wir Goldtupf.
„Danke“, miaute die Heilerin. „Eure Patrouille wird gleich losziehen. Taubenflug hat schon eure Reisekräuter zusammengestellt.“
Wir trafen Taubenflug im Lager an, wo die Kräuter in sechs Haufen aufgeteilt wurden. Eschenlicht, Adlerpelz und Winterfrost erwarteten uns bereits.
„Alles aufessen!“, wies uns Winterfrost an. Mit zusammen gebissenen Zähnen folgten wir dem Befehl.
„Wenigstens schmecken sie nicht so scheußlich wie beim ersten Mal“, miaute Himmelpfote uns leise zu.
„Seid ihr bereit?“, fragte Feldschweif, die uns bis zur Grenze begleiten sollte, um dann den Rundgang alleine zu vollenden.
„Bereit!“, meldete Adlerpelz. Ich leckte mir ein paar Mal das Maul, um den bitteren Geschmack erträglicher zu machen und folgte den anderen.
„Irgendetwas Ungewöhnliches an der Grenze?“, fragte Feldschweif.
„Nichts“, meldete Winterfrost. „Dieselben Markierungen wie gestern.“
„Gut. Dann kann ich mich von euch trennen Viel Glück!“
Wir verabschiedeten uns von der Kriegerin und übertraten die Grenze.
„Geht voraus“, miaute Adlerpelz, „sonst halten sie uns noch für eine feindliche Patrouille.“
Wir übernahmen die Führung, direkt auf das WiesenClan-Lager zu. Der Geruch des Clans tränkte die gesamte Umgebung. Mit einem Mal fühlte ich mich fremd hier, wie ein Eindringling.
„Kommt uns jemand entgegen?“, fragte Graupfote.
Himmelpfote schnupperte. „Beerenschweif“, erkannte sie.
Es dauerte nicht lange, da kam uns die rot getigerte Kätzin entgegen. Sie trug ein frisch gejagtes Kaninchen im Maul.
„Seid gegrüßt“, miaute Beerenschweif höflich, als sie uns erkannte. „Schickt Fuchsstern euch?“
„Wir kommen im Namen beider Clans“, miaute Winterfrost. „Und wir müssen dringend mit Eisstern sprechen.“
„Ich verstehe“, miaute Beerenschweif mit einem dunklen Unterton in der Stimme. „Folgt mir bitte.“
„Sie wurden schon gewarnt“, miaute Graupfote. „Vielleicht vom SternenClan oder einer SteppenClan-Katze.“
Der Abhang, der zum WiesenClan-Lager führte, machte uns erneut zu schaffen, Beerenschweif wartete am Grund des Tals auf uns. Aus der Ferne sah ich Sonnenwind und Spatzenfeld auf uns zulaufen.
„Kein gutes Zeichen“, murmelte ich, mehr zu mir selbst.
„Dem SternenClan sei Dank, ihr seid gekommen!“, rief der Heiler uns entgegen. „Nun steht die Existenz unser aller Clans auf dem Spiel!“
Zu unserer Überraschung fanden wir nicht nur Eisstern im Bau vor.
„Falkensturz?“, entfuhr es Adlerpelz, als er die Zweite Anführerin sah. Ein anderer Krieger hatte sie begleitet, seinen Namen kannte ich jedoch nicht.
„Setzt euch erst einmal“, miaute Eisstern. Auch Spatzenfeld und Sonnenwind erschienen im Bau. „Falkensturz und Weißmond haben sicher genauso spannende Neuigkeiten wie ihr.“
Die Zweite Anführerin war aufgestanden. „Alles, was wir hier besprechen verlässt den Bau nicht!“
Wir nickten, um uns einverstanden zu zeigen.
Falkensturz holte tief Luft, bevor sie sprach. „Mausstern hat sich soeben für euren Aufenthalt in den Wiesen entschieden.“
Überraschende Euphorie machte sich im Bau breit.
„Das ist nicht alles!“, fiel die Kriegerin ein. „Ich möchte keine Namen nennen, aber mehrere Katzen zweifeln Maussterns Kompetenz an.“
Mit einem Mal wirkte Eisstern nervös.
Ich ließ mir die Sache erneut durch den Kopf gehen. „Beide Anführer sind für den weiteren Aufenthalt des WiesenClans. Was kann da noch schief laufen?“
„Katzen haben schon viele Dinge ohne das Gesetz der Krieger getan“, miaute Graupfote leise.
„Wir müssen einen Kompromiss finden“, warf Eschenlicht ein. „Sonst werden wir bald alle auseinander brechen!“
„Wir müssten noch einmal mit beiden Clans reden“, miaute Spatzenfeld. „Ich hatte das Gefühl, dass Fuchsstern und Mausstern auf der Großen Versammlung von der Situation schlicht überfordert waren.“
Etwas fiel mir wieder ein. „Spatzenfeld, jeden Halbmond treffen sie die Heiler-Katzen in der Sternengrotte in den Bergen, um sich mit dem SternenClan die Zunge zu geben. Dornenblatt bat uns, dir das auszurichten.“
„Danke. Ich werde kommen. Das ist eine optimale Gelegenheit, uns besser kennen zu lernen.“
„Für den Rest bleibt uns nur, zu warten“, miaute Eisstern. „Richtet Fuchsstern und Mausstern meinen Dank für das Treffen aus.
„Eisstern!“
Windhauch steckte unaufgefordert ihren Kopf in den Bau. „Du bist Kaninchenwolkes letzter Wunsch.“
„Kaninchenwolke war ein treuer Krieger. Wir danken dem SternenClan für sein Leben. Er war dem Clan stets treu und die Katzen der Wiese werden ihn nie vergessen. Nun empfehlen wir seine Seele dem SternenClan. Möge er nun im Toge über uns wachen, wie er es stets im Leben tat.“
Obwohl wir der Zeremonie nur vom Weiten zusahen, bohrte sich ein Stich in meine Brust, als Eisstern seinem ehemaligen Mentor die Zunge gab. Ich hatte nicht mitbekommen, was der Sterbende mit seinem Anführer besprochen hatte, doch Eisstern wirkte viel zu ernst während der Zeremonie.
Während Windhauch und Feldzahn ihren Baugefährten begruben, ging er auf uns Besucher zu.
„Ich danke für euren Besuch. Möge der SternenClan auf euren Wegen wandeln.“
Falkensturz und Weißmond trennten sich von uns, nachdem wir das WiesenClan-Lager verlassen hatten.
„Kaninchenwolke war sehr glücklich auf der Großen Versammlung“, miaute Himmelpfote leise. „Sicher ist er in dem Glauben gestorben, der Clan wäre endgültig angekommen.“
„Er ist angekommen“, widersprach Graupfote leise. „Es müssen nur noch alle Katzen wahrhaben wollen.“
Ein dunkles Gefühl sagte mir, dass dies nicht der einzige traurige Moment für diesen Tag bleiben würde.
„Du solltest mitkommen. Ich weiß, dass es schwer für dich sein muss, aber es wird nicht besser, wenn du hier weiter im Lager vor dich hinstarrst.“
Als ich aus dem Bau kam, beobachtete ich, wie Schattenglanz versuchte, Moospelz für die Morgenpatrouille zu überreden. Kaum waren wir drei im Lager angekommen, hatte sich schon die Nachricht von Flussjunges’ Tod herum gesprochen. Der kleine Kater hatte die Erkältung nicht überlebt.
Moospelz erwiderte nichts daraufhin. Er sah noch einige Zeit ins Leere, dann stand er auf und nickte. Zusammen mit Blütennase, Dunkelpelz und Flammenschweif, die ihn in die Mitte nahmen, verließ er das Lager.
„Moospelz und Mausschweif tun mir leid“, miaute Himmelpfote. „Flussjunges war noch so klein.“
Ich nickte. „Ob seine Wurfgefährten sein Fehlen bemerken?“
„Bestimmt“, miaute Graupfote. „Ich würde es auch bemerken, wenn einer von euch weg wäre.“
Ich sah mich im Lager um. Ich hatte das Gefühl, irgendetwas tun zu müssen. Eschenlicht hatte sich gemeldet, um Taubenflug bei der Suche nach Katzenminze zu helfen, daher konnte ich mir erst später einen seiner berühmten Jagdtricks ansehen, den er mir versprochen hatte. Die Ältesten schienen auch versorgt und da Vogelpelz noch schlief, wagte ich es nicht, sie zu stören.
„Wollen wir auf die Jagd gehen?“, schlug Himmelpfote vor. „Zu dritt in die Wälder?“
Als hätte sie meine Gedanken gelesen! „Gerne!“, sagte ich zu.
Auch Graupfote nickte. „Ich sage noch schnell Adlerpelz bescheid.“
Kurz darauf waren wir in einer Reihe im Wald verschwunden.
Wir hatten das Kaninchen beim Grasen am Waldrand entdeckt. Es stand nahe am Rand des Flusses, daher hatte es sicher kaum einen Fluchtweg frei. Wir teilten uns auf. Himmelpfote schlich sich flussaufwärts an, Graupfote wartete flussabwärts und ich sicherte den Weg in den Wald. Als meine Schwester angriff, sah das Kaninchen sie erst spät. Es lief mir und Graupfote genau vor die Pfoten.
Graupfote schnappte zu früh zu. Einen Haken schlagend wich das Kaninchen aus, ich lief parallel zu ihm hinterher. Als es auf die Furt zulief, stürmten wir hinterher.
Himmelpfote holte das Kaninchen im Sprint im Flussufer ein. Wir mussten es zu dritt festhalten, damit es nicht in den Fluss fiel.
„Für unser erstes Kaninchen war das doch ein spitzenmäßiger Fang!“, miaute Graupfote.
„Spitzenmäßig war vor allem, dass ihr dabei nicht hinein gefallen seid.“
Wir sahen auf. Dornenblatt setzte mit wenigen Schritten über den Fluss. Kurz danach folgte auch Blattschatten.
„Seid gegrüßt“, miaute Graupfote zur Begrüßung.
„Gibt es schon wieder Probleme?“, miaute ich sorgenvoll.
„Wir haben einen Krankheitsfall im Lager und müssen dringend zu Goldtupf“, miaute Blattschatten. „Wenn es euch nichts ausmacht, laufen wir schon alleine zum Lager, so sind wir schneller.“
Wir nickten.
„Hoffentlich ist es nichts Ernstes“, miaute Graupfote.
„Nichts, womit vier Heiler-Katzen nicht fertig werden könnten“, meinte Himmelpfote daraufhin. „Helft mir lieber mit dem Kaninchen.“
Während wir die Beute ins Lager brachten, machte sich in mir ein seltsames Gefühl breit. Ich hoffte inständig, dass die Heiler eine Lösung für die kranke Katze aus dem SteppenClan finden würden. Außerdem hatte ich da noch ein anderes Gefühl.
„Guter Fang!“, empfing uns Winterfrost. „Bringt das bitte gleich zu den Ältesten. Ich glaube, die haben heute noch nichts bekommen.“
Wir änderten folgsam den Kurs unserer Last.
„Kaninchen“, lautete Buntschweifs Begrüßung. „Das habe ich ja schon seit Ewigkeiten nicht mehr gegessen.“
Tigerzahn und Vogelpelz schnarchten.
„Ich gebe es ihnen später“, miaute Buntschweif. „Danke sehr.“
Als wir aus dem Bau kamen, waren die Heiler mit ihrer Unterhaltung schon fertig.
„Vielen Dank für eure Hilfe“, miaute Dornenblatt.
„Richtet der Mutter der Jungen gute Besserung aus“, miaute Taubenflug. „Ich hoffe, es wird ihnen bald besser gehen.“
„Sicher“, bestätigte Blattschatten. Als sie an uns vorbei kam, nickte sie nach zum Abschied. „Viel Glück bei der weiteren Kaninchenjagd.“
„Danke“, miaute ich mit kratzender Stimme. Ich schluckte mehrmals, damit mein Hals wieder feucht wurde. „Alles in Ordnung“, sagte ich zu meinen Wurfgefährten, die mich seltsam ansahen.
„Da seid ihr ja!“ Eschenlicht lief, gefolgt von Adlerpelz auf uns zu. „Wir haben schon von eurem Fang gehört. Meinen Glückwunsch ihr drei Jäger.“
„Wir hatten gute Mentoren“, entgegnete Graupfote. „Wir müssten noch das Moos im Schülerbau wechseln.“
Ich ahnte, dass dies nur ein Vorwand war, um ungestört zu sein. Graspfote war mit Kieselstein auf Jagdpatrouille. Wir waren also ungestört.
Ich scharrte das Moos zusammen. Etwas Heißes schien in mir zu pulsieren, Scham krabbelte durch mein Fell, ich traute mich nicht einmal, meinen Geschwistern ins Gesicht zu sehen.
„Ihr wisst es.“
„Es war kaum zu übersehen!“, miaute Himmelpfote. „Schon gar nicht auf der Reise.“
„Wir waren uns nur noch nicht sicher, ob du wirklich in sie verliebt bist oder es nur eine Phase war“, gestand Graupfote.
Ich musste mich setzen. „Ich kann doch auch nichts für meine Gefühle!“
„Ich weiß!“, schnurrte Himmelpfote und schmiegte sich an mich. „Aber es geht einfach nicht. Das wissen wir alle.“
Ich sprang auf.
„Regenpfote?“, rief Graupfote. „Was hast du vor.“
Es war schwer, meine Stimme weiterhin gekämpft zu halten. „Ich habe schon zu lange geschwiegen! Ich kann die beiden noch einholen. Es ist mir egal, wie sie reagiert! Jetzt sage ich Blattschatten, wie sehr ich sie liebe!“
Ich war schon im Wald, als Himmelpfote mir den Weg abschnitt. „Jetzt warte doch!“
Ich blieb stur. „Lass mich vorbei!“
Sie ließ sich nicht beirren. „Bein SternenClan, du bleibst hier! Was willst du mit der Aktion überhaupt erreichen?“
Ich wusste es selbst nicht. Doch ich hatte lange genug geschwiegen, hatte mich lange genug selbst belogen.
„Du verstehst es nicht!“, fauchte ich und wollte mich erneut an Himmelpfote vorbei drängeln, als Graupfote keuchend aus dem Gebüsch sprang.
„Wir…verstehen…es sehr gut.“ Er atmete tief durch, um das Keuchen unter Kontrolle zu bekommen. „Wir sind deine Geschwister, schon vergessen? Du bleibst hier!“
Graupfote sprang auf mich rauf und stieß mich um. Ich rollte mich auf den Rücken, um ihn wegzustoßen.
„Ihr haltet mich nicht auf!“
Himmelpfote drückte mich mit beiden Pfoten fest auf den Boden zurück. „Jetzt sei nicht so mäusehirnig! Wir versuchen gerade, deine Kriegerehre zu wahren!“
„Ich bin doch noch nicht einmal ein Krieger! Und ihr auch nicht!“
Es war leicht, mich zu befreien, weder Himmelpfote noch Graupfote hatten mich ernsthaft gepackt. „Ihr könnt mich nicht aufhalten! Und mit Gewalt schon gar nicht!“
„Natürlich nicht!“, zischte Graupfote. „Du bist der beste Kämpfer unter uns. Wir wollen nur mit dir reden!“
„Ich habe alles gesagt!“ Ich wollte mich erneut umdrehen.
„Aber wir noch nicht!“ Mit gesträubtem Fell baute sich Himmelpfote vor mir auf. „Glaubst du, wir würden nicht sehen, wie sehr es dir wehtut? Aber was sollen wir machen? Sie ist eine Heilerin, Regenpfote, noch dazu aus einem anderen Clan! Blattschatten wird deine Liebe nicht erwidern!“
Der Satz fühlte sich an, als würden sich scharfe Krallen in meine Brust graben. „Das…das ist mir egal. Dann sollen es ruhig alle erfahren.“
„Uns ist es aber nicht egal!“ Graupfote hielt mich zurück. „Wir können gemeinsam eine Lösung finden. Zu Dritt haben wir schon ganz andere Probleme auf die Reihe gekriegt!“
„Das geht euch nichts an!“ Etwas Heißes pulsierte in mir. Unbändige Wut, gemischt mit Verzweiflung ballte sich in meiner Brust. Sie hatten es gewusst. Sie hatten es die ganze Zeit gewusst und kein Wort gesagt!
Es war zuviel Zeit vergangen. Blattschatten musste mit Dornenblatt schon längst in Sichtweite der Furt sein!
„Wir sagten, du bleibst hier!“
Ich war nicht darauf vorbereitet, dass Himmelpfote sich gegen meine Brust warf und mich nach hinten schleuderte. Instinktiv drehte ich mich auf den Rücken und stieß sie mit den Hinterbeinen über meinen Kopf hinweg.
„Versucht nicht, mich aufzuhalten!“, fauchte ich ihnen zu, während ich mich aufrappelte. Etwas pochte in meinen Ohren. Mit einem Mal war ich so wütend auf die beiden. Meine Geschwister, meine besten Freunde, meine Weg- und Kampfgefährten, meine ewigen Verbündeten.
„Es ist zu spät!“, miaute Graupfote. „Die beiden werden längst über den Fluss sein!“
„Es ist nicht zu spät!“
„Was hast du vor?“ Himmelpfote folgte mir im Eiltempo, als ich zum Lager zurück lief.
Mir war es egal. Sollten sie es doch wissen! Mich würden sie nicht aufhalten!
„Regenpfote, jetzt warte doch!“
Ich lief schneller, damit Graupfote mich nicht einholen konnte.
„Ich werde es ihr sagen!“, rief ich ihnen im Lauf zu. „Und mir ist es egal, wer es erfährt!“ Mein Entschluss stand fest. Diese Worte würden bald heraus kommen. An die Kätzin, die ich liebte. „Auf der nächsten Großen Versammlung werde ich es ihr sagen. Und wenn alle Katzen am Fluss es erfahren, ich werde es ihr sagen!“
„Ihr hattet Streit!“
Ich wandte mich von Steinkralle ab, die sich neben mich gesetzt hatte. „Und wenn schon…“, brachte ich halbherzig murmelnd hervor.
„Es gibt sicher eine Lösung für euer Problem, Regenpfote.“ Nun setzte sich auch noch Sturmherz auf die andere Seite. Ich war umzingelt von sorgenvollen Eltern, die alles besser wussten! „Du weißt, dass du mit uns und Eschenlicht über alles reden kannst.“
„Vom Reden habe ich vorerst genug!“ Ich mied es, in die Richtung meiner Wurfgefährten zu schauen, die es sich mit Graspfote vor dem Ältestenbau gemütlich gemacht hatten und Tigerzahn nach den alten Legenden der Großen Clans ausquetschten. Ich mochte diese Geschichten, doch im Moment hatte ich von solcher Aufregung die Schnauze voll.
Meine Mutter schien das jedoch anders zu sehen.
„Erinnerst du dich an eure Mission zum Fluss als ihr noch Junge wart?“
Jetzt ging das wieder los!
„Danke, ich brauche keine Moralpredigt. Die Mission war mäusehirnig und das haben wir alle verstanden!“
„Das meine ich nicht. Genau wie die Sache, als ihr das Gespräch zwischen Fuchsstern und Mausstern belauscht habt, oder auch eure vergeblichen Suchen nach dem WiesenClan in eurer Schülerzeit.“
Ich legte meinen Kopf auf die Pfoten und versuchte, all das nicht mit anzuhören.
„Deine Mutter möchte dich an eure damalige Beziehung erinnern“, miaute mir Sturmherz leise zu. „Ihr habt euch nicht abgesprochen, ihr habt euch keine Gedanken darüber gemacht, welche Risiken eure Vorhaben in sich behalten. Ihr habt euch noch nicht einmal vorher über eine bestimmte Vorgehensweise ausgetauscht. Ihr hattet einfach alle drei denselben Gedanken zur selben Zeit und habt ihn umgesetzt, ohne nach dem Sinn zu fragen.“
Genau so war es.
„Und dabei hattet ihr nie Streit. Bis jetzt!“
„Das stimmt nicht!“ Ich fuhr mit gesträubtem Pelz hoch, bis ich merkte, wie laut ich geworden war. Immer noch sahen mich Steinkralle und Sturmherz neugierig und verständnisvoll an.
„Auf der Mission“, brachte ich hervor, „kurz nachdem Eichenblitz…von den Hunden erwischt wurde. Da hatten wir einen Streit. Einen ziemlich heftigen Streit sogar.“
„Aber ihr habt euch wieder vertragen“, erinnerte mich Steinkralle.
„Streit ist nichts Schlimmes“, versicherte mir Sturmherz. „Deine Mutter und ich hatten uns in den Bergen auch ziemlich im Fell gehabt. Wir haben tagelang kein Wort mehr miteinander gewechselt.“
„Und uns dabei wie Jungen aufgeführt“, räumte Steinkralle ein.
„Was soll mir das jetzt sagen?“, kam ich auf den Punkt.
„Für jedes Problem gibt es eine Lösung“, miaute mir Steinkralle ins Ohr, während sie mir kurz liebevoll über das Fell leckte. Es tat gut. „Aber es ist schwierig, diese zu finden. Und sechs Augen sehen mehr als zwei.“
Es musste wohl so sein. Ich rang noch kurz mit mir selbst, bevor ich mich schließlich auf Himmelpfote und Graupfote zu bewegte.
„…in der Blattfrische kamen auch noch eine Horde Dachse in unser Territorium. Riesiger als die Viecher vor einigen Monden. Wir haben sie mit geeinten Kräften zurück geschlagen. Später haben wir dann noch die Hilfe des SteppenClans bekommen. Das war zu der Zeit, als Silberstern, Maussterns Vorgänger, gerade Anführer geworden ist. Glaubt mir, ich habe gekämpft wie ein Berserker!“
„Vor allem aber bist du weggelaufen, als die Dachse durch die Reihen gebrochen sind“, miaute Buntschweif keck. „Ich und Vogelpelz haben einige zur Hochebene gelockt, damit sie vom Lager fern bleiben. Erinnerst du dich noch, Vogelpelz?“
Die Älteste grummelte nur müde etwas vor sich hin.
Buntschweif fuhr unbehelligt fort. „Am Tag darauf wurden wir beide dann zu Kriegerinnen ernannt. Genießt diesen Augenblick, es wird der schönste eures ganzen Lebens werden.“
„Können wir reden?“, miaute ich meinen Geschwistern zu, als Tigerzahn eine Pause einlegte.
„Wollt ihr nicht wissen, wie mäusehirnig sich die SteppenClan-Krieger angestellt haben, als wir mit ihnen durch den Wald gehetzt sind?“, fragte Tigerzahn. „Sie sind ständig an irgendwelchen Ästen hängen geblieben, bis wir den Weg für sie breit trampeln mussten. Ihr erinnert euch doch noch, oder?“
„Wie könnte ich das vergessen?“, schnurrte Buntschweif, während sich Vogelpelz nur schwach im Moos drehte.
„Danke, wir hören uns das später an“, verabschiedete sich Graupfote. Wir bezogen wieder im Schülerbau Stellung. „Und?“
„Ihr hattet Recht“, miaute ich niedergeschlagen. „Ich glaube, das Beste wird es sein, sie einfach zu vergessen.“
„Das wird sicher nicht einfach“, miaute Himmelpfote verständnisvoll. „Aber wir stehen dir bei.“
„Danke“, erwiderte ich darauf nur.
„Komm“, miaute Graupfote. „Wir haben gleich Jagdtraining. Es wird Zeit, dass wir alle drei den Kopf freikriegen.“
„Wühlmaus“, erkannte ich, als ich die Luft prüfte. „Aber der Geruch ist schal. Hier war eine Krähe.“ Ich zuckte nervös mit den Ohren. Da überließ es mir Eschenlicht einmal, die gesamte Jagd allein zu leiten und ich konnte nicht einmal jagdbare Beute aufspüren. Ich trippelte nervös auf der Stelle.
„Beruhige dich“, miaute Eschenlicht mir geduldig zu. „Atme tief durch, schließe die Augen und konzentriere dich ganz auf deine Nase.“
Ich kam seinen Anweisungen nach. Wenn mein Kopf doch nicht nur so voller Gedanken wäre!
„Buchfink.“ Jetzt war ich mir sicher. „Ganz in der Nähe!“ Ich drehte mich vorsichtig auf den Pfoten und schlich langsam näher. Es dauerte einen Moment, bis ich den kleinen Vogel im Gebüsch erspähte. Er hüpfte genau auf eine Lücke zwischen den Blättern zu, in der ich ihn gut erwischen könnte.
Dennoch wartete ich.
Vorsichtig bewegte ich mich weiter auf den Vogel zu. Er hüpfte kurz auf und ab, hatte mich noch nicht entdeckt. Immer näher an die Lücke.
Jetzt bewegte er sich von der praktischen Öffnung im Busch weg. Die letzte Gelegenheit.
Ich sprang.
Und landete direkt im Gebüsch. Die Zweige bogen sich unter meinem Gewicht. Mit einer Pfote erwischte ich den Vogel, bevor mir Blätter und Zweige die Sicht raubten und sich in meinem Pelz verfingen. Ich hing fest.
„Ich hab die Maus!“, reif ich mit unzähligen Blättern im Mund.
Ich hörte, wie Eschenlicht die Zweige zur Seite bog. Einige von ihnen knackten. „Das wiederholst du aber nur, wenn Katzen in der Nähe sind, die dir wieder heraus helfen können.“
Rückwärts krabbelte ich aus der Falle hinaus, den Finken immer noch zwischen den Zähnen.
„In Ordnung. Das war kein guter Fang.“ Ich verscharrte die Beute und begab mich wieder ans Prüfen der Luft.
„Kaninchen. Aber schon lange weg. Eine Eidechse ist dort drüben irgendwo.“ Ich wollte dem auf den Grund geben, doch ein anderer Geruch bohrte sich in meine Nase. „Sonnenwind?“
Eschenlicht sah auf. „Wo?“
„Direkt an der Grenze, glaube ich.“ Ich schnupperte weiter. „Sie sucht wahrscheinlich das Gespräch. Es sind noch zwei andere Katzen dabei, ihre Namen kenne ich aber nicht.“ Ich sah zu Eschenlicht. „Meinst du, sie haben Probleme?“
„Das müssen wir sie fragen.“ Eschenlicht seufzte. „Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache.“
Die drei WiesenClan-Krieger trafen wir im Nadelwald an.
„Da seid ihr ja!“ Sonnenwind keuchte, als sie uns entdeckte. Sie und die anderen beiden Katzen schienen gehetzt und außer Atem.
„Habt ihr Schwierigkeiten?“, fragte Eschenlicht.
„Die Hunde“, keuchte Sonnenwind. „Die Hunde sind zurück!“
„Sie haben das Lager verwüstet, einige unserer Katzen sind verletzt“, berichtete Sonnenwind, immer noch voller Adrenalin. „Wir mussten uns trennen, um keine zu große Angriffsfläche zu bieten. Eine Patrouille wurde zum SteppenClan geschickt. Ich fürchte, ohne eure Unterstützung werden wir sie nicht wieder vertreiben können.“
Ihr und den beiden Krieger Kräuselpelz und Luftschweif stand die Verzweiflung in den Pelz geschrieben. „Wir bitten dich um Hilfe, Fuchsstern.“
Fuchsstern trat hervor. „Der BlattClan wird euch unterstützen.“ Sie sah auf. „Schattenglanz, nehme Kieselstein, Adlerpelz und Rennwind mit. Kräuselpelz wird euch zu den Hunden führen.“
Die Katzen nickten. Kräuselpelz sprang auf. „Ich kenne eine Abkürzung“, miaute der schildpattfarbene Kater. „Folgt mir.“
Fuchsstern übernahm die weitere Aufteilung. „Lichtschweif, du wirst mit Moospelz, Sturmherz und Blütennase losziehen.“
„Wir greifen von einer anderen Ecke aus an“, versprach die cremfarbene Kriegerin und führte ihre Patrouille los.
„Sonnenwind, ich werde dich begleiten. Eschenlicht, Steinkralle und Flammenschweif, ihr kommt mit.“
Fuchsstern trat hervor. „Dunkelpelz, ich übergebe dir die Verantwortung über das Lager. Folge mit einer weiteren Patrouille, wenn wir bis Sonnentief nicht zurück sind oder einen Hilferuf schicken.“
„Was ist mit uns?“ Graspfote war aufgesprungen.
„Ihr Schüler kommt als Letztes an die Reihe!“, befahl Fuchsstern. „Ich wünsche euch viel Glück.“
Während die Patrouillen das Lager verließen, sah er ihnen hinterher.
„Sie werden es schaffen!“, miaute Blitzstreif ihrem Bruder ins Ohr.
„Ich bin immer noch der Meinung, dass zwei Clan genug sind“, miaute Bienenkralle dazu.
Ärgerlich sah Graspfote seinen Bruder an. „Wenn wir in Schwierigkeiten stecken würden und die Hilfe des WiesenClan benötigten, würdest du nicht so denken!“
„Darum geht es doch nicht!“, widersprach der getigerte Krieger. „Drei Clans sind ein Clan zuviel. Am Fluss gab es immer zwei Clans!“
„Es können auch andere Zeiten anbrechen!“, meinte Graspfote. „Solange wir keine Probleme haben, können wir auch zu dritt am Fluss leben.“
Ich drehte mich um. „Besprechung“, forderte ich Graupfote und Himmelpfote auf und suchte mir einen ungestörten Platz an den Büschen.
„Wir werden uns sicher nicht einfach unauffällig aus dem Lager schleichen können“, miaute Himmelpfote, kaum dass wir außer Hörweite waren.
„Wir müssen ihnen irgendwie helfen!“, miaute Graupfote. „Wozu sollte die Prophezeiung sonst gut sein.“
„Diese Hunde terrorisieren alle Clans“, fügte ich hinzu. „So gesehen ist es sogar unsere Pflicht, etwas gegen die Biester zu unternehmen.“
„Prophezeiung hin oder her, alleine werdet ihr es nie hinkriegen.“
Ich fuhr herum. „Graspfote!“
„Keine Angst!“ Der braun getigerte Kater kam auf uns zu. „Ich bin eurer Meinung. Dennoch können wir uns nicht Hals über Kopf ins Getümmel stürzen. Die Hunde würden uns zu Krähenfraß verarbeiten.“
„Ihr vergesst da etwas!“, warf Graupfote ein. „Es gibt immer noch Katzen, die mit dem WiesenClan nicht zufrieden sind. Denkt an das, was Bienenkralle gesagt hat!“
„Bienenkralle muss sich nur an den Clan gewöhnen“, verteidigte Graspfote seinen Bruder. „Er wird sie nie besonders mögen, aber mit der Zeit wird er anfangen, sie zu tolerieren. Glaubt mir, er ist mein Bruder. Ich kenne ihn!“ Graspfote zögerte. „Ich hätte da ganz andere Sorgen.“
Das klang nicht gut. Ich sah ihn an. „Was meinst du?“
Bevor Graspfote antworten konnte, gesellten sich zwei weitere Katzen zu uns.
„Euer Gespräch wird unter uns bleiben!“, versprach Goldtupf, als sie sich mit Taubenflug zu uns setzte. Sie sah zu Graspfote. „Wie lauten deine Befürchtungen, Graspfote?“
„Der Zusammenhalt innerhalb der Clans“, erläuterte der Schüler. „Katzen mit so geteilten Meinungen können auf Dauer nicht zusammen leben.“
„Das Thema hatten wir schon mehrmals“, stöhnte Himmelpfote. „Gegen unterschiedliche Meinungen kann man nichts machen!“
„Vielleicht doch“, miaute Graspfote.
Graupfote sah ihn mit einem Mal verstehend an. „Du meinst…“
„Denkt doch mal an die Geschichten!“, rief uns Graspfote auf. „Bevor die Clans ihr Asyl in den Bergen heimsuchen mussten, standen die Zeichen zwischen ihnen auf Krieg. Dann erschienen die Streuner, ein stärkerer Feind, gegen den sie nur gemeinsam vorgehen konnten. Und wie ihr sehen könnt, reicht dieser Zusammenhalt noch bis heute.“
Mir wurde klar, was er meinte. „Wir müssen Seite an Seite mit allen drei Clans gegen die Hundemeute kämpfen, um sie aus unseren Territorien zu vertreiben.“
„Dadurch wird der gegenseitige Respekt wieder hergestellt“, erkannte Himmelpfote.
„Oder aber, wir werden alle vernichtet“, fügte Graupfote hinzu.
„Wenn ihr mit eurer Vermutung Recht habt, setzen wir vielleicht unsere gesamte Existenz auf eine Karte“, wies uns Taubenflug hin.
„Das wäre ein Ziel, für das es sich zu kämpfen lohnt“, miaute ich entschlossen.
Goldtupf nickte. „Ihr vier werdet also der Prophezeiung folgen und mitkommen.“
„Vier?“ Graspfote trippelte nervös. „Ich gehöre nicht zur Prophezeiung.“ Er sah zu uns. „Wir sind noch nicht einmal verwandt!“
„Nun hör mal!“, empörte sich Himmelpfote. „Seitdem deine Wurfgefährten in den Kriegerbau gezogen sind, bist du mindestens so sehr mein Bruder wie die beiden Fellbälle dort!“
„Hey!“, beschwerte ich mich daraufhin. „Fellbälle haben auch Gefühle!“
Graspfote schnurrte. „Also gut, meine Brüder und meine Schwester. Wie gehen wir vor?“
„Zuallererst werdet ihr drei Unterstützung anfordern!“, antwortete Goldtupf an unserer Stelle. „Ihr seid doch ziemlich gut mit einigen SteppenClan-Schülern befreundet…“
„Als hätten sie uns erwartet“, miaute Graspfote, als uns Amselpfote, Haselpfote und Sonnenpfote entgegen kamen. Wir überquerten den Fluss über die Trittsteine und liefen den Schülern entgegen. Sie waren nicht allein.
„Rotjunges!“, erkannte Graupfote den orangeroten Kater wieder, der ihnen mit zwei anderen jungen Katzen folge. „Verzeihung“, belehrte er sich eines Besseren, als dieser mahnend die Augenbrauen hob. „Rotpfote.“
„Ihr habt sicher das selbe vor, wie wir“, miaute Amselpfote, der keuchend stehen blieb. Er deutete kurz auf die jüngeren Schüler. „Nachtpfote, Marmorpfote und Rotpfote kennt ihr ja schon!“
„Seid gegrüßt“, begrüßte uns Nachtpfote, die Größte unter den dreien. „Wir erinnern uns noch sehr an euren Besuch.“ Die schwarze Kätzin sah zu Graspfote. „Und du bist…“
„Graspfote“, stellte er sich vor. „Ein guter Freund der Auserwählten.“
„Ihr wollt also auch dem WiesenClan helfen“, miaute Marmorpfote. Sein weißes Fell glänzte silbern im Sonnenlicht.
„Wir fühlen uns sozusagen dazu verpflichtet“, bestätigte ich ihm. „Und wir wollten gerade euch um Unterstützung bitten.“
„Wir dachten schon, dass ihr nicht zusehen würdet“, miaute Sonnenpfote. „Übernehmt ihr lieber die Führung, ihr kennt euch in ihrem Territorium am besten aus.“
„Kommt“, forderte Graupfote die anderen auf. „Aber passt auf, dass uns keine Patrouille erwischt, bevor wir bei den Wiesen angekommen sind.“
„Ich wusste, dass ihr kommen würdet!“
Wir erkannten die Katze, die uns rief, bevor wir sie sahen.
„Roggenpfote!“, miaute Himmelpfote, die unsere Freundin als Erste wieder erkannte.
„Da seid ihr ja!“, keuchte die hellbraune Schülerin. „Ich wusste, dass ihr kommen würdet.“
Sie drehte sich um. „Ihr könnt kommen! Es ist die Unterstützung vom BlattClan und vom SteppenClan!“
„Mausstern und Fuchsstern haben Patrouillen geschickt!“, miaute ich ihr zu. „Eigentlich sollten wir Schüler uns da raus halten und den Kriegern die Arbeit überlassen.“
„Dasselbe wurde uns auch gesagt“, knurrte eine schildpattfarben getigerte Kätzin. Sie kam mit drei anderen Schülern hinter den Hügeln hervor. „Aber es war unmöglich, ihnen zu entkommen“, miaute die cremefarbene Schülerin mit den weißen Pfoten, die neben ihr lief.
„Schmetterlingspfote und Salbeipfote, meine Schwestern“, stellte Roggenpfote sie uns vor. „Die beiden Kater dahinter heißen Braunpfote und Kleinpfote.“
„Kein Kommentar zu meinem Namen“, miaute der dunkelrot-weiß gescheckte Kater, der wirklich nicht viel größer als ein Junges von fünf Monden war.
„Sind die Hunde hier in der Nähe?“, miaute Amselpfote, sich umschauend, nachdem wir uns vorgestellt haben.
„Sie sind immer noch im Tal“, antwortete Schmetterlingspfote. „Jedenfalls die meisten von ihnen.“
„Hört bitte zu“, miaute Graupfote. „Wir alle sind gegen den Befehl unserer Anführer hier. Fast alle Krieger sind euch zur Unterstützung geeilt, die letzten werden sicher folgen, wenn sie unser Verschwinden bemerken.“
„Wir werden sicher auch ohne die älteren Krieger zu Recht kommen“, fand Nachtpfote.
„Aber nicht ohne Organisation!“, wandte sich Graupfote an sie und ihre Brüder. „Wie lange seid ihr jetzt schon Schüler?“
„Einen halben Mond“, antwortete Marmorpfote.
„Und ihr?“, fragte Graupfote Braunpfote und Kleinpfote.
„Fünf Tage. Wir hatten erst zweimal Kampftraining.“ Braunpfote hörte sich nüchtern an, als er das sagte.
„Dann haltet ihr euch im Hintergrund, wenn wir angegriffen werden. In so einem Fall lauft ihr so schnell wie möglich, um Hilfe zu holen.“ Graupfote sah uns anderen an. „Regenpfote, Graspfote, ihr seid unter uns die besten Kämpfer, ihr werdet die Hunde frontal angreifen und sie ablenken. Schmetterlingspfote, Salbeipfote und Roggenpfote, ihr werdet ihnen in die Seite fallen, wenn sie auf die beiden fixiert sind. Himmelpfote, Haselpfote, Amselpfote und Sonnenpfote, ihr beobachtet in dem Falle den Kampf und greift erst später überraschend an, wenn es für uns brenzlig wird. Alles verstanden?“
Alle Schüler nickten.
„Er würde einen guten Anführer abgeben“, miaute Salbeipfote.
„Er ist nach einem Zweiten Anführer benannt worden“, fügte Himmelpfote stolz hinzu. „Es liegt ihm sozusagen im Namen.“
„Noch etwas. Sollten wir getrennt werden, gilt nur noch die Flucht. Allein kann keiner von uns es mit Hunden aufnehmen.“
„Wir denken daran“, miaute Rotpfote, stellvertretend für alle.
„In Ordnung.“ Graupfote holte tief Luft. „Schüler des WiesenClans, Schüler des SteppenClans, Schüler des BlattClans. In diesem Fall vergessen wir alle Rivalitäten, denn es geht um all unsere Clans. Möge der SternenClan auf unseren Wegen wandeln.“
In geschlossener Formation liefen wir dem Kampf entgegen.
Auch beim dritten Mal, als ich die Wiesen betrat, waren sie mir ungewohnt. Das Gras hier war flacher, nasser und grüner als in der Steppe, es gab kaum Windschutz, außer den wenigen Hügeln, die die Winde leicht abfingen. Selbst die SteppenClan-Schüler schienen etwas unsicher, wie sie ihre Pfoten setzen sollten. Erst nach und nach gewöhnten wir uns an die Gegend.
„Wir mussten uns verstreuen“, erklärte uns Schmetterlingspfote unterdessen. „Ich hoffe, dass den anderen nichts passiert ist.“
„Wo würde sich der Clan eurer Meinung nach am ehesten Verstecken?“, fragte Graupfote die WiesenClan-Schüler.
„Hinten, am Rand des Territoriums befindet sich ein leer stehender Zweibeinerbau“, miaute Salbeipfote. „Er ist von einem hohen Zaun umgeben, ich bin mir nicht sicher, ob die Hunde den überqueren können.“
„Dafür müssten wir durch das ganze Territorium“, gab Kleinpfote zu Bedenken, der seine geringe Größe durch seine Schnelligkeit wettmachte. „Das kann gefährlich werden.“
Graupfote hatte sogleich eine Lösung. „Welches sind von euch die besten Jäger?“
„Roggenpfote“, miaute Salbeipfote.
„Amselpfote“, stimmte Haselpfote.
Graupfote nickte. „Himmelpfote, ihr drei kundschaftet die Gegend aus. Warnt uns vor Gefahren. Seid aber vorsichtig!“, rief er ihnen hinterher, als sie los liefen.
„Haltet die Augen um uns herum offen“, riet Graspfote uns anderen. „Sie können überall lauern.“
Ich sah den drei Katzen hinterher, die geduckt über die Wiese huschten. Gleichzeitig hielt auch ich Ausschau nach der Meute.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis die drei wiederkamen.
„Die Luft ist rein!“, miaute Roggenpfote. „Kommt.“
Wir liefen schnell, die jüngeren Schüler in die Mitte nehmend. Immer wieder suchten wir Schutz zwischen den Hügeln.
„Halt!“ Roggenpfote war stehen geblieben. „Hunde. Direkt auf unserem Weg.“
„Sollen wir Hilfe holen?“, miaute Rotpfote ängstlich.
„Jetzt nicht!“, befahl Graupfote im Flüsterton. „Wir dürfen nicht riskieren, dass sie uns entdecken!“
Nun roch ich sie auch. Adrenalin schwamm im Geruch der Hunde mit und…Blut. Mir wurde kalt. Hoffentlich war das kein Katzenblut!
„Die Hunde sind schnell“, miaute Salbeipfote. „Ich habe sie selbst erlebt. Es ist schwer, ihnen auf offenem Gelände zu entkommen.“
Graupfote sah über die Wiesen. „Was ist mit den Tunneln?“
Ich sah, wie sich Kleinpfotes Fell sträubte. „Wir dürfen nicht in die Tunnel! Sie können lebensgefährlich sein!“
„In unserem Fall wohl eher lebensrettend“, stimmte Himmelpfote Graupfote zu.
„Wir sollten es wenigstens versuchen“, ergriff ich für meine Geschwister Partei.
Rotpfote schüttelte sich. „Wir sind sechzehn Katzen. Da fallen wir doch sofort auf!“
„Einzeln wären wir leichte Beute“, gab Braunpfote zu Bedenken. Obwohl er so jung war, schien er schon über einige weit reichende Kenntnisse zu verfügen. „Wieso teilen wir uns nicht in Gruppen auf und bleiben in Sichtweite?“
„In Ordnung“, miaute Graupfote. „Kleinpfote, Braunpfote, ihr geht mit Regenpfote und Schmetterlingspfote. Dort entlang. Rotpfote, Nachtpfote, nehmt mit Roggenpfote und Himmelpfote den mittleren Weg. Marmorpfote, du kommst mit mir, Salbeipfote und Graspfote.“
„Viel Glück“, wünschte ich den anderen, während wir loszogen.
„Auf unserem Weg befinden sich spitze Steine im Fels“, miaute mir Kleinpfote zu. „Pass auf, dass du nicht auf sie trittst.“
Ich nickte. „Danke. Gibt es sonst noch etwas, auf das wir achten müssen?“
„Am verlassenen Zweibeinernest wurde ein Fuchs gesehen“, miaute Schmetterlingspfote. „Es ist zwar schon zwei Tage her, aber wir sollten dennoch die Augen offen halten.“
Ich nickte, ein mulmiges Gefühl im Bauch nicht unterdrückend. „Gut. Haltet Augen und Ohren offen.“
Wir liefen in einer Reihe über die hügeligen Wiesen.
„Sobald ihr etwas wahrnehmt, sagt Bescheid!“, miaute ich den WiesenClan-Schülern zu.
Es dauerte nicht lange, bis Kleinpfote die erste Meldung machte.
„Dort drüben sind einige Hunde!“
Ich sah in die angegebene Richtung. Die Hunde konnte ich nur verschwommen erkennen. Doch sie hatten ihre Köpfe noch nicht in unsere Richtung gewandt. Der Wind stand günstig.
„Beobachtet sie aus dem Augenwinkel“, miaute ich den anderen zu. „Keine auffälligen Bewegungen.“
„Ich glaube, sie bewegen sich von uns weg“, miaute Schmetterlingspfote. „Solange wir…“
„Was ist los?“ Ich blieb stehen. Schmetterlingspfote war im Lauf wie erstarrt stehen geblieben.
„Da vorne waren Krieger des WiesenClans. Ich habe sie genau gerochen!“
„In der Nähe der Hunde?“
„Ich rieche sie auch!“, miaute Braunpfote. „Felsenkralle und Dämmerfell. Sie laufen den Hunden direkt in die Fänge!“
„Dann müssen wir sie warnen!“, miaute Schmetterlingspfote.
Ich nickte. Auf keinen Fall konnten wir die Krieger nun allein lassen.
„Wir bleiben zusammen. Direkt auf sie zu. Sie werden uns bestimmt entdecken, bevor die Hunde sie entdecken!“
Schweigend huschten wir auf leichten Pfoten über das raschelnde Gras. Schon bald konnte ich die beiden Krieger erkennen.
Die orangebraune Kätzin, Dämmerfell bestimmt, sah uns zuerst.
„Was macht ihr hier?“, rief sie uns zu. „Ihr solltet bei den Hügeln bleiben. Regenpfote, wieso bist du bei ihnen?“
„Wir kamen, um euch zu helfen“, antwortete ich. „Ich weiß, es war gegen den Befehl, aber wir fühlten uns verpflichtet.“
„Wir?“, echote Felsenkralle, das weißgraue Fell gesträubt. „Sind Graupfote und Himmelpfote auch hier?“
„Sogar einige SteppenClan-Schüler“, gestand ich. „Aber darum geht es nicht.“ Mit der Schwanzspitze deutete ich in die Richtung der Hunde. „Dort sind einige der Hunde. Ihr wäret ihnen direkt in die Fänge gelaufen.“
„Warte!“, miaute Dämmerfell, als Felsenkralle nachsehen wollte. „Wir vertrauen euch. Aber bleibt jetzt im Namen des SternenClan bei uns.“ Sie atmete kurz tief durch. „Wohin soll es gehen?“
„Zum Zweibeinerort“, antwortete Schmetterlingspfote für mich.
Felsenkralle nickte. „Dämmerfell, du gehst voran. Ich bilde die Nachhut.“
„Wir wurden von den anderen getrennt, als uns einer der Hunde überraschte“, miaute Dämmerfell im Lauf. „Aus den anderen Clans waren Weißmond und Eschenlicht bei uns.“
Beim Namen meines Mentors horchte ich auf. „Wisst ihr ungefähr, wo sie sind?“
„Wir haben ihnen geraten, zu den Hügeln zu laufen. Aber dann haben wir sie aus den Augen verloren.“
Ich schloss für einen Moment die Augen. Eschenlicht durfte nichts passieren! Nicht nach allem, was er für mich getan hatte!
„Dort ist das Zweibeinernest“, miaute Kleinpfote. „Da wären wir erst einmal sicher!“
„Roggenpfote ist dort“, miaute Schmetterlingspfote, die ihre Schwester sofort gerochen hatte.
„Himmelpfote auch!“, miaute ich erleichtert. Rotpfote und Nachtpfote konnte ich allerdings nicht erkennen.
„Ich rieche Rotpfote und Nachtpfote“, miaute Kleinpfote, als hätte er meine Gedanken gehört. „Sie sind alle sicher angekommen.“
„Ein Glück“, miaute Felsenkralle hinter uns.
Ich schnupperte erneut, doch von den anderen war keine Spur zu erkennen.
Es dauerte nicht lange, bis wir angekommen waren.
„Habt ihr etwas von den anderen gehört?“, empfing uns Nachtpfote, ohne jegliche Begrüßung. „Wir haben sie in der Steppe aus den Augen verloren.“
„Sie sollten längst hier sein“, miaute Himmelpfote.
Etwas in mir drehte sich. Ich hatte kein gutes Gefühl bei der Sache. Graupfote war keine Katze, die beim Ausführen eigens entwickelter Pläne schnell in Schwierigkeiten geriet.
Felsenkralle reagierte sofort.
„Bleibt ihr und verlasst den Bau nicht. Wir suchen nach ihnen!“
Ich sah ihnen kurz nach. Soeben hatten wir in den beiden Kriegern ein Lebenszeichen des WiesenClans gesehen. Sollten wir dies nun mit Toten bezahlen?
„Wir können nicht hier bleiben!“, miaute Roggenpfote, unruhig auf und ab gehend.
Auch Sonnenpfote war aufgeregt aufgesprungen. „Weshalb sind wir in die Wiesen gezogen, wenn wir nun hier bleiben müssen?!“
„Was heißt müssen?“, miaute Marmorpfote. „Dämmerfell und Felsenkralle können uns doch schlecht überwachen, wenn sie da draußen sind.“
„Wir können einen Bogen machen“, miaute Schmetterlingspfote. „So werden sie uns nicht bemerken. Es gibt in den Büschen dort…“
Sie hielt mitten im Satz inne, als das scharfe Geräusch von über Stein scharrender Krallen durch die Luft hallte. Wir fuhren herum.
„Hund!“ Graspfotes Stimme klang dünn und hohl. Mein Pelz sträubte sich.
„Raus hier!“, kommandierte Graupfote, als das Bellen näher kam.
Wir stürmten in geschlossener Formation auf den Zaun zu, als der riesige, massige Hund um die Ecke bellend auf uns zu stürmte.
Ich wusste nicht, wie wir es alle rechtzeitig über den Zaun des Zweibeinernestes und in die Sicherheit zwischen den Hügeln schafften.
„Haben wir ihn abgehängt?“, keuchte Nachtpfote.
„Haltet euch unten!“, warnte sie Salbeipfote. „Dicht an den Boden gedrückt. Sonst sehen sie euch schnell.“
Wir folgten ihrer Anweisung.
„Was jetzt?“, hauchte Kleinpfote.
„Wir machen es, wie abgesprochen“, entgegnete Graupfote ernst. „Wenn sich ein Hund blicken lässt greifen wir an und ihr jüngeren Schüler holt Hilfe!“
„Psst!“, zischte Roggenpfote. „Ich glaube, da kommt etwas…“
„Beim SternenClan! Hier seid ihr!“
Mausstern. Er und Falkensturz liefen zu uns herab.
„Als Schattenglanz uns sagte, dass auch ihre Schüler verschwunden seien, haben wir uns schon gedacht, dass ihr nur zusammen losgezogen sein könnt!“
„Wir bleiben hier!“, miaute Sonnenpfote erstaunlich fest.
Falkensturz nickte. „Wir hatten nicht vor, euch daran zu hindern.“
Verwirrt sah Marmorpfote auf. „Aber…“
„Das heißt nicht, dass ihr ungestraft davon kommt“, stellte Mausstern klar. „Fuchsstern und Eisstern sind informiert. Ihr folgt ab jetzt genau meinen Anweisungen. Habt ihr das verstanden?“
Wir nickten.
„Die Hunde haben die Weisen größtenteils verlassen“, berichtete Mausstern. „Wir geben ihnen auf den letzten Fuchslängen noch genau zu verstehen, dass wir sie hier nicht wollen.“
Ich sah überrascht auf. „Heißt das, wir dürfen mitkämpfen?“
„Das heißt, dass wir euch als Beobachter mitnehmen, damit ihr die anderen warnen könnt, falls etwas schief läuft. Mehr nicht! Verstanden?“
Wir nickten.
„Sehr gut“, miaute der SteppenClan-Anführer. „Folgt mir!“
„Da seid ihr ja!“ Es war Blitzstreif, die uns empfing. „Ich hätte mir denken können, dass ihr nicht im Lager bleibt.“
„Wie steht es?“, fragte Mausstern.
Blitzschweif erstattete Bericht: „Die Hunde sind zum größten Teil vertrieben. Zwei oder drei befinden sich noch in den Wiesen. Der WiesenClan ist dabei, wieder in sein Lager zu ziehen. Fuchsstern und Eisstern haben Patrouillen eingeteilt, die die letzten Hunde ausfindig machen sollen.“
„Wohin sind sie gezogen?“
Blitzschweif deutete in zwei verschiedene Richtungen. „Die dritte habe ich nicht aufbrechen sehen. Da bin ich schon los. Eulenauge hat mich begleitet. Sie müsste gleich von ihrem Kontrollgang zurückkommen.“
Mausstern nickte. „Wir warten, bis sie kommt, dann folgen wir einer der Patrouillen.“
Blitzschweif nickte. „Ja, Mausstern.“ Sie setzte sich zu uns. „Ihr müsst auch überall mitmischen, oder?“
„Das ist uns anscheinend angeboren“, witzelte Himmelpfote.
„Und ich konnte euch nicht allein lassen“, fügte Graspfote hinzu, nachdem er seiner Schwester kurz die Zunge gegeben hat. „Wie geht es Rosenduft und Bienenkralle?“
„Sie gehören zu den Katzen, die dem WiesenClan zurückbringen. Wir werden sie auf dem Rückweg treffen. Es ist gut möglich, dass wir noch einem der Hunde begegnen.“
„Hoffentlich“, miaute Graspfote. „Nach so einem Kampf werde ich bestimmt endlich zum Krieger ernannt“, fügte er auf unsere irritierten Blicke hinzu.
„Dort ist Eulenauge“, miaute Blitzstreif, als eine braun gestreifte SteppenClan-Kriegerin über die Wiesen lief.
„Dann brechen wir jetzt auf“, entschied Mausstern.
Wir trafen Blütennase und Moospelz wenig später auf den Wiesen.
„Die Schüler haben sich zusammen getan und sind uns gefolgt“, erklärte Falkensturz kurz auf ihre verdutzten Mienen an.
Blütennase seufzte. „Man kann es nicht rückgängig machen. Der Hund ist dort hinter der Baumreihe. Finkenflug wurde beim Kampf verletzt. Er ist aber außer Gefahr, Dornenblatt hat ihn versorgt.“
„Danke für den Bericht.“ Mausstern sah auf. „Wo ist er genau?“
„Dort!“
Ich sah struppiges, dunkles Fell zwischen den Baumstämmen aufblitzen.
„Wir müssen ihn von zwei Seiten angreifen“, miaute Mausstern. „Blütennase, Moospelz, Blitzstreif, ihr nähert ihm euch von den Wiesen aus. Falkensturz und ich fallen ihm in die Flanke. Danach laufen wir gemeinsam zu den Bächen. Auf mein Zeichen trennen wir uns wieder. So locken wir ihn hinaus.“
Ich machte den Mund auf, doch Mausstern kam mir zuvor. „Ihr kommt nicht mit. Wenn wir bis Sonnentief nicht zurück sind, informiert ihr zuerst den WiesenClan, sein Lager ist am nächsten.“
Wir nickten. „Ja, Mausstern.“
„Ich bin schon fast ein Krieger“, miaute Graspfote entrüstet. „Mit einem Hund werde ich fertig.“
Mausstern sah sich den Kater kurz an. Blitzstreif trat an die Seite ihres Bruders. „Er ist bereit.“
„Auf deine Verantwortung“, miaute Mausstern. „Graspfote, du kommst mit uns.“
„Viel Glück“, miaute ich ihm zu.
„Los!“
Auf Maussterns Zeichen liefen die beiden Einheiten aus unterschiedlichen Richtungen auf die Baumreihe zu.
„Das dürfen sie nicht!“
Ich sah irritiert zu Himmelpfote, die dies ausgerufen hatte. „Stimmt etwas nicht?“
Anstatt mir zu antworten, war sie aufgesprungen. „Wartet! Dort ist nicht nur ein…“
Ihr Ruf erreichte die Katzen nicht, bevor drei große Hunde mit gefletschten Zähnen aus den Bäumen sprangen und sich auf die heran nähernden Katzen stürzten.
Wir taten, was wir vor dem Aufbruch in die Wiesen abgesprochen hatten. Rotpfote, Nachtpfote, Marmorpfote, Kleinpfote und Braunpfote stoben in alle Richtungen auseinander, um Hilfe zu holen. Graupfote, Himmelpfote, Salbeipfote und Schmetterlingspfote taten sich in einer Angriffswelle zusammen. Roggenpfote, Sonnenpfote, Haselpfote und Amselpfote übernahmen die andere Flanke. Graspfote und ich stürmten frontal auf den mittleren Hund zu.
Blütennase, die uns zuerst gesichtet hatte, rief etwas, was ich nicht verstand, sicher wollte sie uns zur Umkehr bewegen.
Unser Schlachtplan, den wir ausgearbeitet hatten, war uns zuvor bombensicher erschienen.
Doch nun ging er nicht auf.
Der Hund erwartete uns mit ruhigen, tödlich funkelnden Augen, bevor er Graupfotes Angriff ins Leere fallen ließ. Mit einem hart aussehenden Schlag wehrte er eine Flanke Roggenpfotes ab, sie verlor den Halt und fiel in das hohe Gras. Ich hatte keine Zeit, mich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Mit einem lauten Knurren machte der Hund einen Satz auf uns zu, erschrocken, um nicht zu sagen, starr vor Angst, wich ich steif zurück, verlor den Halt, rollte auf die Seite. Reflexartig zog ich meine Krallen über die Schulter des Hundes, nicht tief genug, um ihn zu verletzten, aber genug, um ihn wütend zu machen.
Mit den Hinterbeinen gegen seine Schnauze stoßend, trieb ich ihn einen Schritt zurück und konnte mich wieder aufrappeln. Sonnenpfote und Amselpfote waren dem Hund in die Flanke gefallen, konnten aber nicht viel ausrichten. Amselpfote kreischte schrill vor Schmerz auf, als die Zähne des Hundes seine Pfote erfassen und dieser ihn hart zu Boden schleuderte.
Haselpfote war ihrem Bruder zur Hilfe geeilt, ihre Attacken gingen jedoch ins Leere. Graupfote und Salbeipfote versuchten, den Hund von der anderen Seite zu bedrängen, jedoch erfolglos.
Ich duckte mich zum Sprung.
„Bleib unten!“, befahl eine scharfe Katzenstimme hinter mir. Verwirrt gehorchte ich, spürte, wie jemand über mich hinweg, dem überraschten Hund direkt auf die Schnauze sprang. Das riesige Tier taumelte, fiel jedoch nicht hin. Die Katze landete mit einer eleganten Drehung neben uns.
„Kieselstein!“, miaute Graspfote erschöpft, der seine Mentorin als Erster erkannte. Auch die Gerüche anderer, mir bekannter Katzen schwebten über die Lichtung.
„Zieht euch zurück“, befahl Fuchsstern streng, als sie an uns vorüber raste. Käferflug, Adlerpelz und Winterfrost waren unter ihnen.
„Kommt!“, miaute Roggenpfote, sie schien angeschlagen, stütze dennoch Amselpfote, der schwankte.
Ich war dabei, loszulaufen, doch eine Bewegung im Augenwinkel veranlasste mich dazu, meinen Kopf zu drehen.
„Graupfote!“
Er hörte mich nicht mehr. Dabei war ich mir ziemlich sicher, dass er mich nicht überhören konnte. Er reagierte jedoch nicht. Oder aber er hatte seine Ohren verstellt.
Die Welt schien sich zu verlangsamen. Ich sah jeden Muskel, der sich unter dem Fell meines Bruders bewegte, jedes Haar in seinem Pelz, das durch den Wind gegen seinen Körper gedrückt wurde.
Der Hund hatte Käferflug zu Boden gerissen, Mausstern lag im Gras und rührte sich nicht. Zielsicher hielt Graupfote auf den stärkeren Gegner zu.
Er wusste es. Er war immer der Klügste, der Besonnenste von uns dreien gewesen. Er wusste genau, dass er gegen einen Hund keine Chance hatte. Er wusste aber auch, dass die anderen Katzen durch das, was er gerade tat, eine größere Überlebenschance hatten.
Eine Katze um mehrere zu retten!
Etwas in mir sträubte sich. Nein! Es durfte nicht so enden! Wir waren immer zusammen gewesen! Wir drei waren eine Seele! Wir durften nicht getrennt werden! Selbst der SternenClan hatte uns gemeinsam ausgewählt, um den WiesenClan zu integrieren. Ohne Graupfote an der Spitze hätten wir das sicher nie geschafft! Er durfte uns nicht verlassen! Nicht er!
Als die riesigen, tödlichen Fänge des Hundes zuschnappten und den grauen Kater mit einem Ruck zu Boden zerrten, spürte ich, wie etwas tief in mir zerriss. Ein lange gepflegtes Band, das ohne Gnade auseinander gerissen wurde. Doch es war zu spät, dies zu verhindern.
„Graupfote! Nicht!“
Ich hörte, wie diese Worte verzweifelt aus meinem Mund kamen. Dabei wusste ich, dass es längst zu spät war, um ihn aufzuhalten. Selbst wenn, er hätte sich nie aufhalten lassen. Dies war seine Entscheidung gewesen. Nun war sie gefallen.
Den kurzen Moment, in dem der Hund abgelenkt war, nutzten die Krieger. Ich sah nicht genau, wie sie ihn vertrieben, hörte nur, wie sein Gebell langsam in der Ferne verhallte.
Die letzte Gefahr war gebannt.
Ohne eine Aufforderung war Kieselstein losgelaufen, um einen der Heiler zu holen. Immer noch stockstarr standen Himmelpfote und ich vor dem schwächelnden Körper, der vor uns im Gras lag.
Graupfote blinzelte. Sein Atem rasselte, er blutete heftig aus der Brust, obwohl ich fest di9e Moosballen gegen die Wunde drückte.
Er sagte nichts, doch in seinen Augen sah ich es. Es war zu spät. Längst zu spät.
Ich spürte Fuchsstern Atem neben mir. Verzweifelt sah ich zu ihr auf. Ein sanfter, mitfühlender und trauriger Blick lag in ihren Augen. Und eine stumme Aufforderung. Zitternd trat ich zurück. Rasselnd atmend sah Graupfote zu seiner Anführerin hoch.
„Ich, Fuchsstern, Anführerin des BlattClan fordere meine Kriegerahnen auf, auf diesen jungen Kater herab zu sehen.“
Himmelpfote zitterte neben mir. Graspfote und Blitzstreif sahen starr auf die Szene. Wir alle wussten, was dies bedeutete.
Fuchsstern sah zum Himmel. „Er hat hart gekämpft und sich seinen Kriegernamen verdient. Von nun an wird dieser Kater Graufluss heißen. Möge der SternenClan seinen Weg erleuchten.“
Nein!, dachte ich, Das kann nicht wahr sein! Das kann einfach nicht wahr sein!
Fuchsstern legte langsam ihren Kopf auf Graufluss’ Stirn.
„Danke“, hauchte er leise. Mit glänzenden Augen sah er zu uns. „Euch allen. Danke.“
Graufluss erzitterte. Hilflos beobachtete ich, wie sich seine Brust das letzte Mal senkte, bevor sich sein Atem einstellte und sich sein Körper entspannte.
Aus dem Augenwinkel glaubte ich, drei Katzen mit glänzendem Fell zu sehen. Eine kräftige, blaugraue Kätzin, einen kleinen, grau getigerten Kater und einen reingrauen Kater.
Himmel unter der Morgenröte, Regen und Graufell.
Eine vierte Katze ging langsam auf die drei zu. Ein letztes Mal schien sie zu uns hinüber zu sehen, bis sich alle vier Katzen langsam auflösten.
Ich dachte an die Geschichte von Schneeblütes und Kastanienglanz’ Bruder Laubjunges. Mit einem Mal fühlte ich mich diesen beiden, immer noch fremden Kriegern verbunden, wie nie zuvor.
Graufluss wird immer bei uns bleiben.
Auf seine eigene Weise.
Wir trafen die Heiler-Katzen, die uns halfen, Graufluss’ leblosen Körper bis zum Wald zu tragen. Die Territoriumsgrenze kam langsam näher.
„Nun ist es besiegelt“, hörte ich Spatzenfeld wie durch einen Schleier murmeln. „Es leben drei Clans im Wald.“ Er machte eine kurze Pause. „Käferflug und die anderen verletzten werden sich erholen.“
„Unsere Verletzten ebenso“, fügte Goldtupf hinzu. „Dem SternenClan sei Dank ist keine Katze umgekommen.“ Sie sah zu Dornenblatt. „Wie geht es Mausstern?“
„Es war erst das erste Leben, das er verloren hatte“, antwortete der Heiler. „Er wird es verkraften. Wie ich ihn kenne, reitet er nicht lange darauf herum, sondern geht morgen wieder auf Patrouille, trotz meiner Bettruhe.“
Ich horte Goldtupf schnurren. „Patienten wissen eben immer alles besser.“
Ich spürte Blattschatten neben mir. Zögernd sah ich zu ihr auf.
„Graufluss wird immer bei euch sein. Auf eure eigene Weise.“
Ich nickte abwesend.
„Regenpfote, es gibt da etwas, was wir bereden müssen.“
Ein Kloß schien sich in meiner Brust zu bilden. Sie hatte es bemerkt!
Natürlich hatte sie es bemerkt! Sie war schließlich eine Heilerin!
„Ich mag dich, wirklich. Dich, Himmelpfote und auch alle anderen Katzen der Clans. Ich bin gerne deine Freundin. Aber das ist alles.“
Der Kloß rutschte unangenehm weit hoch.
„Es ist nicht nur, weil ich eine Heilerin bin. Ich mag dich. Ich bin froh, dass wir befreundet sind. Aber das ist alles. Da ist nicht mehr, da war nie mehr und da wird auch nie mehr sein.“
Der Kloß kam hervor. Die Welt schien sich vor meinen Augen zu verdunkeln.
„Ich…verstehe…“, brachte ich stumm hervor.
Blattschatten schwieg eine Weile. „Du wirst sicher einmal die richtige Kätzin für dich treffen. In deinem Clan. Aber ich bin es nicht. Ich habe eine andere Bestimmung.“
Ich nickte. „Danke“, miaute ich mit krächzender Stimme.
Blattschatten berührte mich beim Abschied kurz mit der Nase. Ich sah ihr nicht nach. Nun war also auch dieses Problem aus der Welt geschafft. Endgültig.
Jede Katze fand ihren eigenen Weg zu den Sternen.
„Von diesem Tag an wirst du den Namen Grasfeuer tragen. Der SternenClan ehrt deinen Durchhaltewillen und deine Stärke und heißt auch dich nun als vollwertigen Krieger im Clan willkommen.“
„Grasfeuer! Grasfeuer!“ Die Stimmen Bienenkralles, Rosendurfts und Blitzstreifs hallten am lautesten durch das Lager.
Es machte mich glücklich, meinen Freund nun zwischen all den Katzen zu sehen. Nun endlich als Krieger. Stolz nahm er die Glückwünsche des Clans entgegen.
„Werden wir auch bald zu Kriegern ernannt?“, fragte Lichtjunges seine Mutter, während seine Schwestern um ihn herum tollten und ihn zum Spielen überreden wollten.
„Zuerst müsst ihr Schüler sein“, erklärte Mausschweif ihm ruhig. „Und das dauert noch ein wenig.“
Ich dachte an Fischjunges, der so kurz nach seiner Geburt zum SternenClan gezogen war. Ob es ihm dort genauso gut ging, wie hier?
Weder Himmelpfote, noch ich hatten seit dem Kampf mit den Hunden Nachrichten unserer Namenspaten erhalten. Dies war nun schon zwei Tage her. Ich vermisste Regen nicht. Die lebenden Katzen bedurften unserer Hilfe mehr, als die Toten. Nun endlich war auch der WiesenClan akzeptiert worden.
„Komm“, miaute Himmelpfote. „Wir wollten doch noch der Kaninchenspur auf den Hochebenen nachgehen.“
„Mache dir keine Hoffnungen“, miaute ich. „Diesmal fange ich es vor dir.“
Bei dieser Jagd hatte ich das Gefühl, dass uns vom unsichtbaren Silbervlies, das erst langsam am Himmel erschien, ein neuer SternenClan-Krieger zusah.
„Und es werden wirklich drei? Das ist wundervoll!“
„Es können auch mehr Junge werden“, miaute Goldtupf sanft. „Genau können wir das noch nicht sagen. Doch bei euch beiden werden sicher nur gute Krieger heraus kommen.“
„Sicher?“, miaute Eschenlicht schüchtern.
Taubenflug strich ihm mit der Schwanzspitze über das Fell. „Der beste Jäger und die beste Kämpferin des Clans? Wenn ich nicht zufällig die falsche Eigenschaft vererbt, werden es wundervolle Jungen. Ihre Mentoren werden schon das Beste aus ihren herausholen.“
„Das ist wundervoll!“ Eschenlicht wirkte wie ein Schüler, der seinen ersten Fang gemacht hatte. „Ich bringe dir jeden Tag meine Frischbeute. Sage einfach, was du willst. Ich besorge es dir. Und wenn du dich unwohl fühlst…“
„Bleibe ruhig“, miaute Kieselstein sanft. „Ich bin nicht die erste Kätzin, die Jungen zur Welt gebracht hat.“
„Lass ihn machen“, miaute Taubenflug ihrer Schwester zu. „So erlebst du die schönsten Monde deines Lebens.“
Grasfeuer, Himmelpfote und ich hatten die beiden schon eine ganze Weile beobachtet. Goldtupf schnurrte kurz, als sie sah, wie sehr wir uns über Eschenlichts euphorische Art amüsierten.
„Du wirst dein Training wohl einstellen müssen“, miaute Himmelpfote mir zu. „Eschenlicht muss nun seine Gefährtin verwöhnen.“
„Lange dauert es ja nicht mehr. Und den passe ich schon ab und zu ab. Sonst frage ich Winterfrost, ob sie etwas gegen einen zweiten Schüler hat.“
„Sicher nicht“, schnurrte Himmelpfote.
Ich sah zum Himmel. „In wenigen Tagen ist die Große Versammlung. Bisher gab es keinen Streit.“
Himmelpfote nickte. „Der WiesenClan ist angekommen.“
„Seid ihr bereit?“ Es war Winterfrost, die uns fragte. Wir horchten auf, denn wir wussten, was dies bedeutete.
„Mehr als bereit“, bestätigte ich. „Ich fürchte nur, mein Mentor hat gerade andere Dinge um die Ohren.“
„Wir verlegen die Prüfung auf nachmittags“, meinte Winterfrost nach einem kurzen Blick auf Eschenlicht. „Wir möchten ja, dass er ganz bei der Sache ist.“
„Viel Glück euch beiden“, miaute Grasfeuer. „Ich habe da noch eine kleine Wette mit Bienenkralle laufen. Aber niemandem weitersagen.“
Als er gegangen war, sahen wir uns an.
„Denkst du dasselbe, wie ich?“, miaute Himmelpfote.
„Alles wie immer“, sprach ich ihren Gedanken aus.
Der Wind von den Wiesen ließ die Bäume über dem Lager rascheln, als würden sie unsere Worte bestätigen.
Ein Fluss.
Drei Territorien.
Drei Clans.
Und alle waren, bis auf gewöhnliche Grenzstreitigkeiten, glücklich und zufrieden.
Texte: Alle Rechte bei Erin Hunter und bei mir.
Tag der Veröffentlichung: 05.05.2014
Alle Rechte vorbehalten