DAS NICHTS WIRD KOMMEN!!!
ES WIRD DIE SCHWARZFEDERN VERNICHTEN
SIE MIT SICH ZIEHEN
IN DIE DUNKELHEIT.
DOCH WAS IST HINTER DIESER DUNKELHEIT?
WAS IST DAS GEHEIMNIS DIESES URALTEN VOLKES?
Ich erwachte mit einem Schlag. Der Ast auf dem ich saß wurde von einem heftigen Wind gerüttelt. Meine Federspitzen stellten sich auf. Etwas war hier. Ganz nah.
Ich breitete meine Flügel aus und ließ mich von meinem wippenden Ast herab auf den Boden des lichten Laubwaldes herab segeln. Ich wuchs, meine Flügel wurden länger, die Federn formten sich langsam zu Fingern, der Kopf rundete sich, blauschwarze Haare wuchsen mir und meine Krallen wurden langer, bis sie wieder die Form von menschlichen Beinen hatten. Federnd in die Knie gehend landete ich lautlos auf dem Waldboden, als der Rabe sich gerade auf einem niedrigen Ast herunter ließ, das Gefieder im Mondlicht silbern schimmernd. Der Duft von frischem Moos und Morgentau stieg mir in die Nase.
"Du hast Neuigkeiten, Chaaron?"
Seine Verwandlung lief anders ab, als meine. Keine langsame Metamorphose, sondern ein perfekter Abgleich der Magie. Einen Augenblick lang sah ich nur rauchschwarze Wirbel, dann stand der blonde Mann in seiner menschlichen Gestalt vor mir. "Deine Verwandlung wird immer besser", begrüßte er mich mit einem schelmischen Lächeln. Ich verdrehte die Augen. "Der Übergang!?"
"Wenn der Mond am höchsten steht, öffnen sich die Tore in das Land unserer Vorfahren", berichtete Chaaron mit seiner gewohnt theatralischen Stimme. "Es ist ein großes, dunkles Loch. Es wird schnell gehen, unsere Welt erwartet uns."
Ich sah zu dem silbern schimmernden Mond dieser Welt, der im schwarzen Nachthimmel wie ein Edelstein leuchtete. Ihn umgab etwas. Mystisch. Geheimnisvoll. Magisch. So lange war das Volk der Schwarzfedern hier verweilt, in einer Welt, die sie seit Urzeiten ablehnte. Die Menschen waren abergläubisch. Sie verfluchten alles, was anders war als sie als Ausgeburt des Bösen. Magie war für sie eine Seuche. Und sich in Raben zu verwandeln war eine Art von Magie.
Ich musste lächeln. Wenn dieses einfältige Volk wüsste, wie lange wir schon hier weilten. Wie lange wir unter ihnen lebten. Und uns doch nach unserem zu Hause sehnten. Der Welt unserer Vorfahren, die vor so langer Zeit den Übergang gewagt haben und nie zurückkehrten, um davon zu berichten. Wie wird uns diese Welt empfangen? Eine Welt, in der wir unsere volle Lebensdauer hatten und nicht auf hunderte von Lebensjahren verzichten mussten?
Der Wind wehte mit einem Ruck durch die Bäume und ließ die dunklen, schimmernden Blätter sanft knistern, als sprächen sie miteinander. Ich sah zu dem silbernen Mond. Es begann. Überall um uns herum erhoben sich die Schwarzfedern raschelnd in die Luft, das dunkle Gefieder der Raben verdeckte das Silberlicht bis auf wenige, durch den Schwarm stoßende, speerartige Strahlen. Die Menschen würden bestimmt von einem Werk ihres berüchtigten Teufels sprechen. Ihr Krächzen schallt laut und klar über die wogenden Wipfel, für mich der schönste Klang dieser Welt.
"Es ist Zeit", sagte Chaaron, bevor er in der Gestalt eines Raben in den Himmel empor stieg und sich im Schwarm verlor. Was für ein Schauspiel! Euphorische Gefühle durchfluteten mich, als ich meine Brüder und Schwestern dort im Himmel ziehen sah. Diesmal gelang mir die Verwandlung vollkommen. Aus einer Wolke schwarzen Rauchs stieg ich als Rabe empor in den Schwarm meines Volkes. Ich spürte den Wind in meinem Gefieder, fühlte den Luftdruck bei jedem einzelnen Flügelschlag. Ich schlug dieselbe Richtung ein, wie meine Artgenossen, hoch in den Himmel. In die Dunkelheit, in der sich das Tor befand. Die Erde unter mir wurde kleiner und kleiner. Nach und nach schienen sich die Schwarzfedern um mich herum in Luft aufzulösen. Unser Volk hatte sich lange genug in dieser Welt aufgehalten, die von anderen, flügellosen Wesen bevölkert war, die uns ähnelten, uns aber nie verstehen würden. Ich schloss die Augen.
Ich werde es sehen. Das Land meiner Vorfahren. Das Land der Schwarzfedern. Ich bin zu Hause.
Ich öffnete die Augen und nahm die Welt in Augenschein, die vor mir lag. Sie übertraf alle Erwartungen. Das hier war sie. Die Heimat der Schwarzfedern hinter der Dunkelheit.
Ich bin zu Hause!
Tag der Veröffentlichung: 21.10.2013
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