Die Blattfrische brach herein.
Der Bach im Tal begann wieder zu sprudeln, Blumenduft erfüllte die Luft und Kanninchen, Murmeltiere und Vögel kehrten in das Tal zurück, durch das ein kühler, plätschernder Bach floss.
Die Zeit des fließenden Wassers, hätte Himmel gesagt. Ohne sie wäre unser Jagderfolg wohl noch karger ausgefallen. Im Wald war immer noch unser bestes Jagdgebiet.
„…und das ist nun schon über drei Monde her. Und wir sind immer noch hier!“
Erst jetzt bemerkte ich Kieselpfotes aufgebrachtes Miauen neben mir. Sie zerrte ein dickes Kanninnchen hinter sich her.
„Ähm…was hast du gesagt?“
„Zusammen mit dem SteppenClan können wir zurückkehren“, wiederholte die weiße Schülerin. „Und wir sind nun immer noch in den Bergen. Irgendwann einmal müssen wir doch wieder zurück in den Wald. Ich habe langsam das Gefühl, die Clans wollen sich an dieses Zusammenleben gewöhnen. Das ist gegen das Gesetz der Krieger!“
„In der Blattleere hätten wir gegen die Streuner keine Chance gehabt“, versuchte ich sie zu beruhigen, während ein Kribbeln über meinen Pelz lief. Ich konnte sie verstehen. Ich hatte auch Heimweh, ich wünschte, die Streuner wären in unserem Wald nie aufgetaucht, aber wir mussten bis zur Blattfrische warten. Während der Blattleere hätten wir kaum eine Chance gehabt.
Adlerpelz, das dritte Mitglied der Patrouille, schnurrte nur belustigt. Nach dem Tod von Kieselpfotes Mentorin Dunkelpelz hatte er die Ausbildung seiner Nichte fortgesetzt. Er kannte sie gut genug, um zu wissen, was sie wirklich beschäftigte.
„Es wird bestimmt nicht mehr lange dauern. Deine Jagdfertigkeiten haben sich in letzter Zeit enorm verbessert. Bestimmt wird Fuchsstern dich bald zur Kriegerin ernennen.“
„Heute wird erst einmal Feldjunges Schülerin. Sie ist schon ganz unruhig deswegen. Wir haben ihr im Schülerbau schon ein Nest zurechtgelegt.“
Die hellbraune Kätzin empfing uns vor der Höhle mit leuchtenden Augen. „Heute ist es soweit! Ich werde endlich Schülerin!“
Ihre Mutter Dornenschweif sah sie mit einem liebevollen Blick an. „Ich bin sicher, dass dir dein neues Leben gefallen wird.“
„Werde ich nur die Bergjagd oder auch die Jagdtechniken im Wald lernen?“
„Am Wichtigsten ist es für uns erst einmal, dir kämpfen beizubringen“, antwortete Kieselpfote knapp und brachte ihre Beute weiter zum Frischbeutehaufen.
„Bedeutet das, dass wir bald in den Wald zurückkehren?“, miaute Feldjunges aufgeregt.
„Es müsste bald Zeit sein“, sagte ich nur. Ihre Freude darüber konnte ich nur bedingt teilen.
„Ich freue mich so! Endlich kann ich mit dem Training anfangen!“
Ich sah gerade Glutflamme und Schneepfote heimkehren. Mit leeren Pfoten. Die Beute lief wohl nicht ganz so gut, wie ich gedacht habe.
„Alle Katzen, die alt genug sind ihre Beute selbst zu erlegen, fordere ich auf, sich zu einem Clan-Treffen zu versammeln.“
Feldjunges folgte Fuchssterns Ruf mit leuchtenden Augen. Der SteppenClan hielt sich bei der Zeremonie im Hintergrund.
„Ich, Fuchsstern, Anführerin des BlattClans, rufe meine Kriegerahnen auf, auf diese junge Katze herab zu sehen. Bis zu ihrem Tag zur Ernennung zur Kriegerin wird sie den Namen Feldpfote tragen. Winterfrost.“ Die weiße Kätzin trat mit einem stolzen Ausdruck in den Augen hervor. „Du wirst Feldpfotes Mentorin sein.“
„Feldpfote! Feldpfote!“, rief der Clan, während sich Winterfrost und ihre neue Schülerin begrüßten. Ich sah die Freude in den Augen der beiden Kätzinnen.
„Ich habe eine weitere wichtige Ankündigung für beide Clans zu machen“, fuhr die rote Kätzin fort, als sich die Aufregung gelegt hatte. Ich sah auf. Mausstern trat hervor und nahm neben Fuchsstern Platz.
„Wir haben uns entschieden, dass es an der Zeit ist, den Wald zurück zu erobern.“
Aufgeregtes Gemurmel verbreitete sich unter den Clans. Ich horchte auf, ohne sagen zu können, ob ich dies aus Neugier oder Furcht tat. Goldtupf trat hervor.
„Letzte Nacht hatten ich und Dornenblatt den selben Traum“, begann die Heilerin. Alle Katzen hingen an ihren Lippen. „Wir träumten, die Berge würden in Flammen stehen.“
Der Satz löste eine Welle von erschrockenen Ausrufen und Gemurmel aus.
„Aber Berge können nicht brennen!“, miaute Kieselpfote. „Sie sind doch nicht aus Holz!“
Mausstern hob den Schwanz und bat um Ruhe. „Könnt ihr uns das genauer erklären?“
„Es hat so ausgesehen, als würde das Gestein in Flammen stehen“, beschrieb Dornenblatt seine Erinnerungen. „Sogar der Himmel schien zu brennen. Wir glaubten, in den Flammen Katzen zu sehen. Wie sie aussahen, was sie taten, konnten wir nicht genau erkennen, nur, dass sie vor irgendetwas zu fliehen schienen. Oder gegen irgendetwas zu kämpfen.“
„Flucht und Kampf“, hörte ich Fuchsstern mehr zu sich selbst murmeln. Lauter sagte sie: „Habt ihr eine Ahnung, was das bedeuten könnte?“
„Ich kann nur eines vermuten“, miaute Goldtupf, „nämlich, dass wir so schnell wie möglich aus den Bergen heraus müssen. Was auch immer das Feuer darstellen sollte, es wird uns alle betreffen.“
„Wir können aber nicht aus den Bergen heraus“, gab Mausstern zu bedenken. „Noch nicht. Wir wissen gegenwärtig nicht, was im Wald vor sich geht und somit auch nicht, wie wir vorgehen können.“
Fuchsstern sah ihm fest in die Augen. „Aber wenn selbst der SternenClan uns dazu anweist…“
„Es wurde nicht gesagt, dass er uns dazu angewiesen hat. Er hat uns jediglich eine Botschaft gesandt.“
„Eine Botschaft mit Feuer, Mausstern. Es hat Gründe, warum die Clans das Feuer fürchten.“
„Was für eine Bedeutung haben dann die Katzen in diesem Feuer?“
Fuchsstern sah ihn überrascht an. „Du meinst…“
„Die Berge werden in Flammen stehen“, miaute der Anführer. „Und wir mittendrin. Doch was für Flammen es sein werden, hat eine ganz andere Bedeutung.“
„Es muss aber einen Grund haben, warum die Berge brennen!“, beharrte Fuchsstern, „und den einzigen Grund dafür, den ich heraus suchen kann, ist, dass wir hier bald nicht mehr sicher sind.“ Sie wandte sich an die Heiler. „Gab es in euren Träumen einen Punkt, an dem das Feuer ausgebrochen sein könnte?“
„Der Große Berg“, miaute Goldtupf. Dornenblatt stimmte ihr mit einem Nicken zu. „Er hat geradezu geglüht“, miaute der braune Kater. „An ihm schossen die Flammen am höchsten empor.“
„Sollten wir eine Patrouille zum Großen Berg schicken?“, schlug Falkensturz vor. Der Vorschlag der Zweiten Anführerin löste beim BlattClan Ablehnung aus.
„Mit der Aussendung einzelner Patrouillen hatten wir hier noch nie großes Glück gehabt“, knurrte Eichenblitz. „Aber es muss untersucht werden. In diesem einen Fall stimme ich zu.“
„Ich ebenso“, miaute Goldtupf. „Aber wir müssen zu dem Großen Berg mitkommen. Hellpfote und Taubenpfote ebenfalls.“
Die Heiler-Schülerinnen sahen beim Klang ihrer Namen auf.
„Es scheint logisch“, miaute Fuchsstern.
„Schon“, gab Mausstern zu bedenken, „aber ich möchte euch nicht in Gefahr bringen.“
„Es wäre nur vernünftig, Mausstern“, miaute Falkensturz. Fuchsstern sah ihn weiter fest in die Augen. „Wir dürfen eine Warnung vom SternenClan, in der Feuer eine Rolle spielt, auf keinen Fall auf die leichte Schulter nehmen.“
„Und ich werde meinen Clan schützen. Jede einzelne Katze.“
Dornenblatt sah zu seinem Anführer hoch. „Du wirst den Clan am besten schützen können, wenn klar ist, was überhaupt die Gefahr ist.“ Er zögerte einen Moment. „Ich bin sicher, Silberstern hätte das gleiche getan.“
Mausstern sah Falkensturz und Dornenblatt nachdenklich an. „Ich vertraue eurem Urteil wie dem SternenClan. Doch ohne Bedenken stimme ich dieser Mission nicht zu.“
Fuchsstern nickte. „Dann ist es entschieden. Heute Nachmittag werden die Heiler-Katzen aufbrechen. Eichenblitz und Falkensturz werden sie begleiten.“
„Brennende Berge“, wiederholte Kieselpfote. „Ich kann mir das beim besten Willen nicht vorstellen.“
„Ich konnte mir auch Scharfzahn beim besten Willen nicht vorstellen, bevor ich ihn mit eigenen Augen gesehen habe“, miaute ich. „Und die Katzengestalten im Feuer. Wenn das etwas zu bedeuten hat…“
„Sturmherz, Kieselpfote!“
Es war Taubenpfote, die uns mit ernstem Gesichtsausdruck entgegen kam.
„Was ist los?“, fragte ich sie.
„Wir müssen etwas besprechen“, miaute die junge Heilerin. „Jetzt.“
Kieselpfote sah sie überrascht an. „Eschenpfote wollte mir eigentlich gerade eine neue Jagdmethode zeigen, die er entwickelt hat…“
„Ihn betrifft es genauso“, mischte sich Hellpfote ein. Auch sie schien etwas zu verbergen. „Hole ihn. Sturmherz, hole du Steinkralle und Rindenpelz. Wir treffen uns hinter der Höhle.“
„Aber…“
„Tu es einfach“, miaute Taubenpfote. „Es ist wichtig.“
Ich nickte und fing die Geschwister kurz darauf am Höhlenausgang ab.
„Taubenpfote und Hellpfote wollen mit uns reden“, fasste ich knapp zusammen.
Steinkralle sah mich überrascht an. „Jetzt?“
„Ja, jetzt.“
„Aber worüber?“, fragte Rindenpelz.
„Genau das würde ich gerne herausfinden. Kommt.“ Wir trafen auf die Heilerinnen auf dem Vorsprung über der Höhle. Kieselpfote und Eschenpfote waren schon bei ihnen. Ein unangenehm kalter Wind fuhr durch mein Fell.
„Was ist das Problem?“, kam Steinkralle zur Sache, als sie sich setzte.
„Es geht um den Traum“, erklärte Hellpfote. „Die Geschichte mit den brennenden Bergen. Wir hatten dieselbe Vision. In der gleichen Nacht.“
„Und warum macht ihr so ein Geheimnis darum?“, hakte Kieselpfote nach.
„Wir haben ihn aus einer anderen Perspektive gesehen“, miaute Taubenpfote. „Und daraus eine Information entnommen.“
„Wissen Goldtupf und Dornenblatt davon?“, schoss es automatisch aus mir heraus.
„Eben nicht“, zischte Taubenpfote, mich warnend, leiser zu reden. „Wir wissen nicht, wie weit wir ihnen das sagen können.“
„Sie sind eure Mentoren!“, fuhr Eschenpfote streng dazwischen. „Ihr müsst es ihnen sagen!“
„Was denn überhaupt sagen?“, kam Rindenpelz endlich auf den Punkt.
„Wir haben zwei Katzen in dem Feuer erkannt“, gestand Taubenpfote. „Sie standen im Mittelpunkt. Daraus entnehmen wir, dass sie eine wichtige Rolle im Krieg gegen die Streuner spielen werden. Aber was genau…“
„Erkannt“, wiederholte ich. „Das bedeutet…diese Katzen…wer ist es denn?“
„Die Katzen, auf deren Schultern möglicherweise unsere Zukunft liegt“, hauchte Hellpfote, als befürchte sie, die Felsen könnten lauschen. „Es waren Schneepfote und Kastanienpfote.“
„Mäusedreck!“, fluchte ich, als der Vogel sich unweit über meinem Kopf in die Luft erhob.
„Du bist ein wenig unkonzentriert heute“, bemerkte Moospelz skeptisch. Es war nicht die erste Beute, die ich auf meiner zweiten Jagdpatrouille verfehlt habe.
„Schlecht geschlafen“, murmelte ich nüchtern. Natürlich stimmte das keineswegs. Meine Gedanken kreisten immer noch um die beiden SteppenClan-Schüler, die momentan unter Aufsicht ihrer Mentoren am Rande des Tals in einer kleinen Erdkuhle trainierten. Finkenpfote und Eulenpfote waren uns mit ihren Mentoren Glutflamme und Federpelz am Rande der Berge auf einer oberflächlichen Untersuchung der Hochebene begegnet. Wie die Clans auch zusammen wuchsen, in den Patrouillen blieben sie immer noch unter sich.
„Komm“, riss Moospelz mich aus meinen Gedanken. „Wir versuchen unser Glück am Bach. Vielleicht erwischen wir einen Fisch.“
Fisch. Ich hatte mich immer noch nicht an den Geschmack gewöhnt, aber die Clans benötigten alle Beutequellen.
„Ich mag es nicht sonderlich, mir die Pfoten nass zu machen“, platzte es aus mir heraus, während ich auf das sprudelnde Wasser herab sah. Genau das war es nämlich, was ich bei meinen letzten Versuchen im Fischfang erreicht hatte.
„Ich glaube, ich habe den Dreh langsam heraus.“ Moospelz setzte sich ruhig an den Rand des Flusses. „Ich versuchte immer, ihn heraus zu schaufeln. Möglichst schnell…Da schwimmt einer!“ Der Kater schlug mit der Pfote zu, verlor dabei das Gleichgewicht uns stürzte kopfüber ihn den Bach.
„Moospelz!“ Ich rannte zu ihm, als er sich schon mit triefendem Fell und einem zappelnden Fisch im Maul aus dem Wasser zog.
„Alles…in Ordnung.“ Er schüttelte sich. „Bin nur ein wenig nass…“ Sein Satz wurde von einem heftigen Niesen unterbrochen. „Ich sollte vielleicht doch zu Goldtupf.“ Der Krieger hustete und spuckte Flusswasser aus.
„Allerdings“, stimmte ich ihm zu und nahm den Fisch. „Komm, ich begleite dich.“
Moospelz wollte sich anscheinend bedanken, nieste stattdessen aber heftig. „Keine Sorge. Hatte nur Schlamm in der Nase“, antwortete er auf meinen besorgten Blick. Ich war mir nicht sicher, ob ich ihm das glauben sollte.
„Es geht mir gut, wirklich!“
„Ob es dir gut geht oder nicht, entscheiden immer noch wir“, wies Goldtupf Moospelz zurecht. „Bis zum Abend bleibst du hier! Wer ist überhaupt auf die Idee gekommen, Fische zu fangen?“
„Erdwurzel hat es als Erste ausprobiert“, antwortete Dornenblatt an Moospelz’ Stelle. „Sie hat sogar einen erwischt, ohne nass zu werden. Kurz darauf kam Finkenpfote triefend ins Lager zurück.“
„Sie sind wenigstens sehr nahrhaft“, verteidigte Moospelz seinen Beuteaufwand, bevor ihm ein Niesen die Worte abschnürte. Goldtupf sah ihn entschieden an. „Nun bleibst du garantiert im Lager. Ich werde gleich Bachminze holen.“
„Das kann ich erledigen, Goldtupf“, miaute Taubenpfote und warf mir dabei einen vielsagenden blick zu.
„Ich kann ihr helfen“, bot ich mich sofort an.
„Danke. Die besten Stellen sind am Wasserfall am Rand des Tals. Und wenn ihr dort Katzenminze findet…“
„Bringen wir sie mit“, versprach Taubenpfote und führte mich aus dem Lager.
„Gibt es Neues über die Schüler?“, fragte ich sie, sobald wir außer Hörweite waren.
„Heute Morgen lag ein mit Schnee bedecktes Kastanienblatt vorm Bau.“
„Der Wind könnte es hergeweht haben“, meinte ich nur.
„Für mich und Hellpfote ist es ein klares Zeichen.“
Mit einem Schwanzwedeln signalisierte ich, dass Schneepfote und Kastanienpfote mit ihren Mentoren vom Training zurückkehrten. Federpelz und Glutflamme hielten weiter auf das Lager zu, während uns die Schüler begrüßten.
„Solltet ihr nicht gleich zum großen Berg aufbrechen?“, fragte Kastanienpfote.
„Der Aufbruch wurde verschoben“, erklärte Taubenpfote. „Moospelz ist in den Bach gefallen und vorsorglich sammeln wir Bachminze.“
„Deswegen vertraue ich auf die alten Jagdmethoden“, miaute Schneepfote mit zuckenden Schnurrhaaren. „Viel Erfolg“, wünschte sie uns, bevor die Schüler ihren Weg fortsetzten.
„Ich komme mir vor, wie ein Lügner“, gestand ich Taubenpfote, als sie außer Hörweite waren.
„Ich weiß, aber wir dürfen damit nicht heraus. Solange wir nicht Genaueres wissen. Ich spüre einfach, dass es so ist.“
„Es wäre wirklich besser, wenn wir noch warten würden.“
„Wir sind schon viel zu lange hier.“ Fuchsstern sprach mir aus der Seele, als sie dies Mausstern sagte. Die Versammlung ist schon einberufen worden, als wir mit der Bachminze zurückkehrten.
„Was ist mit dem Zeichen? Wir sollten herausfinden, was es damit auf sich hat. Es könnte wichtig sein.“
„Was ist los?“; fragte ich Rindenpelz, nachdem ich die Kräuter vor dem Heilerbau abgelegt hatte.
„Alle sind sich uneinig, ob wir der Sache mit dem Großen Berg nachgehen, oder gleich in den Wald zurückkehren sollen“, erklärte mein Freund knapp.
„Wir sind gestärkt“, miaute Fuchsstern eindringlich. „Wir alle wollen zurück in unsere Heimat. Ich weiß, dass dir diese Prophezeiung Sorgen bereitet, aber mir bereitet es ebenso Sorgen, was wir im Wald wieder finden werden, wenn wir noch allzu lange zögern.“
„Mir ebenso“, versicherte Mausstern. „Aber der SternenClan hat uns diese Botschaft nicht umsonst geschickt. Sie wollen uns warnen. Vor etwas, was sich hier in den Bergen befindet.“
„Was ein weiterer Grund ist, um so schnell wie möglich aufzubrechen!“ Fuchsstern machte eine Pause und wandte sich an alle Katzen. „Wir haben gelernt, in den Bergen zu überleben, aber wir sind kein Stamm. Wir sind Clans und unsere alten Traditionen liegen dort unten im Wald. Auch ich fürchte mich vor dem, was eintreffen kann…was eintreffen wird, wenn wir zurückkehren. Aber wir müssen zurückkehren. Alle.“
„In dem Punkt bin ich deiner Meinung“, gab Mausstern zu. „Aber wenn das mit dem Großen Berg stimmt, müssen wir…“
„Wenn wir zurück im Wald sind, werden wir andere Sorgen als den Großen Berg haben!“
Falkensturz trat hervor. „In dem Punkt stimme ich dir zu, Fuchsstern, aber ich bezweifle stark, dass die Rückkehr in den Wald problemlos ablaufen wird. Die Katzen, die noch hier sind…“
„Die noch hier sind?“, warf Eichenblitz ein. „Wollt ihr etwa hier bleiben?“
Mausstern bat um Ruhe. „Wir haben gedacht, dass die Ältesten erst einmal in den Bergen bleiben könnten. Es ist hier sicherer. Die Schüler könnten sie vorerst versorgen…“
„Wir können unsere Entscheidungen immer noch selbst treffen!“, warf Vogelpelz ein. „Es ist edel, dass du dich so um uns sorgst, Mausstern, aber dennoch sind wir lebendige Katzen. Ganz abgesehen davon werdet ihr die Schüler im Kampf, den es unausweichlich geben wird, selbst benötigen.“
Dornenschweif trat hervor. „Feldpfote wurde gerade einen Tag ausgebildet und auch Schneepfote und Kastanienpfote sind nicht sehr lange Schüler. Ich weiß nicht, ob sie gegen die Streuner eine Chance haben.“
Feldpfote wollte ihr anscheinend widersprechen, überlegte es sich dann aber doch anders.
„Sie haben Recht, Fuchsstern“, miaute Goldtupf. „Ich bewundere deine Entschlossenheit, aber auch ich muss sagen, dass mir das Wohl des Clans mehr am Herzen liegt. Selbst wenn wir es schaffen, in den Wald zurück zu kehren, ist ein Krieg unausweichlich. Wo sollen wir einen sicheren Unterschlupf finden? Der einzige, der mir in den Sinn kommt, ist hier in den Bergen. Und ich kann meine Clan-Gefährten nur hier lassen, wenn ich weiß, dass ihnen nichts zustoßen wird."
Dornenblatt trat an ihre Seite. „Wir haben schon alles für die Erkundung vorbereitet. Ich weiß, dass der SternenClan dies möchte. Unsere Kriegerahnen wollen, dass wir sicher sind.“
Goldtupf sah zu ihrer Anführerin hoch. „Wir vertrauen auf dein Urteil, Fuchsstern, aber als deine Heilerin rate ich dir dringend, die Mission zu unterstützen.“
Ich sah, in welch schwieriger Lage meine Anführerin schwebte. Sie war überzeugt, davon, dass ihre Entscheidung richtig war und davon, dass die anderen sie überstimmen würden.
„Die Mission zum Großen Berg wird stattfinden“, brachte sie schließlich gepresst hervor. „Ich möchte aber dennoch so schnell es geht die Rückreise antreten.“
Damit war die Versammlung beendet.
„Kann es sein, dass die Niederlage Fuchsstern ziemlich aufgewühlt hat?“, miaute Rindenpelz, als sich die Versammlung auflöste.
„Es muss schon ein wenig nervenaufreibend sein, plötzlich so wenig Unterstützung zu bekommen. Im Angesicht eines anderen Clans“, nahm ich meine Anführerin in Schutz. „Sie kommt sicher darüber hinweg. Und Mausstern auch.“
„Solange die Clans einander noch brauchen!“, hörte ich Tigerzahn neben mir brummen, der sich gerade vor dem Ältestenbau putzte. Mit leichter Sorge wandte ich mich dem alten Kater zu. „Du meinst doch nicht…“
„Genauso hat das damals im letzten Clan-Krieg auch begonnen. Leichte Meinungsverschiedenheiten. Grenzkonflikte. Streit zwischen einzelnen Katzen. Und dann zwischen beiden Clans.“
„Aber das war doch eine völlig andere Situation“, warf Rindenpelz ein. „Jetzt sind die Clans voneinander abhängig.“
„Noch sind die Clans voneinander abhängig“, korrigierte ihn der Älteste, während Dornenblatt, Hellpfote, Goldtupf und Taubenpfote die Höhle verließen und zum Großen Berg aufbrachen.
Tigerzahn fuhr fort. „Ihr habt selbst schon einen Grenzkonflikt miterlebt. Damit fängt es an. Erst sind es die Streuner und dann wir selbst.“
Kieselpfote sprang zu früh hervor. Sie versuchte, den Vogel noch im Flug mit den Krallen zu erwischen, schlug jedoch daneben.
„Das war Pech“, miaute Steinkralle, als die weiße Kätzin sich nach einer unsanften Landung wieder aufgerappelt hatte.
„Es war ein klarer Beuteverlust!“, knurrte die Schülerin und sah dem Vogel zum Horizont nach.
„Der Frischbeutehaufen ist ohnehin so hoch wie noch nie in den Bergen“, meinte ich. „Da kommt es auf einen Piepmatz mehr oder weniger auch nicht an.“
Ärgerlich peitschte Kieselpfote mit dem Schwanz und wandte sich um. Wir hatten keinerlei Jagdglück gehabt und jeder von uns hatte ungefähr die gleiche Anzahl von Versuchen in den Sand gesetzt.
„Taubenpfotes Traum geht dir nicht aus dem Kopf, oder?“, miaute ich.
„Mir ebenso wenig!“, stimmte Steinkralle zu.
„Ich finde, wir sollten es ihnen sagen!“, fauchte Rindenpelz. „Es geht um sie. Sie haben ein Recht darauf, es zu erfahren.“
„Ich kenne Taubenpfote gut genug“, wies Kieselpfote ab. „Sie hält an ihrem Entschluss fest.“ Sie blickte in Richtung Hochebene.
„Heimweh?“, vermutete ich.
„Wie alle. Ich vermisse den Wald. Fuchsstern hat irgendwie doch Recht.“ Sie fuhr die Krallen aus. „Und wenn sich uns auch nur ein Streuner in den Weg stellt…“
„Ich kann dich gut verstehen!“, bestätigte Rindenpelz. „Ich vermisse den Wald. Die Bäume. Das Rauschen des Windes in den Wipfeln…“
„Und bevor ich Kriegerin werde, möchte ich einmal auf die Große Versammlung!“ Kieselpfote wandte sich an mich. „Wo liegt dieser Tunnel eigentlich?“
Automatisch sah ich zu Steinkralle. Auch Rindenpelz schien nicht verwundert.
„Sie haben mir versprochen, es nicht weiter zu erzählen“, entschuldigte sich die graue Kätzin.
„Es muss ein ziemlich gutes Versteck sein!“, bemerkte Rindenpelz. „Keine Katze hätte erraten, dass du…“
„Scht!“, zischte ich und sah mich um, ob jemand lauschte. „Außer euch wissen nur Rennwind und Tigerzahn davon. Rennwind, weil sie mir den Tipp gegeben hat und Tigerzahn, weil er mich beim heraus Schleichen erwischt hat. Und es wäre gut, wenn das so bleibt.“
„Die Pflanzen haben keine Ohren, Sturmherz!“, erinnerte mich Kieselpfote. „Und ganz nebenbei bezweifle ich, dass das heute noch jemanden interessieren wird.“
„Sonderlich angenehm wäre es dennoch nicht.“
„Was? Dass die Gräser über dich plaudern?“
Die aufschwellende Heiterkeit wurde von einem dröhnenden Donnern untergraben, das vom Großen Berg zu uns herüber dröhnte.
„Was ist das?“, hauchte Rindenpelz mich leiser Stimme.
„Das war der Große Berg“, hörte ich mich miauen. „Er…er brennt!“
In Kieselpfotes Augen spiegelte sich blanke Panik. „Taubenpfote!“, hauchte sie und rannte auf den Koloss zu, der flüssiges Feuer in den Himmel katapultierte. Der brennende Berg. Hellpfotes und Taubenpfotes Traum.
„Kieselpfote, warte!“, rief Rindenpelz. Vergeblich.
„Ich hole sie. Ihr müsst zum Lager!“
Ich war schon halb auf dem Weg, als ich sah, wie Steinkralle immer noch starr in Richtung Großer Berg starrte.
„Steinkralle!“
Mein Ruf riss sie aus der Trance. Am Abhang neben dem Wasserfall kamen uns Flammenschweif und Eschenpfote entgegen.
„Was ist das?“, fragte Eschenpfote mich mit runden Augen.
„Ich habe keine Ahnung“, antwortete sein Mentor an meiner Stelle. „Aber wir müssen sofort los, um die Heiler daraus zu hohlen!“
Der Berg brodelte wie eine Glutgrube. So etwas hatte ich noch nie zuvor gesehen. Glühendes, flüssiges Feuer wälzte sich an ihm herunter. Eine unglaubliche Hitze schlug uns entgegen, als wir auf einen völlig verzweifelt aussehenden Rindenpelz trafen.
„Hast du sie gefunden?“, fragte Flammenschweif. Das Feuer schien sich in Rindenpelz’ Augen wieder zu spiegeln. Pure Verzweiflung stand in seinen Augen.
Panisch sah ich mich um. Der Himmel brannte. Anders konnte ich es nicht beschreiben. Glühende Felsbrocken flogen auf die Felsen herab, die Hitze war nahezu unerträglich.
„Ich glaube, ich weiß, wo sie sind“, schrie Kieselpfote gegen das dröhnen des Berges an. „Hier war ein Weg. Er wäre für Katzen vom Tal die einfachste Alternative!“ Durch flirrende Luft und sengende Hitze folgten wir der Kätzin so schnell wir konnten über das heiße Gestein. Alles, selbst die Luft, schien zu glühen. Ich hatte das Gefühl, jeden Augenblick keine Luft mehr zu bekommen. Eine Duftspur aufzunehmen war unmöglich.
„Sie sind dort drüben!“, schrie Eschenpfote gegen das Beben des Großen Berges an. Ich blinzelte. Schwarzer Rauch hatte sich in meine Augen gefressen und machte eine klare Sicht unmöglich.
„An der Felswand!“, hörte ich Steinkralle rufen. „Goldtupf! Taubenpfote!“
Ich glaubte, einen schwachen Ruf zu hören. Halb blind von dem Rauch drehte ich mich in die Richtung, aus der das Signal kam. Verschwommene Gestalten auf grauem Gestein. Das war alles, was ich erkennen konnte.
„Sind Dornenblatt und Hellpfote bei ihnen?“, rief ich.
„Ja“, bestätigte Flammenschweif. „Aber sie sitzen fest.“
Ich blinzelte. Eine glühende Walze breitete sich zwischen uns und dem Felsen mit den katzenhaften Punkten aus. Ich fühlte, wie die Hitze mein Fell versengte. Alles schien unerträglich zu glühen.
„Ihr müsst springen!“, hörte ich Rindenpelz rufen.
„Sie hören dich nicht!“, brüllte Eschenpfote. „Wir müssen zu ihnen rüber.“
„Das ist unmöglich“, widersprach Flammenschweif. „Der Fluss ist zu breit, um…Sturmherz! Nicht!“
Ich hatte keine Ahnung, was mich dazu trieb, den riesigen Fluss aus feurigem Gestein zu überqueren, den ich noch nicht einmal richtig erkennen konnte. Irgendetwas ergriff von mir Besitz.
SternenClan, rette mich!, dacht eich, als meine Pfoten sich von der Kante abstießen, begleitet von den entsetzten Rufen meiner Clan-Gefährten. Unglaubliche Hitze umgab mich. Ich schwebte über dem brennenden Tod. Es war ein Wunder, dass ich nicht im Sprung Feuer fing.
Ich fühlte wie durch einen Schleier über meiner Wahrnehmung, wie meine Vorderpfoten an der Felskante Halt fanden und mich Zähne hinaus zerrten.
„Ihr müsst springen!“, rief ich, ohne nachzudenken.
„Das geht nicht!“, hörte ich Hellpfotes verzweifelte Stimme.
„Wir müssen hinauf klettern!“, rief Goldtupf. „Oben auf dem Berg…“
„Nein! Das dauert zu lange. Ihr könnt es schaffen…“
„Du bist ein Krieger. Und selbst du wärst beinahe in das Feuer gestürzt!“
Mein Blickfeld wurde deutlicher. Ich konnte Goldtupfs Gesicht erkennen, dahinter die anderen Heiler-Katzen, zusammengekauert und angsterstarrt.
„Ihr schafft das!“, hörte ich mich sagen. „Es ist ganz leicht, seht ihr?“
Ich nahm alle Kraft zusammen und stieß mich von dem Felsen ab. Erneut die Hitze, das Glühen, das mir alle Sinne nahm. Doch diesmal landete ich sicher auf allen vier Pfoten auf dem Fels. Ohne auf meine entsetzten Clan-Gefährten zu achten, drehte ich mich um. „Jetzt ihr!“
Ich bezweifelte, dass die Katzen mich hörten, doch irgendwie schien meine Botschaft doch herüber gekommen sein. Taubenpfote sprang als Zweite.
Mit einem verzweifelten Schrei verfehlte sie die Kante knapp. Hätte ihre Schwester sie nicht in dem Moment mit den Zähnen am Fell gepackt und herauf gezerrt, wäre sie in die schwimmende Glut gefallen.
„Der Nächste!“, rief ich, ohne mich der Heiler-Schülerin genauer zuzuwenden.
Hellpfote kam mit vor Anstrengung und Angst verzerrtem Gesicht auf unserer Seite an, schwankte, wäre gestürzt, wenn Flammschweif sie nicht gehalten hätte.
„Dornenblatt? Goldtupf?“, rief Rindenpelz. „Kommt!“
Goldtupf landete ungeschickt auf unserer Seite. Steinkralle und Eschenpfote verhinderten im letzten Moment, dass sie fiel.
„Dornenblatt?“, wiederholte Rindenpelz.
Keine Antwort. Ich konnte die andere Seite des Felsens nicht mehr erkennen. War der Heiler etwa…
„Dornenblatt!“ Aus Hellpfotes Stimme klang Angst.
„Warum kommt er nicht?“, hauchte Kieselpfote.
Goldtupf hob den Kopf. „Dornenblatt, komm. Schnell.“
Als der Kater aus dem Feuer sprang, wirbelten wir erschrocken zur Seite, da wir nicht auf ihn vorbereitet waren. Mit unsanft aussehender Rolle kam er auf dem Felsen auf. Neben uns schlug ein brennender Felsbrocken ein, der aus dem Himmel gefallen zu sein schien.
„Weg hier! Sofort!“, kommandierte Flammenschweif. Als die Heiler losgelaufen waren, schloss auch ich mich ihnen an.
Keuchend fielen wir ins Gras, als wir das Tal erreichten. Wir stanken nach Rauch und Feuer, unsere Pelze waren grau von der Asche, aber wir lebten.
„Das…das war das Zeichen!“, hörte ich Dornenblatt keuchen. „Fuchsstern…hat Recht gehabt. Wir…wir hätten sogleich aufbrechen sollen.“
„Sie sind hier!“, hörte ich Aschenhauchs Stimme. Mehrere Katzen stürmten aus den Richtungen der Höhle und aus dem Tal auf uns zu. Falkensturz war am Anfang.
„Ihr lebt…ihr…was ist passiert?“
Schwankend stand Goldtupf auf. „Erklärungen gibt es später. Wir müssen los. Im Tal sind die Clans nicht länger sicher.“
Mit starrem Gesichtsausdruck sah Mausstern von den hohen Felsen auf das Tal herab, das sich mit flüssigem Feuer füllte. Die glühende Masse hatte schon auf Entfernung alle Pflanzen in Brand gesetzt. Wir hatten uns so schnell es ging auf die höheren Felsen in Sicherheit gebracht. Nun waren wir hier oben erschöpft zusammen gesunken, erstarrt von dem, was geschehen war. Nur der junge Anführer des SteppenClans sah auf den brodelnden Berg wie zu einer verlorenen Heimat.
„Er fühlt sich schuldig“, sagte Rindenpelz neben mir im nüchternen Tonfall. „Weil er dafür war, im Tal zu bleiben.“
„Schuldig wofür?“, begehrte Steinkralle auf. „Wir sind schließlich alle mit dem Schrecken davon gekommen.“
„Dafür, seine Clan-Gefährten mit seiner Entscheidung in Gefahr gebracht zu haben.“
Ich sah den Anführer mitleidig an. „Er war nicht die einzige Katze, die dafür war. Selbst die Heiler hatten seine Meinung unterstützt. Da kann er sich doch keinen Vorwurf machen.“
„Lasst mich mit ihm reden“, hörte ich Dornenblatt miauen. „Ich kenne ihn gut.“ Ich beobachtete, wie sich der Heiler neben seinen Anführer setzte und leise zu ihm sprach. Seine Worte konnte ich nicht verstehen. Doch ihre Wirkung auf Mausstern war unübersehbar. Immer noch matt, aber nicht mehr ganz so niedergeschlagen stand der Kater auf und lief zu Fuchsstern hinüber.
„Wir müssen besprechen, was zu tun ist“, hörte ich ihn leise, aber deutlich miauen.
Fuchsstern wandte sich an die verstreuten Katzen. „Katzen beider Clans. Wir haben eine Warnung des SternenClans missverstanden. Nun müssen wir überlegen, was zu tun ist.“
Buntschweif trat hervor. „Ich bin keine Heiler-Katze, aber für mich sind die Zeichen unmissverständlich. Wir müssen zurück in den Wald.“
Zustimmendes Miauen von beiden Seiten begleitete die Älteste auf dem Rückweg zu ihren Baugefährten. Weißmond trat hervor. „Wir alle fürchten uns vor der unweigerlichen Konfrontation. Doch wenn wir ehrlich sind, wollen wir alle doch zurück in unsere Heimat.“
Das Miauen der Clans wurde deutlicher. Mausstern bat um Ruhe.
„Ich sehe die Notwendigkeit ein. Dennoch müssen wir überlegen, wie wir unsere Rückkehr anstellen sollen.“
„Wir müssen die Streuner überraschen!“, hörte ich Nachstreif mit kaum zu überhörendem Elan rufen. „Von hinten in den Rücken fallen, an dem Ort, wo sie sich am sichersten fühlen.“
„Und wo sollte dieser Ort deiner Meinung nach sein?“, warf Schattenglanz ein. „Vielleicht mitten in ihrem Lager, wenn sie eins haben?“
„Wir dürfen nichts überstürzen“, stellte Fuchsstern klar. „Wir brauchen zuerst einen guten Ort und einen guten Zeitpunkt zum Angriff.“
„Wieso nur einen Ort?“ Kieselpfote sprang auf, bevor Adlerpelz etwas dagegen unternehmen konnte. „Wenn wir alle blind auf sie zustürmen, nehmen sie uns auseinander wie Moosballen. Es sind gute Kämpfer, aber keine Krieger. Ich wette, wenn es hart auf hart kommt, ziehen sie ab.“
Fuchsstern sah die Schülerin an. „Wie genau stellst du dir das vor, Kieselpfote?“
„Das liegt doch auf der Pfote. Die Streuner glauben, sie hätten uns vertrieben. Ein paar Katzen, die an den Grenzen des Territoriums angreifen, sind für sie wie eine Aufweckübung. Viele Katzen, die von einer Seite auf sie zustürmen, können sie in kräftezehrenden Gefechten in die Flucht schlagen. Aber viele Katzen, die von zwei Seiten angreifen, dazu ein paar Katzen, die durch die Grenzen dringen und wieder ein paar, die Spuren im Lager hinterlassen. Das wird sie schon länger beschäftigen!“
Die Schülerin erhielt eine Zeit lang nachdenkliches Schweigen. Schließlich nickte Fuchsstern zustimmend. „Die Idee ist nicht schlecht, aber was die Organisation eines solchen Vorhabens anbelangt, mache ich mir ernsthafte Gedanken.“
Etwas in mir funkte. „Der Zweibeinerort!“, rief ich aus. Schlagartig wandten sich alle Köpfe in meine Richtung. „Die…die Streuner werden bestimmt vermuten, dass wir von den Bergen oder vom Hochland aus angreifen. Ich wette, dass sie hier regelmäßig patrouillieren. Also wäre es doch logisch, dass wir die Aktion von genau der anderen Seite starten. Die meisten von ihnen kommen doch von dort. Ich bin sicher, dass sie im Zweibeinerort nie etwas Bedrohliches erwarten würden.“
„Das ist wahr!“ Nach Kieselpfotes ergreifenden Vortrag kümmerte sich keine Katze mehr darum, dass Eschenpfote nun gegen dieselben Regeln der Höflichkeit verstieß. „Einige solcher Katzen leben dort. Es gibt unzählige Verstecke im Zweibeinerort und es gehen dort dauernd Katzen ein und aus. Wenn wir uns unauffällig verhalten, fallen wir kein bisschen auf.“
„Es klingt logisch“, stimmte Elsterfeder ihm zu. „Aber wie sollen wir alle unbemerkt dorthin gelangen?“
„Zum Beispiel über die Tunnel“, antwortete der Schüler gelassen, während sich jedes Haar in meinem Pelz in die Höhe reckte. Dornenblatt hob ruckartig den Kopf. „Woher weißt du von den Tunneln?“
„Man erfährt einiges, wenn man vor einem Haufen räudiger Straßenkatzen auf der Flucht ist“, antwortete Rindenpelz an Eschenpfotes Stelle. „Wir haben sie aber eher als letzte Fluchtmöglichkeiten benutzt. Ist es möglich, durch die Tunnel einmal das SteppenClan-Terrirorium zu durchqueren?“
„Möglich schon“, miaute Federpelz. „Aber nicht gerade angenehm und bei Weitem nicht ungefährlich. Schon gar nicht mit zwei Clans.“
„Wir werden auch nicht alle auf einmal aufbrechen!“, klärte Mausstern ihn auf. „Wir werden einzelne Patrouillen zusammenstellen, höchsten vier Katzen auf einmal, die getrennt voneinander zum Zweibeinerort reisen. Erdwurzel, Federpelz, Nachtstreif, ihr kennt euch am besten in den Tunneln aus. Nehmt jeweils zwei oder drei Katzen aus beiden Clans mit. Am Rand der Steppe werden wir eine Scheinangriffstruppe zusammenstellen.“
„Wie wäre es mit der Brücke?“, warf Falkensturz ein. „Sie wäre ein guter…“
„Die Zweibeinerbrücke ist eingestürzt“, erklärte ich ihr. „Aber am äußeren Rand des Donnerweges würde niemand eine Katze vermuten. Geschweige denn riechen können.“
„Dann wird dort die zweite Patrouille stationiert“, stimmte Mausstern zu.
„Am Waldrand befinden sich Zweibeinerwiesen“, miaute Fuchsstern. „Wenn wir uns an denen orientieren, wird es kein Problem sein, dort Verstecke zu suchen, oder zum Zweibeinerort zu reisen.“
„Was ist mit der Hochebene?“, miaute Moospelz. „Von vier Seiten werden die Streuner restlos überfordert sein.“
„Einige Krieger werden hier bleiben“, entschied Fuchsstern. „Aber nun sollten wir erst einmal nachdenken, wen wir zum Zweibeinerort schleusen.“
Das war meine Chance! „Ich kenne Winkel des Zweibeinerortes“, miaute ich nicht ohne Stolz. „Und außerdem die meisten Katzen. Ich werde gehen. Und Eschenpfote sollte mitkommen.“
„Seid ihr sicher, dass die Katzen euch wieder erkennen werden?“, gab Eichenblitz zu bedenken.
Ich konnte ein zufriedenes Schnurren nicht unterdrücken. „An Sturmherz und Eschenpfote werden sie sich niemals erinnern, aber Sturm und Sonko sind unvergesslich.“
„Glaubt ihr, sie werden uns zur Seite stehen?“, miaute Falkensturz mit leichter Skepsis.
„Kämpfen werden sie garantiert nicht“, antwortete Eschenpfote für mich. „Aber Tipps und kleine Unterstützung werden wir immer bekommen.“
„Dann werden wir Heiler ebenfalls zum Zweibeinerort mitkommen!“, miaute Goldtupf.
Fuchsstern nickte. „Damit wäre unsere Vorgehensweise geklärt. Nun müssen wir nur noch die einzelnen Patrouillen einteilen.“
„Ich kann ihn riechen!“, miaute Eschenpfote mit einer Mischung aus Wiedersehensfreude und Aufregung.
Ich roch absolut nichts vom Zweibeinerort. Nur den Wald. Mit einem unangenehmen Beigeschmack, aber immer noch den Wald.
Nach und nach hatten sich alle Katzen getrennt und in einzelnen Gruppen in den Schlupfwinkeln neben den Wiesen versteckt, auf die Dämmerung wartend. Die Sonne sank langsam zum Horizont und der Himmel nahm eine türkise Färbung an, durchsetzt mit rötlich schimmernden Wolken. Wie das wohl zwischen dem Laubdach des Waldes aussehen musste…?
„Ist das der Zweibeinerort?“, riss Taubenpfote mich aus den Gedanken.
„Das müsste er sein“, antwortete Hellpfote an meiner Stelle. „Diese Klötze sind die Höhlen der Zweibeiner. Am Rande ihrer Gärten wachsen massenhaft Kräuter.“
Ich sah, wie sich Taubenpfotes Fell sträubte. „Hunde!“
„Die meisten sind in den Bauen der Zweibeiner eingesperrt“, beruhigte ich sie. „Sie machen zwar einen Höllenlärm haben aber noch keiner Katze ein Haar gekrümmt.“
„Sicher?“
„Hör mal, ich bin dort aufgewachsen.“
Sie schüttelte den Kopf. „Natürlich. Habe ich vergessen.“
So wurde aus dem belächelten Einzelläufer eine richtige Clan-Katze!
„Warum halten wir nicht direkt auf den Zweibeinerort zu?“, äußerte sich Dornenblatt als Erster. „Es wäre kürzer.“
„Dort fahren Monster“, miaute Eschenpfote. „Die Biester können ziemlich gefährlich werden.“
„Und die Katzen könnten uns wirklich helfen?“ Goldtupf schien nicht sehr überzeugt zu sein. „Es sind doch Hauskätzchen. Nicht, das ich ihnen das nicht zutrauen würde, aber würden sie überhaupt verstehen, worum es bei der Sache geht? Ich meine, sie haben doch bestimmt nie etwas von den Clans gehört!“
„Eschenpfote hat als Hauskätzchen immer Gruselgeschichten von wilden Katzen gehört, die Eindringlinge zum Frühstück verspeisen“, erinnerte ich mich.
„So falsch ist diese Bezeichnung gar nicht!“, begehrte Dornenblatt auf. „Nur dass diese Wilden erst seit Kurzem im Wald leben und wir Einzelläufer und Hauskätzchen bitten müssen, uns bei ihrer Vertreibung zu helfen.“
„Hey!“, miaute Eschenpfote beleidigt.
„Lasst uns nur machen“, versicherte ich dem Heiler. „Ihr werdet noch Überraschungen erleben.“
Wir erreichten den Zweibeinerort.
Goldtupf rümpfte die Nase. „Hier stinkt es nach Zweibeinerdreck! Riecht das hier überall so?“
„Der Gestank überdeckt unseren Geruch“, erklärte ich. „Es könnte sein, dass hier einige Streuner lauern, die schlagen sofort Alarm, wenn sie Clan-Katzen riechen.“
Eschenpfote unterdrückte sichtbar ein Lachen. „Es gibt auch angenehmere Orte hier.“
Meine Ballen hatten sich so sehr an das raue Gestein der Berge gewöhnt, dass mir der Zweibeinerboden nicht mehr so viel ausmachte, wie vorher. Es hatte sich kaum etwas verändert. Endlich erreichten wir einen Platz, an dem mehrere Bäume standen und den Gestank abmilderten. Der große Garten war nicht mehr weit.
„Und hier sollen Katzen leben?“, hörte ich Dornenblatt mit einer Mischung aus Misstrauen und Überraschung miauen.
„Hier lebt erst einmal nur eine Katze, die wissen möchte, wer ihr seid und woher ihr kommt!“, meldete sich eine missmutig klingende Stimme hinter uns. Genauso, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Misstrauisch fuhr Goldtupf herum.
„Keine Sorge“, miaute ich. „Flecken spuckt immer große Töne.“
„Ich spucke keine großen Töne…“, wollte sich der braune Kater mit dem weißen Bauchfell verteidigen, als er uns wieder erkannte. „Sonko? Sturm? Aber…wie…“ Er fasste sich wieder. „Wo wart ihr denn die ganze Zeit?! Die anderen haben sich schon Sorgen um euch gemacht. Es gab Gerüchte, die Wilden hätten…“
Mit einem freundschaftlichen Schnurren drückte Eschenpfote seine Nase in das Fell unseres alten Freundes. „Diese Wilden stehen vor dir, Flecken. Und wir gehören dazu!“
„Was?“ Erst jetzt schien der Kater unsere vier Gefährten zu bemerken. „Ihr…ihr wohnt im Wald?“
„Wir wohnten im Wald“, berichtigte Dornenblatt im ernsten Tonfall. „Mit unseren Clans. Und wir haben gerade ernste Probleme.“
„Aber warum habt ihr das nicht gleich gesagt?“ Flecken ging schnurrend auf die fremden Katzen zu. „Die Freunde meiner Freunde sind auch meine Freunde. Und wenn ihr Hilfe braucht, könnt ihr auf alle Katzen dieser Umgebung zählen. Was ist das Problem?“
„Etwas, wofür wir mehr Katzen brauchen“, miaute ich. „Am besten den ganzen Zweibeinerort.“
Ich erkannte einige der Katzen wieder. Sally, eine hochnäsige Hauskätzin, die mir sonst immer tierisch auf die Nerven gegangen ist, der Einzelläufer Wumm, ein schmächtiger Kater mit gelbbraunem Fell, der sich gähnend auf dem Rasen breit machte und ein weiteres Hauskätzchen, einen Kater, den ich allerdings nur vom Sehen her kannte.
Mausstern und Fuchsstern waren inzwischen auch eingetroffen.
„Kommen noch weitere Katzen?“, fragte Mausstern Flecken. Der Kater legte nachdenklich den Kopf schief. „Viel mehr habe ich nicht eingeladen. So viele leben hier nun auch wieder nicht.“
„Danke“, miaute Mausstern und nahm neben Fuchsstern auf dem Baumstumpf platz, den wir als Podest ausgewählt hatten.
„Wir danken euch von tiefsten Herzen, dass ihr gekommen seid“, fing der Anführer an. Nach und nach wurden alle Katzen still. „Wir haben in dem Wald und auf dem Grasland neben eurem Zuhause gelebt, bis fremde Katzen kamen und uns von dort vertrieben haben. Nun wollen wir zurückkehren und hoffen auf eure Hilfe.“
Sally hob stolz das Kinn. „Ich werde mich ganz sicher nicht für ein paar Waldkatzen wie euch raufen!“ Zustimmendes Miauen erklang.
„Das verlangen wir auch nicht“, klärte Fuchsstern sie auf. „Aber Unterstützung können wir gut gebrauchen.“
„Und wie soll diese Unterstützung aussehen?“, rief eine Kätzin, deren Namen ich nicht kannte.
„Es wird unweigerlich zum Kampf kommen. Doch ich verspreche, dass wir euch dabei schützen werden. Wer von euch kennt sich ein wenig im Wald oder in der Steppe aus?“
Zögernd standen einige Katzen auf.
„Habt ihr schon die Streuner gesehen? Ich meine, die Katzen, die nun im Wald leben?“
„Ja“, miaute eine rot gescheckte Kätzin. „Freundlich waren sie nicht gerade, aber sie sagte, solange wir sie in Ruhe ließen, könnten wir uns weiter im Wald aufhalten.“
„Sehr freundlich“, knurrte Eschenpfote. „Bei uns haben sie weniger höflich reagiert.“
„Genau das könnte uns helfen“, miaute Mausstern. „Ihr könntet als Botschafter Nachrichten überbringen. Damit…“
Sally trat mehrere Schritte an den Kater heran. „Und warum sollten wir das tun?“
Fuchsstern neigte höflich den Kopf vor der Kätzin. „Niemand zwingt dich dazu. Wir kommen als einfache Bittsteller und halten dich nicht auf, wenn du uns nicht helfen willst.“
„Eine Frage.“ Es war Wumm, der sich gemeldet hatte. Der Kater stand auf und sah zu den beiden Anführern hoch. „Warum wollt ihr eigentlich so dringend in euren Wald zurück? Ihr könnt bei uns leben. Hier ist genug Platz.“
Zustimmendes Miauen schwoll an. Fuchsstern schien einen Augenblick nach Luft zu ringen.
„Der…der Wald ist für uns mehr, als nur eine Heimat. Unsere Vorfahren haben schon seit undenklich langer Zeit dort gelebt, unsere Traditionen sind mit den Bäumen im Wald verwurzelt. Wir alle haben es gemerkt, als wir fliehen mussten. Das Leben an einem anderen Ort ist nicht dasselbe. Wir benötigen den Wald wie manche von euch ein Zweibeinerdach über dem Kopf benötigen. Er ist unser Leben.“
Fuchsstern schien etwas sagen zu wollen, kam jedoch nicht weiter. Ich trat zu ihr.
„Darf ich es versuchen?“
Dankbar nickte sie mir zu und trat zur Seite. Ich nahm ihren Platz auf dem Baumstumpf ein.
„Die meisten von euch kennen mich und E…und Sonko. Wir sind hier im Zweibeinerort aufgewachsen und eher zufällig an das Leben in den Clans geraten. Ich bin nicht dort geboren, aber trotzdem kann ich euch versichern, dass wir…das diese Katzen keine verrückten Wilden sind, wie ihr glaubt.“
Ich kam mir einen Moment lächerlich vor, doch interessierte Blicke munterten mich auf. „In den Clans herrscht ein Zusammenhalt, den ihr euch nicht vorstellen könnt. Alle sind füreinander da, alle helfen einander. Die Starken helfen den Schwachen. So war es schon immer im Wald.“
Ich sah zunehmendes Interesse in den Augen einiger Katzen. Einige, darunter Wumm, richteten die Ohren auf.
„Wir…wir würden für jeden unserer Clan-Gefährten unser Leben riskieren. Aber all dies würde zusammenbrechen, wenn wir unsere Grundlagen verlieren würden. Und diese liegen im Wald.“
Ich hörte, wie meine Stimme fester wurde. „Es wird gefährlich sein. Aber ich kann euch versprechen, wenn ihr auch nur ein wenig mehr von den Clans versteht, werdet ihr andere Katzen sein.“
Mehr brachte ich nicht hervor. Mit fast hilflosem Blick sah ich zu den Heilern und dann zu Eschenpfote. Dieser stand auf und ergriff das Wort.
„Ich musste nur wenige Clan-Katzen kennen lernen, um dies zu verstehen. Wenn ihr mehr von ihrem Leben erfahrt, werdet ihr wissen, wovon wir reden.“
Man hörte den Wind in den Bäumen rauschen. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis Wumm als erster aufstand und uns fest in die Augen sah. „Ich kenne euch beide schon eine ganze Weile und ich weiß: Wenn ihr beide so redet, muss mehr dahinter stecken als ein Streit zwischen zwei Katzen-Banden.“
Er erhielt zustimmendes Gemurmel. Einige Katzen, darunter Sally, verließen mit skeptischen Mienen den Park.
Ein junger, schwarzer Kater trat hervor. „Wie können wir euch helfen?“
„Ich werde nie wieder Vorurteile gegen Hauskätzchen haben“, hörte ich Goldtupf miauen.
Die Sonne ging in einem brennenden Himmel unter. Das Orange der Dämmerung hatte immer beruhigend auf mich gewirkt. Jetzt erfüllte es mich mit ungeahnter Nervosität.
„Sobald das Zeichen kommt, werden wir losgehen!“, wiederholte Eichenblitz mit ruhiger Stimme. „Denkt daran, unauffällig und schnell. Greift die Streuner erst an, wenn sie ihrerseits schon in einen Kampf verwickelt sind. Wir wollen ihnen nur zeigen, dass wir zurück sind.“
Wie konnte er nur so gelassen bleiben?! Auch Falkensturz, Fuchsstern und Mausstern strahlten eine durchdringende Ruhe aus, während Eschenpfote genau wie ich unruhig von einem Bein auf das andere trat.
Den Geruch nahm ich wahr, bevor ich das Rascheln hörte. Finkenpfote kam aus dem Gebüsch.
„Es kann losgehen“, meldete der Schüler. Mausstern nickte. „Bewegt euch so leise wie möglich“, hauchte er uns zu, während wir nacheinander in den dunklen Schatten des nächtlichen Waldes verschwanden.
Ich nahm kaum Duftspuren von Beutetieren wahr. Dafür einen widerlichen Gestank von Krähenfraß. Zu viele Katzen in einem Gebiet waren die einzige Erklärung, die mir dafür einfiel. Der Wald war leer. Etwas fehlte hier. Etwas sehr Wichtiges…
Ein Rascheln im Gebüsch ließ mich mit gesträubtem Pelz herum fahren. Es war Flecken, der lautstark aus dem Gebüsch kam.
„Nicht weit weg von hier sind Katzen. Ich glaube, das sind die Streuner. Sie haben mich nicht gesehen.“ Er kratzte sich mit der Pfote übers Ohr. „Dieses Gestrüpp! Wie könnt ihr euch da nur die ganze Zeit hindurch zwängen?!“
Fuchsstern deutete mit dem Schwanz in eine andere Richtung. „Dort ist der Wald lichter. Danke für die Auskunft, Flecken.“
„Gerne. Viel Erfolg.“ Der Kater verschwand hinter den Bäumen.
„Und nun?“, miaute Mausstern, der sich im Wald etwas genauso wohl fühlte, wie der Einzelläufer.
„Wir schlagen einen Bogen um sie“, bestimmte Fuchsstern und wollte die Führung in Richtung Tannenwald übernehmen, als mir ein seltsam bekannter Geruch in die Nase stieg.
Ich zögerte, schon die Augen und witterte konzentriert. Noch einmal prüfte ich die Luft. Etwas stieg in meiner Erinnerung hoch. Etwas, das so lange zurück lag, dass ich es selbst schon fast völlig vergessen hätte…
Du wirst es verstehen.
Ich zuckte zusammen, als ich diese Stimme hörte. Hatte ich sie mir nur eingebildet. Ich sah mich um.
Du wirst es schon bald verstehen.
„Sturmherz!“, rief Eichenblitz. „Kommst du?“
Ich schüttelte mich. „Entschuldigung.“ Hastig lief ich den anderen Katzen hinterher.
„Wumm war so nett, uns hier ein Plätzchen zum Schlafen auszusuchen“, begrüßte und Dornenblatt gähnend. Goldtupf und die Schüler schliefen schon längst im Schutz des dichten Busches, in den wir es uns nun gemütlich machten. „Ihr solltet auch ein wenig schlafen“, murmelte der Heiler noch, während er sich friedlich zusammenkauerte.
Ich suchte mir ein Plätzchen am Rand und schloss die Augen. Doch schlafen konnte ich nicht. Etwas in mir kam hoch, an die Oberfläche. Etwas lange Vergessenes…
Niemand wird etwas merken, Graufell. Stell dir vor, was wir gemeinsam erreichen könnten. Wenn die Clans…
Das ist gegen das Gesetzt der Krieger!
Das Gesetzt der Krieger sind nur Richtlinien. Ein Anführer und ein Zweiter Anführer muss das tun, was das Beste für seinen Clan ist.
Du willst Fuchsstern ein Ultimatum stellen? Die Clans müssen weiter bestehen.
Eure Kämpfe haben schon zu viele Opfer gefordert.
Opfer, die Katzen in gutem Gewissen bringen konnten. Unzählige Blattwechsel haben die Clans hier gelebt. Wir haben uns respektiert und geachtet es gab nie größere Streitigkeiten als um Beute. Zu Springsterns Zeiten…
Springstern ist tot, mein Lieber. Es sind andere Zeiten angebrochen.
Ich lasse nicht zu, dass das Blut meiner Anführerin an deinen Krallen klebt!
Du wolltest Anführer werden. Seit du ein Schüler warst, hast du nur für dieses eine Ziel trainiert. Ich kann dir deinen Traum verwirklichen…
Ich fuhr aus dem Schlaf, doch die Stimmen hallten in meinem Kopf wieder. Bilder fügten sich zusammen. Verbindungen entstanden, wo ich sie nie vermutet hätte. Es war alles so logisch… alles so klar…
Du wirst es verstehen.
Ich vergrub meinen Kopf im Moos, aber die Stimme hallte erbarmungslos in meinem Kopf wieder. Ich sah mich wieder über Graufells sterbenden Körper gebeugt. Du wirst es schon bald verstehen.
Er hatte zu große Hoffnungen in mich gesetzt. Doch nun verstand ich. Oder glaubte, zu verstehen.
„Beim SternenClan, da kann ja keine Katze schlafen!“, beschwerte sich Eichenblitz neben mir.
Verwirrt sah ich auf. „Ich erinnere mich wieder!“'
Eichenblitz schüttelte sich und sah mich müde an. „Ist es so wichtig, dass wir dafür unseren Schlaf opfern müssen?!“
„Ich weiß, warum Graufell sterben musste“, hörte ich mich sagen. Schlagartig änderte sich die Miene des Zweiten Anführers.
„Das ist…“ Ich kam nicht weiter. Mein Entschluss war unzweifelbar, widersprach aber allem, was ich je über den verstorbenen Krieger gehört habe. „Allmächtiger SternenClan!“, hauchte ich, „Graufell hatte für die Streuner gearbeitet!“
„Ich glaube das nicht!“ Goldtupf schüttelte den Kopf. „Ich habe ihn so lange gekannt…und du hast dich bestimmt nicht geirrt?“
Es war eine verzweifelte Nachfrage, deren Antwort sie selbst wusste. Wir hatten es geschafft, unsere Besprechung abseits der SteppenClan-Katzen zu führen.
„Habt ihr ihn nach seinem Tod im SternenClan gesehen?“, fragte Fuchsstern.
„Nicht ein einziges Mal“, miaute Goldtupf. „Der SternenClan hat nie ein Wort über ihn verloren. Ich habe nie nachgefragt.“
„Ausgerechnet Graufell“, hauchte Eichenblitz. „Wie konnte er nur…“
Er sprach nicht zu Ende ich holte Luft. „Als ich…kurz bevor er starb, bin ich zu ihm gelaufen. Er hatte etwas gesagt wie, ‚du wirst es verstehen’. Vielleicht…hatte er keine andere Wahl.“
„Du meinst, Blut hätte ihn erpresst?“, fragte Fuchsstern nach.
„Es könnte möglich sein“, antwortete ich vorsichtig, „aber ich habe keinen Schimmer, wie.“
„Sollen wir es dem Clan sagen?“, schlug Goldtupf zaghaft vor. Fuchsstern zögerte, bevor sie antwortete.
„Wir müssen jetzt zusammen halten. So etwas würde nur das Vertrauen ineinander schwächen. Und…nun, ich bin dafür, dass der Clan es irgendwann erfahren muss, aber…ich möchte auch, dass die Katzen Graufell in Erinnerung behalten, wie er war.“
Ich verstand sie sehr gut. Auch Goldtupf nickte.
„Zu viel Aufregung tut beiden Clans nicht gut. Wir sollten das erst einmal für uns behalten…“
Auf ein heftiges Schwanzwedeln von Fuchsstern hin verstummte sie. Finkenpfote erreichte aufgeregt keuchend unseren Busch.
„Der Angriff…Kämpfe…sie…“
„Beruhige dich, Finkenpfote“, miaute Fuchsstern. „Was ist passiert?“
„Kastanienpfote…er ist hierher geflohen. Die Streuner haben die Stellungen angegriffen. Sie…sie wissen, dass wir hier sind.“
Der Schüler hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da waren wir schon auf dem Weg.
Eschenpfote erreichte den Schüler zuerst. Kastanienpfote öffnete schwach die Augen. Er blutete aus einer schmerzhaft aussehenden Wunde am Rücken, die Dornenblatt gerade mit Spinnenweben zupflasterte, während Hellpfote mit einem Maulvoll Mohnsamen zu ihm kam.
„Leck die auf. Dann erzähle uns, was passiert ist!“, miaute die Schülerin sanft.
„Sie…“ Kastanienpfote verschluckte sich an einem der Samen und hustete. „Sie wussten, dass wir angreifen würden. Sie kannten unsere Position.“ Er schluckte den letzten Samen herunter und legte sich flach auf den Rasen. „Wir…wir wurden getrennt. Sie waren hinter mir her…“
Seine Stimme versank in mehreren flachen Atemzügen. Mausstern beugte sich zu ihm herunter. „Kastanienpfote, weißt du, wo die anderen aus deiner Patrouille sind?“
„Hinaus aus der Steppe…zum Donnerweg. Sie sagten, wir sollten zum Zweibeinerort. Weil ihr hier seid.“
„Gut, ruhe dich aus.“ Maussterns Worte waren wie ein Signal. Kastanienpfote schloss die Augen und schlummerte ein. Sein Anführer wandte sich zu Fuchsstern.
„Wenn sie die Katzen in der Steppe entdeckt haben, schweben auch die Patrouillen auf den Wiesen in Gefahr. Sie müssen gewarnt werden!“
„Ich werde einige Katzen vom Zweibeinerort bitten, dies zu tun“, miaute Falkensturz.
„Was ist mit den Katzen in den Bergen?“, kam es mir in den Sinn. „Es würde zu lange dauern, sie hierher zu bringen.“
„Gebe deinem Boten mit, dass eine der Patrouillen in die Berge reisen muss und den dort Verbliebenen sagen soll, dass sie warten müssen, bis alles geklärt ist“, gab Mausstern als Antwort an Falkensturz weiter, die sich mit einem Nicken zu den Zweibeinerort-Katzen aufmachte. Ich hoffte, dass sie nicht zu spät kamen.
Aufatmen konnte ich nicht einmal, als alle Katzen unversehrt, aber ziemlich verwundert ankamen. Irgendwie hatten es selbst die Zurückgebliebenen in den Bergen erfahren. Während ich noch zunehmend hilflos auf die vielen Katzen blickte, sprang mir Schneepfote gerade zu ins Fell.
„Wo ist Kastanienpfote?“
Ich nickte nur kurz in die Richtung, in der der sich inzwischen erholte Kater saß und mit großen Augen der aufgeregten Versammlung folgte. Schneepfote sprang ihm geradezu ans Ohr, als sie ihn erleichtert begrüßte. Dann wurde alles still.
„Es war keinesfalls ein Zufall“, hörte ich Fuchsstern miauen. „Sie wussten, wo wir waren und was wir vorhatten.“
Überstürztes Miauen machte sich in beiden Clans breit. Adlerpelz trat hervor. „Wir waren alle vor ihnen auf der Flucht. Sie haben unsere Clan-Gefährten auf dem Gewissen. Warum sollte sich irgendeine Katze mit ihnen verbünden?“
Der Krieger erntete Zustimmung. Fuchsstern entgegnete: „Warum sollten sie sonst so genau von unseren Positionen gewusst haben?“
Das aufgebrachte Gemurmel mündete in schockierter Stille. Blicke wurden umher geschweift. Mausstern trat vor.
„Ich kann es selbst kaum wahrhaben, aber es gibt keine Zweifel: Wir haben einen Verräter unter uns.“
„Das kann nicht wahr sein“, miaute Rindenpelz mit gesträubtem Fell. „Wir sind doch alle vor ihnen geflohen und zusammen zurückgekehrt. Wie soll irgendeine Katze da mit den Streunern…“ Er hielt inne und schüttelte sich.
„Es gibt aber keine andere Lösung“, miaute ich, während ich die Maus verdrückte. „Die Zweibeinerort-Katzen können es nicht gewesen sein. Glaube mir.“
„Ich weiß. Aber der Gedanke, dass einer unserer Clan-Gefährten…“
„Ist schlicht und einfach ein Irrtum!“, knurrte Steinkralle wütend. „Keine Clan-Katze…keine richtige Clan-Katze…wie kommt Fuchsstern überhaupt darauf, dass jemand von uns die Clans an die Streuner verraten hätte!?“
Wegen Graufell. Aber das konnte ich ihnen nicht sagen. Das war abgesprochen.
„Ich denke, das ist unsere geringste Sorge“, knurrte Rindenpelz. „Wenn wir einen Spitzel unter uns haben, nützen alle Vorkehrungen nichts. Dann sind wir verloren. Und die Schlacht steht kurz bevor.“
Ich fuhr mitten in der Nacht hoch, als ein Ast neben mir knackte.
„Entschuldigung“, murmelte Taubenpfote, die neben mir im Mondlicht erschien. „Aber ich kann unmöglich schlafen.“
„In Ordnung.“ Ich entspannte mich wieder und setzte mich auf.
„Ich glaube, für diesen Tag habe ich etwas viel Gerede über Verrat gehört“, miaute die Kätzin nüchtern.
„Das geht nicht nur dir so“, stimmte ich ihr zu. „Aber ich könnte niemandem der Katzen zutrauen, uns auszuspionieren.“
„Das konnte ich Graufell auch nie zutrauen. Als Junges war er für mich immer ein Vorbild für Loyalität.“ Sie sah zum Nachthimmel herauf. „Manchmal frage ich mich, was der SternenClan eigentlich von uns erwartet.“
Genau, was erwartet ihr von uns? In letzter Zeit hatte ich weder von Springstern, noch von Regen oder Birkenkralle eine Schnurrhaarspitze gesehen. Und wenn selbst die Heiler keine Zeichen bekamen…
Taubenpfotes im Mondlicht silbern schimmerndes Fell sträubte sich auf einmal, ihre Augen und Nasenflügel weiteten sich, sie sah in eine andere Welt.
Die Erkenntnis durchfuhr mich wie ein Schlag. Ein Zeichen des SternenClans, als wir fast alle Hoffnung verloren hatten.
„Die Schlacht steht bevor“, hauchte Taubenpfote in der Trance.
„Schlacht“, hauchte ich.
„Schon sehr bald.“ Taubenpfote zuckte zusammen.
„Was hast du gesehen“, entfuhr es mir.
„Schneepfote und Kastanienpfote. In den Flammen.“
Unwillkürlich sah ich zu der Stelle hinüber, in der die Geschwister in der Dunkelheit schliefen. „Du glaubst doch nicht, dass sie…“
„Ich weiß nicht, was ich noch glauben soll“, unterbrach mich die junge Heilerin niedergeschlagen und schlich mit hängenden Ohren in ihr Nest zurück.
„Diese Scheune haben die Aufrechtgeher mal genutzt. Sie steht aber schon seit fast zwei Blattwechseln leer und es gibt viele Mäuse dort drinnen. Wenn ihr wollt, kann ich paar für euch fangen, ihr seht alle sehr hungrig aus.“
„Vielen Dank, Flecken“, miaute Mausstern müde. Wir waren noch vor Sonnenhoch aufgebrochen, als Wumm uns gewarnt hatte, dass die Streuner in der Nähe des Zweibeinerortes gesichtet wurden. Unsere neuen Verbündeten erwiesen sich als überaus nützlich, obwohl ich bezweifelte, dass alle ernsthaft verstanden, worum es ging.
„Flecken, einen Moment noch!“ Fuchsstern hielt den Einzelläufer auf. „Falls es…zum Kampf kommt…oder die Streuner ahnen, dass ihr uns geholfen habt, halte dich aus allem raus. Sag das auch den anderen Katzen. Ich habe großen Respekt vor eurem Mut, aber ihr seid keine Krieger und wir möchten nicht, dass euch etwas passiert.“
Der Kater neigte respektvoll den Kopf. „Ich werde es ausrichten, Fuchsstern, aber ich denke, dass ich im Namen aller spreche, wenn ich nun sage, dass wir euch immer nach Kräften unterstützen werden. Auch wenn wir nicht an den SternenClan glauben.“
Ich spürte mit einem leichten Prickeln, wie er kurz zu mir und Eschenpfote hinüber sah.
„Sie haben es für uns getan“, sprach der Schüler aus, was ich dachte. „Wenn wir beide nicht dabei gewesen wären, hätten sie die Clans einfach stehen gelassen.“ Als Flecken vorbei kam, lief er an seine Seite. „Ich jage mit dir.“
Mir lag ein Schnurren auf der Zunge, als ich den beiden hinterher sah. Dankbarkeit. Freundschaft. Alles, was wir jetzt brauchten.
„Wir brauchen unbedingt mehr Kräuter“, hörte ich Dornenblatt miauen. „Alle Katzen sind sehr angeschlagen und unsere Vorräte sind leer.“
„Das können wir übernehmen“, miaute Hellpfote, „Wir nehmen noch ein paar Katzen zusätzlich mit.“ Ich wusste, was sie meinte. Als Taubenpfote und Hellpfote an uns vorbeitappten, raunte uns Taubenpfote zu: „Holt Kieselpfote, Steinkralle und Rindenpelz. Schnell. Wir haben zu reden.“
„Das ist nicht dein Ernst!“, fuhr Steinkralle auf, während sie die Halme durchbiss.
„Sie werden eine entscheidende Rolle in der Schlacht spielen“, entgegnete Taubenpfote kühl. „Wir wissen nur nicht, für welche Seite.“
Ich schüttelte den Kopf. „Ich kenne sie. Beide. Kastanienpfote und Schneepfote würden niemals…“
„Sie gehören zu meinem Clan!“, erinnerte mich Hellpfote, „was soll ich denn sagen?!“
„Wir sollten sie in jedem Fall im Auge behalten“, miaute Kieselpfote. „Uns vertrauen sie, also müsste das nicht allzu schwer sein.“
„Ich fühle mich mies dabei“, bemerkte Eschenpfote mit funkelndem Blick. „Sie haben mir ihr Leben anvertraut und nun soll ich sie beschatten?“
„Auf sie aufpassen“, korrigierte Rindenpelz. „Unauffällig. Kastanienpfote hat mich heute schon etwas komisch angesehen. Vielleicht spürt er etwas.“
Ich konnte mich nicht länger zurückhalten. „Er spürt es ganz sicher, wenn wir ihm Pfotenschritt für Pfotenschritt überwachen! Warum glaubt ihr eigentlich, dass sie uns verraten haben könnten?!“
„Es wäre logisch“, miaute Hellpfote zaghaft.
„Es sind deine Clan-Gefährten!“, fuhr ich sie an, sodass die Heilerin zusammen zuckte. „Ihr Bruder ist auf der Flucht gestorben! Als Junge sind wir ihnen begegnet. So lange haben wir bei ihnen in den Bergen gelebt! Und ihr glaubt, sie könnten trotz allem, was passiert ist…“
„Natürlich nicht!“, rechtfertigte Hellpfote. „Aber aufgrund der Zeichen müssen wir diese Möglichkeit in Betracht ziehen.“
„Zeichen!“, knurrte Eschenpfote und riss die Wachholderblätter grob ab. „Das ist auch ein Zeichen. Und zwar dafür, dass ich langsam glaube, ihr seid mäusehirnig geworden!“
„Vorsichtig ist ein anderes Wort!“, fauchte Kieselpfote zurück. Rindenpelz schob sich zwischen die beiden. „Bitte, Streit ist das Letzte, was wir jetzt gebrauchen können!“
Kieselpfotes Fell glättete sich wieder. „Ich kann euch verstehen. Auch ich vertraue ihnen. Aber genauso vertraue ich Taubenpfote und Hellpfote. Und dem SternenClan.“
Sie nahm ihre Kräuter auf und macht sich wortlos auf den Weg zurück zur Scheune.
Ich wurde von Schneepfote umgerannt, die sich gerade auf eine Maus stürzte, die in meine Richtung floh.
„Mäusedreck!“, fluchte die Schülerin, als ihre Beute im Loch verschwand. Ich rappelte mich wieder auf. Bei ihrem Anblick bekam ich sofort ein schlechtes Gewissen.
„Das wird schon noch“, versuchte ich sie zu beruhigen.
„Es würde etwas werden, wenn es hier Kanninchen geben würde“, meinte Schneepfote stattdessen. „Schöne, große, saftige Steppenkanninchen. Dann hätten wir auch genug zu futtern.“ Sie sah die verstreuten Kräuter, die ich gerade einsammelte. „Warte, ich helfe dir.“
Meine Gewissensbisse wurden nicht besser, als ich mit ihr zusammen die Kräuter zum Heilerbau trug, wo Kastanienpfote mit neckischem Blick aufsah.
„Hast du eine Maus bekommen?“
„Die Viecher sind verdammt schnell. Und so klein!“
„Ich kann dir zeigen, wie man sich an sie anschleicht“, platzte es aus mir heraus. In Schneepfotes Augen leuchtete etwas auf. „Danke! Wir können gleich anfangen. Du musst noch hier bleiben, Kastanienpfote, du bist noch nicht ganz gesund.“
Mit ärgerlichem Knurren legte sich ihr Bruder zurück, während Hellpfote mit ihren Kräutern hereinkam. Mir entging nicht ihr funkelnder Blick, den sie uns hinterher warf.
„Die Träume müssen eine andere Bedeutung haben!“, miaute Steinkralle immer wieder.
„Ich weiß“, stimmte ich ihr zu, während ich es mir neben ihr gemütlich machte. Wir kamen gerade von der Abendpatrouille wieder und neben uns schnarchten alle. Obwohl ich hundemüde war, konnte ich beim besten Willen kein Auge zumachen.
„Wer könnte der Verräter sein?“, murmelte ich mehr zu mir selbst.
„Ich verdächtige niemanden, solange uns keine klaren Beweise vorliegen!“, bestimmte Steinkralle. „Ich muss erst einmal die Wahrheit über Graufell verdauen.“
Du wirst es verstehen!
Müde schloss ich die Augen. Ich verstand absolut gar nichts mehr.
Lautlos ging ich über den Waldboden. In den Wipfeln rauschte eine leichte Brise und die kühle Luft der Blattfrische war mit dem Duft von jungen Blüten erfüllt. Es war schön, hier im Wald. Wenn da nicht diese Schatten wären.
Die Schatten. Funkelnde Augen blitzten mir entgegen, Fangzähne leuchteten in der Dunkelheit. Riesige, dunkle Gestalten sprangen aus dem Dunkel auf mich zu…
Mit einem hektischen Keuchen wachte ich auf. Ich war nicht der einzige, der unsanft aus dem Schlag gerissen wurde. Und wir waren nicht die einzigen hier in der Scheune.
Ich war nicht die einzige Katze, die mit gesträubtem Fell hochfuhr und die Krallen in die Luft riss. Funkelnde Augen leuchteten im Halbdunkeln um mich herum auf.
„Keine Sorge, wir sind es nur!“ Ich entspannte mich, es war Wumm. Nun erkannte ich auch Flecken, Wumm und sogar Sally.
„Ihr solltet euch doch raushalten“, hörte ich Mausstern mit strenger besorgt klingender Stimme hinter mir miauen. Nach und nach wurden auch die anderen Katzen wach.
„Wir wollen euch warnen!“, entgegnete Sally im beleidigten Tonfall. „Ich halte zwar nicht viel von euren verworrenen Philosophien, das ist aber noch lange kein Grund, euch zu opfern!“
„Was ist denn los?“, gähnte Tigerzahn im hinteren Teil der Scheune.
„Die Streuner, oder wie auch immer ihr sie nennt, haben gemerkt, dass ihr euch hier verkrochen habt.“
Schlagartig waren alle Katzen hellwach.
„Woher…woher wisst ihr das?!“, rief Falkensturz stockend aus.
„Ich habe einige zwielichtige Gestalten aus dem Wald in unseren Ort laufen sehen“, berichtete Sally. „Sie haben ein wenig herumgeschnüffelt und dann etwas gesagt, wie ‚Es stimmt, sie sind hier.’ Es fiel noch der Zeitpunkt ‚morgen früh’.“
„Bist du sicher, dass sie uns meinten?“, keuchte Fuchsstern mit weit aufgerissenen Augen.
Mir entging nicht, wie Sallys Fell sich sträubte. „Ich kann Eins und Eins zusammen zählen! Als die Luft rein war, habe ich Flecken gesucht, da er wusste, wo ihr euch verkrochen habt. Er und Wumm haben sich gerade darüber gestritten…“
Flecken signalisierte ihr durch einen funkelnden Blick, dass dieser Sachverhalt im Dunkeln bleiben sollte. Panisch blickten die Clan-Katzen sich an.
„Die anderen Katzen sich schon benachrichtigt“, fügte Wumm hinzu. „Sie haben versprochen, dass sie sich aus allem heraushalten.“
„Was sollen wir jetzt tun?“, hörte ich Blütennase miauen.
„Sie überraschen!“, knurrte Mausstern. „Wir danken euch sehr, für eure Information, aber es wäre jetzt wirklich besser, wenn ihr euch in Sicherheit bringt.“
„Viel Glück“, murmelte Wumm, während die drei Katzen die Scheune verließen.
„Sie kommen“, hauchte Rindenpelz mit gestäubtem Fell. Der Kater fuhr seine Krallen aus und starrte funkelnd vom Scheunendach hinunter auf den steinernen Zweibeinerweg. Gegen das orangegelbe Licht der Abendsonne hoben sich zwischen den Zweibeinerhöhlen Katzengestalten ab, die mit schnellen, gezielten Schritten auf unsere Scheune zuhielten. Ich konnte nicht erkennen, wie viele es waren, doch sie waren uns zahlenmäßig mindestens ebenbürtig, da aus anderen Gassen ebenfalls Katzen auftauchten. Sie rochen stark nach dem Wald, den ich so sehr vermisste. Und sie hatten gelernt. Das sah ich allein an der Art, wie sie sich über den Zweibeinerweg bewegten. Ihnen würde nicht noch einmal der Fehler passieren, ein paar Clan-Katzen einfach so durch ihr Territorium wandern zu lassen.
„Wir warten, bis sie drinnen sind“, wies Eichenblitz uns an und gab den Katzen hinter den stehenden Monstern neben der Hütte mittels eines Kopfnickens sein Zeichen. Dicht an das Gras gepresst bewegten sie sich schnell und lautlos wie Schatten von hinten auf die Angreifer zu. Die anderen beiden Einheiten rechts und links unter den Büschen in der Scheune griffen lautlos an. Mit überraschtem Miauen fuhren die Streuner herum, als sie von allen Seiten angegriffen und in die Scheune gedrängt wurden.
„Kommt!“, miaute Eichenblitz und führte uns durch das Loch im Dach hinunter auf die wagerecht liegenden Balken der Scheune, von denen wir wie Raubvögel auf die kämpfenden Katzen herab segelten.
Ich landete auf den Schultern einer Kätzin, die Glutflamme überwältigt und zu Boden gedrückt hatte. Fauchend fuhr sie herum, wollte mit den Krallen nach mir schlagen, doch ich kam ihr zuvor. Mein Kampfgeist war wieder erwacht. Mit vollem Gewicht stemmte ich mich mit den Pfoten gegen ihre Brust und brachte sie aus dem Gleichgewicht. Ich wollte nachsetzen, verlor dabei aber ihre Hinterpfoten aus den Augen, die mich von den Beinen rissen und zu Boden schleuderten. Krallen bohrten sich in meine Schultern.
„Du bist zurückgekehrt, Pfötchen!“
Schlagartig erkannte ich das schmutziggraue Fell der Kätzin wieder. Fang!
Mit den Hinterbeinen stieß ich sie in die Seite und rollte mich auf sie. Vor Schmerz und Überraschung jaulte Fang auf, als ich ihr mit ausgefahrenen Krallen hart über das Gesicht fuhr.
„Ich bin ein Krieger! Merke dir das!“
Etwas glühte in Fangs Augen, als ihre Zähne zuschnappten. Der Zorn hatte mich im entscheidenden Moment blind gemacht. Ich spürte, wie ich durch die Luft flog. Mein Kopf stieß gegen etwas Hartes.
„Für uns seid ihr keine Gegner!“, höhnte Fangs Stimme in meinen Ohren, bevor ein gleißender Schmerz meine Wahrnehmung auslöschte.
„…seht ihr. Es ist gar nicht so schlimm. Er kommt ja schon wieder zu sich!“
Ich blinzelte. Etwas Stechendes bohrte sich in meinen Schädel. Irritiert sah ich in hoffnungsvolle und doch besorgte Gesichter.
„Haben wir sie in die Flucht geschlagen?“
„Unter Einsatz all unserer Kräfte“, antwortete Steinkralle matt. Die Narbe auf ihrer Stirn hatte anscheinend wieder zu bluten angefangen, denn Reste scharf riechender Kräuterpaste klebten an ihrem Kopf. „Ich glaube, wir sind nur davon gekommen, weil wir das Überraschungsmoment auf unserer Seite hatten“, antwortete Falkensturz.
Ich schloss die Augen. „Ist sonst noch jemand verletzt?“
„Feldpfote hat wie eine Kriegerin gekämpft, aber einige böse Kratzer abbekommen“, antwortete Taubenpfote. „Nachtstreif hat eine gezerrte Kralle, Elsterfeder eine Schulterwunde, Vogelpelz einen Biss…“
„Vogelpelz?!“
„Einer der Angreifer ist zu den Ältesten durchgedrungen und hat ihre Krallen zu spüren bekommen. Ihre Kriegerzeit ist zwar eine halbe Ewigkeit her, aber unterschätzen sollte man Älteste dennoch nicht.“
Ich schloss die Augen. „Sie wussten, wo wir waren.“
„Genau das vermuten Mausstern und Fuchsstern auch“, stimmte mir Goldtupf zu. Das Pochen in meinem Kopf wurde stärker. Der Traum. Schneepfote und Kastanienpfote.
„Die Geschwister sind unversehrt!“, zischte Taubenpfote mir ins Ohr, als hätte sie meine Gedanken gelesen.
„Sind sie da die Einzigen!“, fauchte ich leise zurück, während ich mich aufrichtete.
„Nein, aber…“
Sie brach ab, als ihre Mentorin mit Mohnsamen zurückkehrte. „Leck die auf. Taubenpfote, wir gehen gleich los, um neue Kräuter zu holen. Nach der Zeremonie.“
„Welche Zeremonie?“, fragte ich müde.
„Finkenpfote und Eulenpfote werden zu Kriegern ernannt.“
„Ich, Mausstern, Anführer des SteppenClans, bitte meine Kriegerahnen auf diese beiden Katzen herab zu sehen. Sie haben lange und hart trainiert, um eure edlen Gesetze zu erlernen. Finkenpfote, Eulenpfote, versprecht ihr das Gesetz der Krieger zu achten, euren Clan zu schützen und zu verteidigen, selbst wenn es euer Leben kostet?“
„Ich verspreche es!“, sagte Finkenpfote mit klarer Stimme.
„Ich verspreche es!“, miaute Eulenpfote hastig, während ihre Schwanzspitze zitterte.
„Dann gebe ich euch mit der Kraft des SternenClans eure Kriegernamen. Finkenpfote, von diesem Augenblick an wirst du Finkenflug heißen. Der SternenClan ehrt deine Tatkraft und Loyalität und heißt dich als vollwertigen Krieger in unserem Clan willkommen.“
Finkenflug leckte die Schulter seines Anführers, während dieser sich zu ihm herunter beugte. Mausstern wandte sich an Eulenpfote.
„Eulenpfote, von diesem Augenblick wirst du Eulenauge heißen. Der SternenClan ehrt deinen Mut und deinen Scharfsinn und heißt dich als vollwertige Kriegerin in unserem Clan willkommen.“
Eulenauge zitterte, als sie die Schulter ihres Anführers leckte. Der SteppenClan wiederholte ihren Namen und den ihres Bruders.
„Finkenflug! Eulenauge!“
Ich erinnerte mich an das Gefühl, das mich ergriffen hatte, als ich die beiden frisch ernannten Krieger sah. Unwillkürlich fiel mein Blick auf Schneepfote und Kastanienpfote, die ihren Baugefährten gratulierten.
„Es wird bestimmt nicht lange dauern, da auch wie zu Kriegern ernannt werden“, brüstete sich Kastanienpfote stolz. „Der Clan wird sich noch wundern, was wir alles vollbringen werden!“
Ich dachte an die unheilvolle Prophezeiung. Mein Fell sträubte sich trotz der allgemeinen feierlichen Laune. Ich musste die beiden im Auge behalten, wenn sich der Angriff nicht wiederholen sollte!
„Die Luft ist rein!“, miaute Wumm von dem Dach des Zweibeinerbaus aus. „Viel Glück!“
Nacheinander betraten wir den Wald.
„Wir müssen zusammen bleiben!“, hallten Fuchssterns Anweisungen in meinem Kopf wieder. „Wer sich verirrt, ist verloren. Bleibt zusammen. Der SternenClan steht auf unserer Seite.“
Gleich nachdem der Entschluss gefallen war, sind wir aufgebrochen. In geschlossener Gemeinschaft. Jeder behielt jeden im Auge. Keine Angriffsfläche. Jedenfalls vorläufig.
„Ich habe Angst“, miaute Steinkralle neben mir.
„Ich auch“, gestand ich leise. Die Bäume hatten Augen und Ohren bekommen. Gesichter schienen uns auf Schritt und Tritt zu verfolgen.
„Wir erreichen bald unser Lager!“, miaute Fuchsstern. „Haltet euch bereit. Sie sind hier!“
Ich bemerkte, wie ich zitterte. Mit eiserner Disziplin schaffte ich es, meinen Pelz oberflächig zu glätten. Ich suchte nach Kastanienpfote und Schneepfote. Kastanienpfote fand ich ziemlich am Rand der Patrouille mit unsicher aussehendem Gesicht. Seine bernsteinfarbenen Augen huschten über die Büsche des Waldes. Plante er seine Flucht? Ich überlegte, wie ich mich näher an ihn heran schleichen konnte, ohne aufdringlich zu wirken.
„Siehst du Schneepfote?“, hauchte ich Steinkralle zu.
„Sie ist wenige Schwanzlängen hinter uns. Ich behalte sie im Auge“, flüsterte sie zurück. „Obwohl ich nicht an Hellpfotes verrückten Traum glaube“, fügte sie hinzu.
„Katzen!“, zischte Glutflamme vom Anfang der Patrouille. Alle duckten sich tiefer in das dichte Unterholz.
„Haben sie uns entdeckt?“, hauchte Eulenauge.
„Noch nicht!“, miaute Mausstern mit gefährlicher Ruhe. Er und Fuchsstern fixierten die durch den Wald laufenden Katzen.
„Jetzt!“, kommandierten beide Anführer gleichzeitig.
Katzen fielen über überrascht aufjaulende Katzen her. Es waren fünf. Ohne Probleme rangen die ersten Krieger sie zu Boden. Fuchsstern trat mit funkelndem Blick vor die Katzen.
„Sagt euren Freunden, dass wir zurück sind. Und dass wir uns kein zweites Mal von ihnen verjagen lassen wie Kanninchen!“
Sie gab das Zeichen, die Katzen loszulassen. Eine Kätzin warf uns, bevor sie im Wald verschwand einen mörderischen Blick zu. „Wir werden uns nicht einfach runter kriegen lassen!“, knurrte sie uns zu, bevor sie im Wald verschwand.
„Folgt ihrer Duftspur!“, weiß Mausstern uns an. Wir setzten uns in Bewegung. Ich warf einen prüfenden Blick zu Kastanienpfote, der keine Anstalten machte, sich von der Gruppe zu entfernen, und sprintete schneller. Mir entging der Seitenblick in meine Richtung nicht. Merkte er, dass ich ihn beobachtete?
Ich richtete meine Augen auf den Weg vor uns, um nicht mehr so aufdringlich zu wirken. Was tat ich hier eigentlich?! Ich fing ja schon an, an Hellpfotes und Taubenpfotes verrückten Theorien zu glauben!
Fuchsstern blieb auf einmal stehen.
„Sie kommen“, miaute sie. „Wie ich es erwartet habe.“
Ich prüfte die Luft. Die Katzengerüche kamen mir nur vage bekannt vor, aber keinen von ihnen erkannte ich wieder. Ich ließ meine Krallen ausfahren. So gerne hätte ich Blut oder Fang das Fell zerkratzt!
„In die Büsche!“, ordnete Fuchsstern an, was die SteppenClan-Katzen eher schlecht als recht befolgten.
„Du gibst das Zeichen!“, hörte ich Mausstern miauen. Offen würde er nie zugeben, dass er sich in diesem Territorium unwohl fühlte. Ich spitzte die Ohren, als ich Pfotengeräusche hörte.
Eulenauge und Finkenflug duckten sich mit einem nicht zu missverstehenden Funkeln in den Augen. Ihr erster Kampf als Krieger. Auch Kieselpfote und Eschenpfote schienen angespannt. Kein Wunder. Wenn sie die Invasion überlebten, gab es keinen Grund, ihre Kriegerzeremonie länger heraus zu zögern.
Ich duckte mich tiefer, als die Streuner näher kamen. Sie kamen aus der Richtung unseres alten Lagers, anscheinend der perfekte Ort für sie. Hoffentlich würden wir es einigermaßen ordentlich zurück erhalten.
Ich hörte, wie die Katzen inne hielten. Mein Herz schlug bis zum Hals. Hatten sie uns entdeckt? Ahnten sie die Falle?
Ich schloss die Augen und zog tief die Luft durch die Nase. Ihr Geruch wurde schwächer. Kein Zweifel, sie kehrten um.
„Sind wir aufgeflogen?“, sprach Elsterfeder meine Befürchtungen aus. Zwei Clans waren nicht gerade unauffällig.
„Ich fürchte ja“, hörte ich Dornenschweif miauen. Furcht klang in der Stimme der braunen Kätzin mit.
„Was jetzt?“, hauchte Mausschweif.
„Es wird zum Kampf kommen“, stellte Aschenhauch deutlich klar.
In Maussterns Stimme schwang eisige Kälte mit, als er antwortete: „Dann werden wir mit dem Kampf beginnen.“
„Das ist also unser Lager?“, miaute Eschenpfote mit undeutbarer Stimme, aber interessierten Blick.
„Das war unser Lager“, berichtigte Kieselpfote mit einem grollenden Unterton.
„Ich erinnere mich“, sagte Feldpfote mit sanfter Stimme. „An einige Gerüche. An ein Gefühl, geborgen zu sein.“ Die junge Schülerin beugte sich ein wenig vor.
„Feldpfote, nicht!“, warnte Rennwind zischend. „Sie dürfen uns nicht sehen!“
Die braune Kätzin folgte dem Befehl ihrer Mentorin und ging einige Schritte zurück in den Busch. Ich konnte die Wiedersehensfreude der Schüler nur bedingt teilen. Die Baue und Schutzwälle waren in einem katastrophalen Zustand. Hätte ich nicht gewusst, wie es früher hier ausgesehen hat, hätte ich den Platz nicht wieder erkannt. Nur wenige Katzen hielten sich in der Talsenke auf. Wenn nicht jeden Augenblick Verstärkung aus dem Wald brach, würde es keine Schwierigkeiten machen, das Lager zurück zu erobern. Dort war der beste Stützpunkt, um den Wald bis zum Zweibeinerort streunerfrei zu machen. Danach kam die Steppe dran. Wenn wir über den Fluss kamen.
Ich schüttelte den Kopf, um diese Gedanken vorläufig zu verbannen. Ich ließ meinen Blick über unser Lager schweifen.
„Wir sollten sie umzingeln, damit sie keine Verteidigungslinie bilden können!“, hörte ich Falkensturz flüstern. „Je schneller, desto besser.“
„Nein!“ Ich biss mir auf die Zunge. Mein Ausruf war beinahe zu laut gewesen. Nicht unbedingt erfreut aber dennoch interessiert sah mich die Zweite Anführerin an.
„Sie können sich nach einer Linie ausrichten. Sie sind immer noch gute Kämpfer. Wenn wir sie besiegen wollen, müssen wir mitten in das Herz des Feindes vordringen. So sind wir ihnen auch entkommen!“, fügte ich hinzu, als ich irritierte Blicke erntete.
„Er hat recht“, miaute Rindenpelz. „Sie denken anders als wir. Mit äußeren Feinden spielen sie wie mit Mäusen, aber sobald diese unter ihnen wüten, sinken ihre Gewinnchancen rapide.“
Überzeugt nickte Mausstern.
„Dann machen wir es so: Wenn wir angreifen, versuchen einige Katzen, bis in das Lager vorzustoßen und die Streuner von dort aus zu verdrängen. Seid ihr bereit?“
Während alle Katzen sich vorsichtig auf ihre Position begaben, drang der Geruch eines weiteren Streuners in meine Nase. Eines mir bekannten Streuners.
Steinkralle bemerkte nicht als Letzte, wie sich mein Fell sträubte. Doch als Erste erkannte sie den Grund, als sie schnupperte.
„Klaue!“
Etwas Eisiges breitete sich in mir aus. „Er lebt noch!“
Hätte Mausstern nicht im letzten Moment innegehalten, wären die anderen blindlings in die Patrouille gerannt, die in diesem Augenblick aus der gegenüber liegenden Seite des Waldes kam. Allen voran ein großer Kater, dessen Fell in allen Tönen zwischen dunkelbraun und mattschwarz variierte und an mehreren Stellen zottelig und zerfetzt war. Eine tiefe, rote Narbe zog sich über seine Stirn, die durch weitere Kämpfe immer wieder aufgerissen war und sein Gesicht nun auf ewig entstellen würde. An der Flanke war das Fell vor nicht allzu langer Zeit abgeschabt und die Haut vernarbt gewesen. Von dem Sturz vom Felsen, wie ich mir in Erinnerung rief. Er war kräftiger geworden, Muskeln zeichneten sich unter seinem strubbeligen Fell ab. Doch ansonsten hatte er sich nicht verändert.
Ich zitterte, als ich mich tiefer in das Gestrüpp duckte. Steinkralles Fell war gesträubt, ihr Blick flackerte unsicher. Rindenpelz starrte den tot geglaubten Kater mit weit aufgerissenen Augen an. Eschenpfotes Flanken bebten. Kieselpfote hatte die Ohren angelegt und unterdrückte mit Mühe ein Knurren.
Nachtstreif erkannte als Erster, was mit uns los war. „Ich denke, ihr habt mit dieser Katze schon Bekanntschaft geschlossen?“
„Er steht direkt unter Blut“, erklärte Rindenpelz mit gepresster Stimme. „Praktisch als sein Zweiter Anführer. Wir haben ihn für tot gehalten, nachdem er einen Abhang bei der Hochebene hinunter gestürzt ist.“
„Wenn er weiß, dass wir hier sind, sind wir ganz sicher tot“, fügte ich tonlos hinzu. Ich erinnerte mich an den Aufprall. Wie konnte er das nur überleben?!
„Ich denke, den sollten wir genauer in Augenschein nehmen“, lautete Fuchssterns Antwort, während die Clans mit den Blicken an dem großen Kater hingen, der sich unter der Eiche breit machte, bei der zu unserer Zeit die Versammlungen stattgefunden haben.
„Wie ihr alle wisst, haben unsere lieben Gastgeber uns in letzter Zeit einige Besuche abgestattet“, fing der Kater seine Rede an. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sich der Pelz mehrerer Katzen sträubte und ein mörderisches Funkeln in ihre Augen trat. „Schade, dass sie nicht länger bleiben konnten“, fügte er mit hämischer Stimme hinzu. Gelächter begleitete seine Worte. „Nur ihr unhöfliches Verhalten, dass sie an den Tag gelegt haben, hat uns etwas zu bedenken gegeben.“
Ich hörte Eibenschweif knurren. „Diesen dämlichen Fellball…“
„Zum anderen wären da noch unsere Freunde vom Zweibeinerort, die hinter unserem Rücken gemeinsame Sache mit diesen Katzen gemacht haben.“
Mein Herz setzte einen Schlag aus. Auch die anderen setzten schockierte Minen auf. Die Zweibeinerortkatzen waren keine Kämpfer! Sie wären den Streunern schutzlos ausgeliefert.
„Das ist die Gelegenheit!“, knurrte Weißmond. „Sie sind alle abgelenkt…“
„Ich will hören, was er zu sagen hat!“, wies ihn sein Anführer scharf zurecht.
„Zu unserer Freude hat uns eine dieser Katzen heute die Ehre gemacht, uns einen Besuch abzustatten.“
Ich schloss die Augen. Wir hatten sie doch angewiesen, sich vom Wald fern zu halten!
„Ich habe nichts gemacht! Lasst mich los, ihr dämlichen Raufbolde!“, schimpfte der Kater, den zwei Katzen grob vor Klaue auf die Lichtung zogen. Etwas in mir zog sich zusammen. Es war Flecken!
„Was macht er hier!?“, hörte ich Eschenpfote miauen.
Flecken knurrte, als die Katzen ihn grob vor Klaue hinstellten. Der Einzelläufer schüttelte sich und starrte Klaue wütend an. Ich sah, dass er seine Krallen ausgefahren hatte und musste schlucken. Flecken war kein Kämpfer! Er wäre rettungslos verloren!
Mit herablassendem Blick sah Klaue auf ihn herab. „Nichts gemacht hast du, wie? Warum hast du dann den Waldkatzen das Versteck mit der Scheune gezeigt und uns ausspioniert?“
„Welche Katzen? Ich weiß nicht…“
„Lüg mich nicht an!“, fuhr Klaue ihn an, sodass Flecken unwillkürlich zusammenzuckte. Tapfer hielt er dem Blick des größeren Katers stand. „Die Waldkatzen waren bei euch im Zweibeinerort. Und dein Gestank hat der Scheune, in der sie gelebt haben, ebenfalls angehaftet. So wie der einiger anderen Bewohner vom Zweibeinerort, denen wir eigentlich nichts tun wollten. Aber wenn ihr es nicht anders wollt…“
Verzweifelt grub ich meine Krallen in die weiche Erde. Nicht Flecken und die anderen Katzen, die uns so tapfer geholfen haben! Das war nicht gerecht! Sie waren den Kampf doch nicht gewöhnt!
„Wenn du meinen Freunden etwas antust, werde ich es dir heimzahlen“, hauchte Flecken, nachdem er eine ganze Weile lang geschwiegen hatte. Einer der Streuner, die ihn hergebracht hatten, trat mit gebleckten Zähnen hervor. „Dich hätte ein Junges besiegen können. Warum sollten wir vor dir Angst haben, Mieze?“
Ich unterdrückte einen Aufschrei, als der Kater auf Flecken zusprang und fast spielerisch mit den Krallen nach ihm schlug. Eine Clan-Katze hätte diesem Angriff abgewehrt, doch Flecken blieb nur ein unbeholfener Sprung zur Seite, der ihn fast aus dem Gleichgewicht brachte. Er blinzelte verwirrt und überrascht.
„Sag uns einfach, wo diese Katzen sind, und wir werden dich in Frieden ziehen lassen!“, forderte eine Kätzin aus den ersten Reihen.
„Ich weiß nicht, wo diese Katzen sind!“, beteuerte Flecken weitaus verzweifelter, woraufhin eine andere Katze nach seinem Schwanz schnappte. Mit einem erschrockenen Miauen riss Flecken ihn weg. Dann fasste er sich wieder. „Ich weiß nichts von den Katzen, die einst hier gelebt haben!“
„Ach nein?“ Mir sträubte sich das Fell. Das war Fang. „Warum rieche ich dann diesen alles überdeckenden Angstgestank bei dir?“
Ich konnte dem nicht länger zusehen und wandte mich ruckartig an Fuchsstern und Mausstern. „Wir müssen ihm helfen! Sofort!“ Auch in den Augen der anderen Katzen sah ich Wut und Sorge.
Flecken wandte sich zitternd wieder Klaue zu. „Ich…ich gestehe. Sie sind zurückgekehrt.“
„Nein!“, hauchte Finkenflug. Ich sah skeptisch auf die Szene. Der Ton in Fleckens Stimme kam mir bekannt vor.
„Das wussten wir auch schon!“, fauchte Klaue ihn an und sprang auf. „Mich interessiert, wo sie sind, wie viele sie sind, und vor allem, was sie vorhaben!“
„Sie…sie sind meine Freunde!“, begehrte Flecken auf, aber mit einem Ton, der der Verzweiflung, die ihn soeben noch ergriffen hatte, nicht im Geringsten gleichkam. Ich ahnte, was er vorhatte. Ein Lächeln konnte ich mir nicht verkneifen.
„Er wird uns verraten!“, miaute Schattenglanz leise.
„Nein!“, widersprach ich sicher, „das wird er nicht!“
„Natürlich!“, sprach Eschenpfote mit erkennendem Tonfall aus.
„Was?“, fragte Mausschweif nach.
Der Schüler lächelte. „Flecken war schon immer gut darin, Geschichten zu erfinden. Hört gut zu.“
„Wo sind sie!“, knurrte Klaue mit einem unglaublich bedrohlichen Tonfall. Flecken hob zitternd, aber entschlossener den Kopf. „Sie sind an dem Ort, an dem ihr sie nie suchen würdet.“
Unzufriedenes Miauen machte sich unter den Streunern breit.
„Dann sag uns, welcher Ort das ist!“, knurrte die Kätzin, die nach seinem Schwanz geschnappt hatte. Flecken zuckte unter den harten Worten zusammen.
„An…an ihrem alten…Zufluchtsort. In den Bergen.“
Erstauntes Miauen brach unter den Katzen aus. In Klaues Augen blitzte ein gefährliches Leuchten auf. „Wo?“, hauchte er mit schauderhafter Stimme.
„In den Bergen…gibt es ein Tal...dort…dort…sind sie versteckt. Sie…planen den Angriff.“
Klaues Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Welchen Angriff?“
Als Klaue zitternd aufblickte, trat ein erleichtertes, geradezu zufriedenes Leuchten in seine brauen Augen. Ein Glanz größter Hoffnung. Sein Fell glättete sich, er richtete sich wieder voll auf.
„Welcher Angriff!“, wiederholte Klaue drohend.
„Der Angriff, dem ihr hoffnungslos unterlegen sein werdet!“
Als Maussterns Stimme über das Lager hallte, wirbelten die Katzen wie vom Blitz getroffen herum und starrten zu den Anführern der beiden Clans auf, die seelenruhig am Rande des Lagers standen, ihre Clans hinter sich. Ich sah das Funkeln in Klaues Augen. Unsicherheit. Angst. Mehrere der Streuner sträubten das Fell. Ich spürte die Überraschung geradezu körperlich, die von ihnen Besitz ergriff. So viele Katzen hatten sich in einer Reihe vor ihnen aufgebaut und sahen ihm und seinen Gefährten ruhig entgegen. Ohne das geringste Anzeichen von Wut.
Ihr werdet es schaffen, miaute die Stimme in meinem Kopf immer wieder. So wie in den Köpfen der anderen Katzen. Die Stimme des SternenClans.
„Lasst diese Katze gehen!“, forderte Fuchsstern bestimmt. „Wir sind ihm zufällig begegnet. Er hat nicht das Geringste mit dieser Sache zu tun.“
„Also gut!“, knurrte Klaue zu Flecken gewandt. „Ich gebe dir zehn Herzschläge, um zu verschwinden.“
Flecken sah unsicher zu uns hinauf. „Aber…“
„Verschwinde!“, brüllte Klaue ihn an. Flecken warf noch einen Blick zu uns.
„Tu, was er sagt, Flecken!“, ermunterte Fuchsstern den Einzelläufer. Flecken warf uns einen letzten Blick zu und lief dann, so schnell er konnte, in den Wald Richtung Zweibeinerort.
„Dies ist eine Sache zwischen uns!“, stellte Mausstern klar. „Zwischen den Clans und euch. Dies ist unser zu Hause. Wir geben euch die letzte Chance, unsere Territorien zu verlassen und nie wieder zurück zu kommen!“
Ein dünnes Lächeln umspielte Klaues Lippen. „Wir haben euch schon einmal hier verjagt. Warum glaubt ihr, dass wir das nicht noch einmal tun würden?“
„Ein paar Katzen könnt ihr verjagen“, entgegnete Fuchsstern selbstsicher. „Aber nicht zwei Clans. Und nicht, solange der SternenClan über uns wacht!“
„Der SternenClan!“, fauchte ein Streuner höhnisch. „Ihr lauft verstorbenen Katzen hinterher, die genauso dumm waren, wie ihr. Ihr lebt in einer Traumwelt. Wir leben in der Realität.“
Mausstern trat einen Schritt vor. „Wir sind Krieger, keine Trottel, die zufällig alle zusammen in diesem Wald leben. Wir kämpfen, auch für diese verstorbenen Katzen.“
„Ihr seid verrückt!“, höhnte eine Stimme aus dem Wald. Mir sträubte ich das Fell.
„Das ist er!“
„Wer?“, zischte Eichenblitz mir zu.
„Der Kater…der Graufell ermordet hat. Blut.“
„Schön euch wieder zusehen“, maunzte der dunkelrote Kater, während er aus dem Wald trat und sich ruhig neben Klaue setzte. „Ihr habt mich doch schon lange gesucht, oder?“
„Mörder!“, zischte Elsterfeder mit gesträubtem Fell hinter mir. Der schwarz-weiße Kater sprang hervor. „Du gemeiner, hinterhältiger Mörder!“
„Elsterfeder!“, warnte Moospelz seinen Bruder. „Nicht!“
„Ihr glaubt es also immer noch!“, höhnte Blut. Sein feuriger Blick fing mich auf. „Hast du doch nicht soviel mitbekommen, wie du immer gesagt hast, oder hast du es ihnen einfach nur verschwiegen?“
„Verschwiegen?“, Kieselpfote sah mich überrascht an. „Was verschwiegen?“
Ich wusste, was er meinte. Ich sah zu Fuchsstern. „Es stimmt.“ Diese Worte erklärten alles.
„Was stimmt?!“, rief Aschenhauch mit unverständlichem Gesichtsaufdruck.
Blut ging mehrere Schritte auf uns zu. „Da manche von euch dem Sachverhalt bestimmt nicht ganz folgen können: Graufell hat euch ausspioniert. Er hat die ganze Zeit für uns gearbeitet.“
Ich konnte förmlich spüren, wie alle Katzen erschüttert waren.
„Das…das ist eine Lüge!“, fauchte Blütennase.
Ich sah zwischen den Katzen hin und her. Sollte ich nun alles verstehen?
„Wir haben euch schon länger beobachtet!“, fuhr Blut fort. „Wir haben diesen Wald schon vor langer Zeit ins Visier genommen. Und Graufell war so nett, uns dabei zu helfen.“
„Du Lügner!“, fuhr Blütennase ihn an. Mehrere Katzen aus beiden Clans schlossen sich ihr an, bis Fuchsstern den Schwanz hob. „Er lügt nicht. Es stimmt. Graufell hat uns alle getäuscht. Auch mich.“
Alle Entschlossenheit, die soeben noch die Clans angetrieben hatte, war gewichen. Ich spürte den brennenden Blick Steinkralles auf meinem Pelz und wäre am Liebsten im Boden versunken.
„Graufell hatte uns zufällig auf einer Patrouille entdeckt, als er noch kein Zweiter Anführer war“, fuhr Blut fort. „Es war leicht, ihn zu täuschen. Er erzählte uns ein wenig vom Leben der Clans. Und vom Wald. Dass er sich mit uns anlegte, hatte er nicht geahnt.“
Man hörte den Wind in den Wipfeln rauschen, so still war es. Entsetzte Blicke aller Katzen ruhten auf Blut.
„Er hat uns daraufhin öfter in eurem Territorium erwischt. Zu dem Zeitpunkt ahnte er schon, auf was er sich einließ, aber er ließ sich von uns täuschen. Ich sah aber immer noch diesen unschlagbaren Traum in ihm. Der Traum, Zweiter Anführer zu werden.“
„Das ist nicht wahr!“, hauchte Fuchsstern. „Ich habe ihn gekannt, seit wir Schüler waren.“
„Aber nicht gut genug!“
Ich sah, wie Elsterfeder sich zum Sprung bereitmachte. Nein, nicht das auch noch!
„Als ich ihn dann gefragt habe, ob er uns helfen wollte, musste ich leider feststellen, dass sein fanatischer Glaube an eure Sternenkatzen stärker war als seine Vernunft. Er wollte euch alles beichten und da…hatte ich keine andere Wahl.“
„Elsterfeder!“, hauchte ich. Der Kater hatte die Zähne gebleckt.
„Und dann“, fuhr Blut fort, „hatte ich keine andere Wahl, als ihn zum Schweigen zu bringen. Schade, er wäre bei uns eine große Katze geworden.“
„Lügner!“ Elsterfeders Ruf ließ uns alle zusammenzucken. Ich hatte keine Gelegenheit mehr, mich ihm in den Weg zu stellen.
„Mörder!“, knurrte der Krieger, als er sich vor unseren entsetzten Augen auf Blut stürzte. Mit einer unglaublich schnellen Bewegung wich der rote Kater dem Angreifer aus. Elsterfeder landete auf allen Vieren, wirbelte herum und sprang erneut in Bluts Richtung.
„Elsterfeder! Nein!“
Ich wollte mich zu ihm stürzen, als Steinkralle mich hart zu Boden riss.
„Nein! Ich muss…“
„Ich will dich nicht auch verlieren!“, rief Steinkralle verzweifelt. Ich verdrehte den Kopf, sah aus dem Augenwinkel, wie Blut Elsterfeder mit einem Ruck zu Boden riss.
Der Aufprall des Kriegers auf dem Boden schien den Wald zu erschüttern. Pures Entsetzen machte sich unter uns breit. Moospelz spannte seine Muskeln, um seinem Bruder zu helfen, wurde jedoch von mehreren Katzen aufgehalten. Es war zu spät.
Blut kam wieder auf die Pfoten und starrte zu uns hinauf. „Ihr habt es so gewollt. Wenn ihr nicht alle enden wollt, wie euer Freund, würde ich euch raten, so schnell wie möglich in eure Berge zurück zu kehren. Bis morgen, sonst kommt es zum Kampf!“
Rennwind und Moospelz hatten den toten Körper ihres Bruders bis zum Waldrand gebracht, während Feldpfote und Kieselpfote die Nachricht zu den Heilern und Ältesten in der Scheune weitergaben. Die Schülerinnen waren gerade losgelaufen, als wir entschieden, Elsterfeder hier auf seine letzte Reise zu schicken. Die ganze Zeit lief ich wie in einem Traum hinter den anderen her. Ich hatte den verstorbenen Krieger nie gemocht, was seinen Tod für mich nur umso schwerer machte. Ich fühlte mich hilflos. So wie alle anderen.
Die Anführer brauchten den traditionellen Ruf nicht machen, automatisch versammelten sich die Katzen beider Clans um sie herum auf der Wiese.
„Wir haben etwas Wichtiges zu besprechen“, fing Fuchsstern vorsichtig an, jedoch kam sofort der erste Einspruch.
„Wir können uns nicht einfach von ihnen verjagen lassen!“ Ich zuckte zusammen, als der sonst so sanftmütige Adlerpelz aufsprang und dies laut verkündete. „Wir haben die Clans wieder zusammen geführt, wir haben in den Bergen überlebt. Wir haben uns mondelang darauf vorbereitet und sind bereit, für unsere Traditionen zu kämpfen!“
„Aber sind wir auch bereit alle gemeinsam dafür zu sterben?“, konterte die Anführerin, „Graufell hat uns verraten. Die Katze, deren Pfoten ich den Clan übergeben hätte. Und allem Anschein nach ist irgendjemand von uns auch ein Spitzel. Ihr habt ihn alle kämpfen sehen. Elsterfeder war ein guter Krieger, aber dennoch hatte er keine Chance.
„Aber zusammen haben wir bestimmt eine Chance!“, begehrte Erdwurzel auf. „Nie waren die Clans so vereint wie jetzt. Wir haben den SternenClan auf unserer Seite.“
„Und einen Spion in unserer Mitte!“, warf Eichenblitz ein. „Eine Schwachstelle, die uns alle vernichten kann…vernichten wird!“
„Und deswegen gebt ihr einfach auf?“ Maussterns Stimme war kaum mehr als ein Hauch, dennoch ließ er alle Katzen auf der Wiese verstummen. „Silberstern hat nie aufgegeben seinen Clan zu schützen. Nicht, seit ich ihn kenne. Und ich kannte ihn schon als Springstern noch lebte. Springstern hatte auf seinen Clan, das Gesetzt der Krieger und den SternenClan vertraut. Silberstern hat auf sie vertraut. Warum sollte ich anfangen, dies nicht zu tun? Nur wegen zwei armselig verirrten Katzen?!“
Sein Clan verfiel in beschämtes Schweigen.
„Der SternenClan wollte nie, dass wir von hier wegziehen. Wir wollten nie von hier weg. Das hier ist unser Leben. Ein Leben, für das es sich zu kämpfen lohnt. Wenn nötig, auch zu sterben. Ich würde auf der Stelle alle meine neun Leben opfern, um den Clans wieder Sicherheit zu geben.“
Erneut war die Antwort nur Schweigen, bis sich Falkensturz erhob. „Ich vertraue dem SternenClan. Und ich vertraue dir, Mausstern. Darum werde ich alles tun, um den Wald zurück zu bekommen.“ Sie ließ ihren Blick kurz über die versammelten Katzen schweifen. „Falls es stimmt und jemand unter uns gemeinsame Sache mit den Streunern macht, hoffe ich, dass der SternenClan dieser Katze am Meisten helfen wird.“
„Du solltest versuchen, zu schlafen.“
Steinkralle sah mich besorgt an. Die Scheune hatte uns erneut als vorübergehendes Nachtquartier gedient, doch ich war nicht der Einzige, der kein Auge zutat. Rennwind und Moospelz, denen Elsterfeders Tod immer noch keine ruhe ließ, hatten die Nachtwache übernommen. Die meisten Krieger wälzten sich unruhig im Schlaf hin und her oder versuchten einfach, vor sich hin zu dösen. Die BlattClan-Schüler unterhielten sich so leise, dass ich ihre Worte nicht verstehen konnte, Schneepfote und Kastanienpfote gingen unruhig in ihrer gemeinsamen Ecken auf und ab und leises Rascheln aus dem Heilerbau verriet, dass dort auch noch lange keine Nachtruhe war.
„Ich kann nicht schlafen. Genauso wenig wie du.“
„Es ist wegen Rindenpelz. Er murmelt und zuckt die ganze Zeit im Schlaf. Nicht, dass es mich stört. Ich mache mir Sorgen um ihn.“
Ich kannte Steinkralle so gut, dass ich wusste, was sie dachte. „Du hast Angst, ihn zu verlieren.“
Sie sah zu Boden. „Als…Elsterfeder starb, habe ich Rennwind und Moospelz in die Augen gesehen. Ich weiß nicht, wieso ich das getan habe, aber…was ich da sah…sie wussten, dass er sterben konnte, aber dass es in dem Augenblick passieren würde und so wehtun kann, darauf wären sie niemals vorbereitet gewesen.“ Sie atmete tief durch. „Und ich habe nur einen Bruder. Einen, der mir dauernd auf den Geist geht. Sein Verlust wird mich noch schlimmer treffen.“
Ich sah wieder zu den beiden Gestalten, die am Eingang der Scheune in die Dunkelheit hinaus starrten. „Ich weiß.“ Der letzte Blattwechsel hatte nicht nur bei ihnen Spuren hinterlassen.
„Sie sehen so…hilflos aus. Ich finde, du solltest mal mit ihnen reden. Du kannst das am Besten.“
Ich nickte und stand auf. Meine eigenen Auftritte auf dem Boden spürte ich kaum, bis ich zu den Geschwistern kam, die zum Silbervlies hinauf starrten.
„Er beobachtet uns“, murmelte Moospelz ohne aufzusehen, als ich mich neben ihn setzte. „Das spüre ich.“
Unwillkürlich sah ich zu den leuchtenden Sternen hinauf. So weit entfernt.
„In uns lebt er weiter“, fügte Rennwind hinzu, „auch wenn wir ihn vermissen. Du vermisst deinen Bruder auch manchmal, oder?“
Ich nickte. „Ich stelle mir immer vor, wie ein Kater namens Regenpfote Schüler des BlattClans wird. Ich glaube, er hätte eine großartige Clan-Katze abgegeben.“
„Zweifellos.“ Überrascht sah ich Moospelz an.
„Rindenpelz hat es uns erzählt. Du hast doch nichts dagegen…“
„Nein, durchaus nicht.“ Irgendwie war ich froh, dass sie es wussten. So hatte ich mehr Halt.
„Du und Elsterfeder wart nicht gerade die besten Freunde“, sagte Rennwind mit tonloser Stimme, während sie zum Himmel sah, als suche sie das Silbervlies nach dem toten Kater ab.
„Nein“, gestand ich. „Auch wenn ich mir jetzt wünsche, ich hätte ihn besser gekannt.“
Moospelz schüttelte sich. „Ich…ich war am Anfang auch nicht freundlich zu dir. Obwohl ich dich nicht einmal kannte. Kannst du…kannst du mir…“
„Verzeihen?“ Ich sah den braunen Kater an. „Keine Ursache. Ich habe dich auch zuerst für einen Haufen Fell mit Mäusehirn gehalten.“ Zu meinem Ärger konnte ich nicht verhindern, dass meine Stimme scherzhaft klang. Auch Moospelz’ Schnurrhaare zuckten kurz. „Wenn du mir das verzeihen kannst, sind wir auf dem besten Weg, gute Freunde zu werden.“
„Da ist jemand.“ Rennwinds Stimme klang wie ein Echo aus weiter Ferne, doch ich hob blitzschnell den Kopf und sprang auf die Pfoten. Moospelz fuhr die Krallen aus.
„Keine Sorge“, beruhigte ich ihn, als ich den Geruch erkannte. „Es ist Wumm.“
„Wumm?“, wiederholte Moospelz irritiert, als der Kater keuchend aus der Dunkelheit erschien.
„Ihr…ihr seid noch hier. Ist etwas passiert?“
„Nein“, erwiderte ich irritiert. „Wumm, es ist…es ist mitten in der Nacht. Was ist los? Bist du…hast du etwas gesehen?“
„Ihr…müsst etwas erfahren. Ihr alle. So schnell wie möglich.“
„Was ist denn los?“, fauchte Vogelpelz, „kann eine Katze nicht einmal nachts ihre Ruhe haben?“
„Wumm hat eine wichtige Nachricht für uns!“, schoss es aus mir heraus. Tigerzahn erwachte gähnend. „Wer ist Wumm?“
„Ein Einzelläufer vom Zweibeinerort. Einer unserer Helfer.“
Mausschweif reckte sich. „Dann wird es wichtig sein. Kommt, alle anderen sind schon da.“
„Planen die Streuner irgendetwas Neues?“, fragte Fuchsstern Wumm, bevor überhaupt alle Katzen anwesend waren.
„Nicht direkt, aber ich…wir haben einige Informationen herausgefunden, die euch sicher interessieren werden.“
Selbst die schläfrigsten Katzen waren nun hellwach. Mausstern nickte Wumm zu. „Erzähle es uns.“
„Wir…wir haben heraus gefunden, woher sie kommen, wo sie früher gelebt haben.“
„Was interessiert uns das?“, hörte ich Kieselpfote leise miauen.
„Höre ihm doch erst einmal zu!“, wies Taubenpfote sie zurecht.
„Nicht weit weg von hier war vor einiger Zeit ein weiterer Zweibeinerort“, fing Wumm an, „dort lebten die Katzen, die euch nun um den Wald gebracht haben. Es waren ein Haufen wilder Gerüchte und ich bin nicht sicher, ob das, was ihr nun von mir erfahrt stimmt, aber es scheint die einzige plausible Lösung zu sein.“
„Du hast unsere Ohren“, ermunterte ihn Falkensturz.
„Die Zweibeiner haben die Streuner von ihrem zu Hause verjagt. Ich weiß nicht wie und wieso, aber sie wurden vertrieben und sind dann zufällig in unsere Richtung gezogen. Irgendwie haben sie dabei bemerkt, dass es leichter ist, zusammen voran zu kommen, dennoch hatte jede Katze das eigene Überleben im Sinn.“
„Das ist uns klar!“, knurrte Flammenschweif mehr zu sich selbst.
„Sie suchten ein neues zu Hause.“
„Und der Wald war ihr da gerade Recht“, schloss Mausstern Wumms Rede. „Nur, dass dieser schon bewohnt war.“
„Aber nicht so, wie der Wald, der einige Tagesreisen entfernt von hier liegt.“
Die Worte des Einzelläufers lösten überraschendes Miauen aus.
„Du meinst“, miaute Fuchsstern, „wenn wir sie dazu bewegen könnten, in diesen Wald zu ziehen, wären alle Probleme kampflos gelöst.“
„Ganz genau!“, stimmte Mausstern hinzu. „Wenn wir sie dazu bewegen können. Wir können ihnen ja nicht einmal zufällig über den Weg laufen, ohne dass gleich die Fetzen fliegen.“
„Ihr nicht“, stimmte Wumm zu. „Aber ich habe da noch andere Möglichkeiten.“
Alle Katzen starrten Wumm erstaunt, misstrauisch, überrascht und mit vielen anderen Gesichtsausdrücken an, deren Gefühle in der Luft geradezu greifbar waren, nachdem er geendet hatte.
„Und das soll funktionieren?“, fragte Fuchsstern mit mühsam unterdrücktem Misstrauen.
„Ich weiß, wie das klingt“, erklärte Wumm. „Aber wir haben alles geplant. Flecken haben sie bei unseren Erkundungsgängen leider erwischt, aber er konnte ziemlich gut verbergen, worum es dabei ging.“
„Der Plan an sich ist gar nicht schlecht“, gestand Mausstern, „aber was wird dann mit uns? Wir leben auch noch hier. Was ist, wenn es uns ebenfalls erwischt?“
„Ihr kennt euch doch gut in den Bergen aus“, erinnerte ihn Wumm. „Da könntet ihr euch eine Weile verstecken.“
„Was ist, wenn die Streuner auf dieselbe Idee kommen?“, warf Dornenblatt ein.
„Oh, ich denke, einen Wald ohne Flutgefahr werden sie weitaus attraktiver finden.“
Fuchsstern sah ihn erstaunt an. „Du meinst…“
„Der Wald wird von einer Katastrophe heimgesucht, mit der keine Katze gerechnet hätte“, berichtete der Kater beinahe melodramatisch. „Die Streuner sind damit restlos überfordert. Und dann kommen ihre netten Freunde vom Zweibeinerort und berichten von dem anderen Wald wie von der rettenden Zuflucht.“
„Das ist ja alles schön und gut, aber die Sache hat einen Haken.“ Mausstern peitschte unruhig mit dem Schwanz. „Blut und Klaue gehen nach dem Vorfall im Wald bestimmt davon aus, dass wir unter einer Decke stecken. Sie werden die Intrige sofort wittern, wenn ihr zu ihnen geht und von diesem Wald erzählt. Wer weiß, ob euch die anderen Katzen überhaupt Glauben schenken.“
„Genau daran haben wir auch schon gedacht“, miaute Wumm stolz. „Und deshalb werden nicht wir die frohe Kunde bekannt geben, sondern ein Einzelläufer der zufällig aus diesem Wald kommt.“
„Und wo, wenn ich fragen darf, soll diese Katze so plötzlich herkommen?“ In der Stimme des Anführers lag gleichermaßen Zweifel wie Neugier und Verwunderung.
„Am anderen Ende des Aufrechtgeherortes lebte eine Kätzin in einem verlassenen Zweibeinernest. Wir nennen sie Blatt.“
Eine vage Erinnerung kam in mir hoch. „Ihr meint doch nicht etwa die Katze, die mit den Bäumen um ihr Zweibeinernest spricht?“
„Genau die!“, stimmte Wumm lächelnd zu.
„Sie tut was?“ Irritiert sah Rindenpelz zwischen uns hin und her.
„Sie…sie redet mit Bäumen“, wiederholte ich. „Das heißt, sie erzählt es jedem. Persönlich ist sonst in Ordnung, nur….der Umgang mit ihr kann anstrengend sein.“
Eschenpfote kicherte. „Wenn stimmt, was ich von Blatt gehört habe, wird sie uns mit Freuden helfen, um die armen, hilflosen Bäume unseres Waldes von einem Haufen wilder Raufbolde zu befreien.“
„Ihr kennt diese Katze also?“ In Fuchssterns Stimme klang Hoffnung.
„Wir waren einmal bei ihr“, erklärte ich ihm. „Ich weiß nicht, ob sich Blatt an uns erinnert, aber abgesehen von ihrer kleinen Macke ist sie sehr hilfsbereit. Sie wäre wirklich eine gute Chance.“
„Dann sollten wir Blatt um Hilfe bitten“, stimmte Fuchsstern zu. „Werdet ihr gehen?“
„Mit dem größten Vergnügen“, nahm Eschenpfote den Auftrag an.
„Ich bin gespannt, was sie sich in letzter Zeit für Geschichten ausgedacht hat!“, gestand er mir, als wir Wumm in den Zweibeinerort folgten.
„Wir sollten ein wenig umsichtig zu ihr sein“, riet Wumm, als wir uns Blatts zu Hause näherten. „Die Zweibeiner haben hier einige Bäume gefällt und sie war davon…etwas mitgenommen.“
„Die Ärmste kann einem fast leit tun!“, fügte ich hinzu.
„Dort ist es!“ Wumm deutete mit einem Nicken auf das kleine, beschauliche Zweibeinernest im Schatten einiger hoher Linden. Weiter hinten fielen mir die unheilvollen Baumstümpfe ins Auge. Ich konnte Blatts Ärger gut verstehen. Warum machten Zweibeiner nur so etwas?
„Dort ist sie!“, miaute Eschenpfote und nickte in die Richtung der kleinen, orange-weiß-gestreiften Kätzin, die unter einem der Bäume saß, den Kopf in den Nacken gelegt, die Augen geschlossen.
„Sie hört gerade ihren Schützlingen zu“, miaute Wumm leise. „Wir sollten uns vorsichtig nähern.“
Er kletterte über den Zweibeinerzaun, wir folgten ihm auf das kurze Gras. Leise näherten wir uns der meditierenden Kätzin.
„Ihr wollt etwas von mir“, begrüßte sie uns, als wir kaum noch zwei Katzenlängen entfernt waren. Immer noch hielt die getigerte Kätzin ihre Augen geschlossen.
„Guten Tag, Blatt“, begrüßte Wumm sie höflich. „Freunde von uns haben ein ziemlich großes Problem und wollten fragen, ob du ihnen helfen könntest.“
Ruckartig wandte die Kätzin uns den Kopf zu und blinzelte überrascht. In ihren gelben Augen lag ein Ausdruck leichter Verwirrung.
„Der Atem der Linden begleitet euch.“
Eschenpfote und ich wechselten verwirrte Blicke, doch Wumm hielt dem Blick der Kätzin stand, wenn auch etwas schwankend in seiner Haltung.
„Meine…meine Freunde hier gehören zu vielen Katzen, die in einem Wald leben. Aber sie haben…“
„Schschscht.“ Blatt gebot uns mit einem Wedeln ihrer Schwanzspitze Ruhe. „Die Bäume sprachen von euch.“
Sie sah wieder zu den im Wind wiegenden Blättern empor, es wirkte, als würde sie die Ohren spitzen. Langsam fragte ich mich, was wir hier eigentlich taten.
„Was haben sie denn gesagt?“, fragte Wumm verlegen.
Blatt wippte leicht auf ihren Pfoten auf und ab. „Ihr lebt im Wald und im Grasland. Ihr seid zwei Gemeinschaften, die sich gegenseitig versorgen. Stimmt das?“
Sie hatte zu uns geredet. Verwirrt sah ich zu Eschenpfote hinüber. Woher wusste sie von den Clans?
„Ja, wir…wir leben in zwei Clans. Es sind sozusagen unsere Familien“, antwortete ich zögerlich.
„Und die anderen Katzen haben euch Schwierigkeiten gemacht.“ Blatts Stimme hatte einen melodischen Beiklang. Woher wusste sie das alles?
„Wir haben eine Lösung gefunden“, erklärte Eschenpfote langsam. „Wir haben einen Ort, an dem diese Katzen leben können. Aber auf uns werden sie nicht hören, geschweige denn, sich von uns führen lassen.“
Plötzlich riss Blatt erschrocken die Augen auf. „Ihr wollt doch nicht etwa, dass ich diesen wilden Haufen quer durchs Unbekannte führen soll?!“
„Nein!“, wies ich hektisch ab, obwohl ich mir nicht sicher war, ob es nicht vielleicht doch darauf hinaus laufen würde. „Wir…wir benötigen nur eine Katze, die ihnen davon erzählt. Davon, dass es noch andere Möglichkeiten gibt.“
Nervös zuckte die kleine Kätzin mit den Ohren. „Und diese Katze soll ich sein?“
„Wir…“ ich zögerte kurz, „wir bitten dich darum.“
Nachdenklich legte Blatt den Kopf schief. „Ihr seid ziemlich verzweifelt, nicht?“
„Sehr“, gab ich zu.
„Ich glaube, euer Wald ebenfalls.“ Sie sah wieder zu den rauschenden Blättern herauf. „Bäume reagieren sensibel auch die Lebewesen um sich herum. Euer Verlust muss ihnen schwer zu schaffen machen.“
„Würdest du uns helfen?“, fragte Eschenpfote flehend.
Nachdenklich sah Blatt zwischen uns hin und her. „Ihr tut mir leid“, gestand sie schließlich. „Katzen brauchen ein zu Hause.“ Sie sah noch kurz zu den rauschenden Wipfeln herauf und richtete sich dann auf. „Was soll ich machen?“
Blatt ließ sich die Geschichte ausführlich von Mausstern und Fuchsstern erzählen. Währenddessen warteten wir alle auf der Versammlung ihre Entscheidung ab. Schließlich stand Blatt auf.
„Ehrlich gesagt, ich verstehe nur wenig von eurer Lebensweise, aber ich weiß, dass euch eure Heimat unheimlich wichtig ist. Zwischen euch gibt es etwas, etwas Bindendes. Deshalb werde ich euch helfen, wo ich kann.“
„Ich kann nicht sagen, wie sehr wir dir zu Dank verpflichtet sind, Blatt“, miaute Mausstern sichtlich erleichtert.
„Ich helfe gerne“, miaute Blatt. „Ihr seid eine riesengroße Gemeinschaft. Ich wünschte, ich hätte auch so etwas zu Hause.“
„Dann ist alles beschlossen!“, miaute Fuchsstern zum Schluss. „Morgen wird die Mission beginnen. Wenn wir von den Bergen zurückgekehrt sind, wird Blatt zu den Streunern gehen und ihnen alles erklären.“
Die Sonne verfärbte die Pelze der Katzen rötlich, als wir uns verstreuten. Müde und erschöpft ließ ich mich an Rand des Lagers wieder. Kurze Zeit folgten auch schon Steinkralle und Rindenpelz.
„Blatt redet wirklich mit Pflanzen?“, ging Steinkralle ohne Umschweife auf ein Thema ein. „Ich finde sie sehr nett, aber das ist doch…etwas ungewöhnlich.“
„Sie hilft uns“, gähnte ich. „Ich denke, das ist bisher am Wichtigsten.“
„Und zwar sehr engagiert“, fügte Rindenpelz hinzu, während er beobachtete, wie sich Blatt interessiert mit Taubenpfote und Kieselpfote unterhielt. „Das Clan-Leben scheint sie brennend zu interessieren.“
„Gut zu wissen, dass wir in Zukunft nette Nachbarn haben werden!“, meinte ich nur und legte mich hin. Alles, was ich jetzt noch wollte, war schlafen. Trotz der wichtigen Mission morgen. Die Mission, bei der sich alles entschied.
„Das müsst ihr euch anhören!“ Zischend, mit gesträubtem Fell fuhr ich hoch, als Kieselpfote mir versehentlich auf den Schwanz trat, während sie zu uns stürmte.
„Verzeihung, Sturmherz. Aber…ich habe…“
„Wir“, berichtigte Taubenpfote, die mit Blatt hinterher kam, nachdrücklich, „haben etwas Interessantes herausgefunden.“
„Heißt das, ihr haltet mich gar nicht für verrückt?“, fragte Blatt mit großen Augen.
„Bitte beruhigt euch!“, bremste Rindenpelz ab. „Was habt ihr so Interessantes herausgefunden?“
„Blatt“, miaute Taubenpfote auffordernd, „wiederhole kurz, was du eben gesagt hast. Das mit deinen Träumen.“
„Träume?“, fragte ich skeptisch und richtete mich auf. Wenn eine Heiler-Katze davon sprach, bekam das Wort eine völlig andere Bedeutung.
„Ihr…ihr haltet mich für verrückt, oder?“ Blatt sah uns schüchtern an. „Weil ich manchmal Stimmen von den Bäumen höre. Und dann auch noch diese Träume, die seit einiger Zeit kommen.“
„Im Gegenteil“, beteuerte Kieselpfote. „Sag es nur noch einmal. Uns kannst du vertrauen. Bitte.“
Blatt sah eine Zeit lang zwischen uns hin und her. „Sie…sie haben vor einigen Monden angefangen. Sie kommen immer wieder. Schweigend, aber trotzdem wollen sie mir etwas sagen. Ich weiß nur nicht, was.“
„Wer?“, fragte Steinkralle mit gerunzelter Stirn.
„Die leuchtenden Katzen“, erläuterte Blatt und sah zu Boden. „Ich träume von leuchtenden Katzen.“
Fassungslos starrten wir Blatt an. Steinkralle fasste sich als Erste.
„Du…du träumst von leuchtenden Katzen?“
Schüchtern sah Blatt uns an. „Ja, sie…sie funkeln, als hätten sie Sterne im Pelz. Auch ihre Augen glänzen. Sie sahen so aus, als wollten sie mir etwas sagen, aber ich komme beim besten Willen nicht darauf, was. Auch das Geflüster der Bäume hat sich seitdem verändert. Als hätten sie etwas mit den Sternenkatzen zu tun.“
Blatt sah nacheinander in unsere erstaunten Gesichter. „Ihr haltet mich für verrückt, oder?“
„Nein“, wies Taubenpfote sanft ab. „Wir sind nur überrascht, dass ein Hauskätzchen unsere Träume teilt.“
Verwirrt sah Blatt die junge Heilerin an. „Eure Träume?“
„Eine Heiler-Katze zu sein, bedeutet nicht nur, dass wir unserem Clan helfen, wenn er krank ist, sondern auch, die Zeichen vom SternenClan zu lesen.“
„Der SternenClan?“
„Unsere Kriegerahnen“, erklärte Taubenpfote. „Jene Katzen, die vor uns gelebt haben und nun in den Himmeln über uns wachen. Heiler-Katzen lernen, diese Zeichen zu deuten und sich mit ihnen die Zunge zu geben. Es kommt auch vor, dass sie gewöhnliche Krieger besuchen, aber das ist eher eine Ausnahme.“
Ich musste an Springstern denken. War ich eine Ausnahme gewesen? Kam er deshalb nicht mehr? Genauso wie Birkenkralle und Regen?
Blatt sah Taubenpfote verwirrt an. „Du meinst, ich hätte das Zeug zu so einer…Heiler-Katze?“
„Ich meine sogar, dass es dir bestimmt ist!“
„Nur es umzusetzen wäre etwas schwieriger“, gab ich zu bedenken.
„Warum?“, miaute Blatt.
„Beide Clans haben schon einen Heiler. Und beide Heiler haben auch schon eine Schülerin. Ich glaube nicht, dass Goldtupf oder Dornenblatt noch eine Katze ausbilden würden. Das…so weit ich weiß, gab es so etwas noch nie!“
„Gab es auch nicht!“, stimmte Taubenpfote mir zu. „Aber sie hat es im Blut. So wie du und Eschenpfote es im Blut haben, Krieger zu sein.“
Auf ihre Worte folgte langes Schweigen.
„Und jetzt?“, fragte Blatt schließlich.
„Tut mir leid“, fuhr Taubenpfote auf. „Ich habe dich bei der Sache völlig vergessen.“
„Soweit ich verstanden habe, sprechen diese Katzen, der SternenClan, zu den Heilern?“
„Meistens durch Zeichen und Träume. Wir deuten sie dann.“
„Die Katzen, die ich gesehen habe“, murmelte Blatt.
„Es ist ihre Bestimmung“, wiederholte Rindenpelz gedankenverloren.
„Ich werde in eurem Clan leben? Euch heilen, wenn ihr krank seit? Und euch helfen?“ Bei den Worten trat ein ungewöhnliches Leuchten in Blatts Augen.
„Ich werde mich darüber mit Hellpfote beraten“, beendete Taubenpfote das Thema. „Bis dahin habt ihr nichts darüber gehört!“
Wir nahmen wieder den Weg über die Wiesen am Waldrand. Wir, das waren Falkensturz, Finkenflug, Winterfrost, Eichenblitz, Rennwind und ich. Rennwind sprach immer noch kaum, verhielt sich aber im Angesicht unseres Vorhabens ruhiger als wir alle. Der kühle Wind, der uns entgegen wehte und die Wiesen zerzauste brachte auch mich auf andere Gedanken. Es war Vollmond. Die Nacht der Großen Versammlung. Die Nacht, in der sich alles entscheiden sollte.
Wir erreichten die Hochebene. Ich spürte, wie sich mein Herzschlag beschleunigen sollte. Ich sah hoch zu den dunklen Bergen, hinter denen der Mond halb hervorlugte, als wolle er uns den Weg weisen.
„Die Quelle muss nach Wumms Beschreibung in dem höchsten Berg vor dem Tal liegen, in dem wir unser Lager aufgeschlagen haben“, wies Eichenblitz uns ein.
„Wir sollten auf den Feuerberg aufpassen!“, riet Falkensturz. „Er könnte erneut in Flammen aufgehen.“
„Ihr habt es gehört“, bestätigte Eichenblitz ihre Worte. „Wir halten uns von dem Großen Berg fern, so gut es geht.“ Damit wandte er sich den Felsen zu und begann mit dem Anstieg. Einen Moment hielt ich inne, bevor ich meinem Zweiten Anführer folgte. So viele Erinnerungen hingen an diesen Bergen.
Ich sprang zu dem ersten Felsvorsprung und zog mich hoch. In der Zeit, in der wir in der Scheune am Zweibeinerort lebten, hatte ich das Klettern also nicht verlernt. Ebenso wenig wie meine Gefährten.
„Auf diesem Berg müsste die Quelle sein!“, miaute Falkensturz, als wir alle oben waren. „Seht ihr, wie der Fluss von dort herab fließt? Wir müssen seine Quelle finden.“
„Was bedeutet, dass wir den Berg erklimmen müssen“, fasste Winterfrost zusammen.
„An dieser Seite sieht es gut aus!“ Ich führte die anderen Katzen zu dem Berghang, der von zahlreichen Vorsprüngen gespickt war.
„Sieht gefährlich aus“, gab Rennwind zu bedenken.
„Aber es ist der schnellste Weg!“, ergriff Finkenflug für mich Partei.
„Er hat Recht!“, miaute Eichenblitz entschieden. „Wir haben schon genug Zeit verloren.“
Er überließ Falkensturz den Vortritt und sprang dann selbst in die Höhe, um den ersten Vorsprung zu erreichen. Ich folgte nach Rennwind und Finkenflug. Winterfrost bildete das Schlusslicht.
Wir sprachen während des Anstiegs kein Wort, sondern arbeiteten uns unablässig vorwärts, bis uns die Gischt des Wasserfalls das Fell durchnässte. Endlich erreichten wir den letzten Vorsprung.
Eiskaltes Wasser umspülte meine Pfoten, als ich auf den Vorsprung kletterte. Die Spitze des Berges bestand aus dunklen, spitzen Felsnadeln, über die das klare Wasser des hier oben noch flach verlaufenden, breiten Flusses sich seinen Weg nach unten bahnte.
„Hier ist die Quelle!“ Es war das erste Mal seit Anbruch des Tages, dass Rennwind etwas sagte. Die dunkle Kriegerin schüttelte sich Wasser aus dem Fell. „Das Wasser sickert durch mehrere lose Steine hindurch. Vielleicht erreichen wir etwas, wenn wir sie bei Seite schaffen.“
Winterfrost machte sich sogleich an die Arbeit und schaufelte mehrere der großen Steine zur Seite. Das Wasser Breitete sich aus.
„Es scheint hier eine Höhle im Berg zu geben, von der das Wasser aus nach oben gedrückt wird. Wenn es uns gelingt, das Gestein zu brechen…“
„Wie?“, fragte Eichenblitz.
Mir kam ein Gedanke. „Wie wäre es, wenn wir das Loch verstopfen würden?“ Wie erwartet sahen mich alle zuerst verwirrt an, bis Falkensturz nickte. „Es kling riskant, aber wir müssen es versuchen.“
Winterfrost legte die Steine zurück und versuchte, das sprudelnde Loch damit zu verstopfen.
„Wir brauchen größere Steine!“, knurrte Finkenflug und schüttelte sich, dass die Wassertropfen nach allen Seiten spritzten. Ich sah mich um. Mein Blick fiel auf einen mindestens katzengroßen Findling, der das Wasser bestimmt stoppen würde.
„Dieser hier!“ Gemeinsam stemmten mir uns gegen den schweren Stein, der sich nur langsam bewegte, zumal er glitschig vom Wasser war und sich nur schwer bewegen ließ. Ich rutschte aus und landete längs im Wasser. Die anderen hatten mehr Erfolg.
„Nur noch ein Stück!“, feuerte uns Falkensturz an, kurz bevor der Stein die Quelle verschloss und das Wasser abfloss und versiegte.
„Und jetzt?“, keuchte Winterfrost.
„Sollten wir versuchen, so schnell wie möglich von hier herunter zu kommen, bevor uns der Berg um die Ohren fliegt!“, schlug Finkenflug vor. Der junge Krieger war als Erster dabei, wieder herab zu klettern. Auch ich glaubte schon, ein unangenehmes Vibrieren im Felsen zu finden.
Der Abstieg war ungemein schwieriger, als der Anstieg. Doch schließlich kamen wir alle sicher unten an, leider nachdem die dünne Felswand geplatzt ist und sich ein Schwall weißer Gischt über die Berge in den Wald ergoss. Selbst von hier konnte ich erkennen, wie das Flussbett anstieg.
„Wir haben es geschafft!“, jubilierte Finkenflug. „Nun ist es höchste Zeit, zurück zu kehren und Blatt zu sagen…“
„Nur schade, dass ihr nicht zurückkehren werdet!“
Fang! Knurrend und mit gesträubtem Fell fuhren wir herum. Die Kätzin hatte sich im Bergschlamm gewälzt und gegen den Wind angeschlichen, weswegen wir sie nicht gehört hatten. In sicherer Entfernung von einem Felsvorsprung sah sie auf uns herab.
„Du wirst uns nicht aufhalten!“, knurrte Eichenblitz. „Nicht…“
„Bitte“, unterbrach die Kätzin ihn im gelangweilten Tonfall. „Ihr wusstet, dass ihr einen Spitzel in euren Reihen hattet und dennoch habt ihr dieses wahnwitzige Unternehmen gestartet! Da kann es doch nicht anderes kommen!“
Es war also wahr! Die Bilder von Schneepfote und Kastanienpfote blitzten mir vor Augen! Wie konnte ich ihnen nur vertrauen! Wie konnte ich mich nur täuschen lassen! Ich hatte sie beim Aufbruch nicht in der Scheune gesehen. Mein Blick fuhr herum, um die Verräter zu entdecken.
„Wir sind verraten worden!“, knurrte Winterfrost und sprach so meine Gedanken aus.
„Ihr wurdet ausspioniert!“, antwortete eine sanfte Katzenstimme hinter mir. Ich erstarrte. Nein, das konnte nicht wahr sein!
„Und zwar von meiner besten Spionin!“, fügte Fang nicht ohne Stolz hinzu, als Hellpfote neben sie trat und mit demselben gering schätzenden Blick auf uns herab sah. „Wer hätte schließlich schon eine Heilerin verdächtigt, die alles so gut spielt, als sei sie eine Clan-Katze?“
Ich fühlte nichts. Nur gähnende Leere, als ich die hellgraue Kätzin anstarrte, die ich so lange für eine ergebene Heilerin gehalten habe. Die mir so oft geholfen hat. Der ich alles anvertraut hätte. Selbst mein Leben. Obwohl wir zu verschiedenen Clans gehörten.
„Nein“, hörte ich Falkensturz hauchen. „Nicht du.“
Ein kaltes Lächeln umspielte Hellpfotes Geicht –war das überhaupt ihr richtiger Name?
„Ihr wart so leicht zu täuschen. Selbst Dornenblatt. Ein wenig Gequassel über den SternenClan, ein aufmerksames Gesicht und ihr habt mich ungemein hilfreichen Informationen gefüttert. Wie leicht ihr zu durchschauen wart?“
„Nein“, hauchte Finkenflug. „Wie lange…“
„Schon sehr lange“, miaute die Kätzin. „Schon seit Graufell uns mit Informationen versorgt hatte. Doch im Gegensatz zu ihm habe ich nie daran gedacht, meine wahre Familie zu verraten.“
„Das glaube ich einfach nicht!“, knurrte Falkensturz mit gesträubtem Fell. „Wir…wir haben dich gefunden, als du gerade mal vier Monde alt warst. Wir erkannten, dass du als Kriegerin nicht geeignet warst. Wir…Dornenblatt hat dich aufgenommen. Dich geliebt wie eine eigene Tochter! Wir alle haben für dich gesorgt! Und das ist…“
„Ihr wollt es nicht verstehen, oder?“ Hellpfote sprang ein Stück näher. In ihren Augen lag eine Kälte, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. „Das war alles geplant! Ich habe von Anfang an diese Rolle gespielt. Von Anfang an habe ich euch ausspioniert. Ich habe gelernt, eure verrückten Zeichen zu erfinden und falsch zu deuten. Und Dornenblatt war sogar noch stolz auf mich!“
„Ich habe dir vertraut“, hörte ich mich sagen, doch meine Worte konnten Hellpfotes Ohren nicht erreichen. Finkenflug hatte mehr Erfolg.
„Wir waren deine Familie! Dein Clan! Du…du Verräterin!“
„Finkenflug!“, rief Falkensturz entsetzt. „Nicht!“
Ohnmächtig musste ich zusehen, wie der braune Kater auf Hellpfote zusprang, diese flink nach hinten auswich und stattdessen Fang die Arbeit machen ließ. Fang schnellte vor und stieß den Krieger zur Seite. Hart landete er auf dem Fels.
„Du hast die richtige Seite nicht erkannt!“, knurrte die Kätzin und entblößte das Gebiss.
„Pfoten weg von ihm!“
Ich zuckte innerlich zusammen, als ein rotbrauner Blitz an mir vorbei sprang und auf Fangs Rücken landete. Mit einem überraschten Miauen verlor die Kätzin das Gleichgewicht und fiel auf die Seite. Mit einem harten Prankenschlag schleuderte sie Kastanienpfote zur Seite und rappelte sich auf. Der Schüler landete mit einer Drehung wieder auf den Pfoten und knurrte die Kätzin an.
Hellpfote sah sich gehetzt um, wollte ausbrechen, als sie von einer schlanken, weißen Gestalt aufgehalten wurde. Mit einem Kopfstoß, der ich der schmächtigen Kätzin niemals zugetraut hätte, stieß Taubenpfote ihre Konkurrentin zu Boden.
„Ich habe dir vertraut!“, knurrte die Heilerin. „Ich habe dir von meinen Träumen erzählt und du…“
„Taubenpfote!“ Mein Warnruf kam zu spät. Hellpfote war nicht so sanft, wie sie gespielt hatte. Mit einem kräftigen Schlag riss sie die junge Heilerin von den Pfoten.
„Ich habe beim Training unserer Schüler zugesehen!“, knurrte die Kätzin, während sich Taubenpfote, die der Schlag hart getroffen hatte, versuchte aufzurappeln. „Und stell dir vor, ich habe gelernt!“
Endlich erwachte ich aus meiner Starre. Doch bevor ich der Heilerin zur Hilfe eilen konnte, fixierte Fang sich auf mich. Sie sprang mich an und schleuderte mich mehrere Katzenlängen nach hinten.
„Wird Zeit, dass wir uns dir entledigen!“
Bevor sie zubeißen konnte, riss Schneepfote, die ebenfalls den Anstieg überwunden hatte, Fang zur Seite. Fang wollte sich auf die Schülerin stürzen, wurde aber von Falkensturz aufgehalten. Plötzlich sprangen weitere Katzen hinter den Felsen hervor und warfen sich auf uns.
Aus dem Augenwinkel sah ich Kieselpfote, die Hellpfote mit einem Sprung von den Beinen riss und gegen den Fels schleuderte.
„Pfoten weg von meiner Schwester, du dreckige Streunerin!“
Von der Wut kontrolliert, verfehlten ihre Zähne das Ziel und Hellpfote konnte sie mit einem Sprung in die Seite aus dem Gleichgewicht bringen. Ich sah, dass alle Katzen im Gefecht verwickelt waren und half Taubenpfote mit einem Ruck auf die Pfoten.
„Verschwinde von hier! Schnell!“
Die Heiler-Schülerin warf einen verstörten Blick zu den kämpfenden Katzen und floh. Ein weiterer unangenehmer Geruch bohrte sich in meine Nase. Ich wirbelte herum. Klaue!
„Ihr habt keine Chance!“, knurrte der Kater. „Seit ihr den Anstieg gewagt habt, seit ihr verloren!“
Die Katzen zogen ihren Kreis enger um uns. Panisch sah ich mich um.
„Schneepfote, Kastanienpfote!“
Die Schüler sahen zu mir und nickten.
„Taubenpfote hat das Spiel durchschaut und uns eingeweiht!“, bestätigte Kastanienpfote mit ernstem Blick.
„Wir werden es schaffen!“, miaute Schneepfote. „Und es wird nicht mehr lange dauern.“
„Euer Kampf ist sinnlos!“
Alle Katzen hielten inne. Mein Herz machte einen Sprung. Fuchsstern stand auf dem Felsen, auf dem kurz zuvor noch Fang posierte und sah auf die Katzen herab. „Eure verbliebenen Freunde im Wald haben sich gerade entschieden, dass sie vor dem Hochwasser fliehen sollten. Sie werden in einem anderen Wald ziehen.“
Mausstern trat an ihre Seite. Nun erschienen auch die anderen Clan-Katzen rund um uns auf dem Felsplateau. „Wir geben euch erneut die Chance, zu gehen!“, erhob nun Mausstern von der anderen Seite seine Stimme. „Ihr habt verloren.“
Niemand von uns, nicht einmal Dornenblatt und Goldtupf, hätten geahnt, was sogleich passieren würde. Niemand hatte mit diesem überirdischen Licht gerechnet. Niemand mit den Kriegern, die sogleich in der Mitte der Streuner erschienen.
Die Streuner sprangen wie vom Blitz getroffen auseinander. Die Katzen erschienen inmitten von uns. Leuchtende Katzen mit glänzenden Augen. Und einige von ihnen kannte ich.
„Ihr habt verloren!“, ertönte die Stimme Springsterns über die Köpfe der völlig perplexen Streuner. „Nun nimmt eure Niederlage entgegen und geht.“
Ein hellgrauer Kater, den ich nicht kannte, trat hervor. „Wir lassen euch freie Fahrt. Es gibt einen Wald in der Nähe.“
Silberstern erschien in der Mitte. „Es wurde genug Blut vergossen. Auf beiden Seiten. Nun lasst uns Frieden schließen.“
Mein Herz machte einen Satz, als eine Katze erschien, die ich nie erwartet hätte. Ich ging unwillkürlich ein paar Schritte weiter in die Mitte. „Mutter“, hauchte ich.
„Ich bin stolz auf dich, mein Sohn“, miaute meine Mutter und legte ihren Kopf auf meinen. „Du bist eine richtige Clan-Katze.“
„Regen!“ Mein Bruder erschien neben ihr.
„Pass auf dich auf, Bruder“, miaute der Kater und leckte mir über die Schulter.
Eine weitere Katze erschien in der Mitte.
„Ich habe euch beobachtet und mit euch Bekanntschaft geschlossen“, sprach Himmel, wobei ihre grünen Augen voller Leben leuchteten. „Nun wünsche ich euch in eurem weiteren Leben viel Glück. Der SternenClan und der Stamm der Ewigen Jagd werden auf ewig Freunde bleiben.“
„Nun zu euch!“, meldete sich ein Kater, den ich nicht kannte, zu den Streunern. „Schneepfote und Kastanienpfote ist es bestimmt, euch den Weg in euer neues zu Hause zu zeigen. Vertraut ihnen, sie sind anderen Schülern in ihrem Alter weit voraus. Es ist ihnen bestimmt, euch zurück in eine Heimat zu führen.“
Der Kater nickte den Schülern zu. Automatisch bildete sich eine Gasse in den Clan Katzen. Schneepfote und Kastanienpfote traten schweigend durch die Katzen hindurch, zögernd und mit verstörten Blicken folgten ihnen die Streuner, bis sie uns alle verlassen hatten. Hellpfote warf uns noch einen verstörten Blick zu, bevor sie ihren Gefährten folgte.
„Ihr seid nun zurück“, sprach Himmel zu uns. „Lebt euer Leben weiter. Werdet wieder zwei Clans. Es ist euch so bestimmt.“
Langsam löste sich der SternenClan auf. Alle Katzen standen wie erstarrt auf dem vom Vollmond beschienen Gebirge. Nur noch ein heiseres, freudloses Lachen erklang.
Blut war nicht mehr wieder zu erkennen. Er wirkte niedergeschlagen, klein, sein Blick war gebrochen. Er ähnelte mehr einer flammenfarbenen Ratte als einer Katze.
„Ihr habt es also geschafft!“ Der Kater bleckte die Zähne. „So lange. All diese Pläne und Vorbereitungen. Alles verloschen.“
Ich sah, wie Moospelz steif hervortrat. „Du kannst deinen Gefährten folgen. Aber verlasse diesen Wald. Dann kannst auch du in Frieden leben.“
Wieder dieses markerschütternde Lachen. „Ihr seid verrückt!“, krächzte der gebrochene Kater, während er sich zu dem Abhang schlich. Niemand hinderte ihn daran, den letzten Schritt zu tun und in die Tiefe zu stürzen. Vielleicht war er so glücklicher, dachte ich, als wir hörten, wie sein Genick beim Aufprall brach.
Es war still. Lange Zeit war es still. Bis Dornenblatt hervor trat.
„Ich habe eine wichtige Ankündigung zu machen. Blatt trete bitte hervor.“
Die rot-weiße Kätzin trat mit hoch erhobenem Haupt hervor. Ihr Blick leuchtete im Mondlicht.
„Blatt hat schon seit langer Zeit Träume vom SternenClan. Es ist ihr bestimmt, eine Clan-Heilerin zu werden. Blatt, der SternenClan gibt dich in meine Pfoten. Von diesem Tag an wirst du Blattschatten heißen. Ich weiß, dass du dem SteppenClan besser dienen wirst als deine Vorgängerin.“
Blattschatten leckte die Schulter ihres Mentors. „Ich danke dir“, murmelte sie. Mausstern trat hervor.
„Morgen Nacht wird die Große Versammlung stattfinden. Wir werden beraten, wie es nun weiter gehen wird. Bis dahin kehren beide Clans in ihre Territorien zurück.“
Als wir uns trennten wusste ich, dass alles gut werden würde.
Mausschweif war vor kurzem in die Kinderstube gezogen. Ich musste schnurren. Moospelz redete von nichts anderem mehr als von der Vorfreude auf seine Jungen. Was ich nur allzu gut nachvollziehen konnte.
Es waren drei, die sich an Steinkralles Bauchfell kuschelten. Liebevoll betrachtete ich die winzigen Kätzchen, wie sie gierig an den Zitzen saugten.
„Hast du schon Namen für sie?“, fragte mich Steinkralle ganz nebenbei. „Ich habe schon Rindenpelz gefragt, aber er meint, dies sei unsere Angelegenheit.“
Ich sah sie eines nach dem anderen an. „Die Kätzin sieht aus wie du.“
„Findest du? Mich erinnert sie an eine andere Katze. Siehst du den Blaustich im Fell?“
„Himmeljunges“, flüsterte ich.
„Und die beiden Kater?“
Ich sah den Größeren von beiden an. „Was meinst du?“
Steinkralle überlegte kurz. „Graujunges. Er wird es besser machen, als sein Vorgänger.“
Ich nickte. Der Clan hatte Graufell in Erinnerung behalten, wie sie ihn gekannt hatten. Sein Verrat hatte praktisch nie existiert. Ich sah das jüngste, das kleinste Junges genauer an.
„Er sieht aus wie du“, miaute Steinkralle, „aber dich erinnert er an eine andere Katze.“
Wie sie sich in mich einfühlen konnte!
„Regenjunges“, murmelte ich, während ich in die blauen Augen des Katers blickte. Ja, Regenjunges war ein guter Name für meinen Sohn.
Ich spürte geradezu, wie der SternenClan die Namen der Jungen aufnahm. Sie würden große Krieger werden. Krieger in der Treue zum SternenClan!
Eine duftende Briese schien durch die Kinderstube zu wehen, als ich auf die drei Jungen herab sah. Danke, großer SternenClan.
Texte: Alle Rechte bei Eirin Hunter und mir.
Tag der Veröffentlichung: 28.08.2013
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
An alle Leser, die es bis zu dieser Seite geschafft haben. Ich weiß, dass ich lange nicht so gut bin, wie Erin Hunter, möchte aber trotzdem gerne wissen, wie ihr diese Geschichte fandet. Für Kritik bin ich auch offen, das ist meine erste richtige Fanfiktion und mir ist klar, dass es unzählige Punkte gibt, die noch verbessert werden müssen.