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Begegnung im Schnee

Das Tal hinter unserer Höhle war von Wiesen und Büschen überwuchert und der perfekte Ort zum Jagen. Wie ein grünes Juwel lag es inmitten der grauen Ebene, ein plätschernder Bach durchfloss das Tal. Jedenfalls wäre es so in der Blattgrüne.
Alle Katzen hatten Mordshunger nachdem der erste Schnee fiel und Beute in den Bergen noch schwerer zu finden war als sonst. Ich lief über die weite Schneefläche. Der Winter hier oben in den Bergen war viel kälter und viel härter als im Wald. Es hatte eine Ewigkeit gedauert, bis die unablässigen Schneewehen sich so weit eingestellt hatten, dass die ersten Katzen jagen konnten.
Ich versuchte, etwas zu riechen, wobei die kalte Luft in meine Nase stach. Nichts. In der Hoffnung, Spuren zu entdecken, suchte ich die weiche Schneedecke ab und sah schon bald die Spur eines Bergkaninchens. Ich wusste nicht, ob ich die Kraft hatte, ein so großes Tier zu jagen, aber der Hunger, der in meinem Bauch wütete spornte mich an. Gegen den Schnee kämpfte ich mich der Spur hinterher, bis der Weg anstieg. Nun endlich konnte ich das Kaninchen riechen.
Meine Ballen waren in den vielen Tagen, die wir nun schon in den Bergen verbrachten, hart geworden und bluteten nicht mehr so leicht, wie bei meiner Ankunft. Wir hatten gelernt, geduldiger bei der Jagd zu sein, dennoch hungerten wir immer häufiger. Es war ein Wunder, dass noch keine Katze bei der Kälte krank geworden war.
Vorsichtig, mich dicht in den Schnee gedrückt schlich ich mich an das Kaninchen heran, wobei mir das Wasser im Maul zusammen lief. So lange hatte der Clan kein Kaninchen mehr. Es würde wie ein Segen für die hungrigen Katzen sein.
Leise eine Pfote vor die andere setzend, pirschte ich mich an und hoffte, dass das laute Knurren meines Magens mich nicht verraten würde. Es waren nur noch wenige Schritt.
Ein Geräusch. Das Kaninchen sah auf. Zeitgleich duckte ich mich zu Boden und betete zum SternenClan, dass diese Bewegung nicht zu schnell war. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie meine Beute schnupperte und aufmerksam die Ohren aufstellte. Schließlich machte es sich wieder daran, Grashalme auszugraben. Ich setzte noch eine Pfote vor. Jetzt war die richtige Gelegenheit…
Ich sprang los. Noch bevor ich wieder auf dem Boden angekommen war, hatte sich das Kaninchen schon in Bewegung gesetzt. Trotz des Schnees nahm ich die Verfolgung auf. Mit ausgestreckten Krallen hätte ich das Kaninchen berühren können, als es vor mir weghoppelte. Es schlug einen haken, der mich beinahe aus dem Gleichgewicht gebracht hätte. Ich fuhr herum und nahm die Verfolgung auf. Meine Beute lief direkt auf einen Abhang zu, in der Hoffnung, ich würde mich davon abhalten lassen. Ich lief schneller und sprang dem Kaninchen am Abhang hinterher. Im Flug bekam ich das zappelnde Tier mit den Zähnen zu fassen, kurz bevor ich unsanft auf dem Boden aufkam. Ich rollte über das Kaninchen hinweg, was den Sturz abfederte, bevor ich auf allen Vieren landete und meiner Beute mit einem gezielten Biss das Leben nahm.
„Sturmherz!“ Der erschrockene Ruf ließ mich herumfahren. Ich hatte bei meinem waghalsigen Sprung von der Felsnase Goldtupf angestoßen, die Kräuter, die sie gesammelt hatte, lagen auf dem Boden verteilt.
„Entschuldigung, Goldtupf“, miaute ich durch das Fell des Kaninchens hindurch, doch die goldbraun gescheckte Kätzin schüttelte abwehrend den Kopf.
„Schon in Ordnung. Du hast Beute gemacht, das brauchen wir jetzt.“ Sie fing an, die Kräuter einzusammeln. „Ich komme allein zurecht, bringe das Kaninchen ins Lager.“
Trotz des duftenden Geruchs des Kaninchens im Maul, entgingen mir die Kräuter nicht.
„Wacholderblätter und Katzenminze?“
„Feldjunges hat gehustet“, erklärte die Heilerin mit vollem Mund. „Ich bin froh, dass ich hier Kräuter gefunden habe. Ich möchte nur vorbereitet sein, falls eine Katze Weißen Husten bekommt.“
Ich sah die Heilerin leichtfüßig über den Schnee in unsere Höhle hüpfen, während ich mich mit meiner Beute abmühte, die das Dreifache ihres Körpergewichtes zu wiegen schien. Unsicher sah ich nach oben. Der Himmel war klar. Ich erinnerte mich noch gut daran, dass ich als Schüler im Wald von einem Habicht angegriffen wurde. Hier, in dem Bergen waren wir noch viel gefährdeter.
Als ich es durch größte Kraftanstrengung geschafft habe, meine Beute in die Höhle zu schaffen, kamen gerade Aschenhauch, Flammenpelz und Eschenpfote von der Patrouille. Kastanienjunges und Schneejunges liefen ihnen voller Erwartung entgegen.
„Es tut mir leid“, miaute Flammenpelz noch bevor die Jungen etwas sagen konnten. „Aber wir haben erneut keine SteppenClan-Katzen gefunden.“
Als die Jungen mit hängenden Schwänzen wegzogen konnte ich ihre Enttäuschung gut nachvollziehen. Auch ich fragte mich schon eine geraume Zeit lang, wann Fuchsstern endlich eine Patrouille schicken wird, die erst zurückkommt, wenn sie den Clan gefunden hat.
Natürlich wenn die Blattleere zu Ende oder nicht mehr so hart ist, Mäusehirn.
Ich seufzte und dachte daran, dass Springstern mich schon lange nicht mehr besucht hat. War er enttäuscht von mir, weil ich hier blieb, anstatt seinen Clan zu suchen?
„Guter Fang, Sturmherz“, lobte Eichenblitz, als er mit neuem Nestmaterial, das in den Bergen schwer zu beschaffen war, an mir vorbei kam. „Bring das bitte gleich zu den Ältesten.“
Ich nickte dem Zweiten Anführer zu und machte mich daran, meinen Fang in Richtung Ältestenbau zu zerren.
„…so einen Winter hatten wir im Wald schon einmal“, berichtete Tigerzahn gerade den anderen.
„Ich erinnere mich“, miaute Vogelpelz. „Zwei Junge sind dabei verhungert, obwohl einige Krieger auf ihre Ration Frischbeute verzichtet haben und….ah, wenn man sie ruft, dann kommt sie schon.“
Keuchend ließ ich das Kaninchen, das definitiv viel zu fett für diese Gegend war, auf dem Boden fallen. „Wenn etwas übrig bleibt, bringt es bitte in den Heilerbau.“
Tigerzahn schnurrte. „Du hast dich ganz schön schnell daran gewöhnt, Befehle zu erteilen.“
„Das kommt davon, wenn man einen halben Mond lang über die Steppe gejagt wird“, miaute ich in Erinnerung an unsere Strapazen mit den Streunern.
„Sturmherz!“ Das war Dunkelpelz. Ein Krieger zu sein bedeutete nicht, dass man nicht mehr von älteren Katzen herum kommandiert wurde.
„Du bist gleich für eine Patrouille mit Blütennase und Eichenblitz eingeteilt. Ihr werdet weiter zur Grenze ziehen, also iss lieber etwas.“
Zur Grenze, bedeutete zu der Grenze des erforschten Gebietes. Das war die ultimative Gelegenheit, etwas Neues über den Verbleib des SteppenClans heraus zu finden.
Sorgfältig wählte ich eine kleine Maus vom Frischbeutehaufen, um die großen Stücke anderen Katzen zur Verfügung zu stellen. Ich hatte sie schnell aufgegessen und satt wurde ich dadurch am wenigsten. Das Jagen in den Bergen war schwieriger als im Wald.
„Wartet!“ Als wie aufbrechen wollten, rannte Kieselpfote vom Schülerbau zu uns hinüber. „Darf ich bitte mit, Eichenblitz? Ich habe schon alle Pflichten erledigt.“
Eichenblitz blickte zu Dunkelpelz, diese nickte. „Geht auf dem Rückweg auf die Jagd“, miaute Kieselpfotes Mentorin uns nach. „Das muss Kieselpfote noch trainieren.“
„Wenn sie es schafft, Beute zu machen, wo es für uns fast unmöglich ist, schlagen wir Fuchsstern vor, sie zur Kriegerin zu ernennen“, miaute ich Dunkelpelz zu, woraufhin ich von Kieselpfote einen Klaps mit dem Schwanz aufs Ohr verpasste, bevor wir zurück in die Kälte trabten.

 

Als wir an der festgelegten Territoriumsgrenze ankamen, zitterten wir bis auf die Knochen.
Wir blieben vor einem Anhang stehen, wo der Weg anstieg. Mein Mut sank, als ich dort hochsah.
„Müssen wir da wirklich hoch?“
Blütennase stieß mich freundschaftlich an. „Willst du lieber gegen eine Horde Streuner in die Schlacht ziehen, die dich zerreißen wollen?“
„In Ordnung. Ich komme mit.“
Mühsam krallte ich mich in den Fels und zog mich hoch, nachdem Eichenblitz voraus gegangen war. Kieselpfote reihte sich hinter mir ein und Blütennase behielt ihre Tochter beim Anstieg genau im Auge. Das felsige Gestein war von Eis überzogen, was es erschwerte, sich festzuhalten. Kieselpfote stieß mich mit der Nase an, als ich kurz innehielt, um nach Halt zu suchen.
„Kommen wir heute noch oben an?“
Mit Mühe erreichte ich die Kante, wo Eichenblitz mich hochzog. Kieselpfote und Blütennase folgten auf leichten Pfoten. Ich fuhr ein paar Mal meine Krallen ein und aus, um sie zu entlasten. Klettern war keine meiner Stärken.
Ich richtete meinen Blick auf die Schneewüste vor uns.
„Wo fangen wir an?“, fragte Kieselpfote mit einer Spur von Ungeduld, was ihr einen scharfen Blick von Eichenblitz einbrachte.
„Wir werden uns erst in diese Richtung wenden…“ Ich hörte dem Zweiten Anführer kaum zu, da ich etwas sah, das sich im hellen Licht bewegte. Der Schnee reflektierte das Sonnenlicht so stark, dass ich nur eine dunkle Gestalt sah. Doch meine Nase war aufmerksamer.
„Dort ist eine Katze!“, rief ich, ohne darauf zu achten, dass ich Eichenblitz unterbrochen hatte. „Sie kommt auf uns zu. Und sie riecht nach SteppenClan!“ 

Der verstreute Clan

Wir liefen der Katze entgegen. Nun konnte ich die braune Fellfarbe erkennen und riechen, dass es ein Kater war. Der Kater schien uns zu bemerken und hob schwach den Kopf. Er rief etwas, doch seine Worte erreichten unsere Ohren nicht. Wenige Katzenlängen, bevor wir ihn erreichten, sackte er kraftlos zu Boden.
„Er ist völlig unterkühlt und ausgehungert!“, meldete Kieselpfote, die zuerst bei ihm war. Blütennase fing an, sein Fell gegen den Strich zu lecken, um ihn aufzuwärmen. Ich tat es ihr gleich.
„Es ist Mausohr!“, rief Eichenblitz aus.
Der Name erinnerte mich an etwas, doch ich konnte keine Verbindung erstellen.
„Der Zweite Anführer des SteppenClans“, erläuterte mich Blütennase. „Vielleicht sind sie in der Nähe, wenn er hier ist.“
„Dann wäre er nicht allein unterwegs“, widersprach Kieselpfote und legte sich gleich darauf erschrocken den Schwanz vor den Mund. Ihren dreisten Einwand übersahen die Krieger allerdings.
„Ich glaube, er kommt zu sich“, erkannte ich, als Mausohr schwach blinzelte.
„Mausohr!“, miaute Blütennase eindringlich. Der Zweite Anführer des SteppenClans hob schwach den Kopf.
„Endlich.“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Lufthauch und wurde von heftigem Husten unterbrochen. Fieber schlug mir entgegen.
„Sturmherz, laufe zurück und benachrichtige Goldtupf!“, befahl Eichenblitz. „Verdacht auf Weißen Husten. Wir kommen euch entgegen.“
Noch bevor er zu Ende gesprochen hatte, war ich auf dem Weg.

 

„Es ist nur ein Stein, auf den du getreten bist“, beruhigte Goldtupf Feldjunges, als ich hereinkam.
„Aber es tut so weh!“
„Wir haben keine Mohnsamen. Du musst es aushalten, tut mir leid. Lecke die Pfote regelmäßig." Mit verzogenem Gesicht humpelte sie davon. Ich kam keuchend bei der Heilerin an, als Fuchsstern sie gerade ansprach.
„Hast du ein Zeichen vom SternenClan bekommen?“
„Es tut mir leid, Fuchsstern. Sie schweigen. Auch Taubenpfote hat nichts mehr erfahren.“
Ich wollte mit der Botschaft herausrücken, als Fuchsstern wieder das Wort ergriff.
„Seit dem Kampf schweigen sie. Die Sternengrotte ist zu weit entfernt für eine Reise.“
„Wir können auch ohne den SteppenClan zurück.“
„Dann hätten wir keine Chance gegen…“
Etwas in mir zerriss. Auf einmal war es mir völlig egal, ob ich meiner Anführerin ins Wort fiel oder nicht.
„Wir haben Mausohr gefunden!“
Mehrere Katzenköpfe drehten sich zu mir um. Fuchsstern starrte mich überrascht an. „Wo?“
„Bei den höheren Bergen. Er ist krank! Wir glauben, er hat Weißen Husten!“

 

Blütennase und Eichenblitz stützten Mausohr, als Fuchsstern, Goldtupf und ich ihm entgegen liefen. Langsam ließen sie ihn in den Schnee gleiten. Goldtupf ließ ihre Wachholderblätter neben ihm fallen.
„Er ist erkältet! Zum Weißen Husten fehlte nicht mehr viel.“
Wie zur Bestätigung wurde Mausohr von einem Hustenanfall geschüttelt. Goldtupf schob ihm die Kräuter entgegen. „Iss sie!“ Schwach kam der Krieger ihrer Aufforderung nach.
„Bringt ihn sofort in meinen Bau!“, befahl Goldtupf. „Taubenpfote müsste zurück sein. Kieselpfote, benachrichtige sie, schnell.“ Die Schülerin flitzte in Richtung Höhle. „Ihr Anderen helft, ihn zu meinem Bau zu schaffen.“
Als ich bei den Höhlen ankam hatte man Taubenpfote schon benachrichtigt.

 

 Mausohr lehnte sich zurück, nachdem er das Wasser getrunken hatte, das wir ihm durch schmelzenden Schnee verabreicht hatten.
„Wir müssen ihn schlafen lassen“, miaute Goldtupf. „Ihr geht jetzt lieber.“
Als ich ihren Bau verließ, lief mir schon Rindenpelz entgegen. „Stimmt es? Ihr habt Mausohr gefunden? War der SteppenClan…“
„Er war allein“, berichtete ich meinem Freund. „Und er ist stark erkältet. Wenn Goldtupf und Taubenpfote ihn aufgepäppelt haben, erfahren wir bestimmt mehr.“
„Alle Katzen, die alt genug sind um Beute zu machen, fordere ich auf, sich zu einem Clan Treffen zu versammeln.“
Wir folgten Fuchssterns Ruf und gesellten uns zu den anderen.
„Wir haben Mausohr gefunden. Goldtupf, in welcher Verfassung befindet er sich?“
Die Heilerin trat hervor. „Er ist stark erkältet, wird sich aber bald erholen. Sobald er stark genug ist, wird er uns Auskunft über den Clan geben. Ich habe ihn angewiesen, damit mindestens noch bis zum Abend zu warten.“
„Dann werden wir mehr erfahren“, entschied Fuchsstern. „Aschenhauch, Schattenpelz und Rennwind, ihr werdet noch einmal zu der Stelle gehen und nach weiteren Katzen Ausschau halten. Sturmherz, du gehst mit und zeigst ihnen die Stelle.“
„Ja, Fuchsstern“, miaute ich gehorsam, während ich mich insgeheim fragte, wie lange ich noch so herum gescheucht werden würde. Beim Hinausgehen bemerkte ich, wie Kastanienjunges und Schneejunges zu Goldtupf liefen.
„Dürfen wir ihn besuchen?“, fragten die beiden wie aus einem Munde.
„Später, wenn er sich erholt hat“, entschied Goldtupf.
Wir verließen die Höhle und liefen zu dem Vorsprung.

 

 Nach einer Ewigkeit und ohne Anzeichen weiterer Katzen kehrten wir schließlich zurück.
„Habt ihr etwas gefunden?“, erkundigte sich Eichenblitz bei unserer Ankunft.
„Nein“, meldete Rennwind. „Nicht einmal eine Geruchsspur. Vielleicht sollten wir noch einmal bei den anderen Felsen in der Nähe nachsehen.“
Nein, bitte nicht!
„Gut“, miaute der zweite Anführer. „Sturmherz, du kannst hier bleiben und dich ausruhen.“
„Danke, Eichenblitz“, miaute ich aufrichtig, legte mich vor dem Kriegerbau nieder und fing an, mein Fell zu putzen.
„Noch mehr Katzen?“ Es war Steinkralle, die sich zu mir gesellte. Ich schüttelte den Kopf.
„Meinst du, der SteppenClan hat sich verstreut?“
„Ich weiß nicht“, miaute Steinkralle. „Ich kann mir das schwer vorstellen. Aber sie haben große Probleme. Wir müssen ihnen helfen, wieder zusammen zu finden.“
Genau das wollte ich schon die ganze Zeit! Wir mussten den Clan finden, damit wir uns gemeinsam endlich unseren Wald zurück erobern konnten!
„Genau das finde ich auch!“, pflichtete uns Moospelz bei, der hinter uns saß. „Zusammen könnten wir es diesen Streunern heimzahlen. Und zwar richtig!“ Er fuhr seine Krallen aus.
„Zuerst müssten wir den SteppenClan finden!“, mischte sich Flammenschweif. „Und ich bin mir sicher, dass Mausohr uns dabei helfen kann. Ein Zweiter Anführer muss wissen, wo sein Clan steckt. Oder zumindest eine Ahnung haben.“
Rindenpelz, der gerade von einer Jagd kam, ließ seine Frischbeute fallen. „Habe ich etwas verpasst?“

 

 Schwankend kam Mausohr aus dem Bau, nachdem Fuchsstern die Versammlung einberufen hatte.
„Wir haben keine weiteren Katzen gefunden“, miaute Aschenhauch.
Fuchsstern wandte sich an Mausohr. „Weißt du, wo deine Clan-Gefährten stecken?“
Schwach stand Mausohr auf und trat in die Mitte der Versammlung. Ich sah Eschenpfote, der sich an mir vorbeidrängte, um besser sehen zu können.
„Nachdem wir vor den Streunern in die Berge geflohen sind“, fing der braune Kater an, „zogen wir tagelang ziellos umher durch die Berge. Wir haben viele Katzen bei den Kämpfen und während der Reise verloren. Als wir eine Pause machen wollten, wurden wir von einer Schneelawine überrollt.“ Die braunen Augen des Katers blickten ins Leere. „Ich wachte halb von Schnee begraben auf. Mein Clan war verschwunden.“ Er wandte sich an Fuchsstern. „Ich weiß nicht, was mit ihnen passiert ist, aber ich spüre, dass meine Clan-Gefährten noch leben. Also bitte ich den BlattClan, helft mir, sie zu finden. Ich werde mich freiwillig zu jeder Patrouille melden, die nach meinem Clan sucht. Wir sind verstreut und müssen so schnell wie möglich wieder zusammen kommen, wenn wir nicht wie Streuner enden wollen.“
Fuchsstern nickte. „Morgen wird eine Patrouille dich auf der Suche nach deinem Clan begleiten. Ich werde sie anführen, Eichenblitz wird so lange den Clan führen. Morgen erfahrt ihr, wen ich mitnehmen werde.“

Der Reiz des Abenteuers

„Endlich! Ich habe schon befürchtet, dass wir uns nie mehr auf die Suche machen!“
Steinkralle sprach mir aus der Seele, als sie und Rindenpelz von der Abendpatrouille zurück kamen und wir drei endlich genug Zeit zum Reden gefunden haben. „Denkt ihr, Fuchsstern wird uns mitnehmen? Ich meine nach der ganzen Geschichte mit den Streunern müssten wir doch bevorzugte…“
„Ich bin mir nicht sicher“, miaute Rindenpelz nachdenklich. „Nach dem Abenteuer mit den Streunern würde ich auch gerne anderen Katzen den Vortritt lassen. Außerdem sind hier noch andere gute Krieger. Ich denke, Fuchsstern würde lieber Katzen mit mehr Erfahrung mitnehmen. Vielleicht kommt Goldtupf auch mit. Heiler-Katzen kommen bei solchen Missionen oft mit, da Clan-Grenzen für sie nicht dieselbe Bedeutung haben.“
„Aber man dürfte sich doch anbieten“, miaute ich hoffnungsvoll. „Schließlich haben wir uns als Erstes auf die Suche nach dem SteppenClan gemacht. Da wäre es nur gerecht, wenn wir auch mitkommen dürfen.“
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass Aschenhauch mitkommen wird“, vermutete Steinkralle. „Sie ist eine der erfahrendsten Krieger im Clan.“
„Oder Flammenschweif“, sagte Rindenpelz.
„Dann hat Eschenpfote auch gute Chancen, mitzukommen, da er Flammenschweifs Schüler ist“, sagte ich und sah zu dem schwarz-weißen Kater, der uns bei den Kämpfen gegen die Streuner so tapfer zur Seite gestanden hatte. Nun half er Taubenpfote dabei, die Kräuter zu sortieren, nicht zuletzt, um ebenfalls etwas zu lernen.
„Und die arme Kieselpfote wäre ganz allein im Schülerbau“, meinte Steinkralle. „Ich glaube nicht, dass ich mitkommen kann, mich brauchen sie hier für die Jagd.“
Das stimmte. Steinkralle war schon als Schülerin eine gute Jägerin gewesen. Bei der harten Blattleere waren ihre Chancen, mitzukommen gleich Null.
„Sturmherz?“ Flammenschweif kam mich Eschenpfote zu mir. „Wir benötigen noch jemanden für die Jagdpatrouille.“
Ich nickte. „Wird die Beute knapp?“
„Vogelpelz hat wieder ein Ziehen in den Pfoten“, erklärte der ältere Krieger. „Was bedeutet, dass es bald einen Wetterumschwung geben wird. Sie hat keine Ruhe gegeben, bis wir uns gemeldet haben. Schaden wird es dem Clan nicht.“
„Und ich kann dir zeigen, wie man Schneehühner aufspürt!“, gab Eschenpfote an. „Zwei habe ich heute schon erwischt.“
Ich wusste zwar nicht, was Schneehühner waren, doch sie klangen nach reichhaltiger Beute. Noch einmal atmete ich die von Katzenkörpern aufgewärmte Luft in der Höhle ein und trat hinaus in den kalten Schnee. Es schneite nicht, aber der Himmel war bewölkt, also schien Vogelpelz mit ihrer Befürchtung Recht zu haben. Was, wenn das bedeutete, dass die Patrouille verschoben würde?
Mir sträubte sich das Fell bei dem Gedanken. Der SteppenClan war irgendwo dort draußen. Und er brauchte unsere Hilfe. Um jeden Preis.

 

 „Die Schneehühner gibt es hier überall“, berichtete Eschenpfote mit dem Mund voller Federn, als wir mit unserer Beute zurückkamen. „Wenn alle lernen, sie zu jagen, ist die Blattleere hier oben halb so schlimm.“
Ich hatte kaum Gelegenheit, mir den Geruch des Vogels zu merken, als Eschenpfote ihn mir schon abnahm und zum Heilerbau brachte. Mausschweif hatte angefangen zu husten und ich spürte die Anspannung im Falle einer Epidemie Grünen Hustens. Kurz überlegte ich, ob mein Anliegen nicht vielleicht doch etwas unpassend wäre, dann straffte ich mich wieder und ging zu Fuchssterns Bau, wo unsere Anführerin sich gerade mit Mausohr unterhielt, dem es schon weitaus besser ging.
„Ich glaube, die Lawine muss sie weiter Bergabwärts getrieben haben“, miaute der Zweite Anführer des SteppenClans. „Wenn wir dort zuerst suchen, finden wir noch jemanden. Ich war allein, die Gegend abzusuchen ist nur Zeitverschwendung.“
Fuchsstern nickte. „Ich habe schon eine Patrouille dorthin geschickt. Keine weiteren Anzeichen von Katen oder…hallo, Sturmherz. Hast du etwas zu sagen?“
„Ich wollte fragen, ob ich an der Suche nach dem SteppenClan teilnehmen kann“, platzte es aus mir heraus, was garantiert zu auffordernd klang. „Ich…ich habe gesehen, was die Streuner mit dem Wald machen“, fügte ich ruhiger hinzu, „und ich fühle mich ziemlich verantwortlich für die Sicherheit unserer Rückkehr. Außerdem…“ Ich holte tief Luft. „Ich habe Kastanienjunges und Schneejunges praktisch versprochen, sie zu ihrem Clan zurückzuführen. Ich möchte sie nicht enttäuschen, da sie bald Schüler würden.“
Obwohl mir selbst diese Erklärung mehr als mäusehirnig vorkam, nickte Fuchsstern. „Danke für dein Angebot. Ich werde es mir überlegen.“ Ihre Stimme klang allerdings schon ziemlich entschlossen.
„Danke, Fuchsstern. Entschuldigung wegen der Störung, Mausohr.“
Als ich rückwärts aus dem Bau heraus tappte, stieß ich mit Steinkralle zusammen, die hinter mir stand. Ihr Fell war wütend gesträubt.
„Und? Darf der große Krieger nun auf die gefährliche Mission mit?“
Irritiert von dem verärgerten Glanz in ihren blauen Augen, legte ich schüchtern die Ohren an.
„Das…das hat sie noch nicht entschieden, aber…“
„Nein! Sie wird es sich noch überlegen! Vielleicht wann ihr aufbrechen werdet. Fuchsstern hat niemals eine Katze im Lager gelassen, die sich freiwillig zur Patrouille meldete, warum sollte sie hier anders verfahren?“
„Ähm…ich…ich will doch nur helfen. Du kannst ja auch fragen…“
„Nur helfen!“ Ich sah mich um, doch bisher schien keine Katze unseren Streit mitzubekommen. „Ich kenne dich schon eine ganze Zeit lang. Wer hat denn vorgeschlagen, in die Steppe zu ziehen?“
„Aber…ich wollte doch…“
„Nur helfen? Soll ich dir sagen, was du wolltest?“ Das dunkelgraue Fell der Kätzin glättete sich ein wenig, doch ihr ärgerlicher Blick blieb. „Du wolltest ein Abenteuer. Ich habe es in deinen Augen gesehen.“
„In meinen Augen?“
„Sie haben geleuchtet. Geleuchtet wie bei einem Jungen. Genau dasselbe, als Fuchsstern angekündigt hat, eine Patrouille zusammen zu stellen. Wie bei einem Jungen, das zum Schüler ernannt wird. Auf ein Abenteuer geht."
„Ich bin kein Junges…“, wollte ich widersprechen, doch Steinkralle fuhr mir ins Wort.
„Nein, bist du nicht. Du bist eine Katze, die auf Abenteuer aus ist. Glaubst du, ich habe nicht gemerkt, wie unruhig du warst, je länger wir hier blieben? Manchmal hatte ich das Gefühl, dass du dich bei den Streunern besser gefühlt hast.“
„Das stimmt nicht…“
Steinkralle fuhr mir wieder ins Wort: „Es ist einfach nur der Reiz des Abenteuers, nicht wahr? Der Reiz, etwas Aufregendes zu tun. Etwas, wie sich ungefragt auf die Suche nach einem Clan machen.“
„Du warst auch sofort dabei!“
„Ja, um einem Clan zu helfen. Aber nicht für ein wenig Aufregung. Oder deine Aktion bei der Großen Versammlung…“
„Steinkralle!“ Ich sah mich um, ob jemand uns gehört hatte.
„Du brauchst mich gar nicht so anzufauchen! Es ist immer nur der Reiz des Abenteuers, der dich leitet. Etwas zu erleben, sich zu beweisen, nicht wahr?“
Ich wollte etwas sagen, machte den Mund aber gleich wieder zu.
„Ich wusste es!“, rief Steinkralle aus. „Mit erhobenem Haupt furchtlos in die Schlacht, das ist es was du willst.“
„Ich war nie furchtlos, wenn…“
„Der Reiz des Abenteuers“, erinnerte sie mich, „das übersteigt alle Furcht.“
Endlich fasste ich mich. „Nein, das ist nicht wahr. Steinkralle…hör mir zu!“ Doch sie war schon am anderen Ende der Höhle verschwunden. Und mich vor dem ganzen Clan zu streiten, war das Letzte, was ich wollte.
„Sie beruhigt sich schon wieder“, miaute Rindenpelz neben mir. Ich fuhr herum. Die Spitzen seiner Schnurrhaare zuckten.
„Findest du das komisch?“
„Du musst dir nicht immer alles zu Herzen nehmen, was andere Katzen sagen. Manchmal übertreiben sie halt.“
Ich senkte den Kopf und ließ den Schwanz hängen. „Genau das ist das Problem!“, murmelte ich niedergeschlagen. „Sie hat Recht. Und ich bin zu feige, das einzugestehen.“
Der Reiz des Abenteuers war mit einem Mal fast völlig weggeweht. Es blieben nur ein schlechtes Gewissen und die Sorge, um eine ausreichende Entschuldigung, die ich wahrscheinlich nie über meine Lippen bringen könnte.

Aufbruch einer Patrouille

„…fordere ich auf, sich zu einem Clan-Treffen zu versammeln.“
Ich hörte den Rest von Fuchssterns Ruf, als ich zusammen mit Kieselpfote neues Nestmaterial herein trug. Wir legten das Moos vor der Kinderstube ab und reihten uns in die Versammlung.
„Hoffentlich darf ich mitkommen!“, miaute Kieselpfote mit leuchtenden Augen. Ich sah zu Fuchsstern. Mausohr hockte an ihrer Seite.
„Ich habe entschieden, wen ich und Mausohr mit auf die Suche nach dem SteppenClan nehmen werden“, miaute die Anführerin. Mein Herz schlug höher.
„Mausschweif, Moospelz, Taubenpfote, Dunkelpelz und Kieselpfote werden mitkommen“, verkündete Fuchsstern. In Kieselpfotes grünen Augen standen Stolz und Freude, als sie ihrer Mentorin zu den anderen folgte. Taubenpfote kam mit den nötigen Kräutern aus dem Bau.
„Wir werden gleich aufbrechen!“, fügte Fuchsstern hinzu, während sich die Katzen schon über ihre Reisekräuter hermachten. Etwas glühte in mir. Ich fuhr wütend meine Krallen aus, die sogleich schmerzhaft auf den harten Stein stießen. Kieselpfote verschlang einige Katzenlängen neben mir ihre Reisekräuter.
„Ich darf mit! Vielleicht werde ich nachher zur Kriegerin ernannt. Sturmherz, bringst du bitte noch das Moos weg?“
Ohne einen Kommentar folgte ich ihrer Aufforderung, obwohl etwas in mir brodelte. Das war Schüleraufgabe! Warum durfte ich nicht mit!?
„Ich will mit auf die Mission!“, forderte Schneepfote in der Kinderstube, wobei sie mir aus der Seele sprach. „Es ist schließlich mein Clan!“
„Ihr seid noch zu jung“, antwortete Dornenschweif, während ich das Moos ablegte. Sie schienen mich nicht zu beachten. Ich war wohl ziemlich überflüssig.
Draußen stieß ich mit Eschenpfote zusammen. Auch er war nicht glücklich über das Ergebnis.
„Ich bin fast genauso lang Schüler wie Kieselpfote und der bessere Jäger. Aber ich darf hier bleiben“, leerte er ungefragt seine Seele aus. Ich wusste, dass Krieger einen Schüler bei so etwas eigentlich zurechtweisen sollten, nickte aber nur nachlässig.
„Eschenpfote!“ Flammenschweif kam zu uns. „Wir sollen auf die Jagd gehen, damit sich die Patrouille vor dem Aufbruch stärken kann.“
„Darf ich mitkommen?“, fragte ich automatisch. Ich brauchte eine Beschäftigung und außerdem bewegte sich Steinkralle gerade in meine Richtung. Ihre Sprüche brauchte ich momentan kein bisschen.
Flammenschweif nickte. „Ja, danke, Sturmherz. Wir können jede Pfote gebrauchen.“
„Habt ihr euch gestritten?“, fragte Eschenpfote beim Hinausgehen. „Du und Steinkralle?“
Ich schüttelte den Kopf. „Das…das war nur eine kleine…Meinungsverschiedenheit.“
„Weswegen ihr euch nun aus dem Weg geht, obwohl euch vorher nicht einmal der SternenClan auseinander gebracht hätte.“
Ich sah ihn entgeistert an.
„Ich musste mich schließlich tagelang mit euch abgeben. Eine Katze müsste blind und taub sein, um eure gegenseitige Zuneigung nicht zu bemerken.“
Ich stöhnte innerlich. „Und natürlich weiß schon der halbe Clan davon!“
„Der ganze Clan“, fiel Flammenschweif ein. „Habt ihr euren Streit inzwischen belegt?“
„Hat man in dieser Höhle denn keine Privatsphäre mehr?“, rief ich aus, wofür ich mir selbst eins über die Ohren ziehen könnte. Warum war ich nur in letzter Zeit so durcheinander?!
„Du bist einfach nur verliebt, das ist alles“, beantwortete Flammenschweif meine unausgesprochene Frage.
„Die Ältesten haben da sehr gute Tipps…“, warf Eschenpfote überflüssigerweise ein, wurde aber von seinem Mentor mit einem strengen Blick unterbrochen.
„Wir erwarten nicht gleich Junge von euch, aber man verliebt sich nicht oft im Leben.“ Flammenschweif sah mich wohlwollend an. „Glaube mir, du wirst dir selbst dafür noch dankbar sein. Ihr solltet euch wieder vertragen.“
„Ich werde mein Bestes tun“, versprach ich ihnen. „Dürfen wir jetzt endlich los? Ich denke, die Patrouille hat Vorrang vor den Problemen einzelner Katzen.“
Mir war klar, dass ich Flammenschweif damit nicht von meinen Problemen ablenken konnte, aber wenigstens hatte ich dies ein wenig aufgeschoben. Sie hatten ja Recht. Ich hasste es, mich mit Steinkralle zu streiten. Aber leider war ich ein unverbesserlicher Sturkopf, wie sie sagen würde. Was hatte diese Kätzin nur an sich, dass ich in ihrer Nähe schlagartig den Verstand verlor?

 

„Ich muss mit dir reden!“, waren die ersten Worte, die ich bei unserer erfolgreichen Rückkehr zu hören bekam. Rindenpelz schien schon die ganze Zeit unruhig auf mich gewartet zu haben.
Ich schloss für einen Augenblick die Augen und legte meine Frischbeute ab.
„Aber nicht hier. Irgendwo, wo wir ungestört sind.“
Zum Glück – in Rindenpelz’ Fall – kam gerade Eichenblitz vorbei.
„Eichenblitz, wir können nicht schlafen“, miaute Rindenpelz, „können wir die Nachtwache übernehmen?“
Der Zweite Anführer nickte. „Gerne, eigentlich wollte ich sie heute machen, aber wenn ihr euch schon anbietet, könnt ihr sie übernehmen.“
„In Ordnung.“ Wir gingen gemächlichen Schrittes zu dem Eingang, wo ein eisiger Wind wehte. Zum Schlaf würde ich heute wohl nicht mehr kommen.
„Was beim SternenClan ist nur los mit euch beiden?“, kam Rindenpelz gleich auf den Punkt. „Steinkralle will nicht einmal mehr mit mir reden.“
„Ich habe Fuchsstern gefragt, ob ich bei der Suche nach dem SteppenClan mitmachen kann.“
Zuerst wirkte Rindenpfotes Blick skeptisch, dann verstand er. „Und Steinkralle hat dir ins Gesicht gesagt, dass sie den Verdacht hat, dass es dir nicht um den Clan geht, sondern…um was eigentlich?“
„Den Reiz eines Abenteuers. Jedenfalls hat sie es so genannt.“
„Und sie war immer ziemlich gut darin, Katzen zu durchschauen.“
„Ich weiß“, seufzte ich, „sie gibt mir das Gefühl, mehr über mich selbst zu wissen, als ich.“
„Und du bist zu stolz, das zuzugeben und schmollst lieber, obwohl du einfach nur sagen musst: ‚Du hast Recht, ich bin ein Mäusehirn und werde fortan immer auf dich hören’.“
Ich konnte nur nicken. Wie ich dieses Dilemma hasste!
„Glaube mir, ich würde auch lieber mit der Patrouille gehen. Wenn ich deswegen auch nicht unbedingt einen Streit mit meiner potenziellen Gefährtin anfangen würde.“
„Das tut weh“, beschwerte ich mich.
„Das Leben tut weh“, gab Rindenpelz zurück. „Das müsstest du schon gemerkt haben.“
„Danke“, fauchte ich. An Rindenpelz’ Miene sah ich, dass es ihm Leid tat.
„Entschuldigung. Das…war wohl ein wenig zu direkt.“
„Das war kein wenig zu direkt. Es war ganz und gar unpassend. Um es harmlos auszudrücken.“
„Ich weiß.“ Rindenpfote ließ die Ohren hängen. „Du solltest dich trotzdem mit Steinkralle vertragen. Ich kenne sie. Sie gibt niemals als Erste nach.“
Ein Glück war die Nachtwache die perfekte Möglichkeit, dies auf einen späteren Punkt zu verlegen.
Ich sollte den Streit nicht zu lange aufschieben!, riet mir meine innere Stimme, während ich die stille Nacht der Berge im Auge behielt.

 

Ich war bei Morgengrauen sofort wie ein Stein in den Kriegerbau gefallen und eingeschlafen. Jedenfalls war mein Körper eingeschlafen.
Der kühle Wind unserer Steppe wehte mir entgegen, als ich die Augen aufschlug. Ich sah mich um. „Springstern?“ Der Kater saß im wehenden Gras. Seine Miene sah besorgt aus.
„Gibt es Probleme?“, fragte ich und dachte sofort an Fuchssterns Patrouille.
„Ich weiß nicht, was vorgefallen ist“, miaute der SternenClan-Anführer, „aber Mausohr hat einen Hilferuf an den SternenClan gesandt. Die Patrouille ist in Gefahr.“
Ich schluckte. „Was kann ich tun?“
„Ich weiß es nicht. Aber deine Taten erfordern großen Mut, Sturmherz.“ Er hielt einen Moment inne. „Ich bin mir sicher, dass du die richtige Katze dafür bist.“
Keuchend wachte ich auf. Das helle Sonnenlicht stach mir in die Augen. Ohne zu zögern lief ich aus dem Kriegerbau und hielt auf Goldtupf zu, die ebenfalls mit besorgtem Gesicht aus dem Heilerbau trat.
„Die Patrouille…“ Mehr brachte ich nicht heraus.
„Sie haben es dir gesagt“, erkannte die Heilerin, als sei es das Normalste auf der Welt, dass ein normaler Krieger Visionen vom SternenClan erhielt. „Ich weiß, dass Springstern dich in den Träumen besucht. Taubenpfote hat mir davon erzählt.“
„Was sollen wir tun?“, fragte ich gehetzt.
„Handeln“, entschied die braun-golden getupfte Kätzin. „Und zwar auf der Stelle.“

Eine riskante Mission

„Der Clan braucht die letzten Krieger hier. Ich kann nicht noch eine Patrouille losschicken.“
„Ich weiß, Eichenblitz, aber irgendetwas müssen wir tun!“ Der besorgte Einwand kam von Goldtupf, die ein Gesicht machte, als wäre der Wald von Zweibeinern gerodet worden. Eichenblitz sah sich ratlos um. Ich konnte dies nur allzu gut nachfühlen. Er war hin und her gerissen zwischen der Patrouille seiner Anführerin und dem restlichen Clan. Es wäre zu riskant, noch mehr Krieger loszuschicken.
„Das Überleben beider Clans liegt in den Pfoten des SternenClans“, warf Elsterfeder ein. „Wir können unsere Kriegerahnen nicht allein lassen!“Der junge Krieger erhielt zustimmendes Gemurmel. Dornenschweif trat hervor.
„Ich sehe ein, dass wir der Patrouille zur Hilfe eilen müssen, aber ich werde Feldjunges nicht allein lassen!“ Sie hatte den Schwanz schützend um ihre Tochter gelegt, die dem Geschehen mit großen Augen folgte. „Ich werde eine Reise wie diese nicht noch einmal antreten. Und auch um die Ältesten müssen sich Katzen kümmern.“
Vogelpelz hob den Kopf. „Ich mag zwar nicht mehr die schnellsten Pfoten haben, aber wenn es sein muss, kann ich mir meine Beute auch noch selbst fangen.“
Tigerzahn gesellte sich zu ihr. „Ein Clan ohne Anführer entspricht nicht dem Willen des SternenClans. Die Sternengrotte ist zu weit entfernt, als dass Eichenblitz zu ihr reisen kann, falls Fuchsstern etwas zustößt. Wir müssen ihnen unbedingt helfen! Buntschweif, was denkst du?“
Die schildpattfarbene Kätzin hob die Augen mit mattem Blick. „Ich werde euch nicht aufhalten, wenn ihr eine weitere Patrouille losschickt. Aber ich bin zu schwach, um noch weiter zu kämpfen. Der Clan darf sich nicht weiter verstreuen, sonst sind wir alle verloren.“
Ich sah, dass dies dem Clan nicht weiter brachte. Wenn sich selbst die Ältesten uneinig waren, war es nur allzu verständlich, dass die Unruhe wuchs. Zwei kleine Katzen traten zögerlich aus dem Kreis.
„Dürfen wir sprechen, Eichenblitz?“, fragte Schneejunges mit gesenktem Kopf. Der Zweite Anführer nickte.
„Wir haben unseren Clan schon einmal verloren“, miaute Kastanienjungen, so laut er konnte. „Aber wir haben nicht aufgegeben. Dennoch waren wir allein zu schwach. Wenn uns Eschenpfote und die anderen nicht gefunden hätten, wären wir jetzt nicht mehr am Leben.“ Er warf einen dankbaren Blick zu dem Schüler. Sie waren schon sehr gute Freunde geworden.
„Nächsten Mond würden wir beide Schüler“, fuhr Schneejunges fort. „Aber eins haben wir dank dem BlattClan schon jetzt gelernt. Wenn ein Krieger auch nur eine geringe Chance hat, einer Katze in Not zu helfen, muss er sie ergreifen, egal von welchem Clan sie ist.“
Ihr Bruder ergriff wieder das Wort. „Wenn wir nur den Hauch einer Chance hätten, würden wir beide der Patrouille ohne zu zögern hinterher reisen, um ihnen zu helfen. Und ich bin mir sicher, die Krieger des BlattClans haben mehr als nur einen Hauch von einer Chance.“
„Sollte eine Patrouille loseilen, werden wir freiwillig mehrere Aufgaben im Clan übernehmen. Wir werden uns um die Ältesten und die kranken Katzen kümmern. Wir werden sogar Kräuter suchen gehen.“ In Schneejunges Augen sah ich eine noch größere Opferbereitschaft, als sie uns mitteilte. „Das wäre das mindeste, was wir für euch tun könnten.“
Eine lange Weile herrschte Stille im Clan. Alle Katzen waren von der Aufopferungsgabe dieser Jungen, die nicht einmal zu unserem Clan gehörten, tief berührt. Eichenblitz neigte den Kopf vor den Geschwistern, eine Geste tiefsten Respekts.
„Ihr habt bereits mehr von Kriegern an euch, als manche ältere Katze in dieser Höhle von sich behaupten kann“, miaute der Kater. An den Clan gewandt sprach er: „Wir werden abstimmen. Wer dafür ist, eine Patrouille loszuschicken geht auf diese Seite. Wer dagegen ist auf die andere. Ich möchte nun von jeder Katze ihre ehrliche Meinung haben.“
Goldtupf war die Erste, die sich für eine Patrouille entschied. Schneejunges und Kastanienjunges folgten ihr ohne zu zögern. Adlerpelz, Tigerzahn und Vogelpelz folgten.
Mit einem wehmütigen Blick zu ihren Baugefährten entschied sich Buntschweif als Erste gegen sie. Elsterfeder sah ihr kurz hinterher, bevor er folgte. Dornenschweif kam mit Feldjunges nach. Auch Winterfrost entschied sich dagegen.
Eichenblitz sah auf uns herab. „Überlegt ruhig noch eine Weile. Es ist keine leichte Entscheidung.“
Flammenschweif erhob sich. „Ich bewundere den Mut der Katzen, die diese Patrouille gutheißen. Aber ich habe zu viel erlebt, um noch mehr auf das Risiko zu setzen.“ Er stellte sich zu den Gegenstimmen. Schattenglanz erhob sich.
„Als junge Schülerin geriet ich einem Hund in Quere, als ich auf der Jagd war. Fuchsstern, damals noch Fuchsfang, hat mir damals das Leben gerettet. Nun werde ich sie nicht im Stich lassen.“ Mit entschlossenem Gesicht setzte sie sich auf die Seite für die Patrouille. Ich sah mich um. Aschenhauch, Blütennase, Rindenpelz, Steinkralle, Eschenpfote und ich blieben noch übrig. Blütennase stand als Nächste auf.
„Auch ich mache mir Sorgen um den Clan. Aber auch um meine Jungen. Deshalb werde ich mich freiwillig zur Patrouille melden.“
Aschenhauch hob den Kopf. „Auch ich bin für die Patrouille. Allerdings werde ich hier bleiben und den Clan versorgen.“ Sie folgte Blütennase.
Eschenpfote hob den Blick. „Ich weiß, wie es ist, ganz allein auf sich gestellt zu sein. Jeden Augenblick um sein Leben kämpfen zu müssen. Ich möchte nicht, dass sich noch mehr Katzen in Gefahr bringen.“ Er setzte sich neben seinen Mentor.
Steinkralle stand als Nächste auf. „Ich glaube an die Botschaft des SternenClans. Aber ich glaube auch an Fuchsstern. Sie wird es ganz sicher schaffen, davon gehe ich aus.“ Sie entschied sich gegen die Patrouille. Rindenpelz sah auf. „Ich würde mich für eine Patrouille melden. Aber nur, wenn es keine andere Möglichkeit gäbe. Ich würde mich melden, damit sich andere Katzen nicht in Gefahr begeben. Und genau aus dem Grund bin ich gegen die Patrouille.“
Ich schluckte und sah von den einen Katzen zu den anderen. Sie waren ausgeglichen. Nun hing alles an mir.
„Sturmherz?“, fragte Eichenblitz sachte.
Ich holte tief Luft. Der Clan stand an erster Stelle. Ich konnte meinen Clan nicht allein lassen!
Aber die Patrouille gehörte auch zu dem Clan.
Ich sah zu Steinkralle. Sie würde nicht mitkommen, das wusste ich. Ich wollte mich nicht noch mehr von der Katze entfernen, die ich liebte.
Aber was ist mit den anderen Katzen. Auch sie hatten ihren festen Platz im Clan. Sie waren ebenso wichtig wie jede andere Katze hier.
Aber nicht so wichtig, wie Steinkralle für mich.
Was war mit Springstern? Vor einer gefühlten Ewigkeit habe ich ihm versprochen, seinen Clan zu suchen.
Damals war die Situation anders. Da ging es nur um einen Clan und nicht um zwei.
Auch meine Mutter, Regen und Birkenkralle würden mir zustimmen.
Aber was war mit mir und Steinkralle? Wie sollte das weitergehen?
Zwei Katzen gegen zwei Clans?
„Sturmherz?“ Eichenblitz’ Stimme klang schon fordernder. Mit entschlossener Miene hob ich den Kopf, wohl wissend, dass das Schicksal vieler Katzen nun an mir hing.
„Ich werde mich freiwillig zu der Patrouille melden.“
Ich wusste, dass ich das Richtige tat. Aber warum nur fühlte ich mich dabei so elend?

Der Weg ins Unbekannte

Schattenglanz, Blütennase, Rindenpelz und ich bekamen je einen Haufen der bitteren Reisekräuter.
„Das sind ziemlich wenig“, bemerkte Rindenpelz. Ich spürte sein Misstrauen und die Furcht in Anbetracht der nahenden Mission. Er hatte sich schlussendlich doch freiwillig gemeldet.
„Es sind die letzten“, miaute Goldtupf entschuldigend. „Ich habe bisher keine weiteren Kräuter gefunden. Aber für eine Weile würden sie reichen.“
Wenigstens hätte ich dann nicht so lange den widerlichen Nachgeschmack im Maul, dachte ich und beugte mich zu den Kräutern hinunter.
„Wartet!“
Steinkralle lief zu uns. „Eichenblitz, ich habe es mir doch anders überlegt. Ich möchte mitkommen.“
Eichenblitz zögerte.
„Ich komme in unbekannten Gelände gut zurecht“, setzte die junge Kriegerin nach.
„Ich weiß“, miaute der Zweite Anführer. „Aber du bist eine grandiose Jägerin…“
„Die diese beiden Fellbälle gut gebrauchen werden, wenn ihr alle in der Schneewüste verzweifelt“, fügte sie schlagfertig hinzu, während sie Rindenpelz und mir jeweils einen leichten Klaps mit dem Schwanz gab, wobei ich am liebsten im Boden versunken wäre. „Eschenpfote kann meine Jagten übernehmen, er ist mindestens genauso gut wie ich.“
Der Schüler kam gerade von den Ältesten und öffnete protestierend das Maul, bis er merkte, dass Steinkralle nicht allein war. Unauffällig schlich er sich wieder an die Arbeit.
Eichenblitz nickte. „In Ordnung. Aber ich möchte keinen Streit!“
Ich musste nicht aufsehen, um seinen strengen Blick zu bemerken. „Ja, Eichenblitz“, miaute ich gehorsam, während wir alle Steinkralle einige der Reisekräuter abgaben.
„Was soll das?“, zischte ich ihr zu.
„Denkst du, dass ich all die Strapazen umsonst auf mich genommen habe? Springstern würde es so wollen.“
„Also kein Abenteuerreiz!“
Steinkralle beachtete mich nicht weiter, sondern machte sich über ihre Reisekräuter her.
„Alle bereit?“, fragte Schattenglanz, die älteste von uns, deshalb auch die Anführerin der Patrouille. Steinkralle schluckte das letzte Blatt herunter und nickte.
„Dann folgt mir.“
„Viel Glück“, miaute Eichenblitz uns hinterher, während wir die Höhle verließen. Glück. Genau das, was wir brauchten. Aber ob wir es auch bekamen?

 

 Die Kälte des aufkommenden Windes machte uns schon nach wenigen Augenblicken schwer zu schaffen. Nach unserem anfänglich schnellen Lauf hatten wir das Tempo eingestellt und gingen hintereinander, um dem eisigen Wind keine zu große Angriffsfläche zu bieten weiter über die verschneite Landschaft.
„Seid ihr sicher, dass sie in diese Richtung gelaufen sind?“, schrie Blütennase gegen den Sturm an.
„Bis hierher haben uns die Spuren geführt!“, antwortete Schattenglanz in derselben Lautstärke. „Wir dürfen sie nicht verlieren.“
„Bei dem Sturm haben sie sich bestimmt einen Unterschlupf gesucht!“, warf ich ein. „Dasselbe sollten wir auch tun, sonst werden wir noch zu lebendigen Eiszapfen!“
„Wie?“, brüllte Schattenglanz verzweifelt.
„Wir graben uns im Schnee ein.“ Irgendetwas in mir sagte, dass dies die richtige Lösung war.
„Was? Du glaubst doch nicht, dass das funktionieren wird?“ Rindenpelz blinzelte gegen den Schnee, als er es zu mir nach vorne schrie.
„Wenn wir uns alle wärmen, haben wir eine Chance.“
Blütennase und Steinkralle finden schon an, gegen den tosenden Sturm Schnee zu schaufeln. Mit steifen Pfoten schloss ich mich ihnen an, während ich am ganzen Körper wie Espenlaub zitterte.
„Das muss reichen!“, sagte Blütennase zitternd. Nacheinander legten wie uns in die Kuhle und rollten uns fest zusammen. Es war das erste Mal seit Tagen, dass Steinkralle und ich Pelz an Pelz nebeneinander schliefen.

 

Kälte. As war die erste Empfindung, die mich erreichte. Eisige, alles durchdringende Kälte.
Ich schlug die Augen auf. Meine Lider waren vom Frost verklebt. Ich sah weiß. Kaltes Weiß.
Ich versuchte, mich zu bewegen, doch meine Glieder gehorchten mir kaum.
Langsam drehte ich den Kopf, wobei etwas in meinem Nacken knackte. Ich lag halb unter gefrostetem Schnee begraben in einer gefrorenen Schneewehe. Erneut versuchte, ich mich aufzurichten, stieß jedoch auf Widerstand. Ich sammelte all meine Kraft und konnte endlich den eisigen Schnee, der mich gefangen hielt durchbrechen. Sobald ich mich bewegte, kehrte die Wärme in meinen Körper zurück, obwohl ich meine Pfoten immer noch kaum spüren konnte. Mit verschwommenem Blick sah ich mich nach meinen Clan-Gefährten um. Ich nieste, als der Schnee mir in der Nase kitzelte. Hoffentlich bekam ich keinen Grünen Husten bei der Kälte!
Neben mir regte sich etwas. Blütennases schildpattfarbenes Fell kam langsam zum Vorschein. Mit ausgefahrenen Krallen half ich der Kätzin aus dem Schnee.
„Wo sind die Anderen?“, bedankte sie sich.
Ich versuchte, etwas zu riechen, doch meine Nase war taub. Verzweifelt sah ich mich um.
„Sie können nicht weit sein“, sagte Blütennase bemüht ruhig, dennoch konnte ich die Angst in ihrer Stimme hören. Ich fing an, mit den Pfoten weiter Schnee zur Seite zu schaufeln, doch stieß auf keine Katzen. Hat der Schneesturm uns getrennt? Nur wie?
„Ich habe Rindenpelz gefunden!“, hörte ich Blütennase. Ohne zu zögern rannte ich ihrer Stimme nach und zerrte den braunen Kater aus dem Schnee, der heftig hustete.
„Geht es dir gut?“, fragte ich besorgt.
„Alles in Ordnung. Ich habe nur etwas Schnee verschluckt.“ Er schüttelte sich, sodass die Schneeflocken um uns herum flogen. „Wo sind Steinkralle und Schattenglanz?“
„Ich bin hier!“, kam Steinkralles keuchende Antwort. Schwerfällig grub sie sich aus einem Schneehaufen heraus. „Keine Sorge, dafür, dass ich eben noch keine Orientierung von oben und unten hatte, geht es mir ziemlich gut.“
„Kann irgendwer Schattenglanz entdecken?“, unterbrach Blütennase die jüngere Kriegerin. Ich sah mich um. Schattenglanz’ schwarzes Fell hätte sich unübersehbar von dem Schnee abheben sollen. Doch ich konnte sie nicht entdecken.
„Wir teilen uns auf!“, entschied Blütennase über unsere Köpfe hinweg. Von unserem Standpunkt schwärmten wir in alle Himmelsrichtungen aus und bearbeiteten den vereisten Schnee mit Krallen und Zähnen.
„Ich habe sie!“, jaulte Steinkralle plötzlich. Sofort rannten wir in ihre Richtung. Steinkralle hatte Schattenglanz schon halb aus dem Schnee gezerrt. Durch ihr heftiges Rütteln öffnete die Kätzin schwach ein Auge.
„Wo…wo sind wir?“
„Im Schlaf hat uns anscheinend eine kleine Lawine auseinander gewürfelt“, erklärte ihr Blütennase. „Nach dem Sonnenstand geht es aber in dieser Richtung weiter.“
Schattenglanz nickte. „Dann müssen wir sofort los!“

 

 „Hier sind Katzenspuren!“, meldete Blütennase, die voraus lief. „Aber nicht von der Patrouille. SteppenClan!“
„Wie viele Katzen?“, fragte Schattenglanz.
„Zwei.“
„Wir sollten sie suchen!“, miaute Rindenpelz. „Dann können wir den gesamten Clan schneller auffinden. Fuchsstern müsste inzwischen auch auf einige Katzen getroffen sein.“
Wenn ihrer Patrouille nichts zugestoßen ist, dachte ich besorgt.
„Hier!“, meldete Steinkralle, die schon vorgelaufen war. Schaufelnd legte sie eine kleine, dunkle Höhle frei und kroch gleich als erste hinein. Blütennase folgte. Ich wollte hinterher, zögerte dann jedoch. Ein Tunnel. Ein dunkler, enger Tunnel, der jeden Augenblick einstürzen könnte…
„Sturmherz, geh weiter“, beschwerte sich Schattenglanz.
„Du schaffst das!“, miaute Rindenpelz, der meine Sorgen verstand. „Ich bin hinter dir!“
Ich holte tief Luft und stieg hinab in das Dunkel.

 

„Ist doch gar nicht so schlimm“, versuchte Rindenpelz mich zu beruhigen, während ich mich den dunklen Gang entlang tastete, wobei jedes von der Decke herab rieselnde Staubkorn mich zusammen zucken ließ. Herabstürzende Steine brannten vor meinen Augen auf. Mein Herz musste so laut schlagen, dass es den anderen in den Ohren wieder hallte.
Es ist nur ein Weg! Nur ein harmloser Weg!
„Sehr ihr schon etwas?“, rief Schattenglanz nach vorne.
„Nur Dunkelheit!“, meldete Steinkralle. „Aber der Weg sinkt leicht ab.“
Hätte sie uns nicht gewarnt, wäre mir bei dem plötzlichen Abhang das Herz stehen geblieben. Mit steifen Beinen stemmte ich mich gegen die Erde, bis ich merkte, dass ich hier unmöglich herunter fallen könnte.
Nur ein harmloser Weg!
„Vorsicht! Der Tunnel wird enger!“, warnte uns Blütennase. Erneut strömten unangenehme Erinnerungen auf mich ein. War da vielleicht noch so etwas wie Sensibilität oder Mitgefühl?!
„Wenn hier schon einmal eine Katze hinein gekrochen ist, überleben wir das auch“, hauchte mir Rindenpelz ins Ohr.
„Ich habe keinerlei Bedenken!“, gab ich zurück
Keinerlei Bedenken! Ich fühlte mich, als würde mich jeden Augenblick der Verstand verlassen!
„Du stinkst nach Angst!“, wies Rindenpelz mich hin. „Ich möchte dich nur beruhigen.“
„Danke“, miaute ich tonlos, während das Blut in meinen Adern rauschte. Ich beruhigte mich erst, als sich der Gang wieder erweiterte.
„Ich sehe Licht!“
Bei keinem löste Steinkralles Hinweis so große Erleichterung aus, wie bei mir. Mein Pelz glättete sich, als wir in ein Tal mit hohen Felswänden traten. Spitze Steine stachen überall um uns herum aus dem Boden. Hier und dort sah ich leichten Pflanzenbewuchs. Ob hier wirklich Katzen leben konnten?
„Wir sollten uns aufteilen!“, meinte Schattenglanz. „Ihr geht…“
Mit gesträubtem Fell sprang die Katze von einer Anhöhe auf uns herab.

 

 Ich wirbelte herum, und wollte schon zum Angriff übergehen, als Schattenglanz’ Ruf erklang.
„Silberstern!“
Der Anführer des SteppenClans glättete sein Fell, als er unseren Geruch erkannte.
„BlattClan!“, murmelte er, als könnte er nicht glauben, wen er vor sich hatte. „Seid ihr hier, um uns zu suchen?“
„Ja und nein“, miaute Blütennase. „Aber Erklärungen gibt es später. Sind noch mehr Katzen hier?“
Zögernd traten mehrere Katzen zwischen den Felsen hervor. Es waren vier.
„Die Streuner waren uns zahlenmäßig weit überlegen!“, berichtete Silberstern. „Als wir in die Berge zogen, wurde der Clan getrennt. Wir haben uns zu fünft zusammengefunden.“ Hoffnung glimmte in seinen Augen auf. „Habt ihr schon mehr unserer Katzen gefunden?“
„Mausohr ist uns begegnet“, miaute Schattenglanz. „Er hat uns alles erzählt. Auf dem Weg in die Berge haben wir auch zwei Jungen gefunden…“
Eine hellbraun gestreifte Kätzin unterbrach sie. „Laubjunges, Schneejunges und Kastanienjungen?“
„Schneejunges und Kastanienjunges haben wir gefunden!“, erklärte ich zögerlich. „Es tut mir leid, aber Laubjunges war nicht dabei.“
Ein weißer Kater, vermutlich ihr Gefährte legte tröstend seinen Schwanz um die Kätzin. „Erdwurzel, wenigstens sind Schneejunges und Kastanienjunges in Sicherheit.“
„Ihr habt die Mission, uns zurückzuholen?“, fragte eine kleine, grau-weiße Kätzin.
„Fuchsstern und Mausohr sind mit einer Patrouille aufgebrochen, um euch zu suchen“, miaute Rindenpelz. „Doch kurz darauf bekam Goldtupf ein Zeichen vom SternenClan, dass sie in Gefahr schwebten. Eichenblitz stellte eine weitere Patrouille zusammen, sie sie suchen.“
„Ihr habt also noch den Kontakt zum SternenClan!“, miaute ein brauner Kater. „Mit haben die Kriegerahnen seit einer Ewigkeit kein Zeichen mehr geschickt.“
„Dornenblatt?“, fragte Steinkralle. Der Heiler des SteppenClans nickte. „Das ist Hellpfote, meine Schülerin…“ er deutete auf die grau-weiße Kätzin neben ihm… „Weißmond und Erdwurzel.“
Schattenglanz stellte uns ebenfalls vor. Bei meinem Namen blieb Silbersterns Blick kurz an mir hängen. „Der Einzelläufer“, murmelte er. Ein Anflug von Wut schoss in mir hoch, doch dieser verflog, als er weiter sprach. „Ich hatte nie Zweifel, dass auch aus dir ein Krieger werden könnte.“
„Wir sind hier, um unsere und eure Clan-Gefährten zu suchen“, miaute Blütennase. „Und wir sollten so schnell wie möglich weiter.“
Silberstern nickte. „Wir werden euch begleiten. Zum Wohle beider Clans.“
„Silberstern!“ Hellpfote stand auf. „Was ist mit der Riesenkatze?“
„Wir werden wohl versuchen müssen, ihr die Stirn zu bieten“, sagte der Anführer. „Wir sind nun mehr als vorher. Also dürften wir eine Chance haben.“
„Riesenkatze?“, fragte Schattenglanz verwirrt. „Welche Riesenkatze?“
„Wir wissen nicht genau, was es ist. Eine riesige Katze, ähnlich wie ein Löwe ohne Mähne.“ Schrecken spiegelten sich in Silbersterns Augen, als er dies sagte. „Dieses Monster hat schon zwei unserer Katzen getötet. Hier haben wir uns vor ihr versteckt.“
„Eine große Katze, die andere Katzen tötet?“, wiederholte Steinkralle ungläubig. „Ich habe in letzter Zeit schon viel gesehen, aber das…“
„Wir sollten uns vor dieser Riesenkatze in Acht geben!“, unterbrach ich sie bestimmt. „Wenn sie so gefährlich ist…“
„Dürfen wir unsere Clan-Gefährten nicht allein lassen“, sprach Schattenglanz meinen Satz zu Ende. „Springstern, du bist der einige Anführer hier und kennst deinen Clan am besten. Übernimmst du die Führung?“
Der SteppenClan-Anführer nickte. „Ihr seht aber sehr müde aus. Schlaft euch erst einmal die Nacht über aus. Morgen früh brechen wir auf.“

Die gefährliche Riesenkatze

Der Schneefall war nicht so stark wie am Vortag, als wir in zwei Reihen hintereinander über die weite verschneite Landschaft marschierten. Gleich nach dem Aufbruch wurden wir von einem Raubvogel angegriffen, den Silberstern, Schattenglanz und Weißmond mit vereinten Kräften in die Flucht schlagen konnten. Immer noch warfen einige Katzen verstörte Blicke zum Himmel, als könne dieser jeden Augenblick über uns zusammen stürzen. Die Katzen aus den verschiedenen Clans hielten zusammen, als hätte es die Grenze am Fluss nie gegeben.
In dem regen Treiben habe ich mein Zeitgefühl verloren, noch dazu war die Sonne hinter dicken, weißen Wolken verborgen. Wir hätten eine Weile oder einen halben Tag laufen können, ich hätte den Unterschied nicht gemerkt. Es war nur weiß um uns herum. Und dann war da noch diese alles durchdringende Kälte…
„Dort ist eine Höhle!“ Obwohl Silberstern mit aller Macht gegen den Wind anschrie, konnte ich seine Stimme nur schwach vernehmen. Das dunkle Loch in dem treibenden Weiß entdeckte ich erst, als sich die Köpfe der anderen Katzen in diese Richtung wandten. Ohne eine weitere Aufforderung bewegten wir uns mit gesenkten Köpfen und steifen Gliedern auf den rettenden Felsspalt zu. Die Höhle war eng und lag nur halb windgeschützt, aber gut genug, um zehn Katzen notdürftigen Unterschlupf zu bieten. Steinkralle und Rindenpelz suchten sich eine Ecke in der Höhle, ich gesellte mich zu ihnen.
„Wir benötigen unbedingt Frischbeute“, miaute Steinkralle schwach.
„Bei dem Schneesturm lässt es sich nicht leicht jagen“, hauchte Rindenpelz. Ich sah die Rippen durch seinen braunen Pelz hervor stechen. Wir waren alle hungrig. Wir mussten nach dem Sturm eine Jagd einlegen, um bei Kräften weiter zu ziehen. Falls der Sturm irgendwann enden würde…
„Wie geht es Goldtupf?“ Ich bemerkte Dornenblatt erst, als sich der Kater neben uns setzte. Hellpfote sah uns aus großen Augen an.
„Hat sie schon einen Schüler?“, fragte die Heiler-Schülerin neugierig.
„Die Reise hat sie etwas mitgenommen, wie uns alle“, miaute Rindenpelz. „Und in den Bergen finden sich wenige Kräuter, aber Goldtupf kümmert sich immer noch um den Clan wie eine Königin um ihr Junges.“
„Sie hat eine Schülerin“, beantwortete ich Hellpfotes Frage. „Taubenpfote. Sie ist zu der Patrouille mit aufgebrochen, da eine Heiler-Katze bei der Mission erforderlich war, Goldtupf aber das Lager nicht verlassen wollte.“ Etwas stach mir in die Brustgegend. Wie es den Katzen im Lager wohl ging, Wo der halbe Clan entweder auf der Suche nach dem SteppenClan oder den eigenen Clan-Gefährten war?
„Ich würde sie gerne kennen lernen“, miaute Hellpfote. „Goldtupf und Taubenpfote. Werden wir wieder anfangen, uns bei Halbmond in der Sternengrotte zu treffen?“
„Wenn wir in unsere Heimat zurück kommen, bestimmt“, bestätigte ihr Mentor. Sorge und Heimweh schwankten in der Stimme des Heilers.
„Wir werden sie zurückbekommen!“, miaute Silberstern bestimmt. „Unsere Kriegerahnen würden ein solches Unrecht nicht zulassen.“ Sanfter fügte er hinzu: „Schlaft jetzt erst einmal. Morgen brauen wir unsere Kräfte.“

 

 Der Wald. Unser altes Lager. Ich wachte in unserem Lager auf. Und träumte.
„Springstern?“, fragte ich zögerlich. Doch aus dem Schatten trat eine andere Katze, die unwillkürliche Freudeströme in mir aufsteigen ließ.
„Birkenkralle!“
Ich begrüßte meinen Mentor etwas überstürzt mit der Nase. „Hast du eine Botschaft vom SternenClan?“
„Ihr seid in großer Gefahr!“
Von der Direktion seiner Worte fuhr ich zusammen. „Was ist los?“
„Silberstern hat euch vor der Riesenkatze in den Bergen gewarnt?“
Ich nickte. „Ist dieses Monster…“
„…auf dem Weg zu euch“, beendete der Kater.
„Wie können wir entkommen?“, fragte ich verzweifelt. Der Sturm, die weite Schneeebene…wir würden uns hoffnungslos verlaufen!
„Birkenkralle?“ Mein Mentor war verschwunden.
„Birkenkralle!“ Mein Ruf wurde von den Pflanzen um mich herum verschluckt, bevor ich entsetzt die Augen aufriss. Auch Dornenblatt fuhr erschrocken aus dem Schlaf.
Ich wusste, was der Kater sagen würde, bevor er es aussprach.
„Flieht…so…schnell…ihr…könnt!“

 

 Ein schrilles Kreischen hallte über die Berge, als wir nacheinander die felsige Anhöhe erklommen.
„Er kommt näher!“, hauchte Erdwurzel mit weit aufgerissenen Augen. Ich fuhr herum.
„Allmächtiger SternenClan…“, hauchte ich.
Die Katze war mindestens so groß, wie der Leopard, der mir vor der Schlacht mit den Streunern erschienen war. Fließendes, goldbraunes Fell glänzte in der Sonne, die in goldenen Strahlen durch die Wolken brach. Der Schnee stob unter dem Aufprall der kräftigen Pfoten auseinander. Bis zu unserer Anhöhe schien der Boden zu erzittern. Ich sah dem Raubtier an, dass es ein Hindernis, wie den Abhang, an dem wir uns befanden mit einem Satz überwinden konnten.
„Sie wird uns einholen!“, zischte Blütennase.
„Was jetzt?“, hauchte Weißmond.
„Wir müssen kämpfen!“, miaute Silberstern entschlossen. „Dornenblatt, Hellpfote, bringt euch in Sicherheit! Wir werden die Riesenkatze so lange aufhalten…“
„Silberstern“, unterbrach der Heiler bestimmt. „Du hast nur noch zwei Leben. Was soll der Clan machen, wenn sein Anführer…“
„Die anderen Krieger hier haben nur ein Leben und sind bereit, es zu opfern, obwohl wir nicht aus demselben Clan sind“, drängte ihn sein Anführer. Dornenblatt nickte mit sichtlich mulmigem Gefühl. Ich sah die beiden Heiler-Katzen über die vereiste Schneeebene jagen.
„Bildet einen Halbkreis!“, kommandierte Silberstern. „So, dass die Katze uns nicht sieht.“
Wir folgten seinem Beispiel. Etwas Kaltes stieg in mir hoch. Angst! Ich hatte einen Habicht, Dachse und Streunern das Fürchten gelehrt, aber was war mit diesem gigantischen Ungeheuer?
Für die Treue zum SternenClan!, fuhr es mir unwillkürlich durch den Kopf, kurz bevor die goldene Katze in unsere Falle tappte.

 

„Jetzt!“
Auf Silbersterns Zeichen warfen wir uns alle dem Raubtier entgegen, als es noch im Sprung war. Ich erwischte die Katze bei der Schulter und klammerte mich mit Zähnen und Krallen an ihr fest. Ein wütendes Fauchen erklang. Ich sah Schattenglanz in den Schnee fallen. Mit schnellen Schritten brachte sie sich außer Reichweite der Katze, um einen besseren Angriffspunkt auszuwählen. Ich verlor den Halt und stürzte in den Schnee.
Die riesige Katze hatte das bemerkt. Mit einem bedrohlichen Knurren bewegte sich ihr Kopf unheimlich schnell auf mich zu. Fänge blitzten vor mir auf…
Ein Sprung zur Seite, ein Schlag mit den Krallen. Kaum wuchtig, um das Ungeheuer auch nur ansatzweise aus dem Gleichgewicht zubringen, doch effektiv genug, um mir die Gelegenheit zur Flucht zu verschaffen. Auch Weißmond hatte sich von dem Ungeheuer abgewandt und brachte sich in eine gute Perspektive. Die restlichen hingen immer noch an dem Fell der Katze.
„Was jetzt?“, fragte ich automatisch.
Der Blick des älteren Kriegers huschte über den Körper der großen Katze, die mit funkelnden Augen unsere Clan-Gefährten fixierte, die sich im Halbkreis um sie herum aufgestellt hatten.
„Siehst du den Abhang?“ Die Schlucht war hinter einer Schneewehe verborgen, als ich Weißmonds Blick folgte. Erst beim genaueren Betrachten, sah ich, wie nah sich unser übermächtiger Feind am Abgrund bewegte.
„Wenn sie in der richtigen Position ist, fallen wir ihr in die Flanke“, wies mich der SteppenClan-Krieger an.
„Ich helfe euch!“ Es war Schattenglanz, die sich zum Sprung duckte.
„Jetzt!“, jaulte Weißmond auf. Zeitgleich stießen wir uns vom Boden ab und gruben Krallen und Zähne in die Flanke des riesigen Tieres, das vor Schmerz und Überraschung aufschrie. Weißmonds Plan ging nicht auf. Zwar gelangte die Katze heftig ins Schwanken, grub dann aber ihre riesigen Krallen in das Gestein und hielt sich fest. Erdwurzel half uns, trotz des gefährlich aussehenden Riss an ihrer Seite und fuhr dem Ungetüm mit scharfen Krallen über das Gesicht. Die Riesenkatze schüttelte heftig den Kopf, Erdwurzel schlug ein letztes Mal ihre Zähne in das Ohr ihres übermächtigen Gegners und beförderte sich wieder aus der Schusslinie. Blut floss unserem Gegner in die Augen, er schüttelte sich.
„Flieht!“, befahl Silberstern.
Den Augenblick nutzend, wirbelten die Katzen im Stand herum und rasten dem Anführer des SteppenClans hinterher über die verschneite Ebene.

 

 „Wir sind hier!“, rief Dornenblatt uns zu. Der Heiler hatte sich in einer kleinen Erdhöhle versteckt, deren Eingang gerade noch Katzengröße aufwies. Erdwurzel schlüpfte als Erste hindurch, wir anderen folgten, Silberstern bildete das Schlusslicht.
„Ist irgendeine Katze verletzt?“, fragte Dornenblatt, sobald sein Anführer sich in der Höhle niedergelassen hatte. Erdwurzel, Rindenpelz und Blütennase hatten schwere Schrammen davon getragen. Aus den Felswänden kratzte Hellpfote Moosballen ab und legte sie auf die Wunden der Verletzten.
„Das müsste die Blutung stoppen. Heilkräuter gibt es hier nicht.“
„Ich glaube, ich habe draußen welche gerochen!“, miaute Steinkralle.
„Noch dürfen wir nicht gehen!“, warf ich ein. „Sonst lauert uns dieses Biest noch auf!“
Wie zur Bestätigung ertönte ein schrilles Fauchen unweit des Höhleneingangs.
„Was ist das nur für eine Kreatur?“, miaute Rindenpelz schwach.
„Keine, mit der man Bekanntschaft schließen sollte“, knurrte Silberstern und leckte sich eine Schramme an der Schulter. Wir fuhren alle zusammen, als ein dunkler Schatten auf die Höhle fiel. Die Katze tigerte vor dem Eingang hin und her. Lauerte sie uns auf?
Unwillkürlich machte ich mehrere Schritte rückwärts.
„Hier ist ein Gang!“, ertönte Hellpfotes Miauen aus der hinteren Höhle. Neugierig kamen wir anderen näher. Ein Tunneleingang, so hoch wie drei Katzen, tat sich vor uns auf.
„Wie es aussieht ist das die einzige Möglichkeit, zu entkommen“, sagte Silberstern. „Unsere Kriegerahnen meinen es gut mit uns.“
Erneut hörten wir das Scharren von scharfen Krallen auf dem Felsen. Kleinere Steine brachen heraus.
„Wir sollten uns beeilen“, entschied Silberstern. „Erdwurzel, Blütennase, Rindenpelz, könnt ihr laufen?“
Nacheinander richteten sich die drei Katzen auf und nickten. Ihre Blutungen waren weitgehend gestillt. Ohne ein weiteres Wort verschwanden sie nach Silberstern im Tunnel. Weißmond und Schattenglanz folgten. Ich sah zu Hellpfote und Dornenblatt.
„Wir bilden das Schlusslicht“, miaute der Heiler.
„Komm schon!“, ermunterte mich Steinkralle von hinten. Mit schwerem Herzen trat ich in die Dunkelheit.

Das versteckte Tal

Ich prallte in der Dunkelheit gegen Schattenglanz, als die Karawane, der ich durch den Tunnel folgte, unvorhergesehen stehen blieb.
„Was ist los?“ Zu meinem Ärger konnte ich die Unsicherheit in meiner Frage nicht unterdrücken.
„Hier ist eine Katze!“, antwortete Silberstern vom Anfang. Nun konnte ich neben dem feuchten Gestein ebenfalls deutlichen Katzengeruch wahrnehmen.
„Wenn sie hier lebt, kann sie uns vielleicht zeigen, wie man in diesem Gebiet am besten jagt und wo man Heilkräuter findet!“, miaute Dornenblatt. „Wir sollten umgehend weiter und diese Katze suchen.“
Zustimmendes Gemurmel machte sich unter den Katzen breit. Wir setzten unseren Weg fort.
„Wenn eine Katze hier leben kann, können das auch mehrere“, miaute Steinkralle. „Wenn wir Glück haben, finden wir sogar einen ganzen Clan hier.“
„Hier?“, gab ich im Flüsterton zu bedenken. „In den Bergen?“
„Die Riesenkatze überlebt hier schließlich auch.“
„Und du meinst, sie könnten uns helfen?“
„Einen Versuch ist es immerhin wert.“
„Wir erreichen den Ausgang!“, rief Erdwurzel. „Dann werden wir sehen, wen wir dort antreffen.“

 

 Wir traten auf einen Felsvorsprung, der so breit war, dass alle Katzen nebeneinander Platz fanden. Unter uns erstreckte sich ein weites Tal, das von einem kleinen Wäldchen eingesäumt war. Der Schnee hatte sich hier schon teilweise zurückgezogen und gab den Blick auf weite Grünflächen frei. Vögel zwitscherten und flogen schon teilweise durch die Luft. Ich roch Kaninchen. Katzen dürften hier sehr gut leben können.
„Kommt“, miaute Springstern und machte sich an den Abstieg. Ein schmaler, holpriger Pass führte nach unten, wie in eine fremde Welt. Schon etliche Katzenlängen vor dem Boden flatterten mir bunte Schmetterlinge vor die Nase. Anscheinend befand sich dieses Tal am Beginn der Blattfrische.
Ich schnupperte, konnte aber nur den einen Katzengeruch wahrnehmen. Es war also ein Einzelläufer.
„Keine Zeichen von mehreren Katzen“, sprach Steinkralle meine Enttäuschung aus. „Aber die Katze, die hier lebt, könnte uns dennoch weiter helfen.“
„Soweit sie es will!“
Die Stimme, die aus einer von Farn verdeckten Felshöhle kam, ließ uns herum fahren. Eine blaugraue Kätzin trat aus dem Farn hervor. Mit einem neugierigen, aber nicht unbedingt freundlichen Blick sah sie uns der Reihe nach abschätzend an. In ihren braunen Augen spiegelte sich Misstrauen.
„Darf ich fragen, was ihr in meinem Territorium zu suchen habt?“
Silberstern straffte sich und neigte zur Begrüßung höflich den Kopf. „Wir wollten dich nicht stören. Wir sind auf der Suche nach unseren Freunden und wollten dich fragen, ob du nicht zufällig andere Katzen hier vorbeikommen gesehen hast.“
Mit hoch erhobenen Kopf stolzierte die Kätzin auf uns zu. „Tut mir leid, ich habe keine anderen Katzen gesehen, schon seit einer Ewigkeit nicht mehr. Ihr seid die ersten, seit ungefähr…vier Monden, die hier herein schneien.“
Ihre Worte kamen zuerst nicht bei mir an, bevor ich sie verstand.
„Heißt das, du lebst hier ganz allein?“, kam es mir über die Lippen. Wie konnte eine Katze ganz allein leben? Auch bevor ich zum BlattClan gegangen war, hatte ich unter Hauskätzchen und anderen Einzelläufern mehrere Freunde, die ich regelmäßig besuchte. Immer noch mit überheblicher Ausstrahlung wandte sie sich zu mir.
„Ja, und wenn du es wissen willst, bin ich auch ganz froh darüber. Es ist schön ruhig in diesem Tal und ich mag es nicht gestört zu werden.“
„Falls wir dich gestört haben, tut es uns leid“, miaute Schattenglanz höflich. „Dennoch frage ich nach deiner Erlaubnis, hier bleiben zu können. Einige von uns sind leicht verletzt und wir brauchen alle etwas Erholung.“
„Keine Sorge.“ Die Stimme der Kätzin hörte sich nun eine Spur sanfter an. „Ruht euch ruhig hier aus. Ihr könnt von mir aus bleiben, solange ihr wollt. Sagtet ihr, ihr sucht jemanden?“
Silberstern nickte. „Unsere Clans. Wir wurden auf einer Reise getrennt und müssen uns wieder finden.“
„Clans?“, wiederholte die Kätzin verständnislos.
„Unsere Familien“, erklärte Silberstern knapp.
„Falls ich jemanden sehe, der danach fragt, berichte ich ihm, wo ihr seid.“
„Wir danken dir. Dürfen wir den Namen der Katze erfahren, die uns hilft?“
„Nennt mich Himmel.“ Mit einem eleganten Sprung landete die Kätzin auf einem Felsvorsprung. „Falls ihr noch weitere Fragen habt, ich bin immer in der Gegend.“
„Auf Wiedersehen, Himmel“, rief Dornenblatt der Kätzin nach, doch da war sie schon zwischen den Bäumen verschwunden.
„Hier können wir uns ausruhen.“ Mit einem Seufzer ließ sich Rindenpelz in das Gras fallen und leckte seine Kratzer.
„Wir sehen nach, ob es hier Kräuter gibt“, meldete sich Dornenblatt von Silberstern ab und machte sich mit seiner Schülerin auf den Weg ins Tal. Ich und Steinkralle gesellten uns neben Rindenpelz.
„Himmel scheint sich enorm wichtig vorzukommen“, zischte Steinkralle, bevor sie ihrem Bruder die Zunge gab.
„Ich finde es sehr nett von ihr, dass sie uns hier bleiben lässt“, gestand ich und sah mich in dem Tal um. Schneeglöckchen stachen aus der weißen Decke über dem Boden.
„Weil wir ihr egal sind“, knurrte Steinkralle. „Hast du gesehen, wie sie sich aufgeblasen hat! Allein ihre Körperhaltung. Sie hält sich für wichtiger!“
„Immerhin wissen wir jetzt, dass in den Bergen Katzen leben“, murmelte Rindenpelz mit halb geschlossenen Augen.
„Die seit vier Monden einen Bogen um ein Tal machen, das uns alle ernähren könnte.“ Steinkralle begutachtete die herumschwirrenden Insekten, während der Geruch von Maus ließ mir das Wasser im Maul zusammen fließen. „Das muss doch irgendeinen Grund haben.“ Sie stand auf und blickte sich misstrauisch um. „Diese Katze verbirgt etwas, das spüre ich!“
„Meinst du, wir sollten uns hier ein wenig umsehen?“, fragte ich mit dem Hintergrundgedanken, einen Frischbeutehaufen anzulegen.
„Auf jeden Fall!“, stimmte Steinkralle mir zu.
Über den Schnee stapfte Dornenblatt mit Kräutern im Maul zu Rindenpelz. „Du bleibst erst einmal hier, bis ich dich zusammengeflickt habe!“, bestimmte der Heiler streng. Seufzend lehnte sich Rindenpelz zurück.
„Bringt Frischbeute mir“, rief er uns hinterher. Schattenglanz nickte zustimmend.
„Ihr jagt in dem Gebiet. Wir teilen uns über den Rest des Tals auf. Wir müssen wieder zu Kräften kommen.“
Mit kurzem Nicken liefen wir auf die hochgrasigen Wiesen hinaus.

 

 „Sturmherz! Hier ist eine Höhle!“
Ich vergrub die kürzlich erlegte Wühlmaus hinter einem Tannenstamm und wandte mich zu Steinkralle. Hinter einem wild wuchernden Dornenbusch kam die Öffnung zu einer dunklen Höhle zum Vorschein. Ich zögerte.
„Ich habe das Gefühl, dort hinter ist etwas. Etwas, das unbedingt erforscht werden möchte.“ Sie war wieder die neugierige Schülerin aus dem Wald, die nichts stoppen konnte. Ich hatte diesen Aspekt ihrer Persönlichkeit vermisst.
Dennoch musterte ich zuvor die Stabilität der Höhlenwände.
„Sturmherz! Kommst du?“, rief Steinkralle vom innern der Höhle. Ich schluckte den Klos, der sich in meinem Hals breit gemacht hatte, hinunter und folgte ihr. Schon gleich merkte ich, dass etwas an diesem Tunnel nicht stimmte.
„Es leuchtet!“, murmelte ich mit weit aufgerissenen Augen. „Das Gestein leuchtet!“
Wir kamen in eine Höhle. Spitze Steine hingen von der hohen Decke der Höhle. Von einigen der Steine tropfte Wasser. Das Licht war hier allgegenwärtig.
„Das ist…unglaublich!“, hauchte Steinkralle. „Spürst du es auch?“
Etwas kribbelte in meinem Pelz. Ja, ich spürte es. Eine Präsenz. Mehrere Präsenzen. An etwas erinnerte mich dieses Gefühl.
„Das ist…“ Steinkralle stockte. In ihren blauen Augen leuchtete ein Glanz, der aus einer anderen Welt zu stammen schien. „Das hier…es ist…wie in der Sternengrotte!“
Sie drehte sich zu mir um. „Sturmherz, glaubst du, dass hier einst Katzen gelebt haben? Dass ihre Ahnen…“
„Still!“, zischte ich, als ich Pfotenschritte hörte. „Es ist Himmel.“
Wir schlüpften hinter eine Reihe großer Säulen, die von der Decke bis auf den Boden reichten. Die graue Kätzin trat mit einer Ehrfurcht in die Mitte der Höhle, mit der wir einst die Sternengrotte betreten haben. Etwas glitzerte. Ich runzelte die Stirn. Eine Katze erschien in der Grotte. Sie leuchtete von innen, ihr Pelz schien zu glimmen, wie bei den SternenClan-Katzen. Dennoch war etwas anders an ihr.
Himmel neigte den Kopf. „Ich, Himmel unter der Morgensonne, die letzte Höhlenwächterin des Stammes der hohen Felsen, erbitte den Stamm der ewigen Jagd um Hilfe.“ Sie sah auf. „Sager von den spitzen Steinen, heute kamen Katzen in das Tal, die ihren Stamm verloren haben. Ich würde ihnen unheimlich gerne helfen, aber ich weiß nicht, wie?“
„Himmel unter der Morgensonne“, miaute der Kater. „Du hast unsere Traditionen so lange verwahrt und befolgt. Ich weiß nicht, wer diese Katzen sind, aber ich bin mir sicher, dass sie nach ähnlichen Verhältnissen leben.“
Ich bemerkte, wie Steinkralle zitterte. Auch mir wurde heiß und kalt. Wo waren wir hier nur hineingeraten?
„Sie werden die Geschichten des Stammes der hohen Felsen aufrechterhalten“, fuhr Sager von den spitzen Steinen fort. „Steinkralle und Sturmherz vom BlattClan.“
Wir zuckten zusammen, als er uns ansprach. Zögernd traten wir aus unserem Versteck.
„Scharfzahn, die riesige Katze, der ihr unterwegs begegnet seid, hat vor langer Zeit unseren Stamm ausgelöscht“, fuhr Sager von den spitzen Steinen fort. „Himmel unter der Morgensonne wird euch von unseren Bräuchen erzählen. Der Stamm der ewigen Jagd bittet euch, diese Geschichten an eure Clans weiterzugeben, damit wir nicht in Vergessenheit geraten.“
„Wir…“ Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
Steinkralle hatte eine bessere Antwort. „Unsere Clans ehren ihre Kriegerahnen wo sie nur können. Dasselbe werden wir auch mit dem…Stamm der ewigen Jagd tun.“
Himmel unter der Morgensonne trat hervor. „Wie der Stamm der ewigen Jagd befiehlt, werde ich euch in der Zeit eures Aufenthaltes in unsere Bräuche einweisen, auf dass sie nicht in Vergessenheit geraten.“ In ihren grünen Augen leuchtete Erleichterung auf. „Im Namen des Stamms der ewigen Jagd und des Stamms der hohen Felsen danke ich euch für eure Bereitschaft.“
Sager von den spitzen Steinen löste sich auf, doch das Gefühl des Übernatürlichen blieb in der Höhle.
„Nun kommt“, miaute Himmel unter der Morgensonne immer noch im feierlichen Tonfall. „Ich werde euch unsere Geschichte erzählen.“

Der Stamm der hohen Felsen

„Ihr habt hier gelebt?“, wiederholte Steinkralle ungläubig. „Ein ganzer Stamm?“
Himmel unter der Morgensonne nickte zustimmend. „Wir haben uns den Bergen angepasst, so wie ihr euch eurem Wald angepasst habt.“
„Du sagtest, du wärst eine Höhlenwächterin“, miaute ich. „Ist…ist das so etwas wie ein Krieger?“
Himmel unter der Morgensonne schüttelte den Kopf. „In unserem Stamm wurden einige Katzen zu Höhlenwächtern und andere zu Beutejägern ausgebildet. Steinsager entschied, wozu welches Junges gehören sollte. Die Kräftigeren kamen zu den Höhlenwächtern, die sehnigen, schlanken Junge zu den Beutejägern.“
„Die Beutejäger jagen“, miaute Steinkralle. „Und die Höhlenwächter? Gingen die auf Patrouille?“
„Patrouille?“, wiederholte Himmel unter der Morgensonne verständnislos.
„Ob sie die Grenzen kontrolliert haben“, erklärte ich.
„Nein, die passten bei der Jagd auf die Beutejäger auf. Falls ein Raubvogel von oben kam. So etwas kann man in den Bergen nicht wittern. Sie haben die Beutejäger quasi beschützt.“ Sie zögerte einen Moment. „Und sie bewachten die Höhlen, falls Scharfzahn kam.“
„Scharfzahn“, wiederholte ich gedankenverloren. „War er für den Tod deines Clans verantwortlich, Himmel unter der Morgensonne?“
„Nenn mich einfach Himmel. Mit den langen Namen redeten wie uns nur zu Zeremonien oder ähnlichen Anlässen an.“ Trauer stieg in die Augen der Kätzin. „Steinsager hatte ein Zeichen bekommen…“
„Entschuldigung“, unterbrach Steinkralle. „Wer ist Steinsager?“
„Sager von den spitzen Steinen. Unser Seher und Anführer.“
„Seher und Anführer?“, wiederholte ich. „Heißt das, er war auch so etwas, wie ein…Heiler? Eine Katze, die die Zeichen eurer Ahnen deutet und Krankheiten bekämpft?“
Himmel nickte. „Das mag euch vielleicht etwas befremdlich vorkommen, zwei so wichtige Persönlichkeiten in einer Katze vereint zu sehen. Aber ich bin damit aufgewachsen. Für mich ist es ebenfalls befremdlich, warum junge Katzen jagen und kämpfen lernen sollten.“
Wir hatten ihr zuvor eine ausführliche Erklärung des Lebens in den Clans gegeben, der Himmel geduldig gelauscht hatte. Sie glaubte, uns dann ihre Lebensweise besser erklären zu können.
„Und du warst noch eine Schülerin, als…Scharfzahn euren Clan angriff“, vermutete ich.
„Wenn das euer Wort für die Zukünftigen ist, ja.“ Trauer schob sich in die Augen der Kätzin. „Ich war nicht lange in der Ausbildung. Die Höhlenwächter konnten sich am besten gegen Scharfzahn verteidigen, aber sie konnten nicht kämpfen, wie eure Krieger. Wir haben ja nie kämpfen müssen. Scharfzahn holte immer wieder Katzen. Oft mussten wir vor ihm fliehen.“ Die Kätzin schluckte. „Ich war nicht einmal einen Mond Zukünftige, als er in unser Tal eindrang. Selbst Steinsager kam aus seiner Höhle, um ihm die Stirn zu bieten. Er verlässt sonst nie die Höhle der spitzen Steine.“ Ich sah tiefe Trauer in ihren grünen Augen. Steinkralle legte ihren Schwanz um Himmels Schulter.
„Auch wir haben viele unserer Clan-Gefährten verloren, aber dennoch können wir nicht nachfühlen, was du durchlitten haben musst.“
Stockend erzählte Himmel weiter. „Ich…ich hatte solche Angst vor ihm. Ich habe mich versteckt. Außerhalb des Tals. Bis er weg war. Als ich…wieder zurückkam, war das Gras rot von Blut. Viele Katzen hatte die Bestie schon mitgenommen. Es war das erste Mal, dass er so viele tötete. Ich habe tagelang nach überlebenden gesucht, aber keine gefunden.“ Himmel sah auf. Sie rang mit sich selbst. „Ein Steinschlag hatte die fliehenden Katzen unter sich begraben. Jungen darunter. Und ich…war plötzlich allein.“
Bilder blitzten vor meinen Augen auf. Meine Mutter. Regen. Graufell. Birkenkralle. Aber das war nichts gegen einen ganzen Stamm!
„Wie hast du…“ Ich zögerte, die Frage zu stellen. „Wie hast du so lange allein überlebt?“
„Ich war auf einigen Jagten dabei, um den Himmel im Auge zu behalten. Dabei habe ich den Beutejägern zugesehen. Nachher habe ich es dann selbst ausprobiert. Die ersten Tage war es schwer, ich war oft zu ungeduldig, um die Beute an mich heran kommen zu lassen. Doch irgendwann habe ich den Dreh raus bekommen.“ Sie holte tief Luft. „Ab dann habe ich mich allein versorgt. Aber immer wieder ging ich in die Höhle der spitzen Steine und habe mit dem Stamm der ewigen Jagd gesprochen. Ich wusste gar nicht, dass das für Katzen wie mich überhaupt möglich war. Doch sie haben mir geholfen. Und deshalb werde ich euch auch helfen, eure Clans wieder zu finden!“

 

 „Wir sollen was?“, fragte Erdwurzel ungläubig, als Himmel anfing, uns in der Bergjagd zu unterweisen.
„Ihr sollt euch den Schlamm ins Fell schmieren“, wiederholte die blaugraue Kätzin, als wer es das Normalste auf der Welt. „So.“ Sie legte sich in das Schlammloch und wälzte sich mehrmals hin und her, sodass ihr Fell mit dem Schlamm verklebt war. „Kommt schon!“
„Und wozu soll das gut sein?“, fragte Silberstern mit ehrlichem Interesse, während er es ihr als Erster nachmachte.
„Dadurch sieht euch die Beute nicht. Wollt ihr eigentlich noch ewig warten?“
Zögernd gingen wir einen nach dem anderen zu dem Schlammloch und drehten uns darin, bis unser Fell von dem nassen Schlamm bedeckt war.
„Und nun?“, erkundigte sich Weißmond mit interessiertem Gesichtsausdruck.
Ich witterte etwas. Ein Vogel landete auf dem Fels dicht neben uns. Er schien uns wegen des trocknenden, grauen Schlamms nicht wahrzunehmen. Instinktiv fiel ich in das Jagdkauern.
Ein Wedeln von Himmels Schwanz ließ mich stoppen. Mit wachsendem Interesse verfolgten auch die anderen Katzen die Szene. Himmel beobachtete geduldig, wie der Vogel näher kam. Als sie kaum noch eine Schwanzlänge voneinander entfernt waren, stieß sie sich ab und landete mit den Vorderpfoten auf der überraschten Beute. Mit einem schnellen Biss erlegte sie den Vogel.
„Geduld. Das ist das wichtigste hier in den Bergen. Im Wald seid ihr es gewohnt, schnell zu sein und euch an eure Beute anzuschleichen. Hier kommt es darauf an, so lange zu warten, bis die Beute zu euch kommt. Ihr dürft euch nicht bewegen, nicht einmal blinzeln. Am besten macht ihr die Augen zu und vertraut auf euer Gehör und eure Nase.“
Wir zogen weiter, bis erneut ein Vogel unseren Weg kreuzte. Mein Jagdinstinkt drängte mich wieder zu einer Kauerbewegung, doch diesmal widerstand ich und bewegte mich nicht. Gespannt beobachteten wir, wie der Vogel näher kam, während uns das Wasser im Maul zusammen lief.
Rindenpelz sprang auf den Vogel zu. Um Schnurrhaaresbreite verfehlte er ihn. Wild flatternd stieg die Beute in die Luft auf, und wäre auch dort verschwunden, wenn Himmel sich nicht mit einem Sprung auf ihn geworfen hätte. Im Flug erwischte sie das Tier mit den Krallen und brachte es in einem Sturm aus herum fliegenden Federn zu Boden.
Schnurrend sah sie uns der Reihe nach an. „Ich denke, ihr habt noch viel zu lernen.“

 

Schließlich kehrten wie mit vier erlegten Vögeln, einem Bergkaninchen und zwei kleinen Murmeltieren in das Tal zurück. Alles in Allem war es eine erfolgreiche Jagd gewesen.
Nach dem Essen beobachtete ich, wie Dornenblatt zu Silberstern ging.
„Ich mache mir langsam Sorgen um unsere Clan-Gefährten. Die verletzten Katzen haben sich weitgehend erholt. Wir sollten bald aufbrechen.“
Ich beobachtete, wie der SteppenClan-Anführer sich erhob. „Ich denke, du hast Recht. Wir müssen ihnen helfen.“
Blütennase erhob sich. „Soll ich Himmel Bescheid sagen, dass wir gehen?“
„Ich werde mit euch kommen!“ Wieder einmal war die Kätzin aufgetaucht, ohne dass wir sie bemerkt haben. „Wenn ihr es erlaubt, versteht sich. Ich weiß, wie es ist, seine Familie, seine Freunde zu verlieren. Ich möchte euch helfen.“
Freude zeichnete sich auf Silbersterns Gesicht ab. „Vielen Dank, Himmel. Wir haben ebenfalls noch viel von dir zu lernen. Wir nehmen dein Angebot mit Freuden an.“
„Endlich!“, miaute Rindenpelz. „Ich hatte schon befürchtet, wir würden ewig hier bleiben.“
„Dabei sind wir erst den zweiten Tag im Tal“, erinnerte Steinkralle ihn. „Und Dornenblatt und Hellpfote werden dich bestimmt vorher noch einmal gründlich unter die Lupe nehmen.“
Als die Sonne ihren höchsten Stand erreichte verließen wir das Tal.

Schrei der Gefahr

„Sind die Schneestürme hier immer so stark?“, brüllte ich zu Himmel, die am Anfang marschierte.
„Nur während der Zeit des gefrorenen Wassers. Blattleere bei euch, richtig?“
„Das muntert mich ungemein auf“, knurrte Rindenpelz, während er sich gegen den Wind stemmte. „Hoffentlich meint es der Stamm der ewigen Jagd gut mit uns.“
Mit zu Schlitzen verengten Augen sah ich nach vorne, in der Hoffnung, etwas zwischen den Schneeflocken zu erkennen, die der Wind mir entgegenschleuderte. Wir kamen im Schneckentempo voran. Aber wir kamen immerhin voran.
Ich sah aus dem Augenwinkel, wie Hellpfote ausrutschte und im Schnee stecken blieb. Ich drehte mich zu ihr um, packte sie am Nackenfell und zog sie wieder auf die Pfoten.
„Danke, Sturmherz.“
Bevor ich etwas erwidern konnte, bemerkte ich, wie die Patrouille anhielt.
„Das hat keinen Sinn!“, rief Himmel zu uns. „Ihr bleibt zu weit zurück. Wir legen eine Pause ein, bis sich der Sturm gelegt hat.“
Nicht schon wieder! Wenn uns die Natur öfter auf diese Weise hinderte, fanden die Clans nie zusammen!
„Ich kenne eine windgeschützte Stelle. Folgt mir!“
Wir drehten und hatten den Wind nicht mehr frontal, sondern von der Seite. Mir war klar, dass sich das so schnell nicht ändern würde. Als wir eine kleinere Kuhle zwischen zwei großen Felsen entdeckten, zuckten wir alle zusammen, als Silberstern heftig zu niesen anfing. Dornenblatt und Hellpfote eilten sofort zu ihm.
„Es ist nur eine Erkältung“, winkte der Anführer ab. Kurz darauf musste er ein zweites Mal kräftig niesen.
„Aus einer Erkältung kann leicht Grüner Husten werden“, widersprach er Heiler. „Himmel, gibt es hier irgendwo Katzenminze oder Wachholder?“
Himmel runzelte die Stirn. „Die Namen sind mir nicht geläufig.“
„Bachminze?“, versuchte es Hellpfote, „das könnte auch helfen.“
Himmel nickte. „Kommt mit!“
„Hellpfote, bleibe bei Silberstern“, miaute der Heiler zu seiner Schülerin und folgte der grauen Kätzin.
Ich konnte nicht länger zuschauen. „Kann ich dir irgendwie helfen?“, bot ich mich Hellpfote an.
„Moos oder etwas ähnliches, wenn du es finden kannst. Entferne dich aber nicht zu weit von uns!“
„Ich komme mit!“ Erdwurzel gesellte sich zu mir. „Im Windschatten der Felsen beim Bach ist bestimmt etwas Moos.“
Ich nickte und schlug sogleich die angegebene Richtung ein. Der in der Blattfrische plätschernde Bergbach war zu Eis erstarrt und hing in Zapfen von dem Felsen. Erdwurzel und ich kratzten den Schnee zur Seite. Wir fanden nur eine dünne Schicht Flechten, doch das musste fürs Erste reichen. Als wir mit dem Fund durch den herabstürmenden Schnee zurückkehrten, war Silberstern schon in einen fiebrigen Schlaf gefallen.

 

 Es war Grüner Husten. Himmel hatte Bachminze gefunden, doch dies schlug kaum an. Unsere größte Befürchtung war, dass die anderen Katzen sich anstecken konnten, auch wenn Silberstern felsenfest behauptete, ihm ginge es gut.
Himmel kam gerade von einer erfolgreichen Jagd zurück, als Dornenblatt plötzlich wie zu Eis erstarrte. Seine Schwanzspitze zitterte, seine Pupillen weiteten sich.
„Dornenblatt?“, rief Hellpfote aufgeregt. „Ein Zeichen vom SternenClan?“
„Die große Katze“, hauchte der Heiler. „Scharfzahn! Er hat unser Spur aufgenommen!“

 

 „Seid ihr sicher, dass das funktioniert?“, rief Blütennase gegen den Wind an.
„Ich kenne dieses Monster besser als es uns“, lautete Himmels Antwort, „und ich habe schon lange genug auf diese Gelegenheit gewartet!“
Mein Nackenfell sträubte sich, als das laute Brüllen Scharfzahns über die Berge hallte. Schattenglanz sträubte sich das Fell, doch sie blieb gefasst. Weißmond und Erdwurzel standen dicht nebeneinander und sahen sehr entschlossen aus. Selbst Rindenpelz und Steinkralle zeigten nur geringe Nervosität. War ich denn der Einzige, dessen Angst zum Himmel stinken musste?!
Himmels Fell sträubte sich, als sich die goldbraune Silhouette Scharfzahns aus dem wirbelnden Schnee auf uns zu bewegte, während mein herz aus der Brust zu springen schien.
Großer SternenClan, helfe uns!
Ich sah nun den ganzen Körper Scharfzahns. Die Muskeln unter dem glänzenden Fell, die gefährlich blitzenden Augen, die kräftigen Pfoten, die tiefe Spuren im Schnee hinterließen.
Wir konnten unseren Plan in die Tat umsetzten.

 

Der Schnee schien sich vor mir in zwei weiße Flockenwände zu teilen, als ich wie ein Blitz auf die Schlucht zwischen den beiden großen Bergen zu rannte. Himmel bewegte sich von uns am besten über den tiefen Schnee, wir waren bemüht in ihre Fußstapfen zu treten, ohne zu weit zurück zu fallen.
„Beobachtet er uns?“, horte ich Erdwurzel rufen.
„Sicher nimmt er unsere Spur auf und bald auch die Verfolgung auf!“, knurrte Himmel.
Wir erreichten das Ende der Schlucht.
Himmel beförderte sich mit einem kräftigen Sprung mehrere Katzenlängen über den glatten Fels und hielt auf einer niedrigen Felsnische an. Weißmond kauerte sich vor dem Felsen hin und half Erdwurzel beim Sprung auf die Anhöhe. Blütennase nahm Anlauf und stieg über Weißmonds Schultern auf den Fels. Sie verfehlte die Kante um mehrere Mauslängen und schlug die Krallen hart in den Fels. Mit einem Ruck zerrte Himmel sie über die Kante. Rindenpelz folgte mit weit mehr Erfolg.
Schattenglanz, Steinkralle und ich wandten uns der Schlucht zu, aus der Scharfzahns Brüllen zu hören war.
„Ist er zu sehen?“, fragte Steinkralle.
„Noch nicht!“, miaute Himmel. Ich schloss die Augen, um meine aufkeimende Panik unter Kontrolle zu bringen. Es konnte nichts schief gehen. Ich linste zu der Höhle, die neben uns unter dem hohen Schnee halb verborgen lag.
„Er kommt gleich um die Ecke!“, warnte Himmel und duckte sich an die Felswand. Das mit Schlamm verschmutzte Fell ließ sie nahezu unsichtbar werden. Ich konnte Scharfzahn riechen.
„Lauft!“, zischte Himmel. Steinkralle bewegte sich als erste auf die Höhle zu, Schattenglanz überholte sie mit großen Sprüngen, doch ich war erneut vom Anblick Scharfzahns erstarrt. Zum ersten Mal realisierte ich, mit welch einer Eleganz er seinen goldbraunen Körper durch den glänzend weißen Schnee bewegte. Der kräftige Auftritt seiner Pfoten und der geschmeidige Körper ließ mich unwillkürlich an einen Leoparden denken. Ich hatte diese Katzen bisher nur in Visionen gesehen. Steinkralle war schon immer von diesem alten Clan fasziniert. Sie waren Vorbilder, wie der TigerClan und der LöwenClan. Stammte Scharfzahn etwa auch von den alten Clans ab? Ob er auch an Ahnen wie den SternenClan oder den Stamm der ewigen Jagd glaubte? Hatten wir dann das Recht, ihm auf so hinterhältige Weise das Leben zu nehmen? Schließlich wollte er sich auch nur ernähren, so wie wir Mäuse als Beute betrachteten, betrachtete er uns ebenfalls als Beute. Als Beute, die in diesen Bergen spärlich war. Durften wir, die nicht einmal hier lebten, einfach entscheiden, dass er seiner Bestimmung nicht nachgehen durfte? War das im Sinne des Gesetzes der Krieger?
„STURMHERZ!“
Mit einer seitlichen Rolle brachte ich mich außerhalb der Angriffslinie. Mit einem Brüllen landete Scharfzahn neben mir. Er überragte mich wie einen Berg, als seine gigantische Pranke auf mich zuraste. Ich war die Beute. Und ich musste mich in Sicherheit bringen!
Die Felswände nahmen mich auf. Der harte Stein riss meine Ballen auf, mein Herzschlag schien in dem Tunnel wiederzuhallten. Der Atem von Scharfzahn brannte mich im Nacken. Ich rannte schneller, als ich glaubte, zu spüren, wie die Tunnelwand unter den Pfoten der Riesenkatze erzitterte. Endlich sah ich, wie sich der Tunnel verengte.
Ein unglaubliches Donnern erklang. Sie hatten es geschafft! Die ersten Steine fielen von den Bergen herunter und kullerten in den Tunnel. Scharfzahn ließ von mir ab und fuhr herum. Eine gigantische Steinwand wälzte sich auf uns zu.
Ich rannte den Gang entlang, verfolgt von den rollenden Steinen. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Scharfzahns mächtige Gestalt von mehreren Felsbrocken getroffen, von den Pfoten gerissen und über den Boden geschleudert wurde. Ich duckte mich, als der Gang enger wurde, sah das Licht. Ich rannte unglaublich schnell…
Doch die Lawine war schneller. Etwas riss mich hart herum, ich verlor den Überblick über alle Richtungen und wurde von einem ohrenbetäubenden Donnern in eine hoffnungslose Finsternis gerissen.

Ein letztes Leben

Als Schlaf würde ich den Zustand, in dem ich ungewisse Zeit verbracht hatte, nicht bezeichnen. Ich wusste nur, dass als ich die Augen aufschlug mehr Zeit vergangen war, als ich normalerweise zur Besinnung benötigte. Ich rappelte mich auf, zog meinen Schwanz mit einem Ruck zwischen zwei Steinen hervor, wo er eingeklemmt war. Durch die Steinwände fiel ein schwacher Lichtstrahl.

Mit wild klopfendem Herzen fing ich an, die Steine zur Seite zu schaufeln. Wo waren die Anderen? Ich durfte sie nicht verloren haben! Das Loch wurde immer größer.

Ich hielt inne. War da ein Geräusch? Das Tappen von Pfoten? Über mir? Oder neben mir?

Bestimmt nur eine Täuschung! Ich rieb mit einer Pfote über meine Ohren, um den Dreck herauszuputzen. Dann machte ich mich wieder an die Arbeit.

Ein Schlag gegen die Steine ließ die Höhlenwand erzittern. Ich fuhr zusammen, ein ungeheurer Adrenalinstoß raubte mir den Atem. Krallen schabten von außen über das Geröll, ein Schatten warf sich über die Lichtöffnung, die sich langsam vergrößerte.

Bitte SternenClan, lass es meine Gefährten sein!

Doch der Geruch, der schal durch meine verstopfte Nase drang sprach Bände.

Panisch tastete ich in der Dunkelheit nach einem Ausgang, einem Tunnel, oder Ähnlichem. Nach irgendeinem Weg zur Flucht, während Scharfzahns mächtige krallen die Schutzwand zwischen uns beiden langsam aber sicher dünner und wackeliger werden ließ.

Es musste hier doch irgendwo einen Fluchtweg geben! Wo war Himmel? Wo waren Schattenglanz, Weißmond und die anderen Clan-Katzen? Wo war der SternenClan? Regen, Springstern, Birkenkralle? Was war mit Silberstern? Hatte er sich erholt oder bereits ein Leben verloren? Wie sollten die Clans nur je wieder zusammen finden?

Ich zuckte zusammen, als Scharfzahns goldenes Auge in dem Loch erschien. Es flitzte umher und suchte die Dunkelheit der Höhle ab. Ich kauerte mich zusammen. Bestimmt konnte er mich so nicht entdecken.

Ich ging in meine Gedanken und versuchte, zu verarbeiten was in den gefühlten letzten Augenblicken geschehen war.

Wir rannten durch den Tunnel, in dem Scharfzahn stecken bleiben sollte. Ich war zu langsam. Kurz bevor Scharfzahn mich einholte, ging die Lawine los. Ich wurde mit ihm begraben.

Scharfzahn hatte aufgehört, das Geröll bei Seite zu schaffen, ich hörte, wie er vor meinem Versteck auf und ab tigerte. Erneut richtete ich mich vor dem Guckloch auf und sah hindurch. Die riesige Katze ging einige Fuchslängen von mir entfernt immer wieder im Schnee hin und her, linste dabei weiter in meine Richtung. Ich wich zurück. Hatte er mich entdeckt?

Der Steinschlag musste sein Leben verfehlt haben, doch hatte anschauliche Wunden in seinen braunen Pelz gerissen. Ich wandte mich um. Der Fluchttunnel muss verschüttet worden sein. Ich tastete nach den Steinen und schon sie vorsichtig bei Seite. Ein wohlbekannter Geruch stieg in meine Nase.

„Steinkralle?“

„Sturmherz!“, rief sie aufgeregt. „Schattenglanz, er ist hier!“

Pure Erleichterung überkam mich, als die beiden Kätzinnen anfingen, meinen Ausgang freizuschaufeln.

„Hat es ihn erwisch?“, fragte Steinkralle ohne umschweife. Ich schüttelte den Kopf. „Er konnte sich irgendwie retten. Was ist jetzt mit Himmel und den anderen?“

Ein harter Stich schien mich zu durchbohren. Doch Schattenglanz beruhigte uns.

„Himmel wird sicher einen gefahrlosen Weg über die Berge finden. Wir sollten erst einmal überlegen, wie wir selbst hier heraus kommen!“

„Hier geht es lang!“, miaute Steinkralle und tappte schon vorsichtig den engen Tunnel entlang. Ich musste den Kopf einziehen, um nirgends anzustoßen.

Abrupt hielt Steinkralle an. „Was ist los?“, fragte Schattenglanz.

„Der Weg teilt sich. Nach oben und nach unten.“

„Wir sollten nach oben. Die Chance, dort hinaus zu gelangen ist höher.“

Mir entging nicht, wie Steinkralle einen Augenblick zögernd stehen blieb, bevor sie der Aufforderung der älteren Kriegerin nachkam. Der Gang wurde wieder breiter, schon bald begrüßte uns das erste Licht.

„Hier seid ihr!“

Ich prallte erneut gegen Steinkralle, als diese herumfuhr. Himmel schob sich aus einem Seitengang des Tunnels gefolgt von Weißmond, Blütennase, Erdwurzel und Rindenpelz. Ich begrüßte meinen Freund mit der Nase.

„Wir müssen schnell hier heraus!“, kam Schattenglanz zur Sache. „Scharfzahn hat unseren Anschlag überlebt und wird sich bestimmt als nächstes über Silberstern, Dornenblatt und Hellpfote hermachen.“

Himmel nickte. „Folgt mir!“ Wir gingen ihr hinterher den Tunnel entlang.

 

Himmel bewegte sich mit einer Sicherheit die Felsen herab, die wir nur neidisch bewundern konnten. Ihr Ausgang hatte auf einem Felsplateau geendet, von dem wir herab steigen und mussten, um so schnell wie möglich zu Silberstern, Dornenblatt und Hellpfote zu gelangen. Der Abstieg war alles andere als angenehm.

Als ein Stein unter meinen Pfoten weg glitt und klackernd den Abgrund hinunter kullerte, fühlte sich das für mich an, als würde die ganze Welt in meiner Umgebung sich auf einen bestimmten Bereicht meiner Brust stützen wie die Äste eines Baumes an dessen Stamm. Die Tiefe kam näher und schien sich dabei gleichzeitig nur noch weiter nach hinten zu verzerren.

„Weiter!“, knurrte Rindenpelz hinter mir, „schau nicht so oft nach unten!“

Ich zwang meinen Blick zum Horizont und arbeitete mich weiter Richtung Erdboden. Der eiskalte Schnee, der meine Pfoten begrüßte fühlte sich warm wie die Mittagssonne im Wald an.

„Da seit ihr ja endlich!“, begrüßte uns Hellpfote, die vor unserem provisorischen Lager Wache hielt.

„Wie geht es Silberstern?“, ging Weißmond auf die Frage ein. Der Gesichtsausdruck der jungen Heilerin verriet alles. Weißmond und Erdwurzel sahen sich kurz an und stürmten dann in die Höhle. Hätte Dornenblatt sie nicht mit einem Schwanzzeichen aufgehalten, währen sie über ihren Anführer gestolpert. Als ich mit Himmel und den BlattClan-Katzen folgte, riss der Anführer wieder keuchend die Augen auf.

„Hat der SternenClan dir etwas mitgeteilt?“, fragte sein Heiler. Springstern hatte sein vorletztes Leben verloren.

Der silberweiße Kater richtete sich mit erschöpftem Gesichtsausdruck auf. „Scharfzahn ist nicht tot“, sagte er und schaute uns dabei an. Es war eine Feststellung, keine Frage. Silberstern wandte sich an Himmel. „Wo geht es zu den tiefen Höhlen?“

„Durch die Tunnel, aus denen wir kamen. Dort wären wir vor Scharfzahn sicher, aber ich denke nicht, dass deine Clan-Gefährten erfreut wären, wieder zurück hinaufzuklettern.“

Wie sie mir aus der Seele sprach!

„Meine Ahnen haben mir eine Botschaft mitgegeben. In den tiefen Höhlen der hohen Felsen werden wir lang verschollene Freunde wieder finden.“

„Fühlst du dich kräftig genug, einen Anstieg zu wagen?“

„Wie ich mich fühle ist egal, wenn wir die Clans wieder vereinen können“, entgegnete der SteppenClan-Anführer entschlossen.

Himmel schwieg einen Moment. „Ich muss sagen, dass ich von dem Zusammenhalt im Clanleben schwer beeindruckt bin.“ Der warme Glanz, der für kurze Zeit in ihre grünen Augen getreten war, verschwand wieder einer kühlen Entschlossenheit. „Dann kommt.“

Wir gingen zurück zu den Tunneln.

Die tiefen Höhlen

„Ich kenne diese Gänge wie meinen eigenen Pelz. Bleibt dicht aneinander. Wer die Schwanzspitze seines Vorgängers nicht mehr spürt, miaut laut auf“, wies Himmel uns an, während wir uns vorsichtig den steil nach unten abfallenden Tunnel herab arbeiteten. Immer wieder rutschten einzelne Katzen aus, fielen hin und wir mussten alle warten, bis alle wieder auf den Pfoten standen, damit wir unseren Marsch fortsetzen konnten.
„Vorsicht! Ein Loch! Geht am Rand entlang!“, miaute Himmel zu uns herüber.
„Welches Loch?“, hörte ich Weißmond miauen, kurz bevor er vor mir mit einem schrillen Kreischen den Halt verlor.
„Weißmond!“, riefen mehrere Katzen aus.
Stille. Ich roch den Angstgeruch von Erdwurzel.
„Weißmond?!“, rief die Kätzin verzweifelt.
„Keine Sorge, ich bin nicht verletzt!“ Wir alle atmeten erleichtert auf, als sein gepresstes Miauen aus dem Loch drang. „Aber ich glaube, ich habe hier unten eine Spur gefunden!“

 

 Ich stützte Hellpfote mit den Pfoten ab, als die kleine Kätzin den Abhang hinunter glitt.
„Danke“, miaute sie, als sie als Letzte den Boden erreichte.
„Der Weg teilt sich“, miaute Schattenglanz.
„Immer mir nach!“, kommandierte Himmel und übernahm die Führung durch den engeren Tunnel. Schon bald mussten wir auf dem Bauch kriechen, um voran zu kommen.
„Ich bin froh, wenn ich hier raus bin!“, hörte ich Rindenpelz knurren. „Wie können Katzen nur auf die Idee kommen, hier zu leben?!“
„Um vor so einem Monster wie Scharfzahn Sicherheit zu finden, Mäusehirn!“, erinnerte ihn Steinkralle.
„Es muss doch auch noch andere Gänge geben!“, sagte ich, als mir Erde in die Augen fiel und die Enge langsam stickig wurde. Wütend wurde ich mir meiner piepsenden Stimme bewusst. Warum beim SternenClan musste ich auch immer so ein Angsthase sein, wenn es ein wenig enger wurde?!
„Licht!“ Der Ausruf kam von Blütennase. „Ich sehe Licht!“
„Wir kommen gleich in die erste Höhle. Sie hat ein Loch in der Decke“, miaute Himmel.
Ich atmete auf, als der verheißungsvolle Lichtstrahl auch mich erreichte.
„Ich rieche Katzen!“, miaute die Kätzin mit aufkeimender Euphorie, „SteppenClan!“
Die bedrückte Stimmung der Gemeinschaft stieg spürbar an. Wir bewegten uns schneller.
„Ich hoffe, dass sie alle wohlauf sind“, hörte ich Hellpfote hinter mir miauen.
„Dem Geruch nach zu urteilen geht es ihnen den Umständen entsprechend gut!“, beruhigte ihr Mentor sie, ohne jedoch seine eigene Sorge völlig unterdrücken zu können. Spürte der Heiler etwas? Lag etwas in der Luft?
Wir fingen an, zu laufen, als die Grotte in Sichtweite kam. Ich sah, wie Silberstern mit leuchtenden Augen Himmel überholte. Ein überraschtes, freudiges Miauen empfing uns.

 

 „Wir…wir dachten, ihr seid tot!“
„…so lange durch die Berge geirrt…“
„…überall gesucht…“
„…viele Krieger verloren…“
„Wo wart ihr?“
„BlattClan-Katzen?“
Trotz der überschwänglichen Wiedersehensfreude erklomm Springstern einen Felsen und hob gebietend den Schwanz.
„Wir haben lange gesucht, um euch wieder zu finden, doch nun gibt es einiges zu besprechen.“
„Wie geht es dem BlattClan? Habt ihr euch auch verloren?“, fragte ein brauner Schüler. Steinkralle erkannte ihn von der Versammlung wieder.
„Finkenpfote! Wir…uns geht es so weit gut, nur…“
Ein cremefarbener Kater mischte sich ein. „Ihr seid bestimmt gekommen, um uns zu suchen.“
„Sie sind uns zufällig begegnet, Federpelz“, antwortete Erdwurzel. Eine dunkelrote Kätzin drängte sich vorbei und begrüßte sie mit der Nase.
„Glutflamme!“ Mit einem freudigen Miauen erwiderte Erdwurzel die Geste. Nach und nach erkannte sie die anderen. „Eulenpfote, du bist auch hier!“
Eine braun getigerte, junge Kätzin kam mit großen Augen hervor. „Wir haben gedacht, ihr seid alle tot!“
Ich sah, wie Dornenblatt einen braunschwarzen Kater begrüßte. „Nachtstreif! Ich hatte gehofft, dass du hier bist!“
Ich sah noch zwei Kätzinnen hervor kommen.
„Falkensturz! Eibenschweif!“ Weißmond und Erdwurzel begrüßten nacheinander auch sie.
„Wir haben euch so vermisst!“, miaute Erdwurzel.
„Wie soll es nun weiter gehen!“, warf Glutflamme ein. Er sah zu uns hinüber. „Und was ist mit dem BlattClan?“
„Genau darüber müssen wir reden!“, miaute Silberstern. Der dunkle Kater hatte sich errichtet, woraufhin alle Katzen still wurden. „Schattenglanz, erkläre du die Situation.“
Die schwarze Kätzin trat hervor. „Unser Clan ist in den Bergen auf Mausohr gestoßen. Er erzählte uns von der Lawine und dem Unglück des SteppenClans.“
„Wo ist er dann?“, fragte Nachtstreif aufgeregt.
„Fuchsstern und er haben eine Patrouille angeführt“, fuhr Schattenglanz fort. „Keiner von uns war dabei. Doch wenige Tage, nachdem diese Patrouille aufgebrochen war, erreichte Goldtupf ein Zeichen vom SternenClan, nachdem die Patrouille in großer Gefahr schwebt. Eichenblitz hatte uns ausgewählt, um die Patrouille zu suchen, doch unterwegs sind wir auf Silberstern und die Anderen getroffen.“
„Dann müssen wir Fuchsstern sofort zur Hilfe eilen!“, rief Nachtstreif mit peitschendem Schwanz. Mehrere Katzen stimmten ihm zu.
„Ihr habt Recht!“, miaute Silberstern. „Wir müssen zusammen halten, so gut es geht. Wisst, ihr, ob hier noch mehr Katzen unseres Clans sind?“
Mit einem Mal herrschte betrübtes Schweigen. Ich ahnte nichts Gutes. Falkensturz trat hervor. Ihr dunkles Fell wirkte stumpf. „Silberstern…wir…wir sind der Lawine knapp entkommen. Wenn Mausohr sie überlebt hat, muss der halbe SternenClan hinter ihm gestanden haben. Wir haben die Berge verzweifelt durchkämmt, aber…“ Sie stockte, atmete mehrmals tief durch und sah dann zu ihrem Anführer auf. „Wir sind die letzten Überlebenden des SteppenClans.“

Die Grausamkeit des Lebens

Silberstern starrte die braune Kätzin lange an. Ich konnte in seiner Miene lesen, was ihn bewegte, während er in die Gesichter der anderen Katzen seines Clans blickte. Unglauben. Eine lange Zeit. Dann wurde daraus Fassungslosigkeit. Aus der Fassungslosigkeit Entsetzen. Entsetzen über etwas, das er nicht verhindern konnte. Er hatte seinen Clan nicht beschützen können. Zu dem Entsetzen mischte sich einen Augenblick lang Zorn. Zorn auf sich selbst, wegen etwas, für das er nicht das Geringste konnte. Schließlich wurden aus dem Zorn Hilflosigkeit und Trauer. Es passierte innerhalb weniger Augenblicke. Langsam ließ der Anführer Kopf und Schwanz hängen, wirkte wie ein Ältester. Der Stolz, der Tatendrang, die Entschlossenheit, all das war fort. Mit langsamen, schleichenden Schritten ging Silberstern durch die umstehenden Katzen, die ihm mit einer Mischung aus Mitleid und Trauer ehrfurchtsvoll Platz machten. Ohne sie zu beachten schlich sich Silberstern aus dem Eingang, durch den er die Höhle betreten hatte. Obwohl er nichts sagte, niemanden ansah, nicht einmal die kleinste Geste von sich gab, spürte ich die übermächtige Welle zerreißender Gefühle, die in ihm tobte, als er an mir vorbei ging. Ich dachte an den hochmütig wirkenden Anführer auf der Großen Versammlung, damals, als ich mir noch nicht sicher war, was ich von ihm halten sollte. Das war nicht dieselbe Katze gewesen, der wir schließlich in den Bergen begegnet waren. Schicksale veränderten einen. Manche zum Guten, manche zum Schlechten. Und dieses Schicksal, die Tatsache, dass er als Anführer seinen Clan nicht hatte beschützen können, gab ihm einen geradezu vernichtenden Schlag. Eine solche Wunde würde mehr schmerzen als der Verlust all seiner Leben.
Dornenblatt beugte sich zu Hellpfote herunter. „Schau nach, ob alle gesund sind und versorge Kranke und Verletzte. Ich muss mit Silberstern reden.“
„Ja, Dornenblatt“, antwortete die Heilerin pflichtbewusst und machte sich sogleich an die Arbeit. Mir entging nicht der sorgenvolle Blick, dem sie ihrem Mentor hinterher warf.

 

 Ich brachte die Maus, die ich in den Bergen erlegt hatte, ohne Umschweife zu Silberstern, der seit gestern kein Wort mehr sprach, nicht zu Dornenblatt, noch zu irgendwem anders. Der Anführer schien geistig nicht mehr unter uns zu sein.
„Silberstern?“, fragte ich vorsichtig. Der Kater reagierte nicht.
„Dornenblatt hat gesagt, dass du unbedingt etwas essen musst.“ Ich schob die Maus näher an ihn heran, doch er reagierte nicht.
„Ich…“ Wie sollte ich anfangen? „Du…hattest Verwandte.“
Immer noch keine Reaktion. Doch ich spürte, dass ich auf dem richtigen Weg war.
„Ich…ich hatte mal einen Bruder. Regen hieß er. Er und meine Mutter…waren die Katzen, die mir lange Zeit am meisten bedeutet hatten…sie…“ Ich musste erneut mit dem Klos in meinem Hals ringen. „Sie starben im Kampf gegen einen Hund vom Zweibeinerort. Ich überlebte als Einziger.“
Bilder blitzten vor meinen Augen auf. Blut. Fänge. Regens ersterbender Blick.
„Ich weiß, wie sich das anfühlt“, brachte ich hervor. Silberstern sah mich an. Er blinzelte.
„Ich habe mich auch elend gefühlt. Eine unglaublich lange Zeit. Doch dann muss das Leben weiter gehen…“ Ich brach ab. Himmel erschien hinter mir.
„Ich habe meinen ganzen Stamm verloren“, miaute die graue Kätzin. „Aber der SteppenClan existiert noch. Mein Leben lang habe ich den Stamm der ewigen Jagd in Ehren gehalten, wo nun meine Freunde und Verwandte leben. Doch du musst dich nun um deinen Clan kümmern.“ Sie hielt inne. „Ich weiß noch nicht viel von dem Clanleben, aber im Stamm haben wir alle zueinander gehalten und alles füreinander getan. Ich weiß, dass ihr nach denselben Prinzipien lebt. Das Leben ist grausam. Aber wir müssen es ertragen. Du bist eine starke, entschlossene Katze. Und ich weiß, dass da den Clans helfen kannst.“
Der Anführer sah uns abwechselnd an. Es war unmöglich, zu lesen, was er gerade dachte. Er brachte nur ein Wort hervor: „Danke.“
Erneut wandte er sich von uns ab. Himmel sah mich an und ging dann. Zögernd folgte ich der blaugrauen Kätzin.
„Wird er drüber hinweg kommen?“, fragte sie, mehr zu sich selbst.
„Das weiß der SternenClan“, konnte ich nur sagen.

 

 An die seltsamen Jagdmethoden der Berge und die Aufteilung in Jäger und Katzen, die den Himmel im Auge behielten gewöhnte sich auch der SteppenClan schnell und schon bald wurden die Frischbeutehaufen größer. Doch von unserer Patrouille war immer noch keine Nachricht gekommen.
„Wir sollten langsam weiter, um sie zu suchen!“, miaute Schattenglanz auf der Versammlung, die Silberstern auf ihren Wunsch hin einberufen hatte. Der Anführer schien jedoch nur mit halbem Ohr zuzuhören. „Himmel, du kennst dich in den Bergen am besten aus. Würdest du den SteppenClan in Richtung BlattClan-Lager führen, wenn dich eine Katze begleiten würde?“
Die graue Kätzin nickte. „Mit dem größten Vergnügen. Wer von euch wird uns begleiten?“
„Ich werde mitkommen!“, bot sich Rindenpelz an.
Schattenglanz wandte sich an Blütennase. „Wirst du den SteppenClan begleiten?“
Die getupfte Kriegerin schüttelte den Kopf. „Meine Jungen sind dort draußen. Ich muss ihnen helfen.“
„Dann werde ich gehen!“, entschied Schattenglanz. „Hiermit erteile ich dir das Kommando über die Patrouille.“
„Danke, Schattenglanz.“ Blütennase wand sich dem SteppenClan zu. „Silberstern, ich kenne dich nun lange genug, um zu wissen, dass du deinen Clan nun nie wieder in Gefahr bringen wirst. Dennoch bitte ich um Freiwillige, die uns auf der Suche nach unseren Clan-Gefährten zur Seite stehen können.“
Eine dunkel getigerte Kätzin trat hervor. Eibenschweif. „Mausohr ist mein Bruder. Ich werde euch begleiten, solange es noch eine geringe Chance gibt, dass wir ihn finden werden.“
„Darf ich auch mitkommen, Eibenschweif?“, fragte Eulenpfote hilfsbereit. Ich vermutete, dass Eibenschweif ihre Mentorin war. Eibenschweif warf einen kurzen Blick zu Silberstern, der die Schülerin besorgt ansah und schüttelte dann schwermütig den Kopf. „Ich bin mir sicher, dass du uns eine große Hilfe sein könntest, Eulenpfote und zweifle nicht an deinen Fähigkeiten. Aber du und dein Bruder sind die letzten Schüler unseres Clans. Ihr seid unsere Zukunft.“
Ein wenig enttäuscht, aber verständnisvoll nickte die Kätzin. „Ich verstehe. Ich werde zum SteppenClan reisen, Eibenschweif.“
„Glutflamme, würdest du so lange ihre Ausbildung fortsetzen?“
Der rote Kater nickte. „Gerne, Eibenschweif. Gebe gut auf dich Acht!“
„Ich würde euch ebenfalls gerne helfen“, miaute Nachtstreif. „Mausohr ist schließlich mein Freund.“
„Danke, Nachtstreif“, miaute Silberstern mit schwacher Stimme. „Einen Tag bleiben wir noch hier und bereiten uns vor. Morgen werden wir aufbrechen.“
Ich sah die Sorge um uns alle, nicht nur um seine Krieger, in den Augen. Wir würden vielleicht nicht in der Zahl zurückkehren, in der wir aufgebrochen sind und alle Katzen in dieser Höhle waren sich dessen voll und ganz bewusst.
Das Leben ist grausam.
Mit diesem Gedanken gesellte ich mich zu Blütennase und den Anderen, um den Verlauf der nächsten Mission abzusprechen.

Die Weite der Berge

„Pass gut auf dich auf, Fellknäuel!“, verabschiedete sich Steinkralle liebevoll von ihrem Bruder. Dessen Schnurrhaare zuckten. „Ihr auf euch ebenso.“
„Und grüße Schneejunges und Kastanienjunges von uns“, fügte ich hinzu.
„Die beiden sind beinahe sechs Monde alt“, erinnerte mich der braune Kater. „Ich wette, wenn ihr wiederkommt, müsst ihr sie mit Pfote anreden.“
„In Gedanken habe ich das schon vorher getan.“
„Steinkralle!“, riefen Eulenpfote und Finkenpfote, mit denen sie sich im Laufe des letzten Tages prächtig angefreundet hatte. „Zeigst du uns noch ein paar Jagdkniffe?“
„Mit Vergnügen!“, miaute die graue Kätzin und lief auf die Schüler zu.
„Und pass auf meine Schwester auf!“, raunte Rindenpelz mir zu, als sie mit den Schülern beschäftigt war.
„Wenn sie auf mich aufpasst.“
„Rindenpelz! Wir brechen auf!“, rief Schattenglanz vom Höhlenausgang. Rindenpelz drückte seine Nase in mein Fell. Ich leckte ihm zum Abschied übers Ohr. Nun wären wir für eine ganze Zeitspanne getrennt. Und das obwohl er mich am Anfang nicht riechen konnte.
„Auf Wiedersehen“, brachte ich noch hervor, bevor seine Schwanzspitze als Letzte im Tunnel verschwand.

 

 Es war seltsam, nur noch mit fünf Katzen in der großen Höhle zu sein. Ich, Steinkralle, Blütennase, Eibenschweif und Nachtstreif hatten inzwischen die Reisekräuter verzehrt, die Dornenblatt für uns zurechtgelegt hatte und machten uns auf den Weg. Ein letztes Mal warf ich einen Blick in die seltsam verlassen wirkende Höhle hinter mir, bevor ich ihr wahrscheinlich für immer den Rücken kehrte und mich durch den engen Gang nach oben quälte.
„Deine Raumangst bekommst du mit jedem Mal besser in den Griff“, miaute Steinkralle im aufmunternden Tonfall.
„Danke, dass du mich wieder daran erinnerst.“
„Keine Sorge, du hast es schon fast vergessen. Fast.“

 

 „Wir kennen uns ein wenig in der näheren Umgebung aus!“, miaute Eibenschweif, während wir endlich aus den Tunneln kamen. „Ist es in Ordnung, wenn Nachstreif und ich vorerst die Führung übernehmen?“
Blütennase nickte. „Gerne. Aber wir müssen alle Ausschau nach Scharfzahn halten.“
„Scharfzahn?“, fragte Nachtstreif verständnislos. Automatisch warf Eibenschweif einen Blick über die Schneelandschaft.
„Eine riesige Katze“, erläuterte ich ihm. „So groß wie ein Leopard. Goldenes Fell. Er hat schon einmal Jagd auf uns gemacht.“
Der dunkle Krieger sah mich zweifelnd an.
„Es klingt unglaublich, ist aber wahr“, stimmte Steinkralle zu. „Wir sind ihm knapp entkommen.“
Eibenschweif drehte sich zu uns um. „Wir haben auf der Jagd Spuren gefunden, die aussahen, wie Katzenspuren, nur viel größer.“
Ein unsicheres Angstfunkeln trat in die Augen des gestreiften Katers. „Und dieser…Scharfzahn…er jagt Katzen?“
„Unter anderem“, knurrte Blütennase.
Eibenschweif zitterte ebenfalls ein wenig, doch zwang sich, ruhig zu bleiben. „Ich hoffe, dass wir ihm nicht begegnen werden.“

 

 „Es sieht so aus, als wolle und die Blattleere einen Strich durch die Rechnung machen!“, knurrte Steinkralle. Schneestürme waren unsere ständigen Begleiter in den Bergen.
„Wir werden einen Pass durch die Schlucht nehmen“, rief Eibenschweif zu uns hinüber.
„Welche Schlucht?“, hörte ich Blütennase.
„Sie ist nicht tief und wird uns einige Zeit vor dem Wind schützen.“
Vor dem Wind vielleicht. Aber wird sie…
„Wartet!“, rief ich, so laut ich konnte.
„Was ist?“, antwortete Eibenschweif hinter mir. Ich spürte die Blicke der anderen Katzen.
„Wenn es zu einem Schneerutsch kommt, sind wir dem in einer Schlucht schutzlos ausgeliefert.“
Meine Antwort rief für eine kurze Zeit ein ängstliches Flackern in den Augen der dunkelbraunen Kätzin auf.
„Er hat Recht“, stimmte auch Nachtstreif mit kaum zu überhörender Nervosität zu. Die Erinnerung an die Lawine, die ihren halben Clan verschluckt hatte, musste ihnen wie ein Floh im Pelz sitzen. „Solange wir im Schutz des Schneesturms reisen können, werden uns auch keine Greifvögel taktieren.“
„Woher sollen wir überhaupt wissen, wo wir Fuchssterns Patrouille finden?“, fügte Eibenschweif hinzu.
„Ich kann es spüren.“ Der tosende Wind verschluckte Blütennases Worte fast.
„Wie bitte?“ Überrascht starrte ich die Kätzin an.
„Vertraut mir!“ Sie schüttelte sich den Schnee aus dem Fell.
„Man sagt doch, nichts sei stärker als das Band zwischen einer Königin und ihren Jungen“, gab Nachtstreif zu bedenken.
„Ich weiß dass sie leben!“ In Blütennases Stimme klang eine Spur von Verzweiflung. „Beim SternenClan, ich weiß es einfach!“
Etwas bohrte sich in meine Brust. Mit genau demselben Elan hatte meine Mutter mich und Regen verteidigt.
„Ich glaube dir, Blütennase!“ Lauter fügte ich hinzu: „Ich kenne diese Katzen, vor allem Kieselpfote. Sie würde niemals aufgeben, uns zu suchen, wenn es nur die winzigste Hoffnung gäbe.“
„Das würde Mausohr auch für uns tun!“, murmelte Nachtstreif nachdenklich.
Eibenschweif hob entschlossen das Haupt. „Blütennase, zeige uns, wohin dein Herz dich leitet!“
Die Kätzin nickte. „Bleibt dicht zusammen!“
„Ich weiß, was sie meint.“ Steinkralles Worte erreichten mein Ohr nur schwach.  
„Du spürst Rindenpelz?“ Es war mehr eine Voraussage, als eine Frage.
„Ihm geht es besser als uns“, miaute die Kätzin. „Aber ich fürchte, seine Sorgen zermahlen ihm soeben das Herz.“
Mein Blick schweifte wieder über die Weite der Berge.

 

 Gegen Nachmittag hatte sich der Sturm bis auf wenige herab rieselnde Schneeflocken gelegt. An eine Pause war nicht einmal zu denken. Wir sprinteten nacheinander durch die Schneise im Schnee, die Blütennase durch den Schnee pflügte.
„Wir kommen näher. Ich spüre sie!“, sagte die Kriegerin immer wieder.
„Dort vorne ist ein Bergtal!“, meldete Nachtstreif.
„Fuchsstern würde dort sicher eine Rast machen!“, stimmte ich ihm zu.
„Und hätte Mausohrs volle Unterstützung!“, bestätigte der SteppenClan-Krieger.
Das Tal war ein kleines, zwischen zwei Felsen liegendes Band, in dem mehrere Tannen standen, deren Äste sich unter schwerem Schnee beugten. Ich witterte den Geruch mehrere verschiedener Vögel.
Etwas durchfuhr mich. Und ich spürte, dass auch die anderen dies verspürten.
Glück.
Euphorie.
Blütennase schlitterte als Erste den Abhang hinunter. Nacheinander folgten wir zu den Tannenstämmen. Als ich am Abhang ausrutschte und gegen einen der Bäume prallte, wurde ich augenblicklich von einer ungeheuren Masse Schnee begraben. Steinkralle lachte, als ich mich heraus arbeitete.
„Das ist nicht witzig!“ Meine Stimme strafte meine Worte Lügen.
„Komm schon!“ Die Kätzin sprang auf, ihre blauen Augen funkelten. „Sie müssen hier sein. Wir…“
Ein lautes, dröhnendes Brüllen hallte von den Bergen ins Tal herab. Alle Katzen fuhren herum.
„Scharfzahn?“, fragte Nachtstreif mit zitternder Schwanzspitze.
„Scharfzahn“, bestätigte Blütennase knurrend.
Das goldene Fell der Raubkatze verdeckte die Sonne.

Geteilte Spuren

„Katzen? Hier in den Bergen? Das ist wirklich faszinierend. Und ihre Jagdmethoden sind auch nicht von schlechten Eltern. Nur die Namen…etwas seltsam.“
Ich musste schnurren. „Ich denke, dasselbe hat Himmel auch über uns gedacht, als wir uns ihr vorgestellt haben.“
Kieselpfote stimmte mir mit einem Nicken zu. „Ich muss sie unbedingt kennen lernen, wenn wir zurückkehren. Wie geht es Schneejunges und Kastanienjungen?“
„Als wir loszogen waren sie schon beträchtlich gewachsen“, erinnerte sich Steinkralle. „Wenn wir zurückkehren hat Silberstern sie bestimmt längst zu Schülern ernannt. Für ihr Alter sind sie erstaunlich klug und vorausschauend.“
„Ich bin sicher, dass sie inzwischen ein wenig an Eschenpfotes Training teilnehmen“, vermutete Moospelz. „In dem richtigen Alter sind sie ja schon.“
„Hier war es!“, riss uns Mausschweif aus dem Gespräch. Wir fanden uns am Rande einer tiefen, mit Steinen verschütteten Schlucht wieder. Besorgt musterte ich das Geröll.
„Und wenn der Steinschlag sie nun doch erwisch hat?“, miaute Eibenschweif besorgt.
„Dann hätte mir der SternenClan ein Zeichen geschickt!“, versicherte ihr Taubenpfote. „Aber ich konnte weit und breit nichts entdecken, was darauf hinweisen könnte.“
„Wir haben bis zum Rand der Schlucht alles abgesucht“, miaute Kieselpfote, „nichts. Nicht einmal eine Geruchsspur.“
Heiliger SternenClan!
„Wo könnten sie sonst noch sein?“, hörte ich Moospelz besorgt fragen. Auch in mir übernahm langsam eine ungewöhnliche Angst das Denken.
„Wir werden es auf der anderen Seite versuchen!“, miaute Eibenschweif. „Die Felsen fallen dort nicht so steil ab. Es wäre leicht, dort hochzuklettern.“
Nacheinander stimmten alle zu. „Wir sollten uns aber eine sichere Stelle aussuchen!“, warnte Blütennase. „Am besten gehen wir wieder zurück, dorthin, wo der Steinschlag nicht alles erreicht hat.“
Ohne weitere Diskussionen drehten wir um.

 

 Mit einem sicheren Sprung landete ich auf dem Grund der Schlucht, ohne an einem der herumliegenden Felsbrocken anzustoßen. Der lange Aufenthalt in den Bergen zahlte sich nicht nur für mich aus. Nacheinander landeten alle Clan-Katzen unverletzt am Fuß des gefährlich aussehenden Abhangs. Nachtstreif war immer noch etwas steif, da seine Wunden nicht ganz verheilt waren und Kieselpfote musste Taubenpfote abstützen, um ihrer schwächeren Schwester zu helfen. Als die Schülerinnen ebenfalls sicher landeten fingen Nachtstreif und Eibenschweif schon an, die andere Seite der Felsen zu erklimmen.
„Das sieht steil aus“, miaute Moospelz zweifelnd.
Überrascht sah Mausschweif ihn an. „Du wirst doch nicht etwa zimperlich?“
Der braune Kater schüttelte sich. „Ich habe auf der Flucht gegen gefühlte hundert Streuner gekämpft, obwohl mir allein bei ihrem Gestank übel wurde. Da ist so etwas eine Kleinigkeit.“
„Wir halten dich nicht auf“, schnurrte die Kätzin und gab ihm mit einem Schanzwedeln den Vortritt. Mit einem kräftigen Sprung schaffte er es an die Felswand und kraxelte sich bis zum Vorsprung hoch.
„Hat es zwischen den beiden gerade gefunkt?“, hörte ich Kieselpfote mit einem schelmischen Lächeln miauen. Taubenpfotes Schnurrhaare zuckten. „Ich denke nicht, dass wir uns in die Privatsphäre anderer Katzen einmischen sollten. Komm.“
„Du auch!“, fügte sie hinzu, als sie an mir vorbeiging. Es war doch wirklich interessant, wie sich Katzen auf so einem Abenteuer entwickelten!
Ich brauchte zwei Anläufe, um die Felswand zu erklimmen. Endlich oben angekommen, waren die Anderen schon voraus. Obwohl mir von dem Sprung etwas schummrig war, lief ich meinen Clan-Gefährten schnell hinterher. Ich wollte auf keinen Fall Mitleids erregend wirken. Das würde die Suche nur aufhalten.
„Ich habe sie!“
Nachtstreifs triumphierendes Jaulen ließ mich jäh zusammenzucken.
„Ihr Spur?“, schoss es aus mir heraus.
„Mausohrs Spur“, verbesserte der Kater mit gedämpfter Freude. „Von Fuchsstern ist nichts zu riechen.“
Ich sah, wie in den Augen der BlattClan-Katzen Enttäuschung und Sorge aufblitzten. Auch ich spürte einen unangenehmen Stich.
„Wir sollten seiner Spur nachgehen!“, sagte Blütennase entschlossen.
„Was ist mit Fuchsstern?“, warf Mausschweif besorgt, fast ängstlich, ein.
„Wir könnten uns aufteilen“, schlug Eibenschweif zaghaft vor.
„Nein!“ Mein Ausruf war etwas zu laut, er ließ die Katzen ihre Köpfe überrascht in meine Richtung drehen. Ruhiger fügte ich hinzu: „Wir dürfen uns nicht noch weiter verstreuen, das erschwert die Sache nur.“
„Ich gebe Sturmherz Recht“, miaute Taubenpfote. Aufmerksam hörten alle der Heiler-Schülerin zu. „Immer, wenn sich der Clan oder auch nur eine Patrouille aufgeteilt hat, gab das Schwierigkeiten. Mausohr ist ein mutiger, erfahrener Krieger, mit ihm werden wir auch Fuchsstern schnell finden.“
Mausschweif peitschte mit dem Schwanz. „Aber ich kann Fuchsstern nicht allein lassen! Sie war immer für ihren Clan da, jetzt habe ich die Pflicht auch für sie da zu sein!“
„Fuchsstern hat mehr Leben als Mausohr“, fiel Eibenschweif ein. „Sie ist eine starke Katze und es fällt mir schwer, mir sie in einer hilflosen Lage vorzustellen.“
„Sie ist unsere Anführerin!“, miaute Moospelz etwas abwesend.
„Und deshalb glaube ich an sie!“, fiel Steinkralle ein. „Aber der SteppenClan braucht seinen Zweiten Anführer. Du bist ihnen nicht begegnet.“
„Was soll das heißen?“, miaute Mausschweif misstrauisch. Steinkralle warf einen erschrockenen Blick zu Eibenschweif und Nachstreif. Hatten sie es noch nicht erzählt?
„Sind sie geschwächt?“, fragte Taubenpfote mit ehrlicher Sorge.
Ich sah kurz zu den beiden SteppenClan-Kriegern, bevor ich antwortete. „Silberstern lebt sein letztes Leben. Und das…ist nicht das einzige, was ihm fehlt.“
Ich verstummte, als Nachtstreif vortrat. „Die Lawine, die uns trennte, hat sehr vielen Katzen das Leben genommen. Als…als Silberstern mit eurer Rettungspatrouille zu uns zurück kehrte und dies erfuhr…“ Er verstummte kurz, rang nach Worten. Eibenschweif setzte den Bericht fort. „Diese Nachricht hat ihm schwer zugesetzt. Er macht sich für alles, was passiert ist verantwortlich. Ich glaube, er hat den Glauben an sich selbst verloren.“
Schweigen. Es herrschte lange Zeit bedrücktes Schweigen. Mausschweif sah zu mir, Steinkralle und Blütennase hinüber.
„Es stimmt“, miaute Blütennase zögernd. „Er ist…wirklich nicht mehr er selbst. Niemand konnte ihm seinen Mut zurückgeben.“
„Nicht einmal Dornenblatt?“, fragte Taubenpfote mir leiser Stimme.
„Nicht einmal er“, hörte ich mich sagen.
Mausschweif und Moospelz sahen sich zuerst gegenseitig an, dann wanderten ihre Blicke zwischen uns und den SteppenClan-Katzen hin und her, die sie mit flehendem Blick ansahen. Kieselpfote hatte ihren Blick auf einen Punkt weit in der Ferne gerichtet, Taubenpfote sah uns alle mit ruhiger, aber keinesfalls ausdrucksloser Miene an. Langsam ging ich zu Eibenschweif und Nachtstreif hinüber und stellte mich demonstrativ neben sie. Steinkralles unverletztes Ohr zuckte, Blütennase blickte weiter erwartungsvoll auf ihre ihr gegenüber stehenden Clan-Gefährten. Ein letztes Mal sahen sich Mausschweif und Moospelz in die Augen, dann nickten sie.
„Nachtstreif, Eibenschweif“, wandte sich Mausschweif an unsere Begleiter, „ich denke, ihr solltet in dem Fall die Führung übernehmen.“

Ohne weitere Diskussionen nahmen wir Mausohrs Spur auf.

Der See der Sterne

Mausohr hatte den Weg über einen niedrigen Pass eingeschlagen, der über die Rücken einiger kleinerer Berge herab lief. Zu beiden Seiten fiel der Berg sanft in ein Meer aus Schnee ab, einige schwarze Felsen ragten wie Zähne aus dem unendlichen Weiß. Der Himmel hatte das erste Mal, seit ich in den Bergen war, eine leichte Bläue angenommen und wir hatten das seltene Glück, nur eine leichte Brise Gegenwind zu haben, was allerdings auch gleichzeitig hieß, dass wir keine Rücksicht auf oberflächige Ermüdungen und Schwächeanfälle nehmen konnten.
Nacheinander trabten wir den Abhang herab. Kurz glaubte ich, neben mir die Silhouette einer schildpattfarbenen Katze zu sehen. Springstern? War er wieder bei mir?
Ich wusste, dass ich in dich vertrauen kann, Sturmherz.
Glücksgefühle durchschwemmten mich. Ich habe gedacht, du wärst gegangen.
Ich habe mich jediglich ein wenig zurückgezogen, um zu sehen, wie sich meine Krieger machen.
Wie geht es ihnen? Sind sie gut angekommen?
Ja.
Etwas Bedrücktes lag in seiner Antwort.
Silberstern?, vermutete ich.
Er wird nie wieder der Alte sein. Damit war der SternenClan-Kater verschwunden.

 

 Der Pass führte uns zu einem zugefrorenen Bergsee, dessen Eis in der Sonne glitzerte. Mausohrs Spur hatte sich unter dem Neuschnee längst verloren, wir konnten nur vermuten, dass er den sicheren Weg auf dem Pass gefolgt war.
„Kann jemand Spuren entdecken?“, fragte Eibenschweif, während sie ihr Tempo verlangsamte. Wir sahen uns alle um, in der Hoffnung, Pfotenabdrücke im weißen Schnee zu entdecken.
„Hier!“ Taubenpfotes Ruf ließ mein Herz höher schlagen. Die hatte einen Gebirgsstrauch gesehen, dessen Zweige abgeknickt waren. „Ich erkenne leichten SteppenClan-Geruch, mehr nicht, aber es muss Mausohr sein!“
Obwohl ich an dem Strauch nichts riechen konnte, nickte ich. Heiler-Nasen waren empfindlicher als Krieger-Nasen.
„Er ist hier entlang…“ Mit halb geschlossenen Augen folgte Taubenpfote einer Spur, die nur sie selbst wahrnehmen konnte zum Ufer des Sees. Dort blieb sie mit nachdenklicher Miene stehen.
„Was ist?“, fragte Eibenschweif, bemüht, seine Ungeduld zu verbergen.
„Er ist über das Eis gelaufen.“ Misstrauisch blickte Taubenpfote zum anderen Ende des Ufers. „Mausohr ist nicht sehr schwer. Ich denke, ich könnte auch hinüberkommen, aber ich weiß nicht, ob das Eis unter euch einbrechen wird.“
Ich musste ihr Recht geben. Taubenpfote war kleiner und schlanker als jeder von uns. Aber auch sehr viel feinfühliger.
„Meinst du, du kannst abschätzen, wie gut uns das Eis halten wird?“, fragte ich.
Vorsichtig, mit ruhigem, abschätzendem Blick stellte sich Taubenpfote mit einer Pfote auf das Eis und verlagerte ihr Gewicht nach vorne. Es hielt. „Ich könnte es versuchen. Bleibt aber dicht zusammen, damit ihr helfen könnt, wenn jemand einstürzt.“ Konzentriert wagte sie die ersten Schritte. Kieselpfote stand dicht hinter ihr, um im Notfall hinterher zu springen. Mauslänge um Mauslänge schob sich die junge Heilerin über das Eis und wippte immer wieder prüfend auf und ab.
„Es scheint stabil zu sein. Haltet euch an meine Spur. Verlagert euer Gewicht gleichmäßig auf alle Pfoten. Hebt die Pfoten nicht vom Eis ab, sondern schiebt sie nur darüber nach vorne.“
Nacheinander wagten alle den Aufstieg auf das Eis. Ich hielt die Luft an, als es unter meinen Pfoten leise knirschte.
„Bleibt nicht zu lange auf einer Stelle stehen!“ Taubenpfote bewegte sich nun sicherer über den zugefrorenen See. Ihre Zuversicht konnten wir nur schwer teilen.
„Wartet!“ Wie die anderen hielt ich inne und sah zu Taubenpfote nach vorne. „Hier ist ein Riss im Eis. Geht einige Schritte zurück!“
Das Eis knarrte gefährlich, als wir uns rückwärts bewegten, bemüht, in unsere eigenen Fußstapfen zu treten. Wir alle erstarrten, als hinter uns ein gefährliches Knirschen zu hören war.
„Alles in Ordnung“, beruhigte uns Mausschweif, die an letzter Stelle ging. Taubenpfote nickte. „Folgt mir erst, wenn ich das Zeichen gebe!“
Ich spürte geradezu, wie die Unruhe der Katzen stieg. Dennoch sagte niemand etwas, um Taubenpfote nicht zu stören.
„Weiter, aber langsam!“ Die Warnung war nicht zu überhören. Doch das andere Ufer rückte näher. Es waren Erfolge um Pfotenschritte und ein steter Kampf mit mir selbst.
„Haltet etwas mehr Abstand!“ Niemand fragte nach dem Grund hinter dieser Aufforderung, doch der Verlust des engeren Kontaktes zu den Clan-Gefährten machte uns sichtlich zu schaffen. Immer wieder warf ich einen Blick nach hinten, um nach dem Rechten zu sehen.
„Bleibt kurz stehen!“ In Taubenpfotes Stimme schwankte ein wenig Sorge. Ich versuchte, mein Herz zu beruhigen. Wenn selbst sie besorgt war…
„In Ordnung, weiter!“ Ich war nicht der einzige, der aufatmete, als die Entwarnung durchkam. Doch das Eis knackte immer noch. Ich spürte, dass die anderen Katzen genau dasselbe wollten, wie ich, sicheren Boden unter den Pfoten.
„Wir sind gleich da!“, hörte ich Moospelz miauen, kurz bevor die Eisdecke riss.
Ich erfuhr, nie wie das passieren konnte, denn die Welt verschwand im dunklen, kalten Wasser.

 

 Etwas drückte mir so heftig die Brust zusammen, dass mich ein scharfer Schmerz brutal ins Bewusstsein zurückholte. Ich wollte atmen, bekam aber keine Luft. Bevor die Panik darüber richtig ausbrechen konnte, wurde meine Brust erneut zusammen gepresst, ich spürte, wie ich einen Schwall aus dunklem Wasser erbrach. Ich blinzelte. Stimmen schwirrten um mich herum, doch ich konnte nicht heraushören, was sie sagten. Ich schniefte, da Wasser in meine Nase gelangt war. Nach und nach kehrten meine Sinne zurück.
„Sturmherz? Hörst du mich?“
„Taubenpfote?“, flüsterte ich, während ich benommen versuchte, mich aufzurichten.
„Seht ihr, es geht ihm gleich viel besser!“ Sie schob mir eine Maus hin. „Iss etwas.“
Die Katzen standen alle mit besorgten Gesichtern um mich herum. Blinzelnd sah ich sie der Reihe nach an. „Was ist los?“
„Was los ist?“, fragte Moospelz mit leicht gesträubtem Nackenfell. „Du hast den halben Tag im Fieberschlaf verbracht und gehustet. Was meinst du, was wir uns für Sorgen gemacht haben. Hätte Mausohr dich ein wenig später aus dem Wasser gezogen…“
„Mausohr?“ Ich hörte, dass sich meine Stimme krächzend anhörte. „Er ist hier?“
„Schon lange bevor gekommen seid.“ Ich wandte den Kopf. Der Zweite Anführer des SteppenClans saß zwischen den anderen Katzen. Er wirkte sehr erschöpft und müde, aber war unübersehbar glücklich, uns wieder zu sehen. „Mir wurde schon alles erzählt. Ich würde sagen, ihr habt ziemlich viel für diese waghalsige Rettungsaktion riskiert.“
Ich wollte antworten, wurde aber von einem heftigen Hustenanfall unterbrochen.
„Wie soll es jetzt weitergehen?“, fragte Steinkralle stattdessen für mich. Sie richtete die Frage an Mausohr, der von uns die höchste Position besaß.
„Zuallererst müssen wir Fuchsstern finden!“, entschied der braune Kater und wandte sich an Taubenpfote. „Dazu benötige ich deine Hilfe.“
Überrasch sah die Heilerin ihn an. „Wie…“
„Es gibt hier einen Ort, von dem ich glaube, dass wir von dort aus Kontakt zum SternenClan aufnehmen können.“
Die Nachricht löste aufgeregtes Miauen aus, das sich genauso schnell legte, wie es ausgebrochen war. „Wo?“, fragte Taubenpfote mit aufgeweckter Neugier.
„Die Frage ist nicht wo, sondern wann?“
Nun war die Neugier aller Katzen geweckt. Mausohr fuhr fort. „Ihr müsst alle kommen. Bei Nacht am See, wenn der Mond am höchsten steht, bekommen wir einen Blick auf den SternenClan.“
Kurz herrscht Schweigen. „Das war der einzige Grund, warum ich hier geblieben bin“, fuhr Mausohr fort. „Ich habe die SternenClan-Katzen gesehen und wusste, wo sie waren, würden die Clans folgen.“
„Wenn du sie sehen kannst, wozu brauchst du mich?“, fragte Taubenpfote.
„Ich kann sie nur sehen, aber nicht mit ihnen reden. Ich weiß nicht einmal, ob sie mich überhaupt wahrgenommen haben. Eine Heiler-Katze schien für mich die einzige Lösung zu sein.“
Taubenpfote nickte. „Ich werde es versuchen.“ Sie sah zu uns. „Der SternenClan hat möglicherweise eine Botschaft für uns alle. Ihr werdet mitkommen. Ich hoffe, dass wir alle danach klüger sind.“

 

 Es war Halbmond. Die Zeit, zu der sich die Heiler-Katzen im Wald in der Sternengrotte treffen würden. Die blasse Mondsichel erschien schon am cianblauen Himmel, währende auf der anderen Seite die untergehende Sonne ein feuerrotes Band über den Horizont erstrecken ließ. Ich atmete die kühle Nachtluft ein. Schlafen hatte in Anbetracht dessen, was vor uns stand, keinen Sinn mehr.
„Ist Springstern dir wieder erschienen?“ Ich hatte Taubenpfote nicht kommen hören. Sie war wie ein weißer Schatten plötzlich neben mir aufgetaucht.
„Ich habe einpaar Mal geglaubt, seine Umrisse zu sehen“, miaute ich nachdenklich. „Aber in meinen Träumen hat er mich lange nicht mehr besucht.“
„Er steckt großes Vertrauen in dich.“
Ich sah in ihre grünen Augen. „Hat er…zu dir gesprochen?“
Taubenpfote nickte. „Das Schicksal seines Clans hat ihn auch sehr mitgenommen, aber er ist zuversichtlich, was die Zukunft anbelangt.“
„Das Wissen des SternenClans müsste man haben!“
„Das denke ich auch manchmal“, gab die Kätzin zu. „Wie ist Dornenblatt eigentlich so?“
„Wie Heiler eben sind. Mehr in der Zukunft als in der Gegenwart. Immer damit beschäftigt, den Clan zu retten und Zeichen zu suchen…“
„Soll das Kritik oder ein Kompliment sein?“
„Sowohl als auch.“
„Hat er einen Schüler?“, wechselte Taubenpfote das Thema.
Ich nickte. „Sie heißt Hellpfote und ist etwa so alt wie du, soweit ich es einschätzen konnte. Ich bin sicher, ihr werdet euch gut verstehen.“
„Ich kann es kaum erwarten, sie kennen zu lernen. Und die anderen wieder zu sehen.“
„Und ich erst“, gab ich ihr Recht, als das letzte Rot der Sonne der dunklen Nacht wich.

Rückkehr zur Schlucht

Die Sterne waren ungewöhnlich hell diese Nacht. Taubenpfotes Pelz glitzerte silbrig in dem übernatürlichen Licht, als sie mit ruhiger, und doch erwartungsvoller Haltung auf den zugefrorenen See zuging, der wie der Mond selbst leuchtete. Die Stelle, an der ich eingebrochen war, war bereits wieder zugefroren. Mit geräuschlosen Schritten und nicht zu übersehender Achtung stieg Taubenpfote vorsichtig auf den Rand des Eises, das leise knarrte. Kieselpfote neben mir machte sich zum Sprung bereit, falls es wieder brechen sollte. Doch es hielt. Die junge Heilerin balancierte sich geschickt aus und fand eine sichere Stelle. Langsam ließ sie sich auf den Bauch sinken und legte ihre Nase auf das kalte Eis.
Lange Zeit geschah nichts. Ich sah zum Himmel, als würden die Sterne jeden Augenblick in Katzengestalt herunter kommen, was natürlich albern war.
Erst das plötzliche Funkeln in Mausschweifs Augen veranlasste mich dazu, meinen Blick auf den zugefrorenen See zu richten. Etwas schimmerte auf dem Eis. Etwas, das keine Reflektion des Mondlichtes war.
„Sie sind es!“, hörte ich Nachtstreif wispern. Unwillkürlich sah ich zu Mausohr. In den braunen Augen des Katers schimmerte ein Licht, das das folgende Ereignis schon voraussagen konnte.
„Ihr habt außerordentlichen Mut bewiesen. Jeder von euch!“ Mein Blick schwirrte zum See. Alle starrten mit geweiteten Augen die orangerot gestreifte Kätzin mit dem weißen Bauchfell an, die ohne Geräusch auf dem Eis erschienen ist. Eibeschweif erkannte sie als Erste wieder.
„Funkenlicht!“
„Der SternenClan schickt mich mit einer Botschaft zu euch“, fuhr Funkenlicht fort, ihre Stimme schien uns geradezu zu durchdringen.
„Geht es um Fuchsstern?“, fragte Taubenpfote, die von dem Anblick der SternenClan-Kätzin nicht aus der Bahn geworfen wurde.
„Fuchsstern ist auf dem Weg zu euch, doch ihr drohen unmittelbare Gefahren, bei denen ihr alle sie unterstützen müsst.“
Sie hatte unsere Fährte also aufgenommen!
„Was wird uns erwarten, Funkenlicht?“, fragte Taubenpfote weiter.
„Bevor die Clans in ihre Heimat zurückkehren, werden getrennte Bande wieder zusammen kommen.“
Ich wusste, dass die Worte nicht nur in meinem Kopf wieder hallten. Welche getrennten Bande? Die Clans unterstützten sich so gut wie nie!
„Was müssen wir tun, um Fuchsstern zu finden?“, miaute Taubenpfote.
„Geht zurück, wo alles angefangen hat.“ Noch während die Kätzin sprach, löste sie sich wieder in funkelndes Sternenlicht auf.

 

Niemand kam auch nur auf die Idee, sich oder den anderen eine Ruhepause zu gönnen. Steinkralle, Kieselpfote, Eibenschweif, Moospelz und Blütennase waren jeweils zur Jagd aufgebrochen, um Frischbeute zur Stärkung aufzutreiben, während ich Taubenpfote anbot, ihr beim sammeln der spärlichen Bergkräuter zu helfen.
„Hier sind welche. Festgefroren.“
Ich fing an, die Pflanzen unter dem Schnee hervorzukratzen. Raureif bedeckte sie.
„Sind die überhaupt noch verwendbar?“
„Besser als nichts“, murmelte Taubenpfote nüchtern. Unsere Beute war bisher unglaublich rar ausgefallen.
„Himmel wüsste jetzt, wo wir die richtigen Kräuter finden“, murmelte ich mehr zu mir selbst.
„Himmel? Die Bergkatze?“
„Ja. Sie hat uns das Jagen in den Bergen beigebracht. Ein Wunder, wie wir ohne diese Techniken so lange Zeit überstehen konnten.“
Taubenpfotes Augen schienen in die Ferne zu schweifen. „Ich würde gerne noch mehr über den Stamm erfahren. Auch über den Stamm der ewigen Jagd. Waren sie so, wie der SternenClan?“
„Sehr ähnlich“, gab ich zu, „aber…an ihnen haftete doch etwas anderes.“
Kurze Zeit herrschte Schweigen. „Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie eine Katze gleichzeitig Heiler und Anführer sein kann“, miaute die Kätzin schließlich, als ich die Kräuter zu den anderen trug. „Diese Macht. Diese Verantwortung. Alles auf den Schultern einer Katze, statt auf drei Katzen.“
„Die Stammeskatzen lebten eben anders“, stimmte ich ihr zu, als ich den anderen Haufen noch aufnahm, den wir unter ein paar Steinen verscharrt haben. Am See angekommen, legten wir es neben dem kleinen Frischbeutehaufen auf den Boden. „Denkst du, das reicht?“
„Höchstens für den Vormittag“, meinte die Heilerin, während sie schon anfing, die Kräuter in zehn, möglichst gleich große Häufchen zu sortieren.
Nacheinander gesellten sich auch die anderen Katzen zu uns und nahmen sich ihre Rationen vom Frischbeutehaufen.
„Du solltest auch etwas essen!“, miaute Taubenpfote, die sich das erstbeste Beutestück aus dem Haufen nahm.
„Ich habe aber keinen Hunger.“
„Sturmherz, als deine zukünftige Heilerin…“
„Schon in Ordnung.“ Ein amüsiertes Schnurren konnte ich mir nicht verkneifen, als ich ihrem Befehl nachkam und nicht mit dem Vogel zu Moospelz, Steinkralle und Kieselpfote gesellte. Moospelz fuhr sich ungeduldig mit der Zunge über die Schnauze. „Ich kann es kaum erwarten, Elsterfeder und Rennwind wieder zu sehen! Ich vermisse sie so…“
„So wie ich Rindenpelz“, stimmte Steinkralle ihm zwischen zwei Bissen zu. Mit einem leichten Stich in der Brust musste ich an Regen denken.
„Wann brechen wir eigentlich auf?“, mampfte Kieselpfote.
„Ich denke mal, wenn alle hungrigen Mäuler ihre Nachspeise verdrückt haben“, miaute ihre Schwester und deutete demonstrativ auf die Kräuterhaufen, von denen schon einige verschwunden waren. Steinkralle verzog das Gesicht. „Den Geschmack bekomme ich die nächsten Tage nicht wieder weg. Aber was soll’s. Runter damit.“

 

 Die Zeit, die wir über den Pass liefen, ohne auch nur auf ein Schnurrhaar von Fuchsstern zu treffen, verging wie im Flug.
„Funkenlicht sagte doch, sie sei auf dem Weg zu uns“, miaute Eibenschweif. „Dann müssten wir ihr doch begegnet sein. Der Pass ist die einzige überwindbare Strecke zum See der Sterne.“
„Vielleicht ist sie hier noch irgendwo“, sagte Taubenpfote mehr zu sich selbst als zu der dunklen Kriegerin. „Sie muss hier sein!“
Etwas funkelte in Mausohrs Augen. „Natürlich! Das tiefe Tal!“, hauchte der Krieger.
„Welches Tal?“, fragte Blütennase in einem schärferen Tonfall als angebracht war.
„Wir…auf der Flucht vor Scharzahn haben wir zuerst einen Seitengang der Schlucht genommen. So schmal, dass wir da gerade noch durchkamen. Wir hofften, dass wir dort vor der Katze sicher seien, doch er hatte uns stattdessen in dem Tal auf der anderen Seite aufgelauert. Wir sind natürlich gleich wieder in die große Schlucht gelaufen, doch dabei muss ich Fuchsstern aus den Augen verloren haben. Und als dann der Steinschlag kam, konnte ich überhaupt nicht mehr denken. Ich bin einfach nur zur Felswand und hoch.“ Der Kater schloss für einen Augenblick die Augen. „Ich bin mir sicher, dass Fuchsstern zurück zum Tal gelaufen ist. Heiliger SternenClan, wenn dahin dieses Biest zurückkehrt…“
„Kannst du uns sagen, wo das Tal ist?“, fragte Taubenpfote ihrer allgegenwärtigen Ruhe, für die ich sie wiederholt beneidete.
Mausohr nickte. „Es ist unsere einzige Chance.“

Scharfzahn und die Clans

„Hier muss das Tal irgendwo sein!“
Ich ließ meinen Blick über die raue Felsenlandschaft schweifen und versuchte, Fuchssterns Duftspur aufzunehmen. Allein der eisige Wind stach mir in die Nase.
„Dort hinten!“, miaute Nachtstreif und lief auch schon los. Ich folgte ihm als Zweiter. Das Tal war ein mit spärlichem Berggras bewachsener Bergkessel. Nacheinander stolperten wir herab. Ein wohlbekannter Geruch schlug mir entgegen.
„Fuchsstern!“, miaute Blütennase euphorisch.
Ich war nicht einmal unten angelangt, als der Schatten sich über mich senkte.

 

 „Fuchsstern!“ Die Kätzin landete federnd zwischen uns. Nachtstreif und Eibenschweif zogen ihren Blick zuerst auf sich, dann Blütennase, Steinkralle und ich. Ihre Freude war aber kaum zu übersehen.
„Darf ich erfahren, wie ihr hierher kommt?“
Mindestens drei Katzen redeten durcheinander, bis Fuchsstern den Schwanz hob, um Ruhe zu bitten. „Einer nach dem anderen, wenn ich bitten darf.“
„Goldtupf hatte einen Traum vom SternenClan, in dem es hieß, die Patrouille sei in höchster Gefahr“, berichtete Blütennase, „Eichenblitz stellte darauf eine Patrouille zusammen, um euch zu suchen.“
„Die aber zuerst den SteppenClan gefunden hat“, fügte ich hinzu. Fuchsstern sah zu den beiden SteppenClan-Kriegern. „Was ist mit dem Rest eures Clans?“
„Schattenglanz und Rindenpelz haben sie zu eurem Lager geführt“, erklärte Eibenschweif, „ich und Nachtstreif haben uns freiwillig zur Suche nach euch gemeldet.“
„Seid ihr Scharfzahn begegnet?“ Fuchsstern klang besorgter.
„Zum Glück nicht“, miaute Mausschweif und betrachtete daraufhin irritiert Fuchssterns besorgte Miene.
„Katzengeruch scheint diese Riesenkatze magisch anzuziehen. Wenn sie den SteppenClan angreift…“ Fuchsstern hielt inne. „Ich habe schon genug Zeit damit verbracht, euch zu suchen. Nun müssen wir einen Clan retten!“

 

Auf der tagelangen Reise trafen wir mehr als einmal auf Scharfzahns riesige Pfotenabdrücke, immer darauf bedacht, ihm nicht zu nahe zu kommen. Er schien die Katzen nicht direkt zu verfolgen, bewegte sich aber gefährlich genau in ihre Richtung. Es dauerte unglaublich lange, bis wir die Ebenen erreichten.
Der schmelzende Schnee machte die Jagd um Vieles einfacher, was allerdings nicht gleich bedeutete, dass sie auch erfolgreicher wurde. Immerhin bewegten wir uns weiter.
„Wir sind nicht mehr weit von der Höhle entfernt!“, erklärte Fuchsstern. „Der Wind bringt schon leichten Katzengeruch zu uns. BlattClan und SteppenClan!“
„Dann sollten wir uns beeilen!“, miaute Mausohr. Ich bemerkte, wie Kieselpfote neben mir immer unruhiger wurde. „Endlich werde ich alle wieder sehen! Ich kann es kaum erwarten!“
„Ich glaube, wir befinden uns schon in unserem Territorium“, ermunterte sie Elsterfeder.
„In jedem Fall…“ Sie stutzte. „Ich glaube, ich rieche Katzen. Ganz in der Nähe!“
Steinkralles Schnurrhaare zuckten. „Ich denke, sie haben uns auch schon entdeckt.“
Noch bevor sie zu Ende gesprochen hatte, bewegte sich aus dem Weiß ein brauner Punkt auf uns zu. „Steinkralle, Sturmherz!“ Dann sah er seine Clan-Gefährten. „Eibenschweif! Nachtstreif!“
„Kastanienjunges!“, riefen wir fast im Chor.
„Kastanienpfote, wenn ich bitten darf“, verbesserte uns der Kater. Federpelz tauchte hinter ihm auf.
„Ihr…ihr seid zurück! Endlich!“
„Für Begrüßungen ist keine Zeit!“, unterbrach Fuchsstern uns barsch. „Scharfzahn ist auf dem Weg zu uns. Geht schnell und benachrichtige Silberstern!“
„Scharfzahn?“, fragte der Schüler.
„Er wird wissen, was zu tun ist!“ Kastanienpfote nickte und drehte um. Federpelz wandte sich zu uns. „Ich benachrichtige die Patrouillen.“
Schon war er verschwunden. Fuchsstern setzte unsere Heimkehr fort.

 In der Höhle wurden wir wie bei unserer letzten Heimkehr von einem Freudensturm begrüßt, der allerdings diesmal aus zwei Clan bestand.
Noch während die Katzen von allen Seiten auf uns einstürmten, erhob Silberstern seine Stimme. „Alle Katzen, die alt genug sind, ihre Beute selbst zu erlegen, fordere ich auf, sich zu einem Clan-Treffen zu versammeln.“
Sofort ebbte der Strom ab und alle sammelten sich.
„Danke, Silberstern.“ Fuchsstern erhob sich neben ihm in der Mitte. „Wir müssen sofort Vorkehrungen treffen. Scharfzahn ist auf dem Weg zu uns.“
Silberstern ergriff das Wort, bevor ein Tumult ausbrechen konnte. „Himmel, du hast Erfahrung mit ihm. Wir folgen deinem Rat, wenn du welchen hast.“
Die blaugraue Kätzin trat in die Mitte. „Jungen, Älteste und Königinnen müssen sofort aus dem Lager geschafft werden. Einige Krieger müssen zu ihrem Schutz mitkommen.“
Sie hörte sich schon an, wie eine Clan-Katze.
„Ich werde mitkommen!“, meldete sich Kieselpfote ohne zu Zögern und trat hervor.
„Ich ebenfalls!“ Weißmond trat aus der Menge. Ihm folgten Rennwind, Glutflamme und Eichenblitz.
Fuchsstern nickte. „Ihr könnt gehen. Schnell. In die Höhlen beim Großen Berg. Eichenblitz, zeige ihnen den Weg.“
Die Katzen brachen sofort auf. Ich sah Feldjunges noch einen sehnsüchtigen Blick zu uns werfen, bevor er von Dornenschweif mitgezogen wurde.
„Unweit von hier gibt es eine Höhle der spitzen Steine“, fuhr Himmel fort. „Wenn wir ihn dorthin locken wird er eine Weile beschäftigt sein. Ich werde dabei teilhaben!“
Eine Entschlossenheit blitzte in den Augen der Stammeskätzin, die mir einen unangenehmen Schauer durch den Pelz jagte.
„Ich werde ebenfalls mitkommen!“, meldete sich Erdwurzel.
„Ich auch!“, schloss ich mich ihr an. Steinkralle gesellte sich zu mir.
„Einige Katzen müssen im Umkreis vor der Höhle Wache halten, um ihn zu empfangen. Sollte er gesichtet werden, müsst ihr so schnell wie möglich zurück zur Höhle, um Bericht zu erstatten.
„Ich bin dabei!“ Die Stimme erweckte Freudegefühle in mir. Rindenpelz! Schon meldeten sich weitere Katzen, doch diese nahm ich kaum wahr.
„Also gut!“ Silbersterns Stimme riss mich zurück in die Wirklichkeit. „Dornenblatt, Goldtupf, habt ihr Kräuter für mögliche Wunden?“
„Nicht viele“, miaute Goldtupf. „Aber fürs erste wird es reichen.“
„Es muss reichen!“, sagte Himmel bestimmt. „Und ich bete zum Stamm der ewigen Jagd und zum SternenClan, dass sie vorerst nicht gebraucht werden.“
Alle Katzen fuhren zusammen, als ein unnatürliches Gebrüll über die Berge hallte. Nun ging es um alles. Ich brannte danach, Rindenpelz zu begrüßen, doch das musste warten. Ich folgte Himmel, Erdwurzel und Steinkralle aus der Halle unserem größten Gegner in den Bergen entgegen.

Der Stamm der ewigen Jagd

„Sturmherz!“
„Rindenpelz! Eschenpfote!“ In der Hektik hatte ich noch keine Gelegenheit, die beiden zu begrüßen.
„Stimmt es?“, fragte der Schüler mit entsetzter, trauriger Miene Miene. Ich nickte.
„Es war Scharfzahn.“
Eschenpfote ließ seine Krallen ausfahren. „Dafür werde ich ihm den Pelz von den Schultern reißen, wenn er wieder kommt!“
„Ich denke, Flammenschweif wird nun weiter deine Ausbildung übernehmen“, sagte ich zögernd, nicht sicher, ob er mir zuhörte.
„Viel Glück“, miaute Rindenpelz mir zu. „Richte Steinkralle aus, dass ich an sie denke!“
Ich nickte. „Das mache ich. Wir müssen uns beeilen. Die meisten sind schon los.“
Ich lief Himmels Schwanzspitze hinterher in die Berge.

 

 Himmel, Erdwurzel, Steinkralle und ich sahen auf die weite Ebene, an dessen Horizont sich ein brauner Punkt auf uns zu bewegte. Mein Herz klopfte in unregelmäßigen Abständen und erschwerte eine gleichmäßige Atmung. Steinkralle bearbeitete den Boden nervös mit ihren Vorderpfoten. Erdwurzels Schwanz peitschte unruhig hin und her. Nur Himmel schien ruhig. Geradezu erwartungsvoll. „Nun endet es“, hörte ich sie flüstern, als Scharfzahn näher kam, „nun endet alles.“
„Er dreht um!“
„Was?“ Himmel schien so in ihre Gedanken vertieft gewesen zu sein, dass sie Erdwurzels Einwurf nicht bemerkt hatte.
„Scharfzahn. Er hat die Richtung geändert.“
Steinkralle kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. „Ja, er…er läuft…“
Ich erstarrte, als ich das sah. „…auf den Großen Berg zu.“
Himmel drehte sich zu uns um. „Wer von euch ist der schnellste Läufer?“
Ich spürte sofort alle Blicke auf mir ruhen. Ohne ein weiteres Wort nickte ich Himmel zu, drehte mich um und rannte zur Höhle.

 

 Ich hätte den Großen Berg nie vor Scharfzahn erreicht. Ebenso wenig, wie ich dort etwas gegen ihn hätte ausrichten können. Doch ich war mir ziemlich sicher, dass die Ältesten schnell ein gutes Versteck finden würden. Dornenschweif würde mit der Kraft des SternenClans gegen die Riesenkatze kämpfen.
Kaum hatte ich den Eingang der Höhle erreicht und auch nur die Worte „Scharfzahn…Großer Berg“ hervorgebracht, war ich schon auf dem Weg in ebendiese Richtung. Begleitet von Fuchsstern, Eichenblitz, Rennwind, Silberstern, Mausohr und Weißmond.
„Wie kann es sein, dass er ausgerechnet auf den Berg zuhält?“, keuchte Weißmond im Sprint.
„Der Wind hat die Katzen anscheinend verraten“, antwortete Rennwind knurrend.
„Was ist mit Himmel, Erdwurzel und Steinkralle?“, fragte Silberstern mich.
„Ebenfalls auf dem Weg zum Berg.“
„Ich hoffe nur, dass Himmel keine Dummheiten anstellt.“
„Silberstern, sie hat mehr Erfahrung mit diesem Biest als jeder von uns“, erinnerte Mausohr seinen Anführer.
„Ich weiß. Und genau das bereitet mir Sorgen.“ Silberstern beschleunigte sein Tempo.

 

 „Was sollen wir tun?“, keuchte Eichenblitz, als wir auf einer Anhöhe anhielten. Der Wind wehte uns ins Gesicht. Unter uns blieb Scharfzahn vor dem Großen Berg stehen und schnupperte.
„Die Steine“, schlug Fuchsstern vor. „Wenn es uns geling, sie herunter zustoßen…“
„Wird diese Katze gleichzeitig auch begraben“, zischte Silberstern. „Mein Clan hat schon genug Verluste eingesteckt. Ich möchte nicht noch mehr Katzen verlieren.“
„Aber, wenn…“ Fuchsstern hielt inne. Weißmond sah sie an. „Was ist?“
Rennwind bemerkte es ebenfalls. „Es ist Himmel.“
Ich fuhr herum, in dem Moment, in dem die blaugraue Kätzin mit ausgefahrenen Krallen über uns hinweg sprang und diese Scharfzahn ins Nackenfell grub.
Mit einem wütenden Miauen versuchte Scharfzahn, die Kätzin mit den Krallen aus seinem Fell zu zerren, doch diese schlug ihre Zähne gnadenlos in das Fleisch der Bestie. Ich sah Blut aus der Wunde spritzen.
„Himmel!“ Erdwurzels verzweifelter Ruf riss mich aus der Trance. Sie und Steinkralle blieben keuchen neben uns stehen.
Ich war immer noch zu erstarrt, um zu reagieren, als das Donnern von oben kam. Erdwurzel und Weißmond sahen fast zeitgleich hoch. In ihren Augen spiegelte sich Gestalt gewordener Schrecken.
„Himmel!“, warnte Silberstern die Kätzin noch einmal, bevor er vom Felsen absprang und neben ihr auf Scharfzahns Pelz landete. Die Starre fiel von meinen Gliedern ab. Ich wollte den beiden Katzen hinterher, als ich am Nackenfell zurückgezogen wurde und die gewaltigen Schneemassen Scharfzahn, Himmel und Silberstern unter sich begruben.

 

 Eschenpfote hatte auf der Patrouille unsere Schreie gehört und war mit Flammenschweif und Glutflamme sofort zu uns geeilt. Als sie ankamen, hatten wir Silbersterns starren Körper bereits halb aus dem Schnee geschaufelt.
„Silberstern!“ Mausohr fing an, das Fell seines Anführers gegen den Strich zu lecken und ihn immer wieder mit den Pfoten zu rütteln.
„Mausohr…“ Weißmond brach den Satz ab. Dornenblatt war aus einer Nische am Felsrand aufgetaucht und starrte entsetzt auf die Szene.
„Mausohr“, miaute Erdwurzel sanft. „Es…es war sein letztes Leben.“
Ich hörte die Stimmen nur gedämpft, dafür meinen eigenen Herzschlag nur noch lauter, als ich langsam an den starren Körper des Anführers trat. Von Irgendwoher tauchte Tigerzahn auf. Buntschweif und Vogelpelz folgten mit starren Minen. Ängstlich schaute Feldjunges hinter ihrer Mutter hervor.
„Himmel“, hörte ich Glutflamme miauen. „Wo ist Himmel?“
Mausohr stand immer noch starr über die Leiche seines Anführers gebeugt, als wir uns suchend umdrehten.
„Hier!“, miaute Eschenpfote und schaufelte Pfotenweise Schnee bei Seite. Schwach blinzelte die graue Kätzin, als Fuchsstern sich über sie beugte.
„Silberstern ist tot, oder?“, hauchte Himmel.
Stumm nickte Fuchsstern.
„Ich weiß jetzt, was eure Kriegerahnin gemeint hat.“ Steinkralle und ich traten näher an sie heran. „Bevor die Clans in ihre Heimat zurück kommen, werden getrennte Bande wieder zusammen kommen“, wiederholte die Kätzin mit sanfter Stimme. In ihr lag eine Ruhe, die wir bei ihr nicht gewohnt waren. „Ich sehe sie. Den Stamm der ewigen Jagd. Meine Familie. Wir kommen wieder zusammen.“
Himmel unter der Morgensonne starb mit einem Ausdruck auf dem Gesicht, der dem eines Jungen glich, das zum Schüler ernannt wird.

Zukunft

Da die Sternengrotte von diesem Punkt aus nur über Umwege zu erreichen war, kehrten Dornenblatt, Hellpfote und Mausohr erst nach einem Tag zurück.
Mausstern, korrigierte ich mich selbst, als der braune Kater seine Position in der Höhle einnahm.
„Alle Katzen, die alt genug sind, ihre Beute selbst zu machen, fordere ich auf, sich zu einem Clan-Treffen zu versammeln.“
Er wird jetzt seinen Stellvertreter wählen.
„Ich verkünde dies vorm SternenClan, dass meine Krieger-Ahnen dieser Wahl zustimmen werden“, verkündete der frisch ernannte Anführer mit feierlicher Stimme. „Falkensturz wird die Zweite Anführerin des SteppenClans werden.“
Glückwünschendes Miauen erklang, als die Kätzin hervor trat, um die Wahl anzunehmen. Auch Fuchsstern und Eichenblitz gingen zu ihr. Es wurden einige Worte gewechselt, daraufhin ergriff Fuchsstern das Wort.
„Die Große Versammlung ist schon längst überfällig. Nun müssen wir entscheiden, wie es weitergehen wird.“
„Wir müssen zurück in den Wald“, miaute Goldtupf. „Unsere Kriegerahnen wollen Gerechtigkeit. Ich spüre es.“
„Ich kann Goldtupf nur zustimmen“, miaute Dornenblatt. „Der SternenClan wird auf unserer Seite sein. Wir sind nicht länger Rivalen, sondern Verbündete im Kampf um unsere Heimat.“
„Die Zukunft liegt in unseren Pfoten“, stimmte Falkensturz den Heilern zu.
„Dennoch dürfen wir nichts überstürzen“, miaute Fuchsstern. „Wir werden die Ausbildung unserer Schüler fortsetzen, Patrouillen zum Hochland schicken und überlegen, was zu tun sein wird. Dann werden wir den Streunern zeigen, wie Clan-Katzen kämpfen.“

Impressum

Texte: Alle Rechte liegen bei mir und Erin Hunter
Tag der Veröffentlichung: 02.08.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Allen WarriorCats-Fans, die Krieger und Hauskätzchen lieben.

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