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Hollywood


Verehrte Leserin, verehrter Leser…

 
Mit guten Büchern kann man berühmt werden, das ist fraglos richtig und wurde auf dieser Plattform schon unter Beweis gestellt. Allerdings gibt es momentan keinen Messias, über den ich ein ausführliches Testament schreiben könnte. Mit jungen Zauberlehrlingen lockt man niemanden mehr von der Couch hoch und tapfere Indianer sind ausgestorben. Gute Kinderbücher können nur Schwedinnen schreiben und nieveauvolle Komödien nur Frauen. Trilogien und Horror sind nicht mein Fall und die geheimen Schriften des Vatikans sind schon geplündert. Für meine Memoiren bin ich zu jung (dafür habe ich auch zu wenig erlebt und sie würde eh niemand lesen wollen) und eine junge Studentin, an der ich meine neuen Folterinstrumente ausprobieren könnte, hat sich bisher auch nicht blicken lassen.

Daher werde ich bald ins Filmgeschäft einsteigen. Das war schon mein Traum, nachdem ich Mr. Spock, Kermit, Flipper und Lassie in mein Herz geschlossen hatte. Seitdem habe ich mit „Super 8“ geübt und jeden Familien-Urlaub in Bild und Ton festgehalten. Erfahrungen, bilde ich mir ein, habe ich also genug.

Hollywood (im Speziellen die Universal-Studios) hat schon angefragt und mir ein Angebot gemacht, das ich nicht abschlagen konnte. Die Koffer sind seit Wochen gepackt und der Flug ist gebucht. Die Verträge sind längst aufgesetzt (danke an meine Rechtsberater) und mit Blut besiegelt. Die Suite am Sunset Blvd ist gemietet und der Shelby GT 500 vom Vorschuss gekauft. Mein Drehbuch ist abgesegnet und die Castings stehen an. Warum sollte ich noch warten? Und auf was?

 
Ich freue mich auf den Trip über den großen Teich zur Westküste. Ohne ein schlechtes Gewissen gebe ich zu, dass ich möglichst schnell möglichst viele harte Dollars verdienen, über rote Teppiche laufen, mich bei Premieren vollfressen, mit den Mega-Stars aus meinen Kindertagen koksen, pro Woche ein Groupie flach legen und innerhalb der nächsten drei Jahre einen Oscar einstecken möchte. Ich finde, das sind sehr ehrenwerte Gründe, um Erfolg haben zu wollen. Die Sätze mit künstlicherem Anspruch und Selbstverwirklichung sind doch nur geheuchelte Phrasen.

Damit ich recht bald meine eigene Insel in der Karibik kaufen, eine 18jährige Blondine im Pool verführen, die Villa auf St. Barth einrichten, den Ferrari in der Garage parken und meinen Namen in der „hall of fame“ lesen kann, werde ich einen Action-Krimi drehen. Dieses Genre hat sich immer bewährt. Natürlich könnte ich einen Western machen, aber wer braucht das? Außer Quentin, aber der war etwas schneller als ich. Und seit George seinen Laden an Disney verhökert hat, lässt man die Laserschwerter besser im Keller stehen Bei den momentanen Strompreisen sind die sowieso nicht mehr lukrativ. Nicht wahr, Herr Altmeyer?. Nur Steven allein kennt sich aus, wie man mit großen und kleinen Tieren erfolgreich sein kann, daran würde ich mir die Finger verbringen. Die amerikanische Geschichte überlasse ich Oliver; das ist nicht meine Welt. Ich bin ja in Deutschland geboren. Seid ehrlich: ein abendfüllendes Epos über das Leben von Frau Merkel würde niemanden ins Kino locken. Oder?

Nein, ich werde einen Blockbuster erschaffen, der mit kriminellen Elementen, mitreißender Action, schönen Frauen, bitterbösen Gangstern und genialen Cops in die Filmgeschichte eingehen wird. Das hat sich weltweit bewährt, das kennt man. Da weiß man, was man hat. Punkt.

Zur Realisierung gibt es allerdings ein paar wichtige Facts zu beachten, über die viele Anfänger wie ein Herr Woo oder ein Herr Cameron fast gestolpert wären. Mir wird das natürlich nicht passieren. Nein… Schon das Genre selbst birgt viele Regeln und einige Gefahren, die man im Auge behalten muss. Aber lasst uns von vorn beginnen, geschätzte Leserschaft, und nichts überstürzen.

Da ich einen Krimi mit viel Action drehen werde, ist folgendes zu beachten
1. Die Kanonen der Bösewichte haben Endlos-Magazine.
2. Alternativ zu Punkt 1 haben ihre Hosen viele Taschen, damit man ständig ein neues Magazin raus holen kann.
3. Wenn der Gegner getroffen wird, fliegt er häufig meterweit zurück.
4. Bei Verfolgungsjagden ist der Tank immer voll.
5. Fluchtautos überstehen selbst weite Sprünge ohne Schaden.
6. Autoreifen quietschen auch auf Schotter und Sand
7. Fahrzeuge explodieren grundsätzlich schon beim kleinsten Crash.
8. Das FBI kann jederzeit die Satelliten umleiten.
7. Die Cops finden immer einen Parkplatz direkt vor dem gesuchten Haus.
8. Bei Eintreffen des Ermittlerteams sind alle anwesenden Einsatzkräfte bereits mit Kaffee versorgt.
9. Der Verdächtige sieht fast immer verdächtig (Narben im Gesicht, billige Tattoos, schlechte Zähne usw.) aus.
10. Alle Bomben haben stets verschiedenfarbige Drähte
11. Schwerstverletzte Opfer sterben bei vollem Bewusstsein und können zuvor oft den entscheidenden Satz flüstern.
12. Cops essen immer Donuts oder chinesische Nudeln aus viereckigen Pappbehältern
13. Die dickbäuchigen Jungs der „Highway-Patrol“ tragen Sonnenbrille und einen Porno-Balken unter der Nase.
14. Es bleibt keine Zeit für die Spezialeinheit, der Cop entschärft die Bombe immer selbst.
15. Bösewichte zögern erst, bevor sie den Helden erledigen, und halten erst mal eine längere Rede.
16. Jedes AKW, jede Ampel und alle Fernsehanstalten sind aus dem Internet steuerbar.
17. Alle verschlossenen Türen lassen sich mit einem einzigen Schuss oder Tritt wieder öffnen.
18. Unabhängig davon, wie viele Schurken um den Cop stehen, sie greifen immer einzeln an.
19. „Das ist doch Wahnsinn!“ Dieser Satz darf in keinem Actionfilm fehlen
21. Der „Chief-Inspektor“ hat diverse Pokale hinter seinem Schreibtisch stehen.
22. Richter sind meist ältere Männer und oft Afroamerikaner.
23. Gute Agents haben sofort die Privat-Nummer des „White-House“ parat, auch wenn sie von einem fremden Handy aus anrufen müssen.

Als Lebemann mit weltmännischer Erfahrung ist mir die Rufnummer des weißen Hauses tatsächlich bekannt. Natürlich darf ich die hier nicht ausplaudern. Allerdings hat der Obama barry eine neue Durchwahl.

Die weibliche Besetzung ist enorm wichtig, auch wenn sie erst später ins Geschehen eingreift. Meinen Film werden sich hauptsächlich testosteron-gesteuerte Männer ansehen. Das beweist die Statistik und jahrelange Eigen-Recherche. Diese Jungs wollen etwas fürs Auge haben und das fängt bereits bei den Teenagern an.

Weibliche Schauspieler (jung)
1. Mädchen heißen Ashley, April, Beverly, Kimberly, Sidney, Amy und Alicia
2. Sie kaufen sich rosa Handys.
3. Sie tragen bis zum 16. Lebensjahr bunte Falten-Röcke, machen sich Zöpfe und schnalzen beim Reden mit der Zunge.
4. Sie wollen immer Cheerleader sein.
5. Sie kreischen ständig mit den Freundinnen über irgendwelche Sachen.
6. Sie klettern nachts aus dem Fenster, wenn sie Hausarrest haben (beachte auch Punkt bei der Location, der später aufgelistet ist)
7. Sie stehen entweder auf gut gebaute Machos oder pickelige Trottel, die am Ende die Welt retten.
8. Sie wollen ihre Unschuld beim „Spring break“ verlieren.


Noch wichtiger als die junge Nebendarstellerin ist die weibliche Hauptrolle. Sie muss perfekt besetzt sein, denn von ihr wird viel abverlangt. Also vergesst nie im Kinosaal...


Weibliche Schauspieler (älter als 23)
1. Reife Frauen heißen Kate, Lindsey, Jane, Vivien und Dana.
2. Sie sind immer geschmackvoll angezogen und haben atemberaubende Figuren.
3. Weibliche Opfer sind meist hilflos und
4. Sie verlieben sich in den smarten Detektiv
5. Beim Sex haben Sie immer einen BH an.
6. Wenn sie nach dem Aufwachen einen Mann küssen, haben Sie nie Mundgeruch.
7. Sie sind auch nach einer heftigen Liebesnacht nie zerzaust auf den Kopf und perfekt geschminkt.
8. Sie ziehen sich erst die große Decke bis zum Hals, bevor sie aus dem Bett kriechen.
9. „Ich gehe mich mal kurz frisch machen“ Dieser Satz darf nie fehlen, bevor es zur Bett-Szene kommt.
10. Wenn Punkt 2 nicht zutrifft, sind sie dick und tragen Jogginganzüge.
11. Flüchtende Frauen verstauchen sich immer den Knöchel
12. Busfahrerinnen haben immer Adipositas (Beachte auch Punkt 10 )


Die wenigen Nebenrollen meines Films, die mit jungen Männern besetzt werden, müssen ebenfalls ein paar Anforderungen genügen.

Männliche Schauspieler (jung)
1. Jungs heißen Tylor, Dan, Logan und Zack
2. Sie haben immer eine Baseball-Kappe auf dem Kopf, mit Schirm nach hinten.
3. Sie tragen eine Sportjacke mit dem Logo der Schulmannschaft
4. Die Loser der Highschool sind sofort (dicke Hornbrille, keine Sportjacke, Pickel…) als Nerds erkennbar.
5. Sie kennen sich mit Software aus und hacken nächtelang im Internet.
6. Sie werfen nachts immer Steinchen ans Fenster der Freundin, die grade Hausarrest hat.
7. Sie fahren immer coole Autos, die sie zuvor selbst repariert haben.
8. Sie arbeiten immer im Fastfood-Restaurant, um sich Geld zu verdienen.

Die Krönung des gemeinen Action-Krachers muss der männliche Hauptdarsteller sein. Er muss jedem gefallen, der im Kinosessel sitzt. Jeder Typ will so sein wie er und jede Frau will mindestens eine Nacht mit ihm verbringen.

 
Männliche Schauspieler (älter als 23)
1. Männliche Helden heißen Steve, Randy, Clark, Lewis, Jim und John
2. Männer sehen meist gut, attraktiv und muskulös aus: das Alter spielt dabei keine Rolle.
3. Sie müssen auch nachts Sonnenbrillen tragen, sobald der Film in Arizona, New Mexico, Kalifornien, Oklahoma, Texas, Louisiana, Alabama, Florida und Kentucky spielt.
4. Der Bart sieht immer wie ein 3-Tage-Bart aus, auch wenn er eine Woche lang nicht rasiert wurde.
5. Wenn Männer nach dem Aufwachen eine Frau küssen, beklagt sie sich nie über Mundgeruch. Beachte hier auch Punkt 7 bei den Darstellerinnen.
6. Männer haben nie Potenzprobleme.
7. Männer ziehen sich erst die Decke um die Hüften, bevor sie aus dem Bett kriechen.
8. Afroamerikaner düsen immer mit halbnackten Chicks auf der Rückbank im Cabrio durch die Sonne (besonders zu beachten bei Punkt 3)
9. Leonardo di Caprio muss am Ende sterben. Diesen Punkt hab ich als letztes aufgeführt, weil er zu vernachlässigen ist. Leo wollte nicht auf meine Besetzungs-Couch und spielt daher nicht mit. Selbst schuld!

Ebenso wichtig wie die Schauspieler und Heldinnen ist der Ort der Handlung. Auch wenn der Kinogänger nie dort war, muss er sich sofort heimisch fühlen. Für einen guten Action-Thriller eignen sich daher die weltbekannte Großstadt an der Ostküste oder ein Kaff im sonnigen Süden. Aber beachte: traurige Komödien brauchen Regen und nur dafür ist Philadelphia erbaut worden.

 
Location
1. In Alabama gibt’s nur Stechmücken und Rassisten. Die einen im Sommer, die anderen das ganze Jahr über.
2. Schulbusse sind in jedem Bundesstaat gelb.
3. Blockhütten am See sind meist verflucht.
4. In den Wäldern gibt’s nie Handy-Empfang.
5. An jedem dritten Haus weht der USA-Banner.
6. Sobald die Handlung in der Wüste spielt, muss ein verdorrter Strauch durchs Bild fliegen.
7. Vor jeder Tankstelle auf dem Land sitzt ein alter Mann im Schaukelstuhl.

 
Natürlich darf man den Alltag und das normale Leben nicht außer Acht lassen, damit die begeisterte Kinogängerin sich damit identifizieren kann-

Der Alltag im Action-Krimi
1. Dontus gibt es immer und überall.
2. Jeder isst Fastfood; meist in kleinen Läden auf roten Ledersitzen.
3. An Halloween liegen dicke Kürbisse vor der Veranda.
4. Ab dem 01. November wird eine Weihnachtsbeleuchtung installiert, deren Energie-Verbrauch eine Stadt wie Bitterfeld sechs Monate lang versorgen könnte.
5. Zeitungen fliegen immer in den Vorgarten, auch bei Regen.
6. Die Kinderzimmer liegen immer unterm Dach
7. Vor dem Kinderzimmer steht immer ein großer Baum (beachte Punk 6 bei den weiblichen Schauspielerinnen)
8. In jedem Zimmer steht ein Fernseher und ständig laufen Talkshows.
9. Vorgärten sind immer frisch gemäht (siehe auch Punkt 5)
10. Wenn abends jemand die Haustür aufschließt, brennen überall kleine Lampen.
11. In jedem Haushalt gibt’s einen Hund, meist langhaarig und süß.
12. Küchen sind immer geputzt und aufs Sofa passen fünf Leute.
13. Egal, welches Problem am PC auftritt: Fehlermeldungen bestehen aus roter Schrift und dem ganzen Bildschirm ausfüllendem Wort „ERROR“.
14. Nach dem Einschalten des Fernsehers wird sofort die erwartete Information gebracht.

 
Damit ein Action-Thriller tatsächlich ein Erfolg wird, muss alles beachtet werden; auch die kleinsten Details. Nichts wird dem Zufall überlassen.


Wichtige Details zur Rahmenhandlung
1. Mamas müssen morgens Pancakes backen.
2. Die Kids tragen ihre Schulbücher immer vor der Brust.
3. Kids haben es morgens immer eilig und können die Pancakes nie essen (siehe Punkt 1)
4. Kids sitzen meist in engen Holzstühlen gequetscht.
5. Die Metallspinde in der Highschool müssen immer scheppern.
6. Kids spielen sich immer einen Baseball zu, wenn der Papa die Auffahrt hoch kommt.
7. Die Kids der Highschool verbünden sich in verschiedene Gruppen.
8. In der Mensa gibt’s ständig eine Essens-Schlacht.
9. Unglaublicherweise gibt es immer nur einen Dicken in ihrer Clique (siehe Punkt 7)
10. Niemand schließt sein Auto ab....
11. Autoschlüssel stecken immer hinter der Sonnenblende.
12. Alle wichtigen Darsteller fahren (meist blitzblanke) Chrysler, Dodge und Ford
13. Roter und blauer Draht hängen meist locker unter der Konsole (siehe Punkt 10 )
14. Sobald etwas Wichtiges passiert ist, heißt es „Oh my God“
15, Der Typ mit dem Satz „ich bin gleich wieder da“ stirbt als nächstes.
16. Beim Fluchen darf das F***-Wort nie vergessen werden.
17. Man trinkt nur Coca-Cola oder Pepsi-Cola.
18. Niemand besitzt eine Stoff-Tasche und alle schleppen die Einkäufe mit eingerissenen Tüten ins Haus.
19. Die Bedienung im Fastfood-Restaurant ist nie jung, hat Flecken auf der Schürze und immer frischen Kaffee gekocht (beachte Punkt 2 im Alltag)
20. Bier gibt’s nur verpackt in braunen Tüten.
21. Männer trinken immer Budweiser bei den Football-Spielen im TV.
22. Sie fragt immer „Na Süßer, was soll´s denn sein?“ (siehe Punkt 19)
23. Saft gibt’s bei der Mutter immer aus Glaskaraffen, nie aus dem Tetrapak
24. Beim Sex werden die Geschlechtsteile unter der Decke verborgen.
25. Es gibt immer Cheerleader und Pfadfinder.
26. Es ist gefährlich, den Telefon-Hörer abzunehmen, wenn man allein daheim ist.
27. Es regnet nie, sobald die Handlung romantisch ist.

 
So, das waren die wichtigsten Punkte für den Filmdreh… Der eine oder andere von Euch wird noch ein paar Details finden, die ich vergessen habe. Scheut euch nicht und erzählt mir einfach, was ich vergessen habe. Aber schreibt rasch, BX lässt sich in Amerika schlecht aufs Blackberry laden.

 
Bevor ich es vergesse: Wer den Fehler in der Aufzählung entdeckt, bekommt von mir die Nummer des „Oval office“.

 
Bis bald…wir sehen uns im Kino.

Eure Zaubertrommel

Impressum

Texte: Zaubertrommel a. D. 2013 vor dem Tripp in die Staaten
Bildmaterialien: Google
Tag der Veröffentlichung: 18.04.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme diesen Ratgeber all jenen, die auch Movie-Junkies sind und das halbe Leben im dunklen Kino-Saal verbracht haben. Vielen Dank auch allen Freunden und Bekannten, dir mir bei der umfangreichen Recherche geholfen haben.

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