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Glasklopfen



ich liebe den Regen
kusspeitschender, zärtlicher Regen
auf meiner Haut
Tausendkristalle
prasselnd an meinen Fensterscheiben
während ich Wege gehe
durch klingende Pfützen
aus denen Himmelslichter
meine Schatten auflesen

du sollst wissen
mein liebes Herz

ich trage dich wie
einen Atem
durch meine sonnenhellen Tage

in den Schwarzsamtenen
spanne ich den Schirm aus Küssen
die heruntertropfen
und mir weicher Trost sind

nun
wo die Welt ruhig ist
und meinen Schmerz
gleichmäßig mitatmet
erkenne ich das Grasseil
die gravierten Zeichen auf deinen Lippen
deine tastenden Schritte
auf meiner schlafenden Seele
höre ich
im Echo

deinen letzten Sturz.

1990
"Warum schreibst du mir nicht, hast du mich vergessen?" fragtest du mich in einem Brief, zwei Monate später nachdem meine kleine Tochter und ich wieder abgereist waren aus deinem schönen Land im Süden Frankreichs.

Du hattest immer Angst, ich würde dich vergessen.

Ich hatte viel zu tun, war noch ein wenig verwirrt von unserem Treffen, in dem alles so anders war als je vorher.
Ihr wohntet nicht mehr bei Paris, deine Arbeit führte dich nach Marseille, zu den Schiffen die in die Welt hinaus fuhren.
Du lebtest in Scheidung, denn deine Ehe war gescheitert, du warst verzweifelt, weil du keine Kinder hattest und du warst so traurig, weil das Kind, das ich mitbrachte nicht von dir war.

Ich aber war sorglos. Du liebtest das Leben und würdest es schon schaffen, du warst immer so voller Sonne und Energie. Wir würden uns begleiten, ein Leben lang, das hatten wir uns versprochen, würden uns über die Hürden des Daseins hinweghelfen, unsere Kinder würden sich kennenlernen und einander Freunde sein, tiefer und fester konnte doch kein Band halten.
Natürlich wollte ich dir bald schreiben ...


1974
Ach, ich erinnere mich.
Immer wieder erinnere ich mich, wie ich dir zum ersten Mal begegnete.
Es war Sommer, als du ankamst, in einem kleinen Städtchen im Norden Deutschlands.
Du trugst zwei Koffer in deinen Händen, die zu dünnen Armen an einem hochgeschossenen schlaksigen Körper gehörten. Du warst vierzehn und ich "schon" sechzehn Jahe alt.

Ich genoss es dir alles zu zeigen was ich kannte: die Ostsee, die Felder unserer Dörfer und den Bruchwald direkt neben dem Spielplatz, unsere winzig kleine Wohnung mit sechs Kindern darin und die Stadt mit dem Holstentor und den sieben Türmen.
Während wir stundenlang durch das goldwogende Korn wanderten, sangen wir unsere Seelen in unsere Herzen und als der Abschied kam, erlaubte ich dir, mir einen Kuss zu geben, nachdem du fragtest.

"Aber auf die Lippen" fordertest du.

Großzügig bekamst du mein Einverständnis.

Wie sollte ich ahnen, dass dieser Kuss ein Zauber war?

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Tränenzauberer
der du die Sonne
durch meine
Trauerwasser schickst
dass sie malt
einen leuchtenden Regenbogen

wie sehr rufe ich
nach allem was göttlich ist
dass du wieder bist
aus Fleisch und Blut
dass mein Herz
endlich ruhig ist
und mein Kopf
an deiner Schulter ruhen darf

mein Engel der Liebe;

hinüber in das Reich
der silbernen Nebel
blicke ich
mit brennenden Augen
erkenne
wolkenweiße Flügel
und so sehr
das spätere Willkommen.

1992
Ich saß vor dem Fenster unseres Wintergartens.
An der Leine, draußen in unserem Garten, flatterte die Wäsche meiner kleinen Tochter und die Strampelhosen des Babys, das ich in unter meinem Herzen und in meiner Seele trug.
Als ich den Brief mit deiner Todesnachricht las, brach ich in lautes Weinen aus.
Mein Mann und meine Schwester waren bei mir, ihre Tränen vermischten sich mit meinen.


Reise von zweiunddreißig Segelschiffen.




Stumpfes Schwarz
über dem großen See
kein Mond lässt
das Wasser leuchten
doch strahlt es hell
denn es spiegeln sich
die Segel der Schiffe
wie Schnee
die Segel der Schiffe
wie Schnee


Zweiunddreißig stolze Segelschiffe
schweben und gleiten dahin
Still ist die Nacht
und stumm ist mein Gruß
frierend mein einsamer Kuss


Heißes Rot
in pergamenter Seele
kein Eis kühlt
des Feuers wehen Brand
doch kalt wie Stahl
unfassbare Trauer
in meines Herzens
tiefstem Herz
in meines Herzens
tiefstem Herz


Zweiunddreißig stolze Lebensschiffe
segeln ins nächtliche All
Dein ist die Nacht
„Salut“ weht es zart
mein Kapitän auf letzter großer Fahrt


In mir geborgen




Aus Mondwurzelblättern
schwebten Libellen
über versunkene Städte
das wärmende Licht
einst blauer Tage
gefangen in den Netzen
ihrer zitternden Flügel

unsere Sommer
in Blüten gerollt
verloren ihr Schwirren
ohne deinen leichten Schritt

so las ich aus den Bruchstücken
der fallenden Stille
die regennass
einen Weg in mein Herz bog
deine Liebe auf
die nun für immer wie ein Vogel
in seinem Nest schläft.

1987
Wir gingen wieder einmal die Straßen entlang, es war Nacht, Nebel schwebte durch die Lichter der Laternen und über dem feuchten Asphalt. Du trugst einen eleganten Mantel, ich hatte dich zuerst kaum wieder erkannt, nach acht Jahren, aus dir war ein Mann geworden.
"Es ist als ob wir auf einem fernen Planeten wären", sagte ich, dich ungläubig berührend, "eine Zeile aus einem anderen Leben, so unwirklich".
"Vielleicht ist dies ein anderes Leben", antwortetest du, "ein Bruchstück von etwas anderem, das folgen wird, und wir dürfen einen Blick hinein werfen".


2009

So viel Wasser ist durch die Brücken geflossen in all den Jahren;
der Schmerz wurde milder.
Ich hoffe jedoch, er hört niemals ganz auf, denn in dem Schmerz, fühle ich dich so nah, als hielten wir uns an den Händen.
Er ist die Brücke, die mich immer wieder zu dir führt, er ist mein Freund.

1987 - Auf einem Bild, dass du mir von dir schenktest schriebst du:

"Dienstag den 15.Dezember 1987

Das einzige, das ich möchte, ist das du Glücklich für die Ewigkeit bleibst.
Cheri Michel"

Das werde ich versuchen. Dass ich dich kennen durfte hat mir soviel gegeben, dass ich schon oft in Gedanken an dich Glück spüre.

Wie winzig kleine Sonnenblüten ist es, die ich in den Tag werfen kann und die mich anlächeln, aus Blumen, aus Wolken, aus den Wellen der Wasser, dem Rauschen der Bäume, dem Leuchten der Kornfelder und im Lächeln von Menschen um mich herum.


Michel, je te dis au revoir


Impressum

Texte: ********************************************* Bild und Texte stehen unter dem Copyright von Mara Krovecs
Tag der Veröffentlichung: 14.01.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Heißes Rot in pergamenter Seele kein Eis kühlt des Feuers wehen Brand doch kalt wie Stahl unfassbare Trauer in meines Herzens tiefstem Herz in meines Herzens tiefstem Herz

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