1 Gudruns Gesang
2 Das Mädchen und die Linde
3 Aus einem Bild, dass mir später einen Traum
schickte
4 Das Feenkind
5 Winterbraut
6 Windgeflüster
7 In den Wäldern von Riga
8 Traumpflückerin
9 Ob es möglich sein kann Herr Weberknecht?
10 Lebensfreude
11 Schattenspringen
12 Die Feenreiterinnen
13 Abendreise
14 Schwarz
Gudruns Gesang:
schwarze Blasen
weißer Linnen
kein Schiff häutet sich aus
dem Horizont
Salz an den Gräsern die über
meine roten Wangen streifen
Hände kalt wie Winterstein
weißt du denn nicht
Sonne schmiegt sich zart
über Ketten um mein Herz
kein Rauch brennt meine Augen
wie deiner Augen letzte Blicke
Meeresrauschen
deiner Stimme Wolfslieder
zerschellen nicht
Klippenstöhnen unter
schäumenden Wolken
weißt du denn nicht
meine Küsse sind Kolibris
sie streiften deine Lippen
schneller schneller unser Herzschlag
weißt du - oh weißt du denn nicht
mein Atem auf deiner Haut
ist Kompass ist Straße
über jeden Äquator
durch jede Nacht
Das Mädchen und die Linde
In dem Wald stand ein Baum
eine Linde
und sie rauschte im Schnee
und im Wind
sang so zärtlich ihr Lied
einem Kinde
weil Linden oft
Liebende sind
so weit - ihr Gesang
so silbern ihr Klang
so tief hüllt ihr Wort
stillt Traurigkeit fort
viele Jahre vergingen
das Mädchen
war verliebt aber er
war nicht treu
und verzweifelt verließ sie
ihr Städtchen
schlief in Scheunen
beim Bauern im Heu
so weit war das Land
ein grünendes Band
ihr Lied rein und hell
der Bogen glitt schnell
und sie spielte die Geige
die Linde
stand so still und so schön
in dem Wald
„bin zurück“, weinte sie in die Rinde
und im Herzen wars nicht
mehr so kalt
so lang war es her
und schmerzte nicht mehr
aus jung wurde alt
kam oft in den Wald
und sie spielte allein für
das Wesen
das ihr Trost war in Schmerz
und in Not
das ihr Herz wie ein Buch hat gelesen
dem sie folgte in Leben
und Tod
so schön war das Lied
das die Linde ihr schrieb
das sie murmelnd ihr sang
als die Geige verklang.
Aus einem Bild das mir später einen Traum schickte
Ich sah eine Schar Frauen
mit langen Schleiern
sie ging eilig die Straßen entlang
Gewänder huschten
über staubigen Boden
eine drehte sich
um und was sie sagte
traf mich
aus ihren Augen
stand auf ihren Lippen
verriet ihre Haltung
verstand ich aus ihrer Traurigkeit:
„Durch jedes Tor gehen wir.
Fürchtet euch nicht!
Wir finden euch alle
aus dem Sturm
klingen die Glocken
weit in die Nacht“
mein Atem befahl mir
die Augen zu öffnen
ich blickte in jene ernsten Mienen
mein Herzschlag stockte als ich verstand:
ich sollte eine von ihnen sein!
“Hand in Hand
durchschreiten wir
die Tore
nach jedem Tor klingt eine Stimme mehr
wir suchen auch im Schwarzen
und finden euch alle
keinen Winkel wollen wir vergessen
aus dem Regen peitschten
die Stimmen der Verzweiflung
in den Donnern hallten
die Rufe unserer Angst
"verliert nicht den Mut!
wir finden euch alle
euch hinter den Toren
wir strecken unsere Hände
in die Städte der Toten
und halten sanfte Lichter
in Finsterheiten
mit den Glocken
singen die Verlorenen
unser Atem befiehlt uns
unsere Schreie zu werfen
vor unsere Schritte
unsere Schritte
vor die Tore
wir finden euch
wir finden euch
hören nicht auf zu suchen
bis wir auch dem letzten
Gefallenen
dem letzten der
vergitterten Kinder
dem letzten
Menschenengel
unsere Hände
reichen konnten.“
Das Feenkind
Schrebergarten
Spätsommer
war eingeschlafen
im Liegestuhl
Sonnenstrahlen wärmten
wie eine Decke
Vogelgesang
ein leichter Windhauch
über meine Stirn
Duft nach Erde
und den letzten Rosen
eine Wespe
surrte um meinen Kuchen.
Hörte
Grashalme wispern
Kirschblätter flüstern
süßes Kichern
Gesang
so schön
so ergreifend:
Lori la via di
Do mi no vija
Su bi di lumine
Si bo do saminan
Erschaudern
ich erwachte
und sah
was ich sah
zwischen dem
verblühten Fingerhut
ein zierliches Kind
so groß
wie meine Waden lang
mit einem Sommerkleid
aus Blättern und Blüten
hauchfein
es lächelte mich an
aus verschmitzten Augen
Haare
schwarz wie die Nacht
gelockt
bis zu den Hüften lang
schaukelte
verlegen hin und her
und sang nicht mehr.
Ich schluckte schwer
hatte Angst es zu vertreiben
wünschte mir sehr
es würde bleiben
als es sang
heilten meine Wunden
Mir wurde so leicht
und zärtlich zumute
ich lächelte ihm zu
es sah mich so seltsam an
sprang mit einem Mal
hoch
hoch in den Baum.
Ein Raunen und Rascheln
es umschlang
die Äste unseres
alten Apfelbaumes
machte einen
Schweinebammel
und lachte
Haare flogen im Wind
ich hörte Musik
es sang so schön:
Lo ri la via di Sommerwind
Do mi no vija Feenkind
Su bi di lomine Mutter ruft
si bo do saminan Rosenduft
Plötzlich sah ich
noch eine Gestalt
im Apfelbaum
eine Frau
so wie das Kind
nur groß
ernst sah sie
die Kleine an
die schaute zu mir
wie um Hilfe
die Augen bang.
Und dann
der Himmel schwarz
ein Wind so stark
der Apfelbaum
bog seine Krone
Blätter flogen
lautes Weinen
blitzen,donnern
und das Weinen
so traurig
so schwer
mein Herz.
Stille
lag im Liegestuhl
und fröstelte
dicke,pralle
Regentropfen
Stühle klappten
Türen schlugen
Menschen mit Schirmen
und Zeitungen
über den Köpfen
rannten und...........
endlich daheim.
In der Nacht träumte ich:
Lied im Wind
Apfelkind
Feenbaum
Muttertraum
hörte die süße Stimme
dann das Schluchzen
hörte im Apfelbaum
den Wind.
Winterbraut
Unendlicher Meereshimmel
dichte Schaumkronenwolken zu sehen
Eiswind aus der Antarktis
meine Herzenstochter wir
wollen in die Felder spazieren gehen .
Hier hat der Sommer seine
Winterskulpturen hinterlassen
Disteln und Weidenröschen
wiegen sich träumend in
frostgeküssten Pflanzenstraßen
Sommersprossen tanzen
um deine Augen, die silbergrünen
eine Wimper, verloren, auf mattheller Haut
kennst du noch den alten Zauber?
Wir pusten und du wünschst, wie auf
traumtrunkenen Kinderbühnen
einen geheimen Herzenswunsch
da wirft Frau Holle ihre ersten Flocken
auf dich, meine blütenzarte Tochter
du schöne, junge Winterbraut .
Windgeflüster
„Du bist“
flüsterte der Wind
mir zu - drang tief
in meinen Atemwald
durchwehte umarmte
durchtanzte mich
zupfte zärtlich an
meinen Haaren
pfiff sie
mit Windeslächeln
hoch hinauf zu
den Sternen
dort pflückte er Mohn
schmiegte ihn
auf meine Haut
mit Windesheulen
sang er mir:
„Sternenmohn
wiegt blühend sich
in deinem Herzen.“
In den Wäldern von Riga
Riesig sind die Wälder
von Riga
in denen du
oft geschlafen hast
vaterlos
aber jung und zaubergeschützt
hier hast du lettische Flöten geschnitzt
du
mit deinem schwarzen Haar und
deiner schönen Stimme .
Grün sind die Wälder
von Riga
in die du
oft deine Seele gesungen hast
mutterlos
sehnsuchtsvoll und zaubergeschützt
hier hast du dein erstes Mädchen geküsst
du
mit deinen braunen Augen
und deiner hohen Gestalt .
Weiß sind die Wälder
von Riga im Winter
in denen damals
noch Wölfe jagten
du Heimatloser
nun bist du alt , kein Zauber schützt dich mehr
die Kinderwunden weinen dein altes Herz dir schwer
du
mit deinem gebeugtem Rücken
lauschst in die Sommerwälder von Riga
und summst die Lieder der Johannisnacht
in deinen weichen, roten Schaukelstuhl .
Für meinen Vater.
Traumpflückerin
- Sie war seltsam -
stand unter der Linde
und blinzelte
in das Funkeln der Sonne
zwischen den Blättern
hob ihre alten Arme
fischte in die Luft
und aß , was sie gefangen hatte
„ ich esse die Sonne „
sang sie und tanzte
- Sie war seltsam -
ging all ihre Wege
pflückte die Luft
auch über den Seerosen
zwischen den Schwänen
griff sie nach den Federchen
blies den Löwenzahn
als das Frühjahr noch Wunder streute
„ ja ich pflücke Träume“
so lächelte sie.
- Sie war seltsam -
Selbst ihr Tod war Magie
auf der Wiese
im Tau , zwischen den Blüten
klein und zerbrechlich
ein Kranz aus Gänseblümchen
noch in ihrer Hand
ein entrücktes Lächeln im Gesicht
auf den jungen Lippen
dieser alten Frau
Ob es möglich sein kann, Herr Weberknecht?
Ein Punkt in der Luft
knapp über der Erde
schwebend
So elegant
so charmant
ein Hauch voller Leben
gesponnenes Sonnenlicht
kannst du
verweben.
Anmutig tanzend
unter dem Bett
in dem ich träume
in dem ich weine
schwebst du
dein Leben
Sonne grüßt den Mond
küßt die Sterne
du tanzt
du webst
für die unendliche Ferne
atmest den Sinn
den niemand kennt
gibst dich der Stunde hin
die dich vom Leben trennt
hinterläßt dein
filigranes Skelett
dem Staub
unter meinem Bett.
Ich seh es an
ob es möglich sein kann
dass ich dich am Ende
wiederfind
als Sonnenkind
in einem Sternengeflecht
Herr Weberknecht?
Lebensfreude
DU Ozean.
Meine Liebe träumt.
Auf bizarrem Felsgestein
atmet vor mir
deine wilde Schönheit
deine Brandung berauscht
deine Nässe berührt
dein Salz erzählt
Dir möchte ich singen
dass meine Töne flögen
über all dein Blau ,dein klares Grün
durch deine kristallene Seele
in dich möchte ich tauchen
dich spüren , den Strom
des plötzlichen Nasses
entlang meinem Körper
trage mich auf Wellen
auf dir will ich branden
tief in dir mich
kühlen ,will schweben
auftauchend den
Sonnenhimmel atmen
deine Weite singen
über Blau und Grün
DU Ozean.
Schattenspringen
liebster, die sonne scheint
wir sollten es wieder tun
wir beide - uns erst ausziehen
platsch in den fluss
und dann schattenspringen
über den flusshai
im wasser forellen fangen
mit den händen sie liebkosen
auf den mund küssen
mit den wellen schaukeln
in dem wasser gurgeln
liebster wir sollten es tun
casanova , es schneit, es schneit
ich hol uns den regenschirm
wir zwei pfeifen dem hund
der sprutzt in die pfützen
dann lass uns schattenspringen
in wolken engel haschen
sie mit lachenden augen
fest umarmen
heute habe ich ein wenig mut
ich küsse deine hände
liebster lass es uns tun ...
Vorübergehend
bin ich erreichbar
hab meine knall
roten Lackschuhe
in den weißen Sand geworfen
laufe - laufe
in das Rauschen
wehendes Seidentuch
aus dem Termine
flattern zu den Möwen
die tragen sie fort
weit hinaus zu den Walen
mit denen ich augenblicklich
meine Verabredungen
koordiniere;
sobald ich sie erreiche
vorübergehend
bin ich selig
das dunkelblaue Seidentuch
fliegt mit dem Wind
in die Welt
meine Hände
winken ihm hinterher
meine Füße
lecken das Wasser
das mich mit Nass und Gischt
begrüßt und lockt
hinein - hinein
rufen die winzigen
Stichlinge, huschen
um ihre Steinschlösser
ich wate, vergrabe
meine Zehen
meine Haare fliegen
in Silberwolken
vorübergehend
bin ich nicht erreichbar
endlich erreichbar
für mich - meine Zunge
schmeckt fischiges Salz
meine Knie sinken
auf muscheligen Grund
ich bin ;
vorübergehend
Die Feenreiterinnen
Kein Laut ist zu hören
über den Nebelseen,
die Pferde an den Ufern
lächeln im Traum.
„Woll`n den Schlaf nicht stören,“
murmeln die Feen,
blasen leis` die Wasser
zu blühendem Schaum.
„Wir stäuben in die Wellen
gläserne Ruh,
wir decken die Erde
mit Nebeln zu,
wir rühren in die Lüfte
Lichtfeenhaar,
das leuchtet im Herzen
wie Sehnsucht so klar.“
Wie die Feen so weben
stillen Morgengesang,
die Sonne aus dem Dunkel
schmiegt Tag in die Nacht,
lässt tiefleuchtend leben
ihren goldenen Klang
und Weißschleierlüfte
schimmern vollbracht.
Sie springen auf die Pferde,
wild wird der Ritt,
zieh`n über die Erde
silbernes Glück,
werfen weit über Bäume
das Festgewand,
auf frostweiße Träume
in das schlafende Land.
Abendreise
Helles Licht
auf rotschimmernder
weicher Seide
unter dem Leuchtschirm
umsorgen
verzweifelter Knochen
wir weiden
auf dem Teppich
während meine Lider
ihre Flügel schlagen
reiten über weiche Wiesen
unter der Hand
felliges Schnurren
grün wiehern
meine Pantoffeln
Stille schmeckt
glücklich
wenn meine Zeitung
wie ein Fallschirm
auf die andere Seite
schwebt.
Schwarz
schwarz brennt es in mir
wenn du dein Gesicht aus Gold trägst
deine Küsse
wie Obsidian schmecken
wunderschön, aber glatt und kalt
wie dieser Stein brechen sie muschelig
schneiden mir mitten ins Herz
schwarz wie Lakritz
sind meiner Kindheit Wälder
sonnendurchflutet
aber aus den Ecken pfeift noch der Tod
und schwarz waren die Treppen
die mich aus den Gewölben
zur Sonne steigen ließen
der sanfte Druck meiner Schenkel
lässt das schwarze Einhorn fliegen
über die Ebenen des roten Sonnentaues
meine Lippen formen den Jubelschrei:
als die Schwärze dem weißen Licht weicht
das über ein Lächeln
aus meinem Herzen kommt
ich bin in den See
der Nachtkerzen gefallen
höre noch das Öffnen
der lichten Kelche
spüre das Fallen der Ketten
in dem Finster
schwarz gebrochener Hoffnung
Texte: Copyright von Texten und Bildern: Mara Krovecs
Tag der Veröffentlichung: 09.10.2008
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
ich bin leuchtend
wie ein Glühwürmchen aus Liebe
in einer Winternacht
auf der Suche nach meiner Herde
einen Sonnenteppich unter den Füssen
ein Herz aus Traumblut
und Schwingen aus Licht
unter meiner warmen Haut.
Aus "Shilouetten" Gedichtezyklus