WARUM ALLES ANFING:
Hast du dich einmal für den Bühnenberuf im Rampenlicht der Welt entschieden, musst du auf der Hut sein, dass du in den Wirrnissen und Trübungen nicht untergehst! - Bei bei aller Großartigkeit des Berufes!
Er ist gefährlich, verschwenderisch, verlockend, und er nimmt dich mit Haut und Haaren ein.
Trotzdem musst du empfänglich sein für die Geschichten und die Erschütterungen, die mit dem Glitter und Glamour ans Tageslicht drängen.
Wenn es denn zu dem Beruf dazu gehört, nicht unberührt bleiben zu können, wenn du am Rand des Aushaltbaren stehst, zwischen Hoffen und Bangen, Angst und Freude, dann schaust du auch dem Tod ins Auge!
Dem Tod und dem Verderben, dem Verbrechen und Katastrophen, ebenso wie dem Herzweh und dem Überschwang.
Die Erlebnisgewitter stellen deine Welt oft auf den Kopf. Du musst lachen und weinen. Du bist verzweifelt und voller Glück.
Und manchmal erfasst dich Panik, ob du jemals einen Ausweg finden wirst.
Und glaube nicht, dass du entkommen kannst!
Erlebnissen dieser Art bin ich in den letzten Jahren häufiger ausgesetzt gewesen und begegnet.
Sie haben mich so sehr beschäftigt, dass die Zeit gekommen ist, sie zu sammeln, aufzuzeichnen und andere daran teilhaben zu lassen.
Wenn ihr die Geschichten lest, werden sie sich in euren Herzen festbeißen, denn ihr werdet euch in ihnen wieder erkennen. Auch wenn ihr den einen oder anderen Moment am liebsten weit weg schieben möchtet.
Alles fing damit an, dass mich der Fall einer jungen, begabten und ich-starken Sängerin und Schauspielerin aufrüttelte. Sie erlitt nach kurzem glanzvollen Aufstieg am Entertainmenthimmel einen Zusammenbruch – der Aufstieg kam zu schnell und der Burnout noch schneller für die erst zwanzig Jahre alte und sensible junge Frau. Niemand wollte glauben, dass diese straighte Kämpferin, die schon in der Ausbildung als zukünftiger Stern am Firmament gehandelt wurde, so abstürzen könnte. Sie wurde einfach als unbegrenzt leistungsfähig angesehen. Man konnte alles von ihr fordern. Aber sie fiel ins Bodenlose, und niemand wollte es wahr haben. Niemand hat wirklich in sie hinein gesehen oder konnte es nicht. Alle gängigen medizinischen Maßnahmen, um sie wieder Tritt fassen zu lassen, damit sie weiter funktionierte, schlugen fehl. Sie musste die Bühne, die für sie das Leben war, verlassen. Die Kräfte reichten nicht mehr aus. Die Stimme wurde brüchig. Panikattacken, sobald sie nur einen Versuch unternahm, sich zurückzumelden. Übrig blieben eine unendliche Traurigkeit und die Angst, nie mehr zu genügen. Wie ein angeschossenes Reh sich im Unterholz verbirgt, zog sie sich in ihr Dorf in den südlichen Wäldern zurück, umgeben von den traurigen und hilflosen Blicken ihrer sorgenden und ratlosen Familie.
Schon nach kurzer Zeit war sie nicht mehr gefragt. Schon hatte niemand mehr Interesse an ihr. - Trotz aller vorangegangenen Beteuerungen!
Ich begann mich für diese Frau zu interessieren. Das geschah einmal, weil ich während der kurzen aber intensiven Arbeitskontakte mit ihr gesehen hatte, wie zerbrechlich ihre Seele war. Ein großer Teil ihrer Strahlkraft rührte gerade von dieser Zerbrechlichkeit. - Ein Zusammenhang, den nur wenige sehen geschweige denn akzeptieren wollen. Zum anderen lernte ich im Umfeld der Praktiken von Arbeitgebern und Produzenten bzw. der Therapieversuche der Schnellschussmediziner an dieser Frau ähnliche Fälle kennen. Natürlich hat sie versucht zurückzukommen. Natürlich hat sie nicht aufgegeben, Wege zu finden, die ihr wieder hoch halfen.
Mein Blick schärfte sich in dieser Zeit für den engen Zusammenhang zwischen der Begabung für Bühne, Auftritt und Performance einerseits und Offenheit für seelische Erschütterungen andererseits.
Unzählige Geschichten, Geschehnisse und Lebensbewegungen haben mich seitdem förmlich gesucht. Dabei waren die Erlebnisse dieser jungen Frau besonders erschütternd. Was ich bei ihr und weiterhin fand, waren Krimis! Thriller im Meer des Lebens. Menschen, Situationen und Individuen zeigten und zeigen ihre unfassbaren und unglaublichen Seiten. Abgründe genauso wie strahlende Himmel taten sich hinter der Fassade des Alltags auf. Das „Abenteuer Leben“ mit seiner ganzen Wucht, seiner Wut und seiner Lust schlug mir entgegen.
Eine „Ghost“-, ja eine „Monster-World“ schlummert oft hinter der menschlichen Oberfläche – großartig und gewalttätig zugleich.
Mitten im Leben stehen wir nah am Tod!
I. Der Beginn des Thrillernetzes
Die Geschichten beginnen. Das Thrillernetz nimmt seinen Anfang. Ich möchte Euch heute Sophie und ihre Freundin Malena vorstellen. Ihr werdet sie kennen. Und doch täuscht Ihr Euch. Trotzdem: Eurer Neugier und Euren Spekulationen sind keine Grenzen gesetzt. Steigt ein in die „Wut und die Lust im Meer des Lebens!“
Sophies Nacht
Sophies Job war angenehm: Freitag und Samstag in einer kleinen Bar in Hamburg-Winterhude von 20 bis 24 Uhr, gut bezahlt. Nur ausschenken und kassieren. Samstags blieb sie oft bis 2 Uhr morgens, wenn jemand länger quatschen wollte und die Chefs sie fragten, ob sie noch einen Augenblick bleiben könnte. „Kein Problem, mach ich.“ Sie ging gerne in die Bar, selbst wenn sie eine lange Ausbildungs-Woche bei der Global Entertainment & Showbiz-Company“ hinter sich hatte. Sie hatte das ganz große Los gezogen. Sie hatte die Aufnahmeprüfung für die deutschlandweit begehrte Ausbildung als Tänzerin, Sängerin und Schauspielerin bestanden.
Aber sie musste für ihr Studium dazu verdienen, weil sie von Zuhause nicht genug Unterstützung erhielt. Für Sophie war das alles in Ordnung. Mit ihrem fröhlichen Temperament bewältigte sie locker alle Einschränkungen und Widerstände. Sie eroberte immer im Handumdrehen die Sympathien der Menschen um sie herum.
Die Chefs von der Bar hatten ihr schon bald nachdem sie mit der Arbeit angefangen hatte, das Taxi bezahlt, wenn es spät wurde. Sie war in der Bar absolut beliebt mit ihrem süddeutschen Dialekt, ihren blonden Kringellocken und ihrem entwaffnenden Lächeln. Und wenn sie erst mal lachte, dann blieb kein Auge trocken. Manchmal geschah es, dass sie sich spät nachts, wenn die Müdigkeit sie überfiel, wegen nichts ausschütten konnte vor Lachen und sich dabei sogar auf den Boden schmiss, weil sie sich fast in die Hosen machte vor Lachen. Alle Herzen lagen ihr dann zu Füßen. Ihrem Lachen entkam keiner.
Manchmal nahm Sophie ihre Freundin Malena mit in die Bar, und schon bald kam es dazu, dass Malena gefragt wurde, ob sie Lust hätte auszuhelfen. In der Bar waren alle stolz, zwei angehende Künstlerinnen bei sich zu haben. Malena war mit Sophie zusammen zur Aufnahmeprüfung gefahren – eigentlich wollte sie Sophie nur auf dem Klavier begleiten, doch dann schaffte sie die Prüfung auch. Da sie nicht genau wusste, was sie nach dem Abitur studieren sollte, nahm sie die Herausforderung an. - Ein schlagendes Gespann, das nichts so schnell aus der Bahn warf. Und als dann die Bosse der GES-Company, wie das Entertainment-Institut bei allen kurz hieß, mit Geschäftspartnern aus Moskau in der Bar auftauchten, gab es ein riesiges Hallo. Sophie ließ es sich an diesem Abend nicht nehmen, auf die kleine Karaoke-Bühne zu stiefeln und spontan ein paar Nummern mit ihrer Soulröhre zu singen. Malena ließ sich nicht lumpen und gesellte sich beim Refrain des letzten Songs dazu. Der Applaus war grandios, und auf einmal waren die beiden die Stars. Die Bosse der GES-Company ließen ein kräftiges Trinkgeld da und gratulierten den beiden: „Ihr seid richtig, das haben wir von Anfang an gewusst! Wir haben nicht umsonst für euch in der Aufnahmeprüfung votiert! Ihr seid die Zukunft!“ Vor allem der junge Geschäftsmann aus Moskau, den alle „Nikolai K“ nannten, zeigte sich besonders interessiert an den beiden Frauen. Er war ein komischer und sympathischer Kerl und sprach gut englisch. Er kam in der Folgezeit öfter in die Bar und war Sophie gegenüber immer ganz besonders. Wenn sie sang, wurde er still und hatte feuchte Augen. „Ihr müsst unbedingt nach Moskau kommen und da singen. Das werde ich möglich machen.“ Er hat Sophie die Hand geküsst, obwohl der auch nicht älter war als 35. Aber wie er ihre Hand nahm, so ganz vorsichtig, sie kaum berührte und einen angedeuteten Kuss drauf hauchte, dann plötzlich hoch schnellte und die Hacken zusammen knallte, da konnte sich Sophie nicht mehr halten und lachte so etwas von los, dass sie sich bei Nikolai K festhalten musste, bis schließlich alle lachten und klatschten.
Dann kam es zu dem Samstag am 15. Oktober. Nikolai K brachte seinen „besten Freund“ mit. So stellte er ihn vor. Die beiden waren ein eingespieltes Duo und nahmen sich vor allem permanent gegenseitig hopps. Sehr sympathisch! Nikolai K’s Freund war ein älterer Typ; er strahlte diese Gelassenenheit eines weit gereisten Mannes aus, aber alles unangestrengt und nicht snobistisch. Dazu volles Haar; ob weißblond oder grau, war nicht genau zu sagen. Er wirkte sehr fit. So um die 50? Es war schwer zu bestimmen. Nikolai K hat ihn Malena und Sophie überschwänglich als Geschäfts-Partner und Freund vorgestellt: „Seid vorsichtig“, grinste er die beiden an, „er ist sehr gut informiert in Sport und Kultur und kennt sich besonders gut in Deutschland aus. Ich habe ihm schon von euch zwei außergewöhnlichen jungen Damen erzählt.“
Es war weit nach Mitternacht. Sophie stand gerade hinter der Bar und trank etwas. Sie hatte mit Malena gesungen; beide waren verschwitzt, ihre Augen glänzten. Überschwängliches Lob hatten die Besucher über sie gehäuft. Nikolai K war nicht mehr von Sophies Seite gewichen. Sie genoss es, auch wenn Malena sie mit skeptischen Blicken bedachte.
Malena war nach unten zur Toilette gegangen. Erschöpft und beschwingt zugleich schaute sie in den Spiegel. „Mein Gott, was geht hier ab? Ich fasse es nicht!“ Sie wusch sich die Hände, warf sich Wasser in das glühende Gesicht und legte sich ein weiches Frotteetuch auf, um die Schminke nicht zu verschmieren.
In diesem Augenblick hörte sie zwei Stimmen auf dem Gang. Zwei Männer standen draußen und quatschten. Nein: Da fand eine hitzige Diskussion statt. Unwillkürlich hörte Malena zu. Das Rauschen des Wassers und die Nebengeräusche in der Toilette machten ein genaueres Zuhören schwierig. Nur Wortfetzen drangen zu ihr. Sie bewegte sich näher zur Tür, blieb dann aber stehen, weil sie befürchtete, entdeckt zu werden. Jetzt waren bruchstückhaft Worte zu hören: „… interessante Frauen… ansprechend… begabt und viel versprechender Hintergrund… wir warten nicht mehr… müssen in mehrere Richtungen aktiv werden, und zwar zügig… Laborversuche waren alle positiv… hochwertiges und lukratives Betätigungsfeld...“ Malena stockte der Atem. Was hörte sie da? Der eine könnte Nikolai K msein. War der andere dann nicht der Freund von Nikolai K? Spannung lag plötzlich in der Luft. Sie versuchte die hoch schießende Unruhe runter zu kämpfen, aber es gelang ihr nicht. Plötzlich nichts mehr! Dann umso lauter: „Ich bin übrigens sehr weit mit den Chefs des Unternehmens gekommen. Die sind kooperativ. Ich glaube, das dauert nur noch ein paar Tage, dann habe ich sie.“ „Diese Kooperation darf uns nicht durch die Lappen gehen. Ich stehe mit meinen Leuten auch kurz vor dem Durchbruch. Ich sage dir, das wird was: Spitzenprodukt im Spritzenformat. Fertig zur Anwendung! Super!“ „Mind Shaping! Wie wir es wollten…Nach langen Versuchen...!“ Malena konnte die letzten Worte nicht mehr hören, weil die Klospülung in der Damentoilette alles übertönte. Malena sprang zurück zum Waschbecken und drehte den Wasserhahn auf und wartete, bis eine kleine Japanerin unter zahllosen Verbeugungen die Toilette verließ. Malena hielt ein paar Sekunden den Atem an, horchte nach draußen und öffnete vorsichtig die Toilettentür. Nichts! Niemand zu sehen. Alles still. Nur die entfernten Geräusche der Bar drangen leise zu ihr. Hatte Malena sich verhört? Was sollte das alles? Hatte die Müdigkeit ihr einen Streich gespielt? Hatte sie das Wort Spitzenformat gehört? Oder Spritzenformat?“ Und was war das Andere, worüber sie sprachen: „Mind Shaping?“ Wenn das eben wirklich Nikolai K da draußen war! „Ich bin zu blöd zum Zuhören“, schimpfte Malena mit sich selber. Wenn sie noch erfahren wollte, wer die beiden Männer waren, musste sie schnell hier raus und hinter den beiden her. Hatte das was mit Sophie zu tun? Waren sie beide vielleicht in Gefahr? Oder war das alles nur Einbildung?
Wer immer die beiden Typen waren, sie konnten noch nicht weit sein. Malena spurtete den Toilettengang entlang, riss die Zwischentür zum Toilettenbereich auf und sprang die Stufen hoch. Kaum konnte sie den Barraum einsehen, flogen ihre Blicke einmal über die Tische. Sie sah Nikolai K am Ende des Tresens ruhig mit Sophie reden, und sein Freund, der Bonzentyp, so nannte ihn Malena von diesem Augenblick an, saß am Sondertisch, aß was und quatschte. In diesem Moment löste sich Nikolai K von Sophie mit einem Lachen, dem eine leichte Berühren ihres Arms folgte. Es war mehr als nur ein zufälliges Berühren. Das sah aus, als ob die beiden schon sehr privat miteinander umgingen. Malena war jetzt noch alarmierter. Sie traute sich keinen Schritt mehr weiter. Ihre Gedanken rasten. Was ging hier vor? Nikolai K schlenderte locker und gelöst zu dem Tisch, an dem der Bonzentyp saß. Als er Malena sah, winkte er ihr fröhlich zu. Voller Anspannung verharrte sie am Eingang zum Toilettenbereich und starrte Sophie an. War ihre beste Freundin da in etwas verwickelt, was sie selbst gar nicht ahnte? Wie sollte sie sich verhalten? Was hatte sie wirklich da unten im Toilettenbereich gehört? Ach, zum Teufel: sie hatte sich bestimmt getäuscht. Definitiv. Das waren nicht Nikolai K und sein Freund unten vor der Damentoilette. Vielleicht war da überhaupt niemand gewesen. Und hatte sie nicht nur Wortfetzen gehört. Sie war einfach übermüdet und musste jetzt ganz schnell nach Hause. Ihre Phantasie hatte ihr bestimmt einen Streich gespielt. Wie schon so oft. Sie entkrampfte sich und ging mit Beinen wie Blei zu Sophie. Ihre Stimme war kratzig und sie musste sich erst einmal räuspern: „Sophie, ich nehme dich jetzt unter den Arm, und wir machen Schluss für heute. Wir sind jenseits von Gut und Böse, zeitlich gesehen, aber auch sonst. Ich kann nicht mehr.“ Sophie schaute Malena entgeistert an. „Hast du was getrunken, Malena? Du siehst fix und fertig aus! Oder hat dich Nikolai K’s Freund verführt?“ „Ach, hör auf Sophie! Ich bin müde und kaputt. Lass uns gehen!“, erwiderte Malena matt und packte ihre Sachen zusammen. Sie wollte jetzt nichts mehr sagen. Sie merkte nur, dass ganz tief in ihrem Bauch sich ein pochendes Gefühl festgesetzt hatte – ein Gefühl von flauer Schwäche? – also auf jeden Fall von schmerzhafter Unruhe. Sie wollte unbedingt, dass es wieder weg ging. Aber den Gefallen tat es ihr nicht.
In dieser Nacht wurde ein Gefühl in Malena geboren, das sie nicht gleich benennen konnte. Es war das Gefühl der Angst, einer Angst, die ihren ganzen Körper erfasste und die sie bis dahin nie gespürt hatte. Diese Angst sollte sich in der Folge zu lebensbedrohlichem Horror auswachsen.
Ankündigung für die zweite und dritte Geschichte – 3-V-11
Die Geschichten, die in regelmäßigen Abständen veröffentlicht werden, schildern Personen und Situationen, die wesentliche Bausteine des sich entspinnenden Thrillers bilden. Sie werden also nicht unbedingt in zeitlichem Nacheinander wie später im Roman erscheinen. Die einzelnen Geschichten stellen vielmehr Elemente dar, die im Thrillergefüge eine Rolle spielen. Sie setzen unterschiedliche Spannungspunkte, um neugierig zu machen und um auch in eine Diskussion darüber einzutreten, wie lange man damit warten kann, das Ganze in der richtigen Reihenfolge und als Werk zu veröffentlichen. Ob das gelingt, ergibt sich hoffentlich aus den Reaktionen der Leser.
Zweite Geschichte: Streit und Vorboten des Verbrechens
Als Malena nach einer langen Nacht am Tresen in der Bar am Sonntag Morgen erwachte, warf die Sonne schon ein goldenes Viereck auf die weiße Wand neben ihrem Bett. Sonntag Morgen: Juhu, ein ganzer langer Tag zum Nichtstun, Rumgammeln und träge sein. Sie zog die Arme noch mal unter die Decke, blieb noch einen Augenblick lang mit geschlossenen Augen so liegen und ließ den Körper in seligen Halbschlummer sinken. „Irgendwer beugt sich über mich“, dachte Malena und wusste nicht, ob sie träumte oder wachte. Teller klapperten in der Ferne und wurden dann auf ihre Bettdecke gestellt. Jemand schob ihr einen Bissen nach dem anderen in den Mund. Sie drohte zu ersticken. Wollte jemand sie umbringen? Sofort sprangen ihre Gedanken zu den Erlebnissen in der Bar zurück: Sie befand sich in dem dunklen Toilettengang und wurde von der Unruhe erfasst, die sie seitdem nicht mehr so recht los ließ. Fetzenhaft mischten sich Bilder vom Trubel in der Bar mit bedrohlichen Szenarien von Verfolgungsjagden und Gegenüberstellungen bei der Polizei. Sie geriet immer tiefer in ein Verbrechen hinein und schreckte hoch. „Aufstehen, Frühstück!“ Es war ihre Freundin Sophie, die in der Küche mit dem Geschirr geklappert hatte; ein Geräusch, das Malena eigentlich liebte, wenn sie im Bett lag. „Nikolai K ist ein Schwein! D a s Vollschwein!“, entfuhr es Malena, als sie sich aus dem Bett schwang. Mit diesen Gedanken schlurfte sie in die Küche, umarmte ihre Freundin Sophie und sagte: „Wir müssen reden.“
Es sollte der größte Streit zwischen den beiden Freundinnen werden, den sie in ihrem bisherigen Leben miteinander hatten. Sopie legte sich ins Zeug für Nikolai K, und Malena kam überhaupt nicht dazu, ihr von den Erlebnissen in der Bar und von ihrer Unruhe zu erzählen. Der Name „Nikolai K“ kam kaum aus Malenas Mund, da blockte Sophie schon ab. „Malena hat mal wieder Monster gesehen! Typisch.“, lachte sie los. Sie hörte überhaupt nicht richtig zu. „Du lässt dich von diesem windigen Kerl einfangen, Sophie. Merkst du das nicht? Hör mir wenigstens zu!“ Aber Sophie hörte nicht zu, denn sie hatte eine ganz eigene Meinung zu dem skeptischen Tonfall in Malenas Stimme. Sie wollte Malena weismachen, sie wäre zu feige, ihre Gefühle für den Freund von Nikolai K zuzugeben. „Der hat es dir doch angetan, das sagen alle, Malena!“ „Du bist verliebt, Sophie! DU! Und du willst nichts davon wissen!“ Und schon war der Streit in vollem Gange.
Die beiden hatten sich zu Beginn der Ausbildung geschworen, dass sie sich der Herausforderung dieser begehrten Berufsvorbereitung stellen wollten und dass die Arbeit Vorrang vor allem hatte, egal was kommen würde. Jetzt, nach einem halben Jahr Ausschließlichkeit mussten sie sich allerdings eingestehen, wie sehr ihnen manchmal nach privaten Kontakten und anderen Menschen außerhalb des Entertainment-Instituts war. Die Bar war deshalb eine Art Heimat für sie geworden, in der sie diese Wünsche zeitweise ausleben konnte. „Mein Gott, wo können wir denn überhaupt mal in Kontakt mit Kerlen kommen“, dachte Malena noch. In der Schule? Wo waren die denn da? Fehlanzeige! Die meisten waren gute Kumpels während der Arbeit, manchmal sogar fast intime Beichtväter – aber meistens schwul; leider, leider, leider!
Umso prinzipieller wurde der Streit über Nikolai K und seinen Freund an diesem Sonntag. Sophie verteidigte Nikolai K’s Integrität mit einer Vehemenz, wie Malena sie bis dahin nicht an ihr gesehen hatte. Als sie Sophie dann auch noch vorwarf, dass sie sich neuerdings von ihrer Freundin abgrenzen wollte, um ungestört ihr Ding machen zu können – da war es aus. „Was weißt du denn schon über Nikolai K, Malena? Nichts. Du willst mich kontrollieren! Du gönnst mir den Kontakt mit diesem Mann nicht!“ „Sophie, du hörst mir nicht zu! Ich wollte dir nur von einer miesen Situation in der Toilette erzählen...“ Malena konnte den Satz gar nicht zu Ende bringen, da schrie Sophie sie schon an: „Du spinnst, Malena. Komplett! Nikolai K steht nicht zur Verfügung für irgendwelche finsteren Verschwörungen. Das kann er sich gar nicht leisten! Er ist nicht nur einer der jüngsten Mediziner mit einem der besten Abschlüsse in Moskau. Nein, er war auch einer der engagiertesten jungen Wissenschaftler schon während des Studiums. Mit höchstem Verantwortungsgefühl für alles, was ihm in der Welt begegnet. Und er hat noch Biologie dazu studiert. Er ein zwielichtiger Typ? Das ist lächerlich!“ „Na prima, Sophie! Der Supermann überhaupt, oder? Du gibst dich komplett auf! Merkst du das überhaupt?“ „Dass wir jemals so weit von einander entfernt sein würden, hätte ich niemals gedacht, Malena. Weißt du, wer ich bin? Weißt du das noch? Weißt du, mit wem ich mich da eingelassen habe? Ich glaube, du hast nicht den blassesten Schimmer. So wie du daher redest. Ich werde jetzt einen letzten Versuch unternehmen, dir das mit Nikolai K zu erklären. Schnallst du es nicht, sind wir geschiedene Leute!“ „Sophie, höre mir zu! Ich will dir etwas erzählen, was ich...“
„Nikolai K hat es sofort nach seinem Examen geschafft, ein Forschungsstipendium im Bereich alternative Ernährungswissenschaft und Behandlungsmethoden zu erhalten. Er führt Kooperationen mit den ersten Pharmaindustrien durch, was ja wohl zur Genüge zeigt, wie viel versprechend und seriös er ist. Er ist demnach viel zu beschäftigt, um kleine Mädchen zu verarschen. Oder verstehst du das auch nicht? Du bist eifersüchtig, Malena!“
„Du machst Dich kleiner, als Du bist“, schrie Malena sie jetzt an, denn sie war plötzlich noch alarmierter als vorher. Passten diese Informationen nicht genau zu den Ereignissen im Toilettengang und was sie glaubte gehört zu haben? Aber Sophie war nicht mehr zu halten und kodderte mächtig zurück: „Und weißt du noch etwas? Nikolai K kann es sich überhaupt nicht leisten, mal hier oder da rumzubalzen. Und weißt Du auch, warum: weil er viel zu sehr auf seine Fitness achten muss, so wie der unterwegs ist. Kapierst du das jetzt oder nicht?“ „Hör auf, so mit mir zu reden, Sophie. Das funktioniert nicht mit mir. Verdammt noch mal, ich habe Schiss um dich! In was du da reinrutschst...“ „Vor gar nicht langer Zeit ist ihm gerade eine Beziehung zu Bruch gegangen! Und das war nicht irgendeine Beziehung! Weißt Du das? Nee, weißt Du nicht! Als Folge seines hektischen Lebens nämlich, und er hat sich geschworen, nie mehr in seinem Leben fahrlässig in eine Beziehung einzusteigen.“
Sophie war blind, befand Malena. Sie steckte schon tief in Spekulationen für eine Liebesgeschichte mit Nikolai K drin. Und Malena fühlte, sie hätte die Aufgabe, Sophie darauf aufmerksam zu machen. Aber es war nichts zu machen: die beiden stritten umso heftiger und entfernten sich immer mehr voneinander. Als es dann richtig persönlich wurde und sie sich gegenseitig bezichtigten, sie würden eine der anderen keine individuellen Erfolge gönnen, war es zu viel. Jetzt knallten die Türen, Gegenstände sausten haarscharf an den Köpfen vorbei, und sogar das heulende Gezeter, dass man sich ebenso gut sofort und für immer trennen könnte, stand mehrfach im Raum. Kurz: Es wurde einer der miserabelsten Sonntage in unserem Leben. Sophie blieb halsstarrig bei ihren Erklärungen, und Malena behielt trotz aller aufwühlenden Attacken in ihrem Innern das sichere Gefühl, dass Unheil und Gefahr drohten. Die Vorboten finsterer Zeiten hatten sich in ihrer Seele festgesetzt. Und Sophie mochte noch so sehr argumentieren, schimpfen, wüten: das Gefühl blieb bei Malena. Aber sie konnte sich an diesem Sonntag kein Gehör mehr verschaffen. Beide Freundinnen verschanzten sich jede in ihrem Zimmer und sprachen für den Rest des Tages kein Wort mehr miteinander. Beide spürten jede in ihrer behaupteten Einsamkeit die eigentümliche Spannung, die sich über die kleine Wohnung gelegt hatte und durch die Gänge schlich und durch die Ritzen sickerte. Nur der unmittelbare Effekt ihres Streites machte es den beiden unmöglich, den Zeichen wirkliche Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Zu groß war die Unruhe in ihnen, als dass sie in diese Tiefen der Vorahnung vorstoßen konnten. Sie blieben stumm und waren doch aufgewühlt.
Dritte Geschichte: Felix Wendelle
„Warum muss ich in der letzten Zeit verdammt noch mal so viel an Felix denken“, fragte sich Malena, als ihr Kopf und ihre Seele wieder einmal von ihrer ins Wanken geratenen Beziehung zu ihrer besten Freundin Sophie bedrängt wurden. „Seitdem dieser Nikolai K in Sophies Leben getreten ist, verschieben sich unsere Horizonte und gemeinsamen Perspektiven!“ Natürlich hatte Malena sich in diesem Zusammenhang auch gefragt, ob sie nicht die pure Eifersucht trieb, weil Sophie es geschafft hatte, außerhalb des Elfenbeinturmes „GES-Company“ einen privaten Kontakt zu knüpfen, nach dem sich berechtigterweise jeder irgendwann sehnte, wenn er diese Lernfabrik nach zehn Stunden am Abend verließ. Aber was hatte das mit Felix zu tun? Trauerte sie etwa den verliebten Streitereien mit ihm nach, die sie während der Schulzeit lustvoll ausgetragen hatten? Ja, sie vermisste ihn schon noch manchmal. Aber kurz vor dem Abitur war nichts anderes in Frage gekommen als die Trennung. Ihre Wege entwickelten sich einfach zu unterschiedlich. Malena war zwar heftig in den Supersportler verliebt, aber Felix’ Art, fast manisch das Ziel Sportstudium anzuvisieren, war ihr doch zu einseitig. Sie, die sich mehrere Optionen für nach dem Abitur offen gehalten hatte, empfand seine kompromisslose Entscheidung eindimensional. Sie hatte ihn auch versucht darauf aufmerksam zu machen. Er wiederum begegnete ihren zunehmenden Attacken mit immer zahlreicheren Abwesenheiten oder schob dringende Trainingstermine vor, wenn sie sich treffen wollten. Aber jetzt, mehr als ein Jahr später, dachte sie gerne an die Auseinandersetzungen zurück. Er brachte sie fast nach jedem größten Streit so herrlich zum Lachen. Dann fand sie ihn faszinierend und packte ihn sich und küsste ihn so lange, bis beide nicht mehr wussten, worüber und warum sie gestritten hatten. Er war am Ende solcher Diskussionen immer noch locker genug drauf, absurde Beispiele zu erfinden, um die Situation zu entkrampfen. Wenn sie z.B. seinen Ernährungsfanatismus angriff und ihn in die Dopingecke stellen wollte. Das war ein rotes Tuch für ihn. Aber dann konnte er sie plötzlich angrinsen und brachte so ein Beispiel: „Wenn Du Deine eigene Pisse trinken sollst, findest Du das erst mal total eklig. Aber findest Du raus, dass es Dir zu höheren Leistungen verhilft, denkst Du vielleicht schon anders. Ist das jetzt Doping, oder was?“ „Das ist ja wohl das ekligste und lächerlichste Beispiel überhaupt!“, regte sich Malena auf und musste aber schon eher lachen, weil Felix sie dabei so hinterlistig anschaute, so dass sie nicht wusste, ob er Spaß machte oder einer seiner verwegenen Theorien nachging. Er konnte dann mit größter Überzeugungskraft immer weiter machen. „Na ja, ich meine ja nur! Ernsthaft, Malena: Das gibt’s wirklich mit der Pisse.“ Und dann rief er endlose Beispielketten auf, um die Frage, wann Doping einsetzt und wann nicht, von allen Seiten zu beleuchten. Die trickreiche Art seiner Ausführungen und seine urkomischen Versuche praktische Beispiele zu konstruieren brachten Malena einerseits zum lachen und andererseits gab sie ordentlich Kontra. Ihre Verliebtheit rettete sie meistens; sie konnten sich einfach nicht ernsthaft streiten. Außerdem kamen sie durch solche Themen auch auf die elementaren Fragen, wie man sich in extremen Herausforderungs- oder Stresssituationen verhält, vor allem, wenn der Körper nicht mithält. Das war das Spezialgebiet von Felix, wie man dem vorbeugen könnte und wie man den Zusammenhang zwischen Körper und Seele herstellt und welche Mittel auf diesem Weg helfen und welche den Menschen kaputt machen. In diese Richtung wollte Felix unbedingt studieren. Da marschierte er immer mehr seine eigene Straße, und das brachte die beiden auseinander, ohne dass es zum großen Crash zwischen ihnen kommen musste. Sie verloren sich im letzten Jahr vor dem Abitur aus den Augen. Als sie schon in Hamburg war, hörte sie dann, dass es mit Felix’ Studium nicht geklappt hatte. Malena hatte es von ihrer Mutter erfahren, und das hatte sie aufhorchen lassen, weil Felix immer so konsequent und fast fanatisch an seinen Ideen fest hielt. Folglich musste die Enttäuschung groß gewesen sein. Aber sie war genauso überzeugt, dass jemand wie Felix wieder auf die Füße fallen würde. Aber warum ihr gerade jetzt diese Zeit im Kopf herum spukte, erschien ihr völlig absurd. Sie wollte sich jetzt überhaupt nicht mit Felix beschäftigen und sich schon gar nicht eingestehen, dass sie ihn vermisste. Das konnte es doch einfach nicht sein. Dann überkam sie plötzlich eine ähnliche Unruhe, wie nach dem nächtlichen Erlebnis in der Bar im Toilettentrakt. Es war irgendetwas in dem Brief, den sie in diesen Tagen von ihrer Mutter erhalten hatte. Schon kramte sie ihn wieder hervor, und dann wusste sie es plötzlich wieder: Neben Grüßen von Zuhause lag ein kleiner Zeitungsausschnitt aus einer Freiburger Zeitung im Umschlag: „Freiburger Biologen und Biochemiker der Universität zu Studienzwecken nach Swerdlowsk eingeladen.“ Darunter war ein kleines Photo mit einer wild gestikulierenden Gruppe von Studenten, unter denen sie Felix ausfindig machen konnte. Die Bildunterschrift lautete: „Swerdlowsk, die Millionenstadt am östlichen Rand des Uralgebirges steht schon seit längerem in regem Austausch mit dem Institut für Biologie und Biochemie der Universität Freiburg. Eine besonders engagierte Gruppe von jungen Studenten kann endlich einer schon länger vorliegenden Einladung der Universität Swerdlowsk, das früher einmal Jekaterinenburg hieß und etwa tausend Kilometer östlich von Moskau liegt, nachkommen. Die Finanzierung des Aufenthaltes übernimmt die Universität Freiburg in Kooperation mit der Forschungsabteilung eines Pharmaunternehmens. Die Studenten beider Städte werden sich gegenseitig bei der Arbeit über die Schultern gucken, wenn es um Fragen der Ernährung in entlegenen Regionen der Welt geht: welche Stoffe nehmen die Menschen aus welchen Gründen zu sich und in welcher Verbindung steht das mit den psychologischen Implikationen der Menschen. Der Besuch der deutschen Studenten soll mit einem Besuch der russischen Studenten erwidert werden.“ In diesem Moment fühlte sie sich an Nikolai K erinnert, und die Worte, die sie im Toilettengang glaubte gehört zu haben, kamen fetzenhaft zurück. Felix war bestimmt einer der Wortführer der Gruppe. Swerdlowsk: wo lag das eigentlich? „Lange kalte Winter mit klirrender Kälte und meterhoch Schnee“, konnte Malena nur denken. „Gibt es da überhaupt einen Sommer? Wahrscheinlich kurz und heftig. Eine Betonwüste gleich vor Sibirien! Riesige leere, staubige Straßen, die wie auf einem Schachbrett angeordnet waren. Eine Stadt, die dich im Winter in den Selbstmord treibt!“
Während sie noch über Felix' neuen Weg nachsinnierte und nicht alle Stücke des Puzzles zusammen bekam, klingelte ihr Mobiltelephon: Felix war dran und überschüttete sie mit einem Schwall von Schilderungen; wie er es nach einer langen Durststrecke und der großen Enttäuschung, den Zugang zum Sportstudium nicht geschafft zu haben, endlich seine Bestimmung gefunden hatte. Kein Wort nach dieser langen Zeit, wie es ihr ginge oder was sie genau machen würde. Er war wie immer besessen von dem, was er machte und wollte Malena umso mehr klar machen, wie wohl er sich jetzt fühlte. Felix war ganz der alte und doch spürte Malena etwas Dunkles in seinem Überschwang. Etwas, das sie irritierte. Und sie wusste nicht so recht, ob in ihrem Kopf überhaupt Platz war, sich darauf einzulassen. Aber irgendetwas brachte sie dazu, weiter zu machen und ihm zuzuhören, denn einige seiner Worte drangen tiefer in sie ein und verbanden sich mit ihrem Unruhegefühl im Zusammenhang mit Sophie. Aber sie konnte dem gar nicht weiter folgen, denn sein Mitteilungsbedürfnis blieb ungebremst. „Bei dir kann man ja anrufen, wann man will, du bist ja nie zu erreichen! Und da ich ja gar nichts zu tun habe, hocke ich eben immer am Telephon, um dich zu erwischen!“ Er war witzig und chaotisch wie immer, und das fand Malena angenehm, denn es war wie eine Stimme aus einer anderen Welt. Eine Welt, die ihr mal sehr vertraut war und die vor allem ihrem Herzen damals gut getan hatte. Malena kam fast nicht zu Wort, so viel hatte er zu erzählen. Immerhin schaffte sie es, zu seiner aktuellen Situation einen halben Satz anzubringen: „Swerdlowsk? Lange kalte Winter auf schnurgeraden öden Straßen, die dich in den Selbstmord treiben, oder?“ Und dann schienen bei ihm alle Dämme zu brechen: „Mental Health, Malena! Mental health, sage ich nur! Das ist das Zauberwort der Zukunft! Das habe ich in Swerdlowsk kapiert und eingesogen wie die Muttermilch.“ In diesem Augenblick durchzuckte es Malena: Mental Helath. Das war das entscheidende Stichwort, um den Zusammenhang zu Sophie zu kapieren. Plötzlich war Malena alarmiert und hörte gebannt zu, während Felix weiter quasselte: „Swerdlowsk ist genauso, wie du eben gesagt hast, nur noch viel schlimmer: Riesige leere, staubige Straßen, die wie auf dem Schachbrett angeordnet sind. Eine Stadt, die dich im Winter in den Selbstmord treibt, es sei denn, du hättest das seltene Glück, eine befriedigende Arbeit zu haben. Genauso! Und trotzdem geht da die Post ab; große Kunstszene, Literatur, junge Autoren, die in der Uni aktiv sind – das würde dich total interessieren! Und dann: Viele hungrige junge Wissenschaftler, Pionierarbeit auf dem Sektor Wirtschaftsentwicklung und Landschaftsgestaltung. Und vor allem, Malena: Vor allem offene Ohren und neugierige Augen; alle suchen den Kontakt untereinander, verstehen sich, weil sie glauben an einer ganz eigenen Zukunft zu bauen.“ Genauso spricht Sophie von Nikolai K, und er selber versprüht diesen ungestümen Überschwang, wenn er von seiner Arbeit spricht und davon, dass die Zukunft Großes bereit halten würde. „Weißt du, Malena, das habe ich so bei uns in Deutschland nie gesehen. Ich habe selten so viele Menschen in so kurzer Zeit kennen gelernt. Hier! Um nur ein Beispiel zu nennen: der Fußballverein von Swerdlowsk. Umwerfend! Die kümmern sich um alles. Um Ernährung, sind an dem Zusammenhang von physischer Leistung und mentaler Kapazität interessiert, sorgen für die richtige Ergänzungsnahrung, für medizinische Unterstützung, Versorgung und Betreuung; die wollen nach vorne und haben sich direkt an uns gewandt, um näher mit uns zusammen zu arbeiten. Da liege ich doch auf der richtigen Schiene mit meinem Ansatz, über die innere Balance an Leistung heranzukommen. Also „Mental Health“! Ich kann die Kontakte gut nutzen, die ich in Deutschland schon hatte. Ich habe sie wieder aufgenommen und neu geknüpft, weißt du ja noch, von früher, als wir noch im Stadion zusammen trainiert haben.“ Er redete und redete, ohne Punkt und Komma! Aber neben den Gedanken, die sich in Malenas Kopf hinsichtlich Sophie und Nikolai K tummelten, berührte sie Felix' Redefluss auch angenehm – mit ihm zu sprechen, als hätten sie sich gerade gestern zum letzten Mal gesehen und seine Stimme zu hören. Sie konnte ihn sich genau vorstellen, wie er irgendwo saß mit seinem schlanken harten Körper, mit seinen strähnigen dunklen Haaren, die um sein Kopf flogen, wenn er gestikulierte und seinen Worten durch Gesten Effet verlieh. Oder sah er inzwischen anders aus? Hatte er sich verändert? Sie ertappte sich dabei, dass sie ihn am liebsten über alles ausgefragt hätte, denn er war ihr in all der Unruhe und dem Stress, den sie mit Sophie hatte, wohltuend nahe.
Malena wusste nicht, wie es passierte, sie hatte ja kaum eine Chance, überhaupt etwas zu sagen, aber plötzlich kam aus ihrem Mund ein Satz heraus, den sie nicht geplant hatte und von dem sie nicht wusste, wieso sie ihn jetzt sagte:„Kennst du einen Nikolai Iwanow“, entfuhr es ihr. Sie war selber erstaunt, diesen Satz aus ihrem Mund zu hören, aber noch erstaunter war sie über die unmittelbar danach einsetzende Stille am anderen Ende der Leitung. Das war keine Stille wie ein momentanes Innehalten. Das war vielmehr eine Stille, die einen Raum bildete, in eine unendliche Weite zu führen schien, ja, ein Dom der Stille baute sich auf, in der die Welt sich neu zu definieren begann. Malena spürte instinktiv, aber noch unartikulierbar, dass sie eine schwerwiegende Frage gestellt hatte. Die Stille am anderen Ende der Leitung bedeutete ihr, dass sie sich einem wichtigen Punkt aller ihrer Regungen und Ahnungen näherte. So erahnte sie auch, dass ihre Frage nur für Felix bestimmt sein konnte. Sie war ihr nicht einfach so eingefallen, war nicht der Versuch, nur seinen Redefluss zu stoppen. Aber warum das alles? Felix konnte doch von Nikolai K gar nichts wissen.
Die Stille am anderen Ende der Leitung blieb so still, ja sie dehnte sich noch weiter aus. „Felix? Felix, bist du noch da?... Du sagst ja gar nichts.“ „Nikolai – wer?“, kam es etwas unwirsch wie aus weiter Ferne, und es klang in Malenas Ohren, als ob er ihr vorwerfen wollte, dass sie ihm in der letzten halben Stunde wohl überhaupt nicht zugehört hätte. „Nikolai Iwanow!“, kam es jetzt zögernd von ihr, und dabei durchfuhr es sie gleichzeitig: „Jetzt komme ich ihm mitten im Gespräch mit irgendeinem dämlichen Russen.“ Malena schaltete vorsichtshalber auf stumm, so unsicher war sie plötzlich wieder. Am anderen Ende der Leitung herrschte aber immer noch Stille. „Okay, ist ja gut, mein Weg ist eben ein anderer geworden als seiner. Aber er hat mich in den letzten Minuten überhaupt nicht zu Wort kommen lassen“, überlegte sie, als ein Satz zu ihr drang, der sie hellwach machte: „Malena, meinst du etwa den Nikolai, den man auch Nikolai K nennt?“ „Wawawas“, stotterte Malena und brachte nur ein gehauchtes: „Woher weißt du, dass wir Nikolai K zu ihm sagen?“ heraus, denn ihre Kehle war trocken geworden, und ihre gesamte Konzentration war wieder auf den ausschließlichen Punkt ihrer Unruhe gesprungen. Jetzt wurde ihr endlich klar, dass sie unbedingt und nur mit Felix sprechen wollte. Genau über diesen einen Punkt ihrer elementaren Unruhe und Irritation und welche Ahnungen sich für sie dahinter verbargen. Aber sie kam nicht dazu, das in Worte zu formulieren, denn Felix geriet über ihren letzten Satz in Aufregung: „Wer ist wir? Ich werd' nicht mehr! Na klar kenne ich den Nikolai K Iwanow. Wer kennt nicht Nikolai Iwanow? Was erzählst du mir da eigentlich? Nikolai K ist sein Spitzname; so nennen ihn alle; ich glaube, das K steht für ‚Konstruktivist’, na ja, weißt du doch, diese ausgetüftelte Richtung aus der abstrakten russischen Malerei um neunzehnhundertzwanzig. – Weil er lange an was baut, das zunächst abstrakt erscheint, später aber zu einem großen Gesamtkunstwerk wird, das Sinn und Verstand hat. – Habe ich gehört! Wer kennt in Russland nicht Nikolai K, den großen Ratgeber und Berater sogar der Regierung und vieler Gruppen, die als Gruppen in besonderen Stresssituationen stehen, wie z.B. Sportmannschaften oder auch Regierungsmannschaften, also die auf tausend Hochzeiten tanzen müssen und immer hundert Prozent geben. Erinnerst du dich noch, wie oft wir früher über ähnliche Situationen gesprochen haben? Deshalb bin ich auch so an Nikolai K interessiert. Wir sollten eigentlich während unseres Aufenthaltes in Russland mit ihm zusammen treffen. Aber er konnte nicht, weil er u.a. auch in Deutschland war. Also hat er seinen Assistenten geschickt, der über ein paar Grundzüge von Nikolai Ks Projekt referiert hat. Das war schon spannend genug, sage ich dir! Aber jetzt sage du mir mal, wieso kommst du auf den, Malena? Du hast doch nun gerade den Weg in die künstlerische Einsamkeit gewählt. Die Welt hier draußen ist ja wohl nicht deine Nummer eins, oder?“ „Felix Lucky Punch! Ich bin nicht weg aus der Welt! Also bitte, ja!“ Malena fühlte sich durch Felix' typische Großspurigkeit provoziert und überlegte kurz, dass sie ihm ein paar passende Worte entgegen setzen wollte. Aber sie bekam kein rechtes Wort heraus. Zu sehr rasten ganz andere Gedanken in ihr herum. Die Bilder aus dem Toilettentrakt in der Bar schoben sich darüber und wuchsen zu bedrohlichen Visionen heran. Passte da auf einmal nicht mehr zusammen, als sie es jemals vorher geahnt hätte? Aber Felix ließ ihr gar keine Zeit, diese Flut von Bildern und Gedanken auch nur ansatzweise zu ordnen. Er war zu sehr in Fahrt und legte sofort nach, forderte und drückte: „Was ist jetzt, Malena, kennst du ihn jetzt oder nicht? Oder hältst du mich hier zum Narren?“ „He, he, Felix, immer schön langsam mit den abfälligen Bemerkungen, ja!“ Sie merkte, dass sie sich sammeln musste und sich schon gar nicht von Felix unter Druck setzen lassen wollte: „Also wenn du es genau wissen willst, wie sehen uns ab und an und verbringen einen Abend zusammen. Sophie, meine Freundin, ist näher mit ihm zusammen.“ „Malena, jetzt spinn nicht rum. Was soll das? Du hast über ihn irgendwo in der Zeitung gelesen, oder?“ „Nein, es ist so, wie ich es dir sage. Nicht mehr und nicht weniger.“ „Mensch, Malena, weißt du eigentlich, mit wem du da Bekanntschaft geschlossen hast? Dieser Mann dreht am ganz großen Rad, der bewegt richtig was und steht kurz vor der Realisierung eines bedeutenden neuen Projektes. Oh Gott, jetzt fällt es mir überhaupt ein: da sollen auch deutsche Unternehmen dran beteiligt sein. Also Genaueres weiß ich natürlich nicht. Aber ich erfahre in der Tat so Einiges und bin stolz darauf, demnächst mit Nikolai K....“ „Ist ja gut, Felix! Ich hänge da auch mit drin“, kam es etwas großspurig über Malenas Lippen, „na ja, vielleicht, mal sehen. Also Sophie und ich haben in der letzten Zeit öfter über Nikolai K gesprochen; ich bin nicht immer so einverstanden, mit allem, was er so von sich...“ „Malena, willst du mich für dumm verkaufen? Du willst mir eins auswischen, weil ich wieder so losgeplappert habe wie früher, oder? Jetzt komm, sei nicht so. Ich höre auch sofort auf und frage dich erst mal, wie es dir überhaupt geht. Stimmt überhaupt: Wie geht es dir eigentlich? Nur, weißt du: dieser Nikolai K hat wirklich ganz großes Kino vor. Der entwickelt mit anderen zusammen Projekte, die sich mit all den Fragen beschäftigen, an denen ich schon immer dran war. Weißt du noch, wie wir früher gestritten haben und du mich immer gleich in die Dopingecke stellen wolltest?“ „Felix, hallo! Felix! Wolltest du mich nicht fragen, wie es mir geht? Echt, du hast dich nicht ein bisschen geändert!“ „Ich frag dich ja gleich Ich wollte nur noch schnell sagen: Weißt du, ich fühle mich ihm so nahe, und ich wünschte, ich könnte bei seiner Arbeit irgendwie dabei sein. Das strebe ich auf jeden Fall an. Ich habe schließlich ganz viel von dem einzubringen, was mich seit langem umgetrieben hat. Wie du dir denken kannst, habe ich intensiv daran weiter gearbeitet. Malena, ich will dabei sein, wenn Nikolai K die Wissenschaft und auch die medizinischen Welten mit seinem Projekt revolutioniert. Das ist ein hochwertiges und lukratives Betätigungsfeld. Das ist meine Zukunft! Wenn es jetzt also wirklich so sein sollte, dass du diesen Nikolai K auch noch kennst...“ Malena konnte nicht weiter zuhören, denn in diesem Moment wurde ihr übel, und sie fühlte, wie eine heiße Welle der Angst durch ihren Körper ging. Diese letzten Worte hämmerten in ihrem Kopf. Hatten nicht die beiden Männer in jener Nacht im Toilettengang in der Bar diese oder ähnliche Worte benutzt, als sie so hitzig über ihr Geschäft und entsprechende Laborversuche debattiert hatten? Hatte sie sich also doch nicht verhört? Oder spielten Malenas überhitzte Gedanken ihr einen weiteren Streich? Immerhin war ja durch Felix' Fragen und Ausführungen die Verbindung zu Nikolai K hergestellt worden. Aber die beiden waren doch persönlich noch gar nicht zusammen getroffen. Oder etwa doch? Hinter ihren Augen pochte es wie vor einem Hundertmeterlauf. “Verdammt Felix, du fährst genauso auf diesen Nikolai K ab wie Sophie und weißt gar nicht, was wirklich mit ihm los ist“, wollte sie sagen, aber ihre aufgewühlten Gefühle hatten sie zu sehr im Griff und würgten den Satz ab. Stattdessen sah sie förmlich die Gefahr, die auf Sophie zukam. Malena versuchte sich jetzt zur Ruhe zu zwingen. „Das muss ich auf die Reihe kriegen! Was ist hier eigentlich los?“, flüsterte sie vor sich hin. „Malena, hörst du mir überhaupt zu? Was ist los mit dir?“ „Felix, es ist alles in Ordnung!“ Sie zwang sich mit aller Kraft, ruhig zu sprechen. Sie spürte, dass sie auf diesem Weg weiter machen konnte. Sie hatte einen Faden in der Hand, wie sie vielleicht Klarheit in dieses Knäuel von Ahnungen und Ängsten bringen konnte. „Also, Felix! Ich kenne Nikolai K. Ja, ich kenne ihn genauso, wie ich es gesagt habe“. Seltsamerweise klang ihre Stimme etwas rau, wie ausgetrocknet. Sie atmete einmal tief durch und wollte gerade weiter sprechen, als ihr Felix wieder dazwischen kam: „Ja, aber das ist ja richtig gut, Malena. Ich muss dich besuchen kommen, und du musst ihn mir vorstellen. Ich muss ihn dazu kriegen, zu mir nach Freiburg ins Institut zu kommen.“ „Felix, stopp! Jetzt warte doch mal! Jetzt spreche ich, ja!“ „Jetzt sag bloß, du willst ihn mir nicht vorstellen! Das kannst du nicht machen“, wollte er gerade wieder loslegen, aber Malena fuhr ihn harsch an: „Felix, jetzt halt dein Maul und beantworte mir eine Frage: Was weißt du über Nikolai Iwanow? Und woher weißt du das?“ Felix lacht laut auf. „Malena, was ist los? Bist du stinkig auf mich?“ „Was und woher?“, schrie sie ihn an. „Langsam, Malena“, Felix reagierte jetzt unsicher, „erst mal über die Uni, aus Dokumentationen und Artikeln in Wissenschaftsmagazinen! Er ist ein anerkannter und dazu sehr sympathischer und engagierter Mann, der Leiter eines riesigen Instituts in Moskau, mit vielen internationalen Kontakten; der sich trotzdem die Mühe macht, auf interessierte Anfragen selber zu reagieren. Deshalb wollen wir ja auch zusammen treffen und ich sowieso, wie du dir denken kannst.“ „Felix, du bist dir sicher, dass er ein anständiger Kerl ist?“ „Malena, bist du etwa auch verknallt in ihn? Kannst du mir ruhig sagen. Er sieht eben auch noch gut aus. Ist doch klar, dass die Frauen auf ihn fliegen.“ „Felix, was soll das jetzt heißen“, schrie sie durchs Telephon, „bist du noch gekocht, oder was? Ich habe dir eine klare Frage gestellt, und die will ich beantwortet wissen!“ „Malena, entschuldige, ich habe das nicht so gemeint. Ich will nur wissen: Kennst du Nikolai K so gut, dass du mich mit ihm zusammen bringen kannst oder nicht?“ „Darum geht es nicht, du Idiot. Komm auf den Punkt!“, schrie sie noch wütender ins Telephon und spürte im gleichen Atemzug, dass ihre Reaktion unangemessen war. Warum schrie sie Felix so an? Sie fand keine Antwort, sie wusste nur, dass sie sich von Felix etwas erhofft hatte, das Ruhe in ihren brennenden Kopf brächte. Von wem denn sonst, als von ihm? Felix kannte sie gut genug, als dass er jetzt mit seiner flapsigen Art hätte weiter machen können. Er ließ ihr einen Moment Zeit, nahm sich zurück und setzte ganz vorsichtig an: „Malena, was ist los mit dir? Ich war einfach nur euphorisch, endlich einen direkten Draht zu Nikolai K über dich zu bekommen. Es würde mich riesig freuen, wenn ich ihn bei einem Besuch bei dir treffen und diesem wundervollen Menschen die Hand schütteln könnte. Ich bin interessiert an seinen Untersuchungen, Erkenntnissen und Plänen. Stell dir mal vor, ich könnte bei ihm mitarbeiten! Und du könntest mir dabei helfen, den Kontakt schneller herzustellen, als ich es selber vermag.“ Malena konnte nicht antworten. Ihr steckte ein Kloß im Hals und sie stand kurz davor, in Tränen auszubrechen. Sie wünschte nur noch, dass sich die Unruhe endlich in ihr legte. Sie wusste aber auch, dass das nicht möglich war und dass Felix sie ihr nicht nehmen konnte. Langsam wurde ihr klar, dass ihre Unruhe etwas viel Größeres war, als dass sie sie mit ihrer Wut gegen Felix packen könnte. Die Unruhe bestand vielmehr darin, dass sich etwas Böses wie eine riesige Welle auf sie zubewegte. Sich dem zu entziehen, brauchte andere Kräfte, genaues Denken und viel Verstand, wenn sie nicht darin untergehen wollte. Und ihre Freundin Sophie mit! Im Moment war Malena zu verwirrt und konnte eben nicht klar denken. Es war auch die Angst, dass Sophie sich in einem riesigen Netz unrettbar verstricken würde, weil sie sich dem falschen Menschen bedenkenlos auslieferte. Und plötzlich geisterte auch der Begriff „Doping“ mit durch ihren Kopf. Felix' Worte und Schilderungen über über Nikolai K hatten diesen Begriff mit an die Oberfläche gespült. Und mit welcher Vehemenz und welchem kamikazehaften Überschwang Felix seine eigenen Überzeugungen schon früher und auch jetzt wieder vorgetragen hatte. Dem allem musste sie auf andere Weise zu Leibe rücken, und Felix konnte vielleicht eine große Hilfe dabei sein.
So schaffte es Malena, sich etwas zu beruhigen und die Dinge klarer zu sehen. Sie hatte plötzlich eine kühne Idee, in der sie eine geradezu ideale Perspektive aufleuchten sah für all ihre Fragen. Ja, genauso sollte es sein: „Ich muss Felix und Nikolai K zusammen bringen; das muss und werde ich schaffen! Sollte es doch ruhig zu einer Zusammenarbeit kommen! Damit hätte ich ohne viel dafür tun zu müssen in der Person von Felix eine Art Kontrollinstanz und Überprüfungsmöglichkeit für alle meine Gedanken und Unwägbarkeiten oder Befürchtungen“, dachte sie und setzte das unmittelbar in klare Worte um: „Felix, tut mir leid. Ich bin ein bisschen durcheinander und habe zu viel zu tun. Natürlich wird sich das machen lassen, dich und Nikolai K zusammen zu bringen. Ich werde alles daran setzen, es so schnell wie möglich dazu kommen zu lassen.“ „Malena, wirklich? Schön! Das muss ja auch nicht sofort morgen sein. Ich will dir auch nicht irgendwie in die Quere kommen. Ich wäre einfach nur glücklich, wenn das klappen würde. Es würde sehr zu meiner Arbeit passen.“
Beide wussten noch nicht, dass sie mit dieser Verabredung den ersten Schritt getan hatten, sich ins Zentrum des Meers des Lebens zu begeben. Die alles verschlingende Woge hatte sie bereits erfasst und zog sie hinaus.
Tag der Veröffentlichung: 30.03.2011
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