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Saphira, ein wunderschöner Engel, schlenderte gemächlich einen schmalen Weg entlang durch den Wald und langweilte sich, ob der Menschenleere.

Etwas weiter oben in der prächtigen Krone eines Baumes saß Gonamesh, ein einfacher aber glücklicher junger Feuer-Barde und döste vor sich hin. Plötzlich drangen des Engels Schritte an seine Ohren, was ihn die Augen öffnen und einen Blick hinunter werfen ließ. Sich über einen Engel im Wald wundernd entschloss er, Saphira fürs Erste zu beobachten, wie sie langsam näher kam.

Kaum zweihundert Meter weiter schlich Inuka, Söldnerin von Beruf, durch die Büsche. Kurz verschnaufend wanderte der Blick ihrer goldfarbenen Augen hinauf, wo sie Gonamesh entdeckte. „Komischer Kerl…“, wunderte sie sich und ließ ihn nicht aus den Augen. Er schien etwas zu beobachten… Kurze Zeit später wusste sie auch was, oder besser gesagt, wen, denn Saphira kam um die Biegung.

Saphira unterdessen war absolut mit sich selber beschäftigt. Mit einem Seufzen ließ sie sich auf einen kleinen Findling direkt unter Gonamesh nieder.

„Man, ich bin total fertig“, sagte sie zu sich selber und streckte die schmerzenden Beine.

Gonamesh beobachtete sie noch immer, betrachtete sie nun genauer, da sie näher war.

 

Nach einer Weile wurde es ihm aber langweilig. Also sprang er von seinem Baum hinunter und landete direkt vor Saphira, welche sich fürchterlich erschreckte.

„Wer bist du denn?“, fragte sie mit weit aufgerissenen Augen. „Du hast mich vielleicht überrascht…“, fügte sie, mehr zu sich selber, hinzu.

Gonamesh aber grinste nur. „Ich bin Gon.“ Eine kurze Vorstellung, doch es reichte. „Und wer bist du?“, fragte er dann und grinste immer noch.

„Ähm… Saphira. Freut mich.“ Leicht lächelnd massierte sie ihre verspannten Waden weiter, als plötzlich Inuka aus den Büschen sprang.

„Pass auf, Engelchen! Der Kerl hat dich die ganze Zeit über beobachtet, der hat bestimmt nichts Gutes im Sinn!“, rief sie und richtete ihr Schwert auf Gon, der zurücksprang.

„Woah! Hey, pass ma auf, ja?“ Er fixierte Inuka leicht verärgert, angesichts der Klinge aber auch ängstlich.

„Hey, immer mit der Ruhe. Er erscheint mir nicht gerade bösartig.“ Saphira war aufgesprungen und richtete ihre Worte an Inuka, wobei sie auf Gon deutete, der die Klinge nicht aus den Augen ließ.

Inuka aber überhörte Saphira und rückte dem vorsichtigen Gon auf die Pelle. „ICH bin Söldnerin, eine Schwertkämpferin, und habe mich verpflichtet die Unschuldigen zu verteidigen… Es war doch sehr verdächtig, wie du sie beobachtet hast“, erklärte sie und sah Gon ernst an.

„Hey! Lass mich zufrieden, ich hatte nichts vor, okay! Außerdem kann ich doch nichts dafür, dass du dich dazu verpflichtet hast…“ Er wich wieder ein Stück weiter nach hinten.

Saphira mischte sich abermals ein. „Lass ihn doch bitte in Ruhe. Er hat nichts Böses getan und Beobachten ist doch kein Verbrechen…“

Inukas Blick verweilte auf Gon. Mit hochgezogener Augenbraue musterte sie ihn genau. „Was bist du überhaupt? Siehst aus, wie ein Mensch, aber…“ Ihre wachsamen Augen wanderten zu Saphira, die nun mehr oder weniger neben Inuka stand. „Und Ihr, Mylady? Was macht Ihr hier? Dieser Wald kann sehr gefährlich sein.“ Saphira nahm Haltung an.

„Ich wollte nur etwas spazieren gehen, nicht mehr und nicht weniger“, antwortete sie und lächelte. „Vielen Dank für Eure Fürsorge.“

Gon zappelte etwas nervös, was Inuka dazu verleitete ihn wieder anzusehen und noch etwas näher zu kommen. Schnell hob er die Hände zum Zeichen, dass er nichts Unüberlegtes vor hatte.

„Ich… bin ein Mensch… Bin aber in der Lage, das Feuer mit Hilfe meines Instrumentes zu kontrollieren, also ein sogenannter Feuer-Barde“ Neugierig sah er zu Saphira hin. „Ähm… Mylady…?“ Fragend blickte er zwischen Saphira und Inuka hin und her. Offensichtlich konnte er mit dieser Anrede nichts anfangen.

Inuka verdrehte die Augen und grinste. „Och, jetzt sag nicht, du weißt es nicht…“

Gon guckte dümmlich aus der Wäsche. „Öhm… nein?“, antwortete er versuchsweise.

„Also! Es ist ja wohl ziemlich offensichtlich, dass sie ein Engel ist.“ Sie deutete mit einem Nicken Richtung Saphiras Schwingen. „Und einem Engel hat man immer einen gewissen Respekt entgegen zu bringen.“ Sie hatte wohl entschlossen, dass so einer wie Gon tatsächlich nicht gefährlich sein konnte, weswegen sie ihr Schwert in die zugehörige Scheide gleiten ließ. „Wer Manieren hätte, wüsste das ganz sicher“, fügte sie fies grinsend und mit provozierendem Blick auf Gon hinzu. Dieser ließ sich davon aber nicht irritieren. Als wäre ihm ein Licht aufgegangen, verbeugte er sich vor Saphira und entschuldigte sich mit einem Grinsen seiner Respektlosigkeit wegen.

Saphira aber winkte ab. „Nein, nein, das braucht ihr nicht, wirklich. Behandelt mich einfach wie jeden anderen auch.“

Die Söldnerin staunte nicht schlecht, ob Gons mit einer Verbeugung unterstrichenen Entschuldigung und brach in Gelächter aus.

„Aber warum lachst du denn jetzt so?“, fragte Saphira und legte den Kopf mit fragendem Blick leicht schräg.

„Das würde ich auch gerne wissen“, meinte Gon und fixierte Inuka.

„Welche von deiner Sorte kenne ich nur zu Genüge“, sprach Inuka und kicherte noch immer. Sobald sie sich beruhigt hatte, wandte sie sich Saphira zu. „Darf ich Euch begleiten, Mylady?“, bot sie an.

„Oh ja, sehr gerne. Ich freue mich immer über Gesellschaft“, frohlockte Saphira und lächelte. Inuka verbeugte sich nun auch vor dem Engel.

„Ich bin Inuka, eine Schwertkämpferin auf Reisen.“ Noch in der Verbeugung hob sie das Gesicht zu Saphira. „Wie darf ich Euch ansprechen, Mylady?“

„Saphira ist mein Name“, sagte sie recht unbehaglich, dass Inuka sich noch immer verbeugte. Doch als diese sich aufrichtete, gab Gon bekannt, dass er auch sehr gerne mitkommen würde.

Inukas Augen hefteten sich auf Gon, welcher aufhörte zu grinsen und klein beigab. „Wieso willst DU denn mitkommen?“, fragte sie ihn dann misstrauisch.

„Na ja… mir ist immer so langweilig… Also dachte ich, ich könnte mit euch gehen.“ Langsam glitt Inukas Hand zu ihrem Schwert, wo sie sie auf den Griff legte.

„Sollte ich sehen, dass du dich an unschuldige Mädchen ran schmeißt, werde ich dir deinen kleinen Hintern verdreschen. Nur zur Vorwarnung.“ Sie lächelte zuckersüß und wandte sich wieder an Saphira. „Wohin soll Euch Euer Spaziergang denn führen?“

„Ich hatte vor zum Tempel des Lichts zu gehen, um dort nach dem Rechten zu schauen. Ich als Engel habe die Pflicht die Sicherheit der Tempel zu gewährleisten.“ Die Söldnerin schien Bescheid zu wissen, denn sie nickte.

„Gut, ich werde also ein Auge auf Euch haben, Lady Saphira.“

„Oh, aber macht Euch keine Umstände wegen mir“, gab Saphira zum Besten und handelte sich einen beruhigenden Blick ein.

„Oh, das macht Ihr nicht. Mich hätte es sowieso eines Tages dorthin verschlagen, es ist demnach egal, ob ich nun in einem halben Jahr oder schon morgen dort aufkreuze. Und im Übrigen…“ Sie nickte zu Gon hin. „Ich möchte Euch lieber nicht mit ihm allein lassen.“ Gon schien beleidigt. Saphira versuchte Inuka noch einmal klar zu machen, dass er ganz bestimmt nichts Böses im Sinn hatte und es auch nie haben würde, doch schienen ihre Worte gegen eine Wand zu prallen. Also ging sie los an Gon vorbei. Inuka folgte ihr und als sie an Gon vorüber kam, warf sie ihm einen warnenden und zugleich interessierten Blick zu. Gon seufzte. Das konnte eine aufregende Reise werden. Mit langen Schritten holte er zu den beiden auf, blieb aber lieber hinter Inuka.

 

Nach einer Weile des schweigenden Gehens sprach Inuka Saphira an. „Sagt, wo kommt Ihr her? Für eine Tempelhüterin seht Ihr noch recht jung aus.“

„Ich komme aus der Stadt Adlehyde, der Wohnsitz des Oberhauptes der Engel. Da mein Vater sehr krank ist habe ich seine Aufgaben übernommen. Dazu gehört auch die Überwachung der vielen Tempel.“ Inuka überlegte schweigend.

„Also ist es um ihn schon sehr schlimm?“

„Ja, leider. Die Heiler sagen, er würde nicht mehr lange leben.“ Man sah ihr an, dass es sie sehr mitnahm, was auch verständlich war. „Ich hoffe, dass ich meine Aufgabe ebenso gut wie er bewältigen werde, wenn nicht sogar besser.“ Inuka nickte und wirkte plötzlich etwas betrübt.

„Für uns alle kommt einmal die Zeit… Nicht einmal Engel sind davon verschont.“ Schließlich lächelte sie aufmunternd. „Aber er ist sicher jemand, auf den man stolz sein kann. Er wird mit Würde sterben.“

Saphira lächelte nun wieder. „Ja, Vater hat wirklich viel für das Land getan. Ich werde es ihm so gut ich kann nach tun.“ Inuka lächelte Saphira nun herzlich an. Gon hatte bisher nur schweigend zugehört, doch jetzt lächelte auch er.

„Ich bin mir sicher, dass du es schaffen wirst, Saphira.“ Ganz bewusst hatte er sie geduzt, denn das war doch ihr Wunsch gewesen, oder nicht? „Du wirst bestimmt alles richtig machen.“

Saphira drehte sich zu ihm um und schenkte ihm ein Lächeln. „Vielen Dank, Gon. Auch dir Inuka.“

Inuka hatte Gons Worten nicht gerade mit Wohlwollen gelauscht, da er sie einfach geduzt hatte. Doch als Saphira so positiv darauf reagierte, nahm sie sich vor es Gon gleichzutun.

„Hast du so etwas denn schon mal gemacht?“, fragte Inuka dann neugierig. Saphira brauchte nicht lange zu überlegen.

„Nein, bisher noch nie. Aber ich sollte es dennoch hinbekommen, schließlich hatte ich diesbezüglich Unterricht.“

„Ach so, okay. Ich werde dich so gut ich kann unterstützen. Aber du wirst das schon machen!“

Während sie noch weiter sprachen, bemerkte keiner, dass sich ein dunkler Schatten einen Weg durch die Büsche bahnte, um sie nicht aus den Augen zu verlieren.

Schließlich blieb Saphira wie angewurzelt stehen und horchte angestrengt. Gon wollte weiter plappern, wurde aber von der alarmierten Inuka aufgehalten, indem sie ihm mit der Faust auf die Brust schlug und er aufkeuchend verstummte. „Bemerkt ihr es auch?“, fragte Saphira flüsternd ihre Gefährten und blickte sich um. Inuka und Gon taten es ihr gleich.

Der Schatten blieb mit einem mal stehen. Ein schelmisches Lächeln wäre zu erkennen gewesen, würde es nicht so dunkel sein in den Schatten der Baumkronen. Langsam, fast schleichend kam er aus seinem Versteck und auf Saphira zu. Einige, durch das Blätterdach der Bäume fallende Sonnenstrahlen trafen auf schneeweißes Haar, die Augen leuchteten rot auf , als der Schatten den Kopf hob und sich als ein junger Mann entpuppte, dessen Haut so schwarz wie die Nacht selbst war. „Ich grüße Euch, ehrenwertes Himmelsgeschöpf.“ Seine Stimme war volltönend und dunkel, wie seine Haut. Nun, da er vor ihr stand, war zu erkennen, dass seine Augenfarbe ein sattes Violett war.

Geschmeidig und elegant verbeugte er sich tief vor Saphira. Des Engels Augen huschten beinahe unauffällig über die Gestalt des jungen Mannes. Sich wieder fassend verbeugte auch sie sich, wenn auch nicht so tief, wie er es getan hatte.

„Ich grüße auch Euch“, sagte sie halb erstickt von seiner Präsenz. Inuka und Gon starrten ihn mit offenen Mündern an. Zwar ruhte Inukas Hand auf dem Griff ihres Schwertes, doch hatte sie wohl vergessen es zu ziehen. „Darf ich erfahren, warum Ihr uns mit Eurer Anwesenheit beglückt?“, fragte Saphira schließlich wieder gefasst. Der junge Mann richtete sich wieder auf. Ebenso elegant bewegte er sich, wie schon bei der Verbeugung.

„Nun, ich durchquerte gerade den Wald, als ich Eure Anwesenheit spürte. Eure Stimme und die Eurer Gefährten hallten schon bald aus nächster Nähe, so beobachtete ich Euch und Eure Begleiter.“ Ganz offensichtlich sprach er lediglich mit Saphira. Die anderen beiden schienen gar nicht da zu sein. „Ich möchte Euch darauf hinweisen, dass sich Eure bezaubernde Gegenwärtigkeit in dem Gebiet meines Volkes befindet. Es ist nicht gerade ungefährlich, sich ohne Weiteres den Weg durch dieses Gebiet zu bahnen. Ihr könnt erleichtert sein, dass ich es war, der Euch erblickte. Ansonsten hättet Ihr Euch mit meinem Freund bekannt machen dürfen, welcher kaum ohne Gewalt mit sich reden ließe.“ Sein Blick schweifte über Saphiras gesamte Gestalt, schnell und kaum merkbar. Dann sah er ihr wieder in die Augen. „Darf ich Euch meine Dienste als Vermittler zwischen den Drow und euch anbieten?“ Seine Augen huschten von Saphira zu Inuka, Gon und wieder zurück zu Saphira. „Es wäre mir eine Ehre. Denn dieser Weg führt geradewegs auf das gegenwärtige Reich meines Volkes zu. Vielleicht seid Ihr gewillt Euch auszuruhen? Eure Gefährten wären selbstverständlich herzlichst eingeladen, wenn Ihr es wünscht.“

„Oh, ich bin sehr erfreut und dankbar. Ich nehme Eure Hilfe gerne an.“ Saphira lächelte herzlich. „Ich bin übrigens Saphira und die beiden sind meine Reisegefährten und Freunde Inuka und Gon“, stellte sie ihm die beiden vor. „Wie darf ich Euch nennen?“

Aufs Neue verneigte sich der noch Fremde vor Saphira und sah von unten herauf zu ihr hoch. „Freut mich Eure Bekanntschaft zu machen, Saphira. Nennt mich Surai.“ Mit einem Lächeln richtete er sich wieder auf und sah zu Inuka und Gon. „Seid ihr gewillt, weiterzugehen?“, fragte er, den Blick aber wieder auf Saphira gerichtet.

Der Engel nickte. „Ja, lasst uns weitergehen.“ Sie ging los, hinter Surai her. Inuka sprang, wie von der Tarantel gestochen zu Saphira. Sie hatte kein gutes Gefühl bei der Sache.

„Denkst du wirklich, dass das eine gute Idee ist? Die Drow sind... Nun ja...“, flüsterte sie besorgt so leise sie konnte und ließ den breiten Rücken Surais nicht aus den Augen.

Saphira zuckte kurz mit den Schultern. „Na ja, mir erscheint er sehr freundlich, außerdem ist er mir wirklich sympathisch. Wir sollten abwarten, was passiert.“ Sie flüsterte auch, noch leiser als Inuka. Inuka schien erschrocken.

„Aber… er behandelt uns wie Luft.“

„Oh, das meint er sicher nicht persönlich.“ Sie lächelte Inuka an. Diese schaute noch besorgter drein und fragte sich, ob denn alle Engel so gutgläubig seien. Gon folgte ihnen und beugte sich dann zu Inuka vor.

„Ich muss dir leider recht geben… Mir ist das Ganze auch nicht geheuer…“, versuchte er ihr zuzuflüstern, war jedoch ziemlich aus der Puste, was das Flüstern nicht gerade leise klingen ließ.

Selbstgefällig lächelnd legte Surai seine Hände an seinen Waffengürtel, an welchem in Reih und Glied Wurfsterne und -messer befestigt waren. Er ging zwar vor den dreien, jedoch konnte er ihr Gespräch genauestens verfolgen. Mit gesenktem Blick und einem Grinsen auf den Lippen hatte er gehorcht.

„Nun, wenn Ihr mir beweisen könnt, dass auch Ihr von edlem Geblüt seid, so werde ich Euch sicher nicht mehr wie Luft behandeln.“ Nun wandte er sich ihnen zu, drehte sich mit wehendem Haar zu ihnen um und ging rückwärts weiter. „Meine Herkunft verbietet es mir, mich mit dem gemeinen Volk zu unterhalten. Verzeiht. Jedoch...“ Kurz sah er zu Saphira. „Wenn sich ein so edles Wesen in Eurer Gegenwart aufhält, solltet Ihr in Ordnung sein“, endete er und lächelte Inuka und Gon freundlich an, wonach er sich wieder umdrehte und normal weiterging. Saphira freute sich über seine Worte.

„Na, dann hätten wir das ja geklärt“, sagte sie lächelnd. „Es freut mich wirklich, dass ich so viele Reisegefährten und neue Freunde gewonnen habe. Ihr werdet mich doch nach der Rast in Eurem Dorf weiter begleiten oder, Surai?“ Sie lief kurz, um neben ihn zu gelangen und ansehen zu können.

Ein offenherziges Lächeln umspielte Surais Lippen und ohne sie anzusehen antwortete er: „Nun, wenn Ihr es wünscht, edle Saphira, so werde ich Euch begleiten. Vorausgesetzt Eure Gefährten sind einverstanden, woran ich leider zweifeln muss.“ Gespielt traurig sah er nun doch zu ihr hinunter, lächelte aber sogleich wieder. In der Ferne sah man die dunkle Silhouette eines stockfinsteren Waldes. Surai deutete darauf. „Wir gelangen bald in das Reich meines Volkes.“

„Oh, ich freue mich darauf. Ich besuche gerne neue Orte.“ Um ihrer Freude Ausdruck zu verleihen klatschte sie einmal in die Hände und lächelte strahlend. Dann wandte sie sich um und tat es Surai nach, indem sie rückwärts weiterging. „Also, seid ihr einverstanden?“, fragte sie die beiden. Gon hob die Schultern und sah Inuka an, welche zwar grimmig dreinschaute, schließlich aber sagte: „Meinetwegen. Es ist deine Entscheidung, Saphira. Ich folge dir nur und achte auf dein Wohlbefinden.“

Gon nickte wie zur Bestätigung. „Mir soll's recht sein, lass ihn mitkommen.“ Inuka sah Gon an und grinste breit.

„Wow, du weißt was gut für dich ist.“

„Hey, das weiß ich immer.“ Auch er grinste. Inuka lachte laut auf.

„Schön wär's!“, gab sie zum Besten und rückte Gon mit einem verführerischen Blick auf die Pelle. Gon, überrascht von diesem Sinneswandel und beschämt ob ihres Blickes zog den Kopf ein und stolperte beim Zurückweichen fast über seine eigenen Füße. Inuka aber folgte ihm soweit, bis er mit dem Rücken gegen einen Baum stieß und weder ein noch aus wusste. „Na na, wer hat denn Angst vor einem sooo netten Mädchen…?“, säuselte Inuka hinterlistig dreinschauend. Gon versicherte ihr nervös grinsend, dass er keine Angst hätte, was Inuka dazu verleitete ihn mit ihrem Finger an die Brust zu tippen. „Komm, gib es zu!“

„Nein, niemals!“ So langsam wurde es ihm unheimlich. Inuka kam noch näher, war ihm nun so nahe, dass er ihren Atem und Körper spüren konnte.

„Ach nein? Wirklich nicht…?“ Schwer schluckend blinzelte er ihr entgegen, wollte ihrem Blick ausweichen, doch da machte sie einen leichten Augenaufschlag, was ihn unweigerlich in Bann riss. Ihr eines Bein schob sich zwischen seine… wieder musste er schlucken. Als sie ihre Arme um seinen Nacken schlang, begannen seine Beine zu zittern, doch versuchte er standhaft zu bleiben und nicht den Blick abzuwenden. „Und jetzt? Was ist nun?“, fragte sie leise.

„Nichts… Was soll denn sein?“ Er hatte seine Stimme kaum noch unter Kontrolle; zittrig und hoch klang sie inzwischen.

„Aber warum bist du dann so nervös?“ Zuckersüß und weich sprach sie diese Worte und schenkte ihm ein weiteres verführerisches Lächeln. Sie rückte noch näher, kam seinem Gesicht mit ihrem ganz nahe.

Gon schluckte erneut, atmete stockend und er spürte, dass ihm langsam aber sicher sehr warm wurde.

„Ich bin nicht nervös… Weiß gar nicht, wie du darauf kommst…“, antwortete er mit einem verlegenen Lachen und konnte diesen Augen einfach nicht ausweichen.

„Nun ja, es ist ziemlich offensichtlich. Du atmest schnell, zitterst und schwitzt… Und du hast eine Gänsehaut.“ Mit diesen Worten fuhr sie mit ihren Fingern der einen Hand an seinem Hals entlang, mit der anderen wanderte sie seinen Oberkörper hinab…

„Und? Was willst du von mir?“

„Sag doch einfach, dass du Angst vor mir hast!“, lachte sie und hielt inne.

„Nein, habe ich aber nicht… Ich… fühle mich nur ein wenig… bedrängt.“ Wieder grinste er. Inuka ließ ihn sofort los und nahm Abstand.

„Gut, wenn du nicht willst…“ Sie ging noch einige Schritte rückwärts. „Hätte ja sein können, dass du Lust hast.“ Grinsend wandte sie sich ab und ließ ihn stehen.

Absolut fertig mit den Nerven sank Gon an seinem Baum etwas hinab. Sich sammelnd sah er auf und ihr nach. Er stand auf und lehnte sich nun entspannter an den Baum.

„Nein, so war das auch nicht gemeint“, rief er ihr nach und lächelte verlegen. „Es kam nur ein bisschen plötzlich…“ Inuka wandte sich um und streckte ihm die Zunge raus.

„Tja, nun wirst du es dir verdienen müssen!“ Gon traute seinen Ohren nicht. Wie meinte sie das?

Er stieß sich vom Baum ab und ging ihr schnell nach. „Ach ja, und wie?“

„Nun…“ Sie tat unschuldig, grinste dann aber fies. „DICH so weit zu bekommen war einfach. Nun liegt es an dir, MICH zu überzeugen.“ Nun war er baff. So war das also.

„Dann verrate mir wie ich es anstellen soll.“

Sie griff nach ihrem Schwert. „Wir kämpfen. Wenn du gewinnst, hast du es dir verdient. Und wenn ich gewinne… tust du, was ich dir sage.“

„Aber du hast ein Schwert, ich nur einen Dolch und meine Laute.“ Ihm war anzusehen, dass er es ein wenig unfair fände, würde sie darauf bestehen mit diesen ungleichen Waffen zu kämpfen. Inuka machte eine gleichgültige Geste und legte ihren Schwertgürtel ab.

„Nun ist es fair“, sagte sie und ging in Kampfstellung. Gon legte auch seinen Dolch und das Instrument zu Boden und tat es ihr nach. „Okay, dann geht‘s jetzt los!“ Und sie schoss auf ihn zu. Zu einem Kick ansetzend sprang sie. Gon aber war flink genug ihr auszuweichen indem er sich nach unten wegduckte. Er griff nach ihrem Bein, was Inuka nutzte, um sich abzustoßen und mit einem Salto nach hinten mit dem anderen Bein auf den Boden zu kommen. Wieder schoss sie vor und traf Gon im Magen. Gon japste überrascht auf, riss sich aber mit einem Kopfschütteln zusammen. Seine durchaus vorhandene Manier sagte ihm, dass er doch keine Frau schlagen könne… Aber er konnte sich von ihr auch nicht halb tot prügeln lassen. Verlieren wollte er schließlich auch nicht.

Inuka hatte wieder Stellung bezogen und schien seine Gedanken erraten zu können. „Los jetzt! Du wirst mich doch wenigstens zu Boden ringen können!“, rief sie ihm feixend zu und lockte ihn mit einer spottenden Geste. Erst langsam ging Gon auf sie zu, ebenso feixend. Mit einem Mal preschte er los und ergriff sie bei den Schultern, womit er sie überraschte und aus dem Gleichgewicht brachte. Inuka griff nach seinen Schultern und rollte sich mit ihm nach hinten ab, wobei sie schwer atmend auf ihm zum Sitzen kam.

„Hmmm… Das war nur Glück“, grinste Gon, stemmte sich vom Boden hoch, warf Inuka auf den Rücken und hockte am Ende auf ihr, ihre Hände fest zu Boden gepresst. „Puh… So geht das.“

Inuka versuchte sich mit aller Kraft zu befreien, wand sich unter ihm, was zur Folge hatte, dass ihr eh schon knappes Oberteil einiges an Ausschnitt freigab. Gon, sich des Sieges sicher grinste noch breiter. „Nun, ich schätze, ich habe gewo-„ Er hielt inne, denn sein Blick war auf eben jener Stelle gelandet, die normalerweise nicht all zu viel freigab. Wie in Trance starrte er ihr direkt in ihr Dekolleté und wurde mit einem Schlag rot. Sein Grinsen war einem unfassbaren Blick gewichen.

„Was ist denn nun? Wieso grinst du plötzlich nicht mehr so doof?“ Offensichtlich hatte sie es nicht bemerkt…

„W… was… hast du… Ich habe dich… nicht verstanden…“, kam es stammelnd von ihm zurück und er musste schlucken. Inuka folgte seinem Blick und wurde nun auch rot.

„Was tust du da, lass das!“, fauchte sie und versuchte sich aufs Neue von ihm zu befreien.

„J.. ja… Entschuldige…“, sagte er kleinlaut und wollte die Augen abwenden, was ihm aber nicht so recht gelingen wollte.

Inuka unterdessen stöhnte entnervt auf. „Würdest du mich dann bitte auch freilassen? Du wirst allmählich wirklich schwer… Und ich würde mein Oberteil gerne wieder richten.“ Bedröppelt erhob Gon sich, damit sie sich aufsetzen konnte. Sich ihre Handgelenke reibend dachte sie nach und entschied sich für den nächsten Zug Gon aus der Fassung zu bringen. „Mir tun die Handgelenke weh… Richte du mein Oberteil.“ Es riss Gon schlichtweg von den Füßen. Er hatte den Eindruck, dass sie irgendwie nicht wüsste was sie wolle. Um einen weiteren Blick in die Tiefen ihres Ausschnittes riskieren zu können, kniete er sich vor sie und zog und zupfte den Stoff zu Recht. Ihr kurz in die Augen schauend nickte er zur Bestätigung, dass er fertig sei. „Und, war das jetzt so schlimm?“, fragte sie ihn zuckersüß und fixierte ihn. Gon schüttelte den Kopf und lächelte.

„Da ich gewonnen habe…“ Schelmisch lächelnd nun erhob er sich wieder. Inuka tat es ihm nach und sah ihn doch etwas missmutig an.

„Also bitte.“ Sie breitete die Arme aus und ergab sich ihrem Schicksal. Als Gon auf sie zuging und sie in seine Arme schloss durchfuhr ihn ein heiß-kalter Schauer.

„Inuka… gib doch endlich zu, dass du mich magst“, sprach er leise neben ihrem Ohr und drückte sie an sich. Die Angesprochene sagte nichts, löste sich nur von ihm, nahm seine Hand und zog ihn zum Waldrand hinüber, wo sie sich mit ihm niederließ und die beiden sich ineinander verschlungen dem anderen hingaben.

 

Als sich Inuka und Gon zurückfallen ließen, hatte Surai sich feixend an Saphira gewandt, nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie wohl später nachkommen würden. „Na, da habt ihr Euch aber zwei heißblütige Gefährten ausgesucht, Saphira. Besonders diese Söldnerin.“ Wieder wanderte sein Blick über ihren Körper. Saphira hatte sich ebenfalls des Öfteren umgedreht und konnte es offensichtlich gar nicht fassen.

„So hatte ich die beiden nun gar nicht eingeschätzt“, sagte sie nur und beachtete Surais Blick nicht.

 

Schließlich blieb Surai vor einem felsigen Hügel stehen. Er trat näher heran, legte die Hand auf den Stein und sprach einige Worte, worauf sich der auflöste und einen von Fackeln erhellten Gang freilegte, welcher tief ins Innere der Erde führte. Surai ging einfach hinein, an Wachen und unheimlichen menschengroßen Löchern in den Wänden vorbei, vor welchen große Netze aus fingerdicken Fäden gespannt waren… bis er den unterirdischen Ort erreichte, wo ihn die Bewohner ehrenhaft grüßten, was Surai aber nicht weiter beachtete. Allerdings konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Nach einer Weile gelangten sie auf einen großen Platz an dessen Ende ein gigantischer Baum stand. Seine Krone nahm die gesamte, durch leichtes Schimmern erhellte Decke ein und seine Äste schienen die hohe Decke zu durchdringen. Man sah dadurch kaum ein Stück Gestein, lediglich das dichte Blattwerk. Der junge Drow blieb stehen und drehte sich mit weit ausgebreiteten Armen zu Saphira um. „Willkommen in Zacchaera!“ Der Engel lächelte erfreut, aber auch leicht eingeschüchtert und sah sich um.

„Vielen Dank. Euer Reich ist wirklich beeindruckend...“

„Es freut mich, dass es Euch gefällt. Nun, ich überlasse Euch die Entscheidung, ob Ihr vielleicht eine Rast hier einlegen wollt. Gäste Eures Standes sind hier stets willkommen. Ihr könntet im Hause der Oberin übernachten. Befindet sie Euch für vertrauenswürdig, wird sie Euch Aufenthalt gewähren.“ Hinter ihm vernahm Surai ein Pfeifen und laute Grußrufe. Kurz drehte er sich um und winkte der Gruppe junger Männer zu, wobei er sie einen nach dem anderen anlächelte. „Nun, wie ich sagte, ich überlasse es Euch und Euren Gefährten, wobei...“ Er hatte sich Saphira wieder zugewandt und überlegte nun kurz. „Hups... Da fällt mir was ein. Eure Gefährtin... Sie war ein Halbblut, oder irre ich mich?“ Er blickte nun leicht schuldbewusst drein.

Saphira ordnete seine Worte und antwortete zunächst auf seine letzte Frage. „Ja, ich glaube schon, dass sie halb Mensch, halb Elfe ist. Bin mir nicht unbedingt sicher, ob mich meine Sinne nun täuschen oder nicht. Und wegen des Aufenthaltes… Ich würde gerne Euer Angebot annehmen und eine Rast bei Euch einlegen. Aber… warum hattet Ihr wegen Inuka gefragt?“ Ihre Frage erntete ein verlegenes Lächeln seinerseits.

„Mischblütern ist es im Grunde nicht gestattet, unser Land zu betreten. Inuka hätte vorher von einem unserer Priester oder von Euch gesegnet werden müssen, damit sie dem Boden der Drow gleichkommt. Ansonsten kann es zu einer schmerzhaften Angelegenheit kommen, sollte sie trotzdem darüber gehen wollen.“

„Mit Inuka ist bestimmt alles in Ordnung. Sie ist ziemlich hart im Nehmen und außerdem ist Gon bei ihr“, sagte Saphira überzeugt, sah jedoch etwas besorgt drein.

Surai nickte und machte eine fast hilflose Geste.

„Ich hoffe wirklich, dass das gut gehen wird... Na ja. Solange kann ich Euch ja schon mal Zacchaera zeigen, wenn Ihr mögt.“ Wieder ganz der Alte lächelte er breit und deutete zum Marktplatz hin. Eine Hand sachte auf ihren Rücken gelegt, schob er sie zu den einzelnen Ständen hin. „Wir haben hier wirklich ganz hervorragend verarbeitete Ledergewänder für Frauen... Selbstverständlich auch sehr gute Seide und andere Stoffe, die Euch schmeicheln würden“, verkündete er und ließ seinen beinahe hungrigen Blick an ihrer Gestalt hinab und wieder hinauf gleiten. Der allgemeine Trubel auf dem Markt nahm plötzlich ab, als die Bewohner Saphira entdeckten und sie fasziniert anstarrten. Saphira selber bekam es zunächst nicht mit. So als hätte sie noch nie Stoffe dieser Art gesehen betrachtete sie alles auf der Auslage und strich vorsichtig mit den Fingern darüber.

„Oh, es sind wirklich wunderbare Stoffe…“, sagte sie bewundernd und nahm ein Kleid aus schneeweißer Seide zur Hand. „Das ist unheimlich schön… Und dieses Amulett würde doch nun wirklich unheimlich gut dazu passen, findet Ihr nicht auch, Surai?“ Noch während sie den Stoff unter die Lupe nahm, bemerkte sie die urplötzliche Stille um sie herum. Sobald sie sich umdrehte, gingen die Bewohner schnell weiter, als wären sie nie angehalten. „Aber… warum haben die mich denn alle so angesehen?“, machte sie ihrer Verwunderung Luft und sah fragend zu Surai hoch, der schmunzelnd dem leisen Gemunkel der Bewohner gelauscht hatte.

„Denkt mal nach, Saphira. Es kommt nicht all zu oft vor, dass ein Engel den Weg in eines unserer Reiche findet, um genau zu sein, war noch nie einer hier. Ihr fallt nun mal auf, mit Eurem strahlenden Antlitz und den Schwingen...“

Der Verkäufer des Stoffstandes erschien wie aus dem Nichts. Wie es schien, hatte er die ganze Zeit im Schatten gestanden. Er huschte mit einem kurzen Blick auf Saphira hinüber zu seinem Standnachbarn, unterhielt sich hastig mit ihm und kam schließlich, mit dem Amulett in der Hand, zurück. Mit beiden Händen hielt er es dann Saphira hin. „Nehmt es, ehrenwerter Engel. Ein Geschenk, ebenso wie das Kleid. Nehmt es“, sprach er ehrfürchtig, nahm nun auch das Kleid zur Hand und flehte Saphira praktisch an, es zu nehmen. Surai hob verwundert die Augenbrauen, räusperte sich dann, als sie den Verkäufer entgeistert anstarrte.

„Nun… Nehmt es an, Saphira.“ Ein kleines Lächeln folgte seinen Worten und er nahm dem Verkäufer dessen Geschenke ab. Inzwischen lag dieser nämlich schon auf seinem Stand, so sehr hatte er sich vorgebeugt.

„Also… So viel Aufmerksamkeit bin ich nun wirklich nicht gewohnt…“ Sie hatte ihre Stimme wiedergefunden und lächelte verlegen den wieder stehenden Verkäufer und Surai an. „Aber… Die Sachen kann ich doch nicht annehmen… Oder ist das unhöflich?“, sagte sie, nun an Surai gewandt, als das reinste Donnerwetter einbrach. Inuka, getragen von Gon, war die Urheberin.

„DU ELENDER SCHUFT!“, schrie sie ihn über den gesamten Platz an und wedelte aufgebracht mit der Hand. Sobald Gon vor Surai zum Stehen kam, machte sich der Drow schon klein, wissend, dass das nicht alles gewesen sein konnte. Und tatsächlich. „Das war unfair! Gemein! HINTERHÄLTIG!“ Sich mit den Beinen an Gon klammernd, klopfte sie diesem auf die Schulter. „Wenn er nicht gewesen wäre, wäre ich wohl eher als Leiche, als lebendig hier angekommen… wenn überhaupt!“ Mit wutentbrannter Miene deutete sie auf ihre nicht mehr bekleideten, angeschwollenen Füße. Die Stiefel hingen an ihrem Schwertgurt. Surai zog es vor, nichts mehr zu sagen und verkroch sich sicherheitshalber hinter Saphira, die perplex Inuka und Gon ansah.

„Wenn du zu starke Schmerzen hast, kann ich dich heilen, Inuka“, meinte sie sanft und lächelte.

Erst jetzt erblickte Inuka den Engel. Vor Zorn hatte sie sich die ganze Zeit über auf Surai konzentriert…

„Nein, das wird nicht nötig sein…“, murmelte sie jetzt und Schamesröte breitete sich über ihr Gesicht. „Aber es würde mir wirklich sehr helfen, wenn du mich segnen könntest, damit ich selber laufen kann.“

„Gut.“ Der Engel ging um Gon herum zu Inuka und legte ihr sanft die Hände auf den Kopf. In einer fremden Sprache, wohl die der Engel, überlegte Surai, sprach sie einige Worte. Dann ließ sie von der jungen Schwertkämpferin ab. „Jetzt sollte es gehen.“ Inuka ließ sich langsam von Gons Rücken gleiten und stellte die bloßen Füße auf die festgetretene Erde. Einen leichten Druck verspürte sie noch, aber dieser war nicht gleichzusetzen mit dem, der sie beim Betreten des Waldes überkam. Voller Dankbarkeit kniete sie sich vor Saphira nieder.

„Ich danke Euch von ganzem Herzen, Mylady.“ Saphira schüttelte den Kopf.

„Du brauchst mir nicht zu danken, ich habe es gerne getan.“ Gon überzeugte sich, dass es Inuka wirklich gut ging, wonach er sich an Saphira und Surai wandte.

„Alles klar bei euch?“, fragte er grinsend. Surai nickte ihm über Saphiras Kopf hinweg nur zu und lächelte.

Inuka hatte sich wieder erhoben und betrachtete Saphiras Geschenke. „Wie ich sehe, heißen dich die Bewohner dieses Reiches willkommen... was mich eigentlich wundert. Na ja. Oh... So schöner Stoff…“ Ihre Augen huschten zum Stoffstand, dessen Verkäufer den Blick nicht von Saphiras Erscheinung abwenden konnte. „Dieses rote Kleid… Wie viel soll das kosten?“ Der Verkäufer erwachte aus seiner Trance und nannte ihr den Preis. Schnell ließ Inuka das Kleid wieder fallen, welches sie zuvor angehoben hatte, um es sich genauer anzusehen. „Wenn ich nur nicht so knapp bei Kasse wäre… Warum um alles in der Welt ist das so teuer? Was ist so besonderes daran?!“,empörte sie sich und starrte den Verkäufer angriffslustig an.

„Nun ja… liegt vielleicht daran, dass es die nur schwer zu beschaffene Seide der Riesenspinnen ist, Inuka.“ Surai sah Inukas Gesichtsfarbe mit größter Genugtuung schwinden.

„Riesen… spinnen…“

Gon schüttelte ein stummer Lachkrampf. Schnell fasste er sich aber.

„Willst du dich nun ausruhen? Wir kamen gerade an einer recht gemütlich wirkenden Gaststätte vorbei“, sagte er immer noch feixend zu Saphira. Die Angesprochene wirkte noch etwas unsicher ob der Geschenke, die sie erhalten hatte. Nachdenklich ließ sie den weichen Stoff des Kleides durch ihre Finger gleiten, welches Surai ihr mitsamt dem Amulett in die Hände gedrückt hatte. Ihr schien die Tatsache, dass es aus Spinnenseide bestand nichts auszumachen.

„Ich bin immer noch nicht sicher, ob ich das annehmen möchte, oder nicht…“ Die Söldnerin, die sich wohl wieder beruhigt hatte, die Kleider aber immer noch recht seltsam musterte, legte ihre Hand auf Saphiras.

„Aber man hat es dir geschenkt. Jeder hier wird sich freuen, wenn es dir eine Freude macht. Du kannst die Sachen ruhig annehmen...“ Entschlossen nickte Saphira und bedankte sich mit einem herzlichen Lächeln bei dem Verkäufer. Surai musste sich das ein oder andere Kommentar verkneifen, als er Inuka zuhörte. Als würden die Drow etwas aus Freude am Glück anderer tun...

 

Inuka machte sich unterdessen bei den übrigen Bewohnern schlau, was ein Zimmer in der Gaststätte kosten solle, dass sie knapp bei Kasse sei und Saphira wohl lieber ein Zimmer für sich haben solle, was sie aber noch teurer zu stehen kommen würde. Saphira unterbrach sie und versuchte ihr klar zu machen, dass es für sie kein Problem sei, sich mit Inuka ein Zimmer zu teilen. Oder aber Inuka solle sich eines mit Gon teilen. Ihren letzten Worten folgte ein wissendes Lächeln.

„NIE im Leben!“, sagte Inuka laut und stemmte die Hände in die Hüften. „Lieber schlafe ich draußen.“ Gon traute seinen Ohren kaum.

„Meine Güte, eine Nacht wirst du schon überleben mit mir… Ist ja nicht so, dass ich dich auffresse, während du schläfst.“

Surai hustete, um ein Lachen zu unterdrücken. Ihm sollte es recht sein. Wenn sie es vorzogen in der Gaststätte statt im Herrscherbaum zu schlafen, sollten sie es tun und sich dabei den Kopf zerbrechen, wie sie sich aufteilten und wie sie es bezahlen wollten. Die Daumen hinter das Leder seines Waffengürtels geklemmt, sah er sich abwesend um und tat so, als würde er nicht zuhören.

„Das sollte doch nur ein Scherz sein…“, kicherte Saphira. „Zur Not kann ich auch etwas Geld dazugeben.“

Inuka hatte sie überhört. „Sag bloß, du wärst auch noch einverstanden!?“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und wandte das Gesicht ab. „Dann schläfst du aber auf dem Boden.“

„Würde mir auch nichts ausmachen…“, meinte Gon. Ihm war klar geworden, bei dieser Frau nachzugeben zu müssen, da es einfach keinen Sinn hat, gegenan zu gehen. „Allerdings würde ich mir auch ein eigenes Zimmer leisten können, im Gegensatz zu dir…“, fügte er dann aber gelassen hinzu und grinste schelmisch. Inuka horchte auf und wandte den Kopf halb zu ihm um.

„Na ja… Ich kann es halt nicht… Ist auch egal.“ Sie hatte aufgegeben und wandte sich ihm wieder zu. „Wenn du mich dann also mit in deinem Zimmer schlafen lassen würdest…“ Innerlich vollführte Gon eine Geste des Sieges. Er hatte sie geschlagen. Dadurch, dass sie einfach in Richtung Gaststätte davonging, machte sie ihm klar, dass sie schon jetzt ein Zimmer anmieten wollte. Hin und her gerissen zwischen ihr und Surai und Saphira, wusste Gon nicht, ob er nun mitgehen oder bleiben sollte.

„Ich denke du solltest hinterhergehen“, sagte da Saphira und nickte lächelnd in Inukas Richtung.

„Das denke ich auch... Ahm... Na gut. Ich gehe jetzt auch heim, es wird langsam spät und es wird nachts oft recht ungemütlich auf den Wegen. Kann ich mich darauf verlassen, dass ihr im Ort bleibt? Nicht, dass ihr morgen alle weg seid...“ Surai lächelte die beiden an. „Mein Angebot für die Übernachtung steht noch. Vielleicht mögt ihr ja darüber nachdenken, dann kommt einfach zum Baum.“ Er verneigte sich vor Saphira und nickte Gon höflich zu. „Ich wünsche noch einen schönen Tag.“ Dann ging er in Richtung des gigantischen Baumes davon.

Der Engel war überrascht über das schnelle Aufbrechen des Drow. „Geh du hinter Inuka her, Gon. Ich gehe mit ihm“, beschloss sie hastig und lief Surai auch schon hinterher. „Wartet, Surai, ich komme mit Euch!“

Gon sah hinter Inuka her und dachte, dass es so wohl am Besten sei und machte sich daran, Inuka einzuholen.

 

Als er sie eingeholt hatte und sie sich umdrehte und Saphira entdeckte, die mit Surai ging… „Mo- Moment mal! Du lässt sie alleine mit ihm!?“ Und schon wollte sie an Gon vorbei hinter Saphira und Surai her. Doch Gon hielt sie auf.

„Wieso denn nicht? Was soll schon passieren? Wirklich, Inuka, ich bin der Meinung, dass er ein wirklich netter Kerl ist. Sie wird bei ihm gut aufgehoben sein und ein Zimmer bekommen, wie es einem Engel gebührt. Nämlich im Herrscherbaum, in direkter Nähe der obersten Priesterin.“

„Alles schön und gut, aber… Hast du dir schon mal seine Augen angesehen? Hinterhältig und nicht gerade vertrauenswürdig kommen sie mir vor. Ich traue diesem Dunkelelfen mit der Maske nicht. Wir kennen ihn nicht! Wer weiß, was der vor hat! Und diese Schutzvorrichtung gegen“, sie lachte spöttisch auf, „gegen ‚minderwertige Kreaturen‘.“ Sie schüttelte missbilligend den Kopf. Letzterem musste Gon Recht geben. Das war wirklich… sehr seltsam. „Ich will sie nicht alleine mit ihm sehen“, schloss sie schließlich und schaute missmutig hinter den beiden her, die langsam um eine Kurve bogen und zu verschwinden drohten. Gon nickte.

„Du hast recht.“ Er ging einige Schritte. „Kommst du also? Das Übernachtungsangebot war nicht nur für sie.“

 

Saphira hatte Surai eingeholt und ging hinter ihm her, wobei sie sich umsah.

„Ihr wollt also wirklich mit mir mitgehen... Ich glaube nicht, dass das Euren Gefährten gefallen wird“, sprach Surai sie freundlich an, sah jedoch nicht zu ihr hin. Ein kurzes Lächeln huschte über seine Lippen. „Habt Ihr Eure Geschenke mitgenommen?“ Sie betraten nun den Vorgarten, welcher sich um den Baum erstreckte. In der Ferne, um den Garten herum, konnte man nur Dunkelheit erkennen. Der Engel nahm die Beine in die Hand und holte zu Surai auf.

„Ja, ich habe die Geschenke bei mir. Euer Volk ist wirklich großzügig und freundlich.“ Und wieder sah sie sich um, ließ ihre Augen über die vielen Gewächse gleiten, wobei sie Surais schuldbewussten Gesichtsausdruck nicht mitbekam. „Dieser Garten ist wirklich faszinierend… wunderschön. Besonders diese Rosen gefallen mir.“ Surai blickte zu den Rosen hin, die zu beiden Seiten wuchsen und somit einen Weg bildeten.

„Ja, sie sind wirklich schön… Aber ich rate Euch sie lieber nicht zu berühren.“ Saphira zog ihre Hand zurück. Gerade wollte sie eine der blühenden Knospen anfassen. „Wenn sich jemand an ihnen sticht, wird dies verheerende Folgen nach sich ziehen, denn sie produzieren ein betäubendes Gift, welches lähmt und Halluzinationen hervorruft.“ Er hatte sich bereits gedacht, dass die Neugier und Bewunderung des Engels dazu führen würde sie anzufassen. Nun fand Saphira sie irgendwie nicht mehr besonders hübsch. „Jedoch passiert es nur den Feinden der Drow. Ich weiß nicht, in welchem Sinne Ihr zu meinem Volk steht, also rate ich Euch die Finger von ihnen zu lassen.“

 

Gon lief hinter den beiden her und hörte Inuka hinter sich. Doch mit einem Mal verstummten ihre Schritte, also drehte er sich zu ihr um. „Was ist los? Kannst du nicht mehr?“, fragte er sie grinsend. Aber das Grinsen verging ihm beim Anblick ihrer Miene. Zu ihr zurückgehend, fragte er, warum sie stehen blieb und so dreinschaute.

„Ich habe mich entschieden, doch lieber im Ort zu bleiben. Es wäre mir zuwider in Glanz und Gloria zu übernachten, wo ich doch ein so einfaches Mädchen bin.“ Gon blickte sie fassungslos an.

„Was redest du denn da schon wieder? Einfaches Mädchen hin oder her, ich bin auch nicht gerade von edlem Geblüt.“ Inuka lächelte etwas, doch verschwamm es gleich darauf wieder.

„Nein, wirklich, ich habe mich entschieden. Geh du mit ihnen und habe ein Auge auf Saphira. Und ich warne dich, wenn du sie auch nur einmal anzüglich anschaust…“ Sie knackte mit ihren Fingerknöcheln und grinste warnend. Gon hatte verstanden.

„Also gut, dann… bis morgen!“ Er winkte ihr beim Weiterlaufen zu, ehe er sich umdrehte und sich nun wirklich beeilte. Saphira und Surai hatten einen großen Vorsprung. Inuka lächelte und machte sich auf den Weg zurück zu ihrem bescheidenen Zimmer.

 

Vor Saphira und Surai prangte ein großer Brunnen, welchen sie umgehen mussten, um zum Baum zu gelangen.

Auch dieser Brunnen wurde von Saphira eingehend unter die Lupe genommen und sie mochte ihn gar nicht. Das dunkle Gestein aus dem er geschaffen war, wirkte doch recht unheimlich auf sie. Gerade als sie sich davon abwandte, drehte Surai sich um und blieb stehen. Er hatte Gon gehört, wie dieser hinter ihnen her hechtete. Als er schon recht nahe war und langsamer wurde begann Surai spöttisch zu grinsen. „Oh, sieh mal einer an. Habt Ihr Euch also doch um entschieden, Gon.“ Er warf einen Blick an Gon vorbei und stellte fest, dass Inuka nicht dabei war. „Hat sich die ehrenwerte Leibgarde Inuka also dagegen entschieden mit uns zu kommen. Schade…“, sagte er sarkastisch, drehte sich wieder um und ging weiter um den Brunnen herum auf das Portal zu, welches sich immer deutlicher von der Rinde des wohl uralten Baumes abhob. Gon musste sich wegen Surais nicht verborgenem Sarkasmus zusammenreißen um nicht lauthals gegen anzugehen. Er wurde aber gleich darauf abgelenkt.

Vor dem Portal standen Wachen, je zwei an einer Seite. Surai hielt direkt auf die beiden rechten zu und sprach in leisem Flüsterton mit ihnen. Schließlich drehte er sich wieder zu Gon und Saphira um. „Ich hoffe es macht euch nichts aus, kurz bei meiner Mutter vorbeizuschauen, ehe ich euch eure Zimmer zeige. Nur zur Sicherheit“, teilte er ihnen mit und lächelte, wieder freundlich.

„Oh, ich freue mich, Eure Mutter kennenzulernen!“, sagte Saphira freudig und strahlte. Gon wusste nicht so recht, was er dazu sagen sollte… War seine Mutter tatsächlich die derzeit herrschende Priesterin? Konnte es wirklich sein, dass Surai der Prinz dieses Volkes war? Das war vielleicht der Grund, warum er sich so arrogant aufführte und Manieren zu Tage brachte, die Gon für absolut übertrieben hielt.

Surai ging also weiter auf das Portal zu, welches sich jetzt von alleine zu öffnen begann.

 

Die drei kamen in einen dunklen Saal, der mit diversen Hänge- und Kletterpflanzen verziert war. Einige blühten leuchtend und verströmten einen starken, süßlichen Geruch. Überall glitzerte etwas, was wie Staub aussah, doch bei näherem Hinschauen mehr den Sternen am Himmel ähnelte. Surai fing eines dieser kleinen Lichter ein, welches um seinen Kopf tanzte. So leise, dass Gon und Saphira es nicht verstehen konnten, schien er dem kleinen Licht in seiner geschlossenen Hand etwas zu sagen, denn als er es darauf wieder frei ließ und es hinauf zu den anderen Lichtern schoss, erstrahlte der Saal plötzlich in gleißendem Licht. Die beiden mussten sich die Hände vor die Augen halten, so hell war es plötzlich geworden. Einige der blühenden Pflanzen begannen sich zu regen. Sie zogen sich zurück, raus aus dem Licht in die wohl angenehmere Dunkelheit innerhalb der Baumrinde. Dabei setzten sie feinen Staub frei, welcher in kleinen Wölkchen glitzernd zu Boden rieselte.

Saphira schien fasziniert. Ihre Augen leuchteten, als sie ihre Hand hinunternahm und zusah, wie der Blütenstaub hinunter schwebte. „Wow, das ist wirklich wunderschön hier…“, hauchte sie gebannt und riss ihren Blick nur widerwillig von den Staubwölkchen los, um weitere Eindrücke zu gewinnen. „Sagt, Surai, was sind das für Pflanzen? Ich habe derartige Gewächse noch nie gesehen…“

Der Drow lächelte sanft ihrer unschuldigen Faszination wegen.

„Diese Pflanzen sind nichts Besonderes. Sie fanden den Weg durch die Rinde des Baumes herein und verbreiteten sich folglich überall hin. Einige ziehen die Dunkelheit vor, andere stört es nicht, wenn es heller wird. Den Blütenstaub den sie verlieren kann man auch als Verzierung für Gerichte verwenden, er schmeckt zuckersüß, sieht mit seinem Leuchteffekt also nicht nur schön aus“, erklärte er ihr und sah hinauf zu einem hin und her wabernden Schwarm der glitzernden Lichter, worauf er nun deutete. „Das sind Lichtfeen. Sie spenden das Licht, welches uns durch wenige Fenster verwehrt bleibt, was aber niemanden stört. Nun, wir ziehen die Dunkelheit eben vor.“ Er lachte leise, über ihren entsetzten Ausdruck hervorgerufen durch seine Worte, dass die Drow die Dunkelheit vorziehen würden. Doch bei dieser dunklen Haut, überlegte sie, ist es nicht verwunderlich.

Gon kam sich vor, als wäre er gar nicht da. Surai beachtete ihn kaum bis gar nicht und behandelte ihn wie Luft. War ihm aber auch ganz recht, so musste er wenigstens nicht den Mund öffnen. Es wären keine netten Worte daraus gekommen. Inuka hatte vollkommen Recht was Surai anging. Er war seltsam. Gon mochte es nicht zugeben, doch hatte Inuka ein gutes Gespür für ominöse Gestalten. „Also, folgt mir bitte, schweigend.“ Er wandte sich um und ging nun auf eine von Pflanzen überwucherte Wand zu. Als sie nähertraten, stellte sich heraus, dass es ein Vorhang aus Ranken war, welcher sich durch eine Armbewegung Surais öffnete und den Blick auf einen weiteren Saal freigab; dem Thronsaal. Aufrecht und zielstrebig marschierte Surai hinein, Saphira trippelte ihm hinterher. Trotz seines Unmuts und dem Drang widerstehend Saphira zu packen und abzuhauen, folgte Gon ihm und ihr.

 

Kaum waren sie vor der Oberin zum Stehen gekommen, sank Surai auf die Knie und neigte sein Haupt. Sich über diese unterwürfige Geste wundernd blickte Gon auf Surai runter. Warum verneigte sich der der Sohn vor seiner Mutter? Standen sie nicht in etwa auf der gleichen Machtstufe? Ein wenig wusste er über die Drow Bescheid, allerdings nicht genug, wie er feststellen musste.

Surai erhob sich wieder und sah zu seiner Mutter hoch. „Dies sind Lady Saphira und ihr Gefährte, Gon. Es gehört noch eine junge Frau zu der Lady, jedoch zog sie es vor, im Ort zu bleiben. Ich möchte Euch bitten, Lady Saphira und dem jungen Mann an ihrer Seite für diese Nacht Unterkunft zu gewähren. Sie haben mein vollstes Vertrauen erlangt.“ Die Oberin horchte aufmerksam den Worten Surais. Als dieser endete, erhob sie sich und starrte herrisch zu ihnen hinunter.

„Ich erkenne einen Engel und einen gewöhnlichen Menschen, Surai. Dem Engel sei es gestattet, wir pflegen den Waffenstillstand mit dem Volk der Engel. Dem Menschen aber erlaube ich keinen Aufenthalt, er ist es nicht wert und Menschen sind nicht vertrauenswürdig.“ Ihr Blick verweilte auf Saphira, welche errötend und schüchtern lächelte.

„Aber... Gon ist mein Freund. Bitte erlaubt auch seinen Aufenthalt.“

„Wir pflegen keine Freundschaften, Lady Saphira. Ich weiß aber, dass Euer Volk viel Wert auf diese emotionale Bindung zueinander legt. Es sei Euch gestattet. Ich werde jedoch nicht für seine Sicherheit oder die dieser Mischkreatur, welche Ihr außerdem mitgebracht habt, Sorge tragen.“

Saphira schien erschrocken. Ihr liebliches Lächeln erlosch augenblicklich.

Wieder senkte Surai sein Haupt. „Mein Dank sei dir gewiss, Mutter Oberin.“ Er blickte zu Saphira hin, welche wie vor den Kopf geschlagen dastand und die herrische Priesterin anstarrte, die sich gerade wieder niederließ und sie nun ignorierte. Vorsichtig nahm er ihre Hand und trat langsam rückwärts wobei er sie mit sich zog, bis er sich mit ihr umdrehte und davon ging. Gon war glücklicherweise so schlau gewesen dem Blick der Oberin auszuweichen und Surai kommentarlos alles nachzutun.

Sobald sie draußen vor dem Thronsaal standen und der Rankenvorhang sich wieder geschlossen hatte, richtete Surai das Wort an den eingeschüchterten Engel. „Es tut mir leid, dass es Euch so erschrocken hat, Saphira. Ich sehe, dass Ihr dieses nicht erwartet hattet. Aber seid gewiss, dass ich nicht auf diese Weise von Euch und Euren Gefährten denke, wie es die Oberin tut.“

Sie nickte etwas erleichtert, doch nach wie vor schien es sie zu beschäftigen. Surai erkannte, dass er sie ablenken musste von den düsteren Gedanken, die die Worte seiner Mutter in ihr wachgerufen hatten.

„Darf ich euch nun eure Zimmer zeigen?“, fragte er und wedelte mit der Hand eine wohl sehr aufdringliche Lichtfee weg, die eben heran geflogen war und ihm an seinem Haar zog und zupfte. „Sinia, jetzt nicht… Hör auf“, sagte er leise aber bestimmend, fing die Fee ein und hielt sie in den zu einer Höhle geformten Händen. Entschuldigend sah er zu Saphira und Gon und wartete auf eine Antwort.

Saphira versuchte einen Blick auf Sinia zu erhaschen, während sie Surai antwortete ohne ihn anzusehen.

„Ja, ich würde mich gerne ausruhen. Es war schließlich ein langer Weg.“ Sie deutete auf Surais Hände. „Eine der Lichtfeen… Ihr Name war Sinia, richtig?“

Verlegen dreinschauend nickte Surai. „Ja, ich habe mich ein wenig mit ihr angefreundet, seitdem sie mich andauernd neckt…“ Ein Lachen folgte seinen Worten. „Besonders dann, wenn ich schlecht drauf bin... Dann sorgt sie dafür, dass ich wieder lachen kann. Ich danke es ihr immer wieder...“ Lächelnd ließ er die Fee wieder frei, welche sich mit einem ausladend geflogenen Schlenker wieder in sein Haar setzte. „Also gut, lasst uns gehen.“ Er winkte sie mit ihm zu kommen und ging eine, mit moosbewachsenen Stufen ausgestattete Treppe hinauf. Einen langen Flur ging es entlang und schließlich folgten sie dem Drow in den nördlichen Flügel wo erneut ein langer Flur auf sie wartete.

Endlich, nach einem wohl unendlich erscheinenden Marsch blieben sie vor einem tiefgrünen Rankenvorhang stehen. „So, das wäre das Gemach der Lady“, sagte er und zwinkerte Saphira zu. „Der Vorhang öffnet sich wirklich nur dem, dem Ihr den Eintritt erlaubt. Ansonsten bleibt er geschlossen und gewährt Euch Privatsphäre.“

„Oh… Das ist sehr nützlich.“ Den Vorhang musternd nickte sie. „Ihr habt ein wirklich beeindruckendes Heim. Mein Vater wäre begeistert, wenn er das sehen könnte. Er schätzt Euer Volk wirklich sehr, müsst Ihr wissen…“, sprach sie und lächelte anerkennend.

„Tatsächlich?“ Surai kicherte erstaunt über Saphiras Aussage. „Nun, normalerweise werden wir gemieden, da wir als ein eher kriegerisches und düsteres Volk der Elfen angesehen werden, welches der Wahrheit entspricht, wie Ihr mitbekommen habt. Wir sind... skrupelloser als andere... Aber wie dem auch sei...“ Es schien ihm unangenehm zu sein, also bedeutete er Saphira an den Vorhang zu treten und ihn zu berühren. Sofort bildeten sich große, rosenähnliche und rein weiße Blüten auf den Ranken, die sich zurückzogen und zu beiden Seiten an die Wand schmiegten. Zum Vorschein kam ein Zimmer mit einer aus ebenso weißen Blüten bestehenden Decke und einem Wurzelgeflecht mit darauf befindlichem, dichtem Moos als Bett. „Bitte, tretet ein, Saphira. Macht es Euch gemütlich. Die Feen werden sich nach Euch richten und das Licht dämmen, wenn Ihr es wünscht.“

„Das ist wahrlich ein schönes Zimmer“, staunte Saphira und trat ein. Doch drehte sie sich noch einmal um und verneigte sich kurz vor Surai. „Vielen Dank für die Unterkunft. Wir stehen tief in Eurer Schuld. Wenn es etwas gibt, dass ich für Euch tun kann, sagt es nur.“ Sie lächelte. Surai erwiderte ihr Lächeln und winkte ab.

„Keine Ursache, Saphira.“ Zu Gon gewandt, sagte er: „Wenn Ihr mögt, könnt Ihr das Zimmer direkt neben Saphira haben, sollte es euch beiden genehm sein. Es ist wohl das Beste, wenn Ihr in ihrer Nähe bleibt, Gon.“ Einige Schritte trat er zurück und neigte den Kopf ein wenig. „Ich werde mich nun zurückziehen. Neben den Betten befinden sich Glockenblumen. Wenn ihr Wünsche habt, einfach Läuten“, erläuterte er noch, lächelte ein letztes Mal und ging.

Gon wünschte Saphira eine gute Nacht und trat an den Vorhang links neben ihrem heran. Seine Blumen wurden feuerrot, sobald sie erschienen, ehe sich die Ranken für ihn öffneten und er eintrat.

Er sah sich um und musste sich selber eingestehen, dass es doch recht schick war. Seine Inspektion wurde aber unterbrochen, denn etwas krabbelte an seiner Wange entlang. Sein erster Gedanke war, dass es wohl ein Insekt war. Bei all den Pflanzen konnte er sich vorstellen, dass es das reinste Paradies für die Krabbelviecher sein musste. Doch als er die Hand hob, um das vermeintliche Insekt abzuwischen, spürte er, dass es ziemlich warm und weich war. Verwundert blickte er in seine Hand und erblickte winzige kleine Flügel, die dem eines Insekts glichen. Doch der kleine Körper sah wie der eines Menschen aus. Es war eine der Lichtfeen, die ihn an der Wange gekitzelt hatte. Verwundert blickte er das minimale Wesen an. „Was ist denn los?“, fragte er sie, als sie auf die kleinen Beine sprang, sich abstieß und zum noch offen stehenden Ausgang flog, wo sie hin und her flitzte. „Soll ich dir etwa folgen?“, war seine nächste Frage und die Fee, nun nur noch ein kleiner, leuchtender Punkt, hüpfte auf und ab, so, als würde sie nicken. Gon, der sowieso noch nicht müde war, zuckte gleichmütig die Schultern und ging dem tanzenden Lichtpunkt nach.

Lange führte er sie umher, durch die verschlungenen Flure des Baumes, bis sie schließlich stehen blieb. „Hm? Sind wir da?“ Er sah sich um, erblickte aber nichts weiter, als glattes Holz, einige ineinander verschlungene Pflanzen und Bildnisse wohl schon verstorbener Drow. „Und was soll hier sein?“ Die Fee antwortete ihm nicht, anscheinend war sie nicht dazu fähig oder zog es vor, nicht mit ihm zu sprechen. Vielleicht verstand er sie auch nicht, überlegte er. Urplötzlich flitze sie wieder los und Gon musste sich beeilen sie nicht aus den Augen zu verlieren, so flink war sie.

Als er um eine Ecke bog, befand er sich mit einem Mal in einem sehr dunklen und kalt wirkenden Raum. Feucht war es hier, denn seine Schritte verursachten ein seichtes Platschen, so als würden sich Pfützen hier gebildet haben. Die Fee blieb am Ende dieses Raumes stehen und erhellte ein recht matt wirkendes Gesicht, welches Gon inzwischen gut kannte. „Inuka!“ Er eilte zu der jungen Söldnerin und erkannte, dass sie von glitschigen Ranken festgehalten wurde. Die nass wirkenden Pflanzen hatten sich um ihren gesamten Körper geschlungen. „Inuka… Was ist passiert?“, fragte er und trat näher an sie heran. Inuka sah auf und blinzelte verwundert.

„Habe ich also doch richtig gehört…“ Sie warf der Fee einen vorwurfsvollen Blick zu. „Jemanden anderes konntest du wohl nicht auftreiben, wie?“, murmelte sie dem kleinen Wesen zu und sah schließlich wieder zu Gon. „Ich weiß es auch nicht! Ich hatte mich umentschieden und bin euch hinterher. Die Wachen am Portal nahmen mich in Gewahrsam und führten mich der obersten Priesterin vor, die mich seltsamerweise als die dritte Begleiterin von Saphira erkannt und hier hoch geschickt hat. Sie meinte, ich würde euch schon finden. Ich hätte es besser wissen müssen, ihr Lächeln war alles andere als freundlich. Während ich hier herumirrte und sie lauthals verfluchte, packten mich plötzlich diese Ranken und zogen mich hier rein. Die Dinger scheinen mich nicht gerade zu mögen...“ Sie zog ein wenig an den natürlichen Fesseln, die sich um ihren Arm geschlungen hatten. „Jedenfalls hänge ich hier schon seit einer ganzen Weile fest.“ Sie versuchte tief Atem zu holen, doch die Ranken um Brust und Bauch waren wohl zu fest. „Bitte hilf mir…“, bat Inuka ihn. Gon erschrak bei ihrer matten Stimme. Sie war wohl schon zu lange eingequetscht und verlor langsam das Bewusstsein. Also trat Gon noch ein Stückchen näher und musterte die Ranken.

„Keine Angst… Ich mach das schon… In null Komma nichts bist du wieder frei.“ Er legte die Hände an die tatsächlich glitschigen Pflanzen und zog daran. Doch bewegten sie sich kein bisschen. Schnell überlegte Gon, er musste sich beeilen, was ihm ein Blick auf Inuka verriet, die inzwischen den Kopf wieder hängen ließ und nur noch flach atmete.

Schließlich fiel ihm eine passende Melodie ein. Er nahm seine Laute und begann darauf zu spielen. Die Musik floss sanft aus dem Instrument und nahm eine leuchtend orange Farbe an, welche sich um die Ranken legte worauf diese verbrannten. „Das müsste klappen…“, murmelte er und spielte weiter. Er achtete sorgfältig darauf, Inuka nicht zu verletzen.

 

Dann, endlich, war sie frei und fiel vornüber in seine Arme. Hastig legte er die Laute an ihrem Lederriemen über seinen Arm, um sie auffangen zu können. „So… Siehst du? Hab ich doch gesagt, schon bist du frei“, sprach er leise mit ihr.

Erschöpft sah Inuka zu ihm hoch und ließ sich auf die Knie sinken. „Wie... War das eben Feuer, das aus deiner Harfe kam?“, fragte sie bedröppelt und sah verwirrt zu ihm auf. Noch ehe er antworten konnte, kam die Fee angesurrt und begann, an Inukas Haar zu ziehen. „Ach ja, richtig… Gon, leih mir doch bitte kurz deinen Dolch“, bat sie Gon und verzog das Gesicht etwas, wegen des Schmerzes, den die Fee mit dem Ziehen und Zupfen verursachte. Gon zog unverständlich dreinschauend seinen Dolch aus der kleinen Scheide an seiner Hüfte und reichte ihn Inuka. Diese hob den Dolch an ihr Haar und schnitt eine kleine Strähne davon ab, die sie der Fee reichte, welche sofort damit wegflog und Freudentänze vollführte. „Ich hoffe das reicht und du gibst endlich Ruhe“, sagte die Söldnerin zu der Fee und gab Gon seinen Dolch zurück, der noch immer unverständlich dreinschaute. Inuka erklärte es ihm. „Sie war es, die mich sofort hier gefunden hat, sobald ich erst einmal hier gelandet war. Die ganze Zeit über schien es mir, als wolle sie eine Strähne meines Haars haben. Also habe ich ihr gesagt, wenn sie Hilfe holen würde, würde ich ihr als Belohnung eine Strähne geben. Frag mich aber nicht, wozu sie diese brauchen wird.“ Ratlos zog sie die Schultern hoch und ließ sie wieder fallen. Sie hatte nun endlich wieder Farbe im Gesicht und machte Anstalten, aufzustehen. Gon half ihr dabei und stützte sie.

„Na ja, wer weiß. Vielleicht sammelt sie Strähnen von hübschen Mädchen.“ Er lachte leise und sahnte ein schwaches Lächeln von Inuka ab. Da fiel ihm die Sache mit seinem Feuer ein. „Ach ja, wegen des Feuers. Du musst wissen, ich beherrsche das Feuer mit Hilfe der Musik. Es gehorcht mir wann und wo ich spiele. Ich kann Flammen herbeirufen oder große Feuerstürme erzeugen…“, erklärte er, offensichtlich voller Stolz. Beinahe unwillig ließ Inuka sich von ihm stützen.

„Ich wusste doch, dass du kein gewöhnlicher Mensch bist“, verriet sie ihm und lächelte wieder. „Wie kommt es eigentlich, dass du das kannst?“

„Na ja… Ich habe einen Bund geschlossen mit dem Feuer. Ich kann es mein Leben lang kontrollieren und dafür wird meine Seele nach dem Tod in das ewige Feuerreich übertreten und es somit stärken… Aber bis dahin habe ich ja noch Zeit… Und außerdem liebe ich das Feuer und die Musik! Es ist einfach unbeschreiblich.“ Inuka lächelte ihn zwar an, keuchte jedoch gleich danach schmerzhaft. „Was jetzt aber viel wichtiger ist, bist du. Du bist erschöpft und solltest dich ausruhen. Lass uns auf mein Zimmer gehen, dort kannst du dich hinlegen“, schlug er vor. Als Antwort bekam er nur ein Nicken. So arbeitete er sich mit ihr zu seinem Zimmer zurück, welches er wohl nur dank der Fee wiederfand.

Inuka löste sich von Gon sobald sie das Zimmer vor sich hatten und sich die Blüten der Ranken nun Gold und Rot färbten. „Hm, Geschmack haben sie ja…“, gab sie angesichts der goldenen Blüten zu, ging hinein und zum Bett, wo sie sich hinlegte und wohlig seufzend ausstreckte. „Wunderbar weich, nach einer solchen Tortur…“, nuschelte sie und entspannte sich.

Gon war erstaunt, als sie ihm erlaubte zu ihr ins Bett zu kommen, da dieses doch breit genug für zwei sei. So legte er sich zu ihr, wünschte ihr eine gute Nacht und schlief schließlich ein.

 

Während Gon Inuka aus den glitschigen Ranken befreit und sie auf sein Zimmer gebracht hatte, hatte Surai sich damit beschäftigt sämtliche Kleidungsstücke abzulegen, sich zu waschen, ein Buch über die Magie der Menschen zu lesen und schließlich die Feen darum zu bitten, ihr Licht runter zu dämmen.

Todmüde schloss er die Augen und war im Begriff einzuschlafen… wäre da nicht der Schatten gewesen, der sich langsam aus der hölzernen Wand löste und Surai die Augen wieder öffnen ließ. „Mélle, heute nicht…“, sagte Surai leise, aber deutlich. Der Schatten glitt ins Dämmerlicht der Feen und entpuppte sich als ein weibliches Wesen mit ebenso schwarzer Haut, wie die Drow sie hatten. Doch unterschied es sich doch sehr vom Aussehen. Denn es hatte fledermaus-artige Flügel, die ihm aus dem Rücken ragten, lange, Krallen besetzte Finger und schillernd gelbe Augen mit sichelförmigen Pupillen. Es war vollkommen nackt… und es kroch langsam zu Surai aufs Bett, der genervt stöhnte. „Damit meine ich NEIN!“, sagte er nun lauter, machte eine schnelle Bewegung mit der Hand und beförderte das Wesen mit einem lauten Knall aus dem Bett. Es landete auf dem Boden, einige Meter vom Bett entfernt und zischte mit herausgestreckter, spitzer Zunge aufgebracht Surai an, wonach es einfach verschwand. „Geht doch…“, nuschelte Surai zufrieden, legte sich entspannt auf den Bauch und schlief endlich ein.

 

Inukas und Gons Schlaf aber sollte nicht von langer Dauer sein, denn im Nebenzimmer erwachte Saphira aus einem Alptraum.

Erschrocken stand sie auf und trat ans Fenster, mit dem Drang nach frischer Luft zu schnappen. Gerade hatte sie sich entspannt auf dem Fenstersims aus Holz abgestützt, als ein Pfeil knapp an ihr vorbei ins Zimmer zischte. Überrascht aufschreiend stolperte Saphira zurück, sah zu dem Pfeil, welcher nun in einer Wurzel ihres Bettes steckte und blickte dann aus dem Fenster. „Hallo… Ist da wer?“, fragte sie in die vollkommene Stille unter dem Fenster. Es ging nicht tief hinunter, doch konnte sie niemanden erkennen.

 

Inuka schrak auf. Sie hatte Saphira gehört. Also sprang sie aus dem Bett und eilte hinaus. Der gold und weiß schimmernde Vorhang zu Saphiras Zimmer öffnete sich bereitwillig, als Inuka darauf zu hechtete. Schließlich war sie im Zimmer ihres Schützlings angekommen und fand Saphira verängstigt am Fenster vor. „Mylady, was ist passiert?“, fragte sie erregt und erfasste den Pfeil. „Verfehlt…“, murmelte sie und sah wieder zu dem Engel.

„J-ja, wenn auch nur knapp“, bestätigte Saphira. „Oh, ich bin so froh, dass ihr hier seid!“, fügte sie dann hinzu, als auch Gon völlig verschlafen hereingestürmt kam und wie angewurzelt stehen blieb.

„Was’n los hier?“ Saphira deutete aus dem Fenster.

„Da scheint mich wohl jemand nicht zu mögen.“ Inuka trat näher, schob den Engel mit sanfter Gewalt von dem Fenster weg und übergab sie Gon, der sie zum Bett geleitete, wo sie sich niederließ. Prüfend und äußerst vorsichtig sah Inuka hinaus.

„Wer es auch war, er oder sie scheint weg zu sein…“ Sie lauschte angestrengt. „Ich kann niemanden hören.“ Sie ging zum Bett und zog den Pfeil aus dem Wurzelholz. „Seltsam…“, kam es leise von ihr, als sie ihn sich genauer ansah. „Sieht aus, wie einer von denen, die ich damals nutzte. Weder menschliche, noch elfische Schnitzarbeit.“ Mit kennendem Blick drehte sie ihn zwischen ihren Fingern, hob ihn näher zu ihren Augen. „Sehr fein verarbeitet… Er sieht mir nicht wie ein Pfeil aus, der zum Töten gedacht war. Und…“ Sie fuhr mit einem Finger den Pfeil entlang und hielt ihn dann senkrecht vors Gesicht. „Er hat eine Kurve. Er sollte dich verfehlen, Saphira, das war reine Absicht.“

„Und was sollte das bezwecken?“, fragte Saphira absolut ratlos und noch immer etwas zitternd. „Das ist doch recht seltsam, oder nicht? Wie konnte jemand Fremdes durch das Tor dieses Volkes hier hinunter gelangen?“ Inuka konnte nur mit den Schultern zucken, lehnte sich etwas weiter weg an die Wand in den Schatten und betrachtete den Pfeil erneut.

„Hast du eine Idee, Gon?“ Ihr Blick hob sich und richtete sich fragend auf Gon. Doch war dieser auch ratlos, da er sich mit der Arbeit von Pfeilen nicht auskenne und auch sonst nicht wüsste, wer es auf Saphira abgesehen haben könnte. Doch da bückte sich Inuka auch schon und hob etwas hoch. „Ein Brief, vermute ich. Du solltest ihn lesen.“ Sie reichte ihn an Saphira weiter, die ihn entgegen nahm und las.

„Nein!“, rief sie erschrocken und ließ den Brief fallen. „Sie haben meinen Vater! Und… sie verlangen einen Tausch.“

„Wann und wo?“, erkundigte sich die Söldnerin besorgt.

„Morgen um Mitternacht, auf einer Lichtung zwei Stunden von hier.“ Sie schwieg kurz und sah dann mit einem schuldbewussten Gesichtsausdruck auf. „Da… gibt es noch etwas, was ich euch vielleicht sagen sollte…“ Gon hatte bisher schweigend zugehört, doch nun wurde auch er hellhörig.

„Was denn, Saphira?“

Der Engel schluckte einmal, ehe er antwortete. „Na ja… Dass mein Vater ein Hohepriester war, wisst ihr ja schon. Doch meine Mutter, Gott hab sie selig, war die Herrscherin meines Volkes.“

„Was so viel bedeutet, dass wir es hier mit einer Prinzessin zu tun haben“, schloss Gon und fasste sich verblüfft an den Kopf. „Irre… und das sagst du uns erst jetzt.“

„Entschuldigt, dass ich es euch verheimlicht habe… Wenn ihr einen Beweis wollt…“ Sie legte die Hände aneinander, murmelte leise Worte und schloss die Hände schließlich um den Griff eines großen, leuchtenden Schwertes. Sie drehte es geschickt und zeigte ihnen die bläulich schimmernde Klinge. „Das heilige Schwert meines Volkes, der Engel.“ Nun klappte Gon das Kinn hinunter. Inuka aber, gefasst wie eh und je, ging um die Klinge herum zu Saphira und sah sie fest an.

„Die Klinge von Adlehyde... Interpretiere ich dein Schweigen richtig, dass du uns nicht vertraut hast?“, fragte sie und blickte den Engel misstrauisch an.

„N-nein, das ist nicht richtig“, stammelte sie leise und ließ das Schwert und den Kopf sinken. „Ich wollte euch nicht in Gefahr bringen. Je weniger ihr über mich wisst, desto sicherer ist es für euch.“

Inuka rollte die Augen. „Dummkopf!“, und schnippte ihr mit den Fingern gegen die Stirn. „Gon und ich sind doch dazu da auf dich aufzupassen. Auch wenn wir dich noch nicht lange kennen…“ Sie stemmte die Hände in ihre Hüften. „Wir sind unverwüstlich und beim nächsten Mal, Saphira, sag es uns doch bitte direkt.“ Sie lächelte den Engel an.

Saphira nickte, nun auch wieder lächelnd. „Aber versprecht mir, dass ihr auf euch Acht geben werdet. Ich möchte nicht, dass euch etwas geschieht.“ Sie sah von Inuka zu Gon, der sie angrinste.

„So lange ich dabei bin, kann nichts passieren“, meinte er und ließ voller Stolz einige Flammen auf seinen Handflächen erscheinen, mit welchen er jonglierte.

Inuka winkte in Gons Richtung. „Ach, Gon ist wirklich zäh. Und wenn es um mich geht, nehme ich ihn einfach als Schild.“ Ein freches Grinsen galt ihm, ehe sie Saphira zuzwinkerte. „Ich bin eine ausgebildete Schwertkämpferin. Zu irgendetwas muss meine lange Ausbildung doch gut sein.“

Sie klatschte in die Hände, das Ende dieses Themas einläutend. „Also gut, wir sollten uns so langsam Gedanken darüber machen, was wir tun sollen.“ Nickend ließ Saphira das Schwert wieder verschwinden und setzte sich neben Gon auf das Bett.

„Würde ich mich politisch verhalten, würde ich nicht darauf eingehen. Doch… möchte ich nicht auf diese Weise meinen Vater verlieren“, sagte sie nachdenklich. „Ist das… egoistisch meinem Volk gegenüber?“ Inuka und Gon versicherten ihr, dass es keineswegs egoistisch und völlig normal wäre. Die Söldnerin sah hinaus über den Garten hinweg.

„Der Wald hier ist um einiges dunkler, als der Rest. Die dunklen Auren aus dem Osten, vermutlich von Dämonen, haben sich zu einer Art großen schwarzen Wolke vereint. Scheinbar waren sie es, die dir diesen Brief zukommen ließen. Dennoch konnte keiner von ihnen hierher gelangen, ohne entdeckt zu werden... Es wird nicht ganz einfach sein, sich in ihr Lager zu schleichen.“

Saphira fiel aus allen Wolken. „Nein! Inuka, das ist viel zu gefährlich!“, brauste sie auf, war sogar aufgesprungen. Doch Inuka grinste nur.

„Wer sagt denn, dass ich alleine gehen werde?“, fragte sie und griff zeitgleich nach Gons Arm um diesen hochzuziehen. „Er wird doch sicher gerne mit mir kommen… Nicht wahr, Gon?“ Sie wuschelte ihm durchs Haar. Gon sah genervt drein.

„Ja ja, kein Problem, aber lass meine Haare in Ruhe.“ Saphira lachte ein wenig über sein Gesicht, verstummte aber auch gleich wieder und wurde ernst.

„Okay, ich komme auch mit. Keine Widerrede!“ Sie hob die Hand um Inukas Einwurf fernzuhalten.

„Gut, wenn du es so willst, Saphira.“ Sie wandte sich an Gon. „Glaubst du, ich werde es schaffen uns drei da rein zu schleusen?“, fragte sie. Gon nickte nur, was Inuka zu reichen schien.

„Wir werden das schon machen, Saphira“, sagte er dann selbstsicher und von seinen Fähigkeiten überzeugt. Inuka verriet ihm leise, dass er ihr so um einiges besser gefiele, als wenn er so unsicher war. Er erinnerte sie daran, wie er sie ziemlich selbstsicher von den ‚Killerpflanzen‘ gerettet hat. Inuka gab schmollend zurück, dass sie doch keine Angst vor einigen Pflanzen hätte.

„Außerdem könnte ich Surai bitten, sie zurückzupfeifen. Auch wenn ich ihn nicht ausstehen kann.“ Gon lachte belustigt und wandte sich schnell ab, aus Inukas Reichweite.

„Also gut, dann lasst uns am Besten gleich jetzt aufbrechen!“ Sie schritt auf den sich wieder geschlossenen Vorhang zu. „Glaubt aber ja nicht, dass ich im Kampf nichts ausrichten kann. Ich werde schon auf mich selber Acht geben kö-„ Der Vorhang öffnete sich und Surai kam herein. Halb zu Tode erschrocken sprang Saphira zurück und ließ einen spitzen Aufschrei von sich hören, ehe sie die Hände auf den Mund presste und Surai anstarrte. „Herr Gott noch mal, Surai!“

Surai trat ein und verbeugte sich. „Verzeiht, Lady Saphira, dass ich Euch erschreckt habe.“ Er richtete sich wieder auf, verschränkte die Arme vor der nackten Brust und warf sein Haar zurück. Seine im Halbdunkel roten Augen glitten von Saphira zu Inuka und Gon. „Nun, ihr wollt mich schon verlassen? Was ist denn eigentlich passiert, dass ihr einen solchen Lärm veranstaltet?“, fragte er nun feixend und sah schließlich wieder Saphira an.

Inuka blieb unversehens der Mund offen stehen. Surais doch recht gut gebauter Körper schien Eindruck bei ihr zu schinden und sie gestand sich ein, dass dieser Bastard verdammt gut aussah. Bis sie sich wieder gefasst hatte, glitt ihr Blick nicht nur einmal von seinem feixenden Gesicht zu seiner Brust und seinen Armen. Sie fand es doch ziemlich schade, dass er lediglich an Saphira Interesse zu haben schien. Langsam ging sie zu Saphira und stellte sich wieder ganz bei der Sache neben sie. „Familiäre Probleme würde ich sagen.“ Wenige Worte nur. Sie war nicht der Meinung, dass ausgerechnet er mehr darüber erfahren sollte, zumal es sie entsetzte, dass er einfach so hereinplatzen konnte, wo es doch hieß, die Vorhänge würden Privatsphäre und nur dem, der hier wohnte Einlass gewähren, was übrigens auch auf sie und Gon zutraf. Doch Saphira machte ihr einen Strich durch die Rechnung.

„Oh, Surai, wir verlassen Euch nur ungern, jedoch wurde mein Vater von Unbekannten entführt und sie verlangen mich zum Tausch gegen ihn.“

Inuka seufzte verdrießlich. „Manchmal würde ich mir wünschen du seist etwas weniger zutraulich, Mädchen…“, flüsterte sie Saphira zu, sagte aber nichts weiter und wartete ab. Der Drow zog gelassen eine Augenbraue in die Höhe.

„Euer Vater, sagt Ihr… War er ein bedeutender Mann?“ Ernst beobachtete er den Engel, winkte dann aber ab. „Tja, wie ihr wollt. Vielleicht kann ich euch einen letzten Gefallen erweisen. Bitte wartet noch ein wenig, ich ziehe mir nur eine Kleinigkeit an.“ Inuka folgte ihm mit einem belustigten Blick. Er wolle sich eine Kleinigkeit anziehen… Lediglich in Hosen hatte er ihr schon besser gefallen.

Schnell kehrte er zurück, damit beschäftigt seinen Waffengürtel zu richten. „Also, ich werde euch mit Pferden ausstatten. Ist eine schnellere und bequemere Sache. Ihr solltet schließlich bei vollsten Kräften sein, sollte es zum Kampf kommen. Folgt mir bitte...“ Er war gar nicht erst ins Zimmer gekommen, so ging er also einfach weiter den Flur entlang. Nun war sich Inuka aber sicher, dass dieser Kerl verrückt sein musste. Schnell sprang sie aus dem Zimmer.

„Das ist keine gute Idee… Pferde sind zu laut, sie würden uns verraten!“, machte sie ihn hinterherrufend aufmerksam, verlor ihn aber sogleich aus den Augen, als er um eine Ecke bog. Als auch sie um die Ecke lief, blieb sie plötzlich stehen. Er war verschwunden. Sich umblickend und nach ihm suchend ging sie langsam weiter und regte sich murmelnd über ihn auf. Mit einem Mal aber hörte sie ihn.

„Unsere Pferde sind durchaus für die Nacht geeignet, besonders leise, versteht Ihr? Glaubt Ihr ernsthaft, wir haben normale Pferde?“ Er trat aus dem Schatten neben ihr heraus, einen schwarzen Umhang richtend. Seine Haut, der Harnisch und nun der Umhang mit der Kapuze die sein weißes Haar bedeckte, hatten ihn perfekt getarnt. Lächelnd deutete er an Inuka vorbei zu ihrer linken Seite. Sie folgte seiner Deutung, erkannte jedoch nichts Besonderes. Gerade wollte sie fragen, was denn da sein solle, als er an ihr vorbei ging, die Hand im Schatten an die Wand legte, in der Sprache der Drow zu murmeln begann und sich schließlich ein weiterer Vorhang aus schwarz glänzenden Pflanzen öffnete. Eine in absoluter Dunkelheit liegende Treppe wurde frei. „Bitte, nach Euch, Inuka“, bat er charmant lächelnd und machte eine kleine einladende Verbeugung. Inuka hatte sehnsüchtig zugesehen, wie Surai mit Hilfe dieser Sprache den Vorhang geöffnet hatte. Wäre sie doch auch nur eine vollwertige Dunkelelfe… Dann wäre sie ebenso perfekt wie er und ihr würden weniger Missgeschicke passieren. In Gedanken versunken ging sie also die Treppe hinunter, sich langsam mit den Füßen vortastend, da sie kaum etwas erkennen konnte.

 

Inzwischen kamen auch Saphira und Gon um die Ecke gehetzt und blieben vor Surai stehen, der auf sie gewartet hatte. „Um Eure Frage zu beantworten, Surai… Ja, mein Vater ist ein bedeutender Mann. Er ist der Hohepriester meines Volkes und ich, als seine und die Tochter der damaligen Herrscherin der Engel bin die Prinzessin. Wir sind also beide bedeutende Personen auf einen Schlag“, rasselte sie runter und musste danach erst mal Luft holen. Surai lächelte belustigt über ihre Mitteilungsbereitschaft, dass sie sogar um einiges später auf eine Frage antwortete, die er sowieso abgetan hatte. „Ach so ist das also. Kein Wunder, dass meine Mutter Euren Aufenthalt akzeptierte... Sie weiß natürlich wieder mehr, als ich.“ Er tat als wäre er eingeschnappt, lächelte Saphira kurz darauf an und deutete die Treppe hinunter. „Geht bitte hinunter. Der Stall befindet sich direkt hinter der Wand am Fuße der Treppe.“ Sobald sie und Gon verschwunden waren, betrat auch Surai die Treppe und der Vorhang schloss sich von ganz alleine. Schnell holte er die anderen ein und ging noch vor ihnen hinunter zu Inuka, die bereits vor der angesprochenen Wand stand. Es war ihm ein Leichtes die Treppen zu bewältigen. Entweder, weil er es gewohnt war oder weil er sie einfach dank seiner elfischen Sinne besser erkennen konnte. Wieder seufzte Inuka traurig, als sie seine schnellen Schritte vernahm. Schneller als erwartet kam er dann bei ihr an und kam neben ihr zum Stehen. „So, Inuka, nun öffnet die Wand“, forderte er sie auf. Er zwinkerte ihr zu. Inuka war es unheimlich ihn so deutlich neben sich zu spüren. Sein Oberkörper presste sich in der Enge an ihre Schulter. Sie sah zu ihm hoch und erkannte durch einige winzige Lichtpunkte in der Wand seine dadurch leuchtend roten Augen. Nun verstand sie auch, dass sie im Dunkeln wohl immer rötlich wirkten, wo sie doch eigentlich violett waren. Ziemlich fasziniert ob dieser Tatsache, sah sie wieder auf die Wand und wusste nicht recht, was sie tun sollte. „Ihr könnt es, trotz Eures menschlichen Anteils im Blut.“ Sanfte Worte, die Inuka da vernahm. Er griff nach ihrer rechten Hand und legte sie mit der Handfläche auf die steinerne Wand. Sachte drückte er sie dagegen. „Vertraut Eurem elfischen Blut in Euch... Denkt Euch einfach, die Wand würde vor Eurer Macht weichen und sagt:“ Er flüsterte ihr einige Worte zu und beobachtete sie dann sanft lächelnd. Seine Hand nahm er nicht von ihrer, denn durch diese übertrug er einiges an magischer Kraft auf Inuka, um sie zu unterstützen. Die junge Söldnerin wurde rot und hoffte inständig, dass er es nicht wahrnahm. Sie sammelte ihre Gedanken und sprach schließlich die Worte nach, die Surai ihr zuvor zugeflüstert hatte. Die Wand ruckelte. Staub stob aus ihren Ecken und kleine Steinchen fielen hinunter. Sie öffnete sich. Inuka konnte es nicht fassen, wich erschrocken etwas zurück und starrte die Wand an, wie sie sich langsam zur Seite bewegte und den Weg zum Stall freigab.

„Das… das ist doch…“, stammelte sie fassungslos. Surai lachte leise und stieß sie freundschaftlich mit der Schulter an.

„Seht Ihr. Ihr müsst Euch selber nur vertrauen, Inuka. Nicht alles wird gelingen, aber doch genug.“ Leise kichernd ging er an ihr vorbei in den großen Stall, der durch blau leuchtende, von der Decke hängende, Blütenkugeln erhellt wurde. Er ging an den in Reih und Glied gebauten Boxen vorbei, in welchen die königlichen Pferde standen. „Es sind eigens gezüchtete Pferde... eigentlich Einhörner. Lasst euch von den spitzen Eckzähnen und den leeren Augen nicht verängstigen, sie sind ganz friedlich.“ An einer Box blieb er stehen und trat näher heran. Ein schwarzer, gehörnter Kopf schoss hervor und umfasste mit den langen spitzen Zähnen Surais Arm. Dieser tätschelte dem Tier die Stirn und lächelte liebevoll. „Meine Stute, Laviencé“, stellte er das Tier den anderen dreien vor. Es ließ ihn wieder los und stupste die Nüstern gegen seine Schulter. „Also, sucht euch eines auf der anderen Seite aus. Ach, wenn sich die Augen kurz rot färben, würde ich nicht näher herangehen“, fügte er beiläufig hinzu. „Ich hole eben Zaumzeug.“ Er verschwand in einem entfernteren Raum.

Saphira ging erfreut lächelnd zu Inuka. „Wow, das war wirklich beeindruckend, Inuka!“ Inuka seufzte leise.

„Danke dir… aber…“ Sie sah in die Richtung in der Surai verschwunden war und dachte kurz nach. „Vielleicht ist er doch nicht so schlecht…“, gab sie nun laut zu und lächelte den Engel an. Sie trat an eines der Pferde heran und achtete tatsächlich auf die Augen, welche aber weiß blieben. „Hübsches Wesen…“, meinte sie, das Pferd neugierig betrachtend. Vorsichtig streckte sie ihre Hand nach seinem Kopf aus und durfte es schließlich streicheln, nachdem dieses eine Kostprobe ihrer Hand genommen hatte. „Na, wenigstens scheinen mich eure Pferde zu mögen im Gegensatz zu den Pflanzen!“, rief sie in Surais Richtung, der gerade wieder zurückkam und nickte.

„Ja, unsere Pflanzen mögen keine…“ Er sah auf und überlegte schnell. „Nun… Sie mögen keine Fremden.“ Wieder senkte er den Blick. „So, ich hoffe es wird kein Problem sein. Die Sättel sind ziemlich schwer, um die Leichtigkeit der Tiere auszugleichen. Im Galopp fliegen sie praktisch aufgrund ihrer Leichtigkeit.“ Die Sättel hatte er über die Boxentüren gelegt und die dazugehörigen Zäume dran gehängt. Anschließend ging er zu Laviencé und ließ das Tier absolut lautlos heraustreten. „Wegen ihrer Hufe sind sie wirklich lautlos. Sie sind weich und ergiebig, daher passen sie sich überall an. Ihr braucht euch also wirklich keine Sorgen machen, dass wir unnötigen Lärm machen, selbst eine Armee ist damit um einiges leiser“, erklärte er das nahezu lautlose Gehen, als Saphira gebannt auf die Hufe starrte und horchte. Nun nahm er seinen Sattel zur Hand und warf ihn Laviencé über.

Inuka ergriff wieder das Wort. „Ich weiß, dass sie keine Mischblüter mögen. Leider kann ich aber nichts daran ändern“, meinte sie leicht verärgert, aber nicht bösartig.

Surai runzelte die Stirn, was Inuka nicht sehen konnte, da er ihr den Rücken zugewandt hatte.

„Tut mir Leid“, meinte er dann nur und zurrte den Zaum fest, den er Laviencé angelegt hatte. Er ließ das Tier stehen und ging zu Gon, um an dessen Tier die Schnallen zu prüfen. Dies tat er bei den anderen beiden auch. Im Anschluss schnippte er, öffnete die Stalltüren die nach draußen führten und griff nach Laviencés Zügeln, welche auf sein Zeichen zu ihm gekommen war. Kurz unterhielt er sich mit den davor patrouillierenden Wachen, welche darauf eine Fee aus einem Gefäß entließen die sofort davon surrte. „Okay, die anderen Wachen wissen Bescheid, so können wir unseren Weg durch den Hof ohne zu halten bewältigen.“ Er drehte sich zu den anderen um. „Seid ihr soweit?“, erkundigte er sich und saß auf. Laviencé tänzelte erregt und ließ ein leises Wiehern hören. „Ja, meine Schöne, gleicht geht’s los…“ Er beugte sich zur Seite und schnallte noch einmal die Bügel nach.

Die anderen stiegen ebenfalls auf und kamen zu ihm rüber, als Inuka einen Laut des Schmerzes von sich gab. Sie griff an ihren Rücken und nach kleinen Flügeln. Die kleine Fee von neulich war ihr in den Rücken geflogen und zappelte nun zwischen Inukas Fingern. „Du schon wieder!“

Surai wendete Laviencé und ließ sie zu Inuka gehen. „Wer schon wieder?“, fragte er und erblickte die Fee. „Oh! Sinia! Was machst du denn hier?“ Grinsend beobachtete er die kleine Lichtfee in Inukas Fingern und sah dann zu Inuka hoch. „Nun weiß ich, wie Euer Haar zu mir kam.“ Lachend nahm er ihr die Fee ab, die sofort aufgeregt zu piepsen begann. „Tja, sie hat eine… kleine Vorliebe für Haare.“ Sinia hatte er losgelassen, die sich bereitwillig in seinem Haar niederließ. Laviencé wendend räusperte er sich. „Nun… Ehm… Wollen wir los?“ Nicht auf Antwort wartend ritt er hinaus und eine Art Rampe hinauf. So sah er nicht, wie Inuka misstrauisch eine Augenbraue hob und hinter ihm her kam. Sobald sie die Rampe überwunden und den Vorhof erreicht hatten, hakte Inuka nach.

„Und was will sie damit anfangen?“

„Sie sammelt es“, antwortete Surai kurz und bündig, griff in eine seiner Taschen und zog ein Lederband hervor. Noch einmal schüttelte er sein Haar aus, ehe er es zusammenband, seine Füße aus den Steigbügeln zog und sich nach hinten legte, auf den Rücken von Laviencé, wo er sich streckte. Auf diese Weise konnte er auch einen Blick nach hinten werfen. Grinsend setzte er sich wieder. „Ich übrigens auch.“ Die Zügel wieder aufnehmend und die Füße in die Steigbügel steckend wartete er auf das Donnerwetter. Doch dieses kam nicht.

„Aber… hat sie denn auch ihr Haar genommen?“, fragte Inuka stattdessen und sprach offensichtlich von Saphira. Der junge Drow kicherte sich ins Fäustchen und ließ Laviencé traben. Er warf einen kurzen Blick zurück an Inuka vorbei zu Saphira und Gon, die sich unterhielten.

„Ich könnte ja mal nachsehen, ob ich auch Saphiras Haar habe...“, sagte er dann deutlich, sodass Inuka ihn auch hören konnte. Mit einem Griff unter seinen Harnisch zog er eine der zwei Ketten hervor, an welcher in Reih und Glied winzige Fläschchen befestigt waren und sah darauf nieder. „Ha! Ja, habe welches von ihr.“ Triumphierend lachend ließ er seine Stute in einen leichten Galopp übergehen und steckte die Kette schnell wieder weg. „Warum so sauer, Inuka? Es war doch nur eine Strähne…“, rief er ihr über den entstanden Abstand hinweg zu, lächelte schelmisch und zog eine Augenbraue hoch um sie gleich darauf wieder fallen zu lassen. Eine eindeutig machohafte Mimik, wie Inuka sich dachte.

„So etwas macht man aber nicht!“, rief sie zurück und sah beleidigt zur Seite. „Und wenn Ihr mir die Strähne nicht freiwillig zurück gebt…“ Sie sah wieder auf, verschwörerisch grinsend. „Dann werde ich sie mir halt holen.“

Surai tat erschrocken und riss die Augen auf. „Oh, aber Inuka! Es war doch nur eine Strähne und ich habe den kleineren Teil davon bekommen. Lediglich bis zu fünf Haaren habe ich erhalten. Sinia hat um einiges mehr. Fragt mich aber nicht, wo sie sie aufbewahrt und was sie genau damit vor hat.“ Er sah unschuldig und ratlos drein, doch schlich sich ein herausforderndes Grinsen auf sein Gesicht. „Besonderen Frauen stehle ich ihr Haar, um sie immer bei mir zu haben und mich an sie erinnern zu können. Oder wollt Ihr mir eine ganz besondere Erinnerung schenken, Inuka?“ Da war er wieder, dieser machohafte Ausdruck. „Vielleicht erhaltet ihr dann Euer Haar zurück...“, plausibelte er.

Inuka tat unbeeindruckt und steckte ihm die Zunge raus. „Ich werde sie mir noch zurückholen, wartet es nur ab! Denn ich wüsste nicht, in welcher Weise ich Euch in Erinnerung bleiben könnte.“ Sie sah Sinia hinterher, die sich mit einem ausholenden Bogen hinter Surais Kopf versteckte. „Hey, Kleine! Wenn du mir Saphiras Haar wieder gibst, bekommst du noch eine Strähne von meinem!“ Die kleine Fee schoss hoch und schwirrte schnell hin und wieder her. Surai sah hoch zu ihr.

„Tut mir Leid, Inuka, anscheinend wird sie es nicht tun wollen. Schließlich hat sie ja schon Haar von Euch.“ Ein fieses Grinsen galt Inuka. „Und als eine besondere Erinnerung meine ich einen Kuss oder sogar mehr…“ Sein Blick glitt an ihrem Körper entlang, wobei er sich genüsslich über die Lippen leckte… Als er dann wieder aufsah, spitzte er bewundernd die Lippen und grinste wieder. „Na, wie auch immer.“ Wieder warf er Laviencé herum und galoppierte vorbei an dem breiten Weg, welcher einer Armee vorbehalten war und direkt zum Ausgang führte. Sie aber wollten noch zum Gasthof, also ritt er den Rosenweg entlang zum Marktplatz. Inuka sah ihm beleidigt nach.

„Den Kuss kannst du dir abschminken, du Mistkerl…“, zischelte sie leise für sich, ließ Saphira und Gon an sich vorbeireiten und folgte ihnen dann.

 

Surai reduzierte Laviencés Geschwindigkeit auf einen leichten Trab, um die wenigen Drow, die sich noch auf den Straßen aufhielten, nicht um zu reiten. Gelegentlich grüßte er einige von den Dunkelelfen und hielt dann an einem Pub an.

„Ich werde den Proviant auffüllen.“ Surai stieg elegant ab und ging zu Inuka hin, welche ihm am nächsten war. „Gebt mir bitte Eure Satteltaschen und Wasserschläuche.“ Aber Inuka blickte nur beleidigt zu ihm hinunter, stieg ebenfalls ab und machte sich daran, ihre Taschen abzuschnallen.

„Ich kann selber gehen.“

Belustigt über ihren Ausdruck ging er die Satteltaschen und Wasserschläuche der anderen holen und schließlich zur Tür des Pubs. Er öffnete wohl etwas zu stürmisch die Türe und wünschte laut einen guten Abend. Viele Drow drehten erschrocken die Köpfe, einige kippten sich den Inhalt der eben angesetzten Bierkrüge über das Gesicht. Als sie Surai erblickten, sahen sie schnellstmöglich wieder weg und widmeten sich wieder ihren Gesprächspartnern. Surai räusperte sich verlegen.

„Ja, also… Wir brauchen… Was brauchen wir eigentlich? Irgendwelche besonderen Wünsche, Inuka?“, fragte er mit einem nervösen Lächeln die Söldnerin. Er hatte nicht mit so vielen Gästen gerechnet. Garantiert war der außergewöhnliche Gast in Form eines Engels Schuld an dem vielen Gesprächs- und Diskussionsstoff.

Verwirrt sah Inuka ihn an und dachte nach. „Also, besondere Wünsche nicht… Nur Wasser, etwas zu Essen, wenn möglich frisch! Obst, Gemüse, etwas was sich länger hält und nicht so schnell verdirbt und… Verbandszeug wäre nicht übel. Aber das gibt es hier wohl möglich nicht, oder?“ Surai schüttelte leicht den hoch erhobenen Kopf. Anschließend ging er, die Taschen und Wasserschläuche bei Inuka lassend, hinüber zur Theke. Aller Blicke folgten ihm unauffällig, doch als Surai dann an der Theke stehen blieb, drehte er sich um und machte mit seinem Zeigefinger eine kreisende Bewegung zu den Gästen. Diese drehten sich brav wieder um und begannen erneut sich untereinander zu unterhalten.

„Immer dieses Starren…“, murmelte er leise und ging weiter, hinter die Theke und verschwand in dem Raum im Rücken des Wirtes, der sich ohne weiteres seinen Krügen widmete und Surai nicht beachtete.

 

Eine ganze Weile später kam er mit voll bepackten Armen wieder zurück. „So… Wir haben hier leider nur Äpfel und Karotten, ansonsten Dörrfleisch, was lange hält, drei Brotlaibe und eine Menge Käse und Wurst“, erklärte er Inuka und ließ alles auf einen freien Tisch in einer Ecke fallen. Gleich darauf schnappte er Inuka die Wasserschläuche aus den Händen. „Bin gleich wieder da…“ Und mit einem kurzen Lächeln verschwand er nach draußen hinter das Gebäude.

Gon hatte sich von seinem Pferd hinunter auf einen Stein begeben und beobachtete die vorübergehenden Drow. Surai flitzte an ihm vorbei, in dem Moment, wo Gon sich gerade zu Saphira umgedreht hatte, die neben ihm auf ihrem Pferd saß und hinauf zu dem dichten Blattwerk sah.

Inuka unterdessen kam sich recht unbehaglich vor. Nun, da Surai draußen war, hatten die dunklen Gestalten der Drow ihre Augen auf sie gerichtet und musterten sie interessiert, aber auch angewidert. Surai machte sich derzeitig an der Pumpe hinter dem Gebäude zu schaffen.

Inuka fiel inzwischen auf, dass sich einer ganz besonders für sie zu begeistern schien, denn seine Augen huschten ihren Körper entlang. Missmutig und entnervt warf Inuka ihm einen bitterbösen Blick zu. „Ist irgendetwas, mein Herr, oder wollt Ihr womöglich noch ein Bildnis von mir?“, fauchte sie ihn an und stöhnte mit den Nerven am Ende auf. Sie sehnte sich danach, dass Surai wieder kommen würde. Und das tat dieser auch. Leicht schwitzend vom Wasserpumpen trat er wieder in den Schankraum, Inuka die vollen Schläuche hinhaltend.

„So, das hätten wir auch“, sagte er gut gelaunt, bemerkte dann aber das Starren. Blitzschnell drehte er sich um und sah die Gäste beinahe mitleidig an. „Sagt mal, war ich zu undeutlich vorhin, oder habt ihr Jungs noch nie eine Frau mit heller Haut gesehen? Sie ist doch kein Ausstellungsstück und ihr wisst genau, dass ich das ständige Starren nicht ausstehen kann“, tadelte er seine Untertanen und drehte sich wieder zu Inuka um. „Geht doch… Idioten. Entschuldige, Inuka.“ Freundlich lächelte er sie an, nahm ihr die Taschen ab und füllte sie mit den Lebensmitteln.

„Danke…“, nuschelte Inuka und half ihm beim Verstauen der Lebensmittel. „Ich bin es schon gewohnt angestarrt zu werden, aber auf diese Art und Weise…“ Sie sah aus dem Augenwinkel zu den Gästen hin. Danach lächelte sie Surai an. „Bist wohl wirklich berühmt, als Prinz, wie?“ Ein verlegenes Nicken war die Antwort.

„Ja schon, nur... Es nervt mich manchmal ein wenig, wie sie mich anstarren. Ansehen, schön und gut, aber zu viel von dem Ganzen“, gestand er Inuka und verschloss die letzte Tasche. „Lass uns gehen, ich halte es in einer so stickigen Bude nie lange aus…“ Sie verließen den Pub und traten wieder ins Freie. Surai befestigte einige der Taschen an seinem Sattel, was Inuka ihm an ihrem eigenen Sattel gleichtat. Dann reichte Surai einige weitere an Saphira und Gon weiter.

„Alles in Ordnung, Gon, Saphira?“, erkundigte die junge Frau sich und saß wieder auf. Gon nuschelte, er sei in Ordnung und stieg nach dem Anschnallen der Taschen wieder auf sein Pferd, Saphira blickte verträumt auf Inuka und nickte.

Surai machte es sich indessen in seinem Sattel gemütlich und regte sich über sein Haar auf. Es hatten sich einzelne Strähnen aus seinem Zopf gelöst, die ihm jetzt ins Gesicht hingen.

„War ja klar… Widerspenstiges Zeug…“, ärgerte er sich kaum hörbar, ließ es aber so durcheinander und sah lieber nach, ob seine Waffen am richtigen Platz saßen. Im Anschluss fiel ihm seine Kette mit den gesammelten Haarsträhnen wieder ein und er zog sie heraus, um sie sich anzusehen. „Vielleicht… Ich würde sie so gerne behalten.“ Fast liebevoll strich er über die einzeln platzierten Strähnen.

Die junge Söldnerin spürte plötzlich ein Zerren und Ziehen an ihrem Ärmel und stellte fest, dass es wieder einmal Sinia war. „Was ist denn nun schon wieder“, seufzte sie und folgte der Fee, als diese in Richtung Surai flog. Sich noch wundernd, was sie denn bei ihm sollte, ließ sie ihr Pferd zu ihm gehen. Gerade steckte er die Kette wieder weg, als Inuka neben ihm zum Halten kam. Sie wollte aufbrausen, ließ es dann aber doch sein und tat, als wolle sie lediglich neben ihm reiten.

Surai wendete seine Stute und ritt an Saphira vorbei um nach hinten zu gelangen. „Also, in Sachen Formation würde ich vorschlagen, dass Schwertkämpfer vorgehen und ich, als Fernkämpfer hinten bleibe, um Saphira Rückendeckung zu geben!“, rief er den anderen zu. „Gon, würdet Ihr bitte neben Saphira reiten? Hauptsache sie ist geschützt. Ich denke es wäre das Beste... Habt nur auch ein Auge auf ihre freie Seite, dann sollte es klappen.“

Die Söldnerin nahm dann ihre Position an der Spitze ein und drehte sich zu Surai um. „Soll ich euch in die Nähe des Lagers führen?“, fragte sie und wandte sich auch den anderen beiden in der Mitte zu.

„Ja! Ja das wäre gut! Okay. Dann lasst uns mal aufbrechen. Wir vertrauen deinem Spürsinn, Inuka!“ Sanft lächelte er ihr zu, weil er sie mit einem Mal geduzt hatte. Inuka lächelte zurück und es schien wie ein stilles Einverständnis, dass die beiden sich wohl näher gekommen waren.

So verließen sie das unterirdische Reich Zacchaera und kamen recht schnell in den dichten Wald. Inuka achtete immer darauf, dass die anderen hinter ihr herkamen und sie nicht aus den Augen verloren.

 

Nach einer ganzen Weile schweigenden Dahinreitens, musste Inuka etwas gestehen. „Das ist ein verdammt gutes Pferd!“, rief sie begeistert aus. Gon und Saphira fuhren zusammen. Erst erschrak Surai auch, doch dann lachte er.

„Ja klar sind die gut! Wie gemacht für die Nacht und das Geheimnisvolle. Uns wird kaum einer erwischen, wenn du nicht weiter so herum schreist!“ Noch immer lachend hoffte er, dass sie es richtig und nicht als Vorwurf erkannt hatte.

„Keine Sorge, wir sind nicht nahe genug dran, als dass sie meinen Ausruf gehört haben könnten“, kicherte Inuka.

Surai nickte und sein Lachen verstummte, als er sich auf die Hinterhand seiner Stute abstützend zurück sah. Den Eingang zum Reich seines Volkes hatten sie nun endgültig hinter sich gelassen, er verblasste allmählich zwischen den dichten Bäumen am Wegesrand, der eine leichte Kurve einschlug. Sich wieder zurückdrehend bemerkte er, dass Inuka ihr Tier gezügelt hatte und ihre kleine Kolonne ins Stocken kam.

„Allerdings…“, begann sie und horchte gespannt in den aufkommenden Wind hinein. „Allerdings kann ich langsam SIE hören.“ Auch Surai horchte nun, spitzte seine ohnehin schon recht guten Ohren. Ein Gegröle und Gebrüll drang ihm entgegen und irgendetwas kam ihm seltsam vor.

„Okay... mal langsam. Was ist da jetzt komisch, Inuka? Ich höre nur ein Wirrwarr aus Stimmen, aber...“, sagte er und runzelte angestrengt die Stirn.

„Wenn es Dämonen wären, würden sie sich wohl auf ihrer Sprache unterhalten, nicht wahr? Aber… sie sprechen die Sprache der Elfen, wenn nicht sogar…“ Sie hielt inne.

„…die der Engel.“ Surai beendete den Satz für sie. Er drehte langsam den Kopf, sodass er besser in den Wind hineinhorchen konnte, wobei er noch etwas ganz anderes vernahm, was ihn weit mehr beunruhigte. „Wir sollten uns wohl lieber beeilen.“ Schnell ritt er näher an Saphira und Gon heran. „Ob Dämonisch oder Elfisch oder was weiß ich, wir sollten einen Zahn zulegen.“ Wachsam verengte er die Augen und beachtete nicht mehr die Stimmen im entfernten Lager, sondern auf die langsamen Schritte hinter ihnen, die Inuka anscheinend nicht vernehmen konnte. Seine eine Hand glitt an seinen Waffengürtel und öffnete geräuschlos und vollkommen ruhig einige der aus festem Leder gefertigten Schnallen, an denen seine Wurfsterne und -messer befestigt waren, während er mit der anderen Laviencé sachte hinter Saphiras Tier her führte.

„Und wie soll ich euch alle da reinbringen?“, fragte sie, den Kopf zur Seite gewandt. „Zu viert wird das alles viel zu auffällig werden und abgesehen davon…“ Nun hörte sie die Schritte ebenfalls. „Abgesehen davon verfolgt uns jemand!“, rief sie schließlich.

Surai kniff entsetzt die Augen zusammen und ließ den Kopf hängen. „Ja, Inuka, uns verfolgt jemand. Warum glaubst du sage ich, dass wir uns beeilen sollten?! Verdammt, lauter ging es nicht?“ , sagte er, während er blitzschnell Laviencé auf der Hinterhand wenden ließ und dabei vier seiner Messer zog. Seine Augen flitzten hin und her, auf der Suche nach ihrem Verfolger. „Wir werden nicht gleich alle einfallen. Wir müssen uns einen Plan überlegen. Ich hatte nämlich eh nicht vor, wie ein Irrer da rein zu platzen und alles niederzumetzeln.“ Die tänzelnde Stute mit nur einer Hand führend ritt er im Schritt zurück und blickte sich wachsam und vorsichtig um, die Hand mit den Messern gelassen auf seinem Bein liegend. Dann fasste er einen jungen Mann ins Auge. „Guten Abend. Welchen Grund habt Ihr uns zu verfolgen?“, fragte er freundlich, aber immer noch darauf achtend, dass dieser nichts Dummes machte. Der junge Mann trat langsam aus dem Dunkel der Schatten hinaus.

„Nabend“, grüßte er zurück und sah an Surai vorbei zu den anderen. Inuka kam ihm entgegen und traute ihren Augen kaum.

„Ein… ein Halbelf, so wie ich?“, meinte sie erstaunt und machte große Augen. Schnell stieg sie von ihrem Pferd ab und musterte den jungen Mann von allen Seiten. „Tatsache…“

Surai war am verzweifeln mit dieser Frau. „Inuka, sag mal!“ Er stieg ebenfalls ab und ließ seine Messer wieder in die für sie vorgesehenen Schnallen gleiten. „Nun…“, begann er, als er nähergetreten war und die Schnallen eine nach der anderen verschlossen hatte, wonach er Inuka am Arm von dem jungen Mann wegzog. „… ich warte“, schloss er und lächelte freundlich, Inukas böses Genuschel nicht beachtend, dass dieser Typ sicher nichts böses im Sinn zu haben schien, da er es sicher schon längst getan hätte.

Den verwirrten Blick von Inuka abwendend sah der junge Mann zu Surai. „Na ja, ich wunderte mich, dass jemand um diese Zeit durch den Wald ritt und noch dazu mit einem Engel im Schlepptau…“, erklärte er dann.

Der Drow verengte misstrauisch die Augen. „Nun, wir sind auf einer Reise. Und was ist so ungewöhnlich an einem Engel? Habt Ihr noch nie einen zu Gesicht bekommen?“

„Um ehrlich zu sein, bekommt man nicht oft einen zu Gesicht, wenn ich mich nicht irre.“ Trotzig verschränkte er die Arme vor der leicht gepanzerten Brust. „Hatte mich nur gewundert, weil ich auf dem Weg in dieses Dorf an einem seltsamen Lager hier im Wald vorbei gekommen war. Ich wollte einfach sicher gehen, dass ihr nicht zu denen gehört...“

„Ich habe seit Ewigkeiten keinen von meiner Sorte gesehen…“, warf Inuka leise ein und beobachtete den Fremden noch immer.

„Ach, so ist das“, meinte dieser dann und lächelte Inuka an. „Ich treffe auch nicht oft auf welche, obwohl ich wirklich viel reise.“

„Wie auch immer… Inuka, bitte bedränge ihn nicht so“, flüsterte der Drow grinsend an die sich windende Inuka, die versuchte seinem Griff zu entkommen um sich den Fremden erneut näher ansehen zu können. Dann gab er auf und ließ sie los. „Na gut, aber nur fünf Minuten. Du weißt, dass wir es eilig haben.“ Er wandte sich um und Laviencé zu.

Inuka huschte zu dem Fremden hin und lächelte schüchtern. „Ich möchte Euch versichern, dass wir nichts Schlechtes im Sinn haben, was Saphira angeht.“ Sie deutete mit einem Nicken zu Saphira hin, die mit Gon zusammen schweigend das Geschehen beobachtete.

„Keine Sorge. Jetzt, da ich euch gesehen habe, ist meine Vermutung überflüssig, dass ihr zu diesen Gestalten gehört“, sprach er freundlich, ging dann in die Hocke und betastete mit den Fingerspitzen den weichen Waldboden. „Was aber auch seltsam war ist, dass neben euren Hufspuren noch ganz andere sind, die recht frisch zu sein scheinen. Sie führen in eben jene Richtung, in welche ihr wollt.“ Er zeigte geradeaus, zum Lager der Entführer hin. Inuka folgte kurz seiner Deutung, als ihr etwas einzufallen schien und sie wieder zu ihm sah.

„Das wird derjenige gewesen sein, der den Pfeil geschossen hat!“ Aufgeregt überlegte sie. „Hört mal… Ähm… Angesichts der Tatsache, dass man nicht oft seinesgleichen trifft… Ich würde Euch gerne wiedersehen, wenn wir zurückkommen. Wäre das möglich?“

Surai indessen beobachtete die beiden misstrauisch aus den Augenwinkeln heraus, atmete dann lange aus und stieg wieder in den Sattel. Mit gesenktem Kopf räusperte er sich kurz und ordnete sich wieder hinter Saphira und Gon ein, wo er ungeduldig auf Inuka wartete.

Die Söldnerin warf Surai einen entschuldigenden Blick zu. Der Fremde nickte.

„Klar, kein Problem“, antwortete er ihr. „Ich habe es nicht eilig. Ihr aber schon, so wie es scheint.“ Er warf Surai einen Blick zu, der Inuka sagen sollte, dass dieser wohl nicht mehr lange auf sie warten würde.

„Ja, eigentlich schon…“ Wieder sah sie entschuldigend zu Surai hoch. „Also gut… Nennt mir bitte noch Euren Namen.“

„Verzeiht, ich hatte mich nicht vorgestellt. Thori ist mein Name.“

„Inuka“, stellte sie sich kurz vor und wurde schon langsam nervös.

„Sagt, was hat es mit diesem Pfeil auf sich und warum seid ihr im Begriff zu diesem dämonischen Lager zu reiten?“

„Das erkläre ich Euch später, Thori.“ Wieder drehte sie sich zu Surai und den anderen um.

Inzwischen hatte Surai sehr mit seiner Geduld zu kämpfen, die langsam aber stetig flöten ging. Ihm wurde es mit seinem Umhang zu warm, also zog er ihn aus und stopfte ihn in eine der Satteltaschen. Mit einem viel kräftigeren Griff als nötig nahm er die Zügel wieder auf, was die Stute wieder tänzeln ließ, da sie auf diese Weise ihres Besitzers Erregung spürte. „Inuka, ich hoffe du hast nicht vergessen, was wir vor hatten? Und das jede Minute zählt...“, erinnerte er sie mit zusammengebissenen Zähnen und sturem Blick geradeaus.

Thori machte ein Vorsicht heischendes Gesicht. „Tut mir Leid, ich wollte euch nicht aufhalten“, sagte er in Richtung Surai und war sich beinahe sicher, dass dieser jeden Moment explodieren würde. „Ein Stück Richtung Norden gibt es ein kleines Menschendorf in welchem ich untergekommen bin“, sagte er zu Inuka. „Dort können wir uns dann treffen.“

„Okay…!“ Sie ging schnell wieder zurück zu ihrem Pferd und saß auf. Surai folgte ihr mit seinen Augen, drehte sich dann aber zu Thori um. „Auf wiedersehen und gute Nacht, Thori“, wünschte er dem jungen Mann freundschaftlich, nickte ihm lächelnd zu und ließ Laviencé losgehen. Thori seinerseits nickte ebenfalls und wandte sich zum Gehen, wobei er darüber nachdachte, was sie denn vor hätten.

Inuka hatte es mit einem Male verdammt eilig. „Also, wie gesagt, ich werde nicht euch alle da reinbringen können!“, rief sie, damit sie auch alle verstanden. Surai nickte halb abwesend und hob seine Stimme.

„Ich werde draußen bleiben und dafür sorgen, dass euch keiner in die Quere kommt. Sollte ja kein weiteres Problem für mich darstellen, mich im Schatten versteckt zu halten. Ansonsten borge ich mir ein Schwert von diesen Hinterwäldlern, sollten meine Messer zu schnell ausgehen.“ Insgeheim freute er sich unheimlich auf die bevorstehende Schlacht, ihm lag der Krieg schließlich im Blut. Außerdem konnte er dort die leichte Wut abreagieren, welche sich durch Inukas Besessenheit Thori gegenüber aufgebaut hatte. In Gedanken schon beim Kampf grinste er böse vor sich hin.

„Aber übertreib es nicht, Surai! Wir wollen immerhin nur Saphiras Vater da rausholen!“

 

So ritten sie wieder schweigend den Weg entlang, Inuka nun konzentriert auf den Weg und die lauter werdenden Stimmen achtend. Ihr fiel auf, dass sie schon ganz nah waren, also hielt sie an und sprang aus dem Sattel um zu Fuß weiter heranzuschleichen. Im Gebüsch duckte sie sich. „Dort muss es sein…“, flüsterte sie. „Dieses Zelt ist das einzige, was gesichert wird.“ Saphira und Gon kamen ihr nun auch zu Fuß hinterher. Als Inuka sagte, dieses eine Zelt sei es, schoss Saphira an ihr vorbei.

„Gut, ich kümmere mich um meinen Vater. Gebt mir Deckung…“ Inuka keuchte entsetzt auf und hielt sie gerade noch zurück.

Surai sprang in Windeseile von Laviencé runter und griff nach seinen Messern. „Nun... Ihr habt‘s aber wirklich eilig!“, flüsterte er etwas lauter vor Aufregung und kam heran.

„Saphira, wir gehen beide nach vorne. Ich schleuse dich durch den hinteren Teil hinein und achte darauf, dir den Rücken frei zu halten.“ Sie drehte sich um. „Du achtest darauf, dass uns keiner überrascht“, zischelte sie Gon zu.“Surai, pass auf, dass sich sonst keiner dem Zelt nährt.“ Dann endlich nickte sie Saphira zu und bedeutete ihr zu folgen. Beide verschwanden darauf im Gebüsch.

Surai erhob sich sachte und warf je ein Messer auf die Wachen des Zeltes, in welches die beiden Frauen wollten. Die Messer waren so schnell, dass die Dämonen sie nicht kommen sahen und mit einem erschrockenen Blick, ob der Messer in ihren Hälsen, zusammenbrachen. Surai freute sich. „Ha! Guter Anfang… Viel zu gut…“ Denn es hatte keiner bemerkt. Lediglich zwei wohl betrunkene Dämonen torkelten hinter dem Zelt vorbei, weswegen sie ihre toten Gefährten nicht sahen.

Saphira huschte hinter Inuka her und hatte schwer damit zu kämpfen, mit ihren Schwingen nicht an tief hängenden Ästen hängen zu bleiben. „Was sind das bloß für Kreaturen… Ihre Auren sind so dunkel und böse, als würden sie direkt aus der Hölle kommen…“ Inuka drehte sich lächelnd zu dem Engel um.

„Das sind sie auch, Saphira. Ich kenne sie, habe schon einigen von ihnen meine Klinge spüren lassen, doch…“ Sie streckte einen Arm nach hinten, um Saphira zum Stehen zu bewegen. „Wir sind am Zelt, kein Mucks mehr, jetzt.“ Die Halbelfe ging vor und schnitt mit ihrem Schwert einen Schlitz in den Stoff des Zeltes, worauf sie Saphira zu sich winkte, die sogleich zu Inuka schlich. Gon hockte sich hin und beobachtete das Geschehen.

 

Derzeitig duckte Surai sich lieber wieder und versuchte ironischer Weise sein glänzend weißes Haar unsichtbar zu machen. „Verdammte scheiße!“, zischelte er und den Worten folgten einige weitere wüste Flüche. Zu blöd, dass er seinen Umhang mit der Kapuze in der Eile bei Laviencé zurückgelassen hatte. Eine Gruppe Dämonen am zeltnahen Feuer im Auge behaltend huschte sein Blick ab und an zum Treiben beim Zelt hin. Plötzlich horchte er erschrocken auf. Hinter ihm begann es zu rascheln. Sofort drehte er sich um und blickte in ziemlich hässliche Fratzen dreier Dämonen. „Ups…“ Er lächelte schräg. „Schönen Abend, die Herren… oder so…“ Das Lächeln wurde zu einem übertriebenen, zähneblitzenden Grinsen. Blitzschnell und überraschend reagierte er, schoss vor und schlug den zwei außen stehenden in die Mägen. Mit einem Rückwärtssalto wich er der rostigen Klinge des Dritten aus. „Yeah! Das Fest beginnt!“, rief er ausgelassen noch im Sprung, landete federleicht in Kampfposition auf dem Boden außerhalb seines Versteckes und hob mit wieder rotleuchtenden Augen den Kopf. Durch sein Rufen hatte er aber das halbe Lager auf sich aufmerksam gemacht. Seine gebrochene Deckung machte es nicht besser. Schnell löste er weitere Schnallen und zog gleich acht Messer, je vier an jeder Hand. Blutrünstig und offensichtlich erfreut fletschte er die Zähne. „Na kommt schon! Lasst mich nicht warten!“, feuerte er die auf ihn zu stürmende Meute an, drehte sich um und sah ihnen entgegen, um sich mit einem Kriegesschrei mitten hinein zu stürzen. Wenige Sekunden später war sein weißes Haar schwarz, durchtränkt mit dem Blut der Ungetüme. Keiner der weiteren Dämonen achtete auf das Zelt, sondern stürzten sich auf den sich blitzschnell bewegenden Dunkelelfen. Mal schauen, wie lange er sie in Schach halten und mit ihnen spielen konnte, dachte Surai sich und duckte sich unter schweren Keulen hinweg.

 

Inuka folgte Saphira ins Zelt und blieb wie angewurzelt stehen, als der Engel mit offenem Mund vor einer Liege stand und wohl nicht wusste, wie es weitergehen sollte. Ihr Blick ruhte auf den sich darin befindlichen Mann. Inuka trat näher. „Saphira, was…?“ Sie wurde unterbrochen, da Saphira anfing zu schluchzen, sich auf die Knie fallen ließ und den wohl leblosen Körper ihres Vaters umarmte. Inuka erkannte nun, dass Blut von der Liege hinab rann und auf den Boden tropfte. Mitfühlend und innerlich zerbrechend, da sie zu spät gekommen waren, wandte die Söldnerin den Blick ab.

Doch Saphiras Schluchzen verstummte urplötzlich. Inuka drehte sich zu ihr um und erschrak, denn Saphiras trauriger Blick hatte sich in pure Entschlossenheit gewandelt.

„Das werden sie büßen…“, presste sie durch zusammengebissene Zähne hindurch. Noch während sie zum Zelt heraus stürmte, erschien ihr Schwert. Inuka fluchte, zog ihr Schwert und folgte Saphira, die sich auf den Haufen um Surai stürzte.

 

Surai sprang gerade erneut brüllend auf gleich fünf von den Dämonen zu, wich geschickt ihren Waffen aus und schlitzte ihnen die Kehlen auf. Sofort preschte er auf den nächsten zu, stieß ihm die Messer besetzte Hand in den Brustkorb und vom Boden ab, um mit einem Salto nach vorn der herunter sausenden Axt zu entkommen. Da seine Messer aber noch in des Dämons Brust steckten, riss er diese bis weit zum Hals hinauf auf. Blut spritzte und der Dämon ging mit einem gurgelnden Geräusch zu Boden. Katzengleich landete Surai auf seinen Füßen und betrachtete seine blutverschmierte Hand. „Na lecker… He!“ Er drehte sich zu dem eben erlegten Dämon um, in dessen Brust eines der Messer stecken geblieben sein muss. Eilig drehte Surai ihn auf den Rücken und suchte nun im blutigen Schlamm nach dem verloren gegangenen Messer. Dabei bemerkte er zu spät, dass bereits ein anderer vor ihm stand und mit einer Sense siegessicher zum Schlag ausholte. Gerade noch konnte sich der Drow zurückwerfen, um dem finalen Schlag entkommen zu können. Jedoch traf ihn die Spitze der Waffe am Arm und hinterließ einen tiefen Kratzer. „Idiot!“, polterte Surai, warf sich wieder nach vorn, ließ eine Hand in die Kehle und die andere in den Bauch des Dämons fahren und wirbelte sich wie an einer Stange an ihm herum. Zur Folge hatte dies, dass der gesamte Hals aufriss und der Bauch des Dämons nicht wenig seiner Innereien preisgab.

 

Inuka hatte Saphira gerade eingeholt. Der Engel schlug einige Dämonen nieder und spuckte auf sie. „Jetzt werdet ihr sehen, dass auch Engel dazu im Stande sind zu kämpfen!“ Engel hin oder her, dachte sich Inuka, alleine schafft sie die garantiert nicht. Also ging auch Inuka zum Angriff über und enthauptete gleich drei Dämonen mit nur einem Hieb.

Surai musste sich erneut aus einem bulligen Torso befreien und schüttelte diverse Stücke von den Klingen und Fingern. Im Anschluss drehte er sich um und entdeckte die anderen, die endlich zu ihm gestoßen waren, um mitzukämpfen. Sofort gesellte er sich zu Inuka, wo er sich mit seinem Rücken gegen ihren stellte. „Wo ist ihr Vater? War er nicht im Zelt?“, fragte er gehetzt und opferte einen seiner Sterne, um ihn mit Karacho in die Stirn eines Dämons zu jagen.

„Er war tot, als wir ihn erreichten…“, antwortete Inuka, stieß einen Dämon mit dem Fuß von sich und ihr Schwert durch seinen Unterleib. „Daraufhin ist Saphira ausgerastet!“ Surai sah sich um und erblickte den Engel. Bewundernd ob ihrer Kampffähigkeit zog er die Brauen hoch. Gerade erhob sie sich mit einem Schlag ihrer Flügel über das Geschehen und schleuderte ihren Gegnern weißmagische Kugeln entgegen. Im letzten Moment drehte sie sich um und konnte gerade noch einem Hagel aus Pfeilen ausweichen, welchen ihr eine Gruppe der Kidnapper von Pferdewagen aus geschickt hatte. „Surai, ich muss ihr helfen!“, rief Inuka ihm zu und haute wieder einige Gegner um. Surai nickte.

„Gib aber auch auf dich Acht, Inuka!“, rief er zurück, drehte sich zu ihr um, packte sie mit seiner Messer besetzten Hand im Nacken und küsste sie. Für Inuka stand in diesem Moment die gesamte Welt still. Mit weit aufgerissenen Augen blickte sie Surai direkt an, welcher sich schließlich von ihr löste, mit blitzenden Augen lächelte und im Getümmel verschwand. Gerade in diesem Moment zischte ein großer Feuersturm an ihr vorüber, dass ihr Haar zu wehen begann, der nicht wenige der Dämonen mit sich riss und sie dann verkohlt und mausetot hinter sich ließ. Nur einer konnte einen solchen Feuersturm herbeirufen und dieser rannte nun ebenfalls an Inuka vorüber, seinem Feuer hinterher, und grinste sie noch ausgelassen an.

Einmal tief durchatmend riss sich die Söldnerin zusammen und stieß zu Saphira. Der Engel mit inzwischen blutigen Schwingen schien etwas müde, denn ihre Schläge und magischen Attacken waren nicht mehr ganz so kraftvoll. Inuka musste sie am Handgelenk packen und nach vorne ziehen, um sie vor einem sich hinter ihr befindlichen Dämon zu retten. Dieser hob gerade seinen Säbel, den Inuka nun abwehrte. „Achte auf deine Rückendeckung!“, rief sie Saphira zu.

 

Surai hatte erst mal für Freiraum um sich herum gesorgt, die noch über gebliebenen Wurfwaffen verstaut und sah sich nun um. Bald entdeckte er eine zerfallene Kutsche, auf die er mit einem Affenzahn zu rannte und darauf sprang. „So ihr dreckigen Riesendeppen! Wollen wir doch mal sehen, ob ich das noch kann...“, rief er feixend hinunter auf eine Meute, die versuchten die Kutsche umzustoßen oder gar zu zerstören. „Na na, wie soll man sich denn da konzentrieren!?“, nörgelte Surai und balancierte die Bewegungen der Kutsche aus. Er griff in eine kleine Tasche an seinem Brustgurt, vollführte eine schnelle Handbewegung und verstreute so ein feines Pulver in Lila und Blau. Dann sah er hinunter und erkannte erfreut, dass die Dämonen auf seine Ablenkung eingingen. „Ihr seid echt dämlich, allerdings nur gut für mich…“ Tief durchatmend legte er eine Hand auf seinen durch den Kratzer blutenden Arm und benetzte sie so mit seinem Blut. Kurz rieb er die Hände aneinander und legte sie dann auf die Brust. Eine violettschwarze Aura bildete sich um ihn, dehnte sich aus, sein Zopf begann im plötzlich aufkommenden Wind zu wehen. Während er die Augen aufriss, breitete er die Arme mit einem Brüllen aus und schickte eine Druckwelle durchs halbe Dämonenlager, welche so ziemlich jeden mit sich riss und zerfetzte. Seine Gefährten spürten nur den Wind.

Die Aura um Surai verflüchtigte sich, sobald die Druckwelle in den Wald hinein gerauscht war und noch einige Bäume mit sich gerissen hatte. Gemütlich grinsend sah er sich an, was er angerichtet hatte. „Uuuh, yeah! Ich kann‘s wirklich noch.“ Er sprang hinunter, holte seine Messer wieder hervor und schloss sich den anderen an, die schon wieder mit Dämonen zu tun hatten, die die Druckwelle nicht erreicht hatte. Gerade wollte er seine Messer an ein Grüppchen Dämonen schicken, doch als er ausholte, rutschten ihm die Sterne wegen des an den Fingern klebenden Blutes runter und landeten vor ihm im Schlamm. „Oh!“, machte er nur und wühlte nach den versunkenen Waffen. Vor ihm kamen grölend und brüllend nicht wenige Dämonen angelaufen. „Nein! Stop! Halt!“, rief er, die eine Hand beschwichtigend angehoben, besann sich aber eines besseren und versuchte schnell weiter die Sterne zu finden. Allerdings kamen die Dämonen zu schnell heran und er schaffte es nicht. „Oooooh, scheiße!“ Er machte kehrt und nahm die Beine in die Hand.

Inuka hatte schwer damit zu tun, Saphira zu helfen. Die Dämonen hatten wohl Gefallen an ihrem Schwert gefunden und dreschten auf Inuka ein, die vor Saphira stand und sie zu schützen versuchte. Der Engel riss sich aber zusammen und machte Inuka auf Surai aufmerksam, welcher davonstürzte, die brüllende Meute hinter ihm her. Inuka sah es, blickte zu Saphira die nickte und rannte also hinter Surai her.

Zwei Dämonen zwang sie mit einem sauberen Schnitt in die Kniekehlen zu Boden. Weit ausholend ließ sie ihre Klinge auf erst einen niedersausen, dann auf den nächsten, um auch diesem das Haupt vom Körper zu trennen, als mit einem Mal ein heftiger Schlag ihren Rücken traf. Sie spürte, dass es nicht nur ein Schlag war…

„Getroffen…“, keuchte sie atemlos und hatte Schwierigkeiten stehen zu bleiben. Surai hatte es nicht mitbekommen, sprang an einen Fahnenmast, wirbelte daran herum und landete entschlossen vor dem Rest der Meute, die weiter auf ihn zukam. Mit einiger Kraftanstrengung riss er die Fahne aus dem Boden und stieß sie durch einen, worauf er diesen um sich schwang und seine Kameraden mit ihm wegschlug. Einige Meter flogen sie, Gon direkt vor die Füße, der sie genüsslich säuselnd in Flammen aufgehen ließ. Surai lachte ausgelassen, schleuderte die Fahne von sich, drehte sich um und erblickte Inuka…

Er rannte zu ihr, so schnell er konnte. Sie war bereits in die Knie gesunken und keuchte unaufhaltsam. Er versuchte sie zu stützen. „Inuka… Verdammt noch mal!“ Ein Arm lag um ihren Nacken und er zwang sie mit sanfter Gewalt dazu, sich seitlich hinzulegen. Nun erkannte Surai einen Pfeil, welcher ihr aus dem Rücken ragte und vorn ihren Brustkorb endgültig durchdrang. „Oh man… Inuka…“, stammelte er entsetzt und blickte voller Sorge zu ihr hinunter. Saphira hatte es mitbekommen und kam heran.

„Bring sie hier weg, ich halte diese Mistkerle auf!“, rief sie und machte sich bereit, erneut herannahende Feinde niederzumetzeln.

Inuka aber schüttelte den Kopf. „Lass, Surai… Sieht schlimmer aus, als es ist…“ Sie kämpfte sich in eine sitzende Position, griff nach ihrem Schwert und stützte sich darauf ab. „Sag mir… dass es nur ein Pfeil ist… Surai…?“ Der Drow hätte ihr am liebsten eine geklatscht.

„Ach, du hast sie ja nicht alle! Ja, es ist nur ein Pfeil. Aber glaube ja nicht, dass ich dich hier sitzen und dahinvegetieren lasse! Bist ja verrückt! Und widerspreche mir ja nicht, sonst lass ich dich im Sumpf zurück.“ Er stand auf und hob sie sachte auf seine Arme. Allerdings widersprach Inuka trotz seiner Warnung.

„Lass mich runter und zieh mir diesen Pfeil aus dem Rücken! Ich wird es schon überleben!“ Sie begann sich zu winden, doch Surai hielt ihr mit einem Seufzer Stand und schritt weit aus, in die Richtung, wo sie die Pferde zurückgelassen hatten.

„Ja ja, so eine Kämpfernatur…“, sagte er und sah halbwegs belustigt zu ihr runter. „Na gut... aber dann verblutest du verrücktes Stück! Dann lass mich dir wenigstens einen improvisierten Verband machen, ja?“ Er ließ sie hinunter, nicht weit von den horchenden Pferden entfernt, zog sich seinen Lederharnisch aus und legte ihn zur Seite. Sein darunter befindliches Hemd hatte durch die Sense des einen Dämonen auch einiges abbekommen. Noch während Surai sich verärgert darüber wunderte, dass sein Harnisch nichts abgehalten hatte, zog er sich unter einigen Schmerzen sein Hemd über den Kopf und riss die sauberen Stoffteile auseinander. Vorsichtig drückte er Inuka wieder zur Seite, um an den Pfeil ran zu kommen, doch hielt er inne. „Sag mal, wär's nicht besser, wenn wir ihn nur beidseitg abbrechen und den Schaft drin lassen? Das überlassen wir dann lieber einem erfahrenen Arzt aus dem Dorf. Hier...“ Er stopfte ihr ein Stück des Stoffes in den Mund, wo sie des kommenden Schmerzes drauf beißen konnte. Dann, ohne jede Vorwarnung, brach er das Holz direkt an ihrem Rücken ab. Inuka stöhnte auf und krallte sich in den Erdboden. Surai warf das hölzerne, mit Federn versehene Ende des Pfeils zwischen die Büsche und fing Inukas erhitzten Blick auf. Sie spuckte den Stofffetzen aus.

„Du Dummkopf! Wie soll ich denn mit einem Pfeilschaft atmen können?!“, fuhr sie ihn an und setzte sich unter weiterem Stöhnen auf. Surai musste in dieser ernsten Lage doch ein wenig über ihren Zorn lächeln.

„Na hör mal! Willst du denn verbluten!?“, rief er zurück und sah sie nun ebenso zornig, aber auch Vernunft heischend an. Seine Augen blitzten auf und er fuhr sich ratlos mit den Fingern durch das blutgetränkte Haar. Saphira und Gon kamen dazu, nachdem sie die wohl letzten Dämonen nieder gemacht hatten.

„Ich kann heilen!“ Der Engel ließ sich neben Inuka auf die Knie fallen. Doch Inuka schüttelte heftig den Kopf.

„Nein, er hat den Schaft drin gelassen“, sagte sie unter rasselndem Atem. Ihr war der Schweiß ausgebrochen.

Surai machte eine hilflose Geste. „Ja nun…“ Er sah zum Lager rüber. „Was…. Alle weg?“ Seine Augen weiteten sich erstaunt. „Na gut… ziehen wir sie also raus“, gab er dann nach, beugte sich zu Inuka vor und riss ihr Oberteil kurz unter ihrer Brust auf, gerade soweit, dass er die glänzende Pfeilspitze sehen konnte, die sich zwischen ihren Rippen befand. „Keine Angst, ich sehe weder zu viel, noch zu wenig…“, versicherte er der erschrockenen Söldnerin und grinste sie schelmisch an. Sich den Schweiß von der Stirn wischend, nahm er Stoff zur Hand und wickelte ihn sich fest darum, um sich selber vor der Schärfe der Spitze zu schützen. „So, tapfer sein!“ Er griff mit den Fingern nach der Spitze und zog sie soweit vor, dass er sie mit der Hand umfassen konnte. Inuka krallte sich erneut in den Boden und brüllte vor Schmerz, Surai biss unter eigenem Schmerz nur die Zähne zusammen und zog die Spitze vollends heraus. Sofort warf er sie hinter dem einen Ende her und zog sich zurück. „So… nach dir, Saphira.“ Seine Hand war zerschnitten, als er den Stoff darum entfernte. „Man… Was nehmen die denn für ein Material?“, fragte er sich und schüttelte sie mit schmerzverzerrtem Gesicht.

Saphira hatte sich unterdessen an Inukas Wunde zu schaffen gemacht, hielt nun ihre Hände darüber. „Gut, gleich wird es besser, Inuka…“, sagte sie leise und konzentrierte sich. Inukas schwerer Atem ließ nach, sie spürte den Schmerz einer wundersamen Wärme weichen.

Surai erhob sich schwankend, ihm war schwindelig. Versuchsweise den Schweiß aus dem Gesicht zu bekommen, hob er die Arme und wischte darüber, danach streckte er sich ausgelassen stöhnend. „Himmel, war das 'ne Schlacht. Ist ja wie im Krieg gewesen…“ Es war nicht zu übersehen, dass er sich unheimlich freute, als er seinen Blick über die erloschene Feuerstelle gleiten ließ, in welcher sich jetzt diverse Dämonengliedmaßen stapelten.

„Aber… Ihr seid noch lange nicht fertig!“, rief Inuka und deutete auf das Lager. „Die Waffen müssen vernichtet werden, denn ich habe das ungute Gefühl, dass diese verflucht sind.“

Surai ging zu Laviencé, tätschelte den glatten Hals der Stute und griff nach seinem Wasserschlauch, den er sogleich öffnete und einige Schlucke nahm. „Yeah... Alle leben, der Feind ist tot, geschlagen! Wir haben gesiegt!“, rief er laut und prostete mit dem Schlauch einem Baum zu, um gleich noch einige Züge zu nehmen. „Verfluchte Waffen... Großartig.“

Saphira erhob sich. „So, fertig. Jetzt dürfte es nicht mehr schmerzen, sei trotzdem vorsichtig.“ Sie lächelte schwach.

Inuka lächelte zurück, stöhnte aber sogleich genervt auf. „Habt ihr mir zugehört?“, fauchte sie, von Surai zu Gon und zurück schauend. Gon, der an einem Baum lehnte und zugesehen hatte, nickte.

„Ja, ich schon“, antwortete er und sah zum Lager hinaus. „Wenn wir sie alle zusammentragen und auf einen Haufen werfen, kann ich später versuchen sie zu verbrennen.“ Ohne weiter abzuwarten, ging er wieder hinaus aufs Schlachtfeld und begann die Waffen einzusammeln. Surai nickte unterdessen dem Baum zu.

„Ja, ich habe dich auch gehört, Inuka“, sagte er dann, den wieder verschlossenen Schlauch an seinen Sattel zurückhängend. Dann ging er hinaus aufs Schlachtfeld und stemmte die Hände in die Hüften. „Ist ja das reinste Leichenschauhaus!“, jubelte er und grinste fies, angesichts der toten Dämonen. Im Anschluss machte er es Gon nach, sammelte einige Waffen ein, begutachtete sie jedoch erst einmal eingehend. „Zu schade… Wenn sie nicht verflucht wären…“ Mit einem fast traurigen Ausdruck warf er sie auf den Haufen, den Gon schon errichtet hatte und machte sich daran, die nächsten aufzuheben.

Inuka versuchte ihre Schwäche zu vertreiben und mitzuhelfen. Saphira war schon hinter Surai her und sammelte angewidert dreinschauend mit.

Doch bevor sie sich aufrappelte, begutachtete sie ihr Kleidung. „Nein, die waren alle relativ neu!“, jammerte sie angesichts ihres zerrissenen und blutbespritzten Oberteils. „Ruiniert…“ Surai kicherte, als er in ihrer Nähe sammelte und sie somit hörte.

„Kriegst neue, brauchst nicht traurig sein. Wie gesagt, wir stellen ganz ausgezeichnete Lederkleidung her, selbstverständlich auch aus anderem Stoff.“ Er schenkte ihr im Bücken nach einer Sense ein strahlendes Lächeln. Doch als er die Sense hochnahm und ansah, fuhr er schmerzerfüllt zusammen. Er erkannte sie als eben jene Waffe, die ihm den Schnitt zugeführt hatte. „Uuuh… autsch…“ Den Schmerz an seinem Arm schluckend machte er sich weiter ans Sammeln.

Die Söldnerin erhob sich langsam und half, wenn auch recht lahm, mit. Bis ihr etwas einfiel und nach Gon rief.

„Ja, was ist denn?“ Er drehte sich zu Inuka um und ging zu ihr, einige Waffen im Vorbeigehen auf den Haufen werfend. „Na hör mal, du solltest dich ausruhen. Wir sind hier eh bald fertig.“ Er nahm ihr die wenigen Waffen ab, welche sie bereits gesammelt hatte.

„Gon… Ehe ich es vergesse…“ Sie sah schnell zu Surai rüber, der sich entfernt hatte, um den gegenüber liegenden Waldrand abzusuchen „Ich gebe dir ein Goldstück, wenn du ihm für mich ins Gesicht schlägst und drei, wenn du es schaffst ihm die Nase zu brechen.“ Gon sah sie verwirrt an und dachte nach.

Surai unterdessen kam praktisch komplett überladen wieder zurück. „Also, dort drüben ist alles weggeräumt!“, rief er den anderen zu und warf seine zusammen gesammelte Beute auf den Haufen, den er anschließend zufrieden betrachtete. „Wow, hat was von einem Scheiterhaufen“, meinte er amüsiert und ließ den Blick lieber noch einmal schweifen, auf der Suche nach übersehenem.

Gon hatte ihn beobachtet, worauf er wieder zu Inuka runter sah. „Könnte ich glatt ohne Bezahlung machen“, grinste er dann. Die Söldnerin erwiderte sein Grinsen. „Verrätst du mir auch warum?“, fragte er, während er sich rückwärtsgehend dem Waffenhaufen und auch Surai nährte.

„Weil er eine Frau ohne jegliche Erlaubnis küsst“, antwortete Inuka sofort und zuckte mit den Schultern. Das reichte Gon als Erklärung. Endlich durfte er Surai zeigen, was ihm schon die ganze Zeit über in den Fingern gejuckt hat.

Der Drow war zufrieden mit dem, was sie gemeinsam geschafft hatten. Gedankenverloren rieb er sich über den Schnitt an seinem Arm. „Verdammt noch mal, das brennt wie Feuer…“, murmelte er und sah auf seine Finger hinunter. „… und bluten tut es auch schon wieder.“ Erschöpft stöhnte er und drehte sich zu dem sich ihm nährenden Gon um. „Tja, ich denke, du kannst es nun anzünden“, teilte er ihm mit und lächelte. „Hoffe nur, dass es auch brennt…“, fügte er dann mit einem nachdenklichen Blick auf den Haufen hinzu.

Gon trat heran und ließ die restlichen Waffen fallen, worauf er sich Surai zuwandte. „So, mein Freund… Ich habe da noch was für dich.“ Er ballte die Hand zur Faust, holte aus und ließ sie gegen Surais Wangenknochen krachen, als dieser gerade aufgesehen hatte, nachdem Gon ihn ansprach. Ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen ging er wieder. „Das hat man davon, wenn man Frauen belästigt…“ Inuka jubelte etwas entfernt, sie hatte das Geschehen beobachtet.

„Und, und? Wie viel schulde ich Gon nun!? Nase gebrochen oder nicht?“, rief sie zu Surai hinüber, der sich die Wange hielt und zu grinsen begann. Er war erschrocken, ließ es sich aber nicht ansehen.

„Uuuh, das hat ja sogar richtig weh getan… Für einen Menschen gar nicht mal so schlecht, Gon, gratuliere!“, sagte er laut. „Aber nun zünde endlich diesen verdammten Haufen an und renn nicht wieder weg!“ Eines der Schwerter muss hinuntergerutscht sein und Surai steckte es weiter oben wieder zwischen die anderen Waffen. Im Anschluss ging er zu Laviencé, um die immens brennende Wunde auf mit Wasser auszuspülen.

Inuka kam zu ihm rüber und wartete immer noch auf eine Antwort von ihm.

Während er Wasser über seinen malträtierten Arm kippte, sprach er, ohne aufzuschauen.

„Hoffe du bist jetzt zufrieden, Inuka. Gebrochen ist sie übrigens nicht, tut mir Leid.“ Von der Wunde ablassend, legte er den Kopf in den Nacken und goss sich den Rest Wasser übers Gesicht.

Inuka streckte ihm die Zunge heraus.

„Strafe muss sein!“ Sie ließ sich an einem Baum zu Boden sinken, wo sie sich hinlegte und entspannte. Eine Pause entstand und Surai aß eine Kleinigkeit, noch immer von ihr abgewandt. „Schade, Inuka. Ich wollte dich nicht belästigen, ich habe aus einem Impuls heraus gehandelt. Entschuldige, wenn ich dich damit beleidigt habe.“

Sie schnaubte verächtlich, war sie doch der Meinung, er hätte es verdient. Doch nach einer kleinen Weile begann sie zu zweifeln. Noch einmal sah sie zu ihm hin, betrachtete seinen nackten Rücken und war mit einem Mal gar nicht mehr so zufrieden mit sich. Nachdenklich dämmerte sie in einen unruhigen Schlaf ab.

Gon hatte den Haufen entzündet und sich an dem recht ungewöhnlichen Lagerfeuer niedergelassen.

Surai öffnete sein verklebtes Haar und schüttelte es versuchsweise etwas.

„Tja... Gut, dann mach ich mich mal wieder auf den Weg, meinem Vater berichten, was unweit vom Reich los war“, sprach er, drehte sich um und erkannte, dass Inuka ihn wohl nicht mehr vernahm, denn sie schlief seelenruhig. „Na wie auch immer. Dachte du verstehst das, aber... Egal.“ Er schüttelte den Kopf. Nun sprach er schon mit ihr, obwohl sie schlief. So ließ er also sein wohl ruiniertes Haarband einfach fallen, schwang sich auf seine Stute und sah sich noch einmal um. „Bis dann, Gon, vielleicht sieht man sich noch mal!“, rief er dem Schatten am Feuer zu. Gon beachtete Surai nicht sonderlich und murmelte ein ‚Tschüs‘ wie für sich selber.

Einige Zeit später, in der Morgendämmerung, erwachte Inuka und sah sich verschlafen um.

Gon saß noch immer am langsam erlöschenden Feuer, doch konnte sie Saphira nicht sehen.

„Wo ist Saphira?“, fragte sie Gon rufender Weise und setzte sich auf.

„Hm?“ Gon drehte sich um. „Ach, du bist wieder wach!“ Er lächelte ihr zu. „Keine Ahnung wo sie hin ist…“

Inuka runzelte verwundert die Stirn, bis ihr noch etwas auffiel.

„Und Surai? Wo ist der hin?“

„Der ist vor einer Weile zurück.“ Gon hatte sich nun Inuka zu und dem Feuer den Rücken gewandt.

Grübelnd sah Inuka hinunter zu Boden und entdeckte Surais Haarband, welches er zuvor hat fallen lassen. Sie nahm es auf und erinnerte sich, was passiert war… was sie Gon hat tun lassen… und was Surai zuvor alles für sie alle getan hatte.

Er glaubte an sie… an ihre Fähigkeiten, auch als Halbelfe. Es war nicht fair gewesen, sich wegen des Kusses auf die Weise zu rächen. Sie traf eine Entscheidung.

„Du musst nach Saphira suchen, Gon! Ich muss mich beeilen, wieder nach Zacchaera zu kommen…“ Eilig sammelte sie ihr Schwert auf und schnallte es sich wieder auf den Rücken.

Gon erhob sich und lief zu ihr.

„Wie jetzt? Warum…?“

„Mach einfach, ich beeile mich Verstärkung zu holen. Wir müssen unser Engelchen finden.“

Der Barde war sichtlich überfordert mit der schnellen Entscheidung der Söldnerin, nickte dennoch und sah ihr perplex nach, als sie sich aufs Pferd schwang.

„Halt die Stellung, bin bald wieder da!“, rief sie noch lächelnd und ließ das Pferd aus dem Stand los galoppieren.

Gon blieb zurück… verwirrt… mit schmerzender Hand. Surais Wangenknochen war verdammt hart…

 

Inuka kam bei dem Eingang nach Zacchaera an… Und prompt fiel ihr ein, dass sie diesen verdammten Eingang nicht mal im Geringsten wird öffnen können.

„Scheiße! Das ist doch nicht zu fassen!“ Sie stieg ab und baute sich wutentbrannt vor dem Fels auf. Missmutig wie sie war, starrte sie gebannt darauf, wohl in der Hoffnung, sie würde es allein mit Willenskraft schaffen, dass es sich öffnete. Natürlich war dem nicht so. „Ich verfluche dich Surai! Von wegen, ich kann es schaffen… Nix is!“, empörte sie sich lauthals und knallte ihre flache Hand mit Wucht gegen den Fels. Ein Knirschen… ein Rumpeln… Und der Eingang tat sich auf. Die Augen der Söldnerin drohten auszubrechen. Geschockt und fasziniert behielt sie die Hand an genau der Stelle, wo sie sie aufgelegt hatte. Der Stein fuhr an ihrer Handfläche vorüber, bis sie in der Luft hing und Zacchaera ihr offenstand.

Bis ihr all das klar wurde, vergingen wohl Stunden. Eine männliche Stimme riss sie aus ihrer statuengleichen Erstarrung.

„Ey, Inuka, richtig? Wie hast'n das gemacht? Ich habe es bis eben viele Male versucht, aber jedes Mal blieb mir diese Genugtuung verwehrt.“ Thori tauchte neben ihr auf und sah sie verdattert, dennoch freudig an. „Aber praktisch, so treffen wir uns eher, als abgemacht.“

„Hehe, ja... Aber ich habe keine Ahnung warum es geklappt hat… Ich habe nicht mal daran gedacht, etwas damit zu erreichen. Ich war wütend.“ Die junge Söldnerin verstand die Welt nicht mehr.

Thori lachte leise und schüttelte ungläubig den Kopf.

„Ich glaube fast, der Trick dabei ist, dass man es gar nicht zu wollen braucht. Einfach machen, als würde man eine normale Tür öffnen.“

Inuka nahm die Hand runter und sah zu ihm hin.

„Ich könnte wetten, er wusste das. Er scheint es zu genießen mich hochzunehmen, wann immer es geht.“ Etwas eingeschnappt war sie deswegen, dass musste sie sich eingestehen. Wiederum war sie verdammt stolz es geschafft zu haben. Dann kam der Schreck.

„Inuka… Die Tür!“ Sie begann sich erneut zu bewegen. Sie schloss sich wieder.

Wie von der Tarantel gestochen preschten sie hindurch und traten sich dabei gegenseitig auf die Füße. Im allerletzten Moment fiel Inuka das Pferd ein. So schnell reagierte sie sonst nur im Kampf. Sie stürzte zurück, packte die Zügel und zog das Tier ruckartig mit sich. Als würde es verstehen, was vor sich ging, kam es glücklicherweise direkt mit. Der Fels schloss sich, kaum hatte das Tier seine Hinterhand im Dunkel.

„Das war knapp…“ Thori konnte nicht mehr an sich halten und prustete los. „Wahnsinn!“

Die Halbelfe tätschelte den Pferdehals und besah sich gleichzeitig ihre Handfläche. Nach und nach stahl sich ein breites Grinsen auf ihre Züge. Sie atmete tief durch und ging schließlich los… Richtung Herrscherbaum.

 

Indessen saß Surai noch immer bei seinem Vater, welcher über das Geschehene nachzudenken schien. Surai wurde es zusehends langweilig.

„Vater, bitte! Könntest du endlich zu einer Entscheidung kommen?“

Der alte Drow schnaufte und schloss eine Weile die Augen.

„Eine verzwickte Situation, Surai. Ich kann mir keinen Reim auf dieses Dämonenlager machen.“ Er öffnete die Augen wieder und starrte, wie vorher schon, geradeaus.

„Hat es etwas mit unserer reisenden Engelsprinzessin zu tun? Was wollen sie erreichen? Etwa das Lichte Reich stürzen?“

Er nickte. „Das liegt nahe, Sohn. Dennoch tut sich mir der Hintergrund dieses Vorhabens nicht auf. Das Lichte Reich führt keine Kriege, es verteidigt nur sich selbst, wenn es angegriffen wird.“ Er runzelte die Stirn und verfiel wieder in stilles Denken.

Surai hatte die Nase voll.

„Bei allem Respekt, Vater…“ Er stand auf- „Du weißt, wo du mich findest.“ und ging. Sein Vater, ein im Reiche Zacchaera berüchtigter Krieger, schien langsam aber sicher senil zu werden. Dabei hatte er Surai in solchen Dingen bisher immer gute Ratschläge aufgrund seiner Erfahrung geben können. Damit schien es langsam aber stetig zu Ende zu gehen.

 

„Ein beeindruckendes Örtchen, nicht wahr? Ich finde es äußerst faszinierend, eine gesamter Hofstaat tief unter der Erde. Über uns befindet sich einer der größten Berge, ein unterirdischer, gigantischer Baum bildet das höchste Haus der herrschenden Hierarchie und die Äste dieses Baumes bilden diesen wahnsinns Wald dort oben… Klar, es ist dunkel, aber beengend kann man es entgegen der Umstände nicht nennen. Wenn ich überlege, dass mein Vater vielleicht sogar aus diesem Reich hier stammt...“ Der Halbelf bedachte praktisch jeden Winkel mit wohlwollendem Interesse. Seine Begleitung hatte indessen nichts anderes im Sinn, als den Prinzen dieses Reiches ausfindig zu machen. Sie mussten Saphira finden!

Gerade kamen sie um die Biegung zum Rosenweg, als sie ihn entdeckte. „Suuuraaai!“ Sie begann wie eine verrückte zu winken. „Gut, dass ich dich so schnell ausfindig machen konnte“, hechelte sie etwas gehetzt. Sie war den Weg entlang gelaufen, um ihn schnellstmöglich hinter sich zu bringen. Das Pferd an ihrer Seite schien es nicht die Bohne zu interessieren, es schien sich aber über Surai zu freuen, denn es schnaubte aus und stieß ihn sachte gegen die Schulter.

„Bei Lolth, Inuka. Was hast du es so eilig?“, fragte Surai vergnügt und gleichzeitig verwirrt. „Im Übrigen, wie hast du es geschafft, hier hereinzukommen? Kann deine Bekanntschaft doch mehr, als ich dachte?“ Er feixte zu Thori hinüber. Dieser begutachtete gerade die mächtigen Äste des königlichen Baumes.

„Zieh nicht immer alles ins Lächerliche, Surai. Es ist eine ernste Angelegenheit…“, wies sie ihn zurecht und fügte nicht ohne Stolz hinzu, „Im Übrigen habe ich es tatsächlich ganz alleine geschafft mir Zugang zu verschaffen.“

„Kaum zu glauben, aber ich habe es dir ja gleich gesagt.“ Er lächelte schelmisch. „Und was ist nun die ernste Angelegenheit, weswegen du so gehetzt dreinschaust?“

„Es geht um Saphira. Unser Engelchen, welches sich als wahrer Racheengel herausgestellt hat, ist verschwunden. Ich habe die Befürchtung sie macht sich auf die Suche nach dem Obermotz der Meute von letzter Nacht.“

Surai konnte nicht an sich halten, er begann schallend zu lachen.

Inuka kam sich reichlich blöd vor. Mit hochrotem Kopf boxte sie ihm direkt gegen die Brust… und bereute es.

„Was findest du das lustig, du Vollidiot? Wir haben ihr geschworen, ihr zu helfen. Nun ist sie spurlos verschwunden und du lachst dich schlapp…“

Surai wischte sich die Tränen aus den Augen und hob darauf beschwichtigend die Hände.

Noch immer glucksend setzte er an „Inuka… Entschuldige, aber Saphira geht es hundert prozentig gut, immerhin war es auch ihre eigene Entscheidung zu gehen.“

„Wie jetzt? Und woher wissen wir, dass es ihr so gut geht, wie du behauptest? Wer weiß, wo sie hineingeraten ist und-„

„Inuka, sie ist im Herrscherbaum, absolut sicher und tief und fest am Schlafen.“

Der Söldnerin blieb schlicht und ergreifend die Spucke weg.

„Lass mich erklären. Als du dich niedergelassen hattest, warst du kurz darauf eingeschlafen. Ich habe mich noch persönlich bei dir und Gon verabschiedet. Na gut, bei dir habe ich dann festgestellt, dass ich mir das hätte sparen können, aber Gon hat sogar Antwort gegeben. So saß ich also auf und wollte schon los, als Saphira hinter mir her gehetzt kam und direkt mit wollte. Sie hatte den Wunsch mit meiner Mutter zu sprechen, aufgrund dieser Ereignisse. Gon hätte es eigentlich mitbekommen sollen, sie war noch immer in Rage und dementsprechend laut bei ihrer Wunschäußerung.“ Noch immer musste er kichern, versuchte es sich aber krampfhaft zu verkneifen. „Einen wirklich vertrauenswürdigen Schläger hast du dir da ausgesucht, Inuka. Hetz' ihn mir nie wieder auf den Hals, er verletzt sich dabei nur selber“, fügte er mit einem Zwinkern hinzu und nahm ihr die Zügel ab.

Der Halbelf indessen war vorgegangen und fertigte eine Zeichnung nach der anderen von der Umgebung des Schlosses an.

Surai runzelte ein wenig verärgert die Stirn. „Hey, Tolkien oder wie dein Name auch war…“

„Thori. Ja bitte?“, antwortete der Angesprochene freundlich und sah auf.

„Male deine Bildchen von dem Herrscherbaum und dem Garten, aber ich warne dich… Finde ich auch nur eines von unseren Verteidigungsanlagen, weide ich dich eigenhändig und mit großer Freude aus. Die Pferde werden sich über ein Maul voll Innereien freuen.“

Plötzlich fand Thori all das gar nicht mal mehr sooo interessant und widmete sich lieber den blau-glitzernden Steinen, welche den Rosenweg säumten.

„Surai! Du bist echt ein Widerling!“, empörte sich Inuka, musste sich aber eingestehen, dass sie den Befehlshaberischen Ton gar nicht so schlecht fand.

„Es war nur eine Warnung, wenn er sich daran hält, ist doch alles flauschig, oder nicht?“ Kichernd wandte er sich um, Richtung Stallung.

Inuka aber hielt ihn auf und wollte das Pferd noch einmal nutzen, um Gon fairerweise mitzuteilen, dass er Saphira nicht mehr suchen brauche. Surai aber versprach schmeichelnd, dass er Sinia losschicken würde, sobald sie wieder im Baum seien.

Er tat es erst gegen Abend, als auch Inuka sich ordentlich ausgeschlafen hatte.

Sinia fand Gon absolut fertig mit der Welt auf dem Pferd zusammengesunken, während das Tier sich an einem der vielen Bäume schubberte und dabei bald seinen Reiter verloren hätte.

 

Nachdem Surai sich einiges an Feuerbällen und Fausthageln gefallen lassen musste und sich dabei köstlich amüsierte, bugsierten Inuka und er Gon in eines der Zimmer, wo er in einen Koma-artigen Schlaf fiel.

„Den sind wir für den gesamten nächsten Tag los“, freute Surai sich.

Inuka ging nicht darauf ein und stellte lieber die Frage, die ihr an diesem Abend während des Essens eingefallen war.

„Woran merkt ihr eigentlich, wann die Sonne aufgeht und wann sie wieder untergeht? Ich meine, ihr seid hier doch vollkommen abgeschnitten vom Tageslicht.“

Der Drow nickte, als hätte er eine solche Frage erwartet. „Komm mit“, war seine Antwort und ging voran.

Nach einem endlos scheinenden Gang durch den Baum in schwindelerregende Höhen ging es eine lange Hängebrücke entlang in die Außenwand des Berges. Verschlungene, stockdunkle Gänge kreuzten einander, doch Surai war zielstrebig wie eh und je. Inuka stolperte und stauchelte durch kleine Vertiefungen im Boden, riss sich das nagelneue Oberteil am Ärmel auf, als sie zur Seite fiel und sie ein kleiner Vorsprung vom Fallen abhielt. An diesem Punkt hatte Surai die Nase voll und nahm sie Huckepack, ohne auch nur einmal zu fragen. Inuka wehrte sich vehement, doch nicht lange…

Sie genoss das Muskelspiel unter dem leichten Hemd welches der Drow trug, spürte es an ihrer gesamten Front und verfiel in leichtes Träumen, ob dieser Muskeln und dem geschmeidigen Gang…

„Da sind wir.“ Mit diesen Worten ließ er sie runter und trat einige Schritte vor. „Dies ist unsere leichteste Möglichkeit herauszufinden, wann die Sonne aufgeht und wann sie wieder untergeht. Die Gänge auf denen man hierherkommt, sind so dermaßen verschlungen und mit Fallen gespickt, dass Eindringlinge auf diesem extrem leichten Wege das Hereinkommen garantiert nicht überleben“, erklärte er stolz und bemerkte die vor sich hin träumende Inuka in diesem Moment nicht.

Ihr Blick ruhte auf der Gestalt Surais, vor dem vollsten, schönsten Mond, den sie je gesehen hatte. Sein Haar schien durch das Licht des Mondes zu leuchten, seine dunkle Haut war dadurch umso schattiger.

Als er sich schließlich umdrehte, konnte Inuka ob seiner leuchtend roten Augen ein Japsen nicht unterdrücken.

Surai sah verwundert drein bis es der Sorge wich. „Hey, alles in Ordnung, du bist ganz rot und zitterst, Inuka“, sagte er und kam vorsichtig auf sie zu.

„Äh… Also… Nein, es ist alles in Ordnung, wirklich!“ Sie drehte sich blitzschnell um, noch ehe er bei ihr war.

„Sicher? Ich habe keine Lust dich bewusstlos oder schlimmer hier wegschleppen zu müssen.“ Nun war er bei ihr und legte ihr vorsichtig eine Hand auf die Schulter. Dafür wurde er mit einem erneuten Japsen, von einem Quietschen begleitet, belohnt.

„Es ist wirklich gut, ich muss nur… Die dünne Luft hier oben, weißt du. Es ist ja nun ein ordentlicher Aufstieg aus tiefster Tiefe hier hoch und so…“

„Das ist nachvollziehbar, du bist es nicht gewohnt. Wenn es nicht mehr geht, lass uns lieber wieder runtergehen.“

„Nein, es ist schon gut, ich gewöhne mich gerade daran.“ Sie drehte sich langsam um, vermied es aber Surai anzusehen und ging lieber auf die Felsöffnung zu, welche einen unfassbaren Blick bot. Sie waren weit genug oben, um in weiter Ferne das Meer glitzern sehen zu können, über welchem der Mond in all seiner Pracht lag und sein gespenstisches Licht verbreitete.

„Ein herrlicher Anblick, nicht wahr? Da wird sogar ein derartiges Möchtegern-Schläger-Weib wie du weich, nicht wahr?“, fragte Surai frech und ging schon mal ein Stück weiter zurück, nur zur Sicherheit.

Inuka aber… sagte und tat nichts.

Nach einer Weile lachte sie leise auf. „Ja, irgendwie hast du Recht damit. Ich denke mal, es ist einfach zu beeindruckend, an solch einem Anblick kommt nicht mal der grobschlägigste Hüne vorbei.“

Der junge Drow glaubte seinen Ohren nicht. Perplex stand er hinter der Söldnerin und wusste keine schlagfertige Antwort.

Nach einer weiteren Weile drehte sich Inuka um und lächelte ihn verträumt an. „Danke, dass du mir das gezeigt hast, Surai.“

„Meinst du das ernst?“ Er konnte es nicht glauben. „Ich meine… Na ja, du…“

„Auf welchem Wege wird es der Bevölkerung von Zacchaera mitgeteilt, wann es soweit ist zu den rechten Zeiten?“

„Ehm… Die Feen. Wir haben Lichtfeen und welche, die die Kunde zum Sonnenauf- oder untergang bringen. Dieses wird dann über zwei große Hörner mitgeteilt. Das rote zum Auf- und das Blaue zum Untergang der Sonne.“

„Interessant. Da muss ich echt mal genau hinhören.“ Sie nahm es sich ganz fest vor. Sie fand die Lebensweise der Drow immer interessanter. Immerhin war sie zur Hälfte selber eine von ihnen...

Langsam aber sicher war Surai verunsichert. Hatte er sich so sehr in dieser Frau geirrt? Durch ihre Hartnäckigkeit, diese Grobschlächtigkeit ist ihm die typische Weiblichkeit an ihr nicht aufgefallen. Das musste geändert werden, vielleicht bekam er ja mehr aus ihr heraus.

„Es sind nur noch wenige Augenblicke bis zum Sonnenaufgang. Würdest du ihn dir gerne mit mir ansehen, Inuka?“

Sie erschrak ob dieses Angebotes. Sie wusste, dass die meisten Weiber es derart romantisch fanden, dass nicht wenige während der frühen Morgenstunden ihrer Unschuld erleichtert wurden. Als müsse sie sich noch um dieses Problem Gedanken machen, schon längst nicht mehr, aber die Sache an sich… Sie wusste, sie würde schwach werden, wenn er auch nur den kleinsten Versuch unternehmen würde.

Normal war sie es schließlich, die sich nahm, was sie wollte und sei es nur zur Genugtuung, zum Beweis, dass auch Frauen ihren Willen durchsetzen können, wie mit Gon.

Sie verstand sich selber nicht mehr. Vor zwei Tagen war sie noch der Meinung, dass ein Kerl nicht arroganter sein könnte. Er schien so… Ja, wie eigentlich?

Wenn sie sich das Kennenlernen genauer in den Sinn rief, war er eigentlich von Anfang an sehr höflich und zuvorkommend gewesen. Klar, der scannende Blick über die Körper der beiden Frauen… Welcher Mann machte das nicht, das war doch normal? Sie hatte es auch bei ihm getan, als er mit freiem Oberkörper vor ihr stand…

Inuka musste schlucken.

„Inuka? Was ist denn mit dir, du scheinst nicht mehr du selbst zu sein. Kannst du dir vorstellen, dass mich das gerade… irgendwie ängstigt? Das passiert nicht oft, weißt du… Also, dass ich vor etwas Angst habe.“ Er merkte, dass es er verunsicherte… Das ging ihm gehörig gegen den Strich. Diese Situation, diese Atmosphäre hier oben ist eindeutig aus dem Ruder gelaufen. „Ist wohl das Beste, wir gehen wieder runter, nun weißt du-„

„Nein! Lass uns hier bleiben, ich will es wenigstens einmal sehen.“ Sie kniff die Lippen zusammen. Mist!

„O… kay, können wir gerne machen, aber ich dachte, weil du so lange geschwiegen hattest…“

„Tut mir leid, ich bin gerade nicht wirklich bei mir gewesen nun geht es wieder.“ Tief durchatmen, Inuka, komm runter, es ist nicht mal halb so schlimm, wie du es dir gerade einbildest. Du guckst es dir an, um diese Erfahrung zu machen, nicht um dich ihm an den Hals zu werfen… Auch wenn du es willst… Nein! Hör auf, es ist nur des Sonnenaufganges wegen. Aber er hat dich gefragt… ob du ihn dir mit ihm ansehen möchtest. Ich könnte es theoretisch auch alleine tun… Aber ich kenne den Weg hierher nicht, also-

„Also gut, magst du dich hierher setzen? Ist angenehmer, als zu stehen, bis es soweit ist.“ Er klopfte neben sich auf den Boden, wo eine kleine Liegestatt aus Stroh und Moos zurechtgemacht worden war. „Ich hoffe, du denkst nun nicht das Falsche. Dieses Sitzgelegenheit wurde errichtet für die Wache, welche hier postiert wird, wenn wir uns in einer Krise mit einem anderen Reich befinden.“ Er räusperte sich grinsender Weise und sah verdächtig schräg weg.

Inuka war klar, dass sie sicherlich nicht die erste und auch nicht die letzte hier oben mit ihm sein würde.

„Schon gut, ich kann mir alles Weitere denken, Surai. Mir war schon bei unserem Kennenlernen klar gewesen, dass du jedem Rock nachjagst.“ Sie ging zu ihm rüber und ließ sich nahe bei ihm nieder. Sie öffnete ihren strengen Haarknoten und schüttelte ihn ordentlich aus. Pure Absicht? Na klar!

Surai staunte nicht schlecht. Sie wusste um sein Erstaunen, welches er nicht verbergen konnte, und öffnete nun ihr langes Haar um es ihm ins Gesicht zu schleudern und ihren Hals zu beugen? War es so einfach? Wollte er es denn aber auch wirklich?

„Seid ihr nun eigentlich zu einer Lösung in Sachen Dämonenlager gekommen?“

„Bisher nicht, mein Vater denkt und forscht. Er hat einige der besten Spurenleser unseres Volkes ausgesandt, ob es eventuell Hinweise gibt, die wir nicht durch unser kopfloses Wüten vernichtet haben.“

„Na, das wart aber auch nur ihr. Ich habe mich mit meinem Schwert amüsiert, damit mach ich nichts weiter kaputt, als das, was kaputt gehen soll“, meinte Inuka selbstgefällig und streckte Surai saufrech die Zunge entgegen.

„Ey, pass auf, dass ich sie dir nicht abbeiße!“, kam es mit einem Grinsen von Surai.

Inuka zog die Zunge schnellstens wieder ein und sah lieber nach ihrem Loch im Ärmel, um seinem Blick zu entkommen. Wahrscheinlich hätte er sonst gesehen, dass sie erneut rot wurde und sich das angedrohte auf harmlosere Weise beinahe wünschte…

„Schon klar, Inuka…“ Surai lachte wieder leise vor sich her und fuhr sich spielerisch durchs Haar, während er sich nach hinten Fallen ließ und schließlich die Arme hinter dem Kopf verschränkte. “Weißt du, ich würde es gerne wiederholen, aber ich denke, ich verzichte lieber, ehe Gon sich noch was bricht.“

Sie konnte es sich nicht verkneifen und lachte lauthals los. Die Scham war vergessen, als sie Surai ansah und er erneut mitlachte.

Doch das währte nicht lange, da wurde er ein wenig ernster und sah Inuka genauestens an. „Ich würde es wirklich gerne noch mal tun. Bitte erlaube es mir.“

„Ernst jetzt?“, fragte sie giggelnd. Aufgrund seines eindringlichen Blickes wusste sie allerdings nicht mehr, ob es angebracht war, weiter zu lachen, denn er schien es tatsächlich ernst zu meinen. „Also… Eigentlich fand ich es, um ehrlich zu sei-„

Surai zögerte nicht, er wusste, was sie sagen wollte und beugte sich zu ihr rüber, packte sie sanft, doch fordernd im Nacken und zog sie zu sich rüber. Sie kam auf seiner Brust zum liegen… und spürte nur allzu deutlich seine warmen weichen Lippen auf ihren.

Nun war Schluss mit Zurückhaltung, dachte sie. Nun begehe ich einen großen Fehler, du mochtest den Typen bis heute Morgen nicht mal, dachte sie. Nun liegst du auf ihm, küsst ihn, spürst ihn… Du bist auch nur eine Frau, oder?

Surai spürte ihren Widerstand, allerdings auch, dass dieser stetig abnahm. Ein Lächeln stahl sich zwischen den Kuss, er würde es wahrscheinlich wirklich schaffen, mehr von ihr zu bekommen, aber darauf wollte er es nun schon noch nicht anlegen. Es hatte Zeit, er zögerte es gerne heraus, das macht es umso interessanter.

Inuka wusste nicht mehr recht, wo sie war, als er sich von ihr löste und ihr noch lange tief in die Augen sah.

„Entschuldige. Ich hatte einfach gehofft, du würdest sagen, es hätte dir auch gefallen. Ich konnte nicht anders als zuschlagen, Inuka.“ Reuevolle Hundeaugen, wenn auch blutrote, wichen einem charmanten, leidenschaftlichen Liebhaberblick. Eindringlich, durchdringend…

Inuka wusste, wenn sie jetzt nichts tat um es zu stoppen, würde sie am Ende bereuen, es nicht getan zu haben.

„Surai, ja, ich fand es wirklich gut und das eben… auch, aber ich denke“, sie sah zur Felsöffnung, welche einen äußerst praktischen Anblick bot, „ich würde mir jetzt lieber den Sonnenaufgang ansehen, den habe ich so noch nie erlebt.“

Surai sah ebenfalls hin und stand auf. „Komm her, du musst weiter vorne stehen, dann hast du mehr davon, finde ich.“ Er winkte sie mit einem Lächeln heran.

Seinem Wink folgend stand sie also auf und trat neben ihn. Und wie sie es sich schon gedacht hatte, ließ er es sich nach der eben erst vergangenen Nähe nicht nehmen, eine weitere Nähe aufzubauen… in Form eines Armes um den Rücken.

Aber Inuka musste sich eingestehen, dass sie es als sehr angenehm empfand, obwohl sie sich immer noch ein wenig dagegen sträubte. Aber warum eigentlich, es kann doch nicht schaden, ein bisschen Zärtlichkeit.

 

Und der Sonnenaufgang war wunderschön. Sie hat schon viele gesehen, doch nie aus einer solchen Perspektive.

Sie standen, bis die Sonne hoch oben stand. Eine Fee flitzte an den beiden vorbei und kurz darauf war dumpf der helle Ton eines Horns zu hören. Inuka lächelte, ob dieser Erkenntnis und sah zu Surai auf.

„Siehst du, sag ich doch“, sagte dieser nur, ehe ihm Inuka ihrerseits den Mund mit dem ihren verschloss. Sie würde schwach werden, das stand eindeutig fest.

 

Saphira öffnete ihre Augen. Sofort schoss ihr der Gedanke in den Sinn, dass sie sich heute ernsthaft mit Surais Vater unterhalten würde. Er schien wohl einen Plan zu haben, wie weiter vorzugehen sei, was ihren Vater, somit ihr Volk und in erster Linie der Feindschaft zwischen diesem und den Angreifern, anging. Zumal sie bisher nicht mal wussten, um was für Wesen es sich handelte.

Der alte Drow hatte diesbezüglich nachforschen lassen. Saphira war wirklich gespannt, was für seltsame Wesen derartige Pfeilschmiedekunst beherrschten und warum sie sich gegen die Engel richteten.

 

Gon indessen saß zusammengesunken auf einem hölzernen, umrankten Stuhl. Er wollte auf Inuka warten, welche jedoch nicht wiederkam. Lange hatte er sich wach gehalten, doch schließlich hatte auch ihn der Schlaf eingeholt.

Er hatte einen seltsamen Traum gehabt. Eine dunkle, beflügelte, durchaus schöne Gestalt war direkt aus der Wand getreten! Die Ranken, welche die dicken Wände bildeten, hatten sich geteilt und herausgetreten war sie. Sie nannte sich Mélle, eindeutig weiblich, denn sie war splitterfasernackt. Gon meinte seinen Augen nicht trauen zu können, er hatte noch nie ein derartiges Weibsbild gesehen.

Nun da er wach war, fiel ihm ein, dass er von solchen Wesen gehört zu haben meinte. Er kam nun allerdings partout nicht auf die Bezeichnung…“Erst mal richtig wach werden“, sagte er zu sich selber, stand auf und streckte sich ausgiebig, dass die Knochen krachten. Anschließend ging er hinüber zu einem steinernen Becken, welches gefüllt mit taufrischem Wasser, von den Ranken herabgelaufen, an der Wand hing. Tief tauchte er seine Hände hinein und schleuderte sich das Wasser direkt ins Gesicht. Noch mit wässrigen Augen drehte er sich um… und sprang einen Schritt vor lauter Schreck zurück. Schmerzhaft knallte ihm das Becken in den Rücken, während er sich hastig die Augen wischte.

„Junger Herr, ich hoffe, Ihr habt Euch nichts getan…“ Mélle sah ihm schuldbewusst ins Gesicht und wollte schon auf ihn zukommen. Doch Gon japste nur laut auf, wandte sich um und bedeckte sich die Augen.

„Weib, du bist nackt, was geht mit dir vor!?“, rief er entgeistert der Zimmerecke entgegen.

Mélle sah an sich herunter und verständnislos wieder auf. „Aber Herr, ich bin immer nackt.“

„Bitte was?!“ Gon sah auf… und sofort wieder runter, er wurde rot. „Wieso bist du immer nackt? Was für ein Wesen bist du?“

„Man nennt mich wohl Sukkubus, Herr“, antwortete sie überzeugt und mit einem unschuldig wirkenden Blick. „Ich war schon immer nackt, Kleidung scheint mir nicht zu stehen, sagt zumindest mein Meister.“

„Dein Meister? Und wer soll das sein? Ich dachte Sukkubi sind Dämonen, welche einem Mann nichts Gutes wollen, die nur des Nachts erscheinen und dem schlafenden Manne…“ Es schüttelte ihn vor Grauen.

Mélle senkte den Blick und sah traurig auf ihre nackten Füße. „Das ist wahr, doch mein Meister ist gut zu mir. Ich bin ihm schon lange zu Diensten und-„

„Dienste?!“ Gon fiel aus allen Wolken. Die Dienste eines Sukkubus… Das konnte ja nur eines bedeuten. Der Kerl war schlimmer, als er ahnte.

Der Sukkubus legte fragend den Kopf schräg. „Ich verstehe nicht, Herr, es ist Tradition in diesem Hause, dass jedes männliche Mitglied eine von uns besitzt.“

Gon schüttelte den Kopf. Das konnte nicht rechtens sein. „Hör zu… Mélle?“ Sie nickte wohl, er sah es nur aus dem Augenwinkel. Dann zog er sich sein Wams aus und hielt es ihr hin. „Zieh es über, ich kann sonst nicht vernünftig mit dir reden.“

Sie nahm es an und besah es sich verständnislos. „Aber wie… Oh, ich erinnere mich, wie mein Meister es immer macht“, sagte sie leise. Ungelenk zog sie es sich über den Kopf und schob die Arme in die Ärmel. „Hm…“, machte sie dann und bewegte testweise ihre Flügel. „Herr…“

Gon sah auf und konnte sich ein leichtes Lächeln ob dieser Hilflosigkeit nicht verkneifen. Er ging zu ihr hin und half ihr. Sich bemühend, nicht genauer hinzusehen, nahm er seinen Dolch zur Hand und schnitt kurzerhand zwei Schlitze am Rücken in den Stoff, damit der Dämon seine Flügel hindurch stecken konnte. Anschließend nahm er den Gurt seiner Umhängetasche, schnitt auch diese ab und band ihn ihr als Gürtel um die Taille. Mit den Armen in die Hüften gestemmt stellte er sich vor sie und nickte zufrieden.

„Schon viel besser.“

Mélle hob die Arme… und ließ sie wieder fallen. „Es fühlt sich seltsam an, Herr, aber… Ich hoffe, Ihr mögt nun mit mir sprechen.“

Große gelbe Augen betrachteten Gon fragend, welcher nur nickte. Was sollte er von so was halten. Sukkubi konnten nicht so sein, wie sie, das stand dem, was er von diesen Dämonen gehört hatte, absolut entgegen. Er musste, was das anging, unbedingt mit Surai reden.

„Bleib hier, Mélle, ich bin gleich wieder da. Dein „Meister“ muss mir einige Fragen beantworten.“ Er ging zur blumenverzierten Tür und wollte schon hindurch treten, als Mélle ihn aufhielt.

„Herr, mein Meister befindet sich nicht in seinem Gemach. Ich habe ihn vergangene Nacht vermisst, wie Ihr diese Inuka.“

Oh Schreck, woher wusste sie, dass er auf die Söldnerin gewartet hatte? Gon schlug sich in Gedanken selber. Wahrscheinlich hatte er im Schlaf gesprochen. Er wandte sich wieder Mélle zu. „Bist du sicher? Wo können die beiden denn nur geblieben sein?“

„Das kann ich Euch nicht sagen, Herr, verzeiht. Meine Fähigkeit mich durch die Wände zu bewegen beschränkt sich auf diese Höhe des Schlosses. Ich gelange nicht überall hin.“

„Kannst du dich denn nicht, wie alle anderen zu Fuß über die Flure bewegen?“

Sie schüttelte leicht den Kopf. „Ich kann die Türen nicht öffnen, Herr.“

„Nun, dann tu ich das für dich, komm. Vielleicht findest du ihn eher, als ich.“

„Kein Problem, ich spüre ihn, sobald ich in seine Nähe komme. Und was ist mit Eurer Gefährtin, Herr?“

Gon schluckte schwer. „Ich habe den Verdacht, sie ist bei ihm…“ Ein verbitterter Ausdruck breitete sich auf seinem Gesicht aus. Er hoffte inständig, er möge sich irren.

 

„Surai, wir sollten zurückgehen. Ich mache mir Sorgen um Saphira, wo doch das Komitee heute stattfinden soll.“ Inuka streckte sich über Surai, welcher die Arme hinterm Kopf verschränkt neben ihr auf der Pritsche lag und augenscheinlich schlief. Doch nun verzerrten sich seine Lippen zu einem schrägen Lächeln. Inuka schnappte sich ihre Sachen und begann sich anzukleiden.

„Mach doch nicht so einen Aufriss, Inuka. Ich glaube kaum, dass das Engelchen schon wach ist, ebenso Gon. Die beiden waren echt geschafft.“

„Ja sicher, dennoch wird es Zeit, ich habe schon zu viel Zeit mit dir verplempert.“

Surai öffnete ruckartig die Augen und sah zu ihr hoch, wie sie da saß und sich abmühte, mit über ihn gelegten Beinen die Hose anzuziehen.

„Zeit verplempert? Also ich fand die Zeit eigentlich ganz…aufregend hier oben.“

Inuka grinste breit, würdigte ihn aber keines Blickes.

„Ich meine, du schienst dich mit mir ganz wohlgefühlt zu haben, da kannst du dich wirklich nicht beschweren.“

Die Hose saß wieder an Ort und Stelle. Sie stand auf und band sich den Schwertgürtel um.

„Beschweren werde ich mich nicht, dennoch kann ich nicht anders. Ich habe mich dazu verpflichtet für sie da zu sein, daran muss ich mich nun auch halten.“ Sie sah auf Surai nieder, wie er nach wie vor da lag und sich nicht rührte. „Könntest du dich vielleicht auch wieder anziehen, damit wir aufbrechen können, Surai?“ Langsam aber sicher wurde sie ärgerlich, dass er sie nicht ernst nahm. Sie hatte zu viel Schwäche ihm gegenüber gezeigt, das wurmte sie nun ziemlich.

Surai seufzte bedauernd, sprang dann aber auf und streckte sich erst mal ausgiebig.

Das macht er doch extra, dachte Inuka und versuchte mit aller Macht, die Augen abzuwenden… Ohne Erfolg.

Die Muskelstränge spielten knapp unter der glatten onyxfarbenen Haut, überall wo Inuka hinsah... Sie erinnerte sich an einige Augenblicke vorher… Und schlug sich innerlich der aufsteigenden Hitze wegen.

„Zögere es bitte nicht noch weiter hinaus, ich gehe sonst alleine los.“

Der Drow verdrehte grinsend die Augen. „Na sicher, am Ende verläufst du dich hoffnungslos und wer darf dich dann wieder aufsammeln?“ Er lachte leise.

„Na das wäre dann wohl ich, denn dich lass ich mit ihr nie mehr alleine, du Perversling!“

Eine wie mit Wut verworrene Note und wusch, da flog schon der Feuerball knapp an Surais Gesicht vorbei und zersprang knallend und zischend an der nächsten Wand.

„Wow wow, Gon!“ Surai hob die Hände zur Abwehr, als Gon die nächste Note auf seiner Laute anschlug. Inuka sprang zu dem hitzigen Barden und drückte seinen Arm herunter.

„Ganz ruhig, Gon! Surai trifft auch nur eine Teilschuld, damit das klar ist. Nun flipp mal nicht aus, was ist denn los mit dir?“

Gons Gesicht nach zu urteilen, war er bereit zu töten, doch als er Inukas Worte hörte, wandelte sich der Ausdruck in Unglauben.

„Mit dem, Inuka? Bist du verrückt? Was ist in dich gefahren, dich diesem hinterhältigen Drow an den Hals zu werfen?!“ Inuka ließ seinen Arm los, seine Haut wurde immer heißer.

„Es war… Na ja, es ist halt einfach passiert, was soll's“, stammelte sie und hielt sich ihre erhitzte Hand.

„Was soll's… Na klar.“ Gon schien sich etwas zu beruhigen. „Und was ist mit deiner Geliebten, Surai? Wenn du einen Ansatz von Gefühlen hast, dann überlege mal, wie es ihr nun dabei geht.“ Er trat beiseite und aus seinem Schatten erschien Mélle.

Surai hielt inne sich seine Stiefel anzuziehen und sah auf. Inuka riss die Augen auf. Sie sah von dem Sukkubus zu Surai und wieder zurück. Doch Surai zog sich lächelnder weise den anderen Stiefel an, worauf er sich aufrichtete und hinter Inuka aufbaute.

„Na sieh mal an, wie hast du es geschafft aus meinem Gemach zu kommen, Mélle?“, fragte er, als ihm auffiel, was sie da trug. Er sah zu Gon und schloss, dass es sein Wams war. Er begann zu lachen. „Ich glaube es nicht, du hast ihr was angezogen! Gon, du weißt schon, dass Sukkubi es hassen, Stoff am Körper zu haben, oder?“ Er lachte immer noch.

Inuka wusste weder ein noch aus, sie musterte die dunkle Gestalt, welche mit Gons Wams angetan da stand und nicht zu wissen schien, was sie nun machen sollte. Ihr Blick lag auf Surai… Sie schien auf etwas zu warten.

„Sie fand es gut, etwas angezogen zu haben. Vielleicht solltest du öfter mit ihr reden, statt dich lediglich mit ihr zu begnügen, als sei sie ein herzloses Ding.“ Der Barde konnte seine Finger nicht stillhalten, seine Haut begann zu glühen und er hob bereits wieder das Instrument.

„Wow, alles klar, kleiner. Als würden Sukkubi Herzen besitzen. Es sind Dämonen, Gon, normalerweise sind sie auf unsere Seelen aus, während wir schlafen. Mélle gehorcht mir, wie ein Hund. Sie tut, was ich ihr sage. Nur in den seltensten Fällen erlaube ich ihr, mit mir zu machen, was ihr gerade zusagt. Sie hat ein Talent mich zu überraschen.“ Surai zwinkerte ihm zu und trat dann auf den Sukkubus zu, welcher mit leerem Blick auf die Knie fiel und den Kopf beugte. „Siehst du. Es liegt an meinem Blut. Es ist eine Tradition, dass ein junger Mann edlen Blutes zu seinem 15. Geburtstag einen Sukkubus geschenkt bekommt, welcher ihm seine Wünsche erfüllt, bis dieser eine Ehe eingeht.“

Inuka betrachtete das Schauspiel. Ihr Gesicht drückte Ekel angesichts der Unterwürfigkeit aus. Sie ballte die Hände zu Fäusten und sah schließlich zu Surai auf.

„Das ist nicht dein Ernst!“, entrüstete sie sich. Surai sah erschrocken zu ihr hin. „Du hast einen Sukkubus, einen seelenfressenden Sexdämon, welcher sich um deine Bedürfnisse kümmert! Und du wagst es, dich an mich ran zu machen, was für ein ignorantes und widerwärtiges Schwein bist du…?“

Soweit hatte Surai bis eben nicht gedacht. Er hatte sich über die Entrüstung Gons so sehr amüsiert, dass ihm Inukas weibliche Ansicht des ganzen entgangen war.

„Nun, ich gebe zu, dass es schon etwas heftig ist, aber ich hatte nicht vor, sie immer bei mir zu behalten. Immerhin bin ich 24, da wird ja wohl demnächst eine Hochzeit drin sein, dachte ich.“ Er sah vielsagend zu Inuka hin und zwinkerte ihr zu.

„Aber nicht mit mir, du Schwachsinniger. Nimm das jetzt ja nicht zur Ausrede! Ich bin ein Mischling, weder das eine noch das andere. Deine Mutter würde mich köpfen, ehe du dein Anliegen auch nur beenden könntest. Ich bin dir heute Nacht verfallen, nachdenken kann ich aber schon noch. Wie konnte ich nur so dumm sein, es war ja klar, dass es da einen Haken geben musste…“

Sie drehte sich um und ging.

Gon spie vor Surai aus und folgte ihr schließlich.

 

Wie vom Donner gerührt stand der Drow da. Er sah auf Mélle nieder.

Es war immer absolut normal gewesen, sie zu besitzen. Es war nie anders gewesen in diesem Haus. Seine beiden Brüder hatten ebenfalls Sukkubi, inzwischen waren diese aber verheiratet und in benachbarten Reichen heimisch geworden. Die Sukkubi wurden vernichtet, als diese keine Dienste mehr zu leisten hatten. Nun wo Surai es sich genauer durch den Kopf gehen ließ…

„Mélle?“ Der Sukkubus erhob sich, sah aber durch Surai hindurch. „Mélle, sieh mich an“, sagte er schlichtweg. In die Augen des Sukkubus kehrte das Leben zurück.

„Meister“, sagte sie leise und neigte den Kopf.

„Nein, Mélle, sieh mir in die Augen.“

„Das darf ich nicht, Meister.“

Ihm wurde klar, dass er sie nie als Persönlichkeit angesehen hatte, nie war sie sie selbst gewesen, nur dem stummen Willen desjenigen gefolgt, dessen Blut ihr eingeflößt wurde, als dieser geboren wurde. Fortan war sie willenlos.

„Hör zu, Mélle, ich befehle dir, ganz du selbst zu sein. Lass uns den anderen folgen, was hältst du davon?“

Mélle sah ihn verständnislos an. „Was ich davon halte?“

Surai verstand immer mehr, was Gon gemeint hatte. Da war gehörig was schief gegangen...

Mit mir ja sowieso, dachte er niedergeschlagen und seufzte. Er war nie wie seine Brüder der typische Drow gewesen. Er hatte sich den Hochmut eines solchen erhalten, die Grausamkeit während des Kampfes ebenfalls… Aber an der Grausamkeit anderen gegenüber haperte es ordentlich. Mélle allerdings war auch nie nur ein Spielzeug gewesen. Er war gut zu ihr… so gut wie ein Meister eben gut zu einem Bediensteten sein kann. Er hatte sie, wenn sie zu ihm kam, kaum einmal mies behandelt.

Aber das würden die anderen beiden ihn sicher nicht erklären lassen.

„Lass uns gehen, Mélle.“ Er nahm seinen Waffengürtel auf und ging los, Mélle im Schlepptau.

 

Weit mussten sie nicht gehen, um die beiden zu finden.

Inuka hackte mit ihrem Schwert an etwas weißem herum, was seinerseits an der Wand befestigt zu sein schien. Surai schwante böses…

„Inuka!“, machte er sich rufend bemerkbar und rannte zu ihr.

„Diese verdammten Spinnen! Surai, hilf mir!“ Ihr standen die Tränen in den Augen, als sie dem angesprochenen das Gesicht zuwandte und in die Knie ging.

Surai wusste, dass sie in eine der vielen erwähnten Fallen geraten waren. Er kam bei ihr an und nahm das Problem in Augenschein.

„Wie lange ist er im Kokon?“

„Ungefähr…Vielleicht ein paar Minuten, ich weiß es nicht!“ Sie sprang wieder auf, ließ ihr Schwert liegen und wollte es mit den Händen versuchen, doch der Drow schlug sie weg.

„Nicht anfassen! Sie sind giftig!“ Er schob sie beiseite und nahm seinen Dolch zur Hand. Mit diesem schnitt er sich tief in den Arm. Inuka schrie auf.

„Was machst du da, bist du noch-“ Sie stockte, als Surai das Blut an der Klinge verteilte und damit die festen Spinnenseidenstränge durchschnitt. Diese schmolzen dahin wie Wachs, bis Gon in seine Arme fiel. Er ließ den jungen Mann zu Boden gleiten und schob das Haar dessen aus dem Nacken, wo glühend purpurne Einstiche sichtbar wurden.

„Bei Lolth, das hätte nicht passieren dürfen…“, murmelte er leise und ließ sein Blut auf die Wunden fließen, worauf diese verblassten.

„Was…Warum hast du uns nicht gewarnt! Er könnte sterben, Surai!“ Inuka schubste Surai beiseite, warf sich auf Gon und drehte ihn auf den Rücken. „Oh nein, ist er schon…“

„Nein, aber lange wird es nicht mehr dauern. Wir müssen ihn runter bringen.“ Er stand auf und wollte Gon hochnehmen, doch Inuka warf sich erneut auf diesen.

„Vergiss es, du fasst ihn nicht mehr an, du bringst nur Unglück!“ Sie war absolut aufgelöst, stand ebenfalls auf, schob ihr Schwert in die Scheide an ihrer Hüfte und wollte Gon hochheben.

Surai schien hilflos, er hatte sich den Tag anders vorgestellt. „Inuka, das schaffst du nicht, lass ihn mich wenigstens noch zu einem Heiler bringen, bitte. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass die Spinnen sich auf euch stürzen würden.“

Die Söldnerin hielt inne. Leise sagte sie: „Mich hat sie nicht angerührt. Sie sprang mit einem Mal aus diesem Gang, stand direkt vor uns. Sie klackerte mit ihren Greifern und schien abzuschätzen, wen sie sich nehmen soll. Schließlich sprang sie vor und schnappte sich Gon. Ich konnte gar nicht so schnell reagieren, wie das alles passierte. Sie riss ihn mit sich und wickelte ihn ein. Schließlich krabbelte sie über ihn rüber und hängte ihn mitten in den Gang, es ging so schnell…“ Sie brach wieder in Tränen aus.

Surai nickte verstehend. „Ja, sie hängen ihre Opfer zur Abschreckung in ihre Gänge, um weitere Feinde der Drow fern zu halten“, erklärte er leise und vorsichtig.

„Soll das heißen, Gon war in ihren… Augen ein Feind deines Volkes!?“

„Ich gebe es nicht gerne zu, aber ja. Zumindest in diesem Moment, die Spinnen wissen das. Es heißt, es seien Abkömmlinge unserer Göttin. Ihr Gift ist tödlich, wir müssen endlich handeln! Ich konnte es ein wenig aufhalten, aber stoppen kann es nur ein Heiler.“ Er beugte sich wieder vor und nahm Gons schlaffen Körper auf die Schulter.

Inuka ließ ihn gewähren. Schniefend erhob sie sich wieder und ging hinter Surai her.

Mélle folgte ihnen, nicht ganz emotionslos, denn dieser junge Mann auf der Schulter ihres Meisters hatte ihr Kleidung geschenkt.

 

Saphira hatte sich frisch gemacht und das ein oder andere Gebet gen Morgen gesprochen.

Sie fragte sich, ob es den anderen gut ging, wollte sie aber nicht stören, sollten diese noch schlafen.

Langsam machte sie sich auf den Weg. Sie wollte sich vor dem Komitee ein wenig die Beine vertreten und sich den Schlossgarten genauer ansehen, welcher so bewachsen war, wie die Natur an der Oberfläche. Sie wollte herausfinden, was für Pflanzen in derartigem Licht gedeihen können, Proben nehmen und Surai fragen, wie sie die einzelnen Spezies nannten.

Also nahm sie sich ihre Tasche und ging guter Laune hinaus.

 

Surai hatte die anderen indessen zum Haus des Heilers gebracht und wartete nun, dass Inuka klopfen möge. Nachdem diese tat, wie ihr geheißen, öffnete sich die Tür und ein runzeliger, ergrauter Drow stand ihnen gegenüber.

Surai sagte nur: „Vendui‘, Jilorbb-elg‘cahl.“

Der Alte zog Surai zu sich hinein und gebot ihm, Gon auf den Tisch zu legen, welcher direkt im Raum stand und über und über mit Gefäßen bestellt war. Inuka schoss an Surai vorbei und schob alles beiseite um Platz zu schaffen.

Sofort sah sich der Alte die Einstiche im Nacken an, murmelte unverständliches Zeugs und verschwand im hinteren Teil seiner Hütte.

Surai ließ sich auf einen der Hocker, die um den Tisch standen, nieder und stützte den Kopf in die Hände.

Mélle setzte sich neben ihn auf den Boden und lehnte ihren Kopf an seine Seite.

Inuka stand wie bestellt und nicht abgeholt im Raum und schien nicht recht zu wissen, was sie machen sollte, als der Alte auch schon wieder kam, eine Schale und einen Stößel in den Händen. „Dossta valsharen vlos, dalhar!“, nuschelte er nun und hielt Surai die Schale unter die Nase. Der Angesprochene hob den Kopf von den Händen und sah in die Schale. Einmal nickte er, dann nahm er seinen Dolch erneut zur Hand und schnitt in die sich eben schließende Wunde. Das Blut floss in einem kleinen Rinnsal in die Schale, worauf sich purpurner Rauch bildete. Noch einmal stieß er mit dem Stößel hinein und ging damit zu Gon. Er legte beides beiseite, tunkte die Finger in den Sud und begann die Einstiche damit einzureiben. Dabei sagte er immer wieder: „Xun izil dos phuul quarthem, lueth dro! Xun izil dos phuul quarthem, lueth dro!“ Schließlich bedeutete er Surai, er solle Gon mit sich nehmen. „Aluve‘ c‘rintri malla“, sagte er noch, dann schloss er die Tür seiner Hütte.

 

„Ich hoffe, er wird wieder gesund…“, sagte Inuka leise und sah auf Gon hinab, der jetzt schlafend im Bett lag.

„Ganz sicher, Inuka, der Typ lässt sich nicht so leicht besiegen, das weiß ja sogar ich.“

„Warum hat die Spinne mich in Ruhe gelassen und nur ihn genommen? Ich war auch sauer auf dich.“

Surai lächelte schwach. „Du warst? Ach, das freut mich aber…“

Inuka boxte ihn in den Magen.

„Ist ja gut…Ich denke, sie hat dich nicht gewollt, weil du unser Blut in dir hast. Sie hat es gespürt. Unsereins greifen die Spinnen nur an, wenn sie einen richtig guten Grund dafür haben, also Feindschaft. Für Gon brauchte es nur den Hass in ihm mir gegenüber.“

Inuka hatte schweigend zugehört. Nun schien ihr wieder einzufallen, warum Gon sauer war und sah sich nach Mélle um, welche mucksmäuschenstill in einer Ecke stand, im Arm von Saphira, welche sie im Schlossgarten vorgefunden hatten.

„Das hätte nicht passieren dürfen, aber die Spinnen gehorchen nur meiner Mutter, ich hätte da auch nicht viel machen können, das musst du mir glauben, Inuka.“

 

Gon befand sich auf dem Weg der Besserung, sie hatten wohl rechtzeitig reagiert.

Surai versuchte immer wieder an Inuka heranzukommen, doch diese hatte dicht gemacht.

Saphira kümmerte sich mütterlich um Mélle, welche immer mehr aufzublühen schien. Alle wunderten sich, denn nie hatten sie von einem so zahmen Sukkubus gehört.

Inuka überlegte, ob es vielleicht tatsächlich an Surais Art und Weise mit ihr umzugehen liegen könnte. Er schien wirklich gut mit ihr umgegangen zu sein, hatte es dennoch selber nicht gemerkt, was für eine Wandlung sein ihm zugestandener Sukkubus durchgemacht hatte.

Nun trug Mélle Hosen und eine helle Bluse. Ihr dunkler dämonischer Teint wurde dadurch sehr hervorgehoben. Sie wurde von Tag zu Tag selbstbewusster und begann sich ihr Haar zu bürsten.

Surai kam eines schönen Tages in sein Gemach und traute seinen Augen kaum. Hätte diese junge Dämonin keine Flügel gehabt, könne man meinen, man hätte eine Drow vor Augen.

Mélle wusste erst nicht, wie sie auf den Blick ihres Meisters reagieren sollte, schließlich freute sie sich, eine andere Art von Aufmerksamkeit von ihm zu bekommen: Bewunderung.

 

Ungefähr sechs Tage nach dem Unfall mit der Spinne, erwachte Gon aus seinem Koma.

Inuka schrie beinahe vor lauter Glück darüber. Sie umwuselte ihn, kümmerte sich um seine Bedürfnisse und pflegte ihn die nächsten drei Tage so rasant gesund, dass es für sie schon ungesund wirkte.

Schließlich war Gon wieder bei Kräften und bereit für das Komitee, welches schon längst hätte stattfinden sollen.

 

„Inuka…Ich bin froh, dass es dir gut geht und dieses Spinnenvieh dich nicht auch angegriffen hat“, sagte Gon am Abend vor dem Komitee und bedachte Inuka mit einem verzweifelten Blick. „Ich hatte echt keine Zeit zu reagieren, als sie aus ihrem Loch kam, es tut mir leid.“

Inuka schüttelte den Kopf und lächelte zu ihm rüber, wie er sich da in ihrem Zimmer an die Wand gelehnt seinem Elend hingab. „Mach dir nichts draus, so schnell wie sie war, hätte keiner reagieren können. Surai hätte uns einfach warnen müssen.“

Gon schluckte schwer. Ihm ging die Vorstellung der beiden in enger Umarmung nicht aus dem Kopf. Es plagte ihn, seit er wieder erwacht war.

Die Söldnerin schien etwas zu merken, sie erhob sich vom Bett und ließ sich neben ihm wieder nieder.

„Hör mal…Ich empfinde nichts für diesen arroganten Drow. Es war die Situation im Allgemeinen, die dazu führte. Ich war schon immer…etwas…freier, was das angeht. Ich meine, warum auch nicht? Ich habe eh keine Verpflichtungen, dadurch dass ich weder Eltern noch Abstammung besitze. Ich tobe mich aus, seit ich zu einer Frau geworden bin.“

„Aber…Willst du nicht auch eines Tages sesshaft werden? Mann, Kinder, das Übliche eben?“

Sie lachte leise. „Ja, natürlich. Aber ich habe mir durch meine Freizügigkeit eine derartige Zukunft ziemlich verbaut, meinst du nicht auch?“ Sie sah bittersüß lächelnd auf ihre überschlagenen Beine nieder.

Gon hingegen schüttelte leicht den Kopf. „Sehe ich nicht so. Ich würde dich jederzeit zur Frau nehmen, wenn ich nur sicher sein kann, dass du bei mir bleiben wirst.“

Inuka sah erschrocken auf. Das konnte nicht wahr sein, was er da sagte. Jedem, dem sie bisher begegnet war, hatte ihr dieses Versprechen regelrecht schlecht gemacht. Es gäbe keine solche Zukunft für sie, denn niemand wollte ein derart freizügiges, verbrauchtes Mischlingsweib an seiner Seite.

Ihr Gegenüber lächelte aber zärtlich. „Doch, ich meine es ernst, Inuka. Du bist eine starke, verrückte, aber dadurch sehr selbstbewusste Frau. Ich mag das. Du weißt, was du willst. Erst hat es mich geängstigt, das gebe ich zu, aber nun beeindruckt es mich, dass du kämpfen kannst und selber bestimmst, wo deine Wege dich hinführen sollen.“

Sie staunte nicht schlecht. Der Barde schien bisher wie ein feiger Kuscher und nun? Er sprach wie ein gestandener Mann, der ebenso wusste, was er wollte, wie sie.

Er griff nach ihrer Hand. „Ich bin mehr als bereit, dich zu nehmen, wie du bist. Dann treibe ich dir sämtliche Verunreinigungen aus dem Leib, Inuka. Wenn du es nur zulässt.“

Er bekam ein atemloses Japsen zur Antwort. Hatte er ihr gerade ein Liebesgeständnis und das Angebot zur Partnerschaft gemacht?

Lange sah sie ihm in die Augen und überlegte. Er blickte zurück und ließ ihr diese Zeit. Kurz kam ihm in den Sinn, dass er sich dieser Gefühle erst klar werden konnte, nachdem er Surai in ihrer Anwesenheit nackt vor sich stehen sah. In ihm kochte die pure Eifersucht, gepaart mit abgrundtiefem Hass aufgrund der Unverfrorenheit dieses Drow. Nun, da er wohl sicher sein konnte, dass Inuka tatsächlich nicht unschuldig an dem, was passierte, war, legte sich der Sturm ein wenig…Aber er würde Surai nie ausstehen können.

„Gon…“, begann Inuka und der Angesprochene erwachte aus seinen Überlegungen. „Du darfst ihn nicht verurteilen, er ist eigentlich echt nett. Er hat mir einen Ort, ein Schauspiel der Natur gezeigt, welches ich sonst vielleicht nie zu Gesicht bekommen hätte. Er gewährt uns, dem Abschaum in den Augen seines Volkes, Unterkunft. Ich finde, wir sollten über sein anmaßendes Verhalten nicht allzusehr aufregen. Wer weiß, was ohne ihn mit uns passiert wäre.“ Sie sah wieder hinunter in ihren Schoß und umschloss seine Hand nun auch mit der anderen Hand.

Einerseits gab er ihr recht…“Sehen wir erst mal weiter, Hauptsache, er lässt dich nun in Ruhe.“ Mit der freien Hand strich er ihr Haar beiseite, worauf sie aufsah und lächelte sie wieder an. „Ich breche mir nicht mehr die Hand, das verspreche ich dir. Wenn, dann mache ich es richtig und mein Feuer verfehlt ihn nicht mehr, sollte er dir je wieder zu nahe kommen“, sagte er grimmig grinsend, worauf Inuka lachen musste.

 

„Saphira?“, rief Inuka an der verschlossenen Rankentür zum Zimmer des Engels. Kurz darauf öffnete sich diese und Saphira trat heraus.

„Bin so weit, es kann losgehen“

Surai zog sich eben seine Stiefel an, als er Inukas und Saphiras Stimmen durch seine bereits geöffnete Türe vernahm. „Also, Mélle, du wartest bitte hier, während wir mit meinem Vater sprechen. Ich werde danach zu dir kommen und dir das Wichtigste mitteilen, du könntest uns tatsächlich behilflich sein.“

Die beiden hatten sich die halbe Nacht unterhalten. Mélle hatte ihre Hilfe angeboten, schließlich war sie als Dämon an Fähigkeiten nicht zu unterschätzen. Nun, da sie frei sprechen durfte, hatte sie sich einfach an ihren Meister gewandt und ihn darauf angesprochen. Dieser schien erst wieder seinem typischen Meister-Verhalten zu verfallen, doch hatte er sie am Ende angehört und war nicht wenig angetan von ihrem Vorschlag.

Nun nickte der Sukkubus und setzte sich brav auf sein Bett. „Ich hoffe, es dauert nicht zu lange, Meister“, sagte sie leise und sah zu ihm auf. Surai trat an sie heran.

„Keine Sorge, es werden nur Vorschläge gemacht und schließlich besprochen. Ich werde dich meinem Vater vorschlagen, der wird Augen machen und mich wahrscheinlich als komplett daneben geraten abstempeln.“ Er lächelte zwar, aber Mélle, nun für alles empfänglich, bemerkte den verzweifelten Unterton.

„Herr, sieht Euer Vater Euch nicht als das, was Ihr seid?“, begann sie sachte. „Ihr seid anders, als der Rest Eures Volkes, aber er ist Euer Vater.“

„Mélle… Erstens, hör auf mich Herr und Meister zu nennen, das haben wir hinter uns.“ Er beugte sich zu ihr runter und legte ihr eine Hand auf die betuchte Schulter. „Nimm es mir nicht übel, aber in gewisser Weise sind wir beide recht daneben geraten, meinst du nicht?“ Seine Augen blitzten kurz schelmisch auf, als er endete. Mélle lächelte, dennoch zurückhaltend. Er erhob sich wieder, drehte ihr den Rücken zu und richtete noch einmal seinen Gürtel.

„Mein Vater ist der angesehenste Krieger unseres Reiches, Mélle. Er gab mir viele Chancen mich als das zu beweisen, was ich nun mal bin. Doch bis jetzt habe ich mich nicht verhalten, wie es mir auf den Titel gepresst wurde. Er leidet darunter und vor allem unter der Missachtung meiner Mutter, das Volk kann mich gut leiden, aber schätzen tun sie mich nicht. Mein Vater hält viel von mir, doch wenn ich demnächst nichts beweise, vor allem nach all dem kürzlich Geschehenen…“ Er schluckte seine Wehmut herunter und setzte ein strahlendes Lächeln auf, als er sich wieder zu ihr umdrehte. „Aber hey, manchmal ist es, wie es ist, was soll‘s. Im Moment haben wir anderes zu regeln.“ Er hob die Hand zum Abschied und ging hinaus. Die Ranken schwangen hinter ihm zu und Mélle war alleine…mit all ihren Zweifeln.

 

Das Komitee wurde abgehalten. Es ging länger, als Surai erwartet hatte.

Mit der Zeit erhitzten sich die Gemüter, der alte Kriegsherr war zu eigenem Nutzen bereit das Heer bereitzustellen, das in das Hauptlager des Feindes einfallen sollte, doch wollte er nicht einsehen, dass die Fähigkeiten eines zum Menschen mutierenden Dämons von Nutzen sein sollten. Surai versuchte ihm klar zu machen, dass Mélle ihm nach wie vor gehorchte, doch das brachte den Drow nur umso mehr zum Lachen. „Du schließt eine Freundschaft mit deiner Sukkubus, Surai, das kann nicht rechtens sein. Du enttäuschst mich immer wieder aufs Neue. Freundschaft...“ Der angesprochene Sohn biss die Zähne ob dieser Worte zusammen. Er wusste, dass es wieder darauf hinauslaufen würde und nun auch noch in Anwesenheit der anderen. Das versetzte ihm nicht nur einen kleinen Stich.

Mutig sah er wieder auf, mit geschwellter Brust sagte er: „Hör mich an, mein Herr. Ich bin nicht der, den Ihr gerne als Euren Sohn hättet, jedoch weiß ich, unser Volk zu schützen. Ich werde die Armee zum Sieg führen, ich beweise Euch, dass ich es kann und Eurer würdig bin.“

Der Kriegsherr sah auf seinen Sohn herunter…Und erwiderte nichts. Stattdessen wandte er sich an Saphira. „Ich biete Euch meine Männer, nehmt diesen Abschaum auseinander. Sie sollen Euch gehorchen, Saphira. Wenn Ihr auch ein Engel seid, so weiß ich, dass Euer Volk des Lichts immer Frieden haltet, was ich zu schätzen weiß, denn wir hätten kaum Chancen.“ Saphira hatte erschrocken zu Surai gesehen, nun nickte sie dankend dem Krieger entgegen und verneigte sich. Auch Inuka und Gon verneigten sich… Surai ging einfach.

 

„Surai… Komm schon, dein Vater hat es doch sicher nicht so gemeint. Vielleicht ist es ihm einfach lieber mich als Führung zu sehen, da ich es schließlich bin, die das Ganze angeleiert hat.“ Saphira stand schon lange vor seiner Tür und sprach auf den jungen Drow ein.

Gon stand an der Wand gegenüber und beobachtete dieses Schauspiel, seit es begonnen hatte.

Und Inuka…die hockte mit geöffneter Türe in ihrem Zimmer auf dem Bett und polierte schon zum vierten Male ihr Schwert. Nun ließ sie mit einem Seufzen davon ab und sah auf.

„Gib es auf, Saphira! Er ist zu stur, es macht keinen Sinn noch weitere Stunden auf ihn einzureden!“ Sie stand auf und ging hinaus zu ihr, gerade als sich Surais Tür öffnete und er dort stand. Mit unbewegter Miene ging er an Saphira vorbei, die ihm bereitwillig Platz machte, denn er schien zu beben.

Mélle kam schnell hinter ihm her und klammerte sich an seinen Arm.

„Meister! …Surai, lass es doch, es hat keinen Zweck im Zorn auf ihn zuzugehen!“, versuchte sie ihn zu beschwichtigen. Surai ließ sich nicht beirren und zog sie mit sich bis zur Flurbiegung, wo Mélle freiwillig losließ und hilflos zu den anderen zurück sah.

Bis sich die Gesamtsituation den anderen auftat, schien eine Ewigkeit zu vergehen. Doch schließlich sprangen sie alle ihm nach.

Doch Surai war schon im Thronsaal verschwunden, als sie dort ankamen.

„Oh nein…Mélle, was hat er vor?“, fragte Saphira entsetzt und starrte den Sukkubus an. Dieser schüttelte hilflos den Kopf.

„Er sprang mit einem mal auf. Seine Augen sprühten vor Zorn, und er sagte, er wolle noch einmal mit ihm sprechen. Aber ich habe Angst, dass er nicht nur sprechen möchte, so aufgebracht wie er war…“

„Dann bleibt uns wohl nichts übrig als abzuwarten. Uns bleibt dieses Rankentor verschlossen.“ Gon sah an dem Tor hinauf, worauf ihm ein kleines Licht ins Auge fiel. „Och nö, du schon wieder, das tut weh!“, empörte er sich und griff nach dem Lichtpunkt. „Wo warst du so lange?“, fragte er Sinia dann und sah auf sie hinab, als er seine Hand öffnete. Sie schien ganz aufgeregt zu sein und zerrte an Gons Daumen herum.

Die drei Frauen waren an die beiden herangetreten und beobachteten das Schauspiel.

„Was will sie uns damit bloß sagen?“, fragte sich Inuka laut und runzelte nachdenklich die Stirn.

Die Fee hielt mit dem Gezerre inne, zeigte in Richtung Thronsaal und fuhr sich mit der winzigen Hand über den Hals.

Saphira schlug sich aufschreiend die Hände vor den Mund, während Inuka noch immer nachdenklich war.

„Das glaube ich nicht, Surai würde doch nicht seinen Vater umbringen…“, plausibelte sie, doch Sinia schüttelte vehement den Kopf. Sie machte ein grimmiges Gesicht, baute sich auf als hätte sie Muskeln, machte sich ganz breit und fuhr sich dann wieder über die Kehle.

„Hast du gerade versucht Surai nachzumachen?“ Inuka musste lachen, trotz der verwirrenden Stimmung. Sinia schien verzweifelt und setzte sich dann bockig auf Gons Hand. „Schon gut. Handelt es sich um Surai?“ Die Fee nickte. „Surai soll sterben?“ Sie schüttelte den winzigen Kopf. „Ehm…Was bedeutet diese Handbewegung denn dann?“ Sie überlegten gemeinsam. Schließlich war es Mélle, der es einfiel.

„Verbannung“, sagte sie nur.

Verständnislose Blicke.

„Er, oder besser gesagt, seine Mutter wird Surai verbannen, denn er ist es nicht wert, diesem Reich Nachkommen zu schenken“, erklärte der Sukkubus. Inuka schnaubte verächtlich.

„Was für ein Schwachsinn! Ich denke, Surai wäre der erste wirklich gute Mitherrscher der Drow.“ Gon hielt ihr den Mund zu.

„Bist du wahnsinnig!“ Er sah sich hastig um. „Die Wände haben Ohren, Inuka!“, flüsterte er laut und bedachte sie streng. Verstehend riss sie die Augen auf.

„Okay, was machen wir nun? Woher weißt du eigentlich von der Verbannung, Sinia?“

Die Fee deutete hinauf zu den Ranken und legte dann das Ohr an Gons Daumen. Offensichtlich hatte sie gelauscht.

Die Ranken öffneten sich. Surai kam heraus und sah auf.

„Ihr seid ja gar nicht neugierig, oder?“

„Idiot, wir wollten dich aufhalten einen Fehler zu begehen, waren aber zu langsam. Du warst schon drinnen, als wir ankamen, also haben wir gewartet“, erklärte Inuka gespielt verärgert. „Wie ist es ausgegangen?“

„Wir brechen morgen früh auf zum Lager. Der Spion kennt den Weg.“ Sein Blick fiel auf Sinia. „Ach, das wisst ihr wohl schon“, sagte er und nahm sie Gon aus der Hand.

„Stimmt nicht, wir verstehen ihr Geklingel nicht. Sie hat es mit Pantomime versucht.“ Saphira trat an Surai heran, der sich die Fee ins Haar gesetzte hatte. „Surai…Wurdest du verbannt?“

Surai sah sie perplex an…und fing an zu lachen.

„Ach du meine Güte, haben wir sie doch falsch verstanden“, stellte Inuka fest und schüttelte lächelnd den Kopf.

Mélle jedoch wandte den Blick nicht von Surai ab und wartete, bis dieser sich beruhigt hatte. Sie kannte ihren Meister.

„Ihr seid gut, Leute. Wie hat Sinia euch mit Körpersprache eine Verbannung klar gemacht?“ Seine amüsierten Augen gingen zwischen der Gruppe um. „Na ja, gut. Ja, sie hat Recht. Nach dem Kampf habe ich nicht mehr zurückzukehren.“ Das schlug allen mitten ins Gesicht. Wie vom Donner gerührt standen sie da und starrten ihn mit offenen Mündern an.

„Und…und du lachst darüber!?“, spie Gon ihm regelrecht entgegen.

Surai zuckte die Schultern. „War ja irgendwie klar oder? Was bin ich denn? Ein Drow, der nicht meuchelt, der zwar Spaß am Kampf und Morden hat, aber es niemals ohne guten Zweck tun würde. Ich freunde mich mit Menschen, Halbelfen und Engeln an. Mein Sukkubus hat durch mich gelernt zu denken, zu fühlen und Kleidung zu tragen. Irgendwas muss ich doch gehörig falsch machen. Ich bin äußerlich einer dieses Volkes, im Blute sogar ein Prinz. Aber innerlich…“ Leicht verzweifelt nun ließ er den Kopf hängen.

Alle anwesenden trauten ihren Augen kaum, diesen Drow am Boden zerstört zu sehen. Ihnen wurde klar, dass er versucht hatte, sie zu täuschen. Es plagte ihn gehörig, von seinem Vater, von dem er soviel gehalten hatte, verschmäht zu werden.

Saphira nahm sich ein Herz und sprach ihn an. „Hör mal, Surai. Du bist nicht, wie der Rest deines Volkes, nicht so, wie andere Völker einen Drow beschreiben. Niemand möchte etwas mit einem Drow zu tun haben, denn sie sind zwiespältige, doppelzüngige und diebische Geschöpfe. Du aber bist es nicht und das hat mich von Anfang an fasziniert. Die Tatsache, dass du am Tage an der Oberfläche unterwegs warst…Ich könnte wetten, du bist der erste und wirst der letzte sein, der dieses tut.“ Sie machte eine kurze Pause.

Surai hatte sich verbittert lächelnd abgewendet.

„Wir alle wissen dein Verhalten zu schätzen. Auch wenn du manchmal anstrengend bist, haben wir dich gerne und haben dir bis heute nicht den Rücken gekehrt, oder siehst du das anders?“

Er schüttelte den Kopf. Man sah nur sein langes weißes Haar, welches sachte hin und her schwang.

Inuka ging zu ihm hin und berührte ihn leicht am Unterarm. Nun sah er auf. Saphira hat wohl Recht, dachte Inuka. Denn in Surais Augen standen viele Emotionen. Enttäuschung, Trauer, Frust, Verzweiflung… Aber auch Hoffnung.

„So seht ihr mich? Als einen Aussätzigen und ihr seid froh darüber, verstehe ich das richtig?“

„Also, wenn du mich fragst, bist du ein ziemliches Arschloch, Surai“, begann Gon und trat nun, mit vor der Brust verschränkten Armen, auch heran. „Aber mir war auch aufgefallen, dass du kein typischer Drow bist. Das wiederum fand ich derart befremdlich, dass ich dich nur umso weniger ausstehen konnte. Aber eines muss ich dir lassen: du bist ein ehrenwerter Kerl, der weiß, wann er helfen muss und vor allem wem. Dein Gerede zu Anfang, du würdest nur Saphira deine Aufmerksamkeit schenken, da sie von edlem Geblüt sei…“

„Stimmt! Das war reines Getue, immerhin hast du uns nicht rausgeschmissen, als wir doch hierherkamen und warst freundlich.“ Die Söldnerin ereiferte sich. „Ich bin darüber echt froh“, fügte sie noch hinzu und drückte seinen Arm.

„Wenn du so anders bist, Surai, dann legst du Wert auf Freundschaft. Diese hast du hiermit.“ Der Engel strahlte übers ganze Gesicht.

In jedes anwesende Gesicht schauend, traute Surai seinen Ohren nicht. Dahin hatte ihn sein verstelltes Ich also geführt. Er konnte sich beim besten Willen ein schräges Lächeln nicht verkneifen.

Sogar Gon, mit verschränkten Armen, so mürrisch wie er da stand, musste lächeln. „Glaube ja nicht, dass ich dir verziehen habe“, sagte dieser nur. Surai lachte leise auf.

„Schon klar, kleiner“, sagte er ihm zuzwinkernd und blickte schließlich zu Inuka hinunter, die ihn immer noch am Arm hielt. „Schade eigentlich, aber es war einen Versuch wert, dich umzustimmen.“ Inuka gab ihm einen verspielten Klaps auf den Arm und ging zu Gon hinüber.

Saphira und Mélle standen beisammen. Die eine über das gesamte Gesicht strahlend, die andere ziemlich düster dreinschauend. Surai ging zu Mélle.

„Stimmt etwas nicht?“ Sie schüttelte den Kopf.

„Was wird aus mir, wenn du nicht mehr hierher zurückkehren kannst?“

„Na ja, ich habe es mir noch einmal genauer durch den Kopf gehen lassen. Vielleicht wärst du uns eine Hilfe, aber... Ich möchte nichts riskieren. Ich werde dich frei lassen, Mélle. Du kannst gehen wohin du möchtest.“

Die Sukkubus machte große Augen. „Aber... ich möchte bei Euch bleiben, Herr!“

„Nein, Mélle. Ich möchte deine Dienste nicht mehr in Anspruch nehmen und ein Drow und eine Sukkubus eignen sich nicht als Freunde. Ich bin froh zu sehen, was aus dir geworden ist, aber ich möchte dem jetzt ein Ende machen, endgültig.“

Sie schien geknickt. Saphira nahm sie in den Arm.

„Sei nicht traurig, Mélle. Surai hat recht. Du kannst dein Leben jetzt selbst bestimmen. Du wirst sehen, dass ist besser, als jemandem zu dienen.“

Der Drow nickte bestätigend. „Vielleicht sehen wir uns eines Tages wieder. Ich würde mich freuen.“ Mélle schien wenig überzeugt, entwand sich Saphiras Armen und stürzte auf Surai zu. Sie sank auf die Knie und umschlang ihn mit ihren Armen.

„Bitte, Herr! Bitte, ich möchte frei sein, aber ich möchte Euch nicht verlassen! Ihr seid mein Meister, wie kann ich Euch verlassen?“ Alle Anwesenden trauten ihren Augen kaum. Wie konnte jemand derart an seinem Sklaventreiber hängen? Dieser nahm Mélle an den Armen und zog sie zu sich hoch.

„Ich sehe keinen anderen Ausweg, Mélle. Ich hoffe, du wirst es mir verzeihen können.“ Er atmete tief ein und sah dem Sukkubus fest in die Augen. „Ich befehle dir hiermit zu verschwinden und nie mehr zurückzukehren. Ich befehle dir frei zu sein und dich endgültig von mir zu lösen, für immer.“ Er ließ ihre Arme los, sah ihr aber weiterhin starr in die Augen. Mélle starrte zurück, ihre entsetzten Gesichtszüge entspannten sich langsam... Schließlich zog sie die Kleidungsstücke aus und trat durch die Wand. Sie verschwand und kam nicht wieder zurück. Surai atmete tief ein und wieder aus, seine Hand fuhr durch sein Haar. Man sah ihm an, dass ihm das absolut nicht passte, aber als er sanft lächelnd aufsah, erkannte man, dass er erleichtert war.

„Lasst uns zu Bett gehen. Diese eine Nacht haben wir noch, morgen früh geht es los, Leute!“

 

Kaum erklang das Horn des Morgens, rappelte Surai sich auf und raffte all seine Sachen an sich. Schon bald war der junge Drow fertig und öffnete den Vorhang. Inuka und Gon standen schon fix und fertig auf dem Flur, Saphira trat nur wenig später aus ihrem Zimmer. Surai sah in die Runde und stellte fest, dass er einen Kloß im Hals hatte.

„Ich hoffe, es wird nicht unsere letzte gemeinsame Schlacht werden, Leute. Ich kann es mir nicht erklären, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass es beschwerlicher werden wird, als beim ersten Mal.“

Gon schnaufte abweisend. „Ich bitte dich, wir sind doch alles hervorragende Kämpfer. Ich denke schon, dass es gut werden wird. Wir können nur gewinnen“, sagte er seiner Worte sicher und grinste breit.

„Surai, wir bekommen ein ganzes Heer deines Volkes mit. Das wird das reinste Blutbad zu unserem Gunsten, was machst du dir also Sorgen?“, drängte Inuka sich dazwischen und sah ihn belustigt an.

Surai ließ ein kleines Lächeln aufblitzen, ehe er den Kopf senkte und sacht schüttelte. Es war klar, dass alle der Meinung waren sein Volk würde den Sieg ohne weiteres davontragen können. „Natürlich sind es gute Krieger, die ihre Kunst vom Töten und dem Krieg verstehen.“ Er sah auf. „Aber unsterblich sind wir auch nicht. Wir werden es mit Wesen zu tun bekommen, die sich menschlich verhalten und fähig sind Elfenkünste anzuwenden. Wenn es sich am Ende vielleicht sogar um ein Elfenvolk selber handelt, werden wir es mit ernsthaften Gegnern zu tun bekommen.“ Saphira hatte sich bisher zurückgehalten, nun wandte sie sich an Surai.

„Wir wissen also noch immer nicht, wer unser Feind ist, was er ist? Ich dachte, die Spionage hätte auch dieser Frage eine Antwort gegeben.“

„Bisher weiß nur mein Vater Bescheid, mir wurde diesbezüglich noch nichts verraten. Er hat dich zur Anführerin gemacht, ich schätze, man wird es dir verraten, sobald es los geht“, antwortetet Surai und strich nachdenklich sein Haar aus dem Gesicht. „Wir sollten aufbrechen, keine Zeit verlieren. Lasst uns nachsehen, wie weit die Soldaten mit den Vorbereitungen sind.“

Surais Ansage, sein Volk sei nicht unsterblich hatte alle beteiligten nachdenklich gestimmt, weswegen sie schweigend ihres Weges gingen. Hinunter in den Stall ging es, wo sie die Pferde zäumen wollten. Beim Betreten des Stallgebäudes hörten sie bereits das Schnaufen vieler Pferde und das Klappern von Rüstungen und Waffen. Das bewies ihnen, dass dort draußen schon einiges in Gange war.

Das Vorbereiten ihrer Pferde war schnell getan. Surai öffnete die Tore. Laviencé am Zügel haltend, trat er hinaus in das dämmrige Licht des unterirdischen Morgens. Ein Stück entfernt erkannten sie, dass sich bereits auf dem großen Platz vor dem Baum das Heer versammelt hatte und gerade Aufstellung bezog. Surais Vater erteilte die ein oder andere Anweisung und überließ dieses schließlich einem jüngeren Krieger, als er den kleinen bunt gemischten Trupp auf sich zukommen sah.

„Lady Saphira, meine Männer sind bereit zum Aufbruch.“

„Danke sehr. Verratet mir bitte noch, wer unser Feind ist. Wir können uns nicht auf Unbekannte einrichten.“

Der Drow kniff kurz die Lippen zusammen und verengte die Augen zu kleinen, glänzenden Schlitzen. Scheinbar fiel es ihm schwer, etwas dazu sagen zu können. Dann aber: „Nun, ich verrate nur so viel, dass ihr einen von ihnen unter euch habt. Wenn ich genaueres sage, gefährde ich damit das Vorhaben gegen sie anzugehen. Viel Erfolg, Lady Saphira.“ Er verbeugte sich kurz vor dem Engel und ging davon. Perplex blieb das Grüppchen zurück, Saphira öffnete sich vor Unglauben der Mund. Rasant drehte sie sich zu Surai um und starrte ihn fassungslos an.

„Wie darf ich das nun verstehen? Er hat mir im Grunde nicht mal annähernd verraten, um wen es sich nun handelt und was damit auf uns zukommt.“

Der Angesprochene machte eine ratlose Geste. Er konnte sich selber keinen Reim darauf machen. Wozu hatte sein Vater den Feind ausspionieren lassen, wenn er es ihnen nicht genauer erklären wollte. „Tut mir Leid, Engelchen. Ich habe nicht die geringste Ahnung.“ Sie wandte sich wieder von ihm ab und sah zu dem Heer hin, welches nun in Reih und Glied auf Anweisungen zum Aufbruch wartete. Keiner der Krieger rührte sich, lediglich die Pferde konnten es nicht erwarten, sich in Bewegung setzen zu dürfen. Ratlos ließ Saphira den Kopf hängen. Schließlich hob sie ihn abrupt, saß entschlossen auf und ritt in sachtem Trab zu dem jungen Krieger, welcher immer noch die Stellung hielt. Die anderen folgten ihr. Vorsichtig sah Surai zu Inuka hin, welche vor ihm ritt. Er hatte einen schlimmen Verdacht, der ihm ganz und gar nicht gefiel.

„Ihr seid der Spion dieses ganzen Planes, habe ich recht?“, sprach Saphira den Krieger an, welcher sich kurz verneigte.

„Ja, das ist richtig. Ich werde Euch begleiten und die Wege sichern, Lady Saphira.“

„In Ordnung. Wie viele Mann haben wir, …?“ Fragend sah sie ihm in die Augen, worauf der Angesprochene die seinen etwas nervös niederschlug.

„Rhyl“, kam es nur verhalten von Surai weiter hinten. Saphira sah sich um, stellte aber fest, dass da nicht mehr von ihm kommen würde.

„Es sind annähernd dreihundert Mann“, antwortete Rhyl nun auf ihre Frage und warf einen schnellen Blick zu Surai, der verriet, dass er sich über seine freche Einmischung ob seines Namens ärgerte.

Saphira ging nicht darauf ein. „Gut, Rhyl. Und der Feind? Haben wir eine Chance, wenn wir dreihundert haben?“

„Natürlich. Ich habe die Menge der Feinde auf unser Heer verdoppelt. Ihr müsst Euch keine Gedanken machen. Wir werden gewiss siegen.“ Ein unheimliches Grinsen waberte sehr kurz über seine Züge, ungesehen von Saphira, welche zufrieden nickte und den Blick noch einmal über den Stand der Krieger schweifen ließ.

„Dann soll es nun losgehen. Wir haben einen langen Weg vor uns, nehme ich an.“

„Zwei Tage, Mylady.“

Surai zog sich der Magen zusammen, als sie sich an die Spitze setzten und Saphira noch etwas unsicher und zögerlich die Hand hob, dem Heer den Aufbruch zu signalisieren. Doch als dieses sich auf ihr Zeichen leise in Bewegung setzte, umfing ein zufriedenes Lächeln ihre Lippen.

„Irgendwie aufregend, ich habe noch nie ein Heer geführt“, wandte sie sich mit vor Aufregung zitternder Stimme an Surai, welcher neben ihr ritt.

„Soweit hätte es im Grunde nie kommen dürfen. Aber da es sich offensichtlich um das Wohlergehen deines Volkes handelt, ist es dir natürlich eine Ehre, als Prinzessin der Engel.“ Sie nickte und sah entschlossen geradeaus, als sie den Markt erreichten und sich dem steinernen Tor nährten. Diese wurde gerade von den Wachen geöffnet. Hinter ihnen war ein Japsen zu vernehmen, worauf Surai sich umdrehte und in das Gesicht einer staunenden Inuka blickte.

„Stimmt etwas nicht, Inuka?“

„Da-das Tor ist ja viel größer, als ich es in Erinnerung habe!“, rief sie und deutete darauf. Gon stellte sich in die Steigbügel und riss die Augen auf.

„Bemerkenswert. Ich hatte auch gedacht, das magische Tor sei konstant.“

Surai lachte. „Ich bitte euch, die Drow und ein winziger Eingang durch den höchstens vier Personen auf einmal passen.“ Verspottend eine Augenbraue hochgezogen betrachtete er die beiden. Gon ließ sich darauf enttäuscht wieder in den Sattel sinken.

„Stimmt...“ Inuka schien sich ob ihres Irrtums zu ärgern und sah auffällig beiseite.

Als Surai sich immer noch lächelnd wieder nach vorne umdrehte, verließen sie gerade die Dunkelheit von Zacchaera und ritten in den strahlenden Morgen hinein. Mit einem Mal war er blind.

„Ich hasse das, die Sonne kann so mies sein...“, presste er gequält zwischen den Zähnen hindurch und hielt sich den Arm vor die Augen. Schließlich besann er sich seines Umhanges und schlug die Kapuze über den Kopf. Zufrieden grinsend sah er sich zu Saphira um. Die aber beachtete ihn nicht und sah immer noch stur geradeaus. Surai verging ein wenig den eben empfundenen Sieg gegen die Sonne. „Hey, Engelchen, mach dir nicht so viele Gedanken, es wird schon gut gehen. Dann kannst du endlich wieder heim.“

Sie seufzte, was aber nichts an ihrer Haltung änderte. „Du hast Recht. Jedoch werde ich das dumme Gefühl nicht los, dass du vorhin schon Recht gehabt haben könntest und es beschwerlicher enden wird, als beim ersten Mal.“

Damit hatte Surai einerseits gerechnet, und dennoch schlug es ihm sachte in die Magengegend dieses aus ihrem Mund zu hören. „Vielleicht wird es das. Aber wir haben ein Ziel vor Augen, eines das sich lohnt. Dein Volk, dein Reich zu retten erscheint mir lohnenswert. … ohne dabei an den eigennützigen Zweck meines Volkes zu denken. Aber das geht mich eh nichts mehr an. Ich kann endlich der sein, der ich bin“, schloss er, nicht ohne Glück darüber zu empfinden... aber auch Wehmut. Er wird Zacchaera nie wieder sehen.

„Ach Surai, nur meinetwegen wurdest du deines Reiches verbannt. Und du nimmst es derartig mit Fassung, dass ich heulen könnte.“ Saphira sah ihn unglücklich an.

Doch der junge Drow schüttelte den Kopf. „Dir ist nicht klar, dass diese meine Fassung daher kommt, dass ich mich diesem unterirdischen Reich schon lange nicht mehr zugehörig gefühlt habe. Ich bin anders, als der Rest meines Volkes. Ich tanze dermaßen aus der Reihe vom Verhalten her, dass mich dort eh nichts mehr halten könnte. Seit ich ein Mann bin treibe ich mich hier draußen herum. Es gefällt mir einfach besser in der Sonne herumzuliegen, statt irgendwelchen Meuchler-Unterricht zu nehmen. Der Hass, der ständige Krieg untereinander, das Töten... Es geht mir auf den Sack, ich bin es leid.“

„Du bist echt eine Schande für dein Volk, Surai“, mischte Gon sich ein. Als Surai sich beinahe enttäuscht zu ihm umdrehte, sah er aber, dass der Barde breit grinste und abwinkte. „Es ist wahr, aber ich finde es alles andere als schlecht. Ich finde es gut, einen wie dich zum Freund zu haben. Du weißt wenigstens was du willst und ziehst es durch.“

Inuka nickte, ebenso breit grinsend. „Sehe ich genauso. Dafür, dass ich zur Hälfte eine von euch bin, aber so gar nicht drowmäßig-“ Gon schnaubte entrüstet auf.

„Von wegen, du quälst voll gerne und bist fies genug eine Banshee mit deinem Blick zum Schweigen zu bringen.“

„Was!? Das stimmt doch gar nicht! Du übertreibst es total! Surai, er übertreibt doch, oder? ...wehe du sagst was falsches...“

„Siehst du!“, warf Gon ein und hob schnell den Arm vor das Gesicht, als Inuka ihn schlug.

Surai lachte sich ins Fäustchen und als er einen Blick zu Saphira rüber warf, sah er mit Freude, wie auch sie sich amüsierte über den kleinen Streit hinter ihnen. Na also, dachte er, sie muss sich ihren Frohsinn und ihre Lieblichkeit erhalten, so, wie wir sie kennengelernt haben.

 

Nach einer ganzen Weile, es war weit nach Mittag, begann Gon zu maulen er sei müde. „Ich kann nicht mehr, der Sattel hat sich in meinen Hintern gefressen. Wollen wir nicht langsam rasten?“ Inuka verdrehte die Augen ob dieser Jammerei.

„Reiß dich mal zusammen, wir haben noch einen langen Weg vor uns den wir in drei Tagen schaffen wollen. Da muss eben ein ordentliches Tempo vorgelegt werden. Außerdem...“ Sie drehte sich im Sattel um. „Guck dir mal die an. Nur wenige haben ein Pferd, die latschen zu Fuß und maulen kein bisschen.“ Sie drehte sich wieder nach vorne. „Sei ein Mann und keine Heulsuse.“ Auch Gon drehte sich einmal um, um sich ein Bild davon zu machen. Als er wieder nach vorn gerichtet saß, ließ er eingeschnappt den Kopf hängen.

„Gib doch zu, dass du auch keinen Bock mehr hast, Inuka“, mümmelte er in den nicht vorhandenen Bart und strich verlegen an seinem Sattelhorn entlang. Die Söldnerin seufzte.

„Ja, ich gebe es zu, aber ich jammere nicht herum. Wir sind es eben nicht gewohnt so lange zu reiten.“

„Ihr könntet absteigen und ein Stück gehen. Ist ja nicht so, dass wir wirklich schnell unterwegs wären.“ Surai machte es ihnen vor. Noch im Schritt des Pferdes ließ er sich aus dem Sattel gleiten, nahm den Schritt Laviencés auf und streckte sich erst mal ausgiebig, dass die Knochen krachten. „Yeah, um einiges besser“, fügte er noch hinzu und löste den Wasserschlauch, um einen ordentlichen Schluck daraus zu nehmen.

Die Heulsuse verdrehte genervt die Augen. „Angeber...“, und tat es ihm gleich. Auch Inuka ließ sich hinuntergleiten, kam aber ein wenig ins Staucheln, weil sie nicht auf den ausschreitenden Huf ihres Pferdes geachtet hatte. Ihr Nebenmann musste kichern, worauf sie blitzschnell unter dem Hals seines Tieres hindurch gegen seine Wange schnippte. Das ließ sein Tier kurz scheuen, worauf auch die der Krieger hinter ihnen nervös den Kopf hoben. Zischende Flüche erreichten die beiden Unruhestifter, was sie schnellstens zur Ruhe kommen und still weitergehen ließ. Gon rieb sich nur seine Wange.

 

Die Dämmerung brach herein und noch immer waren sie unterwegs. Sie saßen wieder in den Sätteln, wobei Surai eher lag. Sein flacher Sattel erlaubte ihm sich der Länge nach auf Laviencés Rücken auszustrecken und die rötlichen Strahlen der Sonne, die durch das dichte Blätterdach schienen, zu beobachten. Er dachte über das Kommende nach und was danach wohl sein würde. Saphira wird wieder Heim kehren, Gon und Inuka ziehen wahrscheinlich weiter, um sich weitere Abenteuer zu suchen und er? Vielleicht würde er sich irgendwo im Wald eine kleine, aber feine Hütte bauen, wie es die Oberflächenbewohner für gewöhnlich tun.

„Ehm... Machen wir dann bald eine Rast? Die Sonne geh unter, das bedeutet wir suchen uns ein lauschiges Plätzchen und essen eine Kleinigkeit um dann ordentlich zu schlafen, ja?“

„Boah, Gon...!“, knurrte es neben ihm.

„Was'n? Ist es so schlimm sich ausruhen zu wollen? Wie soll ich denn kämpfen, wenn ich tot müde bin?“

Rhyl war es diesmal, der die Stimme erhob. „Ihr werdet nicht müde kämpfen müssen. Jedoch werden wir die Nacht durchreiten. Wir haben den schützenden Wald von Zacchaera verlassen, wir müssen uns nun also den Schutz der Nacht zu eigen machen. Am Tage ist es mit einem ganzen Heer nicht mehr sicher genug.“

„Und... was heißt das jetzt? Wir reiten die ganze Nacht und schlafen den Tag über?“ Der junge Barde sah geschockt und recht verdrossen drein. Er konnte nicht fassen, dass er noch so lange durchhalten sollte. Wie schafften es bloß die Drow? Alles Angeber, denen MUSS bereits alles weh tun, aber bloß keine Schwäche zeigen, dachte er mürrisch.

„Ja, wir reiten die Nacht durch, suchen uns einen geeigneten Rastplatz und ruhen aus“, sagte nun Surai, denn Rhyl hatte gesagt, was er zu sagen hatte und würde nun schweigen.

„Oh man ey...“ Müde ließ Gon den Kopf hängen. Surai legte den Kopf in den Nacken und warf einen Blick hinter sich.

„Mach es doch wie ich. Ist ganz entspannend sich wenigstens etwas lang zu machen. Ansonsten ziehst deinen Umhang aus und stopfst ihn dir unter, Hauptsache du reißt dich nun mal zusammen, Kleiner.“ Damit erhob er sich wieder und nahm die Zügel auf.

„Nenn' mich nicht immer „Kleiner“, ich bin es schließlich nicht.“

„Hätte nur noch gefehlt, dass du trotzig die Zunge raus streckst, Gon. Wir packen das schon, bis dahin wächst die Freude auf's Lager. Und jetzt sei still.“ Entnervt ließ Inuka die Schultern kreisen und den Nacken knacken. Es war wirklich anstrengend so lange auf dem Pferd zu sitzen. Und die Tiere schnauften nicht einmal.

„Ihr habt wirklich ausgezeichnete Pferde. Die werden wohl nie müde, oder?“, sagte sie lächelnd in Surais Richtung.

„Ja doch, natürlich. Aber sie haben einiges an Ausdauer, das ist wahr. Sie halten gut durch und erholen sich dann auch wieder recht schnell. Eben die perfekten Pferde für ein kriegerisches Volk.“ Aus seiner Tonlage war der Stolz deutlich hörbar. Er wusste diese Reittiere wirklich zu schätzen, so tätschelte er Laviencés Hals und erntete dafür ein wohliges Schnaufen.

 

Eine Ewigkeit ritten sie die Nacht hindurch, doch dann, Gon glaubte seinen Hintern nun nicht mehr zu spüren, begann der Morgen zu dämmern. Rhyl ritt voraus und kam mit der Nachricht einen geeigneten Ort zum rasten gefunden zu haben zurück. Nicht weit könne man ein Stück den Berg hinauf, wo es einen Platz gäbe, welcher praktischerweise hoch vom Fels eingeschlossen und nur durch zwei Ein- beziehungsweise Ausgänge verfüge. Saphira willigte sofort ein, was Gon dankend gen Sonnenaufgang seufzen ließ. So ritten sie also querfeldein durch die Bäume hindurch, bis diese sich lichteten und den Blick auf einen recht kleines Gebirge freigaben. In diesem, kaum sichtbar, war ein Spalt zu sehen, durch den vielleicht fünf Reiter auf einmal gepasst hätten. Surai kniff zweifelnd die Lippen aufeinander. Das wird dauern, bis alle da durch sind. Aber es ist wirklich der perfekte Ort zum Ruhen.

„Okay, macht euch alle so schlank wie möglich, es wird eng!“, rief Saphira zum Heer zurück und zog automatisch den Kopf ein, als sie den Spalt passierte. Gon war der erste, der, sobald er ungefähr die Mitte des Platzes erreicht hatte, vom Pferd sprang und sich flach zu Boden warf, wo er reglos liegen blieb und die steinige Erde küsste. Surai und die anderen kamen zu ihm hin und konnten sich das Lachen nicht verkneifen.

„Du bist so ein Spinner, Gon!“, kicherte Inuka und stieg ebenfalls ab. Surai tat es ihr nach und nahm als erstes Laviencés Sattel ab. Dann zog er seinen Umhang aus und legte ihn der Stute über.

„Du bist gut zu ihr, das sehe ich gerne“, meinte Saphira liebevoll lächelnd und machte es mit ihrer Stute genauso.

„Man tut was man kann, um die Effizienz des Tieres aufrecht zu erhalten. Ein totes Pferd nutzt mir nichts, nicht wahr?“

Saphira riss die Augen auf und drehte sich abrupt zu ihm um. „So meinte ich das eigentlich nicht...“, begann sie, doch unterbrach sie sich, als sie sah, wie Surai frech zu ihr hinüber grinste, aufstand und Laviencé aus seinem Schlauch wässerte.

„Ein böser Scherz, ich weiß. Entschuldige, ich konnte es mir nicht verkneifen. Natürlich denke ich nicht so von meinem Pferd, ich liebe sie, wie man einen guten Gefährten nur lieben kann. Uns verbindet ja auch einiges, nicht wahr, mein Mädchen?“ Er klopfte ihr den Hals und begann in seiner Umhängetasche zu wühlen. „Diese Unordnung... Dabei hatte ich es gut zusammengebunden...“ er fand was er gesucht hatte. Saphira staunte nicht schlecht, als sie ein Bund Kraut erblickte, welches einen undefinierbaren Geruch von sich gab. Surai bemerkte ihren Blick. „Das ist ein ganz besonderes Kraut. Wir nennen es Snarcíe-Kraut, nach der Rasse unserer Pferde benannt. Es wächst dort, wo sie hin äppeln. Ich frage mich heute noch, warum und wieso, aber wenn sie es fressen, kommen sie schneller zu Kräften nach einem langen Ritt, es ist voller Vitamine.“ Er nahm nur einen Stängel des Bündels und gab ihn Laviencé, welche ihn vorsichtig nahm und begann lange und ausgiebig zu kauen. Auch Saphiras Tier gab er einen solchen Stängel und ließ das Bündel dann wieder in seine Tasche gleiten.

„Faszinierend. Ich dachte eher, die Tiere seien aufgrund ihrer langen Zähne Fleischfresser.“

„Sind sie auch. Nur eben dieses Kraut scheinen sie zu mögen, beziehungsweise es auch wirklich zu brauchen.“ Er streckte sich. „Nun ist Herrchen mit Futter dran“, sagte er grinsend und ließ sich direkt neben ihr nieder. Saphira betrachtete Laviencé nachdenklich, bis sie sich eines besseren besann und zu Surai setzte. Dieser nahm einen halben Brotlaib aus der Tasche und einige Blaubeeren. „Bedien dich, Engelchen“, bot er Saphira an, die sich dankbar ein Stück Brot abbrach.

„Wie kommt es, dass du mich neuerdings so nennst?“, fragte sie nach dem ersten Bissen und blickte fragend zu ihm auf.

„Nun ja, du bist ein Engel, ein süßer Engel, warum also nicht Engelchen als Spitzname?“ Er lächelte schräg und ließ seine Augenbraue hüpfen. Saphira lachte.

„Du unverbesserlicher Kerl!“

„Aber ein gutaussehender“, fügte Surai hinzu und ließ ihr einen Luftkuss zufliegen. Saphira lachte wieder glockenhell auf. Da kam Inuka heran, die Arme verschränkt und offensichtlich bitter böse.

„Was soll das werden, du Widerling!? Machst du sie wieder an? Soll ich ihm eine drüber geben, Saphira?“

Der Engel schien erschrocken, nun war Surai es, der schallend lachte.

„Oh nein, Inuka, bitte! Wir scherzen doch nur, du kannst deinen Beschützerinstinkt wieder einpacken! Als würde ich mich an derart reines Fleisch heranwagen, das würde meine schwarze Seele nicht überleben.“ Inuka sah misstrauisch zu Saphira hinüber, nur, um sicherzugehen. Die junge Frau aß genüsslich ihr Brot und die ein oder andere Beere und blickte äußerst unschuldig zurück.

„Er hat recht, mach dir keine Gedanken. Wagt er es auch nur mich anzurühren, zerfällt er zu Staub. So blöd kann er nicht sein, dass er Selbstmord begehen würde.“

Der Drow konnte nicht mehr an sich halten und prustete los, dass das Wasser nur so spritzte, welches er gerade noch schlucken wollte.

Inuka kam sich verarscht vor und schnaufte aufgebracht. „Na dann... Ihr scheint ja wirklich Spaß zu haben. Ich werde dann mal schlafen, so wie alle anderen auch, wenn ihr nichts dagegen habt.“ Sie zog ab.

„Tu dir keinen Zwang an, Schätzchen, ich werde deinem Engel keine Feder krümmen... vielleicht...“ Inuka schritt nicht mehr, sie stampfte davon, von Surais Gegacker verfolgt.

Saphira grinste nur mehr und begann sich ihr Lager zu richten. Als sie versuchte, ihre Flügel so zu legen, dass ihr Kopf darauf ruhen konnte, bekam Surai es mit dem Mitleid zu tun.

„He, nimm den Sattel als Kopfkissen. Nicht das angenehmste, aber besser, als dir die Flügel zu verdrehen.“ Er reichte ihr ihren Sattel und half dabei ihre Flügel zu spreizen, sodass sie zum liegen kommen konnte. „Eh, das ist doch mal eine weiche Rückenlage möchte ich meinen.“

„Oh ja, das ist es“, lächelte sie zurück und verschränkte die Finger auf ihrem Bauch. „Danke für deinen Vorschlag mit dem improvisierten Kissen.“

„Nichts zu danken, ich reite öfter als du, nehme ich an, da muss man manchmal improvisieren.“ Er ließ sich auch nieder und blinzelte zur aufgehenden Sonne hoch. „Tagsüber an der Oberfläche und ohne Bäume schlafen ist Mist...“, murmelte er und drehte sich auf den Bauch. „Schlaf gut, Engelchen.“

„Du auch, Surai.“ Endlich waren die letzten Krieger durch den Spalt und es kehrte Ruhe ein.

 

Noch bevor die Sonne untergegangen war, waren sie wieder auf den Beinen. Surai bereitete Laviencé für das letzte Stückchen Weg vor. Inuka und Gon warteten geduldig, als der junge Drow Saphira half ihren Sattel zu befestigen.

„Wie lange nun noch, Surai?“, fragte Gon mit leicht zittriger Stimme. Er konnte seine Nervosität kaum verbergen, was ihn sichtlich zu ärgern schien.

„Vielleicht eine Stunde, wir sind schon ganz nah, wenn ich mich nicht irre.“ Gon schluckte schwer nach dieser Antwort.

„Und wie machen wir uns an sie heran? Ich meine... kreisen wir sie ein?“

„Wäre das schlauste was man machen kann, oder?“, mischte Inuka sich ein. „Es ist nur von Vorteil von jeder Seite anzugreifen, meine ich.“

Surai sah verstört zu ihr auf. „Seit wann bist du denn die Schlachtexpertin hier?“ Nun begann er zu grinsen, denn Inuka schnaubte laut aus. „Wir werden sehen was Rhyl zu sagen hat, wenn es soweit ist. Vorher ist ihm keine Info zu entlocken.“

 

Sie verließen ihren Rastplatz durch den gegenüberliegenden Spalt und ritten... und ritten... Dann blieben sie stehen, mitten im steinigen Nirgendwo. Surai schloss zu Rhyl auf, welcher sich zu ihm umdrehte. „Und?“, fragte Surai nur. Rhyl sah einmal zurück zur Armee, dann wieder zu Surai. Seine Augenbrauen zogen gen Himmel.

„Was sagen deine Gefährten zum überraschenden Einbruch ins Lager des Feindes?“ Surai sah nun auch zurück zu seinen Gefährten und ließ ein leises Zischen durch die Zähne hören.

„Joa... wird schon gutgehen. Ich bitte dich nur es in ihrer Sprache zu verkünden, damit sie nicht überrannt werden.“

Ein dreckiges Grinsen ging über Rhyls Gesicht, als er auch schon im Sattel aufstand und die den Arm hob. „Lloth tlu malla; jal ultrinnan zhah xundus. Angriff!!!“

Ein Brüllen ging durch die Dunkelheit, Rhyl galoppierte voraus, Surai ihm nach. Kurz drehte er sich um, um zu sehen, ob die anderen schnell genug reagierten, denn das Donnern der vielen Hufe und Stiefel würde jedes Wort übertönen. Gerade sah er noch, wie sie ihren Pferden die Sporen gaben, als die Armee sie schon verschlang und an ihnen vorbei preschte.

Nun gab es nur noch einen Weg, hinaus auf das Feld auf welchem der Feind sie zu erwarten schien. Die Zahl der Feinde entsprach wirklich ungefähr der Hälfte ihrer eigenen Kämpfer. Surai ritt ins Getümmel, sprang dann aber von Laviencé ab. Sie schoss davon, brachte sich in Sicherheit, wie Surai es von ihr erwartete. Schon hatte er die Doppelschwerter vom Rücken gezogen und warf sich nach vorn. Angetrieben von Rhyls Spruch schlug er gekonnt mit den Klingen um sich, tötete damit einen nach dem anderen, Frauen wie Männer wie ihm auffiel... Er geriet langsam aber sicher in den Blutrausch, wirbelte um sich und badete im Lebenssaft seiner Feinde.

Nach einer Weile bemerkte er aber... Es waren Mischblüter wie Inuka. Sie kämpften gegen Wesen, welche weder vom einen noch vom anderen akzeptiert, geschweige denn respektiert wurden. Der Drow ging auf Abwehr und versuchte sich zurückzuziehen. Er wollte Inuka sehen. Doch ohne weiteres konnte er nicht entkommen, er war mitten drin. Schließlich erreichte er irgendwie den Rand des Feldes und erklomm dort den nächstbesten Felsen. In all dem Durcheinander war es natürlich vollkommen unmöglich sie zu finden, dennoch versuchte er es. Schweren Herzens setzte er sich zur Wehr, als sich ein Halbelf mit seinem Bogen zu schaffen machte, immer wieder zu ihm empor schauend. Seelenruhig öffnete Surai die Schlaufe, welche die Wurfsterne am Gürtel hielt, nahm einen auf und warf ihn haargenau zwischen die Augen des Mannes, der ihm viel zu jung vorkam. „Scheiße man...“, zischte Surai und sah sich wieder um. Saphira war leicht auszumachen mit ihren Schwingen. Auch Gon, welcher mit seiner Feuermagie um sich schlug. Nur Inuka war unter den vielen Mischblütern nicht auszumachen.

Plötzlich riss ihn jemand rückwärts vom Stein. Er landete hart auf seinem Allerwertesten, die Schwerter über Kreuz zur Abwehr erhoben. „Du dummes Arschloch! Du wusstest es! Du musst es gewusst haben!“ Er bekam einen echt fiesen Tritt in die Seite gerammt. Den Schwung, welcher ihm dieser Tritt verlieh, nutzte er zum Aufstehen.

„Ganz ruhig, ich wusste es nicht!“, erklärte er, während die junge Söldnerin mit ihrem Zweihänder auf ihn einschlug, dass seine Schwerter zu zittern begannen. „Ehrlich, hätte ich es gewus-“ Er duckte sich, denn soeben hatte sich eines seiner Schwerter halbiert. „Inuka!“ Er drehte sich um sich selbst, duckte sich dabei und griff nach ihren Beinen. Sie stürzten ins Gebüsch. Er langte mit einer Hand nach ihrem Schwertgriff und versuchte mit der anderen ihren Arm wegzudrücken. Nach langem Gerangel gelang es ihm und er drückte nun beide Arme über ihren Kopf, das Schwert hielt sie eisern fest. „Hör mir zu, waela elg'caress! Ich habe es nicht gewusst. Wäre dem so, wären wir nicht hier und ich hätte einen anderen Weg gefunden. Nun sind wir aber hier und wir haben uns Saphira gegenüber verpflichtet, ob wir es nun wollen oder nicht.“

„Das kann nicht dein Ernst sein! Es sind Wesen wie ich! Sie können nichts für ihre Herkunft! Keiner akzeptiert sie als das, was sie sind, das ist nicht fair! Wir dürfen sie nicht abschlachten!“ Sie wand sich unter seinem Gewicht und versuchte zu entkommen. Doch kam sie nicht gegen sein Gewicht an.

„Mir ist schon klar, dass sie nichts dafür können. Aber ich werde mich nun auch nicht abschlachten lassen. Wir können nicht tatenlos rumstehen und versuchen zu reden, dafür haben alle zu viel Blut vor Augen.“ Inuka begann zu schluchzen. Ihr Widerstand schwand, wie Surai feststellte, worauf er sie losließ und sich aufrichtete. Er nahm das heile Schwert auf und hielt ihr eine helfende Hand entgegen, welche sie aber nicht annahm. Sie rappelte sich auf und kam auf die Beine. Das Schluchzen zerriss Surais Inneres. „Ich wünschte es wären keine... Mischblüter. Inuka... Ich kann mir vorstellen wie dir zumute ist. Aber es geht um Saphira und ihr Volk. Wir kämpfen für sie. Die Mischblüter haben all das angezettelt nicht wir.“ Er drehte sich mit einer ausschweifenden Handbewegung zum Geschehen um, welches erstaunlich still geworden war. Es konnte doch noch nicht vorbei sein...

Er vergaß einen Moment Inuka und trat aus dem Dickicht. Da standen sich Saphira und ein Mann mittleren Alters Nase an Nase gegenüber und sahen sich an. Surai drehte sich um, doch Inuka war verschwunden. Also sah er wieder nach vorne und begann sich einen Weg zum Engel zu bahnen.

„Warum tut Ihr nichts? Euer Volk ist doch so rein, so huldvoll, derart unschuldig und voller Güte. Ihr zeigt keine Gnade mit uns als seien wir Schuld an all dem Hass auf dieser Welt, weil wir sind wie wir sind.“
„Ihr versteht es falsch. Ich wusste von all diesen Missständen nichts. Mein Vater hat es mir nie mitgeteilt und nun, wo Ihr ihn eiskalt ermordet habt, kann ich nicht mal mit ihm darüber sprechen.“ Saphiras Stimme brach und die Tränen liefen ihr über die Wangen. „Ich habe angst um mein Volk dank euch. Ich möchte eine Lösung finden, doch wie kann ich das machen, wenn ihr zu derartig schrecklichen Mitteln greift, meinen Vater entführt und...“

„Wir haben lange genug versucht zu euch durchzudringen. Nie hat auch nur einer von euch zugehört was wir zu sagen hatten. Dabei baten wir nur um ein vermittelndes Wort zu allen Völkern dieser Welt, dass wir keine Missgeburten sind. Dass wir ebenfalls in Frieden leben wollen, nachdem nicht mal unsere eigenen Eltern etwas von uns wissen wollten.“ Er spie vor ihren Füßen aus.

Surai trat an Saphiras Seite und legte ihr den Arm um die Taille.

Der Mann sah hasserfüllt zu Surai rüber, welcher seinem Blick standhielt.

„Weißt du, Dunkelelf, auch von euch haben wir einige arme Seelen, welche weder ein noch aus wissen. Die Oberfläche hasst sie ihrer Fähigkeiten wegen, ihres Aussehens wegen... Genau wie Euresgleichen in den Dreckslöchern, die ihr eure Reiche nennt. Keiner will sie haben, aber euch ist es egal. Ihr seid zu stolz. Euer Verhalten ist widerlich.“ Der Hass schoss Surai regelrecht entgegen, der ließ sich aber nicht beeindrucken.

„Ja, das ist wahr... leider. Ich gehöre seit einer Weile auch nicht mehr zu Meinesgleichen in diesen Dreckslöchern, wie Ihr es nennt, guter Mann. Ich bin stolz ein Drow zu sein... und ich schäme mich dafür.“ Er ließ Saphira los und trat einen Schritt auf den Mann zu, welcher zurückwich und seinen Speer hob. „Ich kann als einzelner nicht ändern, was ihr alle über euch ergehen lassen müsst. Und es tut mir leid, dass auch die Engel kein Ohr für euch hatten. Aber dafür muss man nicht töten. Die Opfer sind es nicht wert, ihr müsst friedlich weiterkämpfen für eure Rechte.“

Der Mann begann zu kichern. Schließlich lachte er aus voller Kehle. „Ein Dunkelelf der vom Frieden spricht! Ich glaube, ich liege bereits im Sterben, bei derartigen Fantasien...“ Er lachte schallend und sah sich um. Sein Blick blieb an Rhyl hängen, der seine Abscheu nicht verhielt und Surai direkt damit strafte. „Siehste. Der denkt auch du bist nicht ganz dicht. Wie kann es sein, dass dein Volk sich deiner nicht längst entledigt hat und im Gegenteil gemeinsam mit dir kämpft gegen einen Feind, welchen du zu verteidigen suchst?“ Surai wurde beklommen und sah verstohlen zu Rhyl rüber. Schließlich riss er sich wieder zusammen und hob den Kopf.

„Jeder hat seine Bestimmung. Ich bin ein verstoßener Drow. Und ich bereue nichts.“

Saphira trat an seine Seite und legte nun ihrerseits eine Hand auf seinen Arm. „Dieser Mann erhält sich seine Würde trotz seines Elends. Ihr solltet euch ein Beispiel an ihm nehmen und in Frieden für eure Rechte kämpfen.“

Der Mann begann wieder zu lachen, doch ging es in einem feuchten Gurgeln unter, als Rhyl ihm das Schwert in den Bauch stieß. „Mir reicht's! Ihr habt den Nichtangriffspakt mit unserem Volk, nicht mit diesem Abschaum, Lady Saphira! Entscheidet euch.“ Er riss das Schwert aus dem sterbenden Leib und schleuderte das Blut vom Stahl.

Surai musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht direkt auf ihn loszugehen. Hätte er diesem Drang nachgegeben, hätten sie ein ganzes Heer am Hals.

Der Engel schien mit sich zu ringen. Dann jedoch wurde ihr die Entscheidung abgenommen, als eine Frau zum Angriff überging und Saphira mit krallenbesetzten Händen attackierte. Saphira war erschrocken und hob die Hand anstelle ihres Schwertes. Flink wie Surai war schlug er zu und der Frau die Arme ab. Er stieß die Angreiferin von ihr fort und erlöste diese mit einem gezielten Hieb der den Kopf vom Rumpf trennte. Das war der Anfang vom Ende. Beide Parteien gingen wieder aufeinander los und diesmal ohne Unterbrechung.

Die Drow kämpften mit Lust. Nur einer kämpfte voller Zweifel um sein Leben.

 

Im sachten Licht des nächsten Morgens verließ Surai seine Konzentration, als Inuka wieder dazustieß. Er sah sie von weitem, wie sie sich erneut in den Kampf warf. In dem Moment, wo sie der Dolch in die Schulter traf, traf ihn der Speer in die Brust. Nur ein kleiner Moment der Unachtsamkeit, weil er zu ihr eilen wollte, wurde ihm zum Verhängnis. Er ging in die Knie, als der Speer wieder herausgezogen und zum letzten Schlag erhoben wurde. Er sah hoch zu jenem Speerträger, sein Blick verschleierte sich.

Da wirbelte ein schwarzer Schatten zwischen ihm und dem Angreifer mit Doppelschwertern in wildem Tanz und zerschnitt den Leib in Windeseile. Surai versuchte die Augen offen zu halten, doch der Schmerz lähmte ihn und nahm ihm die Kraft. Der Schatten drehte sich weiter, Surai wurde schwindelig bei diesem Anblick. Übelkeit stieg in ihm auf. Doch dann beugte sich ein strahlend helles Antlitz zu ihm herab und lächelte.

„Nun weiß ich endlich, wo du diese Narbe her hast... Dass du dich dafür schämst, hätte ich nicht gedacht.“ Der lächelnde Mund kam näher, eine warme weiße Hand berührte sein Gesicht, pechschwarze Augen... „Sieh zu, dass du überlebst, Surai.“

„Wer bist du? Was...“ Der Schmerz zog durch seinen gesamten Körper, er stöhnte und spürte, dass er stark blutete. Das musste Einbildung sein, eine Fantasie während des Sterbens, wie der Mann sagte. „Wie kannst du meinen Namen kennen?“

„Nicht wichtig. Überlebe. Wir werden uns wiedersehen.“ Der lächelnde Mund aus dem die Stimme so wunderschön klang, entfernte sich aus seinem Blickfeld. Der Drow bekam es mit der Angst zu tun in diesem Moment. Sein Fantasieengel sollte bei ihm bleiben, er durfte nicht gehen.

„Warte... warte!“ Er kam auf die Beine, versuchte sich zu orientieren und sah zu diesem schwarzen Schatten hin. „Wie ist dein Name?“

Wieder lächelte dieses unheimliche Wesen, welches ihm unaussprechliche Kraft zu geben schien. „Zalysha. Pass auf dich auf.“ Dann war der Schatten weg. Surai brach wieder zusammen, der Schmerz nahm ihm das Bewusstsein.

Als er wieder erwachte, lag er neben einem prasselnden Feuer, unter seinem Umhang. Der Schmerz war nur noch zu erahnen. Er setzte sich auf und sah sich um. Inuka und Gon saßen beieinander. Er schien sie zu trösten, sie lag in sich versunken in seinen Armen. Saphira saß ein Stück entfernt und starrte ins Feuer. Doch sie bekam seine Bewegung mit und kam zu ihm rüber.

„Ich habe deine Wunde so gut ich konnte geheilt. Inuka geht es soweit gut, ihre Wunde wird schnell verheilen. Es war tapfer von dir ihr helfen zu wollen. Aber du darfst niemals deine Deckung aufgeben, wenn dir derart viele Feinde gegenüber stehen“, sagte sie, während sie ihre Hände auf seine Brust legte und zu testen schien, wie es um ihn steht. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich. „Dein Herz wurde nicht getroffen, es schlägt stark und gleichmäßig.“

Surai versuchte zu verarbeiten was sie gerade alles gesagt hatte, aber er war noch zu benebelt. „Wer war diese... Person?“

Der Engel sah auf. „Ich weiß es nicht“, antwortete sie nur und nahm die Hände von seiner Brust. „Ich habe sie nicht erkennen können, sie hatte eine zu weite Kapuze auf. Ich kann dir nicht mal sagen, ob es eine Frau oder ein Ma-“

„Eine Frau. Sie hat zu mir gesprochen. Ihr Name... Zalysha. Sie... kannte mich.“

Saphira blickte ihn verwirrt an. „Seltsam. Mir ist dieser Name auch nicht bekannt. Bist du dir sicher, dass du sie nicht kennst?“

Er schüttelte den Kopf, was Schwindel in ihm auslöste, weswegen er sich stöhnend auf sein Lager zurücksinken ließ. Er spürte, dass Saphira aufstand und sich wieder entfernte. Er ließ die Augen geschlossen und rekapitulierte was geschehen war, als die Schlacht zu ende ging. Der wirbelnde Schatten, schwarze Augen, volle Lippen zu einem Lächeln geformt, hohe Wangenknochen... und eine Haut so weiß wie der erste Schnee. Ihre Stimme klang klar in seinen Erinnerungen wieder. Zalysha. Wir werden uns wiedersehen. Sieh zu, dass du überlebst, Surai...

 

Schon am Morgen darauf ging es ihm besser. Sie wollten in den nächstgelegenen Ort, wo sich klären würde, wie es weitergehen soll.

Er wusch sich an einem kleinen Rinnsal das meiste Blut vom Körper. Inuka trat hinter ihn und schwieg sich aus. Er spürte ihre Anwesenheit, drehte sich jedoch nicht zu ihr um.

„Danke“, sagte sie schließlich. Surai runzelte die Stirn. War das alles? Und wofür bedankte sie sich? Nun drehte er sich doch zu ihr um, als sie schon mit gesenktem Kopf weitersprach.

„Danke, dass du dein Leben für mich riskiert hast... oder hättest.“ Der vermeintliche Lebensretter erhob sich langsam, sichtlich durcheinander. Er würde es eher als Versuch bezeichnen... Inuka hob die Hand, als er Luft holte. „Ich meine... auch vorher schon. Du hast mich nicht nur dieses Mal beschützen wollen und ich habe das nie zu schätzen gewusst. Ich meine.. schon, doch, aber...“ Nun sah sie auf. „Du bist ein guter Kerl und ich war sehr mies zu dir all die Zeit, die wir zusammen unterwegs waren. Außerdem, die Sache mit Gon... nun ja...“

Surai lächelte. „Wie gesagt, ich habe versucht, dich umzustimmen. Aber irgendwie war es klar, dass der Held einmal nicht die Herzensdame erhält.“ Das Lächeln wurde zu einem verschmitzten Grinsen. Inuka grinste nun auch, etwas verhalten noch, aber man sah ihr die Erleichterung an. „Es ist, wie es ist, Inuka. Natürlich wollte ich dich retten, das hätte ich sogar für deinen erwählten Idioten getan, wenn es nötig gewesen wäre.“

Die Söldnerin schüttelte grinsend den Kopf und machte eine eher hilflose Geste. „Was soll ich sagen... Ich kann ihn gut leiden.“

„Das ist schon mal ein Anfang“, lachte Surai, zog sich sein Hemd über und nahm seinen durchstoßenen Brustpanzer hoch. „Wie geht es dir eigentlich hinsichtlich der gestrigen Opfer? Warum bist du wieder zurückgekommen und hast sogar mitgekämpft?“

Nun sah die junge Frau etwas beklommen drein. „Ich habe für mich entschieden, dass es wenig Sinn ergeben hätte euch im Stich zu lassen. Wir waren dank des Heeres in der Überzahl, aber die falsche Herangehensweise der Mischblüter-Armee machte mich glauben, es würde nun auch keinen Unterschied mehr machen. Ich wollte einfach nicht tatenlos rumstehen, schließlich hatte ich Saphira mein Wort gegeben.“ Sie überlegte kurz. „Diese Frau... sie griff mit bloßen Händen an.“

Ihr Gegenüber seufzte. „Und ich habe sie getötet“, ließ er leise vernehmen. Man sah ihm die Reue an, welche er mit einem schnellen Kopfschütteln verwarf. „Es ließ sich aber nicht ändern. Saphira hätte keine Zeit mehr gehabt die Verteidigung selbst zu übernehmen. Wer weiß, was dieses Weib ihr angetan hätte mit diesen Krallen. Ich frage mich, was sie für ein Wesen war.“

„Wirklich außergewöhnlich. Aber sie war der ausschlaggebende Grund, weswegen ich mich entschieden habe, es mit euch zu beenden. Das gut Zureden zeigte keine Wirkung mehr, also blieb uns nichts, als zu Handeln.“

„Leider wahr... Lass uns zurückgehen, wir müssen aufbrechen.“ Er nahm einen silbernen Anhänger in Form eines Einhorns an seinem Hals zur Hand und pustete in das flache Ende hinein. Ein sachter Ton kam dadurch zustande.

„Was ist das? Eine kaputte Pfeife?“, machte Inuka sich lustig und deutete auf den Anhänger.

„Nicht doch. Die Pfeife ist absolut in Ordnung. Laviencé wird es hören können.“

„Okay... Kann ich mir nicht vorstellen, ich habe sie bis jetzt nicht mal annährend in der Nähe bemerkt... aber ich glaube es dir einfach mal.“

Der Drow ging voraus, Inuka folgte ihm. Als sie zu Gon und Saphira kamen, trabte Laviencé aus dem Dickicht zu Surai rüber. Dieser streichelte sie sanft, gab ihr eine Kleinigkeit zu fressen und saß auf. Inuka traute ihren Augen kaum, beließ es aber dabei und tat es ihm und den anderen nach. Sie war nur froh, dass ihr Pferd und die der anderen beiden nicht zu weit davongelaufen waren.

 

Am Nachmittag erreichten sie das malerische Örtchen Erehwon. Surai machte direkt Halt bei einem Schmied, um seine Wurfwaffen aufzustocken und das zerschlagene Schwert reparieren zu lassen, wobei er ihm ein wenig zur Hand gehen musste. Inuka ließ das Pferd bei Gon und Saphira und ging zu Fuß durch den Ort, um ihn sich genauer anzusehen. Sie wolle nachdenken und alleine sein. In dieser Zeit bemühten sich Gon und Saphira um Zimmer in einem Gasthaus und Stallungen für die Pferde.

Am Abend kamen sie alle zusammen und aßen gemeinsam. Surai orderte im Anschluss ein Fass Met. Er wollte auf sie alle trinken, auf das was sie bestanden hatten und erst am nächsten Morgen besprechen, wie es weitergehen sollte. Gon war dabei, nur die beiden Frauen hielten sich zurück und beobachteten die beiden zunehmend betrunkenen Männer, wie sie sich lautstark amüsierten. Surai trällerte irgendwelche drow'sches Liedchen, wobei Gon ihn auf seiner Laute begleitete.

„Mach ma was ordentliches, Gon! Dein Lautengedudel ist ja viel zu sanft“, beschwerte Surai sich zwischenzeitlich. Alle fragten sich, was er sich unter 'etwas ordentlichem' vorstellte.

Irgendwann hatte Gon der Übermut gepackt und er begann mit der Magie zu spielen, was in seinem Zustand zur Folge hatte, dass die kleinen Flämmchen zu einem Feuerball wurden, welcher in die benachbarten Tische einschlug und das Haus erbeben ließ. Nur gut, dass der Wirt genug Wasser zur Hand hatte, denn Gon stand nur wie vom Donner gerührt da, während der Drow sich halb tot lachte und dabei unterm Tisch verschwand. Saphira hatte sich schon recht bald zurückgezogen, nur Inuka war da geblieben, um ein Auge auf die beiden zu haben. Nun schimpfte sie lauthals mit Gon und Surai, dass sie gefälligst helfen sollten die Schwelbrände zu löschen, welche die hölzernen Tische erfasst hatten. Surai kam aber nur schwach mit tränennassen Augen wieder zum Vorschein und Gon hatte seine Laute weggelegt. Nun starrte er dümmlich grinsend vor sich hin. Inuka schien dem Nervenzusammenbruch nahe, jedoch entspannte sich die Gesamtsituation recht bald wieder.

Es war schon weit nach Mitternacht, als Inuka verkündete sie würde sich nun auch zurückziehen. Surai, immer noch betrunken, dennoch etwas klarer, erhob sich.

„Na klar, mach das nur. Lösen wir die schöne Runde doch einfach auf und...“ Er verlor den Faden, denn soeben hatte das schönste Wesen auf Erden den Schankraum betreten, offensichtlich auf dem Weg hinaus. „...geh mal hinterher...“, murmelte er nur noch und machte sich daran, hinter der jungen Frau herzugehen, welche gerade recht eilig hinaus gegangen war. Inuka und Gon sahen ihm nach... bis Inuka sich laut bemerkbar machte.

„Moooment, du wirst ihr jetzt nicht nachgehen, du Flegel!“, empörte sie sich und machte einen Satz zu ihm hin. Sie packte ihn am Arm um ihn aufzuhalten... war nicht so einfach. Er ging einfach weiter. „He!, Surai, warte doch, bis sie wieder da ist! Was bist du bloß für ein ungehobelter Kerl...“ Sie gab auf und ließ ihn los.

An der Tür blieb er von sich aus stehen und sah sich um. „Keine Bange, werde ihr nicht auf die Pelle rücken. Ich warte vor der Tür auf sie“, verkündete er mit schwerer Zunge und ging hinaus. Inuka wusste nicht recht, was sie machen sollte und war wie hin und her gerissen zwischen dem Drang ihm zu folgen und es einfach sein zu lassen. Gon war indessen auf der Tischplatte eingeschlafen.

Draußen sog Surai die frische Luft in seine Lungen. Das tat gut und machte seinen Kopf klar. Er vertrat sich ein wenig die Beine, während er auf die Frau wartete. Als sie schließlich wieder zurück kam trat er aus dem Schatten. Sie erschrak.

„Du meine Güte, versteck dich doch nicht immer so!“, rief sie aus und hielt sich die Hand auf die Brust. Ihr Lächeln verriet keine echte Empörung.

„Nicht immer? Wie ist das denn gemeint?“, feixte Surai, dem es doch ein wenig leid tat. „Seid Ihr diejenige, die mir das Leben gerettet hat?“, fragte er dann gerade heraus.

„Öhm... also...“ Sie schien sich sammeln zu müssen. „Ich kann di- Euch nicht folgen. Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht. Im Übrigen ist es spät, ich muss wieder hinein-“ Sie wollte gehen, doch Surai vertrat ihr den Weg.

„Verzeiht, aber Eure Stimme kommt mir bekannt vor. Ihr sagtet, wir würden uns wiedersehen. Ihr wusstet wohl von diesem erneuten Treffen hier.“ Er versuchte einen Blick in ihre Augen zu erhaschen, aber sie hielt den Blick gesenkt. Er griff nach ihrem Kinn und hob es an. Da waren sie, die pechschwarzen Augen, diese schönen Lippen. „Ich wusste es. Ich war zwar dem Tode nahe, aber ich erinnere mich an jedes Detail Eures Gesichtes. Ihr verschweigt etwas...“

Die junge Frau schluckte schwer und es schien ein Schauer nach dem anderen durch ihren Körper zu gehen; sie zitterte leicht. „Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht, Herr... Es ist mir unangenehm, Ihr seid betrunken. Bitte lasst mich gehen.“ Sie entwand sich seinem Griff, doch er ließ nicht locker. Er wollte sie nicht gehen lassen.

„Bitte... Ihr sagtet, ihr wüsstet von meiner Narbe, nur nicht, wo sie herkäme, was sich nun aufgeklärt hätte. Ihr kennt mich. Warum kenne ich Euch nicht?“ Sie sah ihn an. Direkt in seine Augen. Es fühlte sich an, als würde er sie kennen, nur warum konnte er sich dann nicht erinnern?

„Es tut mir leid, ich kann nicht darüber sprechen. Ich... habe einen Fehler gemacht, den ich nicht wieder gut machen kann. Ich möchte Euch nicht zu nahe treten, Herr, aber...“ Sie legte ihre Hände auf seine Brust, wo sie langsam das Hemd am Kragen hinunterzog, um die Narbe sehen zu können. Sachte strich ihr Finger die Vernarbung entlang. Surai fuhr ein Schauer durch den Leib. „Ich möchte Euch mehr verraten, aber ich darf es nicht. Ich würde damit einen noch größeren Fehler begehen, es tut mir leid.“ Sie sah wieder hoch zu ihm und betrachtete sein Gesicht, als würde sie es lange kennen und vermissen. Ihre Hand hob sich an seine Wange, ihr Daumen strich über seine Lippen... Er verspürte den Drang sie zu küssen, doch dann zog sie erschrocken die Hand und sich zurück. „Verzeih...“, hauchte sie noch, dann ging sie schnell an ihm vorbei und hinein.

Der junge Drow stand da wie versteinert. Was war das gerade? Diese Frau... Wie konnte sie ihn derart in ihren Bann ziehen nach nur zwei Begegnungen? Sie ist fast noch ein Kind, blutjung und so anders.

Nur zögerlich wich die Versteinerung aus seinem Körper und er spürte ein Kribbeln an den Stellen, die sie berührt hatte. Wie in Trance ging er hinein und in sein Zimmer, welches er sich mit Gon teilte, der bereits schnarchend da lag. Dies war aber nicht der Grund einer schlaflosen Nacht für Surai.

 

Der nächste Morgen war knallhart viel zu schnell gekommen. Dennoch war Surai aufgeregt. Vielleicht würde er sie wiedersehen.

Schnell kleidete er sich an und wusch sich gründlich. Als er dann den Schankraum betrat und nach ihr absuchte, wurde er enttäuscht. Sie war nicht da. Stattdessen saßen seine drei Gefährten bereits an einem Tisch und berieten sich während sie frühstückten. Als er sich dazusetzte, wurde er erst gar nicht beachtet.

„Ich finde auch, dass es so nicht ausgehen kann. Irgendwo sind sicher welche übrig, es gibt sie auf der ganzen Welt, man kann sie noch auf den richtigen Weg führen...“, Inuka sah auf. „Morgen, Surai. Schön, dass du auch mal aufstehst.“

Der Angesprochene nickte nüchtern. Er war mit den Gedanken ganz woanders.

„Okay, also verbleiben wir dabei. Surai, wir haben entschieden, dass wir nach den verbleibenden Mischblütern Ausschau halten und sie dazu bringen weiter an ihrer Akzeptanz zu arbeiten. Dabei werden wir natürlich helfen. Zumal Saphira nun aufgeklärt ist und als Engel erst recht etwas bewirken kann“, sprudelte es aus Inuka heraus. Wartend sah sie Surai an. Der bekam es mit einer halben Minute Verspätung mit, dass sie zu ihm gesprochen hatte.

„Äh ja, so machen wir das“, sagte er dann. Man sah ihm an, dass er nicht wirklich zugehört hatte, aber Inuka schien es zu reichen.

Als er aber nach einer Weile ohne ein Wort zu sagen hinaus ging, entschuldigte Saphira sich bei den anderen beiden und ging ihm nach. Sie fand ihn bei den Stallungen, wo er sich zu Laviencé gesetzt hatte und vor sich hin grübelte.

„Surai, was ist los? Irgendetwas stimmt nicht mit dir...“

Er sah auf und peinlich berührt wieder weg. „Es ist schon gut. Ich mache mir nur Gedanken über die Vorgehensweise in Sachen Sozialisierung der Mischblüter. Nichts weiter.“

„Das glaube ich dir nicht“, sagte Saphira darauf sanft und setzte sich neben ihn auf den Strohballen. „Sag schon, was beschäftigt dich? Inuka sagte heute morgen, du hättest gestern Abend eine junge Frau 'gesichtet'.“ Sie lächelte breit ob ihrer Wortwahl.

Surai tat es ihr gleich und strich sich die wenigen Strähnen, die sich aus seinem Zopf gelöst hatten, aus der Stirn. „Dir kann man nichts vormachen, das weiß ich inzwischen. Ja, es ist wegen ihr. Sie... Das hört sich seltsam an und es kann nicht der Wahrheit entsprechen, aber... Es kommt mir so vor, als würde ich sie kennen. Oder als sollte ich sie kennen. Ich bin mir sicher, dass sie diejenige war, die mir das Leben gerettet hat während der Schlacht. Ihre Stimme, es war die gleiche...“

Der Engel überlegte nicht lange. Sie schien zu verstehen, was in ihm vor sich ging. „Ich würde sagen, dass ist das Phänomen der Liebe auf den ersten Blick, mein Lieber“, sagte sie schlicht. Surai lachte auf.

„Ach komm, Saphira, das kann ich mir nicht vorstellen. Ich glaube an so etwas nicht mal annähernd. Zumal ich nicht mal weiß, was Liebe ist.“

„Das ist nicht wahr!“, sagte Saphira darauf. „Immerhin empfindest du auch Liebe für mich, da kannst du doch nicht etwas derartiges glauben.“

Nun war es an Surai sie wie perplex anzusehen. „Wie bitte? Wieso sollte ich dich lieben, Engelchen? Ich meine ja, ich mag dich, aber doch nur als gute Freundin, Weggefährtin, Schützling-“

„Und genau das ist bereits Liebe. Ich bin dir ans Herz gewachsen. An jenes Herz, von dem du glaubst, es sei nicht fähig Gefühle zu empfinden. Du nennst mich Engelchen... Das hat bisher keiner getan, bis auf Inuka. Du schenkst mir immer wieder dein wärmstes Lächeln, du beschützt mich, fühlst dich verantwortlich, dass es mir wohl ergeht. Du liebst mich. Du würdest mir niemals zu nahe treten – zumal ich das auch nie zulassen könnte und das hat nichts mit dir persönlich zu tun – aber du würdest einiges für mich opfern. Stimmt's oder habe ich recht?“

Diese Rede veranlasste Surai dazu seinen Mund einfach offen stehen zu lassen. Verdammt, der Engel hatte recht. Das war ihm nie aufgefallen.

„Nun guck nicht wie ein Depp. Denk mal an Mélle. Du hast sie frei befohlen, damit es ihr besser ergehe, du hast auch nicht nur aus reiner Selbstsucht mit Inuka den Beischlaf vollzogen-“ Surai gab einen undefinierbaren Ton von sich bei dieser Aussage, der Saphira zum erneuten Grinsen veranlasste. „Es ist doch wahr. Du hast ihr ein wundervolles Naturschauspiel gezeigt, welches sie so nie zu sehen bekommen hätte. Du hast es ihr schön gestaltet. Das wäre nie der Fall gewesen, wenn du... Ja?“

Der junge Drow hatte vorsichtig den Finger erhoben um anzudeuten, dass er etwas einzuwenden hatte. „Ich meine... Das ist nicht das erste Mal, dass ich eine Dame dort hinauf geführt habe, das muss ich ganz ehrlich einwenden...“

Sein Gegenüber verdrehte die Augen. „Das ist mir klar, aber ob du es glaubst oder nicht, Inuka spricht gerne von dieser Erfahrung mit dir. Das war eine Erfahrung, die sie so bisher nicht machen durfte.“

„Oh...“

„Ja. So ist es. Aber das weißt du nicht von mir. Fakt ist, ich finde du bist ein Lamm im Wolfspelz. Dein Äußeres wirkt Angst und Hass... leider. Aber dein Innerstes strahlt wie der hellste Sonnenschein so rein und warm. Und ich bin sehr dankbar, dass wir dich getroffen haben.“ Sie umarmte ihn, drückte ihn fest an sich... den Stein namens Surai. Er wusste nicht recht was er sagen sollte, was er tun sollte. Aber dann erwiderte er ihre Umarmung einfach und genoss sie sehr.

 

So ritten sie also gegen Mittag in die Richtung aus der sie gekommen waren. Sie würden zu Saphiras Reich zurückkehren und von dort aus ihren Plan verwirklichen. Die erste Nacht, welche sie auf einer kleinen Lichtung verbrachten, verzogen sich Gon und Inuka stillschweigend gen Osten. Surai blieb nachdenklich mit Saphira zurück, die ihn aufmerksam beobachtete.

„Na, eifersüchtig?“, fragte sie keck und kicherte leise.

„Ach, eigentlich nicht. Es ist nur... Na ja, vielleicht doch. Ein wenig...“

„Nun ja, ein Mann in seiner schlimmsten Sturm-und-Drang-Zeit...“

„Ach Saphira! So ist das doch gar nicht!“, lachte Surai, doch Saphira wusste es besser.

„Schon klar, Surai. Mach dir keine Gedanken, ich werde es auch vermeiden und lieber kurz verschwinden. Bis gleich“, sprachs und verschwand in der Dunkelheit, vorsichtshalber gen Norden. Zurück blieb ein grinsender Drow... Sturm-und-Drang-Zeit. Wo hatte sie bloß diesen Ausdruck aufgeschnappt?

 

Am nächsten Morgen waren sie kaum zwei Stunden unterwegs, als wie aus dem Nichts ein Pfeil Saphiras Hals seitlich durchbohrte. Sie stürzte wie in Zeitlupe vom Pferd, Surai konnte gerade noch von Laviencé springen und sie auffangen.

Sie blutete zu stark, ihr Bewusstsein schwand zu schnell, ihr Engelskörper hatte keine Chance sich zu regenerieren. Surai, Gon und Inuka taten ihr bestes, um es dennoch aufzuhalten.

„Su... rai...“

„Ist gut, nicht sprechen, wir sind bei dir, Engelchen“, antwortete Surai mit tränenerstickter Stimme und streichelte ihr übers Haar.

„Du... wirst sie finden... Die Frau“, sie atmete röchelnd aus und ein, „sie wird bei dir sein. Sie ist... schön...“ Das letzte Lächeln eines reinen Engels galt dem vermeintlich boshaften Dunkelelfen, welcher als einziger um sie weinte noch Jahre nach ihrem Tod.

Impressum

Texte: Ich habe mit einigen anderen diese Geschichte in Teilen niedergeschrieben und sie im Laufe der Zeit zu einer Geschichte zusammengefügt.Gon, Inuka, Thori und Saphira sind Charaktere von anderen Personen. Leider habe ich keinen Kontakt mehr zu ihnen, ich denke aber, dass sie nichts dagegen haben, wenn ich euch unsere Geschichte nun zum Lesen freigebe.
Tag der Veröffentlichung: 19.07.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Widmung den Personen, mit welchen ich vor langer Zeit das RPG Shadow of Mikaya begonnen habe... leider hat diese Geschichte nie ein Ende gefunden. Nach und nach vergaßen alle dieses großartige Abenteuer... Nur gut, dass ich alles gespeichert und zur Geschichte umgeschrieben habe, damit es nicht völlig in Vergessenheit gerät. Ich wollte meinen Drow Surai nicht aufgeben. Es war eine verdammt schöne und lustige Zeit mit euch! Vielen Dank!

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