Regelmäßiges Piepsen der Maschinen. Leises Gemurmel der Männer und Frauen hinter dem großen Spiegelfenster. Sie halten kurz inne, als die Maschinen für eine Sekunde die Geräusche einstellen. Einen Moment später bricht die Hölle los. Die Geräte beginnen zu Kreischen und das Mädchen in dem weißen fensterlosen Raum reißt überraschend die Augen auf. Alle reden gleichzeitig durcheinander und rennen ins Zimmer, als sie beginnt wie wild um sich zu schlagen und die Fesseln an ihren Armen und Beinen zu lösen. Wie ein verschrecktes Tier blickt sie sich um und versucht verzweifelt sich zu bewegen. Sie versteht nichts von all dem was sie sieht. Versteht kein einziges Wort. Die Menschen um sie herum rennen wie wild durch die Gegend, versuchen sie zurück auf das Bett zu drücken und zu beruhigen. Ihre Augen wandern wild von einem zum anderen und ihre Schreie hallen laut von den Wänden wieder.
Ein großer Mann betritt den Raum.
„Stop!“, sagt er mit dunkler und zugleich erfurchtgebietenden Stimme. Sofort verharrt das Mädchen in ihrer Stellung. Die Männer und Frauen um sie herum machen Platz damit der Mann näher treten kann. Immer noch bewegen sich ihre Augen wie verrückt hin und her, doch sie rührt sich nicht. Dann richtet sich ihr Blick starr auf den großen Mann und verschwommen bekommt sie noch mit wie ihre Augen immer schwerer und ihr Kopf immer leiser wird.
Dr. Bent betritt den großen Konferenzraum und sofort stürzen sich alle dort versammelten Ärzte und Wissenschaftler auf ihn.
„Was..?
„Wie...“
„Wann...?“
Mr. Tyson hebt gebieterisch die Hand und alle schweigen. Der Mann welcher für dieses Projekt verantwortlich ist tritt ein Stück nach vorn und beginnt dann von neuem.
„Also Tom, was können sie uns bisher sagen?“, erkundigt er sich bei Dr. Bent. Der Arzt holt tief Luft und beginnt dann seinen ausführlichen Bericht: „ Das Subjekt, offizieller Name C7, wachte heute morgen um 9:18 Uhr aus dem fast 9 Monate andauernden Koma auf. Wie bereits erwartet war sie beim Erwachen verwirrt und desorientiert. In Folge dessen wurde sie sediert und ihre Vitalzeichen werden überwacht. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es schwer genaueres zu sagen, die ersten Tests ergaben jedoch vorerst keine Schwierigkeiten“.
„Was schlagen sie als nächstes vor?“.
„Sobald C7 sich etwas erholt hat wird Dr. Blair unter meiner Aufsicht, die nötigen Scans machen, um festzustellen ob mit ihren Neuronen alles in Ordnung ist“.
Eine kurze Pause entsteht.
„Von diesen Ergebnissen wird alles weitere abhängen“, sagt Dr. Bent als Abschluss und verlässt den Raum.
Stille
Dunkel.
Einsam.
Still....
Wo bin ich? Wer bin ich?
Ich schwebe. Um mich dreht sich alles.
Bin ich allein? Ist denn niemand hier?
Ich möchte rufen. Nach Hilfe....nach irgendwem!
Wieso hört mich denn niemand schreien?
Wieso hört ihr meine Schreie nicht?
Wo seid ihr?
Langsam lichtet sich der Nebel. In einem weit entfernten Winkel ihres Kopfes hört sie leises Gemurmel, unter ihren Fingern spürt sie etwas Weiches. Langsam kommen zu den Stimmen noch andere Geräusche dazu. Wo bin ich?
Mit einiger Anstrengung schafft sie es die Augen zu öffnen und sobald ihr Blickfeld schärfer wird kann sie ernste Gesichter direkt über ihr erkennen. Sie öffnet den Mund.
Wer seid ihr? Sie denkt es, doch eigentlich wollte sie es aussprechen!
Wer bin ich?
Wieder nichts! Panik steigt in ihr hoch.
Könnt ihr mich denn nicht hören?
Panisch bewegen sich ihre Augen hin und her. Von einem Gesicht zum anderen.
„Schhh!“, sagt ein Mann mit sanfter Stimme, „versuch noch nicht zu sprechen!“.
Vorsichtig drückt er sie wieder zurück in ihr Kissen.
Der Raum in dem sie liegt ist ausnahmslos weiß und fensterlos. Die einzigen Möbel sind das Bett, auf dem das Mädchen nun mit ängstlichen Augen liegt und eine Art Medizinschrank.
Der große Spiegel an der linken Wand ist nur von einer Seite durch zu sehen.
Einer der drei Männer öffnet ihr den Mund und es fließt etwas hinein. Es schmeckt nach....nichts. Sofort wird sie wieder schläfriger. Verschwommen bekommt sie mit wie man sie von oben bis unten abtastet, bevor sie vollständig weg dämmert.
Als sie das nächste mal erwacht, fällt ihr das Bewegen bereits leichter. Dieses mal sind es sogar 5 Menschen die mit gerunzelten Brauen um sie herum stehen. Man hilft ihr sich etwas aufzusetzen und alle 5 Augenpaare sind gespannt auf sie gerichtet. „Hier, spül dir erst mal den Mund aus. Er muss ganz trocken sein!“, sagt ein junger Mann im weißen Kittel und reicht ihr einen durchsichtigen Becher. Doch sie bleibt ruhig sitzen. Bewegt sich nicht. Mit Entsetzen stellt sie fest, dass sie ihre Arme nicht heben kann. Immer noch starren sie alle an und mit jeder Sekunde die verstreicht steigt ihre Panik. Wieder versucht sie um Hilfe zu rufen, doch alles was sie hervorbringt ist ein jämmerliches Krächzen. Sie blickt hin und her und die Gesichter fangen an in einander zu verschwimmen. Es beginnt sich alles zu drehen und bevor sie umkippen kann wird sie von dem großen Mann rechts neben ihr aufgefangen.
Man spricht beruhigend auf sie ein und ihr Herzschlag verlangsamt sich wieder.
„Keine Angst! Das ist normal am Anfang. Das wird sich mit der Zeit legen!“.
Nun wird ihr der Becher mit der Flüssigkeit in die Lippen gehalten und dankbar nimmt sie einen winzigen Schluck. Es ist kein Wasser. Doch sie kann es nicht identifizieren.
„Spürst du das?“, fragt der Mann der bereits beim letzten mal anwesend war und hält mit seiner Hand ihren Arm umfasst.
Spüre ich etwas? Ja! Aber was?
Ihr fiel das Wort dafür einfach nicht ein.
Immer noch auf eine Antwort wartend blickt der Mann auf sie herab. Da sie zu ihrem Entsetzen immer noch nicht sprechen kann, nickt sie einfach und überlegt fieberhaft welches Wort ihr entfallen war. Diese Prozedur wird noch an fast jeder Stelle ihres Körpers wiederholt bevor er endlich einen Schritt zurück tritt und etwas auf einem Klemmbrett notiert.
„Hervorragend“, sagt er dann und die anderen Gestalten nicken zustimmend und unterhalten sich leise untereinander, während sie den Raum verlassen. Der Mann neben ihr mit dem Klemmbrett bleibt noch und streicht ihr kurz über den Kopf. Sie merkt es an.....ja genau! Dem Druck! Dieses Wort war ihr vorhin entfallen. Druck.
„Nun schlaf noch ein wenig. Mit jedem mal wird es ein bisschen besser!“.
Mit diesen Worten drückt er den Kolben der Spritze an dem Infusionsschlauch herunter und fast sofort fallen ihr die Augen zu.
Schlaf
So hat er es genannt.
Ich kann Schlaf und Wachsein
nicht mehr voneinander trennen!
Wo bin ich?
Oder eher: Wo werde
ich aufwachen?
Bin ich hier in einem Traum?
Oder ist die andere Seite der Traum?
Was ist Wirklichkeit?
Draußen vor der Tür warten die anderen bereits auf ihn. Gemeinsam gehen sie wieder in den großen Konferenzraum.
„Dr. Bent! Hervorragende Arbeit haben sie da geleistet!“, lobt ihn Mr. Tyson, der an dem riesigen runden Tisch sitzt, mit seiner tiefen Stimme.
Auch die anderen Wissenschaftler beglückwünschen ihn, doch trotz all dem Lob ist ihm noch nicht ganz wohl bei der Sache.
„Meine Herren, wir sollten mit dem Feiern noch etwas warten, finden sie nicht? Schließlich waren wir schon einmal an diesem Punkt. Und was ist daraus geworden?“.
Die anderen sehen ihn nur überrascht an.
„Und was schlagen sie vor, Tom“, fragt sein Vorgesetzter mit einem leichten Schmunzeln.
„Bevor wir nicht die genauen Hirnscans von ihr haben, sollten wir uns noch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen“.
„Wann denken sie denn, dass C7 so weit ist die wichtigsten Tests über sich ergehen lassen zu können?“.
„Aufgrund ihrer überraschend schnellen Regeneration sollte es nicht mehr all zu lange dauern, jedoch müssen wir mit einplanen, dass sie zuerst die grundlegenden Dinge zu erlernen hat“.
„Zum Beispiel?“, fragt Mr. Tyson mit unbewegter Miene.
Dr. Blair sieht ihn fragend an und beginnt dann nach einem kurzen Nicken von Dr. Bent: „Das normale Gehirn steuert den Körper ganz automatisch. Während C7's Vegetatives Nervensystem, das heißt die Aufrechterhaltung lebenswichtiger Funktionen wie Herzschlag, Blutdruck, Atmung, größtenteils noch instand ist oder durch die richtigen Medikamente geregelt werden kann, so litt ihr Somatisches Nervensystem etwas unter der Verwendung der Neurochips. Jeder normale Mensch muss nicht wirklich darüber nachdenken wenn er den Arm hebt um zu winken oder um sich die Haare aus dem Gesicht zu streichen, das Gehirn gibt diesen Befehl meist bereits bevor die Person es richtig wahrgenommen hat. Bei C7 funktioniert das nicht mehr so reibungslos. Man muss sich vorstellen, dass ihr Kopf in etwa wie ein Computer funktioniert, um es mal so auszudrücken. Die Neurochips haben bei ihrer Einpflanzung sozusagen die Festplatte gelöscht um mehr Speicher zu bekommen. Sie muss vieles wieder neu lernen. Anfangs wird es so sein dass sie für jede Bewegung einen bewussten Befehl an ihr Gehirn abgeben muss. Doch das wird sich geben, sobald sich ihr Körper wieder daran erinnert“.
„Und ab wann wird sie dann für mich brauchbar sein?“.
„Das können wir jetzt beim besten Willen noch nicht sagen, da zu dem eben genannten Problem ja auch noch ihr vollständiger Gedächtnisverlust hinzukommt“, antwortet Dr. Blair aufgebracht über die Kaltblütigkeit des anderen Mannes.
„Und außerdem braucht sie für die von ihnen geplante Verwendung auch noch eine ganz andere Art von Training“, kommt ihm Dr. Bent zu Hilfe, da er den wütenden Glanz in Tysons Augen gesehen hatte.
„Ja“, antwortet dieser ruhig und steht auf, „der hierfür zuständige Beamte wird im Laufe der nächsten Woche eintreffen“.
Tyson nickt Dr. Bent noch einmal kurz zu und verlässt den Raum mit großen Schritten.
Stumm
Ich bin gefangen.
Eingesperrt in dieser...Leere
Kann mich nicht rühren.
Gelähmt.
Stumm.
All die Fragen in meinem Kopf.
Wer bin ich?
Wann antwortet mir denn endlich jemand?
Es ist das erste mal, dass sie erwacht ohne dass eine ganze Schar an Ärzten um sie herum sind.
Sie ist allein. Vorsichtig blickt sie sich um. Nichts von all dem was sie sieht kommt ihr bekannt vor.
Wo bin ich?
Sie liegt in einem Krankenhausbett. Ihre Arme liegen regungslos neben ihrem mit einem weißen Laken zugedeckten Körper. Der große Raum wird von mehreren Neonröhren beleuchtet, deren Summen in der sonst vollkommenen Stille umso lauter erscheinen.
Die Tür öffnet sich lautlos und mit einiger Anstrengung schafft sie es den Kopf zu drehen.
„Ah, du bist bereits wach!“.
Dr. Bent betritt den Raum und kommt an ihr Bett.
Schweigend beobachtet sie ihn dabei wie er sich zuerst die Werte auf den Bildschirmen ansieht und sie dann mit denen in ihrer Akte vergleicht.
„Sieht alles bestens aus“, meint er abschließend und legt das Klemmbrett beiseite.
All die Tests, all das Abtasten beginnt von vorne und am Ende schreibt Dr. Bent die Ergebnisse zufrieden auf.
„Du machst dich sehr gut“, lobt er sie, doch im Grunde ist es egal, denn sie versteht kein Wort. Natürlich kennt sie die Bedeutung der Wörter, doch der Zusammenhang fehlt ihr.
Was macht sie gut?
Wieso ist sie hier?
Wer ist sie?
Sie öffnet den Mund um ihn all das und noch mehr zu fragen.
Sofort kommt er ein Stück näher, doch sie bekommt nichts heraus.
Sie weiß nicht wo sie anfangen soll, da sie zuviel auf einmal im Kopf hat.
Ein Blick in ihre verwirrten Augen genügt ihm, um sich wieder aufzurichten und ihr wie schon einmal über den Kopf zu streichen.
„Keine Angst, das wird schon wieder!“.
Tief in seinem Herzen verspürt er einen Stich.
Um sie beide abzulenken sagt er: „Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Dr. Bent. Ich bin...dein Arzt“.
Abwartend blickt er in ihr völlig ausdrucksloses Gesicht. Nur an ihren Augen kann man erkennen wie sehr sie sich anstrengt um das einfache Wort heraus zu bringen welches darauf folgt.
„Hallo“, krächzt sie so leise dass er es fast nicht gehört hätte. Ihr Mund fühlt sich staubtrocken an und als hätte er es bemerkt wird ihr sofort wieder ein Becher an die Lippen gehalten. Sie nimmt einen winzigen Schluck und versucht es noch einmal.
Dieses mal ist es bereits lauter, ihre Stimme jedoch klingt rau und kaum verständlich.
„Das war wirklich gut“, sagt Dr. Bent ehrlich erfreut, „aber du solltest dich wieder ausruhen. Der morgige Tag könnte anstrengend für dich werden“.
Mit leichtem Bedauern steht er auf und geht auf die Tür zu.
„Wer bin ich?“.
Wie angewurzelt bleibt er stehen als er diese verzweifelte leise Frage vernimmt. Seine Mundwinkel sinken nach unten und traurig lässt er den Kopf hängen, bevor er ohne eine Antwort zu geben, das Zimmer verlässt.
Dr. Bent sitzt in seinem Büro und schreibt den Bericht über C7's Fortschritte, als es an der Tür klopft und ein großer dunkelhaariger Mann herein kommt. Matthew Clark.
Dr. Bent hatte den Mann bereits Monate zuvor während C7's Programmierung kennen gelernt, wusste jedoch nicht genau was er von ihm halten sollte. Clark war ruhig, diszipliniert und gehorsam seinem Vorgesetzten, Mr. Tyson, gegenüber. Der perfekte Soldat. Nur ist er auch perfekt für die Aufgabe die ihm bevorsteht? Dr. Bent's Zweifel sind groß und mit leichtem Misstrauen betrachtet er den anderen Mann.
„Guten Abend“, sagt dieser, „man sagte mir ich solle mich bei ihnen melden sobald ich angekommen bin“.
„Ja“, antwortet Dr. Bent und steht hinter seinem Schreibtisch auf.
„Wenn sie möchten können sie sie sehen, bevor ich ihnen ihr Zimmer zeige“.
Clark nickt und folgt dem Arzt schweigend den langen weißen Flur entlang, bis zu einer der vielen Türen. Der Kontrollraum, welcher sich dahinter befindet, kommt ihm bekannt vor und er weiß was er sehen wird sobald er durch das große Fenster am anderen Ende blickt. Ai Kato. Oder besser gesagt: das was von ihr noch übrig ist.
„Sie sieht schon besser aus“, sagt er tonlos.
„Ja, sie macht sich ganz gut. Morgen werden wir dann sehen ob Fehler bei der Programmierung aufgetreten sind“.
Matthew wirft noch einen letzten Blick auf das einsame Bett in dem großen Raum, bevor er sich umdreht und dem Arzt andeutet zu gehen.
Dieser führt ihn den ewig langen Gang entlang, um ein paar Ecken und bleibt dann schließlich vor einer weiteren Tür stehen, welche den anderen hier unten zum verwechseln ähnlich sieht.
Dr. Bent schließt auf und lässt den anderen Mann zuerst eintreten.
„Das hier ist das Wohnzimmer, dort hinten sehen sie die Einbauküche und diese Tür führt ins Schlafzimmer, dahinter liegt das Badezimmer“.
Dann dreht er sich um und verlässt schnellen Schrittes den Raum.
Clark bleibt allein zurück und sieht sich wenig interessiert um. Auch nur eine weitere Etappe in seinem Leben. Auch nur ein weiteres bedeutungsloses Zimmer in dem er eben schlafen muss.
Seine Tasche, die er anfangs einem Assistenten gegeben hatte, liegt auf dem Sofa. Er sucht sich Schlafsachen und seine Zahnbürste heraus und geht ins Bad.
Augen
Sie beobachten mich.
Ich kann es spüren..
Selbst im Schlaf merke ich
wie sie hinter der großen Scheibe stehen
und mich beobachten.
Wie sie über mich reden.
Was sie wohl sehen?
Wie ich wohl aussehe?
Clark's Wecker klingelt um Punkt Nullsechshundet. Eine feste Routine war ihm schon immer wichtig und so tief unter der Erde, ohne Tageslicht konnte man leicht seinen Rhythmus verlieren.
Heute war ein besonderer Tag. Der heutige Tag würde vorerst über das Scheitern oder Fortlaufen des Projekts 'C7' entscheiden.
In völliger Dunkelheit wacht sie auf und sobald sie leicht den Kopf hebt öffnet sich die Tür und die Neonlampen leuchten auf. Der Mann der den Raum betritt ist groß und breitschultrig und wie unter Zwang heften sich ihre Augen auf ihn. Mit ihrem Blick folgt sie ihm durchs Zimmer. Auch er lässt sie nicht aus den Augen und sobald er am Bett angekommen ist öffnet sich die Tür erneut und der ihr nun schon bekannte Arzt Dr. Bent tritt ein.
„Hallo, wie ich sehe hast du unseren Neuankömmling bereits kennen gelernt. Sein Name ist Mr. Clark“, meint er freundlich zu dem Mädchen und stellt sich auf die linke Seite neben ihr Bett.
Mit rauer Stimme wendet sie sich an den ihr bis jetzt unbekannten Mann: „Hallo“, worauf sie ein stummes Nicken erhält.
Kurz werden erneut all ihre Werte und ihre Reizempfindlichkeit überprüft.
„Sieht alles bestens aus“, teilt der Arzt ihr mit, „ich habe eine Überraschung für dich! Du darfst heute mal aus diesem Zimmer raus“.
Gespannt beobachtet Clark ihr Gesicht, kann jedoch keine Regung feststellen. Einzig ihr Augen drücken die Überraschung und die Freude aus, die sie empfindet.
Interessant....
„Zuerst werden die Ärzte ein CT machen um einen gesamten Scan deines Körpers zu bekommen“, meldet sich Clark nun mit tiefer Stimme zu Wort, doch auch bei bei diesen Worten bleibt ihr Gesicht ausdruckslos.
„Du kannst dich immer noch nicht bewegen, richtig?“, fragt Dr. Bent sie mit geradezu sanfter Stimme. Ihr Nicken auf diese Frage ist nur zaghaft und in ihren Augen kann man die nackte Panik erkennen.
„Keine Sorge, dass macht nichts. Das wird sich mit der Zeit regeln“.
Dr. Bent dreht sich um und holt den Rollstuhl, welcher in der Ecke hinter ihm steht zum Bett.
Daraufhin schiebt Clark seine Arme unter den zierlichen Körper des Mädchens und hebt sie ohne Schwierigkeiten aus dem Bett. Er setzt sie in den Rollstuhl und der Arzt befestigt sie sofort an Armen, Beinen und Bauch mit breiten Lederbändern um ein Herausfallen zu verhindern.
Bei all dem sieht das Mädchen nur schweigend zu.
Mr. Clark tritt hinter sie und schiebt den Rollstuhl durch die Tür, welche der Arzt von außen aufhält.
Draußen
Ich bin draußen....
Raus aus diesem schrecklich leeren Zimmer...
Aber wo bin ich?
Die Gänge sind lang und verwinkelt,
hinter jeder Ecke lauert eine Neue....
Alles sieht gleich aus....
Die Türen und Wände beginnen um mich herum zu verschwimmen
..........
Der erste Raum in den sie geschoben wird ist mindestens doppelt so groß wie ihr bisheriges Zimmer und mit lauter hochmodernen technologischen Geräten ausgestattet. An der Wand rechts neben der Tür ist oben ein großes Fenster eingebaut. Der Raum wird von der riesigen Maschine dominiert welche an der Wand gegenüber von dem Fenster direkt in der Mitte steht. Dort schiebt Mr. Clark sie hin. Die Bänder welche sie halten sollten werden gelöst und Clark hebt sie vom Rollstuhl heraus und auf die Liegefläche der vielleicht 30 cm langen Röhre in die man sie gleich schieben wird. Kurz wandert ihr Blick nach oben und hinter dem Fenster kann sie schemenhaft die Umrisse von Menschen erkennen.
Sie beobachten mich, schießt es ihr wieder in den Kopf, bevor sie die Augen schließt um die anderen auszuschließen.
Die Fläche auf der sie liegt bewegt sich langsam nach hinten. Sie kneift die Augen noch etwas mehr zusammen und versucht gleichmäßig zu atmen.
„Das machst du toll! Den Kopf jetzt bitte nicht bewegen!“, hört sie Dr. Bent's Stimme aus der Ferne, wie durch ein Mikrofon. Wieder schiebt sich die Liege etwas weiter nach hinten und verharrt für ein paar Minuten, bevor sie sich erneut bewegt.
Die ganze Prozedur zieht sich über fast 10 min hin, bis endlich jeder Teil ihres Körpers gescant ist.
Vorsichtig öffnet sie die Augen und hebt den Kopf etwas um das Fenster sehen zu können.
„Gut gemacht. Wir kommen gleich runter zu dir, bleib einfach noch kurz liegen. Es kommt gleich jemand vom Personal, der dir mit dem Rollstuhl hilft!“, ertönt es aus einem der Lautsprecher.
Auf den Bildschirmen erscheinen nacheinander die verschiedenen Bilder die sie durch das CT erhalten hatten.
7 Köpfe beugen sich gleichzeitig nach vorne und über den Stuhl auf dem Dr. Bent sitzt und alles genauestens in Augenschein nimmt. Dr. Blair geht noch etwas näher heran, tippt mit seinem Finger auf den Bildschirm auf welchem die graue Abbildung ihres Gehirns zu sehen ist und meint: „Seht ihr das? Hier, an den hyperdensen Stellen, befinden sich die Metallstücke“.
„Sieht alles ganz normal aus“, befindet Dr. Bent.
„Auch die anderen Scans sind ohne Befund“, schließt er nach kurzer Betrachtung aller Bildschirme.
„Und was ist damit?“, fragt einer der jüngeren Ärzte und deutet auf das Bild ihrer Wirbelsäule.
„Hm, ja, hier zwischen C1 und C2..... sieht nach einer Flüssigkeit aus....“.
„Könnte von der Vernetzung kommen“, meint Dr. Blair.
„Und wie schlimm sind die Auswirkungen?“.
„Das wissen wir erst sobald wir ihre Beweglichkeit und die Reflexe getestet haben“.
Wieder in ihrem Rollstuhl angebunden ist ihr Blick starr auf die Tür gerichtet, durch deren kleinem Fenster sie Matthew Clark an der Wand lehnen sieht. Durch die Fixierung ist selbst die leichteste Kopfdrehung unmöglich, sodass sie auch nicht nach oben zu den Ärzten hinter dem Fenster blicken kann.
Die Tür öffnet sich und Dr. Bent kommt gefolgt von Clark in den Raum. Dieser stellt sich wieder hinter sie und nur durch das leichte Rucken bemerkt sie, dass der Rollstuhl sich erneut bewegt.
„Wohin ...“, sie muss sich mehrmals räuspern, bevor sie mit kratziger Stimme ihre Frage hervorbringt: „wohin bringt ihr mich?“.
Dr. Bent blickt sie über die Schulter an, bevor er rechts um eine der zahllosen Ecken abbiegt.
„Ins Labor, wir wollen ein paar Blutproben nehmen“.
Im Labor wird ihr Rollstuhl an einen der vielen Tische geschoben. Eine Frau in weißem Kittel wartet bereits.
„Hallo, ich bin Dr. Collins“, stellt die Frau sich vor und tritt näher, wobei das Mädchen sie nicht aus den Augen lässt.
„Keine Angst“, versucht Dr. Bent sie zu beruhigen, „wir wollen dir nur etwas Blut abnehmen“.
Ihr Blick ist verwirrt.
Blut abnehmen?
Ihr Blick schweift fragend über die Utensilien, welche vor ihr auf dem Tisch liegen.
Mit rauer Stimme fragt sie nach einer Erklärung.
Dr. Bent nickt und die Ärztin befreit den linken Arm des Mädchens aus der Schlinge und legt ihn vorsichtig auf die Armlehne. Sie tippt auf die Armbeuge des Mädchens und beginnt: „ Hier werden wir dein Blut entnehmen. Zuerst müssen wir diese Stelle desinfizieren“.
Sie lässt ihren Worten Taten folgen und greift nach dem Tupfer und der Flasche Desinfektionsmittel vor ihr. Etwas kühles trifft auf den Arm des Mädchen und sie senkt ihren Kopf, um nach der Ursache zu sehen. Mit dem feuchten Tupfer fährt die Ärztin die waagrechte Linie ihrer Armbeuge nach und hinterlässt eine nasse Spur. Danach ergreift die Frau ein fast 5 cm breites Band und hält es für das Mädchen sichtbar hoch.
„Das hier werde ich um deinen Arm binden, um das Blut zu stauen. Dadurch wird es leichter für mich eine Vene zu finden und an zu zapfen“.
Auch diesen Vorgang beobachtet das Mädchen genauestens. Ihre Augen weiten sich vor Entsetzen, als sie die große, spitz zulaufende Nadel sieht, welche die Frau aufhebt und an ein durchsichtiges Röhrchen steckt.
„Keine Angst! Es wird kaum wehtun wenn du dich nicht verspannst! Siehst du das spitze Ende hier? Das bewirkt, dass ich dir, wenn ich die Nadel in deinen Arm steche, ein kleines Loch in die Vene bohre, damit es nicht so wehtut. Und hier rein fließt dann dein Blut. Wir werden mehr als ein Blutentnahmeröhrchen brauchen, deshalb werde ich es mehrmals wechseln müssen, aber die Kanüle bleibt währenddessen drin“.
Damit beginnt sie, die zuvor von ihr beschriebene Prozedur. Als das Mädchen den kalten Stahl der Kanüle auf ihrem Arm spürt, verkrampft sie sich instinktiv. Aus den Augenwinkeln sieht sie, wie Dr. Bent etwas auf einer Art Klemmbrett notiert, sodass sie lange genug abgelengt ist, um das endgültige Eindringen der Spritze kaum zu bemerken. Als sie ein leichtes Ziehen spürt, wendet sie den Blick wieder nach unten und sieht fasziniert dabei zu wie ihr Blut langsam das Röhrchen füllt.
Sobald es voll ist, schraubt Dr. Collins es ab und steckt ein neues an. Das wiederholt sie solange, bis dem Mädchen fast schwarz vor Augen wird. Durch die Bänder, welche sie im Rollstuhl halten, fällt sie zwar nicht um, aber Clark merkt sofort, als ihr der kopf schwer wird und eilt auf sie zu, um sie wach zu halten.
Dunkel
Ich spüre ein seltsames Pochen in meinem Kopf.
Was ist das?
Mit jedem Tropfen Blut der fließt,
werde ich immer müder.
Alles wird verschwommener,
bevor es vollkommen schwarz um mich wird.
NEIN! Ich will nicht zurück!
Will nicht wieder zurück in diese schreckliche Dunkelheit!
Was passiert hier?
„Was zum Teufel ist hier passiert?“, brüllt Mr. Tyson, um das Stimmengewirr zu übertönen, als er das Krankenzimmer betritt.
Das Mädchen liegt bewegungslos auf dem Bett und nur das regelmäßige Piepen der Maschinen zeigt an, dass sie noch atmet. Die Ärzte beginnen alle durcheinander zu reden und mit einem einzigen bösen Blick bringt Mr. Tyson sie zum schweigen.
„Tom, können sie mir erklären was hier vorgefallen ist?“, fragt er nun mit sichtlich mühsamer Beherrschung.
„Wahrscheinlich war die Menge des Blutes welches wir ihr entnommen haben, einfach nur zu viel...“.
„Und wie konnte das passieren?“, fragt Tyson mit furchteinflössend ruhiger Stimme.
„Naja....wir...ich dachte....“, versucht Dr. Collins zu erklären.
„Sie dachten? Sie dachten? Durch ihr Denken wären beinahe Milliarde von Dollar den Bach hinunter gegangen!“. Seine Stimme wurde zum Ende des Satzes immer lauter.
Dr. Collins macht automatisch eine Schritt zurück und reißt die Augen auf.
„Wir konnten nicht wissen, wie sie reagieren würde“, wirft Dr. Bent ein.
„Bei jedem Anderen wäre diese Menge Blut durchaus normal gewesen. Doch die Sache hat auch etwas Gutes“, sagt er schnell, als Tysons Augen erneut zu blitzen beginnen, „schließlich wissen wir nun um die Anomalie des Blut-Neurosanguis-Verhältnisses in ihrem Körper bescheid und können es bei allen weiteren Tests berücksichtigen“.
Mr. Tyson sieht noch einmal hochnäsig und wütend in die Runde, bevor er auf dem Absatz kehrt macht und den Raum verlässt.
Langsam öffnen sich ihre Augen. Anfangs ist alles was sie sieht noch verschwommen, doch allmählich klärt sich ihr Blick.
„Hallo“, sagt eine ruhige Stimme direkt neben ihr.
Vorsichtig dreht sie den Kopf und erkennt Dr. Collins. Der Blick der Frau ist besorgt und ihre Augen tasten den Körper des Mädchens ab, wie um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung ist.
„Wie... wie bin ich hier her gekommen?“, fragt das Mädchen mit schwacher Stimme, „was ist denn passiert?“.
Vorsichtig streicht die Ärztin dem Kind über den Kopf und versucht zuversichtlich zu lächeln.
„Es war meine Schuld. Ich habe dir aus versehen zu viel Blut abgenommen. Du wirst dich noch eine Zeit lang schwach fühlen, aber es ist nichts schlimmeres passiert“, versichert sie ihr.
Das Mädchen nickt und wendet den Blick der sich öffnenden Tür zu. Dr. Bent blickt sie besorgt an und tritt sofort an ihre rechte Seite, während Clark sich an die geschlossene Tür lehnt und die Arme verschränkt. Sie lässt ihn nicht aus den Augen., weshalb sie nur nebenbei bemerkt, wie Dr. Bent ihren Arm ergreift, um den Puls zu messen. Als sie eine leichte Berührung an der Schulter spürt dreht sie den Kopf. Was jetzt kommt kennt sie bereits. Wieder wird alles abgetastet und am Schluss holt der Arzt eine kleine Stablampe heraus und leuchtet ihr abwechselnd in das rechte und das linke Auge.
„Sieht alles ganz normal aus“, schließt er seine Untersuchung.
Wie auf Stichwort stößt sich Clark von der Tür ab und schiebt den in der Ecke stehenden Rollstuhl zum Bett. Als er sich hinunter beugt, um das Mädchen aus den Bett zu heben, wird er von Dr. Collins am Arm gepackt und zurück gehalten.
„Was um Himmels Willen tun sie denn da? Sie ist noch viel zu schwach für weitere Tests..“
Rüde wird sie von Clark unterbrochen, als er ihr seinen Arm entreißt.
„Halten sie sich da raus! Allein durch ihren Fehler haben wir wertvolle Zeit verloren! Wir können uns keine weiteren Verzögerungen leisten!“.
Völlig unbeteiligt lässt sich das Mädchen in den Rollstuhl heben und fest binden.
Hilfe suchend blickt Dr. Collins den anderen Arzt an, welcher jedoch nur mit den Schultern zuckt und gemeinsam mit den anderen beiden das Zimmer verlässt.
„Was als nächstes passiert wird sich zuerst etwas komisch anfühlen“, sagt Dr. Bent.
Gespannt sitzt sie da, während der Arzt hinter ihrem Rücken etwas vorbereitet.
Das Gefühl was dann kommt, ist wie ein Kribbeln, welches sich von ihrem Nacken bis hinab in ihre Zehen ausbreitet. In ihrem Kopf glaubt sie eine Art Summen zu hören und ihr gesamter Körper scheint zu vibrieren.
„Die Neurochips reagieren“, sagt ein junger Mann, welcher ihr gegenüber hinter einer U-Förmigen Konsole sitzt.
Kurz verschwimmt ihr Blick und dann, wie auf Knopfdruck, ist ihr Körper wieder vollkommen still.
„Ich lade jetzt die Daten“.
Dr. Bent kommt hinter ihrem Rücken hervor und kniet sich hin, um auf Augenhöhe zu sein.
„Ist irgendwas seltsam? Siehst du verschwommen oder tut es irgendwo weh?“, fragt er und wieder beleuchtet er beide ihrer Augen mit der Lampe.
Langsam schüttelt sie den Kopf.
„Wie sieht es aus, Carl?“, ruft er nach hinten, ohne den Kopf zu wenden.
„Alles bestens“, sagt dieser freudestrahlend, „wundervoll, einfach wundervoll!“
„Du kannst bisher immer noch nur deinen Kopf bewegen, oder?“, fragt Dr. Bent. Ihr Gesicht bleibt unbeweglich, nur ihre Augen und deren Blick auf ihre Finger verraten wie angestrengt sie versucht eine Bewegung zu erzwingen.
In seinem Gesicht taucht ein Stirnrunzeln auf und kopfschüttelnd erhebt er sich, um ebenfalls hinter die Monitore zu treten.
„Mit den Nerven scheint soweit alles in Ordnung zu sein, aber das hat ja bereits das CT gezeigt....“, murmelt er vor sich hin. Mit besorgtem Blick schickt Dr. Bent den anderen Mann hinaus und keine zwei Minuten später taucht Matthew Clark im Zimmer auf.
„Immer noch nicht? Selbst nach der Vernetzung?“
„Ja“, antwortet Dr. Bent und kommt wieder hinter der Konsole hervor.
„Wir geben ihr noch etwas Zeit und dann sollten sie es mal versuchen. Wenn das nicht funktioniert, dann.....“.
Verwirrt sieht das Mädchen von einem Mann zum anderen. Clark nickt Dr. Bent zu und setzt sich schweigend auf einen Stuhl in der Ecke.
Der Arzt setzt sich ihr gegenüber, in der Hand hält er einen tragbaren Monitor und einen seltsam aussehenden Stift.
„Die nächste Zeit könnte etwas langweilig für dich werden, also versuch einfach dich zu entspannen“, mahnt er sie und beginnt mit dem Stift irgendetwas auf den Bildschirm zu tippen.
Nach einiger Zeit des Schweigens fühlt Dr. Bent sich von ihr beobachtet und hebt den Kopf.
„Möchtest du mich irgendetwas fragen?“.
Sie scheint kurz zu überlegen, bevor sie verhalten nickt.
„Wie heiße ich?“.
Bereits zum zweiten mal kommt ihr diese Frage über die Lippen, und Dr. Bent weiß, dass er nicht noch einmal ausweichen kann. Kurz senkt er den Blick, bevor er mit nicht ganz fester Stimme sagt: „Dein offizieller Name lautet C7“.
„C7...“, versucht auch sie den Namen auszusprechen, wie um den Klang zu testen, „das ist aber kein gewöhnlicher Name“.
Es klang mehr wie eine Frage, so als wäre sie sich nicht sicher.
„Nein, ist es nicht. So wirst du hier unten im Labor genannt“.
„Und mein richtiger Name?“
Ratlos blickt der Arzt auf und erbittet Clark mit seinen Augen um Hilfe. Dieser zuckt jedoch nur mit den Schultern, als sei die Antwort ihm gleich.
„Das solltest du vielleicht jemand anderen Fragen“, weicht Dr. Bent ihrer Frage aus, „bis dahin kannst du auf C7 hören, wenn dich jemand ruft“.
„Okay. Meine Arbeit hier ist getan. Ich lasse sie beide nun allein“, wendet er sich an Clark und verlässt fast fluchtartig das Zimmer.
Immer noch verwirrt versucht sie den Kopf zu drehen, merkt jedoch, dass irgendetwas dies zu verhindern scheint.
„Das sind die Kabel!“, hört sie eine dunkle Stimme hinter sich.
Ka-Ka–Kabel? Welche Kabel?
„Die, die dich an den Großrechner anschließen und die Daten auf den Computer übertragen“, fährt er unbarmherzig fort, obwohl ihr Blick unmissverständlich ihre Angst und die Verwirrung ausdrückt.
Fast verstört wandern ihre Augen umher und versuchen irgendetwas zuerkennen, was ihr Aufschluss über die Worte des Mannes geben könnte.
„Jetzt beruhig dich wieder“, herrscht er sie an, als sie beginnt panisch zu werden.
Augenblicklich wird sie ruhiger, ihre Angst verschwindet und hinterlässt eine gewisse Leere in ihr.
Das Lächeln, welches bei ihrer Reaktion auf Matthews Lippen liegt, ist sowohl erstaunt als auch überheblich.
„Na sowas, der Kerl hatte also Recht“, murmelt er vor sich hin, während er sich auf den Stuhl vor ihr fallen lässt.
„Also C7“, wobei er ihren Namen übermäßig betont, „ich würde jetzt gern etwas mit dir üben“.
Ihr Nicken auf seine Worte kommt fast automatisch.
Clark beugt sich vor, um ihren Arm los zu binden.
„Mach die Augen zu“, befiehlt er und sofort schließen sie sich.
„Fühlst du das?“. Mit einer Bleistiftspitze drückt er ihr vorsichtig in den Finger. Als Antwort kommt nur ein Nicken.
„Und wo befindet sich der Druck?“.
„Rechte Hand. Zeigefinger“.
„Gut! Du kannst die Augen wieder öffnen. Also funktionieren deine Nerven. Und jetzt, beweg den Finger!“.
Wieder ist ihr Blick voller Verwirrung. Das was sie daraufhin spürt tut fast weh. Sie ist wie entzwei gerissen. Ein Teil von ihr möchte seinen Befehl automatisch befolgen, nur weiß sie einfach nicht wie.
„Aha“, sagt er darauf nur, „so ist das also. Wir werden das ganze jetzt langsam angehen, C7.
Sie nicht mich an, sondern sie auf den Finger. Na los!“.
Wie gebannt starrt sie ihre rechte Hand an. Selbst wenn sie gewollt hätte, sie hätte den Blick nicht abwenden können.
„Und jetzt möchte ich, dass du dir vorstellst, wie du den Finger bewegst. Du weißt wie das aussieht? Gut! Stell es dir vor, bildlich!“.
In ihrem Kopf arbeitet es, als sie versucht seinen Anweisungen zu folgen.
Fasziniert starrt er auf einen der Bildschirme neben ihm, welcher die Teile ihres Gehirn, die sie verwendet, in verschiedenen Farben leuchten lässt.
„Kannst du es dir vorstellen?“.
Sie nickt und er ist sich sicher, wäre ihre Mimik noch in Takt würde sie die Stirn runzeln.
„Jetzt will ich, dass du deinem Hirn einen Befehl gibt! Gib ihm den Befehl mit dem Finger zu wackeln. Stell dir die Bewegung vor und befiel es ihm“.
Er schaut nicht auf ihre Hand, sondern blickt ihr unverwandt ins Gesicht.
Sofort erkennt er die Veränderung in ihren Augen. Sie beginnen zu blitzen und es scheint als würde sie damit lächeln, auch wenn ihr Mund unbewegt bleiben.
Er lässt seinen Blick nach unten wandern, und beobachtet mit einiger Genugtuung wie sich ihr Finger immer wieder langsam ein- und ausrollt.
„Hervorragend“, sagt er und sieht wie ihre Augen strahlen.
„Jetzt die anderen Finger“, fordert er sie auf und senkt den Blick gespannt auf ihre Hand.
Es dauert noch einige Zeit bis sie jeden einzelnen bewegen kann, doch am Ende schafft sie es alle Finger gleichzeitig zu bewegen.
Zufrieden steht Clark auf und ruft den Arzt wieder herein um von den Fortschritten zu berichten.
Bewegung
Ich habs geschafft.
Endlich.
Meine Finger.....und dann die Füße...
Mein Kopf beschreibt Bewegung mit
physischer Aktivität.
Wie aus einem Lexikon weiß ich fast jede
Einzelheit über den Begriff.
Kann es ganz einfach aus meinem Kopf abrufen.
Es bedeutet Gesundheit, Kraft, Schnelligkeit.
Doch nirgendwo steht, dass es auch Freiheit bedeutet.
Das Mädchen liegt in ihrem Bett und lässt langsam einen Zeh nach dem anderen wackeln. Innerlich breitet sich ein riesiges Lächeln in ihr aus, doch sie weiß, dass man es nach Außen hin noch nicht sehen kann. Das muss sie noch lernen, hat Dr. Bent gesagt. Fast in Zeitlupe zwingt sie ihren schmalen Körper dazu vom Bett aufzustehen und mit bedächtigen Schritten zu dem Spiegel an der anderen Seite des Raumes zu gehen, welchen Mr. Clark ihr zum Üben gegeben hat.
Als sie es endlich geschafft hat ist sie überrascht.
Das bin ich?, fragt sie sich stumm und blickt in zwei emotionslose graue Augen. Langsam hebt sie die Hand und berührt ihr blasses, schmales Gesicht. Auf ihrer Nase und den Wangen befinden sich kleine dunkelbraune Sommersprossen. Ihre Lippen sind voll und von einem leicht rosigem Ton. Nachdem sie auch über diese mit ihrem Zeigefinger gestrichen ist, lässt sie ihre Hand vorsichtig in ihre Haare fahren. Sie sind lang und sehr wellig. Genau kann das Mädchen die Farbe nicht bestimmen, da ihr einfach nicht das richtige Wort dafür einfällt, aber im Licht kann sie einen leicht rötlichen Schimmer erkennen. Auch ihr Alter kann sie nicht wirklich einschätzen. Sie ist relativ klein, ihr Gesicht ist jung aber dennoch fast das einer Erwachsenen. Ihr Blick wandert weiter nach unten über ihren Körper. Schmal und klein. Irgendwer muss sie in eine einfache weiße Stoffhose und ein weißes T-Shirt gesteckt haben. Die Farbe lässt ihre Hautfarbe noch blasser erscheinen. Nun betrachtet sie ihre Hand etwas genauer, die immer noch in ihrem Gesicht liegt. Auch sie ist winzig und feingliedrig, mit langen Fingern. Langsam nimmt sie die Hand weg und blickt sich direkt ins Gesicht. Ausdruckslos sieht es ihr entgegen. Keine Regung zeigt sich, nicht einmal ein Blinzeln.
Na los, sagt sie sich selbst, beweg dich. Beweg dich. Beweg dich....
Wie ein Mantra wiederholt sie diese beiden Worte immer wieder in ihrem Kopf.
Es beginnt wie ein Zucken, doch nach einer weiteren Minute kann man es erkennen. Ihr Mundwinkel verzieht sich leicht nach oben.
Endlich.....
Ich
Ich kann mich sehen.
Ich kann mich anfassen.
Mich fühlen.
Endlich....
Endlich fühle ich mich wieder.
Keine leere Hülle mehr....
kein schwebender Geist....
ich bin wieder ein Ganzes.
„Die Fortschritte die sie macht sind erstaunlich“, berichtet Dr. Bent seinem Vorgesetzten. Der Blick von Mr. Tyson ist mehr als zufrieden und er nickt dem Arzt wohl wollend zu.
„Wie planen sie nun fortzufahren, Dr. ?“.
„Es wird viel Übung nötig sein, damit sie ihren Körper und besonders ihren Kopf so nutzen kann wie es vorgesehen ist“, antwortet Dr. Bent und wirft einen kurzen Blick in die Akte von C7, „außerdem stehen noch eine Menge Test an, die uns dabei helfen sollen, weitere ihrer Art zu schaffen“.
Das spezielle Training das sie von Mr. Clark bekommen soll wird in diesem Raum unerwähnt gelassen.
„Wissen wir schon was den Ausschlag zu diesem Erfolg gegeben hat?“.
Fast verdrossen schüttelt der Arzt den Kopf.
„Nein Sir, bisher gibt es zwar viele Spekulationen, aber ohne weitere Untersuchungen können wir nichts genaues sagen“.
„Und der Körper?“, fragt Mr. Tyson dann etwas kryptisch aber Dr. Bent versteht in auf Anhieb.
„Befindet sich konserviert im Labortrakt B. Den Schlüssel dazu haben wie ausgemacht nur Mr. Clark, ich und meine drei zuverlässigsten Ärzte“.
Der andere Mann nickt anerkennend und sieht auf das Bild, welches mit einer Heftklammer an der Akte befestigt ist.
„Gut, dann arbeiten sie weiter daran. Mit ihr könnten wir beide nicht nur in der Medizin Geschichte schreiben“. Mit diesen Worten verlässt er den Raum und lässt einen nachdenklichen Dr. Bent zurück. Dieser steht noch etwa eine Minute im Raum und studiert, ebenso wie sein Chef vorhin, das Bild des schmächtigen dünnen Mädchens.
Konzentriert sitzt C7 auf ihrem schmalen Bett und zwingt ihren Körper die Füße langsam hin und her baumeln zu lassen. Mit der Zeit macht es ihr immer mehr Spaß die Grenzen ihrer neu gewonnenen Beweglichkeit aus zu testen. Fast wie ein Spielverderber meldet sich ihr Bauch mit einem leichten Knurren. Überrascht blickt sie nach unten.
Was war das?
Das Geräusch löst so etwas wie eine Erinnerung in ihrem Kopf aus, aber sie kann es nicht zuordnen.
Ihr Bauch meldet sich nun in immer kürzer werdenden Abständen und langsam beginnt es unangenehm zu werden. Leicht verwirrt, aber immer noch mit ausdrucksloser Mimik, steht sie auf und tritt an den großen länglichen Spiegel zu ihrer Linken. Innerlich wundert sie sich darüber, woher sie weiß, dass es nicht wirklich ein Spiegel, sondern viel mehr ein Fenster ist, doch das Gefühl in ihrer Magengegend lenkt sie zu sehr ab um genauer darüber nach zu denken.
Fast zaghaft legt sie die Hand auf die Scheibe und versucht hin durch zu blicken, doch alles was sie sieht ist ein leicht silbriges Spiegelbild ihrer selbst.
Kaum berührt ihre Hand das Glas, schon öffnet sich die Tür zu ihrer Rechten und ein großer Mann mit weißem Kittel und einer randlosen Brille kommt herein.
„Ja?“, fragt er das Mädchen, welches jedoch nur wie versteinert da steht.
Sie ist verwirrt. Sie kennt den Mann nicht und hat das Gefühl, dass sie jetzt eigentlich so etwas wie Angst empfinden sollte. Doch dieses Gefühl bleibt aus. Stattdessen fühlt sie rein gar nichts, nur den Schmerz in ihrem Magen.
„Was ist denn nun?“, fragt der Mann etwas ungeduldig.
C7 blinzelt einmal und sagt dann mit leiser Stimme: „Ich weiß nicht..... Irgendetwas fühlt sich komisch an in meinem Bauch“.
Der Arzt runzelt kurz die Stirn, nickt dann und verschwindet wieder, aber nicht ohne vorher die Tür wieder zu verriegeln.
Wie vor den Kopf gestoßen bleibt C7 stehen.
Kommt er wieder? Was macht er jetzt? Lässt er mich einfach hier stehen?
Keine zwei Minuten später öffnet sich die Tür erneut und Mr. Clark tritt gemeinsam mit einer kleinen zierlichen Frau, die ein silbernes Tablett trägt, ein.
„Hallo, C7“, begrüßt Clark das Mädchen und führt sie zurück zu ihrem Bett auf dem sie Platz nimmt. Die Frau tritt näher an sie heran und stellt sich als Dr. Lane vor.
„Das Gefühl, dass du gerade spürst ist Hunger“, erklärt sie mit, für ihre Größe überraschend, kräftiger Stimme, „ ich in dafür zuständig mich um deine Ernährung zu kümmern“.
Das Mädchen blickt sie weiter vorsichtig an und sieht dann auf das Tablett, auf dem ein Teller mit zwei weißen Pillen, einer Spritze und einer Schüssel voll zäher Flüssigkeit stehen.
„Bevor du etwas isst, muss ich dir dieses Serum verabreichen“, kündigt Dr. Lane an.
Sie greift nach der Spritze, und C7, die diesen Vorgang ja bereits kennt, streckt den Arm aus und wartet auf den kurzen Stich in ihrem Arm.
„So, fertig! Jetzt kannst du die Suppe essen. Kannst du allein mit dem Löffel umgehen?“.
Fragend blickt das Mädchen zu Mr. Clark, der daraufhin nach dem Löffel greift und C7 richtig in die Hand legt. Danach zeigt er ihr wie sie ihn richtig zum Mund führt.
Die Suppe schmeckt nach nichts, doch das schmerzende Hungergefühl, wird bereits nach dem zweiten Löffel schwächer. Nachdem die Schüssel leer ist, ist auch der Schmerz vollständig verschwunden und das Mädchen atmet erleichtert auf.
„Also, als letztes möchte ich, dass du jetzt eine und dann in 5 Minuten die zweite der Pillen hier nimmst. Dr. Clark, sie kümmern sich darum!“.
Die Frau stellt den kleinen Teller mit den Pillen, auf den Tisch neben dem Bett und geht dann ohne weitere Worte.
Matthew blickt auf seine Uhr und setzt sich dann auf den Stuhl neben das Bett.
„Du kannst aufstehen und herum gehen, hat man mir gesagt“, beginnt er das Gespräch mit dem Mädchen.
„Ja, ich kann mich fast vollständig bewegen“.
„Ausgezeichnet“, sagt er mehr zu sich selbst, „und dein Gesicht? Kannst du auch das bewegen?“.
Das bereitete den meisten Ärzten große Sorgen. Dass die Nerven in ihrem Gesicht nicht funktionstüchtig waren. Doch das leichte Zucken ihrer Lippen, das wohl so etwas wie ein Lächeln darstellen soll, ließ alle Zweifel verschwinden.
Texte: Alle Rechte liegen bei mir
Tag der Veröffentlichung: 19.04.2011
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