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Langeweile

Ich war außer mir vor Freude als meine Mutter mir endlich das Zimmer meiner Schwester, die schon seit geraumer Zeit ausgezogen war, als Schlafzimmer überließ und ich mein altes Zimmer fortwährend als Wohnzimmer benutzen durfte. Das halbe Obergeschoss befand sich nun in meiner Gewalt und ich würde es mit allen Mitteln verteidigen.
Eines abends ging ich also wieder zum Schlafen in mein Schlafzimmer als ich auf einem Regal gegenüber meines Bettes die alte Puppe aus der Kinderzeit meiner Schwester sitzen sah. Augenblicklich war ich wie gelähmt bei dem starren Blick der glasigen Augen der Puppe. Selbstzufrieden saß dieses scheußliche Wesen mit seiner wirren Frisur, die meine Schwester ihr aus irgendeiner Laune heraus verpasst hatte, da und starrte mich an. Ein kleines Wesen wie ein sehr klein geratenes Kind.
Das Ding nicht aus den Augen verlierend legte ich mich in mein Bett so weit wie möglich von ihm weg. Ich versuchte zu schlafen, öffnete jedoch immer wieder die Augen um mich zu vergewissern, ob es mich immer noch auf die selbe Art und Weise anstarrte. Und das tat es. Ich fiel sobald in einen unruhigen Schlaf.
Am nächsten Tag stellte ich meine Mutter zur Rede.
„Ach, es sieht doch so schön aus, wenn die Puppe dort sitzt. Es ist nun mal eigentlich das Zimmer deiner Schwester und ihre Puppe erinnert mich an sie.“
Beschämt gab ich meine Angst vor dem starren Wesen zu. Ich gab aber nicht zu, dass ich so nicht noch einmal in diesem Zimmer schlafen können würde. Aber die Puppe musste weg. Ich hoffte, ich würde sie loswerden ohne zu viel zugeben zu müssen. Meine Mutter versprach sich um die Sache zu kümmern, also war ich beruhigt.
Als ich diese Nacht mein Zimmer betrat überkam mich die Wut. Die Puppe war nicht weg, meine Mutter hatte sie lediglich so platziert, dass ich sie vom Bett aus nicht sehen konnte. Sehr wohl aber starrte sie mich beim betreten des Raumes aus einem anderen Regal her ausdruckslos an. Weil ich mich aber zu sehr schämte, zuzugeben, dass ich derart Angst hatte, dass diese Puppe ganz weg musste, redete ich mir gut zu. So schlimm konnte es ja nicht werden. Was sollte diese Puppe schon machen ? Starren... ausdruckslos starren.
Ich schlief weitere Nächte sehr unruhig, immer darauf bedacht so weit wie möglich Abstand von der Puppe zu nehmen. Ich versuchte meine Angst zu bekämpfen, aber ich blieb erfolglos. Jede Nacht lag ich dort und sah ihren Schatten. Ich konnte mir vorstellen wie sie da saß und starrte. Doch sie blieb wo sie war.

Eines Tages fuhren meine Eltern über das Wochenende fort und ließen mich allein zurück. Ich war froh allein zu sein und zu tun und zu lassen, was mir gefiel und was nicht. Ich ging aus und kehrte erst spät in der Nacht zurück. Als ich mein Schlafzimmer betrat, schaute ich sogleich auf das Regal auf dem die Puppe immer saß. Sie war fort. Ich atmete auf. Meine Mutter hatte mir den Gefallen getan, ohne dass ich es peinlich vor ihr bekennen musste. Diese Nacht schlief ich so ruhig wie seit Monaten nicht mehr.
Am nächsten Morgen stand ich fröhlich ausgeschlafen auf und duschte in aller Ruhe. Ich machte mir ein schönes Frühstück und nahm es auf einem Brett mit in mein Wohnzimmer. Ich öffnete die Tür und stockte. Mir fiel das Brett aus der Hand und krachte lautstark auf den Boden. Da saß sie. Dieses elende Biest saß da auf meinem Tisch und glotze mich an ! Wütend und ängstlich packte ich die Puppe an den Haaren und hielt es weit von mir weg. Ich drehte das abscheulich starrende Gesicht zu mir.
„So nicht, du verdammtes Stück!“
Ich rannte mit dem verfluchten Wesen in der Hand nach draußen und pfefferte es in die Mülltonne.
„Ist mir doch egal, was du dazu sagst, Mutter. Du weißt, dass ich diese Puppe nicht leiden kann. Wieso stellst du sie in mein Zimmer ?!“
Ich war glücklich dieses Ding endlich los zu sein. Dich werd ich nie wieder sehen!, schwor ich mir.

Diesen Abend ging ich wieder sehr lange aus und kehrte spät wieder. Sogleich stürmte ich in mein Schlafzimmer, warf mich auf mein Bett, schloss die Augen und schlief zufrieden ein.
Eine Stunde später wurde ich von meinem Handy geweckt. Ich drehte mich müde um und sah auf die Uhr. 2:43 Uhr. Wer will denn nun was von mir ? Ich sah auf das Display: Nummer unterdrückt. Gerade als ich abnehmen wollte, legte dieser Jemand auf. Verärgert stellte ich mein Handy aus um nicht nochmal geweckt zu werden. Ich schloss meine Augen und versuchte ein zu schlafen. Plötzlich hörte ich an der Haustür ein lautes Klopfen. Ich ging genervt zum Fenster, öffnete es und brüllte wütend, „keiner zu Hause!“
Es ist 2:45 Uhr ! Wie können die es wagen !
Ich schlief wieder ein, diesmal störte niemand mehr.

Am nächsten Tag kamen meine Eltern wieder. Meine Mutter wuselte durch das ganze Haus um alles wieder zum Alten zu bringen. Schließlich kam sie zu mir und fragte: „Wo hast du die Puppe hin getan, ich kann sie nirgends finden?“
Ich fuhr sie an, was sie denn denken würden. Weggeworfen hätte ich sie. In die Schrottpresse, da gehöre dieses glotzende Monster hin, ja wohl !

Auch diese Nacht legte ich mich zufrieden ins Bett und schlief, bis ich morgens wieder aufstehen musste, um zur Schule zu fahren. Ich machte mich in aller Seelenruhe fertig, frühstückte und machte einen Rest Hausaufgaben. Meine Eltern waren lange zur Arbeit gefahren, sodass ich getrost durch das Haus wandeln konnte. Als ich mir meine Jacke und Schuhe anzog, bemerkte ich, dass ich meine Brieftasche in meinem Wohnzimmer vergessen hatte. Ich zog mir genervt die Schuhe wieder aus und sprintete die Treppe hinauf zu meinem Zimmer. Die Tür flog unter meinem Ansturm auf und ich stolperte über etwas und legte mich der Länge nach aufs Laminat. Ich verzog das Gesicht unter dem Schmerz und rappelte mich wieder auf. Ich drehte mich um, um zu sehen über was ich gestolpert war, nur um bei dessen Anblick wieder hinzufallen. Diese starren Augen ! Dieses ausdruckslose Gesicht ! Ich stieß einen Schrei aus, drängte mich an der Puppe aus dem Zimmer und lief wie von Sinnen davon. Die Treppe hatte ich nicht mehr im Sinn. Ich stolperte. Die Flugphase kam mir vor wie in Zeitlupe, dann schlug ich auf die Treppe auf. Alles schwarz. Alles leer. Alles endgültig. Alles....

Impressum

Texte: BlackStar
Bildmaterialien: BlackStar
Lektorat: BlackStar
Übersetzung: BlackStar
Tag der Veröffentlichung: 29.09.2013

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