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Die Sonnenfinsternis

Es war ein Freitagabend. Ein Freitagabend wie kein anderer.

Wir hatten Hitzefrei. Ja, mitten im Dezember. Allein der Gedanke daran, dass wir 35° hatten, bringt mich zum schmelzen. Wir verließen nach der 3. Stunde den Unterricht. Am großen Tor hielt Grey mich auf.
“Hey, Roxy. Kommst du mit uns schwimmen?“ rief er von einer Gruppe seiner Freunde zu mir herüber.
Ich blickte auf meine Schultern, rot und voller Bläschen. Zwar mochte ich Grey sehr, aber wenn ich noch einen Tag länger im Freien verbringen würde, würde meine Haut sich komplett von mir verabschieden.
“Nee, heute nicht. Vielleicht nächste Woche.“, rief ich zurück.
Er kam auf mich zu.
“Ach komm schon, Roxy. Nur noch einmal.“, sagte er mit dem Lächeln, dass ich so liebte.
“Naa gut. Aber nur, weil du‘s bist.“, ließ ich mich überreden, während ich mich in Gedanken schon mal von meiner Haut verabschiedete.
Wir fuhren mit dem Bus. Unsere Schwimmsachen mussten wir nicht mehr von zu Hause abholen, da wir stehts welche anhatten. Es war merkwürdig, drei Tage vor Weihnachten in kurzen Hosen, Bikini und Top durch die Gegend zu laufen. Doch der ewige Sommer hielt an.
Wir hatten alle eine Jahreskarte. Wer wusste schon, ob es je wieder Winter werden würde? Keine Minute verging und alle, die mit uns gekommen waren, landeten im Schwimmbecken.
Niemand den man hier sah war ohne einen kräftigen Sonnenbrand durch die ewige Hitze gekommen. Doch im Wasser war es auszuhalten.
Die Zeit verging wie im Flug. Während das ohnehin überfüllte Freibad langsam immer mehr bevölkert wurde, drängten Grey, seine Freunde und ich uns unter einen übergroßen Sonnenschirm. Es wurde kühler. Und dunkler…
“Wie spät ist es?“, fragte ich Grey.
“Keine Ahnung…“ Er sah auf sein Handy und runzelte die Stirn.
“Das kann doch nicht sein. Leute, wie spät ist es? Mein Handy ist kaputt!“, rief er in die Runde.
Johnny, einer von Grey‘s Freunden, sah auf seine Armbanduhr.
“Es ist 17:59 Uhr. Wieso?“, fragte er.
Es wurde immer dunkler. Grey und ich tauschten besorgte Blicke aus. Der Wind wehte die Haare in mein Gesicht, während mir ein Schauer über den Rücken lief. Ich bekam Gänsehaut.
Während meine Haare mir die Sicht nahmen, rasten tausende Bilder an meinen Augen vorbei. Es wurde kälter. Viel kälter. In wenigen Sekunden fielen die Temperaturen um mindestens 20°! Was war nur los… was war nur…
“Der wievielte ist heute?“, schrie ich über den Platz.
Alle sahen mich an. Während die Hälfte meines Gesichtes noch von meinen Haaren verschleiert war, musste die andere angstverzerrt und voller Grauen gewesen sein. Bitte lass es nicht dieser Tag sein! Jeder, nur nicht dieser!, rief meine innere Stimme.
“Heute ist der 21.12.“, sagte Grey. Ich sah ihn an und bemerkte, dass er erst während er die Worte aussprach verstand, was er da sagte. Seine Augen weiteten sich vor Schrecken, während es immer Kälter wurde. Auch ihm lief ein Schauer über den Rücken.
Es war der *****Schon seit Jahren wurden Berichte über den vorhergesagten Weltuntergang im Fernsehen ausgestrahlt, doch niemand hatte ihnen geglaubt. Ich am allerwenigsten. Während die Temperaturen immer weiter sanken, rasten die Gedanken durch meinen Kopf. Der Himmel verdunkelte sich. Wir sahen zum Himmel auf und erblickten die Sonnenfinsternis. Schlagartig wurde es noch kälter. Und dann geschah das unfassbare. Es hagelte. Schreie hallten durch das Freibad, während alle panisch versuchten, aus dem Becken zu flüchten. Grey und ich rannten gemeinsam über den Platz. Die Temperaturen sanken unaufhaltsam weiter. Der Boden fror ein und wir schlitterten in die Kabinen. Panik brach aus und alle drängten sich unter das Dach. Grey und ich schlossen uns in einer Kabine ein, als ich anfing zu weinen. Ich konnte mich nicht zurückhalten. Alles ging so schnell.
“Roxy? Roxy, nicht weinen. Alles wird gut!“, sagte Grey. Seine Stimme zitterte dabei so sehr, dass ich wusste, er traute seinen eigenen Worten nicht.
Er versuchte mich zu beruhigen, während ich mit meinen Armen um mich schlug. Ich wollte nicht sterben. Es gab so viel, was ich noch tun und sagen wollte. Grey griff nach meinen Handgelenken und drückte mich gegen die Wand.
“Hey. HEY!“, schrie er mich an. Als ich nicht aufhörte, mich zu wehren, drückte er seine Lippen gegen meine. Ich wurde still. Obwohl alle um uns herum schrieen, schien die Welt für einen Augenblick wieder in Ordnung zu sein. Er löste seine Lippen von meinen und sah mich an. Ich konnte meine Augen nicht von seinen wenden.
“Ich liebe dich.“, flüsterte ich vor mich hin. Und obwohl er durch all das Geschrei nichts hören konnte, schien er zu verstehen. In diesem Moment geschah ein Wunder.
Die Schreie erstillten und wir hörten knirschende Schritte. Wir sahen uns kurz an und öffneten dann die Tür. Alle sahen in den Himmel und schwiegen.
Es schneite.
Der Himmel war erfüllt von Frieden, während die Erde aussah wie nach einer Schlacht zwischen Mensch und Natur. Die Sonnenfinsternis war vorüber.

 

Nein, die Welt ging nicht unter, auch wenn es zuerst danach aussah. Und wir hatten auch nie wieder im Winter Hitzefrei. Aber Grey und ich, wir hatten uns. Und von nun an leben wir jeden Tag, als wäre es der letzte.

Impressum

Texte: BlackStar
Bildmaterialien: BlackStar
Lektorat: BlackStar
Übersetzung: BlackStar
Tag der Veröffentlichung: 29.09.2013

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