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ROMF – Namensänderung?

 

 

 

Glücklich traten Marion und Rolf Beier auf die Straße. Gerade waren sie gegen Covid‑19 geimpft worden. Am ersten Tag, der für ihre Altersgruppe in Frankreich möglich war. Rolf hatte den Termin 27. März 2021 sofort im Internet reserviert, nachdem ihr Jahrgang freigegeben worden war.

Das deutsche in Frankreich lebende Ehepaar war deshalb besonders froh, weil ihr Besuch im Impfzentrum nicht ganz problemlos abgelaufen war. Bei Marion war alles einfach, denn sie besitzt eine Carte vitale von der französischen Krankenversicherung, weil sie in Deutschland gesetzlich versichert ist.

»Und Sie haben keine Carte vitale, keine Krankenversicherungsnummer?«, fragten Schwester und Arzt fast gleichzeitig, als die Reihe an Rolf war. Dass er für die ganze Welt privat krankenversichert ist, nahmen sie zur Kenntnis, half ihnen aber nicht. Der Arzt brauchte eine Nummer für die erste Zeile des Formulars, das für jeden Impfling auszufüllen war. »Eine französische Steuernummer habe ich«, scherzte Rolf und sah sich schon ohne Spritze nach Hause fahren. Wegschicken kam für den Arzt aber nicht in Frage, also ließ er die Zeile leer – und es funktionierte. Die Schwester gab dem impfwilligen Sonderling seine Spritze und zählte routinemäßig die Nebenwirkungen auf, die ihn in den nächsten Stunden und Tagen ereilen könnten. Zwischendurch fragte der Arzt noch, auf die Kopie von Rolfs Ausweis zeigend: »Das ist ein L, kein M?« Er meinte den dritten Buchstaben im Vornamen. Dann ging er zu seinem Schreibtisch zurück und änderte mit Kugelschreiber den Ausdruck und überreichte ihm das Datenblatt.

Nach der Impfung und auch nach der zweiten im April gab es keinerlei Probleme. Kopfschmerzen machte ihnen aber wegen einer geplanten Reise in die ursprüngliche Heimat das Gefühl, dass die beiden Datenblätter dort nicht recht als Impfzertifikat gelten würden. Es enthielt die Daten, die digital an die französische Krankenversicherung gemeldet worden waren.

»Wir können das doch nicht einem Grenzer, in einem Hotel oder Geschäft vorweisen, um zu beweisen, dass wir vollständig geimpft sind«, monierte Rolf.

Marion war da sorglos: »Warum nicht? Dort steht 2/2 und terminé

»Ja, aber die Leute können doch kein Französisch. Alles andere sieht für sie doch wirr aus. Nicht einmal eine Adresse der Impfstelle gibt es.« Rolf blieb skeptisch.

Auf sein Drängen fuhr das Paar am 3. Mai erneut ins Impfzentrum. Zum Glück war die 10‑Kilometer‑Grenze der Bewegungseinschränkung gerade aufgehoben worden, sodass sie ohne medizinischen Grund fahren durften. Die Damen in der Anmeldung konnten mit dem Anliegen der Ausländer nichts anfangen. Rolf versuchte zu erklären: »Uns fehlt ein Dokument, das man bei einer Kontrolle im Ausland zeigen kann. Hier auf diesen Zetteln steht nicht die Stadt Perpignan, die Unterschrift ist nur ein Strich, es gibt nicht einmal einen Stempel des Impfzentrums …«

»Ach … Sie wollen einen Stempel?«, wurde Rolf unterbrochen.

Verblüfft antwortete der: »Na ja, das wäre ja schon etwas …«

Schon hatte eine der jungen Frauen einen Stempel in der Hand und versah alle vier Blätter mit dem Stempel »CENTRE DE VACCINATION FOCH PERPIGNAN«. Nun sahen die Datenmeldeblätter schon amtlicher aus, auch wenn es immer noch nicht das Wahre war.

Das war in der EU und Frankreich just im Begriff zu entstehen. Erstaunt konnte Rolf im Internet nachlesen, dass ab 3. Mai alle Leute direkt nach der Impfung ihr Zertifikat ausgehändigt bekommen. Ab Ende Mai könnten alle, die vorher geimpft wurden, ihr Zertifikat beim Internetportal der Krankenversicherung www.ameli.fr herunterladen. Als Zugang zu ameli.fr diene einfach die KV‑Nummer.

»Damit bin ich raus, ich bin ein nicht bedachter Sonderfall«, erklärte Rolf seiner Frau.

Marion loggte sich also bei Ameli ein und fragte an, wie denn ihr Mann rechtzeitig vor der Reise ins Ausland zu seiner Impfbescheinigung kommt, da er doch keine KV‑Nummer hat. Alle persönlichen Daten waren angefügt, sodass jeder Angestellte dort die Bescheinigung herunterladen und Marion hätte schicken können. Pustekuchen! Wie in Behörden wohl weltweit üblich, bekam sie eine höfliche, aber nichtssagende Antwort mit der Empfehlung, sich an einen Arzt oder Apotheker zu wenden. Das war ernst gemeint!

Deshalb suchten die beiden schließlich den nächsten Arzt auf. Zum Glück war dessen Wartezimmer leer, sodass der hilfsbereite Docteur sich dem Anliegen sofort widmen konnte. Bei Marion mit ihrer Carte vitale war alles klar, bei Rolf ohne KV‑Nummer machte er ein bedenkliches Gesicht. Aber er war pfiffig und gelangte zu dessen Datensatz mit dem Patientenimpfcode, der bei der ersten Impfung zugeordnet worden war. So erhielten die dankbaren Eheleute ihre Attestation de vaccination COVID‑19.

Schnell waren die enthaltenen QR-Codes in die Mobiltelefone eingelesen. Unter dem QR‑Code von Rolf prangte nun auf dem Display fett der Name ROMF BEIER. Ja, Romf, nicht Rolf. So hatte es der Impfarzt eingegeben und nur auf dem Papier korrigiert, nicht in der Datenbank. Die Beiers hatten es zwar längst bemerkt und bei der zweiten Impfung den Arzt und die Damen in der Anmeldung darauf angesprochen, aber der eine war nicht willens, die anderen nicht in der Lage, dies zu ändern.

Während des Auslandsaufenthalts fragte zum Glück niemand nach dem Impfstatus. Die entsprechenden Bestimmungen waren kurz vor Eintreffen des Paares wieder aufgehoben worden.

 

Auch im Oktober bei der ersten Auffrischungsimpfung war der Impfarzt damit überfordert, den Vornamen zu berichtigen.

»Das ist doch nicht schlimm«, versuchte Marion ihren Mann zu beschwichtigen. »Bei den Kontrollen im Restaurant oder Museum spielt es doch keine Rolle, ob du Romf oder Rolf heißt. Die sehen doch nur auf die Gültigkeit des QR‑Codes.«

»Wenn aber mal jemand auch die Identität überprüft, wie es eigentlich Pflicht ist, kann es auffallen.«

»Das können wir doch erklären, alles andere stimmt doch: Familienname, Geburtstag. Nur ein Buchstabe ist anders.« Marion störte sich nicht daran.

Rolf meinte: »Wenn wir aus irgendeinem Grund mal ein Flugzeug nehmen müssten, dann würde ein Grenzbeamter wahrscheinlich die faktische Ungültigkeit des Impfzertifikats bemerken.« Er suchte weiter nach Möglichkeiten, diesen Fehler endlich zu beheben und entschloss sich, die große moderne Apotheke im Ort aufzusuchen, weil es hieß, dass alle Heilberufler Zugang zur Anti-Covid-Software haben.

Er erläuterte der freundlichen Apothekerin in stockendem Französisch sein Problem. Sie verlangte seine Carte d’identité und versprach, eine Lösung zu finden. Die naive Hoffnung, dass sie einfach an den Computer gehen und den Vornamen ändern würde, wurde allerdings enttäuscht.

Es waren die Tage nach Weihnachten, Anfang Januar sollte es wieder nach Deutschland gehen. Mehrmals fuhren die Beiers in die Apotheke, aber es ging nicht vorwärts. Die Apothekerin telefonierte vergeblich mit Gesundheitsbehörden, bat das Paar einige Male, ein andermal wiederzukommen, weil sie inzwischen keine Zeit gefunden hätte, sich der Sache anzunehmen.

Irgendwann verließ Rolf die Geduld. »Wahrscheinlich ist es einfacher, wenn ich meinen Namen ändern lasse. Oder soll ich Monsieur le Président Macron um Hilfe bitten?« Er hob resignierend die Arme und meinte: »Ich weiß jetzt nicht mehr weiter. Wenn Sie eine Lösung gefunden haben, dann rufen Sie mich bitte an! Merci pour votre engagement! Au revoir!«

Man glaubt es nicht, aber am selben Nachmittag rief die Apothekerin an. »Wir haben eine Lösung. Sie können die korrekten Papiere abholen.«

Sie übergab ihm neue Bescheinigungen und das EU-Zertifikat mit dem QR-Code. Zu Hause stellten die Beiers fest, dass es völlig neu ausgestellte Datensätze waren, mit dem korrekten Namen, den korrekten Impfdaten und -stoffen, aber mit einer neuen Patientennummer für Rolf.

Den ominösen Romf Beier gibt es bei Ameli also immer noch.

 

 

 

 

Bemerkung:

 

Diese Geschichte ist eine modifizierte Kurzfassung der schon im Januar 2022 bei BX gratis veröffentlichten Erzählung „Eine französische Odyssee rund ums Impfen“, die inzwischen im Verkauf ist.

https://www.bookrix.de/_ebook-franck-sezelli-eine-franzoesische-odyssee-rund-ums-impfen/

 

 

 

Impressum

Texte: Franck Sezelli
Cover: Franck Sezelli mit Illustrationen von Pixabay
Tag der Veröffentlichung: 01.08.2023

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