Diesmal war es eine Reise der ganz anderen Art, als wir sie sonst unternehmen. Nicht nach Frankreich wie (fast) immer, sondern in die Türkei! Also raus aus Europa, rein nach Asien - oder zumindest Kleinasien, was aber ja wohl eindeutig zu Asien zählt. Nicht mit dem Auto in ein paar Tagen ans Ziel, sondern mit dem Flugzeug in ein paar Stunden. Nicht individuell zu zweit ins Ferienhaus, sondern pauschal in einer Reisegruppe in ein Hotel.
Keine persönlichen Ausflüge in die Umgebung dann, wenn uns danach ist, sondern Autobustouren und Besichtigungen nach einem genauen Plan, was häufiges sehr zeitiges Aufstehen zur Folge hatte.
Eines aber war mit unseren üblichen Urlauben vergleichbar: Es ging an unser geliebtes Mittelmeer, wenn auch viel weiter östlich als gewohnt.
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Die Reise (Flüge, Hotelaufenthalt, Halbpension, umfangreiches Ausflugspaket) war uns zu einem sehr lächerlichen Preis von einem seriösen Verbraucher-Club angeboten worden. Kurzentschlossen haben wir dann zugegriffen und es nicht bereut.
An einem Samstag Ende Februar startete unser Flug am frühen Morgen nach Antalya. Mit dem Bus, in dem uns Osman, unser Reiseführer für diese Woche, in akzentfreiem Deutsch begrüßte, ging es ca. 100 km ostwärts weiter an der Küste in unser Hotel "Gypsophila", direkt am Mittelmeerstrand zwischen Manavgat/Side (25km) und Alanya (30km) in Alara gelegen.
Die Hotelanlage bestand im wesentlichen aus zwei- und dreigeschossigen Häuschen mit jeweils 6 bis 8 Zimmern, die in einem gepflegten Garten durch geschwungene, begrünte Wege verbunden sind. Hinzu kam eine großzügige, phantasievoll gestaltete Poollandschaft, das Empfangsgebäude, ein großer Speisesaal, die zentrale Panoramabar mit einigen Geschäften, ein Amphitheater und die große Strandbar. Ein Ambiente, in dem man sich wohlfühlen konnte. In der Saison ist diese Clubanlage wohl vor allem für Familien mit Kindern für einen entspannten All-inclusive-Urlaub bestens zu empfehlen.
Aber wir waren ja nicht zu einem Badeurlaub gekommen, sondern um die Sehenswürdigkeiten der gesamten Region kennenzulernen.
Natürlich haben wir aber die wenige Zeit, die wir bei diesem sonnigen Wetter (im Schatten waren immer etwa 18 bis 20 Grad, in der Sonne schnell auch über 30 Grad) in der Hotelanlage verbracht haben, auch zum Sonnen und sogar Baden im Mittelmeer (dieses hatte 16 Grad) genutzt.
Unser erster Ausflug führte uns am Sonntag in das Taurus-Gebirge oberhalb Alanyas in eine 400 Meter lange durchaus beeindruckende Tropfstein-Höhle, genannt Dim Mağerası, deren Begehung treppauf, treppab ein wenig Sportlichkeit verlangte.
Ein Marathon-Lauf verhinderte, dass wir danach wie geplant, den Hafen von Alanya besuchen konnten. So haben wir ihn mit seinem berühmten Roten Turm nur von oben, direkt von der auf einem Felsen über dem Meer thronenden seldschukischen Festung aus bewundert. Ein herrlicher Panoramablick war uns Ausgleich für den versäumten Hafenspaziergang.
Anschließend besuchten wir eine ehemalige Karawanserei. Hier wurde uns das erste Mal deutlich bewusst, dass wir uns im Orient befanden, denn heute beherbergt diese ehemalige Herberge für Handelskarawanen einen kleinen Basar, in dem das Feilbieten der Waren und das Feilschen um den Preis sofort begannen. Ein kleiner zweckmäßiger Lederrucksack ging hier in unser Eigentum über. Köstlich war der frisch gepresste Granatapfelsaft, den wir hier zum ersten Mal im Leben kosteten.
Am Montag starteten wir zu einem Zweitagesausflug ins Landesinnere. Ziel war das ca. 400 km entfernt gelegene Pamukkale. Dem Fluss Aksu hinauf folgend ging es durch das Taurus-Gebirge an einen Stausee und weiter hinauf, schließlich durch eine Hochebene nach Isparta und die Provinzhauptstadt Denizli an unser Ziel.
Die lange Fahrt nutzte Osman ausführlich, um uns mit seinem Land bekannt zu machen. Wie alle Fremdenführer in der Türkei hat er ein Hochschulstudium absolviert und hat uns sehr patriotisch, mit viel Hintergrundwissen, seine türkische Heimat als einen aufstrebenden, modernen, laïzistischen Staat vorgestellt. Hier muss ich anmerken, dass die Reise schon längere Zeit zurückliegt. Möglicherweise würde der Reiseführer den Laïzismus der Türkei heute nicht mehr so sehr hervorheben. Osman stammte aus einer offenbar gut situierten Handwerkerfamilie, die es ihm ermöglichte, eine private österreichische Schule in Istanbul zu besuchen. In Deutschland hatte er dann seine Abiturprüfung gemacht. Da er sonst sehr oft Urlaubs- und Studienreisen durch die Türkei mit theologischem Hintergrund begleitete, hat er uns über viele historische, kulturelle und religiöse Zusammenhänge informieren können.
Es ist eine Tatsache, dass Kleinasien eine unerschöpfliche Quelle für die antike Geschichte Europas (griechisch-römische Antike, Byzanz, Troja, Milet, Ephesos, Alexander der Große, Pergamon) und die frühe Geschichte des Christentums (Apostel Paulus, Konstantinopel, oströmisches Reich, orthodoxe Kirche) ist.
Auffallend war, dass für Osman die Geschichte der Türkei nicht etwa mit der Eroberung Vorderasiens durch die Seldschuken oder mit dem Osmanischen Reich begann, sondern mit Mustafa Kemal Atatürk, der 1923 die moderne Türkische Republik begründete. Allerdings gelang es ihm auch, die offensichtlichen Gegensätze des Landes zwischen Rückständigkeit und Moderne, Stadt und Land, laïzistischem Staat und islamischem Leben in ihren historisch und kulturell bedingten Zusammenhängen darzustellen.
Am frühen Nachmittag in Pamukkale angekommen, besichtigten wir die antike Stadt Hierapolis, die sich oberhalb der weltberühmten, einmaligen Kalksinterterrassen von Pamukkale (="weiße Burg, Baumwollburg") hinzieht. Diese zum Weltkulturerbe der UNESCO gehörende, im 2. Jahrhundert v. Chr. unter der Herrschaft von Pergamon gegründete, mehrfach von Erdbeben zerstörte, von den Römern wieder aufgebaute Stadt, wird heute archäologisch von Italienern betreut.
Die weithin in die Landschaft strahlenden Kalksinterterrassen entstanden und entstehen durch Kalziumkarbonatablagerungen einer Thermalquelle. Diese Ablagerungen bilden Kaskaden von Kalkbassins, die sich über mehrere Hundert Meter weiß den Berg herunterziehen. Ein wahres Naturwunder!
Nachdem wir in einem Thermalhotel und dort genossenem Thermalbad in Pamukkale genächtigt hatten, ging es am Dienstagmorgen in eine nahe gelegene Teppichknüpferei. Zunächst bewunderten wir die Frauen, die hier in einem staatlich gefördertem Projekt kunstfertig Seiden- und Wollteppiche knüpfen. Eine Knochenarbeit!
Wir bekamen auch gezeigt, wie aus den Kokons der Seidenraupen die Seide gewonnen und aufgehaspelt wird. Im Anschluss wurden wir mit Getränken bewirtet und uns zahlreiche verschiedene Teppiche vorgeführt, mit traditionellen Mustern türkischer, aserbaidshanischer, turkmenischer und auch chinesischer Herkunft, aber auch solche mit kunstvollen moderneren Bildmotiven. Dann kümmerten sich viele Angestellte ganz individuell um ihre Gäste. Es war unheimlich schwer, ihnen klarzumachen, dass wir die weiteren uns gezeigten, nun auch kleineren Teppiche zwar wunderschön fanden, aber doch keinen kaufen wollten. Auch nicht, als der ursprüngliche Preis eines sehr schönen Seidenteppichs von 1800 € auf 1000 € gefallen war.
Auf dem Rückweg an die Küste pflanzten wir jeder eine kleine Zeder und beteiligten uns auf diese Weise an einer nun schon mehrere Jahre währenden Kampagne der Türkei zur Aufforstung vieler karger Landschaften, vor allem im Gebirge. Es gibt unter anderem ein Gesetz, dass jedes Hochzeitspaar sieben Bäume pflanzen muss.
Nachmittag in Antalya angekommen, schloss sich eine kleine Stadtrundfahrt an.
Bevor wir uns entschlossen hatten, in die Türkei zu reisen, hatte ich natürlich von Antalya an der türkischen Riviera schon gehört. Ich habe mir diesen Ort immer als einen Badeort wie vielleicht Heringsdorf an der Ostsee oder vielleicht auch Biarritz am Atlantik vorgestellt, aber dass dies eine Millionenstadt ist, habe ich nicht gewusst. Die Stadt wirkt sehr modern, viele neugebaute Hochhäuser, das heißt so um die zwanzig-etagige helle Punkthochhäuser, viel Verkehr, quirliges Leben, aber gerade an der Steilküste auch schöne Parks, Spielplätze mit schöner Aussicht auf das Meer und die Küstenlinie der großen Bucht von Antalya und die dahinterliegenden schneebedeckten Berge.
Eine junge, sehr attraktive Großstadt!
Eine der Sehenswürdigkeiten Antalyas ist zweifellos der Wasserfall, wo sich der Fluss Düden 40 Meter tief von der Steilküste ins Meer stürzt.
Am Mittwoch war wieder Antike angesagt: Perge - eine noch nicht vollständig wieder ausgegrabene um 1000 v. Chr. gegründete griechische Stadt mit wechselvoller Geschichte. Hier kann man hinter einem römischen und einem hellenistischen Stadttor die wohl breiteste Straße der Antike, ein römisches Thermalbad, eine große Agora (Marktplatz im 2. Jhdt.), ein Theater und das größte Stadion Kleinasiens, in dem 12000 Zuschauer die Wagenrennen verfolgen konnten, bewundern.
Zuvor haben wir am Lara Beach in Antalya die Schmuckwerkstatt TUGRA besucht. Die Gold- und Edelsteinfabrik war in einem ehemaligen Casino untergebracht, prächtig mit Spiegeln, viel Gold an den Wänden und noch mehr Gold und Edelsteinen in den Vitrinen ausgestattet. Auch hier wieder eine kurze Führung und dann "individuelle" Betreuung. Diesmal war unser "Kaufwiderstand" nicht ganz so hoch. Meine Frau hat sich über den unerwarteten Kauf eines schönen Ringes in Gelb-, Rot- und Weißgold gefreut - aber es war ja auch ihr Geburtstag!
Nach dem Mittagessen wieder in schöner Lage am Steilufer von Antalya fuhren wir zum Aquädukt von Aspendos und zur Seldschukischen Brücke und einem kleinen Friedhof am Fluss Köprü. Hier beeindruckten uns vor allem die großen Orangenhaine, deren Früchte wir auch kosten konnten.
Abends war für unsere Gruppe eine musikalische Galaveranstaltung unter dem Motto "Musikalische Weltreise" im benachbarten Luxushotel Delphin angesagt. Weil es etwas später wurde, verschliefen wir am nächsten Morgen und verpassten die Programmpunkte Lederfabrik und Basarbesuch in Antalya. So bin ich wohl um eine neue Lederweste herumgekommen ...
Zum Abschluss am Freitag durften wir nach einem Bummel durch ein kleines Dorf im Hinterland die Große Moschee in Manavgat besuchen.
Anschließend erlebten wir auf dem Fluss Manavgat bei strahlendem Sonnenschein eine schöne Bootsfahrt bis an die Mündung und den dortigen Sandstrand des Mittelmeers.
Noch eine Bemerkung zu Essen und Trinken: wir waren rundum zufrieden mit der türkischen Küche, sowohl in unserem Hotel als auch unterwegs. Die türkische Küche zeichnet sich durch viele Salate, viel Gemüse und vielfältige Gewürze aus, was unserer mediterranen Vorliebe sehr entgegenkommt. An Fleisch gab es Geflügel (Pute und Hühnchen) in manch Varationen und Hackfleisch (Rind und Lamm). Besonders gefallen hat mir eine regionale Spezialität: Jungfrauenschenkel, das sind Röllchen aus einem Hackfleisch-Reis-Gemisch, gut gewürzt, mit Ei paniert und fritiert.
Auch das Effe-Bier und das Perge-Bier haben durchaus geschmeckt, der Raki in kleinen Mengen als Medizin (!) sowieso.
Trotz Sturmtief "Emma" und ein wenig Bammel vor etwaigen Orkanböen landeten wir ohne jede Komplikation am frühen Samstagmorgen wieder auf unserem Heimatflughafen.
Es war auf jeden Fall eine erlebnisreiche Reise, auf der wir viel Neues kennengelernt haben, in ein Land zwischen Orient und Okzident, eine Reise in den zeitigen Frühling, mit blauem Himmel, blauem Meer, stahlendem Sonnenschein - so wie wir das lieben!
Texte: http://www.rolfs-magazin.eu/tuerkei/index.html
Bildmaterialien: Rolf Hartwig, © Rolfs Magazin
Cover: Rolf Hartwig
Lektorat: Franck Sezelli
Satz: Franck Sezelli
Tag der Veröffentlichung: 09.04.2019
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Dieses kleine Büchlein beruht auf Texten und Fotos der Webseiten von "Rolfs Magazin", die von 1998 bis 2012 regelmäßig zu verschiedenen Themen, aber vor allem zu Frankreichreisen berichteten. Rolfs Magazin war damit eines der ersten Internet-Blogs, als diese Bezeichnung noch gar nicht üblich war.
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