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Sommernachtschwimmen

»Wir brauchen noch einen dritten Mann!«

Malte, ein gut aussehender Kerl aus meinem Semester, saß mit seinem Kumpel Kai in der Sitzreihe hinter mir und beugte sich nach vorne. Ich kannte die beiden eigentlich nur aus einem Seminar von der Uni. Ich war müde und der Bus war zum Brechen voll.

»Wir haben für heut Abend richtig geile Hühner klargemacht«, protzte Malte und im Bus wurde es immer stickiger. »Freibad Alter Löschteich. Um Zwölf. Treffen am Zaun hinten an der Liegewiese. Geht das klar?«

Ich drehte meinen Kopf nach hinten. »Was wird das? Schwimmen im Mondschein? Muss ich da Badezeug mitbringen?« Und wieso kommen die zwei Überflieger gerade auf mich, fügte ich in Gedanken noch hinzu.

»Wenn alles läuft, dann brauchst du keine Badehose. Bring lieber was zum Vorglühen mit!«

Kai neben ihm lachte dazu dreckig.

Maltes Hand legte sich schwer auf meine Schulter. »Wir zählen auf dich! Sonst kommen wir nicht zum Schuss!«

Ich nickte schnell, denn ich hatte das Gefühl, der halbe Bus hörte uns zu. In meinem Kopf fuhren die Gedanken Karussell. Aufregung, Angst, aber auch brennende Neugierde. Die zwei wussten, dass ich kommen würde. Sie wussten, dass ich nicht widerstehen konnte, ein Stück ihrer Welt zu kosten.

 

Es roch nach blühendem Sommerflieder. Die Luft war voll davon, und weil es dunkel war, schien die schwere Süße fast wie ein Wall, den man durchdringen musste. Der eigentliche Zaun war aus altem Maschendraht und an vielen Stellen heruntergebogen. Er bot uns kein wirkliches Hindernis.

Zwischen den dichten Kaskaden der Blüten raschelte es. Zwei schlanke Silhouetten schoben sich kichernd durch die Zweige.

 

»Wir warten schon eine Ewigkeit!« Die lamentierende Stimme gehörte einem hochgewachsenen Mädchen mit Pferdeschwanz und ultrakurzen Shorts. Ihre bronzenen Beine schimmerten seidig im kalten Licht der Nacht. Neben ihr fuhr sich ihre Freundin durch die weizenblonde Mähne, rückte den Träger ihres Hemdchens zurecht und schulterte eine große Hängetasche. Glitzersteinchen funkelten an ihren Flipflops. Sie musterte uns nacheinander und schenkte dann Malte ein verführerisches Lächeln.

Malte machte die Schultern breit und steckte die Hände lässig in die Hose. »Wo habt ihr denn die Dritte gelassen?«, fragte er.

Die zwei Mädchen blickten sich erschrocken um. »Wo ist sie denn steckengeblieben? Rieke?«

 

Der Flieder bewegte sich erneut und aus dem Schatten trat eine kleine rundliche Gestalt mit blassem Gesicht. Ihre kastanienbraunen Haare waren ganz zerzaust. Sie trug ein weit geschnittenes Karo-Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln und darunter einen moosgrünen Faltenrock, der ihr wie ein alter Vorhang bis zu den Waden reichte. Klobige Schuhe lugten darunter hervor. Die Krönung der wilden Komposition war ein ockerfarbenes Tuch an ihrem Hals, das sie wie in den siebziger Jahren seitlich zu einer Schleife gebunden hatte. Sie wirkte wie im falschen Film.

 

Ich kannte sie. Wir saßen häufig in Vorlesungen zusammen. Rieke konnte den Stoff auswendig und half mir immer leise, wenn der Professor mich zielsicher unter Hunderten von Studenten auswählte. Auch ging sie meist zur selben Zeit in die Cafeteria neben dem großen Hörsaal. Sie zerkleinerte dort mit Begeisterung meine mathematischen Probleme, um sie mir dann strahlend in leicht verständlichen Häppchen zu servieren. Ihr hübscher runder Mund war dabei immer in Bewegung und verzog sich zu den lustigsten Formen.

 

»Da die Damen jetzt komplett sind …« Kai schob sich nach vorne und machte eine einladende Geste in Richtung Zaun. »Wir geben gerne Hilfestellung beim Klettern«, fügte er süffisant hinzu.

Malte führte an und ich bildete mit Rieke die Nachhut. Schon am Zaun stellten sich unausgesprochen die Paarungen zusammen. Malte durfte der hübschen Blonden über den zu Boden getretenen Zaun helfen, Kai bot ihrer Freundin Tuchfühlung an. Ich schaute kurz zu Rieke, aber sie schüttelte fast unmerklich den Kopf und marschierte mit beherzten Schritten den anderen hinterher.

 

Das Freibad bestand eigentlich aus zwei Teilen, die durch die große Wasserfläche getrennt waren. Wir waren in den hinteren Teil, einer wild grünenden Liegewiese, eingebrochen. Ich liebte diesen leicht verwunschenen Ort. Rundum wuchsen hohe Nadelbäume und an ihren Wurzeln drängelten sich dichte Hecken in die Wiese hinein, als seien es erstarrte eifersüchtige Tiere. Über das Wasser hinweg gab es einen angelegten Freibereich mit einem maroden 10-Meter-Sprungturm. Hier war auch der Haupteingang mit den Umkleidekabinen und Duschen.

Es war eine warme, tintenblaue Nacht. Der Mond trat hinter den Wolken hervor und tauchte das Gras in bläuliches Licht. Die zwei Jungs führten uns unweit des Ufers zu einer knorrigen Schwarzerle, deren Wurzeln sich wie versteinerte Schlangen in die Erde bohrten. Wir setzten uns im Kreis auf den unebenen Boden.

Eine endlose Minute fiel kein Wort, dann zauberte die schlaksige Blonde zwei Flaschen Sekt aus ihrer Tasche. Das Ploppen des Korkens zerriss die Stille wie ein Kanonenknall. Sie kicherte in die vorgehaltene Hand und erntete böse Blicke. Mit Dackelaugen reichte sie die überschäumende Flasche weiter.

Schnell war das Eis gebrochen. Nach ein paar Runden lehnten sich die langbeinigen Mädchen an den knorrigen Baumstamm, die Augen verträumt zum Himmel gerichtet. Ich blickte zu Rieke und überlegte, ob ich näher rücken sollte. Sie nestelte an ihrem Rocksaum, hob kurz den Kopf und schenkte mir ein nervöses Lächeln. Sie wirkte wie unter Spannung, als ob sie auf etwas wartete.

 

Die Jungs wollten die Stimmung lockern und schlugen Spiele vor. Bald darauf kreiste eine der leeren Flaschen in der Mitte und Malte hatte es drauf, dass sie immer bei einer der zwei Grazien zum Stillstand kam.

»Wieso kommen immer wir dran?«, quiekten sie.

»Die Wahrscheinlichkeit, dass eine von euch drankommt, beträgt immerhin nur Sechzehnkommaperiodesechsprozent«, sagte Rieke nüchtern.

»Wie? Was?«

Malte wedelte mit beiden Armen: »Ist doch egal, machen wir es ganz einfach. Wer als nächstes den Flaschenhals sieht, muss ins Wasser!« Er zwinkerte Kai siegessicher zu.

»Das könnte euch so passen!«, protestierte der Blondschopf.

»Ihr traut euch ja sowieso nicht!«, kam der Ball zurück.

Das Necken war zu offensichtlich und die beiden Mädchen ließen sich lustvoll darauf ein.

»Wir schwimmen dann rüber zum Sprungturm!«, posaunten sie.

»Schafft ihr nicht!«

»Schaffen wir locker!«

»Will ich sehen!«

»Kannst ja mitkommen.«

»Kein Problem. Ich warte dann auf dem Turm auf euch.«

 

Ich verfolgte stumm die gespielte Kabbelei, die Arme um die Knie gezogen. Neben mir sah Rieke umständlich nach ihrer Armbanduhr und kaute auf ihrer Unterlippe.

Wie auf ein unsichtbares Zeichen sprang die Blonde in die Höhe. »Okay, wer traut sich ins Wasser und schwimmt rüber zur anderen Seite?« Sie schaute herausfordernd in die Runde. Rieke schüttelte nur leicht den Kopf. Die Jungs grinsten sich gegenseitig zu. »Wir lassen euch gern den Vortritt …«

 

Sie erhoben sich langsam wie in Zeitlupe, der Blicke, die auf sie gerichtet waren, voll bewusst. Mit fließenden Bewegungen schälten sie sich aus ihren Kleidern. Glatte gebräunte Haut, nur unterbrochen von kleinen spitzen Brüsten, fast unwirklich wie lebendig gewordene Schaufensterpuppen im Halblicht der Nacht. Die Jungs folgten ihrem Beispiel und warfen mit hektischen Bewegungen ihre Kleider ins Gras. Die bleichen, gut trainierten Körper bildeten einen sinnlichen Kontrast zu den feinen Gliedern der beiden Mädchen und ließen diese noch zerbrechlicher, ja fast kindlich wirken.

 

Rieke räusperte sich. »Wir passen auf eure Sachen auf.« Sie sprach es leise, aber mit einer Bestimmtheit, die mich stutzen ließ. Als ich mich zu ihr drehte, fiel das Mondlicht auf ihr blasses Gesicht. Ihre Lippen formten ein lautloses ›Bitte‹.

 

Wir sahen die nackten Hintern leuchten, als sie paarweise davonliefen, bis ihr Lachen mit dem klatschenden Wasser verschmolz und die Dunkelheit sie verschluckte. Rieke erhob sich und hockte sich nah zu mir.

»Bleibst du noch?« In ihrer Stimme schwang Unsicherheit.

»Ja klar, ich muss doch auf die Kleider aufpassen.«

Sie holte tief Luft.

»Bleibst du nur wegen der Kleider?«

»Nicht nur.« Ich warf ihr ein Lächeln zu.

Ihre Lippen kräuselten sich zu einer perfekten Sichel. Es musste köstlich sein, diesen Mund zu küssen.

 

So ganz allein mit ihr zu sein, machte mich auf einmal nervös, obwohl wir doch so oft schon beieinandergesessen hatten. Irgendetwas war anders in dieser Nacht. Als verberge sie ein Geheimnis, das es zu entdecken galt. Sie roch zart nach Jasmin, etwas, was mir im Uni-Alltag nie aufgefallen war.

Ich versuchte ein unbefangenes Thema anzusteuern: »Wie hast du eigentlich von dem Treffen hier erfahren?«

Sie ließ ihren Blick über den schwarzen Wasserteppich gleiten, als könnte sie in der Ferne die Schwimmenden noch erahnen.

»Ich habe das Ganze hier angeleiert«, sagte sie nüchtern.

Mein Mund klappte nach unten.

»Wie bitte?« Es kam mir vor, als hätte ich schon wieder ein mathematisches Problem.

»Das war nicht allzu schwer. Ich kenne die beiden Dunkelbirnen aus dem Uni-Sport. Für eine Seminararbeit von mir haben sie sich an die zwei Jungs aus unserem Semester geschmissen.«

Ich sah ihre Ohren glühen, obwohl es dunkel war. Sie legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. »Einzige Bedingung war, dass sie dich ins Boot holen mussten.«

 

»Warum ich?«, platzte es mir heraus. Ich biss mir im gleichen Moment auf die Zunge.

Sie fuhr sich mit der Hand durch die Haare und untersuchte dann konzentriert ein unsichtbares Loch an ihrem Rocksaum.

Das Karussell in meinem Kopf nahm wieder Fahrt auf. Wie überbelichtete Polaroids flogen die Momente an meinen Augen vorbei: Die Vorlesungen, wo wir so oft zusammensaßen, ihr einladendes Lächeln; wie häufig wir uns zufällig in der Cafeteria getroffen hatten, wie eng sie den Stuhl zu mir gerückt hatte, und die wohlwollenden Blicke beim Erklären.

 

Ihre Stimme war holprig, als sie wieder sprach: »Es gibt einen alten Brauch. Aus Schweden. Von meiner Oma noch erzählt.«

Ich zog fragend die Augenbrauen hoch.

Riekes Hände wurden plötzlich lebendig und ihre Worte sprudelten: »Wenn ein Mädchen sich in einen Jungen verliebt hat und er bemerkt nicht ihre Avancen, dann lädt sie ihn zu einem Sommernachtschwimmen ein. Und er darf nicht Nein sagen«, sie stockte kurz, »zumindest gilt eine Absage als feige und ehrenrührig.«

Sie schaute wieder zu Boden und knickte einen Grashalm.

 

»Ich bin der Junge?«, fragte ich.

Ein kaum wahrnehmbares Nicken.

»Und du bist das Mädchen«, gab ich mir selbst die Antwort. Mein Herz begann ungewollt zu pochen.

 

»Die anderen kommen bald zurück«, warf ich ein.

Riekes Lippen wurden zu einem perfekten liegenden Halbmond. »Sie bleiben mindestens eine Stunde drüben. Ist so abgemacht.«

Ich fühlte mich wie in einer Falle, aber der Köder war herrlich süß und lockte mich mit einem bezaubernden Lächeln.

»Wie geht es weiter … in deinem Brauch?« Es war mir peinlich, dass meine Stimme kratzte.

»Der Junge bekommt die Augen verbunden, weil er das Mädchen nicht sehen darf. Dann entkleiden sie sich. Sie führt ihn ins Wasser und sie baden zusammen. Wenn der Junge sie im Wasser erhascht, darf er mit ihr machen, was er begehrt.«

»Alles, was er begehrt?«, fragte ich etwas zu laut.

»So ist der Brauch.« Riekes Stimme war samtig.

 

Ich blickte mich um. »Wir haben aber gar keine Augenbinde …« Ich suchte nach einem Weg aus der Schlinge. Rieke nestelte als Antwort an der Schleife ihres Halstuches. Sie robbte auf den Knien hinter mich und zog mir wortlos den weichen Stoff über die Augen.

Sofort wurde die Nacht um mich herum lebendig. Hinter mir in den Sträuchern zirpte eine Grille. Und weit entfernt vermeinte ich einen Schrei zu hören. Waren die anderen doch schon auf dem Rückweg?

Neben mir raschelte es.

»Darf ich dich ausziehen?« Ihre Stimme war so nah vor mir, dass ich überrascht zurückzuckte.

»Ist das … so … in dem Brauch?« Ich schluckte trocken.

»Ist ein alternativer Lösungsweg.«

»Ein was?«

Sie räusperte sich.

»Äh, eine kleine regionale Variante des Brauchs.«

Ich hörte das Grinsen in ihrer Stimme. Der Fisch war im Netz, jetzt galt es ihn in aller Ruhe auszunehmen.

Sie streifte mir kurzerhand Schuhe und Socken ab. Dann, ohne eine weitere Regung meinerseits abzuwarten, schoben sich Hände unter mein Shirt. Die Finger fuhren wie kleine glühende Steine über meine Haut, zwangen mich sanft, meine Arme zu heben und zogen mir das Hemd über den Kopf.

»Stell dich auf.« Sie hatte wieder diesen leisen Ton, der keinen Widerspruch duldete.

Etwas wacklig kam ich auf die Beine. Ich redete mir ein, dass es nur durch die verbundenen Augen kam. An ihrer Stimme merkte ich, dass sie immer noch saß.

»Vertrau mir.«

Dann zog sie mir die letzten Kleidungsstücke herunter.

Mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Blind und nackt fühlte ich mich erbärmlich. Die Scham trieb mir das Blut in den Kopf und anscheinend aus allen anderen Körperteilen heraus. Ich spürte den starken Drang, wegzulaufen, oder zumindest dem idiotischen Spiel ein Ende zu bereiten und das Tuch vom Kopf zu reißen.

»Bitte nicht.« Die Stimme war jetzt wieder neben mir, auf Brusthöhe.

 

Ich hörte, wie sie sich auszog. Die zarten Geräusche, wenn Stoff über Haut schabt, das Ploppen eines Knopfes, das Zurren des Reißverschlusses, all das klang laut in meinen durch Blindheit geschärften Ohren. Kurz darauf war Stille und ich zuckte abermals zusammen, als sich ihre Hand um meine schloss.

Sie führte mich, bis meine Zehen in Wasser tauchten, dann ließ sie mich los und ich watete vorwärts, bis mir die Wassertiefe das Schwimmen erlaubte.

Die Eiseskälte riss mich aus meiner Beklommenheit. Mein ganzer Körper wurde durch das weiche Nass lebendig und ich stieß jauchzend die Arme und Beine aus. Mit verbundenen Augen konnte ich keine Richtung fühlen. Es war, als ob ich in einem dunklen Ozean schwamm, ewig in der Ausdehnung und ohne Horizont.

 

Neben mir hörte ich ein Kichern. Ich steuerte auf das Geräusch zu, schwamm im Kreis und letztlich auf der Stelle.

»Geht es dir gut?«

Ihre Stimme war zur Rechten, etwa zwei Meter entfernt. Ich machte dorthin kräftige Züge.

»Ich finde es gemein, dass du mich nackt sehen durftest, ich dich aber nicht!«

Ich wollte, dass sie redete, um sie besser zu orten.

Das Lachen kam jetzt von hinten.

»Ich kann dir nur sagen, dass mir alles, was ich gesehen habe, gefallen hat.«

 

Ich warf mich herum und versuchte in die Richtung zu schnellen. Vergeblich.

»Wenn ich dich nicht bald fange, saufe ich hier ab. Ist das auch im Sinne des Brauchs?«

Meine Arme wurden wirklich schon schwerer.

»Du hast mich vorhin nicht richtig verstanden«, die Stimme bewegte sich um mich herum, »mit dem Fangen war nicht der Körper gemeint …«, sie schien plötzlich ganz nah neben mir, »du musst etwas Anderes fangen«, sie stieß sich lachend wieder weg, »etwas, was viel tiefer liegt.«

 

Ich gab es auf, sie in die Finger zu bekommen. »Okay, okay, ich möchte dir ein Geständnis machen.«

»Ich höre?« Sie musste jetzt ungefähr einen Meter vor mir schwimmen.

»Es gibt da ein Mädchen in meinem Semester …«

»Sieht sie gut aus?«, ihre Stimme war belegt.

»Ich finde, sie sieht … außergewöhnlich aus … besonders ihr Kleidungsstil.«

»Und ihre Figur?«

Ich grinste vor mich in die Schwärze. »Üppig.«

 

»Was ist nun mit ihr?«, hakte sie ungeduldig nach.

»Sie ist sehr klug. Ich komme mir immer viel zu dumm vor, wenn ich mit ihr zusammen bin.«

»Ah.«

»Ich weiß nicht, wie sie reagieren würde, wenn …«

»Wenn?«

»Wenn ich ihr erklären würde, dass sie mir exponentiell gut gefällt.«

Ich spürte Wellen auf mich zukommen.

»Und warum hast du dich nicht einmal getraut?«, seufzte Rieke direkt vor mir.

 

Ich konnte nicht mehr antworten. Ich wurde umschlungen, unsagbar weiche Brüste legten sich an meinen Körper, Beine strampelten zwischen meinen. Ich riss mir das Tuch von den Augen. Rosige Flecken leuchteten auf ihren Wangen, ihre vollen Lippen waren nur ein paar Zentimeter von meinen entfernt.

»Warte«, stieß ich heiser aus.

»Was?«, keuchte sie.

»Du hast gesagt, dass ich mit dir machen darf, was ich begehre …«

Sie nickte irritiert.

»Komm!« Ich zog sie zum Ufer, ich ließ ihren Arm nicht mehr los.

»Was hast du vor?« Eine steile Falte bildete sich auf ihrer Stirn, als sie hinter mir herkam.

Ich zog sie ganz aus dem Wasser bis zu der Stelle, wo unsere Kleider lagen.

 

»Stell dich hin, beweg dich nicht und schließe die Augen.«

Schwer atmend tat sie, was ihr befohlen wurde.

In ihren vollen Wangen pochte das Blut. Die nassen Haare hingen ihr wirr in die Stirn und von den Spitzen bahnten sich Tropfen einen schimmernden Weg über ihre milchweißen Brüste. Alles an ihr war weich, sinnlich und prall. Ein kühler Lufthauch ließ ihren nassen Körper frösteln und dadurch für mich noch betörender wirken.

 

»Nur eine Sache möchte ich tun, aber von dieser habe ich geträumt, seit ich dich das erste Mal gesehen habe.«

Ich sah, wie sie sich versteifte.

»Ich hoffe, es wird nicht zu unangenehm für dich werden. Aber du musst mir den Wunsch jetzt erfüllen.« Meine Stimme sollte so trocken wie möglich klingen.

Zitternd nickte sie.

Ich beugte mich langsam zu ihr, immer näher, bis ich ihren Atem auf meinen Lippen spüren konnte. Dann neigte ich meinen Kopf und ließ meinen Mund in die ersehnte Fülle sinken.

Ihre Lippen waren kühl und überraschend fest. Als sie meinen Kuss erwiderten, verströmten sie wieder das zarte Aroma von Jasmin. Die Zeit stand still und es gab nichts in meiner Vorstellung, was mir mehr Genuss hätte bringen können.

Als Rieke wieder die Augen öffnete, schien sie mir selig entspannt. Ihr Gesicht strahlte voller Wärme. Vom Wasser her schallten Rufe. Schnell klaubten wir unsere Sachen zusammen und zogen uns nebeneinander an.

 

Hand in Hand liefen wir zurück, vorbei an den Fliederbüschen, bis wir die leere Straße erreichten. Wir rannten weiter, lachten und keuchten, ohne uns anzuschauen.

Unter einer Straßenlaterne hielt sie mich zurück und fixierte mich mit festem Blick.

»Sag es mir bitte.« Ihr Gesicht war todernst.

»Was?«

»Sag, dass ich deine Freundin bin. Deine feste Freundin.«

Ich holte tief Luft.

»Du bist meine feste Freundin.«

Sie zog mich mit sich in die letzten Stunden der Nacht. Unser Lachen hallte von den Häuserwänden, aber es störte uns nicht.

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Tag der Veröffentlichung: 03.10.2016

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