Inhaltsverzeichnis
1. Der ausländische Tierschutz
2. Pflegestelle – erste Überlegungen
3. Pflegestelle – räumliche Voraussetzungen
4. Pflegestelle – persönliche Voraussetzungen
5. Geeigneten Tierschutzverein suchen
Hunde aus Spanien
Hunde aus Italien
Hunde aus Griechenland
Hunde aus Rumänien
8. Die Vorkontrolle
9. Der Hund kommt an
Allgemeine Regeln für eine Abholung
Abholung am Flughafen:
Abholung vom Transporter
10. Der Hund zieht ein
Rudelzusammenführung
11. Die ersten Tage mit dem Pflegie
Sicherung des Hundes
Futter:
Stubenreinheit
Gesundheit:
Erste Erziehungsmaßnahmen
Schlafplatz und Ruheverhalten
Bewegung:
Zusammenfassung der ersten Tage
12. Die Zeit bis zur Vermittlung
Beschreibung des Hundes
Erste Erziehungsmaßnahmen
Leinenführung
Der Rückruf
Spiel und Spaß
Besonderheiten der Hunde aus dem Tierschutz
Traumatisierte Hunde
Jagdlich ambitionierte Hunde
Krankheiten
13. Die erste Anfrage kommt
14. Der Abschied
15. Nachwort
16. Über die Autorin
17. Urheberrecht und Haftungsausschluss
Praxisbuch Pflegestelle
Hunden aus dem Ausland
ein vorübergehendes Zuhause bieten
von Sabine Gert-Schlühr
August 2018
Verlag SGS Software Cosulting GmbH, Eckenhagener Str. 2, 51702 Bergneustadt
Umschlaggestaltung + Fotos: Dieter Bierkämper
Sämtliche Urheberrechte liegen bei der Autorin Sabine Gert-Schlühr
Ich werde hier nicht auf den Sinn oder Unsinn des ausländischen Tierschutzes eingehen. Es ist natürlich klar, dass ich auf jeden Fall FÜR den ausländischen Tierschutz bin. Oft höre ich, dass Tierschutz ja grundsätzlich ok ist, aber wir hier in Deutschland haben doch auch so viele Hunde in den Tierheimen und da müssen doch nicht auch noch Tiere aus dem Ausland hierher geschafft werden. Dazu möchte ich nur folgendes sagen:
Als ich mich vor 5 Jahren entschied, einen Hund aufzunehmen, ging ich natürlich in das nächste Tierheim. Ein trauriger Hund in einer Ecke eroberte mein Herz, er lahmte zwar hinten, aber man sagte mir, das sei nicht so schlimm und würde bald verheilt sein. Ich nahm das Tier mit. Da sein Zustand schlimmer wurde, ging ich zum Tierarzt und dort erst erfuhr ich, dass dieser Hund aus der Türkei stammte. Oder anders ausgedrückt: Durch meine damalige naive Haltung hatte ich im Tierheim nicht danach gefragt, sondern bin davon ausgegangen, dass ich in einem deutschen Tierheim auch ein deutsches Tier bekommen würde. Nach 2 Wochen musste mein türkischer Hund eingeschläfert werden, da er unheilbar an Staupe erkrankt war.
Kurze Zeit später ging ich wieder in das Tierheim, ich durfte mir nun einen neuen Hund aussuchen, der mich dann nichts kostete. Durch diese erste schlechte Erfahrung wollte ich nun auf die Herkunft des Tieres achten, aber es gab dort fast nur ausländische Hunde. So wurde ich im Prinzip durch ein deutsches Tierheim auf den ausländischen Tierschutz aufmerksam gemacht. Ein deutsches Tierheim kann nicht nur von Tierliebe und Ehrenamt leben, es ist auch ein Wirtschaftsunternehmen. Sie werden von den Gemeinden für volle Zwinger bezahlt und freie Kapazitäten werden dann eben durchaus auch mit Hunden aus dem Ausland gefüllt. Ich wohne auf dem Lande im Oberbergischen Kreis und in einem Umkreis von 30 km gibt es hier tatsächlich 3 verschiedene Tierheime. Niemals werden in dieser Gegend so viele Hunde ausgesetzt, vom Ordnungsamt beschlagnahmt oder von genervten Besitzern abgegeben. Also wird aufgestockt, so dass die Tierheime immer gut gefüllt sind, aber für den Fall der Fälle nehmen sie natürlich auch nicht mehr gewollte Tiere aus der Umgebung auf.
Und ganz ehrlich, deutsche Tierheime sind ein Paradies gegen die Tierheime in Südeuropa, die zum größten Teil diese Bezeichnung nicht verdienen, sondern einfach Wegsperranstalten (Italien) oder eben wahre Tötungsstationen (Spanien) sind. Hat es ein solcher ausländischer Hund in ein deutsches Tierheim geschafft, dann hat er wenigstens schon einmal eine Chance bekommen und dazu ein geregeltes Leben mit ausreichend Nahrung und tierärztlicher Versorgung. Der nächste Schritt wäre dann die Vermittlung und der Hund hat es endgültig geschafft.
Um die Zwischenstation „Tierheim“ zu überspringen, engagieren sich viele private Tierschützer in Vereinen, „retten“ Hunde im Ausland und bringen sie in Deutschland in sogenannte Pflegestellen unter.
Pflegestellen sind also private Hundeliebhaber, die ein Tier solange aufnehmen, bis es vermittelt ist. Solche Pflegehunde sind also „Hunde auf Zeit“ in normalen Familien. Dort werden sie schon einmal an das Leben in einer Familie gewöhnt und – im Idealfall – wird auch mit der Grunderziehung begonnen.
Der Vorteil für diese Hunde liegt auf der Hand: Die Pflegestelle lernt das Tier sehr gut kennen und kann eine perfekte Beschreibung bezüglich des Charakters abgeben. Potentielle Interessenten können so sehr gut aufgeklärt werden und können vor allem ohne Stress in der häuslichen Umgebung den Hund kennenlernen. Das ist besonders wichtig, wenn schon ein Ersthund vorhanden ist oder Kinder in der Familie leben. Im lauten und stressigen Tierheimalltag kann niemals ein Kennenlernen unter echten Bedingungen stattfinden, wohl aber in der Pflegefamilie.
Im Folgenden seien die häufigsten Gründe genannt, weshalb sich Pflegestellen für den ausländischen Tierschutz zur Verfügung stellen:
Als erstes sei natürlich die grenzenlose Tierliebe genannt. Sie haben wahrscheinlich von den katastrophalen Zuständen im europäischen Ausland gehört und möchten irgendwie helfen. Für Spenden fehlt Ihnen das Geld und Sie bieten dafür eben Ihre Zeit an.
Wenn Sie schon einen eigenen Hund aus dem Ausland haben, dann haben Sie schon Kontakt zu einer Tierschutz-Organisation und werden mit Sicherheit das Schicksal der „Hundekumpel“ in dem jeweiligen Land verfolgen. Früher oder später werden Sie vielleicht sagen: „Ok, einem anderen Hund helfe ich auch noch.“
Auch in Zeitungsanzeigen – hier vor allem in den kostenlosen Bereichen im Internet – werden immer wieder Pflegestellen gesucht. Und wenn Ihnen das Bild des Hundes gefällt, dann könnten Sie schwach werden.
Vielleicht suchen Sie aber auch einen eigenen Hund und nehmen ein Tier erst einmal als Pflegehund auf, um sich dann später zu entscheiden, ihn ganz zu behalten. So können Sie den Hund erst einmal „testen“, ob sie auch wirklich zusammen harmonieren. Das nennt sich dann „Pflegestelle mit Übernahmeoption“ und ist auch in den meisten Fällen sinnvoll. Eines ist natürlich klar: Hunde aus dem Ausland sind oftmals wahre Überraschungseier!
Es können aber auch ganz rationale Gründe sein, weshalb sich Menschen für eine Pflegestelle zur Verfügung stellen. Aus persönlichen Gründen ist es Ihnen nicht möglich, dauerhaft einen eigenen Hund zu halten. Da ist es natürlich ideal, wenn Sie solch einem Tier so helfen können, den Absprung in ein besseres Leben zu schaffen.
Zum Schluss sollen aber auch noch diejenigen genannt werden, die einfach helfen wollen bzw. helfen müssen, nur um des Helfens Willen. Die Motive sind teilweise Geltungssucht, das vermeintlich gute Ansehen bei anderen und andere Gründe, die nun mit Tierliebe überhaupt nichts zu tun haben. Leider überschätzen sich solche Menschen und helfen damit den Tieren aus Überforderung leider gar nicht. Die Spitze des Eisbergs stellen dann die sogenannten Animal-Hording-Fälle dar.
Zum Schluss schreibe ich nun meine eigene damalige Motivation: Ich hatte zwei eigene Hunde aus dem Tierheim. Sie waren schon schwierig zu erziehen bzw. ich machte anfänglich natürlich auch viele Fehler. So besuchte ich viele Seminare zum Thema Hundeerziehung und bildete mich immer weiter. Als ich es dann schaffte, mit beiden Hunden ohne Leine durch den hiesigen Wald zu laufen und keiner ging dabei seine eigenen Wege, sondern achtete auf mich, dachte ich tatsächlich: „Ja und nun? Woran arbeite ich jetzt weiter? Meine sind zwar nicht perfekt, aber grundsätzlich gut erzogen.“
Ich hatte wirklich Spaß an der Hundeerziehung gefunden und wollte nun mein Wissen an „unverdorbenen“ Hunden ausprobieren. Ein dritter eigener Hund kam aus finanziellen Gründen nicht in Frage (die Hundesteuer hätte sich dann auf 150 Euro pro Hund belaufen und die Versicherungen kämen auf ähnliche Beträge). Das war mein Anlass, dass ich mich über das Thema Pflegehund schlau machte und dieses war das Beste, was ich jemals getan habe.
Im Normalfall haben Sie schon mindestens einen eigenen Hund, wenn Sie sich als Pflegestelle zur Verfügung stellen. Daher sollten die räumlichen Voraussetzungen für einen weiteren Hund gegeben sein.
Natürlich sollte der neue Hund ausreichend eigenen Platz zur Verfügung gestellt bekommen. Das heißt, es sollte ein eigener Rückzugsort für den Pflegehund vorhanden sein. Kalkulieren Sie dabei auch ein, dass die beiden (oder mehr) Hundekörbchen in der ersten Zeit NICHT nebeneinander stehen können.
Von Vorteil für Sie ist es natürlich, wenn Sie in der ersten Zeit auch die Möglichkeit haben, den neuen Hund von dem vorhandenen Hund räumlich zu trennen. Es ist nur in den seltensten Fällen so, dass sich das neu gebildete Rudel von Anfang an versteht. Aber dazu später mehr.
Sie müssen auch keinen perfekt eingezäunten Garten haben. Sie werden danach zwar von der Organisation gefragt, aber antworten Sie ehrlich. Das grenzt manche Hundeauswahl im Vorfeld erheblich ein. Ich selber habe zwar einen Garten, aber der ist auch nicht hundeausbruchssicher eingezäunt.
Auch wenn Sie in einer Mietwohnung wohnen, können Sie natürlich einen Pflegehund aufnehmen. Hier ist aber die Voraussetzung, dass Sie dort Hunde grundsätzlich halten dürfen. In der Regel müssen Sie bei der Organisation den Mietvertrag vorlegen, in dem bescheinigt wird, dass Hundehaltung dort erlaubt ist. Auch wenn Sie jetzt vielleicht schmunzeln, Sie werden nicht glauben, dass selbst das bei einigen Vermittlungen meiner Pflegehunde eine Rolle spielte und genau daran scheiterte. Die Interessenten erklärten mehrfach, dass eine Hundehaltung überhaupt kein Problem sei, aber als es „ernst“ wurde, sagte der Vermieter einfach „nein“!
Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass natürlich ein Bernhardiner im 6. Stockwerk eines Mietshauses ohne Aufzug nichts zu suchen hat…
Wenn Sie sich als Pflegestelle für Hunde aus dem Ausland anbieten möchten, sollten Sie sich selbst aber auch kritisch hinterfragen, ob Sie persönlich dafür geschaffen sind. Nur Tierliebe reicht oftmals nicht aus. Sie müssen auch mit unvorhersehbaren Situationen zurecht kommen.
Folgende Fragen sollten Sie sich ehrlich gegenüber sich selbst benatworten:
Sind Sie bereit, Zeit – viel Zeit – in die Erziehung des neuen Hundes zu stecken? Denken Sie daran, dass Sie die Kraft nicht für sich selbst investieren, sondern die Nutznießer die potentiellen Adoptanten des Tieres sein werden.
Können Sie es ertragen, dass - zumindest am Anfang – Ihre eigenen Hunde zurückstecken müssen? Ob Sie es wollen oder nicht, der neue Hund wird Ihre Aufmerksamkeit abverlangen. Sei es, dass er total ängstlich, angstaggressiv, futterneidisch, besitzergreifend, ungezogen, leinenpöblerisch, unrein oder auch krank sein kann. Es muss alles nicht sein, aber es kann sein und Sie müssen damit umgehen können.
Haben Sie genügend Durchhaltevermögen? Auch wenn der erste Tag etwas anstrengend sein sollte, nach einer Woche sieht die Welt oftmals schon anders aus. Aber Sie glauben nicht, wie viele Stellen (Pflege- sowie auch endgültige Stellen) schon nach einem Tag das Handtuch schmeißen und der Organisation „drohen“, den Hund draußen am Gartentor anzubinden, wenn er nicht unverzüglich abgeholt wird. Alles schon vorgekommen. Und das ist auch für die Organisation ein schweres Unterfangen, denn geeignete Pflegestellen sind rar und von jetzt auf gleich sehr schwer zu bekommen. So landen dann auch manchmal Hunde aus dem Ausland tatsächlich in deutschen Tierheimen oder bezahlte Pensionen. Von dem unvorhersehbarem finanziellen Mehraufwand für die Organisation einmal abgesehen, ist das aber ja genau das, was eben nicht sein sollte.
Seien Sie sich immer der verantwortungsvollen Funktion als „Pflegestelle“ bewusst und denken Sie auch einmal daran: Das Tier kann nun überhaupt nichts dafür, es wurde weder gefragt noch hatte es eine andere Chance, als zu Ihnen zu kommen. Menschen haben entschieden und Menschen müssen auch immer das Wohl des Tieres im Auge behalten – ein ganzes Hundeleben lang.
Wenn Sie also Ihre persönlichen Voraussetzungen überprüft haben und auch über die geeigneten Räumlichkeiten verfügen, dann steht dem Abenteuer Pflegehund eigentlich nichts mehr im Wege, außer die Suche nach einem geeigneten Tier.
Schließen Sie sich auf jeden Fall einem seriösen Tierschutzverein an und versuchen Sie es nicht auf eigene Faust. Vereine bieten auch Ihnen Schutz und einen gewissen Vorteil durch Informationsaustausch und Hilfe in der Not. Die meisten Vereine sind im Internet vertreten und da werden Sie auch fündig, bzw. können sich über die Struktur und deren Ziele informieren.
Lassen Sie sich nicht nur durch herzerweichende und katastrophale Hundefotos inspirieren. Bilder sind geduldig und können auch völlig zusammenhanglos gezeigt werden. Leider muss ich das schreiben, denn auch im Tierschutz gibt es mittlerweile viele schwarze Schafe, die nur eines wollen:
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 16.10.2015
ISBN: 978-3-7396-1849-4
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