Cover

Kapitel 1 – Bestatter Vincent

Müde erreiche ich meine Wohnung, mein Zuhause. Obwohl es sich nicht mehr danach anfühlt. Nichts fühlt sich mehr an, wie vorher.

Vorsichtig führe ich den Schlüssel ins Schlüsselloch. Dann schließe ich auf. Wie ein Pflaster, was man abzieht: Mit einem Ruck.

 

Die Pforte zu meinem Reich öffnet sich. Alles wirkt so befremdlich. Dabei war ich doch nur eine Woche bei meinen Eltern. Aber was eine Woche ausrichten kann. Was ein Moment ausrichten kann?!

Tief atme ich ein, sammle Kraft für meinen nächsten Schritt. Nachdem ich die Luft kraftvoll wieder ausgestoßen habe, betrete ich den Wohnungsflur.

 

Sofort steigt mir dieser Geruch in die Nase. Dieser vertraute Duft nach Zuhause, nach ihm. Rasch schüttle ich meinen Kopf. Diese Gedanken muss ich unbedingt aus meinem Kopf bekommen.

Weiter geht’s. Also ziehe ich meine Jacke aus und lege meinen Schuhe ab. Meinen Koffer verstaue ich ebenso erst einmal im Flur. Mit welchem Zimmer soll ich wohl anfangen?

 

Die Küche. Nun gehe ich langsam in den Raum neben mir. Er wirkt so kalt, so leer. In der spüle türmt sich ein kleiner Abwaschberg. Die Stühle sehen benutzt aus, der Tisch nicht einmal abgewischt. Sogar eine leere Kaffeetasse steht noch darauf.

 

Da fällt mein Blick auf diese blöde Kaffeeautomatik. Das war sein Schätzchen. Dass er ohne sie gegangen ist? Ach was soll’s. Er hatte seine Chance.

Kraftvoll ziehe ich den Stecker dieser Maschine aus der Dose, lege flach meine Hand auf die Rückseite und fange an mit drücken. Lange dauert es nicht und der kalte Apparillo landet mit einem scheppern auf den Fließen. Diverse Plasteteile platzen ab und zerschellen. Die Kaffeebohnen fliegen umher, das Gehäuse zerspringt.

 

Das gleiche hat dieser Arsch mit meinem Herzen gemacht, geschieht ihm nur recht.

Meine Arbeit ist vorerst in der Küche getan. Gehe ich also ins Badezimmer. Auch dort steht alles noch an seinem Platz.

 

Hat er überhaupt etwas mitgenommen?, frage ich mich.

 

Egal. Nun ist es zu spät. Ich nehme einen Blauen Sack und werfe alles hinein. Die Seifen, die Kämme, die Deos, nichts bleibt verschont. Als letztes sogar seinen heißgeliebten Bademantel. Ab in die Tüte damit.

Und wo wir schon bei Klamotten sind… ab ins Schlafzimmer. Auch hier sind die Schränke noch voller Sachen. Ein neuer blauer Sack muss her. Dort verschwinden die Sachen, welche ihm gehören, welche er aber nie Waschen konnte. Sogar morgens zurecht habe ich sie ihm gelegt. Ich Idiot.

 

Zum Schluss beziehe ich noch die Bettwäsche frisch und werfe die Alte weg. Mir hat sie eh nie gefallen. Den blauen Sack nehme ich noch mit in den Flur. Dort müssen die wenigen Paar Schuhe dran glaube, welche er zurückgelassen hat.

 

Nun ist auch diese Tüte gefüllt, sodass ich einen letzten blauen Sack hole.

Nun kommt das letzte Übel: das Wohnzimmer.

 

Aber auch diese Hürde nehme ich in Angriff. Wunderlich wie schnell meine anfängliche Unsicherheit von vorhin, in kraftvolle Wut, welche mich nun antreibt, umgewandelt wurde.

Doch mir soll es nur recht sein. So schaffe ich es wenigstens mich von den alten Sachen – von seinen Sachen – zu trennen. Wie ich mich schon vor einer Woche von ihm getrennt habe. Das ist nur der letzte Schritt.

 

Während ich das Wohnzimmer entrümple, fällt mein Blick auf den Computer – seinen Computer.

Sofort steigen mir wieder die schmerzenden Erinnerungen ins Gedächtnis. Wie ich alles rausbekommen habe.

 

In dem Glauben, dass einfach alles in Ordnung sei, kam ich von der Arbeit nach Hause. Nachdem ich meinen schwarzen Anzug gegen Trainingshose und bequemen Shirt getauscht hatte, wollte ich es mir auf dem Sofa gemütlich machen.

 

Schmunzelnd überlegte ich mir irgendeine schöne Überraschung für meinen damaligen Freund. Natürlich hatte ich gemerkt, dass in unserem Sexleben etwas nicht stimmte. Ganz verblödet bin ich nun auch nicht. Vor ein paar Tagen überraschte ich ihn schon im Badezimmer mit einem morgendlichen Handjob. Ihm schienen solche Überraschungen zu gefallen.

 

Da mir aber nicht wirklich etwas einfiel, wollte ich das das Internet befragen. Sein Computer war so schön in Reichweite, also startete ich ihn. Schnell war er hochgefahren, so dass ich die allseits beliebte Suchmaschine starten konnte. Da ich keiner Erfahrungen in solch einer Recherche hatte, versuchte ich den Zufall.

Also tippte ich Gay, Sex, Überraschung in die Suchleiste und betätigte den Button für die „Auf gut Glück“ – Suche.

 

Prompt ploppte die blaue Seite auf, von welcher ich mich strikt distanzierte. Diese Massen-Fleischschau wie vom Fließband ekelte mich an. Das grenzte ja schon fast an Massentierhaltung, wenn man dort unzählige Sexpartner sammelte, wie andere Kühlschrankmagneten.

Schnell wollte ich sie schließen, doch auf dem Weg zum Zurückbutton fiel mir auf, dass in den Feldern für Benutzername und Passwort etwas drinstand.

 

Ich konnte es nicht glaube, doch meine Augen bewiesen mir das Gegenteil. Bumper26, war als Benutzername eingetragen und im Passwortfeld befanden sich lauter kleine Sternchen. Wie automatisch drückte ich den Login-Knopf und schon war ich angemeldet.

 

Doch noch glaubte ich an einen Fehler, einen Zufall, ein schreckliches Missverständnis. Doch ich sollte eines besseren Belehrt werden. In einer Ecke sah ich das kleine Bild meines damaligen Partners. Ich klickte drauf und prompt wurde mir ein Profil geöffnet. An der Seite hefteten Bilder von dem Menschen, dem ich über alles vertraut hatte. Ich las sein Profil. Die Angaben stimmten täuschend echt überein. Wobei der Beziehungsstatus vergeben einen Dolch in mein Herz rammte.

 

„Natürlich bist du vergeben. Mit mir“, platzte es aus mir heraus.

 

Wie aufs Stichwort pingte ein Chatfenster auf. Hey Jason, hab ich dich gefunden. Lass uns die Nacht von letztens wiederholen, wurden auch meine restlichen Zweifel mit nur ein paar Lettern komplett zerstört.

Nun war es amtlich: Jason betrüget mich.

 

Voller Wut und den Tränen nah wollte ich es nun genauer wissen. Also öffnete ich das Nachrichtenmenü. Und siehe da, kurz vor den diversen Nachtschichten am Wochenende gab es Eintragungen. Wie ein Masochist las ich sie mir alle durch. Und ich wurde nicht enttäuscht. Jason machte kein halbe Sachen. Also war es nicht nur ein Ausrutscher, er hinterging mich kategorisch.

 

Ich konnte nicht mehr. Meine Welt von jetzt auf gleich in Millionen winzige Teile zersprungen. Ich konnte nicht mehr, und ich wollte nicht mehr. Sofort loggte ich mich aus, fuhr den Computer runter und flüchtete. Raus aus dem Haus, raus aus dem Leben – aus unserem Leben.

 

Die Nacht verbrachte ich bei einem Freund von der Arbeit. Er war so lieb und stellte keine Fragen, aber seine Couch stellte er mir zur Verfügung. Aber an Schlaf war nicht zu denken. Zu schmerzhaft pochte mein Herz in meiner Brust. Irgendwann um 5 Uhr morgens fasste ich die Entscheidung, wie es nun weiter gehen sollte.

 

Wie ein Wrack aussehend, frühstückte ich mit meinem Kollegen, wartete noch ein paar Stunden, bis ich sicher sein konnte, dass Jason auf Arbeit war und schlich mich zurück in unsere Wohnung.

 

Dort schrieb ich ihm nur noch einen Zettel, packte ein paar Sachen ein, verlegt telefonisch meinen Urlaub auf Jetzt und ging zu meinen Eltern. Eine Woche mütterliche Kur, wo mein Herz von einem schwarzen Brikett wieder zu einem ansatzweise pumpenden Organ aufgepäppelt werden würde, sollte genau das richtige sein.

 

Und das war es auch. Natürlich war nicht alles vergeben und vergessen, aber es tat gut. Und nun bin ich auch bereit mein Leben weiter zu führen.

 

Zwar allein, aber ohne einen verlogenen Freund an meiner Seite.

Kapitel 2 – Blütenzauber Grau

 

Die erste Nacht in meinem alten Bett, in meinem neuen Leben. Allein und ungebunden und leer. Der Schlaf kam nur sehr langsam. Tausend Gedanken schwirrten mir im Kopf herum. Was soll ich jetzt mit mir anfangen? Ich fühle mich, als ob ich das erste Mal allein wär. Doch eigentlich ist es auch so. Zu lange habe ich mich verarschen lassen. Es wird Zeit meine Freiheit wieder zu bekommen. Aber will ich das denn wirklich? Will ich wieder allein sein und mein Leben einsam weiterführen?

 

Doch zu tief sitzt der Schmerz. Also vielleicht doch?

Mit meinen wirren Gedanken schaue ich auf die Uhr. Halb 6 Uhr morgens und noch immer keinen Schlaf. Ich entscheide, dass es sich auch nicht mehr lohnen würde. Also stehe ich auf. Meine Entscheidung fällt. Ich werde meinen noch freie Zeit und meinen überschüssige Energie nutzen und die Wohnung putzen. Alles muss neu werden.

 

 

Zwei Stunden und ein glänzender Boden später werde ich von meinem Telefon aus dem Putzwahn gerissen. Verwundert, wer mich anrufen könnte, gehe ich zu meinem Handy. Mein Blick fällt auf den Namen: Arbeit.

 

Mit einem Wisch auf dem Display nehme ich den Anruf entgegen.

„Ja?“, frage ich in das Telefon.

 

„Hey Vincent. Hier Theo. Ich weiß du hast Urlaub, aber Nikki hat ein Familiennotfall. Könntest du heute vielleicht einspringen?“, höre ich die Stimme meines Kollegen.

Da dieser so nett war, mich die eine Nacht zu beherbergen, und meine Freizeit mich sowieso gerade zu erdrücken scheint, sage ich zu.

 

Theo bedankt sich und gibt mir die Adresse, wo ich ihn treffen soll.

Also lege ich den Eimer mit dem Wischwasser und meinen Mopp zur Seite und gehe erstmal duschen. Nachdem mich das warme Wasser erfrischt hat, suche ich meine Arbeitskleidung aus dem Schrank. Der schwarze Anzug hängt am Bügel, so wie ich ihn zurückgelassen habe. Wie eine zweite Haut schmiegt sich der seidene Stoff an meinen Körper. Wenigstens ein vertrautes aus meiner Vergangenheit ist noch existent und fühlt sich richtig an.

 

Nun fühle ich mich seit langen auch wieder ein wenig vollständig. Mein Spiegelbild belegt meine Vermutung. Kaum habe ich meinen Berufliche Kleidung angezogen, scheint der traurigen Gestalt ein vorzeigbarer Mann gewichen zu sein. Meine dunklen Augenringe scheinen unter meinen grünen Augen verschwunden, meine kurzen, haselnussbraunen Haare stehen akkurat auf meinem Haupt. Meine hohen Schultern strahlen Selbstvertrauen und ruhige Kraft.

 

Wer war noch einmal dieser Jason?, lache ich in den Spiegel und setze mich in Bewegung.

Ganz im Arbeitsmodus verlasse ich das Haus.

 

 

Nicht einmal eine viertel Stunde später habe ich die genannte Adresse erreicht. Der Verkehr in der Innenstadt war ruhig, somit bin ich gut durchgekommen. Ich weiß gar nicht wie Jason immer die öffentlichen Verkehrsmittel dem Auto vorziehen konnte. Und wieso kann ich nicht mal eine Autofahrt hinter mich bringen, ohne an ihn zu denken?

 

Jedenfalls steige ich aus dem Auto und schaue mir den Wohnblock an, vor dem ich nun stehe. Ein Neubau. Ich suche den richtigen Eingang. Nachdem dieser ausfindig gemacht wurde, schreibe ich Theo eine Nachricht, dass ich da bin. Es dauert nicht lange und Theo erscheint aus dem Hausflur und lässt mich rein. Wir begrüßen uns und gehen zwei Etagen nach oben. Oben angekommen schließt Theo die Wohnungstür auf und zusammen betreten wir die kleine Singlewohnung. Es ist alles da. Küche, Bad, Stube und ein kleines Wohnzimmer.

 

„Und wo ist unser Kunde?“, will ich wissen.

„Im Badezimmer“, schallt es von Theo zurück.

„Ungewöhnlich. Wie ist er gestorben?“, frage ich weiter.

„Anscheinend ein Unfall“, antwortet mir mein Kollege.

 

„Wie das denn?“, schaue ich verwundert und trete ins Bad hinein.

Dort liegt ein Mann. Er ist ein wenig älter als ich, doch selbst durch die Leichenstarre wirkt er irgendwie schön. Fast wie eine Wachspuppe. Er hat längere, dunkelbraune Haare und einen kurzen Vollbart. Seine Augen sind geschlossen, er schaut schon fast friedlich aus. An Klamotten trägt er eine graue Trainingshose und ein weißes Shirt. Eine kleine Blutlache ergießt sich aus seinem Hinterkopf.

 

„Der Mediziner sagt, er sei einfach gestürzt und unglücklich gefallen“, erklärt mir Theo.

„Traurig“, flüstere ich.

„Ich hole mal den Sack“, gibt mir Theo Bescheid, dass er den Leichensack holen geht.

 

Ich mustere noch ein wenig den erblassten Körper. Wirklich schade um den Mann. Während mein Blick so an den feinen Konturen des schlanken Leibes langläuft fällt mir ein Fehler in diesem Bild auf. Ein kleines Stückchen weiter weg, an den Rand der Dusche gerollt, glänz eine durchsichtige, kleine Murmel. Verwundert runzle ich die Stirn und beuge mich, um die Glaskugel aufzuheben.

Was ist das? Wo kommt die her? Wo gehört sie hin?, sind nur einiger der Fragen, die mir durch den Kopf gehe, während ich mich weiter hinunter beuge.

 

Meine Hand erreicht die Kugel und gerade nehme ich sie auf, da blitzt es vor meinen Augen. Ein weißes Scheinen erhellt mein Sichtfeld. Mir wird schwindelig und meine Augäpfel kribbeln.

„Verdammt“, fluche ich stütze mich am Rand der der Dusche, natürlich drauf bedacht, nicht mit dem leblosen Körper zusammenzustoßen.

 

„Alles in Ordnung?“, höre ich Teos Stimme, welche hinter mir auftaucht.

„Ja alles gut“, geht es mir besser, jetzt, wo ich meine Stirn reibe. Die Kugel verstaue ich unbewusst in der Hosentasche, um Theo sogleich zu helfen den Leichnam in den Totensack zu befördern und ihn in den Leichenwagen zu bringen.

Mit einem rollenden Geräusch schieben wir die Bare hinein und mit einem dumpfen Knall gehen die Türen zu.

 

„Willst du oder soll ich?“, fragt mich Theo und hält mir ein Klemmbrett entgegen.

„Ich geh schon“, antworte ich ihm und nehme das schwarze Brett entgegen, an dem ein Standartformular hängt. Dort werden allgemeine Daten eingetragen, wie Name, Geburtstag, Adresse, Angehörige, Zuständiges Krankenhaus um eine Kopie des Totenscheins zu beantragen und und und.

 

„Super, da kann ich noch eine rauchen“, lächelt mir der kleine Bestatter entgegen.

Ich nicke ihm zu und gehe zurück in den Wohnblock.

 

Erneut betrete ich das Wohnhaus und kurz darauf die Wohnung. Meinen Blick lasse ich schleifen. Es kommt nicht oft vor, dass wie Menschen in ihren Wohnungen abholen. Die meisten Kunden holen wir aus den Altersheimen oder auch an Unfallstellen. Auch aus Krankenhäusern beziehen wir unsere Toten. Wohnungen sind wirklich eine Seltenheit.

 

Also betrete ich erneut den Hausflur. Sorgfältig suche ich alle Relevanten Daten zusammen. Das Portemonnaie des Mannes ist schnell in seiner Jacke ausfindig gemacht. Dort finde ich alles Relevante. Mehr als seinen Ausweis brauche ich nicht. Weitere Verwandte wird das Büro von den zuständigen Behörden bekommen.

 

Also stecke ich den Ausweis wieder in das Portmonaie und dieses kommt sorgfältig in die Jackentasche zurück.

Ein letztes Mal schaue ich mir die Wohnung an. Doch gerade, als ich die Behausung verlassen will, weht ein kalter Windhauch über meinen Nacken.

 

Mit Gänsehaut auf dem Körper drehe ich mich um und erstarre. Weit reiße ich die Augen auf, der Mund klappt mir auf und irgendwie versuche ich dieses Ding der Unmöglichkeit zu verstehen.

Kapitel 3 – Geister

Ein Mann steht im Türrahmen. Er hat längere, dunkelbraune Haare und einen kurzen Vollbart. Außerdem trägt er ein weißes Oberteil und eine graue Jogginghose. Das verblüffende ist aber, dass dieser Mann dem Mann zum Verwechseln ähnlich sieht, welchen wir gerade in einen Leichensack verfrachtet haben.

„Das soll doch ein Scherz sein“, fange ich mich wieder.

 

„Sie können mich sehen?“, höre ich pure Verwunderung aus der Stimme der Gestalt.

„Natürlich“, bestätige ich die Frage.

„Das konnte bis jetzt noch keiner“, erzählt mir der Mann und schaut mich mit traurigen Augen an. Der grüne Schimmer seiner Iriden glänzt hervor.

 

„Ihr wollt mich doch verarschen“, murmle ich nachdem die erste Verwunderung verflogen ist.

Der Mann schaut mich ungläubig an, sagt aber dazu nichts.

„THEO!!!“, rufe ich aus dem Raum.

 

Es dauert nicht lange, da höre ich seine Schritte zu mir zurückkommen.

„Was ist?“, ruft mir mein Kollege zurück. Er ist noch nicht in Sichtweite, doch dann kommt er um die Ecke und… und… und…

 

Und geht einfach durch den Mann hindurch. Weder sieht er ihn, weder nimmt er ihn war und schon gar nicht hat er ihn berührt. Einfach durch ihn durch.

Theo steht nun fragend vor mir. Ich wiederum reiße erneut meine Augen auf, schüttle den Kopf und glaube einfach nicht, was gerade passiert ist.

 

Mir wird schlecht. Schnell reiße ich den Toilettendeckel auf stürze mich auf das weiße Porzellan. Mit einem Ruck nimmt mein Mageninhalt den Rückwärtsgang und plätschert in die weiße Schüssel. Mein Würgen hallt von den gefliesten Wänden.

 

Theo eilt zu mir: „Vincent, ist alles in Ordnung?“

Als Antwort ergießt sich ein neuer Schwall in die Keramik.

 

„Nein“, krächze ich dazwischen hervor.

Ich atme heftig, traue mich nicht meinen Blick zur Seite zu richten. Theo befeuchtet einen Lappen und hält ihn mir hin. Kurz schaue auch darauf. Dabei fällt der Türrahmen in mein Blickfeld. Doch dort steht niemand mehr.

 

Das hast du dir doch nur eingebildet, strafe ich mich in Gedanken.

 

Mit einem dankenden Nicken nehme ich das nasse Tuch entgegen und wische mich sauber. Nachdem die Toilettenspühlung betätigt wurde, richte ich mich langsam wieder auf. Mit immer noch zitternden Knien schaue ich nochmal zur Tür. Niemand da.

 

„Los geh nach Hause, ich schaffe den Rest auch alleine“, legt mir mein Kollege seine Hand auf die Schulter.

Noch einmal nicke ich dankend. Meine Sprache scheint, ebenso wie dieses Trugbild, verschwunden zu sein.

Mit ruhigen Schritt verlasse ich die Wohnung. Trotzdem bleibe ich auf dem Weg wachsam. Immer darauf bedacht, dass mir mein Verstand nicht wieder so einen Schrecken einjagt. Ich habe Glück und erreiche meinen Wagen ohne weitere Vorkommnisse.

 

Erschöpft lasse ich mich auf das Polster sinken, schließe die Tür und kurble das Fenster bis ganz nach unten.

Jetzt erstmal tief durchatmen. Fünf Minuten später hat sich mein Puls normalisiert und auch meine Aufregung scheint sich beruhigt zu haben.

 

Mit trotzdem noch zittrigen Fingern drehe ich den Zündschlüssel um. Das Gestell unter meinem Körper fängt an mit Vibrieren. Der Motor heult auf und ich richte meinen Blick auf die Straße. Gedankenverloren aber trotzdem automatisch fährt mein Wagen los und bringt mich nach Hause.

 

20 Minuten später erreiche ich meine Wohnung. Das Auto wird geparkt, der Motor erlischt und ich schlurfe in Richtung der Tür.

Nachdem sich mein Körper in mein schützendes Zuhause bewegt hat, streife ich achtlos meine Sachen im Flur von mir, lass mich von meinen Beinen ins Wohnzimmer tragen und falle kraftlos auf die Couch. Es dauert nicht lang, da fallen mir die Augen zu und mein Geist schwebt in eine willkommene Leere.

 

 

Irgendwann werde ich wieder wach. Langsam und träge öffne ich die Augen. Der Raum ist dunkel. Es scheint Nacht geworden zu sein. Noch erkenne ich alles nur verschwommen. Nur schwach klärt sich sie mein Blick. Langsam lasse ich meine Aufmerksamkeit durch das Zimmer gleiten. Am Fenster, wo schwaches Licht von Draußen hineinfällt, erkenne ich etwas. Eine verschwommene Silhouette steht vor dem Fenster. Sie scheint gedankenverloren nach draußen zu schauen

 

„Jason?“, frage ich leise in den Raum.

Da dreht sich die Gestalt langsam um. Ein paar grüner Augen richtet den Fokus auf mich. Trotz der Dunkelheit erkenne ich sie klar und deutlich. Auch meine restliche Schlaftrunkenheit hat sich gelegt.

 

„Nein“, höre ich eine ebenso leise Antwort von Gegenüber.

Schlagartig werde ich hellwach und richte mich auf.

 

„Erschreck dich bitte nicht“, höre ich es mit sanfter Stimme.

„Du…“, hauche ich aus.

 

„Ja. Ich“, tritt der Mann nun einen Schritt näher.

„Bleib stehen!“, fordere ich sofort.

Er kommt meiner Bitte wortlos nach und verharrt.

 

„Wer oder was bist du?“, frage ich.

„Mein Name ist Thomas und…“, er bricht ab.

 

„Und?“, will ich weiter wissen.

„…und anscheinend bin ich gestorben“, spricht er weiter und sagt auf der Stelle zusammen. Erst fängt er an mit wimmern und dann kommen kräftige Schluchzer aus seiner Kehle. Er weint.

 

Sofort macht sich eine Art Mitleid in mir breit. Ich stehe auch und gehe zu ihm rüber.

„Schon gut“, flüstere ich und will meine Hand auf seine Schulter legen. Doch sie gleitet einfach hindurch.

Thomas bekommt das mit, was seiner Verzweiflung noch mehr Antrieb zu geben schein, denn sein Weinen verstärkt sich. Aus Ratlosigkeit setze ich mich neben ihm.

 

Ich habe keine Ahnung was ich jetzt tun soll. Welche Worte kann man einem Toten schon sagen.

 

Ist alles halb so wild?

Freu dich doch, dass am Ende nicht ein endloses Nichts wartet?

Alles wird wieder gut?

 

Nein, das geht nicht.

Am besten ist es, ich bleibe einfach nur hier sitzen. Zeige Thomas, dass ich da bin. Für ihn da bin. In dieser irren Lage. Obwohl ich eigentlich auch allen Grund hätte, zusammenzubrechen. Immerhin spreche ich hier gerade… ich möchte es gar nicht denken, geschweige denn aussprechen …mit einem Geist.

 

Irgendwann, wer weiß wie viel Zeit vergangen ist, wird der Trauergesang von Thomas ruhiger. Seine Atmung normalisiert sich. Ich kann ein leises, kraftloses „Danke“ vernehmen.

 

„Wofür?“, frage ich.

„Dafür, dass du da bist“, erklärt er mir und blickt auf. Seine grünen Augen sind durchzogen von roten Adern und sein Gesicht ist leicht geschwollen. Mit traurigem Blick schaut er mich an.

 

Noch immer weiß ich nicht wie ich reagieren soll, doch tief aus meinem Inneren kommt die Antwort. Ich lächle ihn an. Eine warme, aufrichtige Geste zeichnet sich auf meinem Gesicht ab. Was auch an Thomas nicht vorbeigeht. Er beginnt ebenfalls zu lächeln.

 

Stumm schauen wir uns in die Augen. Unsere Gesichter eingehüllt im Zwielicht was von draußen scheint. Ein gar magischer Moment und in mir breitet sich ein unbeschreibliches Gefühl aus. Wärme vermischt mit Trauer. Diesem schönen Mann so nah zu sein, und doch so fern. Wie gern würden jetzt meine Fingerspitzen seine feine Haare zur Seite wischen, meine Handfläche seine Wange berühren und meine Lippen seinen Mund liebkosen.

 

Ich verschwimme in seiner Ausstrahlung und auch er scheint dieses Gefühl in mir zu sehen.

Sehnsucht und Verzweiflung durchfluten unsere Wahrnehmung.

 

Irgendwann durchbricht Thomas die Stille: „Und jetzt?“

„Und jetzt?“, wiederhole ich seine Frage verwirrt, noch immer von diesem zeitlosen Moment berauscht.

 

„Was machen wir jetzt?“, konkretisiert er seine Fragen.

„Ich habe keine Ahnung…“, hauche ich in die dunkle Nacht.

Kapitel 4 - Ratlos

Der nächste Morgengrauen sendet neue Strahlen der Hoffnung in mein Leben. Ich beschloss meine Energie darauf, Thomas zu helfen.

Dabei war ich mir nicht einmal sicher, bei was ich ihm helfen sollte. Beim Übertritt in die nächste Sphäre? Oder beim wieder Mensch werden? Oder sollte er einfach im Nichts verpuffen?

 

Ich weiß es nicht. Aber tatenlos wollte ich nicht rumsitzen. Also setzten wir uns an den Computer. Das Internet wird uns schon weiterhelfen. Also öffne ich als erstes die allseits beliebte Suchmaschine. Zahllose Wortkombinationen tippe ich ein, nur um noch mehr Suchtreffer zu durchforsten. Thomas‘ Augen bleiben dabei starr auf dem Bildschirm geheftet. Nur ein paar Mal verflüchtigt sich seine Aufmerksamkeit, um ein mir ein paar verlegene Blicke zu schenken. Jedes Mal kribbelt es angenehm auf meiner Haut, wenn er das tut.

 

Das sollte ich mir schnell abgewöhnen. Wenn Thomas wirklich in der Leere verpufft, bleibe ich dann nur einsam auf der Strecke.

 

Aber für den Moment könnte ich es ruhig genießen. Also verbringen wir Stunden damit den Computer zu durchsuchen. Doch alle Foren, Blogs und Hilfeseiten bringen einfach nichts. Entweder merkt man auf den ersten Blick, dass es nur von Spinnern und Scharlatanen geschrieben ist, oder sie wollen nach dem zweiten Klick sofort eine Kreditkartennummer.

 

Da müssen wir zwei wohl auf eigene Faust eine Lösung finden.

„Wollen wir mal in die Bücherei gehen?“, frage ich irgendwann.

„Wenn du meinst es bringt was“, höre ich aus Thomas stimme, wie ihn so langsam der Mut verlässt.

 

„Na klar“, rufe ich so euphorisch wie möglich und hoffe, dass er etwas von meinem Optimismus aufschnappen kann.

 

„Na gut“, erhebt sich Thomas mit gesenktem Kopf. Wie gern würde ich ihn jetzt in den Arm nehmen und ihm ins Ohr flüstern, dass alles wieder gut wird.

 

Auf dem Weg zur Bibliothek versuche ich Thomas etwas abzulenken. Ich frage ihn ein wenig aus. Was er berufliche gemacht hat, wie es mit Familie aussieht oder seine Hobbys. Monoton antwortet er auf meine Fragen, bis er mich irgendwann traurig anschaut.

 

„Ist etwas?“, will ich wissen.

„Naja, bitte entschuldige, aber ich finde es ja Lieb, dass du versuchst mich abzulenken. Nur holst du mir mit deinen Fragen auch vor Augen, was ich gerade alles verliere“, erklärt er mir.

Verdammt. Daran habe ich gar nicht gedacht. Ich bin so ein unsensibler Klotz.

 

„Entschuldige“, murmle ich.

Thomas schenkt mir ein trauriges Lächeln. Sein Versuch sich versöhnlich zu zeigen. Gern würde ich jetzt nur seine Hand drücken. Ihm ein Zeichen von Hoffnung schenken. Eine Geste der Zuversicht.

 

Der Rest der Fahrt herrscht Schweigen. Kein peinliches aber auch kein angenehmes. Eher eine traurige, erdrückende Stille.

Irgendwann durchbreche ich sie: „Wir sind da.“

 

Ich parke das Auto in der Tiefgarage der Bücherei und wir betreten über einen Fahrstuhl die Bücherhallen. Sofort gehen wir zu der okkulten Abteilung.

 

Dort angekommen durchforsten wir sogleich die Buchrücken. Ich schnappe mir fünf Bücher, welche ich für sinnvoll erachte und bringe sie zu einem Tisch in der Nähe. Danach gehe ich wieder zum Regal und Thomas deutet auf drei Bücher, welche er gern lesen würde. Ich entnehme sie dem Regal und lege sie ebenfalls auf den Tisch. Dann rücke ich den Stuhl gegenüber zurecht. Thomas setzt sich dankend darauf, dann nehme ich Platz.

 

Ich schlage für Thomas eines seiner Bücher auf, und er beginnt zu lesen. Auch ich nehme mir mein Erstes Buch vor. Aufmerksam lese ich den Text, aber einen Teil meiner Aufmerksamkeit lasse ich bei meinem Geist. Wenn dieser aufschaut blättere ich kommentarlos für ihn um.

 

Ohne Worte scheinen wir schon ein ganz gutes Team zu sein. So vergehen ein paar Stunden und wir sind sogar richtig produktiv. Denn als es Abend wird, haben wir es geschafft alle Bücher durch zu gehen.

 

Doch ein Erfolg bleibt aus. Irgendwie scheint alles nicht das Richtige zu sein. Oder zu kompliziert. Oder einfach nicht unser Ding. Weder einen Exorzismus möchten wir durchführen, noch irgendwas mit einem Bann belegen oder schon ihn schon gar nicht als Zombie wiedererwecken.

 

„DAS BRINGT DOCH ALLES NICHTS!“, schreit Thomas plötzlich und springt auf.

„Sei doch nicht so laut, bitte“, versuche ihn zu beruhigen.

„MICH KANN DOCH SOWIESO KEINER HÖREN!“ brüllt er mich an.

„Doch Thomas. Ich kann dich hören“, flüstere ich.

 

„Es wäre doch eh besser für dich, wenn nicht“, wimmert er nun, senkt sein Blick und geht.

„Wo willst du hin?“, rufe ich hinterher. Da kommt ein Bibliothekar um die Ecke und sieht mich verwirrt an. Ich lächle entschuldigend und springe auf. Doch dieser kurze Moment hat gereicht, damit Thomas abhauen kann.

 

Er ist weg, und ich habe keine Ahnung wohin.

Soll ich jetzt froh darüber sein? Nein, eher macht sich Unbehagen in mir breit.

Ich eile aus der Bibliothek in den Fahrstuhl, fahre nach unten und erreiche meinen Wagen. Dort setze ich mich sogleich hinein und will losfahren.

 

Aber wohin? Wer kann mir helfen? Wo kann ich Thomas finden?

Wieder Fragen über Fragen auf die ich keine Antwort weiß.

Also starte ich noch nicht den Motor. Erstmal muss ich nachdenken.

 

Der Gedanke, dass nichts Thomas etwas anhaben kann, beruhigt mich. Jedenfalls ein wenig.

Vielleicht kann mir ja jemand weiterhelfen, der etwas mehr Ahnung vom Übersinnlichen hat, als ich.

Hatte ich nicht im Internet eine Anzeige von einer Wahrsagerin gelesen?

 

Die ist doch auch nur eine Betrügerin, kommen mir Thomas‘ Worte wieder in den Sinn.

Aber besser als tatenlos rumzusitzen, denke ich mir und starte den Wagen.

Die Adresse der Frau ist danke meines Smartphones rasch wiedergefunden und ich fahre aus der Tiefgarage.

 

Nicht mal 10 Minuten später stehe ich vor dem Laden. Interessiert lese ich das Schild: Madam Esmeralda.

OK, klingt schon nicht sehr seriös, trotzdem betrete ich den Laden. Beim Eintreten ertönen sanfte Glöckchen über der Tür. An den Seiten stehen Bücherregale mit okkultem Inhalt. Ich erkenne Tarot-Karten, diverse Kräuter und verschiedene Totems. Die Fenster sind mit lila Vorhängen bedeckt und in der Mitte steht ein runder Tisch an denen drei Stühle stehen. Auf der lilafarbenen Tischdecke steht eine glänzende Kristallkugel.

 

Kaum bin ich fertig, die Einrichtung zu bestaunen, erscheint schon eine Frau hinter einem Vorhang. Braune, lockige Haare, die unter einem türkisen Kopftuch hängen. Ihre Erscheinung wird von luftigen, türkiesen Hosen und einer ebenso türkiesen Glitzerbluse abgerundet.

 

„Guten Abend Junger Mann“, begrüßt mich die weibliche Erscheinung, „wie kann ich ihnen zu dieser späten Stunde weiterhelfen?“

 

„Ich suche einen… äh… Freund“, gebe ich ihr als Antwort, „also ich weiß nicht wo er ist.“

„Sollten sie dann nicht vielleicht die Polizei verständigen?“, fragt sie weiter.

„Ähm… es ist ein… spezieller Freund… also nicht normal“, stammle ich verlegen vor mich hin.

„Wie kann ich das denn verstehen?“, bohrt sie weiter nach.

 

„Ach verdammt“, platzt es aus mir heraus, „er ist ein Geist.“

„Oh… Achso. Dann setzen sie sich doch, bitte“, zeigt Madam Esmeralda auf einen der Stühle. Ich komme der Einladung nach und nehme Platz. Sie setzt sich mir gegenüber.

 

„Wie heißt denn ihr Freund?“, fragt mich die Wahrsagerin.

„Thomas“, antworte ich ihr.

Darauf beginnt sie ihre Hände über die Kristallkugel zu bewegen und flüstert ihr irgendwelche Beschwörungen zu. Plötzlich beginnt sich im Inneren ein merkwürdiger Rauch zu bilden.

Erschrocken schaut Madam Esmeralda zu mir.

„Nicht schon wieder“, ruft sie genervt.

 

„Wie darf ich das denn verstehen?“, will ich wissen.

„Meine Kugel verselbstständigt sich. Das ist bisher nur ein einziges Mal passiert“, erklärt sie mir.

„Was ist denn genau passiert?“, frage ich weiter.

 

„Vor geraumer Zeit war ebenfalls ein junger Mann bei mir. Er kam mit einer Wunderblume in Berührung“, berichtet mir Madam Esmeralda.

Ich schaue ratlos, woraufhin sie weiterfragt: „Sind sie auch mit einer Wunderblume in Berührung gekommen?“

 

„Das ist doch nur ein Märchen“, sage ich.

„Genauso ein Märchen, wie Geister zu sehen?“, fragt sie daraufhin.

Der Punkt geht an sie.

„Nein, ich bin nicht mit so einer Blume in Berührung gekommen“, gebe ich ihr zu verstehen.

„Dann vielleicht ihr Freund?“, überlegt sie.

 

„Das weiß ich nicht. Und er ist ja auch nicht hier um es zu erzählen. Wo wir wieder zu meinem Grund kämen, wieso ich hier bin“, erinnere ich sie an mein Ersuchen und der Tatsache, dass dieser ominöse Nebel noch in ihrer Kugel schwebt.

 

Doch dies ignoriert sie erst einmal und bittet mich: „Erzählen sie mir, wann ihnen Thomas zum ersten Mal erschienen ist.“

 

Darauf erzähle ich ihr von meiner Arbeit und meinen gestrigen Morgen. Davon, dass ich auf Arbeit ging, Thomas seinen Leichnam abtransportiert habe und beim Datenaufnehmen er irgendwann in der Tür stand.

„Was haben sie direkt davor gemacht, bevor ihnen Thomas erschien?“, fragt sie weiter.

 

Kurz überlege ich: „Ich habe die Daten aufgeschrieben, dann viel mir eine Murmel im Bad auf, ich fasste sie an, es blitzte kurz und dann war da Thomas.“

„Da haben wir es doch“, höre ich die Erkenntnis in Madam Esmeraldas‘ Stimme, „sie haben seine Prophezeiungskugel gefunden.“

 

„Seine was?“, frage ich zurück.

Die Wahrsagerin seufzt: „Ihr Freund hat eine Wunderblume gefunden. Diese muss ihn in einen Geist verwandelt haben und dadurch, dass sie seine Prophezeiungskugel berührt haben, können sie ihn nun sehen.“

„Und was mache ich nun?“, will ich wissen.

 

„Lösen sie den Blütenzauber und alles wird gut“, rät sie mir.

„Den was?“, komme ich mir langsam richtig blöd vor.

 

„Den Blütenzauber“, gibt Madam Esmeralda wieder, „in der Kugel steht ein Hinweis auf den Zauber und wie er zu brechen geht. Ihr Freund müsste ihn gelesen haben. Befolgen sie ihn oder erfüllen sie ihn und der Zauber wird gebrochen.“

 

„Dazu müsste ich aber immer noch wissen, wo ich Thomas finden kann“, beharre ich weiter.

Kaum habe ich die Worte zu Ende gesprochen beginnt der Nebel in der Kugel wie wild an zu wirbeln. Dann es bildet sich ein Wirbel und im Auge des Miniatursturms zeichnet sich ein Bild ab.

 

Ich erkenne Thomas. Das Bild wird klarer und ich kann sehen wie er vor meiner Wohnungstür sitzt.

„Danke sehr“, springe ich von meinem Stuhl, „was bekommen sie für die Sitzung?“

„Das macht 10 Euro“, beantwortet Madam Esmeralda meine Frage.

 

Ich krame das Geld aus dem Portemonnaie, gebe ich den Schein und eile aus dem Geschäft. Rasch sitze ich wieder in meinem Auto in Richtung nach Hause.

Kapitel 5 - Rastlos

Ich eile die Treppen zu meiner Wohnung hinauf. Sofort erkenne ich das Häufchen Elend, welches vor meiner Tür sitzt.

 

„Thomas“, flüstere ich außer Atem.

„Ich wusste nicht wo ich hin sollte“, wimmert er zwischen ein paar Schluchzern.

„Ich habe mir Sorgen gemacht“, sage ich ihm.

 

Das scheint seine Aufmerksamkeit zu wecken. Er hebt seinen Blick und seine traurigen, grünen Augen schauen mich an. So ein schöner Mann und so traurig.

„Los komm mit rein“, fordere ich und gehe zur Tür. Thomas folgt mir anstandslos und nachdem mein Schlüssel die Pforte zu meinem Reich geöffnet hat, treten wir beide hinein.

 

„Warum bist du nicht reingegangen?“, will ich wissen, während ich mir meine Schuhe und Jacke ausziehe.

„Mich sieht keiner, ich friere nicht. Es ist doch egal wo ich gewartete hätte. Außerdem, wer weiß ob du mich in deiner Wohnung haben möchtest“, wird seine Stimme ganz leise.

 

„Natürlich möchte ich dich in meiner Nähe haben“, entkommen mir Worte, dessen Bedeutung mir noch gar nicht so klar war.

 

Aber diese Ungewissheit, dass er draußen ganz allein herumirrt hat mir einen wirklichen Schrecken eingejagt.

„Warum? Ich bin doch nur noch ein Trugbild meiner Selbst“, geht er einfach durch die Wand in Richtung Wohnzimmer.

 

Ich muss die Tür benutzen um ihm zu folgen.

„Das kann man ja vielleicht ändern“, flöte ich.

Thomas wird hellhörig: „Wie meinst du das?“

 

Daraufhin setze ich mich auf die Couch und bitte meinen Geist platz zu nehmen. Er folgt und ich fange an ihm die Geschichte von der Wahrsagerin zu erzählen. Gespannt und Aufmerksam hört er mir zu, scheint jedes einzelne Wort aufzusaugen und in Hoffnung zu verwandeln.

 

„Also hast du so eine Blume angefasst?“, frage ich ihn forsch, nachdem ich meine Geschichte zu Ende erzählt habe.

„Jetzt wo ich genauer darüber nachdenke“, überlegt er kurz, „ja, da war was.“

„Los erzähl“, fordere ich ihn auf.

 

„Das letzte woran ich mich erinnere ist, dass ich im Bad was Seltsames an der Decke gesehen habe. Es schien wie eine graue Blume zu sein. Ich stieg auf den Toilettendecken und wollte es mir genauer ansehen. Nachdem ich das Ding berührte wurde es schwarz und pulvrig. Das Pulver rieselte von der Decke direkt in meine Richtung. Darauf versuche ich es von mir weg zu wischen und verlor das Gleichgewicht. Das nächste was ich weiß, ist dass ich in meiner Wohnung stehe, Menschen dort sind aber keiner mich sehen kann“, schildert er mir die Geschichte.

 

„Und was ist mit der Kugel?“, will ich wissen.

„Welche Kugel?“, fragt Thomas verwundert zurück.

„Der Prophezeiungskugel“, werde ich konkreter.

„Davon weiß ich nichts“, knickt er ein und sackt zusammen.

 

Verdammt! Anscheinend war er bereits tot, als die Kugel erschien und wenn er nichts von dem Märchen kennt, weiß er auch nicht, dass so eine Kugel erscheint. Außerdem ist es ihm als Geist auch unmöglich, in das Innere zu schauen um die Prophezeiung zu lesen.

 

„Woher sollen wir dann wissen, was zu tun ist?“, fahre ich ihn an. Meine Stimme ist lauter, als mir selber lieb ist. Thomas zuckt zusammen. Aber der kleine Hoffnungsschimmer, welcher noch eben meine Gefühle erhellt hat, ist zerplatzt wie eine Blase.

„‘tschuldige“, sinkt Thomas tiefer in das Polster.

 

„Ach vergiss es!“, springe ich auf und verlasse den Raum.

„Wo willst du hin?“, ruft er mir noch hinterher.

„Weg“, schreie ich schlicht, während ich mir meine Schuhe anziehe. Dann greife ich meine Jacke und verlasse erneut meine Wohnung.

 

Ich bin Stink sauer. Wütend auf alles und jeden. Auf Jason, auf Thomas, auf diese verdammten Wunderblumen, aber vor allem auf mich selbst. Thomas kann für das alles ja gar nichts und ich fahre ihn so an, bin keine Hilfe.

Diese Hilflosigkeit macht mir zu schaffen.

 

Zornig laufe ich einfach in die Nacht. Ein bestimmtes Ziel habe ich nicht. Was habe ich überhaupt? Nichts, wenn man es genau nimmt.

Weder Freund noch Glück. Und jetzt verliebe ich mich, keine Woche nachdem ich meinen Ex rausgeschmissen habe, in einen Geist.

 

Vor Ironie triefend schnaufe ich die Luft aus meinen Lungen.

Ich verliebe mich in ein scheiß Gespenst. Ich kann ihn nicht schmecken, nicht anfassen, nicht riechen. Niemand sieht ihn, keiner hört ihn. Wie soll ich das bitte meinen Eltern erklären?

Hey Mum, hey Dad, das hier ist Thomas. Mein unsichtbarer Freund, gehe ich sarkastisch die Begrüßung in Gedanken durch.

 

Ist doch alles Mist.

Ich laufe weiter Blindlings durch die Straßen. Irgendwann verebbt mein Wahn und ich schaue mich um. Meine Füße haben mich direkt vor eine Kneipe getragen.

Ach warum nicht, denke ich mir und betrete das Lokal.

 

Es stinkt nach billigen Alkohol und Zigarettenqualm. Aber das ist mir scheißegal. Ich steure direkt die Bar an und ordere ein Bier und einen doppelten Wodka. Prompt wird er geliefert. Erst kippe ich den Kurzen hinunter und spüle mit dem Bier nach. Sofort steigt mir der Alkohol in den Kopf.

 

Ich trinke nicht oft, was ich jetzt auch merke. Doch von der Realität merke ich noch zu viel. Also bestelle ich noch einen doppelten Wodka, welchen ich auf ex runterschlucke. Wieder mit dem Bier nachgespült wird die Wirkung schon stärker.

 

Na geht doch, sage ich mir und ordere den dritten doppelten Wodka.

Auch dieser rinnt komplett meine Kehle hinunter. Darauf folgt der Rest meines Bieres.

Das reicht. Nun bin ich betrunken. Ich merke die gewünschte Schwere. Außerdem schaukelt die Bar auf einmal. Torkelnd stehe ich vom Barhocker und mit leichten Schlingern gehe ich zur Tür. Im Freien angekommen schlägt mir prompt die kalte Nachtluft entgegen. Was die Wirkung des Alkohols nur noch intensiviert.

Ich lehne mich gegen die kalte Häuserwand und schließe die Augen.

 

„Zigarette?“, werde ich von einer fremden Männerstimme aus der Trance gerissen.

„Hä?“, bekomme ich nur noch raus und öffne langsam die Augen.

Vor mir steht ein Mann. Ein attraktiver Mann. Dunkle Schuhe, blaue Jeans und eine ebenso blaue Jeansjacke. Seine kurzen dunkelblonden Haare passen zu seinem Aussehen wie seine Bartstoppeln. Komischerweise trägt er eine Brille mit dunklen Gläsern. Um diese Uhrzeit.

 

„Möchtest du eine rauchen um runter zu kommen?“, wird er konkreter. Leider verstehe ich durch des Alkohols nur noch die Hälfte und davon auch noch das Falsche.

„‘ch soll drr ‚nen runter hol’n?“, frage ich betrunken wie ich bin.

 

„Der ist doch hinüber“, richtet er das Wort an jemanden, der hinter ihm steht. Doch mehr bekomm ich nicht mehr mit. Ich sacke zusammen und verliere das Bewusstsein.

Kapitel 6 - Blicke

Mir dröhnt der Schädel. In meinem Kopf hämmern gefühlte 100 Spechte gegen einen Stamm. Vorsichtig öffne ich die Augen. Sofort fällt das helle Licht in mein Blickfeld. Was meinen Augäpfeln einen stechenden Schmerz entlockt.

 

Nie wieder Alkohol, schwöre ich den Spruch, den sicher jeder kennt. Aber wo bin ich überhaupt.

Vorsichtig drehe ich meinen Kopf und schaue mich um. Das Zimmer kommt mir stark bekannt vor. Was daran liegen könnte, dass es mein Schlafzimmer ist.

Wie komme ich nur hier her?

 

Ist ja auch egal. Irgendwie werde ich schon den Weg zurück gefunden haben. Schleppend quäle ich mich aus dem Bett. Trotte in die Küche und gönne mir erstmal zwei Kopfschmerztabletten. Es dauert nicht lange und die gewünschte Wirkung tritt ein. Jetzt noch einen Kaffee und die Welt ist wieder in Ordnung. Also stelle ich die Kaffeemaschine an und warte darauf, dass die schwarze Brühe gemächlich in die Glaskanne getröpfelt ist.

 

Ich gieße mir eine Tasse ein und stelle sie auf den Tisch. Dann schlurfe ich ins Badezimmer um meine Notdurft zu verrichten. Nach getaner Toilette und Zähneputzen gehe ich zurück in die Küche und nippe an meinem Kaffee.

 

„Whä“, schüttelt es mich. Die Geschmacksmischung aus frisch geputzten Zähnen und Morgenkaffee ist nicht sonderlich lecker.

 

Aber egal, runter mit dem Zeug. Nachdem mein flüssiges Frühstück in meinem Magen gelandet ist, gehe ich in die Stube. Schnell lege ich mich auf mein Sofa und schalte den Fernseher an. Es laufen die üblichen Nachmittagssendungen. Interessiert mich weniger, also zappe ich Ziellos durch das Fernsehprogramm.

Der Kaffee scheint seine gewünschte Wirkung nicht entfalten zu können, denn nach kurzer Zeit fallen mir erneut die Augen zu. Mit dem unguten Gefühl, irgendwas vergessen zu haben, gleite ich erneut in Morpheus Arme.

 

 

Als ich wieder Wach werde, ist die Sonne untergegangen. Der Fernseher läuft immer noch. Desinteressiert werfe ich nochmal einen kurzen Blick auf die Flimmerkiste. Es scheint gerade irgendeine Serie zu laufen, in der ein Werwolf, ein Vampir und ein Geist in einer WG zusammen wohnen.

 

„So ein rotz“, murmle ich und schalte den Fernsehe aus. Es macht klack an der Glotze, während der Bildschirm schwarz wird, und klick in meinem Kopf, als meine Erinnerungen zurückkommen.

„Thomas“, rufe ich und springe vom Sofa auf.

 

Verdammt, wie konnte ich ihn nur vergessen. Angst kommt in mir auf.

„Thomas!“, rufe ich erneut, nur diesmal etwas lauter. Aber keine Reaktion.

Wo kann er nur sein?, frage ich mich panisch.

 

Das letzte Mal ist er zu mir gekommen. Doch nun habe ich ihn vom einzig sicheren Hafen vertrieben, den er noch anzusteuern wusste.

Ich muss ihn finden. Also ziehe ich mir schnell Klamotten über und eile zu meinem Wagen. Hoffentlich kann mir Madam Esmeralda erneut helfen.

 

Keine zehn Minuten später stehe ich erneut vor ihrem Laden. Doch diesmal ist alles Dunkel und ein großes Schild mit der Aufschrift GESCHLOSSEN hängt an ihrem Fenster.

Ich hämmere gegen ihre Tür und rufe ihren Namen, doch keine Reaktion.

Es ist doch zum Haare ausreißen. Wo kann ich Thomas nur finden? Wo würde ich in seiner Situation hingehen? Nach Hause vielleicht?

 

Einen Versuch ist es wert. Was habe ich schon zu verlieren? Also eile ich in meinen Wagen und presche durch die dunkle Nacht. Nicht lange und ich stehe vor dem Wohnkomplex. Doch wie geht’s jetzt weiter?

Ich werde wohl improvisieren müssen. Also gehe ich zur Haustür und klingele bei ein paar Leuten. Bei dem erstem der sich meldet lüge ich irgendwas von „Sorry, Schlüssel vergessen“ und schon werde ich eingelassen. Nun sprinte ich die Treppen bis zu Thomas‘ Wohnung hinauf. Abermals wird mir eine verschlossene Tür zum Hindernis.

 

Ich klopfe vorsichtig an. Keine Reaktion. Erneut klopfe ich und flüstere gegen die Tür: „Thomas?“

„Geh weg“, höre ich seine dumpfe Stimme aus der Wohnung.

„Thomas, bitte komm raus!“, rufe ich, „Es tut mir leid.“

 

„Lass mich in Ruhe“, höre ich die Gegenreaktion.

„Thomas, bitte“, bricht meine Stimme nun ab und ich lasse mich auf den Boden sinken.

Da öffnet sich die Tür der Nachbarwohnung. Eine ältere Frau im Nachtgewand erscheint im Hausflur.

„Guten Abend“, grüßt sie mich.

 

„‘n Abend“, grüße ich zurück.

„Wollen sie zu Herrn Brettschneider?“, fragt sie mich interessiert.

Ich nicke.

 

„Oh das tut mir leid“, antwortet mir die Dame, „der junge Mann ist vor kurzen verstorben.“

Ich nutze die Chance.

„Was? Wirklich? Oh nein“, tue ich so geschockt wie möglich.

„Ja ein tragischer Unfall“, erklärt sie mir.

 

„Haben sie zufällig einen Schlüssel für die Wohnung?“, frage ich sachte.

„Was wollen sie denn in der Wohnung?“, will sie misstrauisch wissen.

„Ich bin sein Cousin“, lüge ich ihr dreist ins Gesicht, „und ich hätte gern einen Moment um das zu verarbeiten und mich zu verabschieden.“

 

Da erscheint Thomas sein Kopf durch die Tür und er schreit: „Das ist eine Lüge, nein bist du nicht!“

„Natürlich“, antwortet die Frau und kramt einen Schlüssel hervor.

Ich ignoriere Thomas kurz und warte bis mir die Nachbarin die Wohnung zu Thomas‘ Wohnung aufschließt.

„Danke“, sage ich zu ihr.

 

„Gerne und mein herzliches Beileid“, schüttelt sie mir die Hand.

„Dankeschön“, bedanke ich mich auch dafür und trete in die Wohnung.

Ich stelle das Licht an und erkenne, dass die Wohnung noch immer wie vor ein paar Tagen aussieht. Instinktiv gehe ich ins Wohnzimmer und sehe Thomas auf der Couch sitzen. Sein Gesicht verrät mir, dass er geweint hat. Sofort schlägt mir mein schlechtes Gewissen wie eine Bombe aufs Gemüt.

 

„Thomas“, flüstere ich.

„Ich hab doch gesagt, du sollst weg gehen“, sagt er traurig.

„Wenn ich nun aber bei dir sein möchte?“, gebe ich zurück.

„Kaum vorzustellen“, flüstert er.

 

„Aber es ist so. Geist hin oder her. Ich will bei dir bleiben“, gehe ich näher an ihn ran und setze mich neben ihn.

„Ich kann dir nichts geben“, schauen mich wieder diese traurigen, grünen Augen an.

„Und ich will nichts haben. Außer deine Gesellschaft“, sage ich ihm mit fester Stimme.

„Vincent“, wimmert er meinen Namen.

 

Unsere Blicke verschmelzen und mein Herz schlägt einen tackt schneller.

„Ich bin da… wenn du willst… an deiner Seite… solange es die Zeit zulässt“, verspreche ich meinem Geist.

 

Kapitel 7 - Zeit

„Da könnten wir sicher behilfliche sein“, erklingt eine Stimme aus dem Flur. Eine mir bekannte Stimme. Thomas und ich richten erschrocken unseren Blick zur Wohnzimmertür. Kurz blitzt es darin hell auf und dann erscheint eine Gestalt im Türrahmen.

 

„Du!“, rufe ich aus, nachdem ich sie erkenne, „Was machst du hier?“

„Hallo Vincent“, begrüßt mich mein Ex-Freund mit ruhiger Stimme. Er sieht aus, wie als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, nur trägt er eine Sonnenbrille.

 

Dann richtet er sein Gesicht auf den Mann neben mir: „Hallo Thomas.“

„Du kannst mich sehen?“, fragt dieser verwundert.

„Ja das kann ich“, antwortet Jason.

 

„Ich kenn dich irgendwoher“, überlegt Thomas.

„Nicht weiter wichtig“, winkt Jason ab, „wichtig ist, dass ich euch helfen möchte.“

„Du?“, frage ich mich gereiztem Ton.

 

„Naja, eher wir“, berichtig sich Jason und schaut in den Flur.

Dort blitzt es erneut auf und dann tritt ein weiterer Mann durch die Tür. Blaue Jeans, blaue Jeansjacke, Sonnenbrille, den Typen kenn ich doch auch.

 

„Das ist Ty“, stellt uns Jason den Mann vor.

Er nickt uns zu und setzt ein freches Lächeln auf.

Wir nicken zurück.

„Du bist der Typ von der Bar“, fällt mir wieder ein.

 

„Das bin ich“, antwortet mir Ty.

„Hast du mich nach Hause gebracht?“, frage ich ihn.

Er nickt.

 

„Vielen Danke“, schaue ich ein wenig verlegen

Er nickt. Scheint nicht so der gesprächige Typ zu sein.

„Bekomme ich nun eine Erklärung von dir?“, richte ich meine Aufmerksamkeit nun wieder auf Jason.

„Das ist schwierig. Aber ich kann dir sagen, dass ich dir helfen kann und möchte“, beteuert Jason.

 

„Ausgerechnet du“, gebe ich zurück.

„Vincent hör zu“, kommt Jason näher, „es tut mir unendlich leid. Einfach alles. Wie ich dich behandelt habe, wie ich andere behandelt habe. Einfach mein ganzes Verhalten. Das musst du mir glauben.“

„Wie könnte ich dir noch etwas glauben“, sage ich,

 

„Wenn du mir nicht verzeihen kannst, versteh ich das. Aber lass mich wenigstens etwas Wiedergutmachen leisten“, bietet mir Jason an.

Ich schaue zu Thomas. Wenn Jason und dieser komische Ty wirklich bewirken können, dass mein Thomas wieder unter den Lebenden weilt, bin ich der Letzte der etwas dagegen sagen könnte.

Thomas lächelt mich an. Die schlechten Gefühle verschwinden schlagartig.

 

„Also gut. Ich weiß zwar nicht wie du es machen willst, aber bitte tue was in deiner Macht steht“, flehe ich zu Jason.

„Kommt her“, fordert er uns auf und streckt uns seine Hände entgegen.

 

Wir folgen dieser Aufforderung und gehen zum ihm. Ich nehme mir seine linke Hand. Thomas stellt sich einfach neben ihn. Er könnte ihn ja doch nicht anfassen. Jason nimmt seine Sonnenbrille ab, faltet sie zusammen und steckt sie in die Hosentasche. Mein Blick fällt auf sein Gesicht. Da erkenne ich seine weißen Iriden.

 

„Die hatten früher aber eine ganz andere Farbe“, stelle ich geschockt fest.

Jason zwinkert mir zu, dann greift er nach Thomas‘ Hand. Er kann ihn berühren. Sofort macht sich Eifersucht in mir breit. Aber vor allem: Wieso kann er ihn berühren.

 

Nun tritt Ty vor Jason und nimmt ebenfalls die Sonnenbrille ab. Auch seine Augen sind weißt, es fehlt jegliche Farbe darin.

„Bereit?“, fragt Jason an mich und an Thomas gewandt. Wir nicken zustimmend.

 

„Du auch?“, richtet er sich an Ty.

„Du weißt, dass wir eine Menge Ärger dafür bekommen werden?“, fragt dieser zurück.

„Das ist es mir Wert“, antworte Jason Ty.

 

„Dann mal los“, legt Ty seine Hand auf Jasons Brust. Dann werfen sie sich einen liebevollen Blick zu, in dem man die Herzenswärme direkt spüren kann. Sogleich fangen ihre Augen an zu leuchten und dann blendet mich ein weißer Lichtblitz.

 

Kurz schüttle ich mich und versuche mich zu orientieren. Wir stehen in Thomas‘ Badezimmer und Thomas steht auf dem Toilettendeckel. Er bewegt sich nicht. Scheint in irgendeiner Art Starre zu sein. Ich schaue neben mich. Noch immer hält Jason Thomas‘ Hand. Doch sofort wird sein Geist in seinen Körper gezogen.

Jason lässt meine Hand los.

 

„Nun liegt es an dir“, gibt er mir zu verstehen.

„Danke, Jason“, schenke ich ihm ein Lächeln, das ihm mitteilen soll, dass ich ihm vergebe.

„Das ist das Mindeste“, umarmt er mich.

Dann lässt er mich los. Ich reiche Ty meine Hand.

 

„Dir danke ich auch“, schütteln wir kurz unsere Hände.

Seine Mundwinkel zucken nach oben.

Dann nehmen sich die Beiden an den Händen und mit einem erneuten Lichtblitz verschwinden beide. Wo auch immer sie hingehen. Ich wünsche ihnen nur das Beste.

 

Kaum sind die beiden aus dem kleinen Zimmer verschwunden höre ich einen kurzen Ausruf: „Ahhhh!“

Reflexartig drehe ich mich um und strecke die Arme aus. Thomas landet sicher in meinen Armen und schaut mich an.

 

Dann beginnt er von Innen an zu leuchten, welches sich in seiner Hand sammelt. Daraus formt sich sogleicht eine kleine Murmel. Die Prophezeiungskugel. Doch lange kann er sich nicht an dessen Anblick erfreuen, noch die Prophezeiung lesen. Denn kaum ist sie aufgetaucht, wird sie schwarz und verwandelt sich in ein Häufchen schwarzer Staub.

 

Darauf dreht Thomas seinen Kopf in meine Richtung und seine Augen beginnen zu Strahlen.

„Vincent“, ruft er voller Euphorie.

 

Prompt landen seine Lippen auf meinen. Sie fangen an mit kribbeln. Mein ganzer Körper beginnt zu beben. Vorsichtig sacke ich auf den Boden. Meinen Mann im Arm. Leidenschaftlich verschmelzen unsere Münder, unsere Geister.

 

„Solange es die Zeit zulässt“, nuschelt Thomas meine Worte und legt seine Stirn an meine.

„Versprochen“, gebe ich zurück und empfinde vollendete Glückseligkeit.

Epilog

Drei Monate sind seit unserem Ausflug in diese magische Welt vergangen. Thomas und ich sind noch immer ein Paar und vor ein paar Tagen sind wir dann zusammengezogen. Unsere Finger können wir nicht voneinander lassen. Wir erkunden uns jeden Tag aufs Neue und genießen jede einzelne Berührung die wir uns Schenken können.

 

Ich liege auf der Couch und warte, dass ich die DVD starten kann.

„Thomas kommst du?“, strecke ich meinem Liebling die Hand entgegen, der gerade das Zimmer betritt.

In seiner Hand eine große Schüssel Popcorn.

 

„Was schauen wir heute?“, will er wissen und setzt sich zu mir.

„Warte es ab“, schmunzle ich leicht und drücke auf den Startknopf.

Der Film beginnt. Es erscheinen die obligatorischen Infos des Studios und der Mitwirkenden. Dann ertönt die Musik.

 

Thomas dreht sich um und schmunzelt mich an.

„Ernsthaft?“, bewirft er mich einem Popcorn.

„Ey“, rufe ich gespielt empört und kneife ihn in die Seite.

 

Wir lachen beide auf, dann legt er sich neben mich und kuschelt sich in meinen Arm.

„Ich liebe dich, solange es die Zeit zulässt“, flüstere ich in sein Ohr.

„Und ich liebe dich über den Tot hinaus“, gibt mir Thomas einen Kuss.

 

Dann ertönt die Stimme aus dem Fernsehen und singt zu der Musik: „Who you gonna call?“

 

 

ENDE

Nachwort des Autors

 

Handlung, Personen, Orte, etc. sind fiktiv und daher frei erfunden.

Eventuelle Übereinstimmungen sind daher rein zufällig.

Das Coverbild habe ich aus der IOS-App "Hintergrundbilder"

 

Im echten Leben gelten 3 Dinge immer:

 

Leben und leben lassen!

 

Handelt verantwortungsbewusst!

 

Seid offen und tolerant zueinander!

 

Danke für's lesen

Impressum

Texte: Rolf Weller
Bildmaterialien: Rolf Weller
Lektorat: Unlektoriert
Tag der Veröffentlichung: 31.07.2016

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Eine Widmung an einfach alle meine Leser :) Viel Freude mit diesem Teil.

Nächste Seite
Seite 1 /