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Prolog



In einem riesigen Saal, eingetaucht in ein blaues Licht, dass die Laternen in den Raum warfen, stand eine von verhüllten Gestalten umrundete Tafel. Allesamt waren in schwarze Kutten verschanzt, nur eine Gestalt trug einen blauen Schleier, sie stand an dem einem Ende der Tafel. Es war die Höchste des Rates, es war Kyra, eine alte Halbgöttin. Mit einer überraschend zarten, dennoch unbeirrten Stimme, sprach sie: „Ehrwürdiger Fox, ich muss zugeben, dass ich fürchte, dass dein Wunsch nicht zu erfüllen ist.“ Ihr wachsamer Blick ruhte auf einer der Gestalten, die nun aufgebracht schnaubte. Eine rüde Stimme, die so klang, als würde sie keine Gnade kennen, schnauzte: „Dürfte ich eine genauere Erklärung kriegen, Kyra? Mir ist nicht klar, was es für Probleme gibt!“ Fox ließ seine Faust auf den Tisch niederfahren, sodass es laut rumste. Erschrocken quiekten viele der Personen auf, wobei einer Frau die Kapuze herunterrutschte und sie ihre kunterbunten Haare entblößte, die wild unter den Umhang reichten. Rasch warf sie sich ihre Kapuze wieder über, doch die anderen hatten erkannt, wer sie war.
Unterdessen sprach die Gestalt mit dem Decknamen Fox unbeirrt weiter: „Welche Probleme? Sprich dich doch aus!“ Kyra stand leise auf, dann knurrte sie: „Die Probleme, Fox? Die Probleme, was passiert, wenn wir die Piraten zurückholen?“ Ihre Stimme wurde lauter. „Was dann passiert?“ Krachend stütze sie sich auf den Tisch, die anderen zuckten zusammen. Das war nicht gewöhnlich für diese zarte Frau, die Einzige, die ohne einen Decknamen agierte. „Erinnert ihr euch noch daran, was damals geschah? Welche Tragödien die Piraten auslösten?“ Kyras Rede war lauter und lauter geworden, sodass sie jetzt beinahe schrie. „Tausende von Menschen starben! Sie mordeten alles und jeden, einschließlich der Götter, und ihnen verdanken wir es, dass wir Probleme mit der Fortpflanzung und Nahrung hatten!“ Fast gespenstisch schnell schoss eine Hand in die Höhe. „Was ist, Cera?“, zischte Kyra, sie hasste Widerspruch. Als Cera sich erhob, klimperte unter ihrem Umhang etwas, als würde sie viele Schmuckstücke tragen. Unwirklich fasste sich die Oberste des Rates, Kyra, an ihre riesigen Ohrringe. Schmuck faszinierte sie.
Als Cera sprach, hielten fast alle die Luft an, außer Kyra, die unbeirrt weiterschnaufte. Ihr einziger Respekt zollte den Göttern, keinem Ratsmitglied. „Das die Menschen starben, war doch kein Problem?“, flötete sie so süß und herrlich, dass es im Herzen wehtat. „Menschen sterben schnell, wir brauchen sie nicht.“ Im gleichen Moment erhob sich eine breitschultrige Gestalt, die sich fassungslos empörte: „Menschen wären nicht nötig? Das sehe ich aber anders, liebe Cera! Mein Volk und ich sind nicht nur für die Evolution und Fortpflanzung wichtig, sondern auch für eure Nahrung! Besonders für die, deiner Abstammung!“ Schweigen, dann kicherte Cera gekünstelt auf, wobei es wieder klimperte. Langsam dämmerte Kyra, wer Cera sein könnte, nein, sie wusste es. Es gab nur eine Gestalt, die derartige Geräusche zustande brachte, und es war nicht nur Schmuck. Eher das Klingeln von Glocken und die Berührung zwischen Glas, Eis und Metall. „Wie bitte? Ich fürchte, ich habe mich verhört, Mensch

.“ Sie sprach das Wort Mensch so verächtlich aus, dass ich beinahe auflachte. Cera wusste, wie man spielte. Langsam verlor Fox die Geduld, er war es gewesen, der zuerst an der Reihe war, wieso sprachen jetzt die beiden im Vordergrund? Sein Atem rasselte, als Cera auf eine wüste Beschimpfung von dem breitschultrigen Mann hin flötete: „Ach, was für Erbärmliche Gestalten ihr seid. Es muss grausam sein für dich, hier unter unseresgleichen, wir, so unerreichbar für dich...“ Jetzt reichte es, beschloss Kyra und wollte schon den breitschultrigen Mann mit dem Decknamen 6 und Cera in ihre Schranken weisen, da brüllte 6: „Klappe, minderwertiges Viech!“ Cera’s Haltung veränderte sich schlagartig, ihre Reflexe waren unbezwingbar, sie krümmte sich etwas mehr, und man hörte ein Zischen. Es sah schlecht aus, definitiv, da stimmte ich Kyra zu. Streitereien unter den Ratsmitgliedern arteten zu schnell und zu oft zu Kriegen und Katastrophen aus, als dass man es unterstützen dürfte. Als die Halbgöttin das Wort ergriff und Cera sowie 6 dazu aufrief, diese Haltung gegenüber zu unterlassen, grummelte 6 und Cera setzte sich so schnell hin, dass man sehen konnte, wie sehr sie einen wüsten Beschimpfungswall unterdrückte. Kyra wand sich zu Fox herüber, der mit den Zähnen knirschte. Zweifellos, Kyra hatte eine unangefochtene Position, auf niemanden anderen hörte man derartig wie auf sie. Während sie ihr blassblondes, kurzes Haar zurückstrich und seufzte, baute Fox sich neu auf. „Nun, Kyra, ich fürchte, dieser eine Grund reicht mir nicht zum Zurückziehen meines Wunsches aus. Fahre doch bitte auf.“ Mir gefiel der drohende Unterton nicht. Begriff Fox denn nicht, dass Kyra das Spielchen gewinnen wird? „Fox, ich kann mich leider nur wiederholen. Die Piraten brachten derartige Verwüstung auf diese Welt, dass es grausam wäre, sie jemals wieder zu gestatten oder auch nur ins Leben zu rufen. Die Völker dieser Welt kommen langsam an den lang ersehnten Punkt, sie komplett zu vergessen, die Piraten in eines der abgeschlossenen Kapitel der alten Geschichte einzuordnen. Nur um sie für ein bisschen Aufregung zurück in das Leben zu rufen, wäre unverantwortlich, rücksichtslos und vor allem barbarisch. So viele Leben werden ihr Ende mit der Rückkehr der Piraten haben...“ Fox höhnte auf. „Ehrwürdige Halbgöttin Kyra, ich hoffe doch schwer, dass ihr mir nicht erzählen wollt, die Piraten gehören abgeschlossen?“ Nun nickten auch einige andere Gestalten, besonders das kleine Persönchen zwischen Wire, von dem jeder wusste, dass er hier versuchte zu spionieren, und zwischen einer mittelgroßen Gestalt, dessen Licht man beinahe sehen konnte, würde sie weiterhin derartig ihr Gesicht in die Höhe recken. Was erwartete sie denn, zu erreichen? Bis zu der Raumdecke waren es noch einige Kilometer.
Angriffslustig ergriff Kyra das Wort: „Oh doch, genau dies versuche dir begreiflich zu machen. Mein Vater selbst, der ehrwürdige Gott des Krieges Vulv, ist dieser Ansicht.“ Jetzt konnte ich mich kaum noch halten; verzweifelt hielt ich mir die Nase zu und presste die Lippen zusammen. Während einer Versammlung aufzulachen wäre nicht nur sehr unpassend, sondern auch ziemlich gefährlich. Ich würde aufpassen müssen, ob mich nicht jemand enttarnte und danach versuchte, P5 zu rächen, den ich erst vor kurzem gemeinsam mit Kyra verbannt hatte.
Die Tatsache, dass einschließlich Vulv dieser Ansicht war, schien Fox nicht minder beeinzudrucken wie mich – nämlich gar nicht –, doch er versuchte respektvoller zu sprechen „Aber, Kyra, schau doch“ ,redete er nun auf sie ein, als wäre sie ein kleines Kind, dass mit dem Fuß aufstapfte und fluchte, „wir brauchen sie dringend. Wir könnten sie doch in das Leben rufen und danach wieder auslöschen, versteh doch, Kyra, ohne ein Ablenkungsmanöver werden wir es niemals schaffen. Die gefallenen Engel schützen ihre Schätze so gut, dass wir jede Ablenkung dringend nötigen!“ Mein Blick wanderte zu Kyra, die erschöpft seufzte und sich die Schläfen massierte. Das blaue Licht ließ ihre Falten noch mehr hervorstehen und ich fragte mich innerlich, ob es wirklich so klug war, ihr Gesicht so offensichtlich zu zeigen. Stellen Falten wirklich nur Weisheit oder nicht auch ein bisschen Schwäche und Erschöpfung dar? „Was meinst du zu dem ganzen, Aven?“, murmelte sie mir zu und ihre Augen ruhten auf Foxes Kutte, während sie unmerklich die Lippen bewegte. Keiner durfte erfahren, dass sie mich zu Rate zog. Dennoch war ich überrascht, ich hatte nicht erwartet, dass sie wusste, dass ich neben ihr saß. Meine distanzierte Stimme schien die Halbgöttin zu überraschen, anscheinend war sie davon ausgegangen, ich hatte ihr verzogen, nachdem wir den Verweis von P5 gemeinsam durchgezogen hatten. „Wenig. Fox hat Recht. Die Piraten könnten euch helfen“, ich betonte das euch, Kyra sollte nicht denken, ich würde mich an diesem unsinnigen Geplänkel beteiligen, „allerdings bringen sie auch neue Gefahren mit sich. Frag ihn, wie er Piraten anheuern will.“ Unmerklich nickte Kyra, ihre Hände ballten sich zu Fäusten und spreizten sich dann, als würde sie sich innerlich sammeln. Dann hinterfragte sie tollkühn Fox’es Vorstellung von den Piraten: „Wie wollen wir überhaupt die Piraten beisammen kriegen? Wir brauchen jede Kreatur, die Kräfte hat, und eine Horde Menschen auf die gefallenen Engel zu hetzen, würde wohl wenig bringen – zu einem, weil sie Menschen unterschätzen, zum anderen, weil wir sogar die Gemeinschaft der Menschen beanspruchen werden müssen.“ Cera, 6 und einige andere Gestalten schnaubten verärgert – die einen aus dem Grund, dass die Menschen ebenfalls helfen würden, die anderen, weil niemand das sogar in Kyra’s Satz überhört hat.
Triumphierend bemerkte Kyra, dass Fox nun ins Grübeln kam, seine Intelligenz und sein Denkvermögen waren begrenzt, ja, aber es war wirklich eine schwierige Frage. Doch zu dem Unglück der Halbgöttin erhob jetzt sich eine schüchterne Stimme, von der man nicht wusste, ob es die tiefe Tonlage eines Mannes oder der respektvolle Unterton einer Frau war, Einspruch. Es war die Person, die neben der kleinen Gestalt neben Wire stand, und ihr Gesicht in das unermessliche streckte. „Was, wenn wir die unabhängigen Wesen einbeziehen? Wir könnten die Ryak, die Refy und vielleicht soger Zelé fragen. Ja, die Nixen könnten helfen – und, Kyra, frage doch deinen Vater, ob er uns einige Kämpfer der toten Krieger schickt?“ Ich horchte auf, als der Name meines Volkes fiel. Sofort, bevor Kyra antworten konnte, stand ich auf, wobei das Blut in meinen Ohren rauschte. Es war tollkühn, mitzureden, keiner wusste, dass die Ryak in dem Rat vertreten waren, und ich versuchte, wie immer einen allgemeinen Ton anzuschlagen, damit es nicht auffiel, dass ich hauptsächlich nur für die Ryak sprach. „Doch du sagtest bereits den Fehler. Es sind die unabhängigen Wesen. Wieso sollten sie bei einem Krieg mitmischen, von dem sie keine Schätze abbekommen? Sie brauchen es nicht, nein, vielleicht sind die Ryak und Refy sogar feindlich gegenüber unseres Rates eingestellt. Außerdem sind alle vier der aufgeführten Wesen unter ihrem Durchschnitt, sollten wir danach die Piraten auslöschen, wie Fox’ vorschlug, hätten wir drei unglaublich wertvolle Wesen verloren.“ Es war, als würden viele mich überhaupt erst jetzt bemerken, ich sprach nur selten in den Ratsversammlungen mit. Cera erhob sich ebenfalls. „Aven hat Recht, es wird schwer werden, eines der Völker davon zu überzeugen, zu helfen. Andererseits muss ich auch Lor2 zustimmen – wir können es ja mindestens versuchen. Kyra?“ Jetzt sah auch ich zu der Obersten, die jetzt offenbar angestrengt ihr Gehirn nach einer Lösung zermaterte. Stille legte sich über den Saal, Wire und eine andere Gestalt sackten plötzlich tot zusammen. Ich musste lächeln, als ich ironisch den Kopf schüttelte. Kyra, Kyra, so wird das nichts, dachte ich mir heimlich und fing wirklich an zu grinsen. Es war eine ihrer Angewohnheiten, vor wichtigen Ansagen jegliche Spione zu entfernen. Als Kyra wieder aufsah, lag in ihrem Blick eine Entschlossenheit, die beinahe beängstigend war. Ich spannte meine Muskeln an, bereit, Angriffen auszuweichen. Alle Ratsmitglieder hassten diesen Blick, und nicht selten wurde es versucht, die Oberste zu töten. Wenn man dann neben dieser saß, und so ziemlich jeder Angriff verfehlte oder an den Schutzzaubern von Kyra abprallte, war es nicht allzu vorteilhaft. Spannung wich der Stille.

Der Blick von Kyra teilte uns mit, dass sie einen Entschluss gefasst hatte, und er ohne Widersprüche zugestimmt werden müsste – würde dies nicht geschehen, gäbe es den Tod. Mit meinem scharfen Blick analysierte ich schnell die möglichen Angreifer. Es gab Fox, wäre der Entschluss gegen seinen Willen, wovon man schwer ausgehen kann. Aber er stellte keine Bedrohung dar, seine Kraft war zu langsam. Dann natürlich Cera, die immer gerne wütete, aber nie getötet oder verbannt wurde, weil sie als Königin der Eiselfen unentbehrlich war. Bei ihrer Schnelligkeit müsste ich schnell reagieren, aber ich hatte gute Karten, nicht getroffen zu werden. Außerdem mochte ich sie und sie mich; wir hatten viele Gemeinsamkeiten; sie würde nicht riskieren mich umzubringen. Dann befürchtete ich einen Angriff von niemanden geringeren als 6, Lor2, natürlich Puma und Ozo. Es könnte auch sein, dass Achstel angreift, doch ich rechnete meine Chancen aus. Nein, niemand würde mich verletzen. Wir Ryak waren berühmt für unsere Reflexe, unsere überschnellen Sinne und unsere wilde Schönheit.
Mit einem mal sprach Kyra es aus, darauf, wo wir alle drauf warteten.
Kein Angriff wurde gestartet, nachdem es ausgesprochen war.
„Wir holen die Toten.“

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Tag der Veröffentlichung: 08.06.2012

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