Rayne:
„Erkläre mir doch bitte noch mal, warum du es für eine gute Idee hältst, mich mit zu deiner Familie zu schleppen. Und das auch noch am Sommeranfang, wo es sicherlich über dreißig Grad werden.“ Ich sah meinen besten Freund vom Beifahrersitz aus streng an, wobei dieser nur frech grinste. Das war einfach seine Art und genau deswegen war er für mich auch so ein guter Freund. Jackson war sozusagen der Ausgleich zu mir selbst.
„Und auch, warum ich nicht mit meinem eigenem Auto fahren konnte“, schob ich noch rasch hinterher. Jackson lachte nur leise und wirkte total entspannt. Nun, das konnte er ja auch sein, immerhin kannte er den Ort und die Menschen die dort lebten schon seit dreißig langen Jahren. Ich jedoch hatte dieses Glück nicht. Wobei ich nicht wirklich wusste, ob es Glück war, nach allem was Jack mir von seiner Familie erzählt hatte. Nicht, dass es schlechte Menschen wären, sondern eher sehr aufgeweckt und herzlich. Könnte ich damit umgehen? Schwere Frage, auf die ich noch keine Antwort hatte. Aber ich würde es heraus finden.
„Glaub mir, es ist sehr viel sicherer für deinen schicken BMW. Hier würde dein hübsches Spielzeug nur kaputt gehen. Und zu deiner ersten Frage, habe ich dir bereits etwas gesagt.“
Ich knirschte mit den Zähnen, sah aus dem Fenster und musste meinem Freund, leider!, Recht geben. So ungern ich dies auch zugeben mochte. Seit Stunden sah ich nichts anderes als Berge, Täler, Felder und Bäume. So weit das Auge reichte und egal wann ich nach draußen sah. Ich wollte zwar aus der Großstadt heraus, aber nicht unbedingt zum Arsch der Welt dafür. Ein wenig Zivilisation wäre schon echt nett gewesen. Hier hätte ich jedoch nicht das Gefühl als würde ich das bekommen. Die kleinen Städte und Dörfer, die wir bisher passiert hatten, sagten mir jedenfalls, dass ich mir nicht einfach ein Taxi rufen konnte wann es mir passte. Schmeiße! Wo wollte Jack mit mir hin?
Ich seufzte und schloss einen Moment die Augen. Meine Kopfschmerzen nahmen schon wieder stetig zu. Wie schon seit Monaten, was der eigentliche Grund war, warum Ich mich auf das alles hier eingelassen hatte. Hätte ich es doch nur früher gewusst!
>>>Vertrau mir, Rayne, das ist genau das Richtige für dich. Du kannst dich erholen, entspannen und den Kopf frei bekommen. Nichts wird dich stören, keiner was von dir wollen. Meine Eltern wissen Bescheid und freuen sich ehrlich, dich endlich persönlich kennen zu lernen. Und meine Mutter hat versprochen, dich so richtig zu verwöhnen. Wart es nur ab, du wirst dann nach Hause rollen.<<<
Genau das hatte Jack zu mir vor zwei Wochen gesagt. Ohne zu erwähnen, dass seine Heimat am Arsch der Welt lag! Sicher war das Absicht gewesen! Aber das würde ich ihm irgendwann auch noch heimzahlen, so viel stand fest.
Ich öffnete die Augen wieder und seufzte erneut. Was hatte ich schon zu verlieren? Hier draußen war es auf jeden Fall sicher, dass ich abschalten konnte, das stimmte schon, nur vielleicht war das doch gar nicht so gut… Ich würde einfach schauen müssen und abwarten. Außerdem wollte ich auch meinen besten Freund nicht enttäuschen der sich selbst schon sehr auf seine große Familie freute. Er hatte mir so viel erzählt über jeden Einzelnen. Es war fast so, als würde ich alle schon genau zu kennen. Ein wenig unheimlich, aber nichts, was wirklich in eine Top-Ten Liste gepasst hätte.
„Und für deine Eltern ist es wirklich in Ordnung, wenn du mit mir auftauchst?“
Ich hasste es, wie meine Stimme bei dieser Frage klang. Vorsichtig, fast unsicher. So fühlte ich mich nur noch sehr selten. Gott sei Dank! Ich hasste dieses Gefühl wie sonst nichts. Immerhin war es ein Gefühl, das meine Kindheit beherrscht hatte. Das, und natürlich Angst, Scham und noch etwas, an das ich nicht einmal mehr denken wollte.
„Klar! Sie freuen sich schon auf dich, hab ich dir doch schon einmal gesagt, Rayne. Und das meine ich ehrlich. Auch meine Geschwister sind dieser Meinung. Naja, außer vielleicht Riley. Sie mag Fremde nicht so sehr, was leider kein Wunder ist. Aber sie wird sich zurück halten. Hoffe ich zumindest.“ Jackson lächelte schief wegen seiner jüngeren Schwester.
„Warum ist es kein Wunder?“, wollte ich natürlich wissen, auch wenn ich eigentlich nicht fragen sollte. Es ging mich schließlich nicht das geringste an und wollte auch nichts davon wissen. Das sagte ich mir zumindest in Gedanken. Leider war ich jedoch schon immer sehr neugierig gewesen.
„Ach, das ist nicht meine Geschichte. Wenn du es wissen willst, musst du meine Schwester irgendwann selbst fragen.“ Ich nickte verständnisvoll. Mein Freund hatte vollkommen Recht und ich respektierte dies auch. Egal wie sehr meine Neugier mich drängte, hinter dieses Geheimnis zu kommen. Denn das es eines war, darauf würde ich meinen geliebten BMW verwetten. Und zwar eines, dass schwer wog, so wie Jack sich dazu äußerte.
„Sag mir wenigstens, worauf ich mich einstellen sollte bei ihr.“ Nun lachte Jack.
„Auf Riley kann man sich nicht einstellen. Nicht in Millionen von Jahren! Sie ist eine echte Naturgewalt. Entweder man hasst oder liebt sie. Etwas dazwischen gibt es nicht. So einfach ist das.“
Das klang…nett. Verrückt, aber nett, sodass ich selbst ein wenig schmunzeln musste. Jacks Schwester Riley schien wirklich interessant zu sein. Sofern man es sich nicht mit ihr verscherzte. Und ich hatte nicht vor, dass zu tun, obwohl ich bezweifelte, dass ich mich daran würde halten können.
Umso näher wir unserem endgültigem Ziel kamen, umso sicherer war ich, dass ich nicht erfreut sein würde, wenn wir endlich ankamen. Weil es mitten auf dem Land war, umgeben von nichts als Wäldern, Feldern… Hatte ich das nicht eben schon einmal gedacht, fragte ich mich selbst und musste den Kopf schütteln. So brachte es nichts und ich machte mich nur selbst noch verrückter. Daher zog ich es nun vor, auf dem Rest des Weges zu schweigen und zu versuchen, meine Kopfschmerzen in Fesseln zu legen. Was natürlich gar nicht so einfach war. Der Druck am Hinterkopf und den Schläfen verstärkte sich nur immer weiter, weil meine Gedanken einfach nicht zum Stillstand kamen. Im Kopf hatte ich so viele verschiedenen Szenarien wie es später sein würde. Eine schlimmer als die andere und keine wirklich positiv. Ja, ich war zynisch, pessimistisch und stand dazu. So war ich nun mal einfach. Jackson verstand und nahm mich so an, wie ich eben war. Dafür schätzte ich ihn nur noch mehr.
Irgendwie musste ich tatsächlich eingenickt sein, denn als ich die Augen wieder öffnete, bog Jack gerade in eine große Einfahrt ein und hielt vor einem großen, dreistöckigem Haus. Er hatte kaum den Motor ausgestellt, als auch schon eine Frau mittleren Alters aus dem Haus kam. Sie war wirklich sehr hübsch und man sah sofort, woher Jackson sein gutes Aussehen hatte. Definitiv von seiner Mutter, die raschen Schrittes zum Auto kam und direkt neben der Fahrertür stehen blieb. Jack stieg aus und wurde sofort in eine feste Umarmung gezogen. Er grinste dabei erfreut und umarmte sie ebenso.
„Das hat ja echt ewig gedauert, seit du geschrieben hast, dass ihr gleich da seid!“, sagte sie und sah mich dann an, da ich ebenfalls den Wagen verlassen hatte und um das Auto herum lief. Immerhin wollte ich einen guten ersten Eindruck machen.
„Guten Tag, Mrs. Hastings. Es freut mich sehr, Sie kennen zu lernen“, begrüßte ich sie höflich und hielt ihr die Hand hin. Dabei versuchte ich mich an einem vorsichtigen Lächeln.
„Ach, sei nicht so förmlich. Nenn mich einfach Malinda.“ Dabei zog sie auch mich in eine kurze, aber feste, Umarmung. Ich war ziemlich überfordert damit und sah seinen Freund verwirrt an. Dieser grinste jedoch nur belustigt. Warum grinste er eigentlich die ganze Zeit über? Daheim war es zwar auch so, dass er recht fröhlich war und für Späße sorgte, aber nicht so viel wie in der Zeit, seid wir losgefahren waren. Ich vermutete, es hatte mit seiner Familie zu tun. Wenn sie so war, wie er immer sagte, hätte Jack auch allen Grund dazu.
„Daher hat Riley es, eine Naturgewalt zu sein“, sagte ich spontan. Gott, was sagte ich da nur? Dieser Gedanke war plötzlich in meinem Kopf aufgetaucht und ich konnte mich einfach nicht stoppen ihn laut auszusprechen. Gedanklich verpasste ich mir einen Tritt dafür.
„Wie war das, junger Mann?“, fragte eine tiefe Stimme hinter uns. Jack bekam große Augen, drehte sich um und stand wohl seinen Vater gegenüber. Auch hier war die Ähnlichkeit nicht zu übersehen. Der Mann war groß gewachsen – auch wenn er einen Gehstock an der Hand hatte – und sah mich wachsam an. Ja, das war ein Mann, der über seine gesamte Familie wachte und sie vor allem beschützte. Gott, zum ersten mal beneidet ich meinen besten Freund tatsächlich. Wie erbärmlich von mir…
„Entschuldigen Sie bitte, Sir“, ruderte ich sofort zurück und fühlte mich ein wenig unwohl. Zumindest bis zu dem Moment, in dem der Mann vor mir ebenso grinste wie sein Sohn. Himmel!
„Ach Unsinn! Du kannst hier sagen, was immer dir durch den Kopf geht. Nur keine Scheu. Vor allem nicht, wenn meine beiden Jüngsten dabei sind.“ Er grinste mich an. Mein Herz blieb kurz stehen. Da war tatsächlich Wärme in seinem Blick.
„Verstanden, Sir“, sagte ich darauf einfach nur. Jack begann schallend zu lachen. Seine Eltern sahen ihn daraufhin nur bedeutungsvolle an und er verstummte.
„Sorry, aber ich habe es schon ewig nicht mehr gehört, dass jemand meinen Dad mit Sir anredet. Das kommt mir einfach so…komisch vor.“ Es sah aus, als würde Jack gleich wieder lachen wollen. Aber sein Vater unterbrach ihn dabei.
„Ich bin Gregory. Ich würde mich freuen, wenn du mich ebenso wie meine Frau duzen würdest. Wir sind hier nicht so förmlich und alle per du.“ Ich nickte dazu und schüttelte seine dargeboten Hand nun kur. Der Mann hatte einen erstaunlich festen Handschlag drauf. Ich war sofort beeindruckt von ihm.
„Kommt doch aber erst einmal herein, Jungs. Ich habe Eistee für euch gemacht und einen kleinen Snack. Ach, und heute Abend wollen wir grillen. Es kommt eher selten vor, dass alle unsere Kinder hier sind. Das muss gefeiert werden“, sagte Malinda und ging wieder in Richtung des Hauses. Doch ehe wir dort ankommen konnten, wurde die Tür erneut aufgerissen und eine junge Frau kam heraus gestürmt. Ihren Blick konnte man durchaus als mörderisch bezeichnen. Sie stampfte auf Jack zu und bohrte ihren rechten Zeigefinger in seinen Brustkorb .
„DU!“, zischte sie sichtlich wütend. Jackson wich einen Schritt zurück, hob seine Hände abwehrend vor seinen Körper und lächelte charmant.
„Ganz ruhig, Rambo. Bring mich nur nicht in Verlegenheit vor Rayne.“ Bei dieser Bemerkung meine Freundes wollte ich am liebsten selbst einen Schritt zurück treten, damit sie mich nicht auch so attackierte wie ihn. Sie blickte auch sofort an ihm vorbei zu mir. Nun konnte ich ihre Augen erkennen und mich traf fast der Schlag. Ein so helles Blau hatte ich noch nie in echt gesehen. Ob das Kontaktlinsen waren? Nein, das konnte ich mir ehrlich gesagt nicht bei ihr vorstellen. Dazu sagte ihr übriges Outfit zu viel aus.
Sie trug eine abgeschnitten Jeans, welche gerade so den Ansatz ihrer Oberschenkel berührte, dazu ein eng anliegende weißes Top – das natürlich all ihre Reize bestens zur Schau stellte, wie mir nicht verborgen blieb –, die Haare zu einem lösen Pferdeschwanz gebunden und echte Cowboystiefel! Verdammt! Dieses Outfit war schon echt heiß.
„Hi“, sagte ich nur und lächelte wieder leicht. Ihre Stirn zog sich kraus und sie starrte mich finster an. Mir schwante nichts Gutes dabei. Innerlich versuchte ich mich schon zu wehren vor dem, was unweigerlich gleich folgen würde. Nun, dann lernte ich also die echte Naturgewalten kenne, wie Jackson sie so passend beschrieben hatte. Und ja, ich freute mich ehrlich darauf.
„DU bist also Schuld, dass mein Bruder erst heute ankommt. Wir haben gestern mit ihm gerechnet und hätten ihn auch sehr gut gebrauchen können. Dazu seid ihr selbst heute noch ziemlich spät dran. Ich hoffe für dich, dass du eine gute Ausrede hast“, knurrte sie mich regelrecht an. Okay, okay. Nun verstand ich, was mein bester Freund gemeint hatte. Sie WAR eine Naturgewalt. Mit allem, was dazu gehörte!
„Nun ja, wenn es zählt, dass ich Anwalt bin und gestern noch einen wichtigen Termin am Gericht hatte, damit ein Mann seine Frau nicht weiter schlagen kann, dann ja, ich habe eine gute Ausrede. Denke ich.“ Den letzten Satz packte ich noch lächelnd dazu und hielt ihr dann auch meine Hand hin. Ich wollte es mir ja nicht sofort mit ihr verscherzen.
„Ich bin Rayne. Freut mich, dich kennen zu lernen, Riley.“
Ihre Augen würden größer und der wütende Blick machte einer verwirrten Miene Platz. Gott, so sah sie echt auch zum anbeißen aus. Dabei sollte ich so etwas natürlich nicht über sie denken. Gar nicht so leicht. Jack hätte mich auch diesbezüglich warnen sollen.
„Ähm…“, stammelte sie und biss sich auf die volle Unterlippe.
„Jack hat mir einiges über seine Familie erzählt. Auch über dich. Schau also nicht so überrascht. Er sagte mir, entweder man liebt oder hasst dich. Dazwischen gibt es nichts.“
Ja, schon klar, nicht unbedingt nett Jack zu verraten, aber ich hatte das Gefühl, es war genau richtig so. Das zeigte dann auch ihr Ausdruck. Sie nickte und lächelte leicht.
„Ich schätze, das stimmt irgendwie sogar. Auch wenn es wenig schmeichelhaft für mich klingt.“ Riley zuckte mit den Schultern und sah ihren Bruder wieder an.
„Und du hättest uns gestern einfach mal sagen können, warum ihr erst heute kommt. Weißt du eigentlich, wie verdammt sauer ich jetzt auf dich bin?! Von wegen, dass ich dich in Verlegenheit bringe. Anders herum wird ein Schuh draus, mein Lieber!“ Sie schnaubte, stemmte die Hände in die Hüfte und sah Jack abwartend an. Dieser schaute tatsächlich schuldbewusst und zog den Kopf ein.
„Tut mir Leid, Ri. Ich hab es wohl vergessen.“
„Ja, in der Tat! Lass dir dafür was gutes einfallen als Gutmachung. Wie wäre es denn, wenn du heute ausmistest dafür?“ Jack stöhnte bei ihrem Vorschlag, was mich lächeln ließ. Es war deutlich zu sehen, wie sehr es ihm gegen den Strich ging. Und irgendwie fand ich es auch tatsächlich gerecht. Ich hatte ihm das Datum schon vor zwei Wochen gesagt. Es hätte es also durchaus erwähnen können.
„Kann ich es nicht anders wieder gut machen? Muss es unbedingt DAS sein?!“, fragte er quengelnd wie ein kleines Kind. Oh man…
„Nein! Genau damit kannst du es wieder ausbügeln. Mit nichts anderem!“, erwiderte sie stur. Jack schob tatsächlich die Unterlippe vor und versuchte sie weiterhin zu einer anderen Aufgabe zu überreden, doch diese kleine Frau blieb hart. Herrje! Diese Seite kannte ich wirklich noch gar nicht von ihm. Anscheinend hätten wir diesen Ausflug schon sehr viel früher unternehmen sollen. Ich lernte meinen Freund wohl gerade noch sehr viel besser kennen. Und natürlich gefiel mir diese neue Wendung. Würde sicherlich lustig werden die nächsten Tage und Wochen hier.
Etwa drei Stunden später hatten wir was ordentliches im Magen, waren geduscht und unterhielten uns nun mit seinen Eltern. Die beiden waren wir äußerst sympathisch und da ich noch nicht rausgeworfen wurde, schien das auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Riley hatte ich nicht mehr gesehen, seit sie Jack noch mal angefunkelt und dann im Haus verschwunden war. Dabei hätte ich die Geschwister gern noch weiter beobachtet. Es amüsiert mich. So etwas kam eher selten vor, da dies einfach nur Ablenkungen waren und ich normalerweise vor dergleichen Abstand hielt. In meinem Job musste ich mich vollkommen konzentrieren. Daher hatte ich auch keine feste Freundin. Frauen bedeuteten Zeit für sie zu finden, aufmerksam zu sein und sich um sie zu kümmern. Leider war Zeit genau das, was ich am wenigsten hatte.
„Und hast du eine Freundin?“, fragte Malinda mich nun. Ich verschluckt mich an meinem Kaffee. Und ehe ich antworten konnte, platzte Riley herein.
„Mama! Du kannst ihn doch nicht einfach so etwas fragen!“, rettete sie mich ohne es zu wissen. Deutlich war zu sehen, dass Jacks Mutter, und auch sein Vater, Familienmenschen waren. Da konnte ich kaum antworten, dass ich nur mal hier und da eine Bettgeschichte am Laufen hatte. Ich bezweifelte, dass es besonders gut ankommen würde.
„Wieso denn nicht? Außer von den Erzählungen von Jack, kennen wir Rayne doch noch gar nicht. Und wir sind neugierig. Immerhin arbeitet dein Bruder sozusagen mit ihm zusammen. Jackson fängt die Bösen und Rayne sorgt dafür, dass sie ihre gerechte Strafe erhalten. Ich muss gestehen, ich finde es toll und aufregend!“
Okay, nun war mir die Frau nur noch sympatischer. Und auch ihr dargebotenen Bild von der Zusammenarbeit von Jack und mir war genau richtig. Sie war schlau, warmherzig und offen. Mit dieser Art von Mensch kam ich äußerst gut zurecht da ich ebenfalls selten ein Blatt vor den Mund nahm. Obwohl ich natürlich – wie das mit den Bettgeschichte – ein wenig um die Wahrheit herum gehen würde. Bei der Arbeit als Anwalt hatte ich das ziemlich gut gelernt. Nicht immer war nur die Wahrheit das Richtige.
Riley verdrehte die Augen, trat näher und sah mich einen Moment an. Als ich ihren Blick erwiderte, wandte sie ihren jedoch schnell ab. Interessant. Es schien, als würde sie nicht wollen, dass ich sah, dass sie mich beobachtete. Wenn sie nur wüsste!
„Dennoch. Du kannst ihn auch kennen lernen, ohne in seine Privatsphäre reinzuschneiden. Ehrlich, Mama!“ Sie sah Jack an und zog eine Augenbrauen hoch.
„Hast du nicht noch was zu tun?“, fragte sie ihn ganz sanft. Mit einem Hauch Spott in der Stimme. Jack zuckte daher leicht zusammen und versuchte sich kleiner zu machen.
„Komm schon, Ri!“, betttelte er in einem neuen Versuch. Ich schmunzelte nur.
„Nun hör schon auf, dich wie ein kleines Kind zu benehmen. Ist dir das nicht peinlich vor deinem Freund?“ Sie schüttelte den Kopf und hatte damit wohl einen Nerv bei Jack getroffen. Er seufzte schwer.
„Na schön, du hast gewonnen. Aber glaub nicht, dass es dafür keine Rache geben wird. Und diese wird füüüürchterlich sein!“ Okay, okay. Nun würde es doch etwas peinlich Jack zuzuhören. Ich stieß ihn leicht in die Rippe da er neben mir saß.
„Akzeptiert die Strafe wie ein Mann und mach es einfach. Umso schneller hast du es hinter dir“, sagte ich nun dazu und sah ihn bedeutungsvolle an. So wie er Riley beschrieben hatte – und wie ich sie bisher erlebt hatte -, war eh sie es, die gewinnen würde. Ganz ohne jeden Zweifel. Das schien auch Jack nun einzusehen, stand auf und nickte. Und dann begann er zu grinsen. Sofort hatte ich ein schlechtes Gefühl und zog eine Augenbrauen hoch. Natürlich führte er etwas im Schilde.
„Du hast ja Recht. Und weil du ja so ein guter Freund bist, wirst du mir natürlich helfen. Denn das machen beste Freunde so.“
Mist!
Riley:
Jack war manchmal echt durchtrieben! Wie hatte er es jetzt nur wieder geschafft, jemand für seine Zwecke einzuspannen? Ich verstand es nicht. Aber noch weniger verstand ich diesen Rayne, der auch tatsächlich mitmachte. Ganz ohne zu murren. Bei Seiner Ankunft war ich mir absolut sicher gewesen, ich würde ihn niemals in der Nähe des Stalls sehen. Ganz zu schweigen davon, dass er diesen ausmisten würde. Er wirkte nicht gerade so. Aber meine Menschenkenntnis war noch nie die Beste gewesen, wie die Vergangenheit gezeigt hatte.
Nun stand ich am Eingang des Stalls und sah den beiden ein wenig zu. Dabei müsste ich noch was anderes erledigen. Allerdings konnte ich mich nicht so rasch von diesem Anblick losreißen. Meinen Bruder sah ich dabei jedoch kaum an.
Rayne hatte seine anfänglich eher steifen Klamotten von der Ankunft gegen locker sitzende Jeans und ein enges, schwarzes T-Shirt getauscht. Die Jeans betonte seinen tollen Hintern etwas zu sehr und das Shirt wiederum seine Muskeln. Wer hätte denn auch vermutet, dass unter dem Anzug eines steifen Anwalts, so etwas zu finden wäre?! Ich ganz sicher nicht. Normalerweise stellte ich mir solche Leute immer als ziemlich…nun ja… langweilig vor. Und eher untrainiert, da sie ja hauptsächlich Büroarbeit, oder dann im Gerichtssaal, sitzend hatten. Was auf Rayne definitiv nicht zutraf. Eher im Gegenteil, wie mir nur zu gut bewusst war.
Ich seufzte leise, schüttelte über mich selbst den Kopf und drehte mich zum gehen herum. Noch eine Minute länger hier und ich würde vielleicht zu ihm gehen und meine Hand an seinen Arm legen, denn dort lugte ein Tattoo unter dem Ärmel des Shirts hervor. Und das weckte natürlich meine Neugier. Ich wollte das ganze Muster sehen. Vielleicht auch nicht nur einfach sehen. Berühren wollte ich es auch ziemlich gerne.
„Hey, Ri! Wenn du schon einmal hier bist, kannst du auch noch mithelfen beim Rest. Es ist ja jetzt nicht mehr wirklich viel zu machen. Dann sind wir umso schneller fertig und wir können Mom alle beim Vorbereiten des Essens für heute Abend helfen!“ Ich drehte mich wieder zu meinem Bruder herum, hob eine Augenbraue und verschränkte die Hände vor der Brust. Ich sagte, durchtrieben. Jetzt versuchte er es tatsächlich auf diese Tour!
„Ja, das hättest du wohl gerne! Reicht es nicht, dass du deinen Freund und Besuch dafür eingespannt hast? Was ich schon, wie ich hier mal ganz ehrlich festhalten will, grenzwertig finde. Hattest du nicht erklärt, er bräuchte Erholung? Nach was sieht diese Arbeit für dich aus?!“, fragte ich ihn herausfordernd. Jack seufzte schwer.
„Ach, körperliche Arbeit tut jedem gut. Er wird heute Nacht endlich mal sofort einschlafen können. Wirst schon sehen!“ Nun, da könnte er Recht haben. Nach einem Tag mit Arbeit auf der Ranch, konnte man tatsächlich recht gut einschlafen. Jedenfalls hatte ich sehr selten Probleme dabei. Was das durchschlafen anging… Das war eine ganz andere Geschichte. Gott sei Dank hatte ich mein eigenes kleines Haus auf dem Grundstück, nur ein paar Gehminuten entfernt. Ich würde mich nicht wohl dabei fühlen, wenn meine Eltern mitbekommen würden, wenn ich Nachts schreiend aufwachte und um mich schlug.
„Wie du meinst, Jack, wie du meinst. Ich habe jedenfalls bis zu euer Ankunft reichlich getan, sodass mir das Ausmisten garantiert nicht fehlen wird. Aber du solltest unbedingt weiter machen. Seid du das letzte Mal hier warst, hast du ein kleines Bäuchlein bekommen“, neckte ich ihn grinsend. Mein Bruder plusterte sich auf, wurde aber von Rayne daran gehindert, etwas gehässiges zu erwidern. Er lachte leise und hielt in seinem Tun inne.
„Läuft das bei euch immer so ab?“, fragte er sichtlich amüsiert. Ich zuckte mit den Schultern. Was genau wollte er denn hören?!
„Denke schon. Ich kenne es jedenfalls nicht anders.“ Rayne sah mich lächelnd an. Und noch etwas war in seinem Blick, über das ich jedoch nicht nachdenken wollte. Oder sollte, eher gesagt. Ich kannte den Mann ja nicht und wollte auch nichts daran ändern. Zumindest musste ich mir genau diesen Satz immer wieder einreden und vor Augen halten!
„Gut zu wissen. Dann wird es in der Zeit hier wenigstens nicht allzu langweilig werden. Ehrlich gesagt bin ich so viel Ruhe nicht gewohnt.“
„Langweilig? Hier? Nein, niemals! Es gibt immer was auf der Ranch zu tun. Und an den Wochenenden gehen die meisten Leute eh dann ins „Believe“. Vielleicht wäre das auch was für dich“, schlug ich dummerweise vor. Mist! Hoffentlich würde Jackson mit ihm an einen Tag gehen, an dem ich dort nicht arbeitete. Ich wollte nicht zu viel in seiner Nähe sein. Auch wenn ich mir nicht erklären konnte, warum es mir gegen den Strich ging. Bisher hatte er mir nichts getan, aber da ich nichts über ihn wusste, war ich da eher sehr vorsichtig.
„Das ist eine tolle Idee, Ri“, mischte Jack sich mit ein. An und für sich ganz bestimmt…
„Wie auch immer. Macht ihr mal schön weiter. Ich werde Mom jetzt helfen gehen.“ Und so der Versuchung aus dem Weg gehen. War sicherer für mich. Vielleicht auch nicht nur für mich. Auf keinen Fall wollte ich irgendwelche Probleme haben, oder verursachen.
So ging ich wieder ins Haus zurück und direkt in die Küche. Meine Mutter sah mich nur kurz an, ehe sie sich wieder dem Essen widmete. Sie legte gerade das Fleisch in ihre perfekte Marinade ein. Bisher hatte sie mir nicht verraten, wie sie diese genau machte. Immer sagte meine Mutter nur, sie würde es mir erklären, sobald ich eine eigene Familie hätte. So hatte es Grandma auch bei ihr gemacht und sie wollte es ebenso halten. Das musste ich dann also so akzeptieren. Obwohl ich bezweifelte, dass ich irgendwann tatsächlich eine eigene Familie hätte. Wo sollte auch ganz plötzlich der perfekte Mann für mich herkommen? Einem, dem ich bedingungslos vertrauen konnte?!
„Hey, Mom, kann ich dir noch bei etwas helfen?“, fragte ich sie lächelnd und trat näher. Ich sah ihr gern beim Kochen zu. Es entspannte mich, da sie, egal wie viel Trubel um sie herum herrschte, immer die Ruhe selbst war.
„Gern. Du könntest das Geschirr für draußen schon mal bereit stellen und mit jemanden die beiden Tische und die Bänke an den Grillplatz stellen. Aber lass dir dabei bitte wirklich helfen! Es ist schwer. Ich möchte nicht, dass du es alleine machst.“ Auf diese Aussage hin sah ich sie schmollend an. So schwer waren die Möbel eigentlich gar nicht. Nur etwas unhandlich alleine, wegen der Größe. Natürlich würde ich mich dennoch nach meiner Mutter richten. Was auch sonst?
Seufzend ging ich also wieder zum Stall um meinen Bruder zu holen. Dieser war jedoch gar nicht da und auch Rayne konnte ich nicht eben ausmachen. Na Klasse! Da wollte man sich also daran halten, was die Mutter sagte und konnte es nicht. Auch die Arbeiter der Ranch waren nirgends zu sehen. Dann musste ich es also wohl doch alleine machen, denn es musste erledigt werden! Egal ob ich mir den Zorn meiner Mutter zuzog. Also ging ich zu dem großen Schuppen, wo wir alles für den Garten aufbewahrten, öffnete die große Tür und trat ein.
Gott sei Dank wurden die Dinge hier oft benutzt und so war nichts eingestaubt oder roch muffig. Ich fand die gesuchten Möbel sofort und versuchte erst einmal eine der Bänke heraus zu bekommen. Das schien mir einfacher als mit einen der Tische zu beginnen, denn diese waren natürlich doch ein wenig schwerer als die kleineren Bänke.
„Was machst du da?“, erklang eine Stimme hinter mir. Schon komisch, dass ich sie tatsächlich sofort zuordnen konnte. Es war Rayne! Aber was machte er hier?
„Ich versuche den Garten fürs Grillen vorzubereiten, sieht man doch“, kam meine schnippische Antwort. Ich mochte es nicht sonderlich so erschreckt zu werden und fuhr dann gerne mal die Krallen aus. Obwohl ich es meistens gar nicht so wollte. Aber nur meistens! Ab und an tat ich es tatsächlich auch gerne. Bei meinen Geschwister, besonders meinen Brüdern, war es einfach unabdinglich.
„Warte, ich helfe dir. Sieht nicht sehr handlich aus.“ Überrascht starrte ich ihn an. Vor allem deswegen, weil er das gleiche Wort dafür benutzte, wie ich selbst. Das taten nicht viele, ehrlich gesagt. Die meisten würden sagen >sieht schwer aus, zu groß für eine Frau< oder ähnliches. So aber anscheinend nicht Rayne. Das brachte ihm tatsächlich Pluspunkte ein. Ebenso auch das Ergebnis, dass ich nicht mit ihm darüber diskutierte. Bei einem anderen Satz wäre es auch anders verlaufen.
„Das wäre nett von dir, danke“, sagte ich also ganz brav und zusammen brachten wir Stück für Stück alles nach draußen und an seinen Platz. Meine Mutter sah zwischendurch durchs Fenster nach draußen und als sie sah, dass ich mir tatsächlich helfen ließ, lächelte sie warm und zeigte den Daumen nach oben. Alleine für dieses Lächeln lohnte sich alles!
Zusammen brauchten wir dann auch nicht allzu lang für diese Aufgabe.
„Nochmal, vielen Dank für deine Hilfe. Nicht nur jetzt mit dem tragen, sondern auch wegen Jackson. Ich verstehe echt nicht, warum er dich da mit hineingezogen hat“, seufzte ich schwer und schüttelte über meinen älteren Bruder den Kopf. Es war einfach immer das Gleiche mit ihm. Anscheinend kannte Rayne das allerdings schon, denn er hatte sofort zugesagt. Jackson konnte sich ehrlich glücklich schätzen mit diesem Freund. So manches Mal hatte ich mir ehrlich Sorgen um meinen großen Bruder gemacht, so weit von Daheim entfernt. Aber jetzt, da ich Rayne kennen gelernt hatte, waren die Sorgen wirklich gleich geringer geworden.
„Ach, sag das nicht. Jack hatte recht, die Arbeit hat mir tatsächlich gut getan. Besser als es ein Fitnessstudio kann. Und ich habe wieder etwas über ihn gelernt, was ich sonst vermutlich nicht erfahren hätte. Dafür alleine hat es sich also tatsächlich gelohnt.“
Er sah mich lächelnd an und sofort verspürte ich ein nervöses Kribbeln im Bauch. Ich schluckte angestrengt und versuchte mich dabei von ihm weg zu drehen. Aber anscheinend war ich nicht schnell genug dafür, denn ich sah aus dem Augenwinkel noch, wie sein Lächeln sich verstärkte. Oh Mist! Richtig großer Mist.
„Wenn es noch etwas gibt, dann sag mir bitte sofort Bescheid. Ich helfe sehr gerne bei allem was ansteht.“ Ganz leicht drehte ich mich wieder zu ihm und versuchte nun ebenfalls zu lächeln. Vermutlich gelang es mir nicht wirklich, da sein eigenes etwas verrutschte. Ich wollte ihm doch kein schlechtes Gefühl geben. Ganz im Gegenteil. Da er mit Jackson hierher kam um Ruhe zu bekommen, wollte ich genau dafür auch sorgen. Jackson vertraute ihm und wenn er es tat, wollte auch ich Rayne eine ganz faire Chance geben. Natürlich war es nicht garantiert, dass Rayne auch für mich wie ein Freund sein könnte, aber den Versuch war es allemal wert.
„Danke, das ist wirklich lieb von dir. Pass auf, ich werde bestimmt auf dein Angebot zurück kommen. Aber du bist hier zum entspannen. Das möchte ich dir wirklich nicht nehmen. Jackson hat dich genau dafür hergebracht.“ Ernst sah ich ihn dabei an, damit er genau wusste, wie ernst es mir damit war. Da kannte ich ehrlich kein Pardon. Das hatte ich vor allem durch den Unfall meines Vaters vor ein paar Jahren gelernt. Wenn man es ruhiger angehen sollte, dann müsste man auch einmal darauf hören. Nicht immer, natürlich, aber doch schon, wenn es von verschiedenen Seiten aus kommt.
„Okay, ich verspreche es“, sagte er sofort und seine Miene ließ mich wissen, dass er sich daran halten wollte. Aber etwas wollen und etwas auch wirklich tun… nun, dazwischen lagen bekanntlich Welten. Ich würde mich einfach mal überraschen lassen.
Ich nickte ihm zu und ließ ihn dann für den Moment alleine um nun die Tische auch noch zu decken. Diese Aufgabe war schnell erledigt und ich wollte gerade eine Kanne Eistee von drinnen holen, als ich auch schon das unverwechselbare Geräusch von einem Motorrad hörte. Das musste Nicolas sein! Er und Jackson waren Zwillinge, meine ältesten Geschwister, aber dennoch waren die Zwillinge so dermaßen unterschiedlich vom Charakter her, wie sie sich im Aussehen glichen. Manchmal war es verwirrend, wenn ich die beiden nicht so gut hätte unterscheiden können. Im Gegensatz zu den meisten Mädels früher. Vielleicht war das sogar der wichtigste Grund dafür gewesen, dass Jackson nach New York gezogen war. Dort war er einzigartig.
Ich ließ alles wo es war, ging ums Haus herum und sah meinen Bruder schon von seiner hübschen Maschine steigen.
„Nic!“, rief ich gut gelaunt, rannte auf ihn zu und Schlag meine Arme um seinen großen Körper. Ich liebte all meine Geschwister, aber zu Nicolas hatte ich irgendwie schon immer das innigste Verhältnis gehabt. Wenn er seinen Zwilling ärgern wollte, meinte er dazu immer, weil er ja nun einmal wirklich der Älteste war. Immerhin kam er ganze sechs Minuten früher als Jackson zur Welt. Unserer Mutter gefiel es nicht, wenn die Jungs sich darum zankten, ich fand es dagegen irgendwie ganz niedlich.
„Ich hab dich auch vermisst, Sunny.“ Wegen diesen doofen Spitznamen ließ ich ihn los und knuffte ihn in die Seite.
„Du sollst mich doch nicht so nennen, NIc. Ich hasse diesen Spitznamen.“
„Das weiß ich doch. Und genau deswegen liebe ich es, dich so zu nennen. Nach so vielen Jahren solltest du dich doch daran gewöhnt haben.“
„Das werde ich nie!“, versuchte ich schmollend hervor zu bringen, doch etwas anderes hatte Nics Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Ich drehte mich herum und sah Jackson und Rayne ums Haus herum kommen.
„Hey, Kleiner“, rief Nicolas seinem Zwilling zu. Jack verdrehte die Augen und kam näher. Dabei sagte er irgendwas zu Rayne, was diesen grinsen ließ. Oh Mist! Dieses Grinsen war wirklich verdammt niedlich. Das musste doch verboten werden! Nicht nur, dass er so gut aussah, nein! Er war auch noch niedlich… Ich gab mir innerlich einen Klaps auf den Hinterkopf und versuchte dabei meine irritierend Gedanken beiseite zu schieben. Gar nicht so einfach.
„Es sind nur sechs, verdammte, Minuten!“, sagte Jack, endlich bei uns angekommen.
Verstollen sah ich Rayne einen Moment zu lang an. Er bemerkte es, sah mich ebenfalls an und sofort pochte mein Herz einen Takt zu viel. Nicht ein Wort musste er dafür sagen. Ich saß mächtig in der Patsche. Vielleicht sollte ich einfach versuchen, Abstand zu halten. Das möchte unter Umständen unhöflich erscheinen, aber das war mir dann doch wesentlich lieber.
Jack und Nic gaben sich noch einen verbalen Schlagabtausch, doch ich klinkte mich davon aus, ging wieder hinters Haus und deckte die Tische fertig, ehe ich zu Mom in die Küche trat. Sie sah mich forschen an, sagte jedoch kein Wort. Das musste sie auch nicht, ihre Blick sprachen deutlich für sich. Ob ich wollte oder nicht, sie schien durch diesen mütterlichen Instinkt irgendwas im Kopf zu haben. Etwas, dass eindeutig mit mir zu tu hatte.
„Rayne ist ein netter junger Mann, findest du nicht auch?“, fragte sie eher beiläufig. Da ich gerade dabei war Kartoffeln zu schälen, Schrank ich zusammen und schnitt mich auch prompt. Autsch!
„Kann sein“, murmelte ich nur, hielt den Finger kurz unter kaltes Wasser und drückte ein Küchentuch gegen den kleinen Schnitt.
„Ich denke schon. Sonst wäre er wohl nicht mit deinem Bruder befreundet. Jackson hat am Telefon viel von ihm erzählt, über die Arbeit, Freizeit, wie sie sich kennen gelernt haben und all das. Was ich also über Rayne weiß, ist bisher alles gut.“
Okay, was wollte sie mir jetzt damit sagen? Es war eigentlich ziemlich typisch für meine Mutter, und doch auch wieder nicht. Ich konnte es gar nicht so richtig beschreiben. Jedenfalls war ich nicht sonderlich begeistert von ihrem Verhalten und dementsprechend fiel es mir dann auch ein wenig schwer, ruhig zu bleiben. Ich denke, man konnte mich dabei durchaus verstehen. Oder hatte man die Einmischung der Mutter beim Liebesleben gern?
„Mom, gibt es einen Grund dafür, das du versuchst, ihn mir so unter die Nase zu reiben und anzupreisen? Wenn du denkst, du könntest uns verkuppeln, zerstöre ich deine Träume wirklich nur ungern. Und ich habe jetzt auch wirklich keine Lust, auf diese Art von Gespräch.“
Meine Stimme war emotionslos geworden, doch im Moment konnte ich es nicht ändern. Es war wie eine Schutzmauer, die ich mir im Laufe der Jahre zugelegt hatte. Und die mit jeder negativen Erfahrung nur weiter gewachsen war. An manchen Tagen konnte ich selbst kaum noch erkennen, wo sie endete. Oder wie ich sie selbst zum Einsturz bringen konnte. Ganz zu schweigen davon, ob ich das überhaupt jemals wollte.
„Okay, Kind, ich habe verstanden. Aber, und das ist ein wirklich großes aber, ich werde mich weiterhin um dich sorgen. Und das schließt auch mit ein, dass ich möchte, dass du einen guten Mann für dich findest. Es sind schon so viele Jahre vergangen seit dem Unfall deines Vaters und dem Abbruch deines Studiums. Wir möchten, dass du wieder nach vorne schaust und nicht nur in der Vergangenheit lebst. Ich…“
Ehe sie noch weiter reden konnte, machte ich auf dem Absatz kehrt und verließ die Küche fluchtartig. Und wie es natürlich sein musste, lief ich direkt mit Jackson und Rayne zusammen, die sich mit Nicolas unterhielten. Ich hatte keinen Blick dafür, wandte auch ihnen sofort den Rücken zu. Ich musste einen Moment für mich sein, ohne neugierige Blicke oder neun mal kluge Sprüche in alle möglichen Richtungen.
Dabei spürte ich von Nic und Jack die besorgten Blicke im Rücken. Und das sie mir am liebsten hinterher wollten. Ich lief nur umso schneller und kam bald in meinem kleinen Haus an. Sofort verzog ich mich ins Schlafzimmer, schloss die Tür hinter mir und lehnte mich dagegen. Ich atmete tief durch und beruhigte mein herz, dass nicht nur durch den schnellen Sprint immer schneller geschlagen hatte. Es war die Erinnerung an das, was meine Mutter angesprochen hatte mit dem Unfall.
Riley:
Ich kam erst wieder zurück, als ich das Gelächter im Garten meiner Eltern hörte. Auch Jennifer, Vanessa, Liam und Kyle waren noch dazu gekommen. All meine Geschwister. Das gab es schon eine ganze Weile nicht und ich freute mich auf diese Gelegenheit. Dabei hoffte ich nur, dass zumindest Mom mich mit dem Thema von vorhin in Ruhe lassen würde. Ich hatte heute Abend keine Lust dazu. Okay, auch an anderen Abenden hatte ich keine Lust dazu. Aber das war dann auch wieder eine ganz andere Geschichte.
Vanessa kam sofort angerannt als sie mich sah, und sprang mir regelrecht in die Arme. Ich drückte sie fest an mich und schloss kurz die Augen. Ich hatte sie wirklich vermisst. Obwohl es nur wenige Monate her war, das sie ans College gegangen war.
„Hey, Vanny“, begrüßte ich sie sanft und küsste sie auf die Wange, wie ich es schon immer getan hatte. Sie war nun mal meine kleine Schwester und ich liebte sie. Von all meinen Geschwistern vermutlich am meisten. Weil sie auch die Einzige war, bei der ich die große Schwester war und nicht sie. Immerzu hatte ich den Drang, sie zu beschützen.
„Ich habe dir so viel zu erzählen, Ry. Es ist einfach unglaublich am College und ich habe schon so viele nette Menschen kennengelernt.“ Sie redete noch ein wenig so weiter, ohne Punkt und Komma, und ich fühlte mich gleich besser. Vanny war von uns allen die Fröhlichste und auch diejenige, die so ziemlich am meisten reden konnte. Außerdem hatte sie eine sehr angenehme Stimme, sodass man ihr tatsächlich stundenlang zuhören konnte.
„Hey, mal ganz langsam, Süße. Du bist doch gerade erst angekommen und wir haben später, oder morgen, noch Zeit zum plaudern. Ich muss noch die anderen begrüßen“, bremste ich sie jedoch irgendwann lachend und sie sah mich verlegen an.
„Entschuldige bitte. Es ist einfach nur schon Monate her, dass ich dich um mich hatte. Irgendwie ist es auch recht komisch ohne dich, Ry.“ Sie seufzte leise und ich umarmte sie einfach noch einmal fest. Irgendwie brauchte ich das auch ein ganz klein wenig im Moment.
„Ja, ich weiß, was du meinst. Und ich will auf jeden Fall noch alles hören.“ Dabei telefonieren wir auch regelmäßig, aber das war eben einfach nicht das Gleiche. Es würde nie ein echtes Gespräch von Angesicht zu Angesicht mit meiner kleinen Schwester ersetzen können. Nicht mal ein Videoanruf würde das können.
Jennifer, Liam und Kyle begrüßte ich auch mit einer sehr festen Umarmung und wollte auch diese drei zunächst nicht loslassen. Sie hatten mir auch so gefehlt. Und das, obwohl sie nicht weit weg wohnten und wir uns tatsächlich erst vor ein paar Tagen gesehen hatten. Meine Stimmung war heute also tatsächlich ziemlich im Keller. Sonst hätte ich nicht so an meinen Geschwistern gehangen. Anscheinend spürten sie auch, dass etwas los war, denn mindestens einer von ihnen war stets an meiner Seite. Ich hatte ein klein wenig Angst, dass sie bemerken würden, dass ich ständig zu Rayne hinsah. Mehr als einmal begegnete ich dabei seinen Blick und sah sofort verlegen zur Seite. Ja, als ob das helfen würde. Vielleicht bei einem Blick, ja, aber doch nicht bei gefühlten hundert! Manchmal war ich wirklich ein hoffnungsloser Fall…
Aber das er auch ebenso oft zu mir sah, verwunderte mich dann doch erheblich. Vielleicht hatte ich ja irgendwas im Gesicht und hatte es nur noch nicht bemerkt. Das wäre peinlich, aber nicht ungewöhnlich. Allerdings brachten mir das viele Grübeln rein gar nichts und nahm mir eher den Appetit. Und da ich meine Mutter nicht enttäuschen wollte, versuchte ich mit aller Macht nicht mehr zu Rayne zu sehen, damit ich gleich mehr runter bekam. Sie machte sich immer viel zu schnell Sorgen um ihre Kinder. Besonders, wenn wir nicht so aßen, wie wir es sonst tun würden. Irgendwie schon ein wenig lustig, wenn man es mal Recht bedachte.
Als alles dann bereit war, setzten wir uns begannen zu essen. Die Männer unterhielten sich dabei fast ausschließlich über Sport und natürlich das beste Grillfleisch und deren Zubereitung, während die Frauen sich über alles mögliche unterhielten. Nur ich blieb eher still. In meinem Kopf herrschte einfach ein solches Chaos, dass ich mich kaum auf nur eine Sache konzentrieren konnte. Und natürlich blickte ich doch immer wieder mal zu Rayne. Und jedes verdammte Mal erwiderte er meinen Blick. Auch jetzt wieder.
Er war angeregt in ein Gespräch über Football mit Dad vertieft, doch sein Blick ruhte dabei fast ausschließlich auf mir. Ich spürte wie mir eine leichte Röte in die Wange stieg, jedoch konnte ich den Blickkontakt auch nicht einfach abbrechen. Ich würde fast schon magisch von diesen Augen angezogen. Na, das konnte ja noch etwas werden, dachte ich frustriert und versuchte mich nun wieder auf meine Mutter und meine Schwestern zu konzentrieren.
„Was hältst du davon, Riley?“, fragte mich diese auch genau in dem Moment. Dabei sah sie mich wissend an und lächelte nur liebevoll. Ich seufzte tief. Mit Sicherheit wusste sie, dass ich nicht hingehört hatte und woanders mit meinen Gedanken war.
„Wovon?“, fragte ich also nach. Meine Schwestern grinste sofort. Hatte ich was zu wichtiges verpasst?
„Nun ja, wir sprachen über das Fest kommendes Wochenende. Da Rayne nur als Gast hier ist, hat er natürlich für den Abend keine Begleitung. Und wir wissen ja, dass du dich auch nicht unbedingt darum kümmerst. Also habe ich den Vorschlag gemacht, dass ihr beide doch gehen könntet“, erklärte sie mir. Ich dachte an das Gespräch in der Küche mit ihr und seufzte erneut. Natürlich hatte sie diesen Vorschlag gemacht. Wie konnte es auch anders sein?!
Und natürlich hatte er seinen Namen gehört, drehte sich vollends zu uns und sah meine Mutter fragend an. Sie erläuterte ihm ebenso wie mir ihre Idee, doch im Gegensatz zu meiner Wenigkeit, schien er kein Problem damit zu haben und nickte sofort.
„Sehr gern. Das klingt nach Spaß“, war auch prompt seine Antwort und er lächelte meine Mutter nett an. Hallo?! Und was war mit mir? Dachte auch mal irgendwer daran, dass ich vielleicht gar keine Lust auf dieses Fest hatte? Das ich womöglich nicht einmal hingehen wollte? Nein, natürlich nicht.
„Also, Riley? Du wirst unseren charmanten Gast doch wohl nicht hängen lassen?“
Mist! War ja klar, dass meine Mutter jetzt wieder damit ankam. Sie wusste ganz genau, wenn sie diese Masche abzog, an meine gute Manieren und dergleichen zu appellieren, dass ich ihr keinen Wunsch abschlagen würde. Ergeben Seufzend nickte ich.
„In Ordnung, Mom.“ Bildete ich mir das siegesvolle Blitzen in Raynes Augen nur ein oder war es wirklich kurz da gewesen? Mit Sicherheit konnte ich das nicht sagen.
„Toll. Dann haben wir also am Samstag ein Date“, grinste er leicht. Ich verdrehte jedoch nur die Augen. Das konnte er doch unmöglich ernst meinen!
„Träume weiter. Ein Date ist das ganz sicher nicht“, konterte ich ein wenig schneidend. Fragend zog er eine Augenbraue hoch. Ich hatte wirklich nicht so ablehnend klingen wollen. Nur ging es mir durch den Strich, was Mom hier mit dieser Aktion versuchte. Ich wollte nicht verkuppelt werden. Erst recht nicht mit jemanden wie ihm, der mir tatsächlich gefährlich werden könnte, ich spürte es. Des Weiteren hatte es sowieso keine Zukunft. Ich lebte hier, auf dem Lande, und war damit mehr als nur zufrieden. Und er lebte in einer riesigen Stadt, vermutlich mit allen möglichen Luxus und würde das sicher nicht wegen mir oder einer anderen Frau aufgeben wollen. Also könnte sie sich das auch gleich wieder aus dem Kopf schlagen.
„Man könnte es aber zu einem machen“, hielt mein Bruder Jackson nun selbst dagegen. Auch ihn sah ich eher ungläubig an. War heute irgendwas in der Luft? Jackson hatte noch nie gewollt, dass ich unbedingt ein Dae hatte, oder sich dafür überhaupt interessiert. Weil ich seiner Meinung nach eh noch viel zu jung war. Wenn der wüsste, dachte ich dabei ein klein wenig amüsiert. Äußerlich schnaubte ich jedoch nur genervt. Sollten sie ruhig reden wie sie wollten. Ich würde Rayne herumführen, wie es gewünscht war, und das war es dann auch schon wieder. Mehr ganz sicher nicht!
„Ihr könnt reden wie ihr wollt, aber ich denke, Rayne und ich entscheiden selbst jeder, ob es ein Date ist oder nicht. Ich sehe es nicht als Date an, sondern als Gefallen für den Freund meines Bruders. Mehr nicht. Und ich möchte auch nicht weiter darüber reden“, stellte ich nun klar. Plötzlich schwiegen alle. Ich war beim Reden aufgestanden und verließ nun den Tisch und diese Gruppe. Ich wollte nichts weiter darüber hören und ging daher kurz ins Haus. Nur einen kleinen Moment ungestört sein. Aber…
„Du hast recht, Riley“, hörte ich hinter mir. Ich musste mich nicht umdrehen um zu wissen, wer es war. So nickte ich nur.
„Und es tut mir leid, was deine Familie da versucht. Ich weiß, wie das ist. Leider. Wir werden das Fest einfach so genießen, wie wir es wollen und nicht wie sie es tun.“
Nun drehte ich mich doch herum und sah Rayne geradewegs in die Augen. Seine waren wirklich schön, für einen Mann. Eines meiner Probleme mit ihm.
„Ja, das wäre sehr nett.“ Ich nickte schon wieder und seufzte.
„Mir tut es leid, wie ablehnend es klang, Rayne. Es ist absolut nichts gegen dich. Du scheinst nett zu sein und Jackson hat sich seine Freunde schon immer richtig ausgesucht. Ich mag es nur nicht, wenn mir gesagt wird, was ich zu tun und zu lassen habe.“ Er nickte seinerseits und lächelte dann tatsächlich. Wow! Verdammt, das war ein umwerfende Lächeln!
Er hielt mir seine Hand hin.
„Lass uns einfach unser Ding machen. Egal was das sein wird“, sagte er freundlich. Ich zögerte noch einen Moment, nahm seine Hand dann aber in meine und schüttelte sie.
„Einverstanden!“
Und damit war alles wichtige gesagt. Zwischen uns zumindest. Wir gingen gemeinsam zurück, setzten uns und niemand sagte mehr ein Wort über dieses Thema. Zuerst war es noch ein wenig angespannt, aber da Rayne und ich auch normal miteinander sprachen, verflüchtigt sich das dann auch schon rasch. Ich war natürlich total froh darüber. So konnte ich mich auch amüsieren, wenn ich meine ganze Familie schon einmal bei mir hatte.
Ich war ja mit ihnen aufgewachsen und fühlte mich immer am wohlsten, wenn es viel Trubel gab. Ab und an war Ruhe auch schon mal ganz nett, aber auf Dauer nicht so mein Ding. Daher liebte ich die Arbeit auf der Ranch auch so sehr. Hier gab es nur wenig Ruhe. Keine Zeit um über das vergangene nachzudenken…
Die Tage vergingen dann ziemlich rasch, was mich selbst überraschte. Jackson zeigte Rayne die ganze Gegend, spannte ihn zum Arbeiten ein und zog dann ab und an mit ihm in die Bar. Selbst Dad schloss sich ihnen an zwei Abenden an. Ansonsten waren die Tage wie sonst auch. Von Morgens bis Abends gab es immer mehr als genug zu tun. Entweder draußen bei den Tieren, oder bei Mom im Haus.
Wir lachten alle viel, auch wenn wir an manchen Abenden wirklich erledigt waren. Auch bei Rayne sah ich deutlich, wie er entspannter wurde, trotz der harten Arbeit. Er lachte eine Menge und ihm gefiel es anscheinend wirklich hier. Kein einziges Mal beschwerte er sich in irgendeiner Form. Vermisste er denn die Stadt überhaupt nicht?
Ich erwischte mich zu oft dabei, wie ich über ihn nachdachte, ihn beobachtete… Das musste ich wirklich dringend lassen. Es tat mir nicht besonders gut, denn dann verlor ich mich auch oft genug in Tagträumen. Jedes Mal schüttelte ich sie einfach ab und machte weiter mein Ding. So war es für alle am besten.
Und heute war der erste Tag des zweitägigen Festes. Ich stand auf, machte mich für den Tag fertig und seufzte mein Spiegelbild im Bad an. Nein, ich konnte doch heute nicht meine Arbeitsklamotten anziehen. Mom würde das nicht wirklich billigen. Also entschied ich mich tatsächlich für ein leichtes Sommerkleid, dass mir bis zum Knie ging und Sneakers dazu. Ich mochte nun einmal eher festere Schuhe. So wie Mom mit ihren Sandalen, war das einfach nichts für mich. Und diese Schuhe waren mein Eingeständnis an etwas leichtes. Es sah vielleicht nicht besonders hübsch aus, aber ich fühlte mich wohl damit. Und es sah auch nicht so aus, als hätte ich mich extra hübsch gemacht. Dieses Outfit hatte meine Familie schon des Öfteren an mir gesehen.
Die Haare band ich mir zu einem hohen Pferdeschwanz zusammen. So ging ich dann in die Küche zum frühstück. Natürlich herrschte schon Trubel. Mom und wir Mädels hatten gestern drei Kuchen gebacken für den Kuchenbasar. Das Geld davon wurde an verschiedene Organisationen in der Gegend gespendet. Daher machten wir es immer wieder sehr gerne und hatten auch Spaß bei der Zubereitung.
„Guten Morgen, Sonnenschein“, sagte Mom lächelnd. Die anderen hoben fast ausschließlich nur rasch ihre Hand zu Begrüßung. Ich tat es ihnen gleich und schnappte mir nur schnell eines der gemachten Brötchen. Ein Ritual von uns wann immer ein Fest stattfand. Mom machte dann Frühstück, wo sich jeder einfach nur zwischen Tür und Angel bedienen konnte.
„Danke, Mom!“, rief ich ihr zu. Sie zwinkerte und machte sich weiter an den Vorbereitungen. Jackson und Rayne sah ich in der heiteren Truppe jedoch nicht.
„Wo ist denn Jackson? Drückt er sich schon wieder vor der Arbeit?“, fragte ich meinen Dad. Er grinste und schüttelte den Kopf.
„Nein. Er und Rayne sind schon auf der Weide. Sie wollten noch ein wenig was machen, bevor wir zum Fest fahren. Wirklich sehr fleißig die beiden. Schade, dass sie bald wieder zurück in die Stadt fahren. Wir könnten sie hier echt gut gebrauchen.“
Ich müsste ihm zustimmen. Seid die beiden hier waren, war es wirklich besser. Ja, natürlich gab es auch weiterhin viel zu tun, aber es tat gut, zwei weitere starke Männer hier zu haben. Ich musste ihm also zustimmen, es war tatsächlich schade. Aber natürlich nur aus diesem einen Grund. Nicht, weil ich Rayne gerne weiter in meiner Nähe hätte…
„Okay, verstehe. Dann bring ich die Kuchen schon mal zu deinem Pick-Up, Dad.“
„Ja, tu das, mein Kind.“ Also machte ich mich an die Arbeit. Gemeinsam mit meinen Schwestern beluden wir die Autos.
„Wer fährt eigentlich mit wem?“, fragte ich dann wieder zurück in die Küche.
„Da all unsere Kinder da sind, müssen wir wohl wirklich schauen. Aber gut, dass Jackson ja auch mit dem Wagen hier ist. Das heißt, drei weitere Plätze“, erläuterte Dad. Sofort sagten alle, wo sie mitfahren wollten. Für mich blieb dann, welch Überraschung, nur der Wagen von Jackson. Naja, war ja auch eigentlich kein großes Problem… Außer in solch engen Raum mit Rayne zusammen zu sein. Obwohl wir nur knappe 20 Minuten fahren würden.
Ich war gerade dabei einen Korb mit Flaschen für uns alle zu füllen, als mein großer Bruder und Rayne in die Küche kamen. Sofort glitt mein Blick zu ihm und er sah auch sofort zu mir. Lächelnd. Ich steckte echt in der Klemme. Er kam auf mich zu und half mir indem er mir die letzten Flaschen reichte.
„Guten Morgen, Riley“, sagte er leise.
„Morgen“, nuschelte ich ebenso leise und wagte es nicht, ihn anzusehen.
„Heute ist unser Nicht-Date“, hauchte er nah an meinem Ohr. Ich erschauderte sofort und musste mich zwingen, nicht wegzurücken.
„So willst du es nennen?“, hakte ich nach und wollte den Korb hoch nehmen, doch Rayne kam mir zuvor.
„Lass mich das tragen. Und ja, so möchte ich es nennen.“ Mehr sagte er nicht, ehe er den Korb nach draußen trug. Ich sah ihn sofort nach und seufzte leise. Also ein Nicht-Date. Gab es so etwas überhaupt? Ich hatte so noch nie davon gehört, aber ich ließ es einfach so stehen.
Die Fahrt über schwieg ich, während Jackson, Rayne und Liam sich über alles mögliche unterhielten. Ich saß hinter Rayne, damit ich nicht in Versuchung kam, ständig zu ihm zu sehen, doch ich hatte das Gefühl, dass er durch den Seitenspiegel mehr als einmal zu mir sah. Und jedes Mal bekam ich dann eine Gänsehaut. Oh Mist!
Wir kamen ohne Probleme am Platz an, den man schon von Weitem hören konnte. Hier war wie jedes Jahr eine ganze Menge los.
Alle halfen beim entladen. Mom, Jennifer, Vanessa und ich brachten die Kuchen zum Basar, ebenso wie die selbstgemachte Marmelade meiner Mutter. Auch diese würde für den guten Zweck verkauft werden.
Nachdem das erledigt war, kehrten wir zurück zu den anderen und suchten uns einen hübschen Platz für das Picknick. Natürlich begrüßten wir alle die wir trafen dabei. Jeder kannte jeden und es gab kaum Geheimnisse. So dachte man das jedenfalls. Ich wusste es besser. So viel besser, doch das blieb alles in mir verschlossen.
„Führst du mich jetzt herum?“, fragte Rayne plötzlich hinter. Ich erschrak dabei und hätte tatsächlich fast gekreischt. Himmel noch mal!
„Scheich dich doch nicht so an“, knurrte ich leicht. Er lächelte entschuldigend.
„Sorry. Du warst einfach so tief in Gedanken versunken. Hast du an mich gedacht?“, fragte er herausfordernd. Ich zog einen Augenbrauen hoch. Es war nicht das erste Mal, dass ein Kommentar, den man leicht als Flirten bezeichnen konnte, von ihm kam. Ich dachte mir eigentlich nichts dabei, aber umso öfter es vorkam, umso mehr machte ich mir doch schon so meine Gedanken.
„Warum sollte ich an dich denken?“, konterte ich in dem Versuch mir nicht anmerken zu lassen, wie richtig er damit auch lag. Zumindest zu einem großen Teil.
„Weil du mich toll findest und dich nach mir sehnst“, scherzte er. Nun war ich mir sicher, dass er es nicht so meinte, wie ich es dachte. Gott sei Dank! Oder war es schade?
„Du meinst, so wie du dich nach mir?“, gab ich zurück und zwinkerte ihm zu. Einfach auf seinen Scherz eingehen. Vielleicht nahm ich ihm damit den Wind aus den Segeln?
Texte: Mandy Summer
Bildmaterialien: Mandy Summer
Satz: Mandy Summer
Tag der Veröffentlichung: 05.07.2020
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