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Chapter 1

Halt! Darüber wollte ich auf einen nachdenken. Nicht jetzt und erst recht nicht in Zukunft. Ganz einfach niemals. Am besten hätte es einfach aus meinem Lebenslauf gestrichen werden sollen.

„Nein, danke! Das schaffe ich auch ganz gut alleine, MUM!“, giftete ich sie dann doch etwas an. Ganz konnte ich meine Abneigung eben doch nicht unterdrücken. Nur zu deutlich bekam ich mit, dass sie leicht zusammen gezuckt war. Tja, ihr Problem, nicht meines. Sollte sie doch denken oder fühlen, was immer sie auch wollte. Mich juckte es nicht die Bohne. Warum sollte es?!

Als sie endlich den blauen Mercedes anhielt, der zugegebenermaßen echt toll war, sah ich dann doch schon ziemlich neugierig aus dem heruntergelassenen Fenster. Natürlich nur um zu wissen, wo ich die nächste Zeit leben sollte. Mein Blick schweifte nun über die neue Umgebung und hielt beim Haus inne.

Das Haus sah ziemlich alt aus auf den ersten Blick, hatte jedoch seinen ganz eigenen, fast schon liebevollen, Charme und Charakter. Eben, weil es so alt war. Ich mochte alte Häuser sehr. In ihnen fühlte man sich viel heimischer als in all den neumodischen Bauwerken, die einfach nur modern und teuer aussehen sollten. Es war dann schlicht kein richtiges Zuhause ein meinen Augen.

Die Fenster schienen noch aus der Kriegszeit zu stammen, mit neu gestrichenen grünen Fensterläden. An manchen Stellen war der Putz abgebröckelt oder sogar ein winziger Riss auszumachen. Die Haustür erstrahlte in dem gleichen Grünton wie die Fensterläden und wirkte ein wenig überladen. Vielleicht lag diese Einschätzung allerdings auch nur an meiner Abneigung gegen grün. Leine Ahnung warum, aber diese Farbe mochte ich nicht besonders. In meinen Augen gab es einfach zu viel Grün auf der ganzen Welt. Ja, schon klar, Pflanzen waren wichtig und so, aber ich... es war einfach so.

Allerdings gefiel mir der Efeu, der sich sanft an der Hauswand herauf schlängelte und die Fenster damit auch umschloss. Genau wie die vielen kleinen und großen Blumenkübel, welche den Weg zur Haustür säumten. Schade, dass Winter war und keine Blumen darin wuchsen. Es hätte sicherlich unglaublich hübsch ausgesehen. Ich konnte mir richtig gut vorstellen, wie viele verschiedenen Blumenarten und genauso vielen verschiedenen Farben dort zu sehen waren und den Garten einen sehr warmen Touch gaben.

Aber auch so, mit dem glitzernden, weißen Schnee, der hier vollkommen rein erschien, sah es einfach herrlich aus. Hoffentlich würde mir mein Zimmer ebenso gut gefallen, denn die Aussicht, ein ganzes Jahr hier zu verbringen und mich nicht wohl zu fühlen, behagte mir nicht. Ein Jahr lang. Ein verdammtes langes Jahr! Ich wusste ja nicht mal, was ich hier machen sollte. Hier gehörte ich einfach nicht hin. Das hatte ich meinem Vater sehr deutlich gesagt. Noch immer – ganze vier Tage später – hatte ich den Streit mit meinem Vater im Ohr. Es waren einige böse Worte gefallen, die ich natürlich niemals so gemeint hatte, wie sie im Eier des Gefechts aus mir heraus gerutscht waren.

So waren Kinder eben manchmal. Und nicht nur Kinder. Erwachsene sagten dann oft ebenfalls Dinge, die ihnen später leid taten und die nicht so gemeint waren. Aber ich war wütend. So richtig wütend. Dabei wurde ich das eher selten, da ich es mir zur Devise gemacht hatte, einfach alles zu ignorieren, was mir nicht gefiel.

Meine Eltern, Susan und Frank. Hatten es einfach über meinen Kopf hinweg entschieden, hatten mich nicht einmal gefragt, was ich dazu sagen würde. Da konnte man doch nur wütend sein. Von dieser Meinung würde mich auch keiner so schnell abbringen. Irgendwie waren Eltern ja eh immer der Meinung, genau zu wissen, was das Beste für das Kind war. Pah!

Und trotzdem erzählten sie ständig, man müsste seine eigenen Fehler machen und aus ihnen lernen. So allerdings funktionierte das nicht. Wie denn auch, wenn man nicht einmal dazu kam überhaupt auch nur einen kleinen Fehler zu begehen. Sah ich jedenfalls so. Sie handelten für ihr Kind, trafen Entscheidungen, die dann als richtig angesehen werden sollen, weil sie es ja besser wussten.

Klar, einige Sachen, wie Verbrechen, sollte man tatsächlich nicht selbst versuchen, aber alles andere... Ein falscher Freund, falsche Schuhe, falscher Weg... All diese kleinen Dinge.

Würde ich jemals Kinder haben, würde ich ihnen das Leben jedenfalls niemals so schwer machen, das hatte ich mir schon vor ziemlich langer Zeit geschworen. Als ich selbst noch sehr jung war und nicht alles begreifen konnte, was diese sogenannten Erwachsenen taten. Ob mir das am Ende dann tatsächlich gelang, würde die Zeit dann zeigen.

 

Schnell öffnete ich die Autotür – vielleicht auch eine Spur zu heftig - , setzte einen Fuß in den hohen Schnee und erschauderte sofort, da mir etwas von der weißen Pracht in den Schuh gefallen war. Natürlich schmolz es sofort, durchnässte meine Socken und ließ damit auch Kälte hinein. Ich seufzte schwer. Fing ja mal schon echt super für mich an. Das waren meine absoluten Lieblingsschuhe, schwarz mit ein paar dunkelblauen Streifen an den Seiten und total bequem. Außerdem konnte man sie zu sehr vielen verschiedenen Outfits tragen.

Hier war eben alles anders als in Kalifornien!

Dort war es immer warm, sonnig, schön. Einfach das Paradies in meinen Augen und der schönste Ort der Welt. Ich war dort aufgewachsen, hatte Freunde gehabt, ein Leben. Auch wenn dieses in den letzten Jahren irgendwie aus den Fugen geraten war.

Hier schien es nur kalt, leer und langweilig zu sein und zu werden. Jedoch war ich ein aufgeschlossener Mensch und anpassungsfähig. Anders hätte ich die letzten Jahre niemals überleben können. Nicht, seit dieser einen Sache. Bisher hatte ich jede neue Situation mit Bravur gemeistert und in meinen Augen war ich dabei auch jedes Mal ein Stück mehr über mich selbst hinaus gewachsen.

Ich sah wie meine Mutter zum Kofferraum ging, diesen öffnete und meinen Koffer heraus nehmen wollte. Schnell eilte ich zu ihr – wobei meine Schuhe nur noch nasser wurden – und nahm ihr meinen neuen Pink-Schwarzen Koffer ab. Dabei sah ich sie feindselig an. Ja, ich weiß, ziemlich kindisch. Aber hey, in den meisten Augen – von den Erwachsenen und ja auch vor dem Gesetz - war ich auch noch ein Kind mit meinen siebzehn Jahren. Mir war es egal, was sie nun dachte als sie mir einen langen Blick zuwarf.

Mit stolz erhobenen Kopf, lief ich den Weg zum Haus entlang zur Eingangstür, meine Mutter folgte mir sofort. Kurz bevor ich die drei kleinen Stufen erreichte, drängte sie sich vorsichtig an mir vorbei, schloss auf und hielt mir diese lächelnd auf. Ich konnte es nicht erwidern. Was gäbe es für mich auch für einen Grund zu lächeln? Ich wollte nicht hier sein, also war ich auch nicht glücklich genug für so eine Geste.

Im Inneren war es herrlich warm und roch noch immer nach der kürzlich vergangenen Weihnachtszeit. Zimt, Orange und Tanne konnte ich auf Anhieb heraus riechen. Und auch ein klein wenig war das Gefühl davon hier noch vorhanden. Ich musste gestehen, ich mochte diese Gerüche wirklich sehr. Mal sehen wie es später werden würde.

„Dein Zimmer ist im ersten Stock...“; begann meine Mutter noch immer lächelnd, brach dann ab und seufzte als sie mir ins Gesicht sah und ich ihren Blick erwiderte. Unschlüssig zuckte sie mit den Schultern und begann die Stufen herauf zu gehen. Ich folgte ihr so schnell es ging mit meinen großen Koffer. An der zweiten Tür auf der rechten Seite, gleich neben der Treppe, blieb sie stehen und öffnete diese dann für mich. Mit einem mulmigen Gefühl trat ich ein, stellte den Koffer gleich neben der Tür ab und sah mich deutlich neugierig um.

 

Meine anfängliche Skepsis verwandelte sich rasch in freudige Überraschung. Ehrlich, das Zimmer war wirklich traumhaft! Alt, romantisch und ein wenig verspielt. Eigentlich ja mehr für ein jüngeres Mädchen auf den ersten Blick, doch genau so etwas mochte ich sehr gern. Woher hatte sie das gewusst?

Ein wunderschönes, riesiges Himmelbett, aus weiß lackierten Holz, dominierte den Raum und zog sofort den Blick auf sich. Tücher waren an den „Säulen“ - wie ich es gerne nannte – befestigt und wirkten nicht fehl oder überladen. Sie waren in einen sanften Rosaton gehalten und halb durchsichtig. Neben dem Bett war ein keiner, ebenfalls weißer, Nachttisch mit einer kleinen Leselampe.

Ein weißer, großer Schreibtisch stand unter einem der zwei Fenster, mit einem modernen Drehstuhl. Der Kleiderschrank, gegenüber vom Bett, war auch weiß, hatte Schnörkel an den Kanten und Ecken. Vorne waren zwei Spiegel befestigt. Und auch die Wände erstrahlten in einem frischen, warmen Weiß, mit verspielten Akzenten in blumenartiger Form.

Eigentlich ja schon wie ein Zimmer für eine keine Prinzessin. Mit Betonung auf „klein“ dabei. Doch mir gefiel es super. Natürlich würde ich es nie laut zugeben, aber in meinem Herzen war ich manchmal noch ein kleines Mädchen, dass sich wünschte, eine echte Prinzessin zu sein und irgendwann ihren Traumprinzen zu treffen. Natürlich würde dann auch das bekannte Ende folgen. Bis ans Ende unserer Tage glücklich vereint!

„Ganz nett“, sagte ich dennoch nur und versuchte so gleichgültig wie möglich zu klingen, Hinter mir seufzte meine Mutter abermals. Ich kostete ihr wohl doch einiges an Nerven. Geschah ihr ganz recht so!

„Ich bring dir den Rest hoch und dann kannst du erst mal in Ruhe auspacken und dich ein wenig von dem langen Flug und der Autofahrt erholen. Mittag gibt es dann um dreizehn Uhr.“ Schnell eilte sie aus dem Raum und lief noch hastiger die Treppen runter. Ich sah ihr nur kurz nach. Nun seufzte ich schwer. Fing ja alles schon mal gut an.

Aus meiner kleinen Sporttasche fischte ich mein Handy heraus um auf die Uhr zu sehen. Dieses war ein Geschenk meiner Mutter zu meinem letzten Geburtstag. Natürlich auch hypermodern und so gar nicht mein Fall. Doch tatsächlich hatte ich mich schnell an die komplizierte Bedienung gewöhnt. Vielleicht lag es daran, dass ich doch um einiges schlauer war, als die meisten Menschen in meinem Umfeld annahmen.

Noch einmal sah ich mich um. Hier würde ich also die nächsten zwölf Monate verbringen und versuchen, dass meine Mutter und ich uns nicht die Köpfe einschlugen. Möglich war immerhin alles!

Genervt hob ich den Koffer aufs Bett und öffnete ich langsam. Ich hatte nicht wirklich große Lust auszupacken. Überall Falten und Knicke an meinen Lieblingsstücken. Es wurde wirklich immer besser! Eitel war ich zwar nicht, doch so etwas mochte ich tatsächlich nicht. Und wenn ich schon in diesen Kaff festsaß, wollte ich wenigstens heil aus der Sache heraus kommen.

Mir war es jetzt schon viel zu dumm hier! Hoffentlich könnte ich so oft wie möglich allein in meinem Zimmer sein. Dieses gefiel mir nämlich tatsächlich von Minute zu Minute besser. Ob sie es extra für mich eingerichtet hatte? Oder war es nur die ganze Zeit schon ein hübsches Gästezimmer?

Mhh, vielleicht sollte ich sie danach fragen.

 

Die ersten Tops hatte ich gerade in den Schrank verfrachtet und nahm nun meine Unterwäsche aus dem Koffer um sie in eine der oberen Schublade einer keinen Kommode zu legen. So kam man schnell dran und ich hatte auch eine bessere Übersicht.

„Störe ich zufällig oder soll ich lieber helfen? Wobei ich das Ausziehen ja eigentlich viel lieber übernehmen würde.“

Aus Schreck kreischte ich hysterisch, drehte mich ganz langsam herum unnnnddd....

Vor mir stand der heißeste Kerl seit ich denken konnte. Hätte er mich nicht so erschreckt wäre mir garantiert der Mund offen stehen geblieben und ich hätte ebenso garantiert gesabbert. Ohne Witz! An einen solchem Exemplar der männlichen Gattung Mensch, konnte sich wohl jeder die Finger verbrennen. Ich kam auch gerade in Versuchung!

Schätzungsweise eine ganze Minute, volle sechzig Sekunden, starrte ich ihn einfach nur erschrocken an. Dann erst realisierte ich was er da gesagt hatte und worauf es bezogen war. Einfach unglaublich.! Er war ganz augenscheinlich so arrogant wie er heiß war. Und das ließ leider darauf schießen, dass er nicht besonders helle in der Birne sein konnte. Nun, man konnte eben nicht alles haben. Außerdem gab es nun mal keine perfekten Menschen. Und schon gar keine perfekten Jungs oder Männer. Irgendwas war immer falsch. Leider.

„Spanner“, rief ich aufgebracht, ging schnurstracks auf ihn zu und schob ihn aus dem Türrahmen. Das war mein Zimmer. Was machte er überhaupt hier und wer war er? Er schien in meinem Alter zu sein. Vielleicht ein oder zwei Jahre älter. Mehr aber definitiv nicht.

„Ich bin kein Spanner, Püppchen“, konterte er augenscheinlich sehr belustigt. Zumindest dachte ich es, denn sein breites und sehr zufriedenes Grinsen ließ es mich vermuten.

„Mir ist es im Moment vollkommen egal, wer oder was du bist oder nicht bist. DU verpisst dich jetzt jedenfalls aus meinem Zimmer, bevor ich dir was brechen muss!“ Oh ja, das hätte ich echt drauf. Dabei würde man es nie vermuten bei meinem – wie alle sagten – süßen Aussehen.

Klasse! Süß! Ich wollte gar nicht süß sein und schon gar nicht so rüber, als könnte ich keiner Fliege was zuleide tun. Jetzt lachte er auch nur und hob abwehrend die Hände. Diese Geste ging mir jedes Mal, bei einfach jedem, voll auf den Geist. Konnte man sich denn nicht mal was anderes ausdenken?

„Schon gut, Rambo. Bin schon weg.“ Er drehte sich um und verschwand... genau gegenüber von meinem Zimmer in der Tür!

Na prima!

Wenn ich jetzt auch noch wüsste, wer das eigentlich ist.

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Tag der Veröffentlichung: 01.11.2019

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