Einleitung
Es könnte sein, dass die Frage entsteht, waum ich dieses Buch geschrieben habe – die Erklärung ist einfach. Nach ca. 27 Mal, die ich im Musical „Tanz der Vampire“ war habe ich immer öfter bemerkt, dass es in diesem Musical eigentlich keinen wirklichen Schluss gibt.
Nehmen wir den Grafen – welches Ende sollt er schon haben – er ist ein Untoter, die leben sowieso ewig.
Herbert – der Sohn des Grafen – er ist ebenfalls ein Untoter, genauso wie im Endeffekt auch Sarah, Alfred und all die anderen Vampire.
Doch nimmt man den Professor her – welches Ende hat er denn, er steht vom Stein auf und läuft davon… Und dann? Soll er erfrieren, soll er Sarah und Alfred finden, wird er selbst gebissen?!
Man weiß es nicht und genau aus diesem Grund habe ich dieses Buch geschrieben, es erzählt das Ende von Tanz der Vmapire.
Alle Anwesenden halten den Atem an - jeder wartet auf
den alles entscheidenden Schrei.
Plötzlich - Da ist er! Er halt laut durch alle Gänge des
Krankenhauses.
Lauter als manch andere kündigt Nicolai Abronsius sein
Leben an. Seine Eltern Nina und Thomas sind stolz, einen
gesunden Sohn zur Welt gebracht zu haben und sie sind
sich sicher: Ihr Sohn ist Einzigartig!
Wir schreiben den 22. November des Jahres 1950, ein Tag, an
dem einer der bedeutendsten Menschen der Geschichte
geboren wurde.
Nicolai Markus Abronsius, damals stolze 50 Zentimeter groß
- wenn man ihn jetzt ansieht, ist er nicht allzu viel
gewachsen - und 3 Kilogramm schwer.
Seine Eltern sind stolz - Sie haben
einen gesunden Sohn zur Welt gebracht. Er ist rosig -
leidet nicht an Gelbsucht und trinkt äußerst brav. Der ganze
Stolz der jungen Eltern.
Eingewickelt in ein strahlend weißes Handtuch wird er selbigen an diesem Tag übergeben.
„Das ist unser Junge.“, flüstert Nina und sieht Thomas tief
in die Augen.
„Ja, er ist etwas ganz besonderes.“, lächelt dieser.
Innerhalb der ersten Jahre entwickelt Nicolai sich prächtig und
wächst zu einem stolzen Jungen heran. Er lernt allerhand Dinge und ist mit seinem Wissen und Tatendrang oft vielen Gleichatrigen einige Schritte voraus. Besonders das Lesen hat er sich sehr früh angeeignet. Seine Lieblingsbücher waren die der bedeutensten Dichter und Schriftsteller unserer Zeit. Im zarten Alter von fünf Jahren konnte er bereits Shakespears „Romeo & Julia“ fließend und laut vorlesen – ohne auch nur den geringsten Fehler zu machen.
Der wirkliche Beginn seiner Geschichte ist jedoch der 1. September des Jahres 1956 – Nicolais erster Schultag.
Für viele Kinder ist selbiger der schönste Tag im
bisherigen jungen Leben. Viele Kinder sind in der Nacht davor so aufgeregt, dass sie kaum schlafen können. Allein auf Grund der Vorfreude auf die große – mit Süßigkeiten gefüllte Schultüte lässt sie einige Stunden lang wach liegen.
Nicht so Nicolai. Er war nervös, aber aus einem ganz
anderen Grund. Dieser junge - im Alter von
sechs Jahren - war ein Einzelkind, er musste nie teilen. Er hat
keine Geschwister und war es nicht gewohnt viele Menschen auf einmal um sich zu haben.
In der Schule würde er keine andere Wahl haben, er würde den ganzen Tag unter vielen Kindern verbringen, die er nicht kennt – das raubte ihm schon seit Tagen gänzlich den Schlaf.
„Komm Schatz, leg dich ins Bett! Morgen ist dein großer Tag. Du freust dich doch bestimmt schon drauf, oder?“, spricht Nina Abronsius zu ihrem Sohn.
Sie selbst ist wahnsinnig aufgeregt, ihr einziger Sohn wird eingeschult. Von nun an kann er sein Wissen mit anderen Kindern teilen. Doch genau das wollte Nicolai absolut nicht.
„Lass mich in Ruhe, Mama.“, ruft der kleine Nicolai seiner Mutter zu. Er springt auf, rennt an seiner Mutter vorbei ins Badezimmer und knappt die Türe zu. So schnell er kann verriegelt er die Türe und setzt sich auf den kalten Fließenboden.
„Was kann ich tun?“, jammert der Kleine leise. „Irgendwas muss mir doch einfallen.“. Er erhebt sich vom Boden, geht zum großen Spiegel und stellt sich kerzengerade davor. Verärgert verzieht er sein Gesicht.
„Komm schon Nicolai, du bist doch nicht dumm.“, brummt
er verärgert und klopft sich auf den Kopf.
„Schon oft hast du es geschafft, unangenehme Dinge zum Positiven zu wenden. Ob es der Hausarrest war, den du mit deinem Scharm umgangen bist, das Fernsehverbot, das du mit Bitten und verhindert hast, oder der Besuch bei Oma, dem du mit Bauchschmerzen entkommen konntest.“.
Während er so zu sich selbst spricht, wischt sich der kleine Junge über seine Stirn und erstarrt plötzlich. Frech beginnt er zu grinsen, denn genau in diesem Moment kommt ihm eine Idee.
„Das ist es!! Ich habe Fieber, ich kann es ganz genau fühlen.
Ich habe bestimmt annähernd 36 Grad.“, jubelt er leise. „Damit kann ich nicht in die Schule gehen, das ist beinahe tödlich.“.
Kurz probt Nicolai noch einen Hustenanfall und eine anschließend heisere – kratzige Stimmlage. Dann öffnet er die Türe und stapft mit schmerzverzogener Miene heraus.
Zugegeben - 36 Grad sind mehr eine Unterkühlung als
Fieber, aber das kann Nicolai nicht wissen.
„Nicolai, mein Sohn, komm sofort hierher.“, ergönt eine kräftige Stimme aus dem Wohnzimmer.
Der Junge verdreht die Augen und schlurft in die Richtung, aus der die Stimme kam, bis er vor seinen Eltern steht – das Gesicht immer noch schmerzverzehrt.
Die Beiden sitzen am Wohnzimmertisch und packen Nicolais Sachen. Als sie ihn kommen sehen, blicken sie langsam auf – ihre Mienen wirken nicht sonderlich erfreut.
„Mama, Papa.“, flüstert Nicolai mit ängstlicher Stimme, denn er weiß genau, dass jetzt nichts Gutes folgt.
Nina zieht ihren Sohn nahe an sich heran und bietet ihm einen Platz auf ihrem Schoß an. Nicolai nimmt das Angebot dankend an und klettert auf selbigen – kuschelt sich nah an seine Mutter heran. Fast hätte er vergessen, was er vorhatte, weil er sich in diesem Moment so wohl fühlte.
Doch kaum hatte er sich ein wenig entspannt, viel ihm sein Vorhaben wieder ein. Laut fängt er an zu husten und sich zu räuspern.
„Was ist denn los, mein Engel?“, fragt Nina besorgt.
„Ich fühle mich ganz elend.“, antworet Nicolai. „Mir schmerzt der Hals und die Nase rinnt in Bächen.“, spricht er weiter und zieht zwecks der Vorführung laut auf.
„Oh nein, mein armer Junge.“, säuselt Nina.
„Sie beißt an.“, denkt Nicolai und freut sich heimlich.
Doch die Freude ist nicht von langer Dauer, sein Vater macht ihm einen fein säuberlichen Strich durch die Rechnung.
„Der Junge ist doch nicht krank – gerade eben konnte er noch vergnügt durch sein Zimmer springen.“, ermahnt Thomas zur Vorsicht. „Der kleine Mann möchte sich nur vor der Schule drücken.“.
Ninas Miete erhellt sich. Sanft aber bestimmt schiebt sie ihren Sohn von ihrem Schoß herunter.
„Los, mein Sohn! Husch – ab in dein Zimmer. Zieh dich schon einmal um und leg dich ins Bett, wir kommen gleich nach!“, flüstert Nina.
„Oh nein, sie haben bemerkt, dass ich nur nicht in die Schule möchte.“, denkt Nicolai bei sich.
Währenddessen diskutieren Nina und Thomas im Wohnzimmer.
„Warum bist du dir so sicher, dass er nicht krank ist?“, fragt Nina.
„Ach, komm schon, du kennst ihn doch.“, antwortet ihr Mann. „Immer, wenn ihm etwas gegen den Strich geht, erfindet er Krankheiten, sucht Ausreden, oder bettelt so lange, bis wir nachgeben.“.
Während seine Eltern weiter diskutieren, zieht sich Nicolai seinen Pyjama an und legt sich in sein weiches Bett.
Noch bevor seine Eltern es schaffen, ihm beizubringen,
dass nichts Schlimmes passieren wird, schläft er ein.
Als Tags darauf der Wecker klingelt und Nicolai wach wird, stehen seine Eltern bereits startklar vor seinem Bett. Mit einem feinen Anzug in der Hand steht Nina vor ihm, daneben Thomas mit einer prallgefüllten Schultüte – vollgefüllt mit Süßigkeiten und Schulsachen.
„Guten Morgen, mein Schatz – es ist Zeit zum Aufstehen!“, rufen die Beiden – beinahe gleichzeitig. Sie scheinen sehr fröhlich zu sein – sich für Nicolai zu freuen.
„Komm, Nicolai – raus aus dem Bett!“, ruft Thomas und zieht ihm die Bettdecke davon.
„Ach Papa, jetzt lass mich doch schlafen, ich gehe heute auf keinen Fall in die Schule.“, motzt Nicolai zurück.
„Du stehst jetzt sofort auf – kleiner Mann.“, antwortet Nina bereits verärgert.
Nicolai, der mittlerweile begriffen hat, dass jeglicher Widerstand zwecklos ist, schält sich aus seinem Bett. Seine Mutter reicht ihm den Anzug, er wirft ihn über und zusammen verlassen sie das Haus.
Zu Fuß sind es nur ein paar wenige Minuten bis zur Schule und mit jedem Schritt wird Nicolai flauer im Magen. Endlich am Schultor angekommen sehen die Eltern gleich auf eine Liste, die am Schultor befestigt ist.
„Sieh doch – mein Kleiner – du bist in der eins A.“, ruft Nina entzückt.
„Ich weiß, Mama.“, nörgelt Nicolai. „Wie du weißt, kann ich lesen.“.
„Außerdem ist es egal, in welcher Klasse ich bin.“, denkt er weiter bei sich. „Ich nenne das hier sowieso nur den „Allgemeinen Behinderten Club.“. Bin ich eben im „A“-Teil des Clubs.“.
Thomas schiebt seinen Jungen vor sich hin ins Schulgebäude.
Zusammen mit Nina suchen sie die Türe, auf der „1A“ geschrieben steht.
„Hier ist es.“, sagt Nicolai mit entnervert Stimme.
„Na dann, viel Spaß.“, antworten die Eltern und lassen Nicolai alleine vor der Türe stehen.
Dieser atmet einmal schwer durch und betritt seine Klasse, in welcher nur Burschen sitzen. Nach einem kurzen Blick nach links und rechts erkennt er, dass nur noch ein Platz frei ist und auf selbigem liegt eine Schultasche. Nicolai stapft zu diesem Platz und bleibt davor stehen.
„Gehört die Tasche dir?“, fragt er den Jungen, der auf dem Platz nebenan sitzt.
„Klar, wem sonst?“, fragt dieser frech.
„Darf ich mich neben dich setzen?“, fragt der gut erzogene Nicolai freundlich und lächelt dabei.
„Ne, wie kommst du denn darauf?“, antworet ihm der Nachbar und streckt ihm die Zuge entgegen.
Nicolai, der so eine freche Art gar nicht gewoht ist, stapft enttäuscht in die letzte Reihe. Nach nochmaligem Umsehen erkennt er keinen freien Platz und lässt sich schließlich notgedrungen und seufzend auf den Boden sinken.
Ein paar Minuten später betritt eine junge Dame die Klasse. Die Dame hat blonde, lange Haare, die sie zu einem Zopf geflochten hat, trägt einen dunkelbraunen – knielangen Rock und eine grüne Bluse. Um ihren Hals hat sie ein grünes Tuch gewickelt und an ihren Füßen trägt sie braune Schuhe mit einem kleinen Absatz.
„Die sieht aber nett aus.“, denkt Nicolai. „Das ist sicher die Frau, die man Frau Lehrerin nennt.“, denkt er weiter und blickt unter dem Tisch hindurch zu ihr auf.
„Gut, dass ihre Schule sie größer machen, sonst würde man sie von hier hinten gar nicht sehen können.“, denkt Nicolai. Dass es eher unüblich ist, auf dem Boden zu sitzen, daran denkt der Junge nicht – woher sollte er es auch wissen.
„Guten Morgen, meine lieben Kinder.“, spricht sie mit
sanfter Stimme. „Ich bin eure Klassenlehrerin und werde
euch die nächsten vier Jahre durch diese Schule begleiten.“,
spricht sie weiter.
Nicolai, ist überwältigt von der engelsgleichen Stimme seiner Lehrerin.
„Vielleicht ist diese Frau ja netter, als meine Mitschüler.“, denkt er bei sich und hofft, dass sich dieser Gedanke bewarheitet.
„Mein Name ist Susanne Brinkmann und ich freue mich,
diese Klasse übernehmen zu dürfen. Wenn ihr mich ansprechen wollt, sagt doch am Besten „Frau Susi“ zu mir.“,
erklärt sie den Kindern.
Nicolai ist hin und weg.
„Ich werde jetzt eure Namen ansagen, das dient zur Kontrolle, ob die Klasse vollständig anwesend ist. Diejenigen, die angesprochen werden, erheben sich bitte und sagen laut und deutlich „Hier!“, spricht sie etwas lauter, da es in der Klasse unruhig wird.
Nachdem sie einige Namen aufgezählt hat, kommt Nicolai an die Reihe.
„Nicolai Markus Abronsius.“, sagt Frau Brinkmann laut und
sieht sich in der Klasse um.
Nicolai steht auf und antwortet ihr. Frau Brinkmann sieht
sich um, kann Nicolai aber nicht entdecken, sie rechnet nicht
damit, dass ein Schüler auf dem Boden sitzt, wo doch genau so viele Stühle in der Klasse stehen, wie Schüler anwesend sein müssten.
„Nicolai Markus Abronsius.“, sagt sie noch einmal laut und
deutlich und ihre Engelsstimme klingt weit nicht mehr wie die eines Engels, mehr wie die eines Teufels.
„Hier!“, ruft Nicolai und springt auf und ab, um erkannt zu werden. Er ist nicht besonders groß, genaugenommen ungefähr einen Kopf kleiner als die Meisten in seinem Alter.
„Wieso sitzt du denn auf dem Boden?“, fragt Susanne laut.
„Hier vorne, neben Claus Grotmann ist ein Platz frei, wieso hast du dich dort nicht hingesetzt?“, will sie wissen.
„Auf dem Platz neben Claus liegt doch sein Rucksack, dort kann ich mich nicht hinsetzen.“, antwortet Nicolai und deutet auf den Jungen, der ihm den Platz verwährt hat.
„Das ist doch kein Grund, sich auf den Boden in die hinterste Reihe zu setzen. Dann wird der junge Mann eben seinen Rucksack von dem Nebenstuhl nehmen und du setzt dich dorthin.“, spricht Susanne und sieht Claus böse an.
Dieser packt genervt seinen Rucksack, legt ihn auf den Boden
neben sich und deutet Nicolai, sich auf den nun leeren Platz zu setzen.
Selbiger, der nur langsam auf den Platz zugeht, bedankt sich
mit einem Nicken bei seiner Lehrerin und setzt sich auf den
neugewonnenen, leeren Stuhl.
„Dankeschön.“, antwortet er dem Jungen.
„Das wirst du noch büßen.“, verspricht Claus mit bösem
Blick. „Niemand verpetzt mich bei einem Erwachsenen, das
wirst du noch lernen.“, spricht er und funkelt Nico an.
Selbiger sieht ihn verblüfft an und weiß nicht so Recht, wie ihm geschieht – wollte er doch nur nett sein.
Eine Stunde später ist der erste Schultag geschafft und Nicolai verlässt als Erster seine Klasse. Seine Eltern warten vor der Türe der Schule, wie viele andere Eltern auch und nehmen ihren Sohn in den Arm.
„Siehst du mein Junge, schon hast du den ersten Schultag geschafft, wenn du es auch Anfangs nicht glauben wolltest.“, lacht seine Mutter.
Ängste sind oft unbegründet, mein Junge.“, lacht auch sein Vater.
„Wenn ihr wüsstet.“, denkt Nicolai bei sich. Vor Claus hat er jetzt nämlich erst so richtig Angst.
Dass dieser Junge in seinem Leben noch eine der bedeutensten Rollen spielen wird, kommt Nico zu diesem Zeitpunkt noch nicht in den Sinn.
Zu Hause angekommen streift Nicolai erst einmal seine
schwarze Hose, das weiße Hemd und den grauen Plunder
ab und schlüpft in seinen Hausanzug. Danach begibt
er sich ins Wohnzimmer und setzt sich zu seinen Eltern
auf die Couch.
„Na mein Junge, wie war denn dein erster Schultag? Erzähl
schon, ist irgendetwas Besonderes passiert?“, fragt seine
Mutter.
„Es war nichts Besonderes – nur das übliche Bla Bla am ersten Schultag.“, antwortet Nicolai in der Hoffnung, danach in Ruhe gelassen zu werden.
„Okay, mein Junge.“, antwortet Nina. „Wenn du möchtest, kannst du spielen gehen.“.
Nico nimmt das Angebot dankend an und huscht davon. Er hüpft in sein Zimmer, schließt die Türe hinter sich und legt sich auf sein Bett. Dort angekommen schließt er die Augen und versucht angestrengt nachzudenken.
„Warum ist dieser Claus nicht nett zu mir? Ich habe ihm
doch gar nichts getan.“, sagt Nicolai zu sich selbst.
Er ist verunsichert und weiß nicht, wie er mit der Situation
umgehen soll. Den ganzen restlichen Tag bleibt er in seinem Zimmer und denkt nach, wie er herausfinden könnte, was sein Sitznachbar gegen ihn haben könnte.
In diesem Szenario des Überlegens entweicht ihm das erste Mal einer der Sätze, die er bis an sein Lebensende für den wichtigsten halten wird.
„Wenn in ihm der Verdacht erwacht, es wird mir was verschwiegen, versuche ich mit aller Macht, die Wahrheit rauszukriegen.“, flüstert er leise.
Bis zum späten Abend grübelt er, doch irgendwann schläft er erschöpft ein.
Als am nächsten Morgen der Wecker klingelt, springt Nicolai
auf. Noch bevor seine Eltern ihn wecken können, sitzt er in der Küche beim Frühstückstisch und wartet auf seine Eltern.
Schon zu dieser Zeit war Haferschleim seine
Lieblingsspeise, dazu trank er oft einen Becher Kakao.
„Nicolai, ist etwas passiert?“, fragt seine Mutter besorgt, als
sie total übermüdet in die Küche kommt.
„Wieso bist du denn schon wach?“, fragt sein Vater, der
hinter Nina herschleicht.
„Es ist nichts passiert, ich bin schon ausgeschlafen.“, antworet Nicolai gespielt fröhlich.
„Wieso denken meine Eltern immer, dass etwas passiert ist.
Nur, weil ich einmal früher wach bin, als sie. Okay,
zugegeben, normalerweise krabble ich nicht freiwillig aus
dem Bett, mir ist im Traum allerdings eine Lösung meines
Problems eingefallen. Ich tausche einfach mit jemand Anderem den Platz.“, denkt er sich. „Ist doch ganz einfach.“.
Eine Stunde später kommt er in seine Klasse und setzt sich
auf seinen Platz. Claus sitzt schon da, beachtet ihn allerdings
nicht.
„Hallo Claus, wie geht es dir? Hattest du einen schönen
Abend?, fragt Nicolai aus reiner Höflichkeit, weil er es so
gelernt hat.
Doch von Claus kommt keine Antwort, er beachtet ihn gar nicht.
Noch bevor Nicolai fragen kann, wieso er ihm keine
Beachtung schenkt und ihn belehren kann, dass das ziemlich
unhöflich ist, betritt Frau Brinkmann die Klasse.
Nachdenklich schaut sie in die Runde und ihr Blick hält bei
Claus inne. Sie sieht ihn eindringlich an, nickt ihm zu und
beginnt mit dem Unterricht.
Mathematik steht auf dem Plan, das ist Nicolais Lieblingsfach.
Die Schüler haben zwar am ersten Schultag noch nichts
gelernt, trotzdem ist sich Nicolai sicher, dass er Mathematik
lieben wird.
„Viel Logik – das ist genau Meines.“, denkt er bei sich und lächelt.
Allein der Name des Faches gefällt ihm, im Gegensatz zu
Deutsch, Geografie oder Biologie. Trotzdem er sich auf die
Unterrichtsstunde freut, ist er verunsichert, was mit Claus
los ist.
„Lässt er mich schon in Ruhe, bevor ich etwas sagen konnte?“, fragt er sich und sieht Claus an. Dieser bewegt sich keinen Millimeter, sein Blick ist starr auf die Tafel gerichtet.
Den ganzen Tag passiert nichts, Claus lässt Nicolai in Ruhe.
Auch in den folgenden Wochen passiert nichts und
langsam hört Nicolai auf, sich zu fragen, was geschehen sein
könnte.
Erst am letzten Schultag vor den Semesterferien bringen
vier Worte aus Claus Mund Nicolai zum Schwanken.
„Sch„ne Ferien, Claus.“, sagt Nicolai und winkt ihm zu.
Dieser gibt ihm keine Antwort, dreht sich nur um und geht
davon. Nicolai tut das Gleiche, doch plötzlich spürt er eine
Hand auf seiner Schulter.
„Ich mag dich, Nicolai“, sagt Claus und verschwindet. Er lässt Nicolai verblüfft und verwirrt vor dem Schultor stehen. In den Semesterferien hat Nico sich vorgenommen, mehr Kontakt zu seinen Mitschülern aufzubauen. Im Moment ist er noch ein ganz schöner Außenseiter, da es ihm sehr schwer fällt, Kontakte aufzubauen.
Am ersten Schultag wurde in der Klasse eine Art Liste mit
Namen und Telefonnummern der Mitschüler ausgeteilt, die
sich Nicolai schnell holt.
Er stellt sich ins Wohnzimmer vor das Telefon und versucht, irgendeinen Mitschüler zu erreichen. Doch keiner hebt ab, niemand ist zu Hause.
„Mama, wieso hebt denn keiner meiner Mitschüler vom
Telefon ab?“, fragt er Nina.
„Wir haben doch Ferien, die Anderen können also nicht in der Schule sein.“, spricht er weiter.
„Schatz, die sind bestimmt in den Urlaub gefahren.“, antwortet seine Mutter und lächelt ihn an.
Nicolai hat alle Nummern der Telfonliste durch, kein einziger Mitschüler hat abgehoben. Nur Einer ist noch unversucht geblieben. Er fasst sich ein Herz und wählt die Nummer, neben deren Name „Claus Grotmann“ geschrieben steht.
Mit zitternden Händen wählt er die Nummer und wartet gespannt, ob jemand abhebt. Natürlich, wie sollte es auch
anders sein, klickt es am anderen Ende der Leitung.
„Claus Grotmann, hallo?“, ertönt es.
„Ähm, Hallo Claus, hier ist Nicolai. Bist du zu Hause?“,
fragt Nicolai ängstlich.
„Natürlich bin ich zu Hause, sonst hätte ich doch nicht
abgehoben.“, brummt Claus ins Telefon.
„Was willst du denn?“, fragt er.
Nicolai ist verunsichert. Was will er denn wirklich, wieso hat er eigentlich angerufen? Er ist so nervös, dass er vergessen hat, was er Claus eigentlich fragen wollte.
„Ich, ich… Ich wollte dich fragen, ob du vielleicht Lust hast,
eine Schneeballschlacht mit mir zu machen. Oder vielleicht zu mir zu kommen und etwas zu spielen.“, flüstert Nicolai in
den Hörer.
Stille. Auf der anderen Seite der Leitung tut sich nichts
mehr. Claus bringt kein Wort heraus.
„Claus, bist du noch da?!“, fragt Nicolai verunsichert.
„Ja na klar bin ich noch da. Ich hätte schon Zeit und ich glaube auch Lust, zu dir zu kommen. Ich bin in einer viertel Stunde bei dir, ist das in Ordnung?“, fragt Claus und Nicolai bemerkt etwas Freude in seiner Stimme.
„Ja, das ist toll. Ich warte unten auf dich. Bis später dann!“, ruft er in den Hörer, während er schon auflegt.
Er hat es geschafft, er konnte seine Nervosität überwinden.
„Mama, kannst du schnell einen Kuchen backen, ich habe Claus zu uns eingeladen.“, ruft er in die Küche, in der seine
Mutter steht.
Gleich darauf läuft er in sein Zimmer, räumt seine Spielsachen vom Boden weg und zieht sich etwas Ordentliches an. Er findet, dass für das erste gemeinsame Spielen eine schwarze Jogginghose und ein orangefarbenes, langärmliges T-Shirt angemessen sind.
Eine knappe viertel Stunde später steht er, zusätzlich mit einer dicken Daunenjacke bekleidet, vor seiner Haustüre und wartet, dass Claus um die Ecke biegt. Und: Da ist er auch schon. Er komm angelaufen und stellt sich vor Nicola hin. Er sieht im tief in die Augen und schon zweifelt Nico daran, ob es eine gute Idee war, Claus zu sich einzuladen.
„Hallo Nicolai.“, spricht Claus. „Ich freue mich, dass ich zu
dir kommen darf, mir ist zu Hause total langweilig.“, redet er
weiter.
„Ich freue mich, dass du hier bist. Du bist der einzige Freund, den ich habe.“, erwidert Nicolai.
In diesem Moment starrt ihn Claus an, als ob ihn die Worte wie ein Schlag ins Gesicht getroffen hätten.
„Ich war so gemein zu dir und du sagst, dass ich dein Freund bin?“, fragt er ungläubig.
ßJa, du warst nicht gerade nett zu mir und ich weiß bis jetzt nicht, wieso. Aber ich bin nicht nachtragend. Ich fühle mich ziemlich einsam und kann nicht mit anderen Menschen umgehen. Ich habe das nie gelernt, weißt du.“, erklärt Nicolai dem immer noch etwas verdutzten Claus.
„Aber… Wieso bist du nicht böse auf mich?“, fragt dieser.
Das stimmt. Wieso ist Nicolai eigentlich nicht sauer, nett war
das nicht gerade, was Claus mit ihm gemacht hat. Aber beim
besten Willen f”llt ihm kein Grund ein, wirklich angefressen auf Claus zu sein.
„Ich weiß es nicht, ich glaube einfach, dass du mein Freund sein könntest und deswegen bin ich nicht böse. Aber warum warst du eigentlich so gemein zu mir, erklär mir das doch mal.
Dass das nicht nett war, das weißt du doch hoffentlich, oder? Und dass sich das nicht gehört, wirst du auch wissen, vermute ich, oder?“, spricht Nicolai und sieht Claus fragend an.
„Weißt du, Nico: Ich habe keine Freunde, ich bin immer
alleine gewesen und bin ein Einzelkind. Ich hatte zu Hause
nur meine Eltern, die ziemlich streng sind. Deswegen bin
ich vielleicht auch so ruppig zu den Leuten. Ich habe nicht
gelernt, meine nette Seite zu zeigen, deswegen war ich so
gemein zu dir. Aber als mich Frau Brinkmann ermahnt hat,
dich in Ruhe zu lassen, ist mir aufgefallen, dass ich eigentlich gar nicht gemein sein möchte.“, erwidert er und lächelt.
„Wie ich dir schon gestern gesagt habe. Ich mag dich und
ich weiß eigentlich gar nicht, warum, denn wir haben noch
nie wirklich miteinander geredet.“, lächelt Claus weiter.
Nicolai steht da, als hätte ihn der Blitz gestreift. Stock steif,
wie angefroren. Er sieht Claus tief in die Augen. Noch nie hat jemand so etwas zu ihm gesagt, noch nie mochte ihn jemand wirklich gerne.
„Ich… Ich hab dich auch gerne, Claus. Deswegen bin ich dir nicht böse und deswegen habe ich dich angerufen. Wollen wir nicht hineingehen und etwas spielen? Meine Mutter hat Kuchen gebacken und Kakao gekocht.“, antwortet Nicolai, nimmt Claus Hand und zieht ihn in die Wohnung.
Dort angekommen streift Nicolai seine Daunenjacke ab und
schlüpft in seine Hausschuhe. Claus folgte seinem Beispiel und zieht sich seine Jacke aus. In diesem Moment musterten sich die beiden Burschen gegenseitig und fangen an zu lachen.
„Komischer geht es ja wohl nicht.“, lacht Nico.
„Du trägst eine schwarze Jogginghose und ein
Orangefarbenes, langärmliges T-Shirt.“, lacht auch Claus.
Die beiden tragen exakt dieselbe Kleidung. Dass genau in diesem Moment eine langjährige Freundschaft besiegelt war, wissen die Beiden zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht. Sie waren froh, überhaupt einmal einen Freund an der Seite zu haben. Denn zusammen geht man durch dick und dünn, was die Beiden auch noch erleben werden.
Die ganzen Ferien hindurch verbringen Nicolai und Claus
beinahe jeden Tag zusammen. Schon da zeichnete sich ab,
dass die Beiden die besten Freunde werden würden.
Die kommenden drei einhalb Jahre ziehen sich dahin, die Freundschaft der Beiden ist das Einzige, was ihnen am Volksschulleben wirklich Spaß macht.
Am Ende der vierten Klasse musst nun leider auch entschieden werden, wie es weitergehen soll. In welche Schule wird man gehen, in welche Klasse wird man kommen und vor allem, wie werden die neuen Mitschüler sein?
Nicolai war klar, dass er in ein Gymnasium gehen wird. Seine Noten waren toll, er war ein Klasse Schüler und sein Traum war schon immer, später einmal zu studieren.
Bei Claus sieht die ganze Sache etwas anders aus. Seine Noten sind ziemlich schlecht, er kam gerade so durch die Klassen hindurch und musste jedes Jahr Prüfungen ablegen, um überhaupt aufsteigen zu dürfen.
Unterschiedlicher können zwei Freunde kaum sein und trotzdem hielt ihre Freundschaft die ganze Volksschule hindurch an.
Am letzten Schultag, direkt nach der Zeugnisvergabe steht
es fest. Nicolai wird das Gymnasium im Ort besuchen, Claus
die Hauptschule ein paar Orte weiter weg. Für die Beiden bricht eine Welt zusammen, denn in getrennte Klassen oder
gar in getrennte Schulen zu gehen, kommt für sie ganz und
gar nicht in Frage. Doch an dieser Entscheidung gibt es nichts mehr zu rütteln.
Am nach Hause weg sprechen die beiden ausführlich miteinander, was schief gegangen sein könnte, warum sie auf unterschiedliche Schulen und in unterschiedliche Klassen gehen müssen.
Mit 10 Jahren, das Alter, das die Beiden nun erreicht haben,
verstehen sie das noch nicht so wirklich.
„Wieso hast du dich nicht mehr angestrengt, Claus. Du hättest mich um Hilfe bitten können, dann könnten wir jetzt beide auf ein Gymnasium gehen.“, fragt Nicolai und sieht Claus traurig an.
„Ich weiß es nicht, ich wollte dir deine Zeit nicht stehlen, nur weil ich die Dinge nicht verstehe. Wir werden das schon schaffen.“, antwortet im Claus traurig.
Plötzlich hat Nicolai eine Idee, eine, wie er findet, außerordentlich geniale Idee.
„Claus, ich hab‘s!“, ruft Nicolai und bleibt grinsend stehen.
„Ich bin gut in der Schule, ich muss sicher nicht so viel lernen wie du. Ich werde dir helfen, du kommst jeden Tag zu mir und wir lernen zusammen. Wenn du die erste Klasse in deiner Schule gut machst, kannst du doch auf meine Schule und in meine Klasse wechseln.“, spricht Nicolai entzückt.
Doch sein Einfall scheint Claus nicht wirklich zu berühren.
Er zweifelt, ob er das schaffen kann, denn ein Gymnasium,
so hat er gehört, ist nicht gerade einfach.
„Ach Nico, du musst bestimmt so viel lernen, dass du mir nicht einmal ansatzweise helfen kannst. Wir werden keine Zeit mehr miteinander verbringen können und ich werde nach der Hauptschule aufhören müssen, weil ich einfach zu schlecht bin.“, antwortet Claus und schüttelt den Kopf.
Doch Nicolai lässt sich von seinen Worten nicht beeindrucken. Er sieht ihm tief in die Augen.
„Claus, ich verspreche dir, ich werde dir helfen. Egal wann und wo, ich weiß, dass wir das schaffen können. Wir sind Freunde, die Besten, die es gibt, also halten wir auch in diesem Punkt zusammen.“, muntert er Claus auf.
„Doch Schluss jetzt, wir haben Ferien und müssen sie genießen.“, spricht er laut und grinst über beide Ohren.
„Was wollen wir machen? Gehen wir Eisessen, wollen wir Schwimmen gehen oder legen wir uns einfach auf irgendeine Parkbank und lassen uns die Sonne auf den Bauch scheinen?“, fragt er und lächelt immer noch.
Claus erwidert, dass er Lust auf ein Eis hätte und so spazieren die Beiden zum nahegelegenen Eisgeschäft und kaufen sich eine große Tüte. Sie denken, sie hätten sich die verdient und schlecken ihr Eis, bis ihnen übel wird.
An den folgenden Tagen verbringen die Beiden viel Zeit
miteinander.
Bis zu dem Tag, ungefähr eine Woche nach Beginn der Ferien, als Claus zu Nicolai kommt und ihn traurig ansieht.
„Nico, ich muss dir was sagen.“, spricht Claus und hat Tränen in den Augen.
„Was ist denn passiert, warum weinst du?“, fragt Nico, der
etwas irritiert ist.
„Was kann so schlimm sein, dass man weinen muss?“, denkt Nicolai bei sich.
Zudem hat er - außer seine Eltern - noch nie einen Menschen
weinen gesehen und es wirft ihn etwas aus der Bahn.
„Meine Eltern wollen, dass ich weggehe. Sie haben gesagt,
dass ich in die Stadt Königsberg ziehen muss.“, spricht er
und bricht in Tränen aus.
Nicolai ist geschockt. Wieso soll er wegziehen? Sein bester
Freund kann ihn hier doch nicht einfach alleine lassen, denkt er.
„Aber das geht doch gar nicht. Sie haben doch beschlossen, dass du in diese Hauptschule gehen sollst, nur ein paar Orte von hier entfernt. Wie sollst du von Königsberg denn dorthin kommen, das kann nicht funktionieren.“, spricht Nicolai leise und beginnt aus Verzweiflung selbst zu weinen.
„Und außerdem ist das gar nicht erlaubt. Ein Kind mit 10 Jahren darf doch gar nicht alleine in einer fremden Stadt wohnen, ohne seine Eltern.“, belehrt er Claus.
Das hat er einmal im Radio gehört und ist sich sicher, dass Claus Eltern ihn nicht wegschicken dürfen.
„Sie haben mich angelogen. Ich gehe gar nicht auf diese
Hauptschule, ich soll ein Internat in Königsberg besuchen. Sie wollen mich einfach von zu Hause weghaben und so weit weg schicken.“, spricht Claus mit leiser Stimme.
„Nico, das war es. Es ist vorbei, ich weiß nicht mehr, was ich tun soll.“, jammert er verzweifelt.
„Claus, komm schon. Das ist nicht das Ende der Welt. Königsberg ist nicht weit entfernt, ein Internat ist nicht schlimm. Ich werde dich so oft ich kann besuchen kommen, mit dem Bus ist es nur eine halbe Stunde von hier entfernt. Wir schaffen dasï“, versucht ihn Nicolai zu beruhigen.
Doch Claus lässt sich nichts sagen, er ist sich sicher, dass ein Internat das Ende einer Freundschaft bedeutet und eine halbe Stunde Fahrt mit dem Bus so weit ist, dass Nicolais Eltern ihm das nie erlauben würden.
„Hey mein Bester, Kopf hoch. Ich spreche gleich heute
mit meinen Eltern. Ich bin mir sicher, dass ich dich einmal
in der Woche besuchen kommen darf und eine Hauptschule
dauert auch nur vier Jahre. Die vergehen doch wie im Flug,
das wissen wir doch.“, muntert Nicolai ihn auf.
Er packt Claus Hand und zieht ihn zu ihrem Lieblingsplatz,
dem Eisgeschäft. Dort kramt er sein letztes Taschengeld
zusammen und kauft eine riesige EistËte, ganz allein für Claus.
Dieser setzt ein Lächeln auf und wischt sich die Tränen aus dem Gesicht.
„Es stimmt, unsere Freundschaft hat schon so viel überstanden, da schafft sie auch das hier.“, spricht er und Nicolai ist froh, seinen Freund aufgemuntert zu haben.
Den restlichen Tag verbringen sie damit, sich auszumalen, wie es sein wird, wenn Claus und Nicolai so weit voneinander entfernt wohnen müssen.
Am Abend, als Nicolai nach Hause kommt, führt ihn sein
erster Weg zu seinen Eltern.
„Mama, Papa, ich muss mit euch reden.“, verkündet er und
setzt sich auf den Boden, direkt vor die Nase seiner Eltern.
„Was ist denn los, mein Junge? Ist etwas passiert?“, beginnt seine Mutter zu sprechen.
„Nein, es ist nichts passiert, Mama. Obwohl, eigentlich doch.“, beginnt er zu antworten. „Königsberg ist doch nur eine halbe Stunde mit dem Bus von hier entfernt, oder?“, beginnt er zu fragen.
„Ja, das ist es.“, antwortet sein Vater. ß“Aber wieso willst du das wissen, willst du etwa mit Claus dorthin fahren?“, fragt er weiter.
„Nein, ich will nicht mit Claus dorthin fahren, ich will alleine dorthin fahren. Und zwar genaugenommen einmal in der Woche, sobald die Schule wieder begonnen hat.“, antwortet Nicolai mit fester Stimme, aber doch etwas nervös.
Seine Eltern sehen sich in die Augen und ihr Sohn kann förmlich Fragezeichen über ihren Köpfen tanzen sehen.
„Was genau tust du in Königsberg und wieso willst du einmal in der Woche dorthin fahren?“, fragt seine Mutter.
„Wie kommst du auf so eine Idee?“, tut sein Vater es ihr gleich.
Nicolai versucht seinen Eltern zu erklären, wieso er einmal in
der Woche in diese Stadt fahren muss. Er erzählt ihnen, dass Claus Eltern ihn dort in einem Internat unterbringen wollen und er nicht will, dass die Freundschaft der Beiden nur deswegen zerbricht.
„Claus ist mir wichtig, er ist der beste Freund, den ich habe. Zugegeben, er ist der einzige Freund den ich habe und das ist bei ihm ganz genauso. Ich kann ihn nicht verlieren, nur, weil er jetzt eine halbe Stunde von hier entfernt in ein Internat gehen muss.“, erklärt Nicolai und fleht seine Eltern an.
Nach kurzer Stille, die seine Eltern als Bedenkzeit nutzen, äußern sie sich ebenfalls zu diesem Thema.
„ Okay, Nicolai. Wir haben einen Plan. Du darfst Claus einmal die Woche besuchen fahren, wenn deine Noten in der Schule stimmen. In der Volksschule warst du ein toller Schüler, das Gymnasium ist um Welten schwerer, vergiss das nicht. Wir werden dir die Fahrkarte für den Bus zahlen, wenn du uns regelmäßig deine Leistungen zeigst. Und wir kürzen dir das Taschengeld, denn auf die Dauer wird die Fahrkarte auch etwas teuer.“, spricht seine Mutter und sein Vater nickt zustimmend.
„Das ist toll, danke Mama!“, ruft er und gibt ihr einen Kuss.
„Danke, Papa!“, ruft er und drückt auch ihm einen Kuss auf
die Wange.
Diese Neuigkeiten muss er sofort Claus erzählen, da ist er sich sicher. Da es allerdings Zeit zum Schlafen gehen ist, beschließt er, das gleich am nächsten Morgen zu erledigen.
Der Wecker hat noch nicht einmal geklingelt, da springt Nicolai schon aus seinem Bett, schlüpft in seine Klamotten und läuft, ohne sich zu verabschieden, zur Wohnung von Claus Eltern.
Dort klingelt er wie ein Irrer, denn er selbst freut sich sehr über die Nachrichten, die ihm seine Eltern am Vorabend
mitgeteilt haben. Plötzlich hört er Schritte und Claus öffnet vollkommen verschlafen die Türe.
„Nico, was machst du denn hier?“, ruf Claus erfreut und bittet ihn herein. „Du bist ja vollkommen außer Atem, ist etwas passiert? Hast du schon einmal auf die Uhr gesehen?“, spricht er und sieht seinen Freund fragend an.
„Ja, natürlich hab ich auf die Uhr gesehen. Es ist früh, ich weiß, tut mir leid, aber ich habe neue, sehr gute Nachrichten!“, antwortet Nico voller Enthusiasmus.
Er erzählt, was seine Eltern auf seinen Vorschlag geantwortet haben und, dass es ihm gelungen ist, ihnen nahe zu bringen, seinen Freund einmal die Woche besuchen zu dürfen.
„Das ist ja toll, ich hoffe dass auch das Internat damit einverstanden ist.“, antwortet Claus und Nicolai hält inne.
„Wieso das Internat, du wirst doch Besuch bekommen dürfen, oder nicht?“, fragt Nicolai und sieht nicht begeistert aus.
„Ja, natürlich darf ich Besuch bekommen, aber eben nur zu
bestimmten Zeiten. Du bist dort eigentlich eingesperrt,
brauchst einen Passierschein, um das Grundstück verlassen
zu dürfen und musst um eine bestimmte Uhrzeit wieder zu
Hause sein. Das ist wie in einem Käfig dort.“, erklärt Claus.
Nicolai sitzt da und ist verdutzt. Er hat sich nicht gedacht,
dass es in einem Internat so streng zugeht. Er dachte, dass er sich nach der Schule einfach in den Bus setzt und nach Königsberg fährt. Doch ganz so einfach, scheint es nicht zu
sein.
Claus scheint zu bemerken, dass sein Freund nachdenkt und etwas besorgt zu sein scheint.
„Was ist denn, Nico. Hast du dir die ganze Sache doch
anders überlegt? Willst du mich doch nicht besuchen kommen?“, fragt Claus besorgt.
„Aber natürlich, du bist mein bester Freund. Aber was passiert, wenn ich genau zu deinen Besuchszeiten noch Schule habe, wenn wir uns aus zeitlichen Gründen nicht sehen können?“, fragt Nicolai und hat Tränen in den Augen.
„Ach komm schon, nicht weinen. Wir sind doch schon große Jungs, wir schaffen das schon. Irgendwas fällt uns bestimmt ein und vielleicht kann ich meine Eltern auch noch dazu überreden, am Wochenende nach Hause zu kommen, dann löst sich das Problem sowieso von ganz alleine.“, antwortet er.
„Hey, Claus. Wieso sollte das nicht funktionieren. Wir könnten uns das ganze hin und her unter der Woche sparen, wenn du am Wochenende zu Hause sein kannst. Wir hätten jedes Wochenende für uns, könnten uns treffen und die gleichen Dinge unternehmen, wie wir es jetzt auch tun.“, spricht Nicolai aufgeregt.
Doch dann beginnt Claus zu erklären, dass das mit dem Wochenende nicht so leicht sein würde. Seine Eltern schicken ihn aufs Internat, um ihn los zu werden, da werden sie nicht damit einverstanden sein, ihn am Wochenende zu Hause zu haben.
„Aber das macht nichts. Ich rede mit meinen Eltern, vielleicht kannst du das Wochenende über bei uns wohnen. Wir brauchen deine Eltern gar nicht, sie müssten das nur unterschreiben.“, spricht Nicolai schnell.
Als Claus ihm antworten möchte, springt Nicolai auf, packt
ihn an der Hand und zieht ihn ins Vorzimmer.
„Komm schon, zieh deine Jacke an, wir gehen zu meinen Eltern und fragen sie.“, ruft Nicolai voller Freude. Claus kann sich nicht wehren, er lässt sich von der Vorfreude auf gemeinsame Wochenenden anstecken.
In der Wohnung von Nicolais Eltern angekommen, springen sie sofort ins Wohnzimmer, wo Nicolais Eltern schon besorgt sitzen.
„Verdammt noch einmal, wo warst du Nicolai?“, ruft sein Vater voller Sorge.
„Ich war bei Claus, ich wollte ihm erzählen, dass ihr mir erlaubt, mit dem Bus zu ihm zu fahren, wenn er ins Internat kommt. Aber Mama, Papa, es gibt ein Problem.“, spricht
Nicolai und legt ein besorgtes Gesicht auf.
Er erklärt seinen Eltern den Sachverhalt und bittet sie, dass Claus die Wochenenden bei ihm verbringen darf. Seine Eltern schauen verdutzt und wissen nicht wirklich, wie sie mit dieser Situation und der Bitte ihres Sohnes umgehen sollen.
„Das stellst du dir aber ganz schön einfach vor, mein Junge.
Woher sollen wir das Geld nehmen, plötzlich vier Personen zu verköstigen? Okay, es ist nur am Wochenende, aber trotzdem sind das acht Tage im Monat.“, meint seine Mutter.
„Nina hat Recht, so einfach geht das nicht und ich glaube auch nicht, dass Claus Eltern einfach darauf eingehen würden, dass ihr Sohn von nun an im Internat lebt und am Wochenende bei einer fremden Familie lebt.“, erwidert sein Vater.
„Meinen Eltern ist bestimmt egal, wo ich aufwachse. Die kümmern sich sowieso nicht um mich und schieben mich nur ab.“, flüstert Claus leise. „Und Geld kann ich bestimmt auftreiben. Meine Oma zahlt mir mein Taschengeld, ich kann sie bitten, mir etwas mehr zu geben, dass ich euch alles das zurückgeben kann, was ihr für mich ausgebt.ö, flüstert er weiter.
„Wir überlegen es uns, okay?“, sprechen Nicolais Eltern gleichzeitig und schicken die beiden Kinder in Nicolais Zimmer.
Einige Stunden später rufen sie die Beiden zu sich. Nicolai und Claus setzen sich auf den Fußboden, direkt gegenüber von Nicos Eltern.
„Wir haben ausführlich miteinander gesprochen und eine Entscheidung getroffen.“, beginnt Nicolais Vater das Schweigen zu brechen.
„Ja, wir haben uns das überlegt und… Es geht in Ordnung,
wenn Claus Eltern damit einverstanden sind, dann kann er an den Wochenenden bei uns wohnen.ö, spricht Nina. Die beiden Kinder freuen sich und beschlieÜen, auf diesen Triumph einen großen Becher Eiscreme essen zu gehen.
Die Ferien vergehen schneller, als Nicolai und Claus es sich wünschen und ehe sie sich versehen, ist der letzte Tag der
Ferien angebrochen.
Die beiden beschließen, noch ein letztes Mal für diesen Sommer an den See zu gehen und eine Runde zu schwimmen.
Sie schnappen sich ihre Fahrräder, schnallen sich ihre Rucksäcke mit den Schwimmsachen um und radeln zum See.
Dort angekommen suchen sie sich einen schnen schattigen Platz in der Wiese, breiten ihre Handtücher aus und legen sich erst einmal darauf.
„Wir mËüsen diesen Tag genießen, es ist der letzte, bevor die Schule wieder angeht.“, sagt Nicolai.
„Ja, der letzte, bevor für mich die Gefangenschaft im Käfig in Königsberg beginnt.“, flüstert Claus und sieht betrübt aus.
Nicolai versucht seinen Freund aufzumuntern, packt seinen Arm und zieht ihn zum Wasser. Dort angekommen wirft er ihn hinein und springt nach. Die beiden Jungs toben den ganzen Tag herum, doch langsam bricht die Dämmerung heran und sie merken, dass es jetzt Zeit ist, sich zu verabschieden.
„Du kommst am Wochenende zu mir, versprich mir das.“, flüstert Nicolai.
„Klar Nico, du bist mein bester Freund, such dir in deiner neuen Klasse keinen Anderen.“, flüstert Claus und die beiden verabschieden sich mit einer Umarmung.
Die folgenden Monate verlaufen toll. Die Beiden sehen sich jedes Wochenende und können täglich telefonieren, was gibt es Schöneres in einer echten Männerfreundschaft.
Doch zirka zwei Jahre später kommt der Tag, der die Freundschaft der Beiden auf die erste wirklich harte Probe stellen wird.
Das Jahr 1962 soll das Jahr sein, in dem Claus und Nicolai sich selbst beweisen müssen, dass ihnen ihre Freundschaft wichtig ist und sie durch Höhen und Tiefen gehen können, ohne sie zerreißen zu lassen.
Die Beiden sind mittlerweile zwölf Jahre alt. Die Schule läuft super, auch bei Claus haben sich die Noten schrittweise verbessert, denn Nicolai hilft ihm, wo es geht.
Es beginnt der erste Schultag der dritten Klasse und Nicolai
bekommt eine neue Klassenkollegin. Sie kommt von einer
anderen Schule, da ihre Eltern umgezogen sind, geht sie
nun in Nicolais Klasse.
Ihr Name ist Klara, sie sieht zum Anbeißen gut aus und zieht
Nicolai sofort in seinen Bann. Sie trägt braune lange Haare,
die zu einem Zopf zusammengebunden sind.
Ihre Gesichtszüge sind zart wie die eines Engels. Sie trägt einen schwarzen knielangen Rock, eine rote Bluse und darüber eine weiße Weste. An ihren Füßen stecken schwarze Turnschuhe.
Nicolai ist hin und weg von diesem Mädchen und seiner Schönheit und sofort beginnen Schmetterlinge in seinem Bauch zu fliegen. Dieses Gefühl ist ihm unbekannt, er hat es noch nie erlebt, er selbst dekt, ihm sei übel.
Am ersten Schultag gibt es meist nicht viel zu besprechen
und die Schule endet schon nach einer Stunde.
Seine Professorin, Frau Schmidt, bittet Nicolai, ein wenig auf
Klara aufzupassen und ihr die Eingewöhnungsphase in dieser Klasse etwas zu erleichtern.
Er bejaht dies und geht auf Klara zu. Während er sich ihr nähert, schlägt sein Herz immer schneller und springt schon fast aus der Brust. Da er dieses Gefühl nicht kennt, denkt er, dass er wohlmöglich krank wird und beschließt, seinen Eltern zu Hause davon zu erzählen.
„Hallo Klara, ich bin Nicolai. Frau Schmidt hat mich gebeten, dir etwas zu helfen, dich in unserer Klasse wohl zu fühlen.“, fängt er an zu sprechen. „Ist das okay für dich?“, fragt er.
Sie nickt etwas schüchtern und die beiden verlassen das Klassenzimmer. Sie machen sich auf den Heimweg und bemerken, dass sie nur eine Straße weit auseinander wohnen.
In den folgenden Tagen entwickelt sich zwischen Klara und
Nicolai etwas wie eine tiefe Freundschaft. Immer, wenn Nicolai seine Angebetete sieht, rutscht ihm das Herz in die Hose, er ist nervös und beginnt zu stottern.
Ungefähr die gleichen „Symptome“ scheint auch Klara zu haben, sie bekommt allerdings zusätzlich rote Wangen, was Nicolai ziemlich süß zu finden scheint. Als Klara und Nicolai am Freitagnachmittag die Schule verlassen, sieht Nicolai jemanden vor der Schule stehen. Es ist Claus, der, wie jeden Freitag, vor dem Schultor auf seinen besten Freund wartet.
Er sieht etwas verwundert aus, als er Klara an der Seite von
Nicolai aus der Schule kommen sieht. Die beiden amüsieren sich prächtig und Claus kommt sich vor wie das fünfte Rad am Wagen. Er traut sich jedoch nicht, Nicolai anzusprechen, denn er weiß, dass Klara bald weg ist und die Beiden ein, wie immer, entspanntes Wochenende verbringen können.
„Claus, das ist Klara, meine neue Mitschülerin und eine sehr gute Freundin.“, stellt Nicolai die beiden vor.
Bei den Worten „eine sehr gute Freundin“, fühlt Claus eine Art Stich in der Nähe seines Herzens. Ein wenig Eifersucht keimt in ihm auf, denn eigentlich ist doch er Nicolais bester
Freund. Diesen Platz will er sich nicht durch ein Mädchen namens Klara streitig machen lassen.
„Klara, das ist Claus, mein bester Freund.“, stellt er Claus vor. Bei diesen Worten fühlt sich Claus schon wieder etwas besser.
Auf dem Heimweg versucht der Junge immer wieder ein Gespräch mit Klara aufzubauen, doch irgendwie möchte es nicht so recht zustande kommen. Nicolai hingegen amüsiert sich prächtig und verabredet sich mit Klara für den kommenden Montagmorgen.
„Ich hole dich vor deiner Wohnungstüre ab, ist das in Ordnung, Klara?“, fragt er und ist sichtlich nervös.
„Natürlich ist das in Ordnung, das ist lieb von dir, Nicolai.“,
aantwortet sie und drückt ihm aufgeregt einen Kuss auf die
Wange.
Noch bevor Nicolai diesen Kuss realisieren kann, ist Klara in
der Wohnung verschwunden.
Claus sieht seinen Freund an und schwenkt seine Hand vor dessen Gesicht.
„Nico, bist du wach?“, fragt er. „Ich rede mit dir, kannst du mich hören oder hast du deinen Verstand verloren?“, fragt er weiter.
Nicolai dreht seinen Kopf langsam zur Seite und legt seine flache Hand an die Stelle, an der ihm Klara den Kuss aufgedrückt hat.
„Hat sie mir gerade einen Kuss gegeben?“, fragt er seinen Freund immer noch sichtlich nervös.
„Klar, wieso? Ist das jetzt so wichtig?“, fragt Claus etwas
verärgert. „Danke übrigens für die nette Begrüßung, du scheinst dich ja wahnsinnig zu freuen, dass ich hier bin.“, brummt er.
„Sag mal, kann es sein, dass du etwas eifersüchtig bist?“,
fragt Nicolai seinen Freund und funkelt ihn an.
„Das ist doch Blödsinn, auf wen sollte ich eifersüchtig sein? Doch nicht etwa auf dieses kleine braunhaarige Mädchen, oder?“, fragt Claus verärgert.
Ohne auf dieses Thema weiter einzugehen umarmt Nico
seinen Freund.
„Es tut mir leid, ich freue mich wirklich, dass du hier bist. Das weißt du doch, du bist mein bester Freund, über niemanden würde ich mich mehr freuen, als über dich.“, sagt er leise und drückt seinen Freund fest an sich.
Claus freut sich, dass Nicolai ihn nun doch herzlich begrüßt hat, hat aber immer noch Klara im Hinterkopf und beschließt, seinen Freund nach dem Abendessen auf dieses Mädchen anzusprechen.
„Komm schon, Claus, du bist sicher erschöpft. Wir gehen erst einmal hoch in die Wohnung, essen etwas und können uns dann vor den Fernseher setzen und reden. Wie findest du diese Idee?“, fragt Nicolai und sieht Claus in die Augen.
„Das ist eine tolle Idee, ich muss dich sowieso etwas fragen.“, willigt Claus ein und die beiden machen sich auf den Weg in die Wohnung.
Als sie ankommen, wird Claus erst einmal herzlich von Nicolais Eltern begrüßt. Danach nehmen sich die beiden Freunde etwas zu Essen und setzen sich in Nicos Zimmer.
„Sag mal, wer ist denn dieses Mädchen eigentlich?“, fragt Claus so unauffällig und desinteressiert wie möglich. Nicolai merkt sofort, dass etwas im Busch ist.
„Das ist Klara, eine Klassenkollegin von mir. Das hab ich dir doch schon erzählt“, antwortet Nico. Er weiß nicht so recht, auf was sein Freund hinaus will.
„Ach und seit wann versteht ihr euch so gut? Ich meine, sie ist ein Mädchen, dass da schnell mehr draus werden kann, dessen bist du dir hoffentlich bewusst.“, fragt Claus.
„Mehr draus werden, was meint er denn jetzt bitte schön damit? Er will mir doch wohl nicht sagen, dass ich mich in Klara verlieben könnte, das ist doch absurd.“, denkt Nico.
„Claus, du bist mein bester Freund. Was willst du mir jetzt unterstellen, dass ich in Klara verliebt bin? Mensch ich bin zwölf Jahr alt, da liebe ich doch noch kein Mädchen. Außerdem hat sie bestimmt kein Interesse an mir.“, spricht Nico weiter und bemerkt ein Zittern in seiner Stimme.
Claus sieht seinem Freund tief in die Augen und weiß
sofort, was vor sich geht. Nico ist das erste Mal richtig
verliebt, das sieht er sofort. Nicos Augen funkeln so
komisch.
„Darf ich dich etwas fragen?“, fragt Claus.
„Klar doch, frag nicht so blöd.“, erwidert Nicolai.
„Hast du so eine Art Schmetterlinge im Bauch, wenn du
Klara siehst? Rutscht dir das Herz in die Hose und hast du
Angst, mit ihr zu sprechen? Merkst du, dass du zu stottern
beginnst, wenn du in ihrer Näöhe bist?“, fragt Claus und
merkt sofort, dass Nicolai zu zittern beginnt.
„Weißt du, Claus, es ist so komisch. Ich habe Klara vor einer
Woche das erste Mal gesehen. Sie war so wunderschön als sie in unsere Klasse kam, sie sah aus wie ein Engel und genauso sprach sie auch. Es ist so seltsam, wenn ich in ihrer Nähe bin, fühle ich mich richtig wohl und wenn sie von mir geht, spüre ich so etwas wie eine tiefe Leere in meinem Herzen. Ich kenne dieses Gefühl nicht, was kann das sein?“, erklärt Nicolai und versucht den Blick seines Freundes zu deuten.
Claus merkt sofort, was vor sich geht. Nicolai hat sich verliebt und zwar ganz gewaltig. Noch bevor Nico seine Worte vollständig ausgesprochen hat, spürt Claus einen Stich im Herzen.
„Du bist verliebt, das ist eindeutig, Nico!“, ruft Claus und setzt sich etwas entt”uscht ein Stück von Nicolai weg.
„Wieso rückst du denn jetzt zur Seite, ich hab dir doch gar nichts getan.“, antwortet Nicolai, der im ersten Moment nicht weiß, was vor sich geht.
„Verdammt du bist verliebt, Nico! Verstehst du was das heißt?“, fragt Claus verärgert und traurig zugleich.
„Nein, was soll das schon heißen? Ich bin außerdem nicht
verliebt, das wüsste ich doch.“, antwortet Nico ebenfalls
verärgert.
„Mensch, du kapierst auch gar nichts. Du bist verliebt in ein
Mädchen. Das heißt, dass du bald mehr Zeit mit ihr verbringen wirst, als mit mir. Du wirst bald keine Zeit mehr für mich haben. Und dass du das wüsstest, stimmt nicht. Du merkst doch gerade, dass du es eben nicht weißt, weil du das Gefühl noch nicht kennst.“, schreit Claus seinen Freund an.
Für den Moment ist Nicolai geschockt, dass sein bester Freund so auf ein Mädchen reagiert doch langsam realisiert auch er, dass es stimmt, was sein bester Freund sagt. Er ist in verliebt - das erste Mal verliebt - und das, obwohl er Klara erst seit einer Woche kennt.
„Claus, an unserer Freundschaft ändert sich doch nichts, nur weil ich scheinbar in Klara verliebt bin. Erstens wieß ich gar nicht, ob sie nur ansatzweise etwas für mich fühlt und zweitens weiß ich nicht, wie du auf die Idee kommst, dass unsere Freundschaft unter einer Liebe zu einem Mädchen leiden wird.“, antwortet Nicolai schon etwas sauer.
Claus bringt kein Wort mehr heraus und Tränen rinnen über seine Wangen. Er versteht nicht, wieso Nicolai nicht verstehen will, dass die erste Liebe eine Freundschaft zerstören kann.
„Du kennst dieses Gefühl nicht, ich auch nicht. Es ist etwas Neues. Wie kannst du dir also sicher sein, dass unsere Freundschaft nicht darunter leiden wird?“, fragt Claus.
„Ich wie´ß es nicht, Claus, ich glaube aber einfach daran. Unsere Freundschaft hat schon so viel aushalten müssen. Du musstest vor zwei Jahren nach Königsberg gehen, ich stehe trotzdem zu dir. Ich habe dich bei mir aufgenommen, warum sollte unsere Freundschaft also nicht das auch überstehen?“, erwidert Nico der sich ganz sicher ist, dass ein Freundschaft nicht aufgrund von Gefühlen zu einem anderen Menschen zu Bruch gehen muss.
„Du bist und bleibst doch weiterhin mein bester Freund. Wieso sollte ich dich vergessen? Wir werden genauso viel
nternehmen, wie wir es jetzt tun, du wirst die Wochenenden über bei mir wohnen, wie es jetzt auch ist. Zwischen uns wird sich nichts ändern, es ist eben vielleicht ab und zu ein Mädchen dabei, aber das sollte dich als meinen besten Freund eigentlich nicht stören.“, spricht Nicolai weiter.
Claus wischt sich seine Tränen aus dem Gesicht und sieht Nicolai tief in die Augen, als würde er ihn hypnotisieren wollen.
„Versprichst du mir, dass wir trotzdem Freunde bleiben?“, fragt er ihn.
„Hey, Kumpel, da fragst du noch? Ich würde nie die Freundschaft zu meinem besten Freund aufs Spiel setzen.“, antwortet Nicolai und l”chelt.
„Und jetzt reden wir nicht mehr darüber, das Thema soll für dieses Wochenende gegessen sein. Wir werden jetzt erst einmal unsere Hausaufgaben machen und danach gehen wir zum Spielen in den Park, oder?“, spricht Nico und lächelt seinen Freund warmherzig an.
Gegen dieses Lächeln kommt nicht einmal die Eifersucht an
und Claus willigt ein. Das Wochenende vergeht wie immer im Flug und am Sonntagabend muss Claus sich wieder auf den Weg nach Königsberg machen.
Nicolai bringt seinen Freund selbstverständlich zu der Bushaltestelle, wo die Reise beginnt. Als der Bus näher kommt, umarmen sich die beiden Freunde noch einmal und, wie jeden Sonntag, fährt Claus davon.
Als sich Nico auf den Heimweg machen will, ertönt auf einmal eine Stimme hinter ihm und er spürt eine Hand auf seiner Schulter.
„Hallo Nicolai, was machst du denn hier?“, hört er eine
Engelhafte Stimme sagen und noch bevor er sich umdreht,
weiß er, dass nur Klara hinter ihm stehen kann.
„Hallo, Klara. Was führt dich denn hierher?“, fragt Nicolai noch während er sich umdreht.
Plötzlich steht er dem engelsgleichen Mädchen gegenüber, sieht ihr direkt in ihre schönen braunen Augen und seine Knie beginnen zu zittern.
Sein Herz schlägt immer schneller und er muss ein paar
Mal Schlucken, da sein Hals plötzlich ganz trocken zu sein
scheint.
„Ich bin auf dem Weg nach Hause, ich war mit einer Freundin unterwegs.“, antwortet Clara.
„Ich habe Claus gerade zum Bus gebracht, du weißt doch noch, mein bester Freund. Er geht in Königsberg auf ein Internat und wohnt immer übers Wochenende bei mir und meinen Eltern zu Hause. Gerade eben musste er sich wieder auf den Weg machen, um nicht zu spät im Internat zu sein.“, antwortet Nicolai und merkt gar nicht, wie sehr er stottert.
Klaras Mund verzieht sich zu einem Lächeln. „Ich finde das übrigens ganz schön süß:“, sagt sie.
Nicolai hat im ersten Moment keine Ahnung, was Klara
meint.
„Was findest du süß?“, fragt er also.
„Du stotterst, wenn du mit mir redest. Du bist nervös, wenn
du mich siehst und ich vermute auch, dass du Schmetterlinge im Bauch hast, wenn ich in deiner Nähe bin. Hab ich recht?“, fragt sie ihn und sieht ihm direkt in die Augen.
Jetzt versteht Nico, sie weiß genau Bescheid.
Sie ahnt, dass er in sie verliebt ist. Nicolai schwingt von einem Bein zum anderen und hat keine Ahnung, was er antworten soll. Er beginnt zu nicken und noch bevor er etwas sagen kann,
umarmt Klara den hilflos vor ihr stehenden Nicolai und küsst ihn zärtlich auf den Mund.
Ihre Lippen sind weich und schmecken süß, da ist Nico sich
sicher. Plötzlich lockert er ihre Umarmung und sieht sie verdutzt an.
„Was,… was ist? Habe ich etwas Falsches gemacht?“, fragt sie
Nico etwas verwirrt.
„Wie kommst du denn darauf, das war einfach toll!“, antwortet er.
Klara ist sich sicher, dass in diesem Moment vermutlich jeder gefragt hätte, ob alles okay sei.
Nico steht einfach nur da, stocksteif, als hätte er einen Besen verschluckt und ist kreidebleich im Gesicht.
„Nico, hat es dir nicht gefallen? Bin ich dir zu nahe gekommen?“, fragt Klara noch einmal und sieht Nico in die Augen.
Ohne zu antworten umarmt Nicolai seine Herzensdame, drückt sie an sich und küsst sie, so zärtlich es einem zwölfjährigen möglich ist.
„Du hast nichts Falsches gemacht, im Gegenteil, es war absolut richtig. Ich habe mich danach gesehnt, seitdem ich dich das erste Mal gesehen habe. Ja, ich habe Schmetterlinge im Bauch und ich glaube, dass ich dich ganz schön gern habe.“, flüstert Nico Klara ins Ohr.
Ihr Gesicht errötet ein wenig und sie löst sich aus seiner
Umarmung.
„Geht mir genauso.“, antwortet sie und nimmt seine Hand in ihre.
Hand in Hand spazieren die Beiden nach Hause. An der
Ecke, an der Nico abbiegen muss, um zu seiner Wohnung
zu gelangen, umarmen sich die Beiden ein letztes Mal.
„Ich hol dich morgen von zu Hause ab, okay?“, fragt Nico
und lächelt.
Klara nickt und hüpft freudig der Dämmerung entgegen. Nicolai bleibt auf der gleichen Stelle stehen, bis Klara durch die Türe zu ihrer Wohnung verschwunden ist, erst dann macht er sich auf den Weg zur Wohnung seiner Eltern.
Oben angekommen ist er ziemlich verwirrt, die Ereignisse des Wochenendes haben ihn ziemlich durcheinander gebracht und er vergisst sogar darauf, seine Schuhe auszuziehen, als er in die Wohnung kommt.
„Nicolai, Junge, komm doch bitte noch schnell her.“, ruf
seine Mutter aus dem Wohnzimmer.
„Junge, zieh die Schuhe aus, wenn du in die Wohnung
kommst. Was ist denn mit dir los, du machst das ganze
Wochenende schon einen verwirrten Eindruck.“, spricht
sein Vater und deutet ihm, dass er sich aufs Sofa setzen soll.
„Ja es gibt da etwas, was mich ein bisschen verwirrt.“,
beginnt Nico zu erklären. ßWisst ihr, da gibt es doch dieses Mädchen, Klara. Sie geht seit Anfang der Woche in meine
Klasse, weil ihre Eltern hierher gezogen sind. Meine Klassenlehrerin, Frau Schmidt, hat mich gebeten, mich ein
bisschen um sie zu kümmern und das hab ich getan.“, erzählt er.
„Ich habe mich also um Klara gekümmert und ihr geholfen, sich besser in der Klasse einzuleben. Doch immer, wenn ich sie ansehe fängt mein Herz an zu schlagen, immer schneller und schneller. Ich glaube, dass ich mich in sie verliebt habe.“, erzählt er weiter.
Seine Eltern starren ihn an.
„Glaubst du nicht, dass du noch ein bisschen zu jung dafür bist?“, fragt Nina.
„Nein, ganz und gar nicht und ich bin mir sicher, dass Klara
genauso denkt wie ich. Sie hat mich geküsst - heute. Ich habe sie getroffen, als ich Claus zum Bus gebracht habe. Sie hat so weiche Lippen, zarte Hände und ihr Gesicht – sie sieht aus wie ein Engel.“, erklärt Nicolai seinen Eltern.
„Junge, du bist gerade erst zwölf Jahre alt. Du solltest andere Dinge im Kopf haben, keine Mädchen. Das tut dir nicht gut, dafür hast du noch Zeit.“, erwidert sein Vater und sieht ihn eindringlich an.
„Das ist mir egal, Papa. Man kann so etwas nicht planen,
weißt du. Du hast Mama doch auch schon so früh kennengelernt, also kann ich das auch.“, erwidert Nicolai erbost.
Seine Eltern sehen sich geschockt an, so haben sie ihren
Sohn noch nie erlebt.
„Und was sagt Claus dazu, weiß er es überhaupt schon?“,
lenkt Nina ein wenig vom Thema ab.
Nicolai sieht seiner Mutter in die Augen und diese bemerkt
sofort, dass etwas im Busch ist.
„Er ist eifersüchtig, hab ich Recht??, fragt sie ihren Sohn erneut.
Nicolai nickt.
„Ich gehe jetzt ins Bett, okay? Es war ein hartes Wochenende, auch für mich und ich bin müde. Außerdem muss ich morgen etwas frËher aus dem Bett, ich hole Klara von zu Hause ab.“, spricht Nico, während er sich schon auf den Weg ins Bett macht.
Als er in seinem Zimmer verschwunden ist, sehen sich seine Eltern besorgt an.
„Glaubst du, dass das so gut ist?“, fragt Thomas seine Frau.
„Ich weiß es nicht, unser Junge ist doch noch viel zu jung für eine Freundin.“, antwortet Nina.
Die Beiden machen sich noch bis tief in die Nacht Gedanken, wie sie ihrem Sohn seine Freundin wieder ausreden können.
Am nächsten Morgen steht Nicolai auf, noch bevor sein Wecker einen Ton von sich gibt. Voller Elan läuft er in die Küche und kocht sich seinen Kakao. Aufgrund des Lärmes, den er damit macht, weckt er seine Eltern.
„Nicolai, kannst du uns einmal verraten, was du hier machst?“, fragt Nina ihren Sohn.
„Ich koche Kakao, das siehst du doch, Mama.“, erwidert Nico freudestrahlend.
„Ich mache für Klara einen mit, ist das in Ordnung?“.
„Es wäre nett, wenn du uns das nächste Mal fragst, bevor du Kakao für zwei Personen kochst.“, antwortet Thomas verärgert.
„Nico, setz dich doch bitte einmal an den Tisch. Ich koche dir dein Frühstück, ich möchte aber mit dir reden. Also setz dich bitte hin und hör mir zu.“, spricht Nina mit besorgter Stimme.
„Schatz, du bist noch zu jung für eine Freundin. Ich weiß nicht, wie du auf die Idee kommst, dir mit deinen zarten zwölf Jahren schon ein Mädchen anzulachen, aber es ist zu früh, glaube mir.“, spricht Nina zu ihrem Sohn.
Doch dieser lässt sich nichts sagen. Eingeschnappt und verärgert packt er seine Sachen und verschwindet – ohne Frühstück ò aus der Wohnung.
Vor Klaras Wohnung wartet er eine halbe Stunde, bis sie vor die Haustüre tritt.
„Hallo, Nicolai, du bist aber früh dran!“ ruft sie Nico zu, der auf einer Parkbank unweit der Haustüre sitzt.
„Ich habe mich mit meinen Eltern gestritten.“, antwortet er und umarmt sie.
„Wieso, was ist denn passiert?“, fragt Klara besorgt.
Nicolai erklärt ihr, was bei ihm zu Hause vorgefallen ist und Klara schüttelt den Kopf.
„Ich verstehe deine Eltern nicht, sie sollen dir dein Glück doch lassen.“, erwidert sie.
Nico nickt, doch innerlich ist er ganz schön verunsichert. Er will es nicht zugeben, aber die Worte seiner Eltern und die Sorgen seines besten Freundes haben ihn nachdenklich gemacht.
Hand in Hand - aber schweigend - machen sich die Beiden
auf den Weg in die Schule.
Den ganzen Tag über ist Nicolai in Gedanken nur bei dem,
was seine Eltern ihm gesagt haben.
„Vielleicht stimmt es ja wirklich und ich bin zu jung für eine
Freundin.“, denkt er bei sich.
„Will ich meine Freundschaft aufs Spiel setzen, nur um eine Freundin zu haben?“, fragt er sich weiter.
Am Ende des Schultages gehen Nico und Klara still nebeneinander her. Plötzlich bricht Klara das Schweigen.
„Was ist los, Nicolai. Worüber denkst du schon den ganzen Tag nach? Du hast mich heute kein bisschen beachtet, irgendetwas geht doch in dir vor. Rede mit mir, was ist los?“, fragt sie ihn besorgt.
„Ich weiß einfach nicht, was ich denken soll. Einerseits mag ich dich, ich mag dich sogar sehr. Andererseits reden meine Eltern auf mich ein, dass ich die Finger davon lassen soll, in meinem Alter schon eine Freundin zu haben. Und zum Dritten habe ich Angst, dass ich durch die Beziehung zu einem Mädchen - in dem Fall zu dir - die Freundschaft zu meinem besten Freund aufs Spiel setzen könnte.“, sprudelt es aus Nico heraus.
Klara sieht Nico verständnislos an.
„Du hörst darauf, was deine Eltern dir sagen? Du setzt eine Freundschaft mit Gefühlen aufs Spiel, weil du deinen besten
Freund nicht verletzen oder gar verlieren willst?“, fragt sie
empört.
In dem Moment weiß Nicolai nicht mehr, was er denken soll. Er dachte, dass sie das eventuell versteht, ihn unterstützt und ihm gut zuredet.
Doch was macht sie? Sie setzt ihn unter Druck, sie versucht, ihm seinen besten Freund und die Meinung seiner Eltern auszureden.
„Was… Was soll das? Ich dachte du unterstützt mich und hilfst mir.“, sagt Nicolai. „
Stattdessen machst du mich von der Seite an.“.
Nicolai lässt Klaras Hand los, blitzt sie böse an und läuft davon. Er läuft so schnell er kann nach Hause, öffnet die Türe, wirft seine Sachen in eine Ecke des Vorzimmers und vergräbt sich sofort in sein Zimmer.
Die Tränen fließen nur so seine Wangen hinunter und er versteht die Welt nicht mehr. Das erste Mal verliebt und schon so eine Katastrophe. Und das alles nach nur einer Woche, das fängt ja gut an.
„Nicolai, was ist los? Wieso weinst du denn Schatz?“, fragt seine Mutter, als sie ins Zimmer kommt.
„Lass mich in Ruhe, ich hab keine Lust mit dir zu sprechen.“, antwortet Nico und zieht sich die Decke über den Kopf.
Als Nicolais Vater in sein Zimmer kommt, um ihm eine
Standpauke darüber zu halten, wie es im Vorzimmer aussieht, deutet ihm Nina nur, dass er leise sein soll.
Sie deutet mit dem Finger zur Türe und Thomas versteht, dass er das Zimmer verlassen soll, was er auf der Stelle tut. Als die Türe hinter ihm ins Schloss gefallen ist, setzt sich Nina
zu Nicolai aufs Bett.
„Schatz, Papa ist nicht hier, erzähl mir doch bitte, was passiert ist.“, spricht sie leise und streichelt dabei über Nicos Beine.
Nico reagiert nicht, er zieht die Beine an und kauert sich in
die Ecke seines Bettes. Nina lässt sich jedoch nicht beirren, zieht ihm den Polster vom Kopf und streichelt über selbigen.
„Nicolai Markus Abronsius, rede mit mir. Was ist passiert,
wieso bist du so traurig? Hat es mit der Schule zu tun, war
jemand gemein?“, fragt sie noch einmal eindringlich.
Plötzlich erhebt sich Nicolai, wischt sich die Tränen aus dem Gesicht und sieht seiner Mutter tief in die Augen.
„Ich habe heute mit meiner aller ersten Freundin Schluss gemacht.“, sagt er und beginnt erneut zu weinen. „Ich habe mich mit ihr gestritten, weil ich eingesehen habe, dass es nicht richtig ist, meine Freundschaft zu Claus aufs Spiel zu setzen, nur wegen eines Mädchens. Und nach unserem Gespräch heute Morgen habe ich bemerkt, dass du und Papa recht habt!“, schluchzt er.
Noch bevor seine Mutter ihm antworten kann, legt er seinen Kopf auf ihre Schulter und umarmt sie. Sie tut selbiges und streichelt ihm langsam und sanft über den Kopf.
„Komm schon, Kleiner. Du bist doch stark und denk daranï: Besser du verlierst eine erste Liebe, wenn man das überhaupt Liebe nennen kann, als deinen besten Freund und deine Familie. Überleg doch einfach einmal, wer dir wichtiger ist, mit wem du bisher mehr Zeit verbracht hast und wer dir mehr Halt in deinem Leben gibt.“, flüstert sie und versucht weiter, ihren schluchzenden Sohn zu beruhigen.
„Claus ist böse auf mich, weil ich Klara ihm vorgezogen habe. Wie kann ich das wieder gutmachen, wie kann ich ihm beweisen, dass mir unsere Freundschaft wichtiger ist, als irgendein Mädchen, das ich erst seit knapp einer Woche kenne?“, fragt Nicolai seine Mutter.
„Ich glaube, dass du ihm das mit der Aktion mehr als nur bewiesen hast. Er hat dich darum gebeten, dir zu überlegen, was dir wichtiger ist und du hast es getan. Du hast dich dafür entschieden, dass dir die langjährige Freundschaft zu ihm wichtiger ist und das ist glaube ich Entschuldigung genug. Wenn eine Freundschaft so etwas aushält, dann kann sie so schnell nichts mehr zerstören“, erklärt Nina.
„Jetzt geh ins Badezimmer, wasch dir dein Gesicht und komm in die Küche. Ich hab schon gekocht, wir essen gleich. Und deinem Vater werden wir nichts von alle dem verraten, das verspreche ich dir.“, flüstert Nina und zwinkert Nicolai zu.
Dieser erhebt sich, wischt sich die Tränen aus dem Gesicht, schlüpft in seine Hausschuhe und trottet ins Badezimmer.
„Was ist mit dem Jungen los, wieso hast du mich nach draußen geschickt?“, fragt Thomas erbost, als auch Nina das Zimmer verlässt.
„Komm, Schatz, reg dich nicht so auf. Dem Jungen geht es nicht gut und es gibt ab und zu auch Dinge, die der Sohn mit seiner Mutter alleine besprechen will. Lass ihn einfach die nächsten Tage ein bisschen in Ruhe, dann stellt sich das alles auch ein.“, versichert Nina ihrem Mann.
Kurz nach Beendigung der Worte kommt Nicolai in die Küche, setzt sich an den Tisch und beginnt zu essen. Den ganzen Abend spricht er kein Wort mit seinen Eltern, er ist zu tief in Gedanken versunken.
Doch jedes Mal, als Thomas seinen Sohn fragen will, was mit ihm los sei, hält Nina ihn zurück und erinnert ihn daran, Nico in Ruhe zu lassen.
Man kann sich eben auch auf seine Eltern verlassen.
Die folgenden Schultage verlaufen ruhig, Nicolai spricht kein Wort mit Klara und diese funkelt ihn immer nur böse an. Jedes Mal, wenn sie ihn anspricht, dreht sich Nico weg oder geht aus der Klasse.
Am Ende der Woche lässt sich Nicolai in die hinterste Reihe versetzen, dort muss er Klara nicht die ganze Zeit in die Augen sehen. Frau Schmidt, seine Klassenlehrerin möchte zwar wissen, wieso sich Nico versetzen lassen will, er antwortet jedoch nicht.
Generell redet er in dieser Woche nicht viel - mit
niemandem.
Am Ende der Woche wird er wieder von Claus, seinem besten Freund abgeholt, der ihn fragend ansieht, als er alleine das Schulgebäude verlässt.
„Wo ist Klara, deine Freundin?“, fragt Claus verwundert.
Nicolai stellt sich ihm gegenüber und legt seine Hände auf
Claus Schulter. „Ich hab nachgedacht, Claus.“, beginnt er zu sprechen und Claus sieht ihn besorgt an.
„Worüber hast du nachgedacht, wo ist Klara und überhaupt, was ist passiert? Du siehst ganz und gar nicht gut aus.“,
antwortet Claus doch Nico lässt sich nicht beirren.
„Ich hab über unsere Freundschaft nachgedacht, Claus.“, antwortet Nico und sieht besorgt aus.
In diesem Moment verfinstert sich Claus Gesichtsausdruck,
denn er ahnt, was jetzt kommt.
„Wenn du mir sagen willst, dass dir Klara wichtiger ist, als unsere Freundschaft, dann drucks nicht so herum, sondern rück raus mit der Sprache.“, brummt er böse.
„Ich hab über unsere Freundschaft nachgedacht, Claus.“, beginnt Nicolai noch einmal. „Ich habe nachgedacht, was mir wichtiger ist, was ich mehr brauche.“, spricht er langsam weiter.
Er umarmt seinen Freund und drückt ihn fest an sich. Dann
lässt er den völlig verwirrten Claus wieder los und sieht ihm tief in die Augen.
„Claus, unsere Freundschaft ist mir das Wichtigste im Leben. Wir kennen uns seit sechs Jahren und sind seit genau dieser Zeit befreundet. Es war wirklich dumm, diese langjährige Freundschaft aufs Spiel zu setzen, nur wegen eines Mädchens, die mich sowieso nicht will.“, erklärt Nico.
„Ich will dich als meinen besten Freund nicht verlieren und es tut mir leid, dass ich Klara dir vorgezogen habe.“, spricht er und senkt den Kopf.
„Wie bist du denn da jetzt so schnell draufgekommen?“, fragt Claus nur.
„Claus, ich habe einfach die besten Eltern, die es auf der Welt gibt.“, antwortet Nico und lächelt.
Weitere zwei Jahre ziehen ins Land in denen sich die
Freundschaft von Nicolai Markus Abronsius und Claus
Grotmann von Wochenende zu Wochenende stärkt.
Aufgrund der guten Noten von Claus kann er die folgenden
vier Jahre auf das gleiche Gymnasium gehen, wie Nico es tut.
Die Zeit im Gymnasium vergeht wie im Flug.
Wir schreiben nun den ersten Juli des Jahres 1968, der letzte
Schultag des Gymnasiumlebens und vor allem, die Übergabe der Maturazeugnisse.
„Nicolai Markus Abronsius“, hallt es durch die große Halle, in der alle Maturanten von drei Klassen in einer Reihe sitzen.
Nicolai erhebt sich von seinem Stuhl, geht langsam nach vorne und nimmt sein Maturazeugnis entgegen. Er trägt einen schwarzen Anzug, ein rotes Hemd, schwarze Schuhe und eine schwarze Krawatte.
Er schüttelt seiner Klassenlehrerin, die ihn acht Jahre lang durch die Schulzeit begleitet hat, die Hand. Frau Schmidt klopft ihm auf die Schulter und lobt ihn vor allen Eltern.
„Nicolai Markus Abronsius ist unser bester Schüler. Er hat mit Auszeichnung maturiert, hat den besten Notendurchschnitt seines Jahrganges und wir sind alle stolz auf ihn.“, verkündet Frau Schmidt feierlich.
Nina und Thomas sitzen in einer der hinteren Reihen doch bis nach vorne kann Nico den Stolz spüren. Er selbst ist auch stolz auf sich, er hätte sich nicht träumen lassen, dass ihm die Schulzeit so leicht von der Hand geht.
„Claus Grotmann“, ertönt es weiter.
Claus trägt den gleichen Anzug wie Nico auch, jedoch ein blaues Hemd und eine schwarze Krawatte. Er erhebt sich und geht stolz auf seine Klassenlehrerin zu. Genau vor ihr bleibt er stehen und streckt ihr die Hand entgegen. Er erwartet nicht, dass sie viele Worte verlieren wird und macht sich bereit, auf dem Absatz wieder umzudrehen.
Doch Frau Schmidt legt ihm die Hand auf die Schulter und
beginnt zu sprechen.
„Claus Grotmann ist zwar kein Vorzugsschüler und hat seine Matura mit durchschnittlichen Noten beendet. Doch ich finde auch, dass ihm ein paar Worte des Lobes gebühren. Er hat von einer Hauptschule auf unser Gymnasium gewechselt und hat es, trotz ein paar kleinen Schwierigkeiten geschafft.“, verkündet Frau Schmidt laut.
„Claus, ich möchte dir ein Lob aussprechen. Ich hätte mir anfangs ehrlich gesagt nicht gedacht, dass du diese Schule schaffst, geschweige dem die Matura bestehst und trotzdem hast du es allen bewiesen. Ich möchte dir persönlich gratulieren, du hast es allen gezeigt.“, lobt sie den Jungen Mann und klopft ihm stolz auf die Schulter.
Nicolai erhebt sich und klopft seinem Freund tadelnd auf die
Schulter, bevor dieser sich setzen kann. Claus Eltern sind
nicht anwesend, sie haben sich schon ein Jahr zuvor völlig von ihrem Kind abgewandt. Seitdem lebt Claus in einer
eigenen Wohnung nur ein paar Minuten von der Schule
entfernt.
„Hey, Kumpel, wir haben es geschafft. Was sagst du jetzt, es
ist vorbei!“, sagt Nicolai tadelnd und umarmt seinen besten Freund.
„Ja und dank deiner Hilfe hab sogar ich es geschafft.“, antwortet Claus und lächelt.
Für die Beiden mittlerweile achtzehn jährigen beginnt nun ein neuer Lebensabschnitt, der ihre Freundschaft erneut auf eine harte Probe stellen wird.
Nicolai zieht in den folgenden drei Monaten nach Königsberg um dort an der Universität zu studieren, Claus bleibt in seiner Heimatstadt und beschließt arbeiten zu gehen.
In den Ferien zwischen dem Ende der Schulzeit und dem Beginn des Studiums sucht Nico eine Wohnung, meldet sich für sein Studium an und packt langsam aber sicher seine Sachen.
Einen Tag vor Ende der Ferien kommt Nina in Nicos Zimmer.
„Nico, hast du vielleicht kurz Zeit? Dein Vater und ich möchten gerne mit dir sprechen, komm doch bitte ins Wohnzimmer.“, ertönt ihre Stimme auffordernd.
„Klar, ich packe nur noch meine Sachen fertig in die Tasche und dann komme ich sofort.“, antwortet Nico.
Ein paar Minuten später spaziert er gut gelaunt ins Wohnzimmer seiner Eltern, die nebeneinander vor dem Esstisch stehen. Verdutzt schaut Nico die Beiden an und fragt sich, warum sie stocksteif dastehen.
„Was ist denn los, wieso steht ihr hier? Wollt ihr euch nicht hinsetzen, oder ist es etwas ernstes, worüber wir reden müssen?“, fragt er seine Eltern.
„Nein, Nico, wir haben eine kleine Überraschung für dich.“, antwortet seine Mutter.
„Mein Sohn, wir möchten dir etwas schenken, da du uns ja jetzt verlässt. Da wir natürlich hoffen, dass du uns ab und zu besuchen kommst, möchten wir dir etwas schenken, dass dir genau das vereinfachen soll.“, erwidert sein Vater.
Nicolai sieht die beiden verdutzt an, denn er hat keine
Ahnung, wovon seine Eltern sprechen.
„Da du ja vor einigen Wochen deinen Führerschein bestanden hast, haben wir dir - sozusagen ürr den Start in dein neues Leben - ein Auto gekauft.“, verkündet Nina feierlich.
Nicolais Eltern gehen zum Sofa und als er auf den Tisch sehen kann, steht dort die Miniatur eines Autos, in dem ein Schlüssel liegt.
Nicolai kann es nicht fassen, seine Eltern schenken ihm ein
Auto.
„Mama, Papa, vielen Dank! Damit habe ich wirklich nicht gerechnet, ihr seid die besten Eltern, die man haben kann und ich werde euch vermissen, wenn ich nicht mehr hier wohne.“, ruft Nico und die ersten Tränen rinnen ihm über die Wangen.
Seine Eltern sind froh, dass Nico sich über ihr Geschenk freut und zum Abschied gibt es noch einmal einen Kuchen und einen Kakao.
Die Familie sitzt bis tief in die Nacht zusammen, doch irgendwann gibt Nico auf.
„Es tut mir leid, ihr Beiden, aber ich muss ins Bett. Ich muss morgen früh raus und zur Universität nach Königsberg fahren. Ich hoffe, dass ihr das versteht.“, flüstert Nico müde und seine Eltern nehmen ihn ein letztes Mal fest in den Arm.
Am nächsten Morgen, als der Wecker läutet, schält sich Nicolai aus dem Bett. Die wenigen Stunden schlaf haben ihm zugesetzt und er kann kaum ein Bein vor das andere stellen, ohne irgendwo dagegen zu stoßen.
„Ich glaube, dass ich ab heute beginne, Kaffee zu trinken. Mit Kakao komme ich nicht weit, der macht mich nicht wach.“, denkt er bei sich und stapft müde in die Küche.
Dort angekommen setzt er Wasser auf und kocht Kaffe für sich und seine Eltern. Danach schleicht er, mit zwei Tassen Kaffee, ins Schlafzimmer seiner Eltern. Er stellt eine Tasse auf das Nachtkästchen seiner Mutter und eine auf das seines Vaters, schleicht hinaus und schließt die Türe.
Er sieht auf die Uhr und stellt geschockt fest, dass er längst am Weg sein müsste. Schnell schnappt er sich einen Zettel und einen Stift und schreibt in großen Buchstaben „Ihr seid die besten Eltern, die es auf der Welt gibt.“, darauf. Diesen Zettel legt er auf den Küchentisch, schnappt sich seine Sachen und steigt ins Auto.
Eine halbe Stunde später kommt er in seiner neuen Wohnung in Königsberg an. Sie ist nur fünf Minuten von der Universität entfernt.
Ihm bleibt gerade noch genug Zeit, seine Habseligkeiten in seine Wohnung zu bringen, dann muss er los zur Universität.
Dort angekommen sieht er sich erst einmal um. Er kann es
noch gar nicht glauben, dass nun ein neuer Lebensabschnitt
beginnt, er wird studieren.
Der erste Tag läuft toll und als Nicolai am Abend erschöpft in sein neues Zuhause kommt, legt er sich erst einmal auf sein Sofa. Er schnappt sich das Telefon und wählt die Nummer seines besten Freundes.
„Claus Grotmann, Hallo?“, ertönt es auf der anderen Leitung.
„Hey Claus, ich bin es, Nicolai.“, spricht Nico in den Hörer.
„Hey Kumpel, wie geht‘s dir? Wie war dein erster Tag als Student?“, fragt Claus
Nicolai schildert ihm den Ablauf des ersten Tages und erzählt seinem Freund, was das Leben als Student alles bietet.
„Ich habe viele Leute kennengelernt, die hier studieren. Viele sind ganz nett, doch einige glauben auch, dass sie die besten Menschen der Welt sind, das ist störend.“, jammert Nicolai.
„Ach Kumpel, das hast du doch überall. Bei mir in der Arbeit läuft das genauso. Nette Kollegen - böse Kollegen, das hast du im Berufsleben, genauso wie im Studienleben. Das wird sich nie ändern.“, lacht Claus in den Hörer.
Nachdem Nico und Claus eine Stunde lang die neuesten Informationen ausgetauscht haben, legt sich Nico schlafen, denn der erste Tag in seinem neuen Leben hat ihn ganz schön müde gemacht.
Die folgenden Wochen auf der Uni verlaufen ruhig und wie im Flug. Nico lernt neue Leute kennen, gewinnt neue Freunde und doch denkt er jeden Tag an seinen besten Freund. Er fehlt ihm ganz schön, denn die Tage, an denen die beiden telefonieren, werden auch immer seltener. Nico kommt oft
spät nach Hause und muss danach noch einiges lernen. Wenn er dann endlich fertig ist, schläft Claus meist schon.
Trotz diesen immer wieder auftretenden Schwierigkeiten,
hält die Freundschaft der Beiden an.
Wieder ziehen einige Jahre ins Land. Nicolai beendet im Jahr 1972 sein Studium in Psychologie und Geschichte mit Auszeichnung und darf sich nun „Professor Nicolai Markus
Abronsius“ nennen.
Claus, sein bester Freund arbeitet mittlerweile in einer erfolgreichen Firma im wirtschaftlichen Bereich.
Um seinen Abschluss zu feiern, kehrt Nicolai für ein paar Tage in seine elterliche Wohnung zurück. Dort angekommen erwarten ihn schon seine Eltern, Claus und eine junge Dame, die Nicolai noch unbekannt ist.
„Hallo Mama! Hallo Papa! Ich freu mich so euch zu sehen.“, ruft Nicolai, als er seine Eltern sieht.
„Claus, Kumpel, ich hab dich so lange nicht gesehen. Ich bin so froh, dass du da bist.“, ruft er auch, als sein bester Freund vor ihm steht.
„Nicolai, das ist meine Freundin - Neele.“, antwortet Claus und zeigt auf die junge gutaussehende Frau, die neben ihm steht.
„Claus, du hast mir gar nicht erzählt, dass du eine Freundin hast.“, ruft Nico und tut so, als wäre er empört.
„Du bist doch erst zweiundzwanzig Jahre alt, ich glaube nicht, dass du schon alt genug für eine Beziehung bist.“, scherzt er und klopft seinem Freund auf die Schulter.
„Guten Abend, mein Name ist Nicolai und ich bin der beste Freund von Claus.“, richtet Nico seine Worte in Richtung der netten jungen Dame.
„Das weiß ich doch. Mein Name ist Neele und ich bin die Freundin deines besten Freundes.“, erwidert sie und klopft
ihm auf die Schulter. Nachdem alle sich gegenseitig vorgestellt haben, gehen sie erst einmal fein essen. In einem schönen Restaurant stoßen alle auf Nicolais Erfolg an und der Abend wird schöner, als Nico ihn sich jemals erträumt hatte.
Am nächsten Tag wacht Nicolai in dem Bett auf, in dem er jahrelang geschlafen hat. Gefühle der Sehnsucht ergreifen ihn und er ist froh, ein paar Tage bei seinen Eltern verbringen zu können.
Zwei Tage, bevor Nicolai wieder abreist, um in Königsberg, einen Job als Psychologe anzunehmen, beschließen Claus und er, einen Männertag am See zu verbringen.
Sie packen ihre Sachen, schwingen sich auf zwei geliehene Fahrräder und fahren zum See.
„Wie in guten alten Zeiten.“, lacht Nico.
„Ja Kumpel, wie in guten alten Zeiten.“, lacht Claus zurück. „Nur, dass wir uns in besagten nie zu träumen gewagt hätten, dass du einmal den Titel „Professor“ vor deinem Namen trägst und ich in einer erfolgreichen Firma im Wirtschaftssektor arbeite.
.
Am See angekommen, streifen die Beiden ihre Klamotten ab
und legen sich auf ihre Handtücher, die sie bereits an einem schattigen Platz in der Wiese ausgebreitet haben.
„Sag mal, Claus, darf ich dich etwas fragen?“, flüstert Nico leise und sieht seinem besten Freund tief in die Augen.
„Klar Kumpel, was gibt‘s denn?“, antwortet Claus und lächelt.
Claus ist sich sicher, dass Nicolai ihn auf die Beziehung zu
Neele ansprechen möchte, denn die ganze Zeit über hatte Nicolai dieses funkeln in den Augen. Claus kennt das, denn das hat Nico immer, wenn er etwas auf dem Herzen hat und warum sonst hätte er auf einen Männertag bestanden?
„Sag mal, wie lange läuft denn das schon zwischen dir und Neele? Ist es etwas Ernstes?“, fragt Nico besorgt.
„Kumpel, ich kann dir eines versichern. Ich liebe Neele mehr als alles andere. Ich glaube, dass ich in ihr die Frau meines Lebens gefunden habe. Ich bin mittlerweile seit einem Jahr mit ihr zusammen.“, antwortet Claus.
Nico ist geschockt. Seit einem Jahr ist sein bester Freund mit einer Frau zusammen, von der er behauptet, dass sie die Frau für sein Leben ist und er hatte keine Ahnung von alle dem.
„Du bist seit einem Jahr mit Neele zusammen und bist bis jetzt nicht auf die Idee gekommen, mir das zu erzählen?“, fragt Nico enttäuscht und senkt den Kopf.
„Nico, du hast im letzten Jahr so viel zu tun gehabt, hast es nicht geschafft, hierher zu kommen und uns zu besuchen. Ich wollte dir das nicht am Telefon sagen, da ich finde, dass man das lieber persönlich erzählen sollte.“, erwidert Claus und lächelt kurz, aber beschämt.
„Ach Claus, wir haben uns so wenig gesehen, so wenig gehört. Ich hatte im ganzen letzten Jahr kaum Zeit für dich und meine Familie, es tut mir so leid. Ich hab dir noch gar nicht gesagt, wie sehr ich mich für dich freue. Du hast eine Frau, die wunderbar zu sein scheint, einen Job, in dem du glücklich bist und ich habe die ganze Zeit keine einzige Minute gefunden, um dir dazu zu gratulieren.“, brummt Nico leise und blickt beschämt in Claus Augen.
„Du hattest deine Gründe, Nico. Keiner ist so stolz auf dich, wie ich es bin. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich zu meinem besten Freund einmal „Professor“ sagen darf.“, erklärt Claus.
„Ich muss dir da aber auch noch etwas erzählen, Junge.“, beginnt Claus erneut zu sprechen.
„Ich habe mir überlegt, Neele einen Heiratsantrag zu machen. Ich liebe sie vom ganzen Herzen und da du, als mein bester Freund, sie jetzt auch kennst, wollte ich mit dir darüber reden.“, erklärt er. Nico setzt sich prompt auf und sieht Claus an.
„Du willst heiraten? Das ist ja wunderbar, ich gratuliere dir, Kumpel.“, antwortet Nico sofort und umarmt seinen Freund.
Damit hat Claus nicht gerechnet, doch er freut sich. Er bittet,
Neele nichts davon zu erzäöhlen und dankt ihm fär sein
Verständnis.
„Ich möchte ihr morgen, wenn wir essen gehen, einen Heiratsantrag machen und verlange, dass du dabei bist.“, ertönt Claus Stimme noch einmal.
„Aber natürlich, ich werde dabei sein. Ich hole euch mit meinem Auto ab und lade euch zum Essen ein. Ich freu mich für dich, Claus, und wünsche dir alles Glück der Welt, dass deine Ehe für immer hält.“, antwortet Nico entspannt.
Claus erzählt ihm weiters von seinen Plänen, wie er sich seine Hochzeit vorstellt, sollte Neele den Antrag annehmen und bittet ihn, der Trauzeuge zu sein. Dies nimmt Nico dankend an und als sie mit dem Thema durch sind, bemerken sie, dass es längst dunkel geworden ist. Sie packen ihre Sachen zusammen, bekleiden sich und springen auf ihre Fahrräder.
Am nächsten Morgen klingelt der Wecker sehr früh, Nico hat sich vorgenommen, zum Frisör zu gehen, sich einen Anzug zu kaufen und sein Auto zu reinigen.
Als Claus ihn einige Stunden später anruft um ihn zu bitten, dass er Neele und ihn abholt, hat er tatsächlich alles unter
einen Hut gebracht und hatte sogar noch Zeit, ein heißes Bad zu nehmen.
Nicolai wirft sich in seinen Anzug, schnappt sich seinen Autoschlüssel und hËpft ins Auto. Er fährt zu Claus, der schon mit seiner Freundin auf der Straße steht und wartet.
„Kommt herein.“, ruft Nico den Beiden zu. Sobald die Türen des Autos ins Schloss gefallen sind, fährt er los.
„Wohin fahren wir eigentlich?“, fragt Neele und sieht zu Nico und Claus.
„Das verraten wir dir nicht.“, erwidern beide im Chor und lachen.
Einige Stunden später ist alles vorbei. Der Heiratsantrag hat Neele zum Weinen gebracht und unter Tränen hat sie in
bejaht.
Nicolai ist Trauzeuge, das steht fest und nachdem sich die Freunde verabschiedet haben, legt sich Nicolai erneut ins Bett, um eine letzte Nacht in seiner elterlichen Wohnung zu verbringen.
Keine drei Monate später verbringt er wieder ein paar
Tage in bei seinen Eltern, dieses Mal allerdings, um Trauzeuge bei der Hochzeit seines besten Freundes zu sein.
Am 2. September 1973 findet, in einer kleinen Kirche unweit seines Elternhauses entfernt, die Hochzeit von Claus Grotmann und Neele Schilling statt. Um seiner Frau den Wunsch zu erfüllen, dass ein etwaiges Kind einmal ihren Namen tragen solle, nimmt Claus den Nachnamen seiner Frau an.
Seit dem 2. September 1973 heißt Nicolais bester Freund also nicht mehr „Claus Grotmann“, sondern „Claus Schilling“.
Die Hochzeit ist toll, die Kirche prunkvoll geschmückt.
überall weiße Rosen , auf dem Boden ein langer, roter Teppich.
Als die Kapelle zu spielen beginnt zwinkern sich Claus und Nicolai zu, die zusammen mit einer weiteren – sehr attraktiven, jungen Dame vor dem Altar stehen. Wie Nicolai zuvor erfahren durfte, hört sie auf den Namen Lena und sie ist die Schwester – und Trauzeugin von Neele.
Plötzlich öffnet sich die Türe und Neele schreitet in einem
Weißen, bodenlangem Kleid in die Kirche. Ihr Vater geleitet
sie , im Rhythmus der Musik, zum Altar. Neben Claus
kommen die Beiden zum Stehen, Neeles Vater drückt ihr
einen Kuss auf die Wange und schreitet davon.
Neele strahlt Claus an, die beiden sehen so glücklich aus.
Der Pfarrer traut die Beiden und kaum ist die Zeremonie
vorbei, unterzeichnet Nico als Trauzeuge, dass er mit der Hochzeit einverstanden ist.
Auf der nachfolgenden Feier lernen sich Lena
Majer und Nicolai nicht nur näher kennen, sondern sie lernen
sich auch lieben.
Die Anziehungskraft, die zwischen den Beiden herrscht ist
so stark, dass sie schon am nächsten Tag verkünden, eine Beziehung eingehen zu wollen.
„Na, mein Bester. Machst du mir jetzt alles nach, oder bekommst du Existenzängste, weil ich schon verheiratet
bin?“, fragt Claus scherzhaft, als Neele, Lena, Nicolai und er
zwei Tage nach der Hochzeit beim Mittagessen zusammensitzen.
„Gar nichts von Beiden, aber ich kann doch auch einmal versuchen, eine Beziehung einzugehen. Nach Klara, die ich in der Hauptschule hatte, habe ich keine Beziehung mehr gehabt, das weißt du doch. Nun werde ich langsam alt und brauche eine Frau, die mein Leben vollkommen macht.“, antwortet Nicolai und scherzt ein wenig herum.
Natürlich hat Nicolai keine Existenzängste, doch die Anziehungskraft zwischen zwei Menschen kann nicht verhindert werden. Höchstens ignoriert, aber das wollten weder Nico, noch Lena.
Weitere drei Jahre zogen ins Land. Nicolai und Lena waren
weiterhin ein Paar, Claus und Neele glücklich verheiratet.
Claus hat mittlerweile seine eigene Wirtschaftsprüfungsfirma eröffnet, Neele ist bei ihm angestellt und arbeitet als seine Partnerin. Die beiden versuchen mittlerweile seit einem Jahr, ein Kind zu bekommen, denn beide wünschen sich eines.
Nicolai arbeitet seit zwei Jahren als erfolgreicher Psychologe
in einer renommierten Klinik in Königsberg. Lena ist nach einem Jahr Beziehung zu ihm gezogen und arbeitet als Krankenschwester in derselben Klinik, wie Nico.
Die Welt scheint perfekt zu sein und doch liegt Nicolai etwas
auf dem Herzen.
Wir schreiben mittlerweile das Jahr 1975, Nico und Claus sind beide 25 Jahre alt. Am 25. Oktober 1975 läutet Claus Telefon, am anderen Ende ist Nico.
„Hey mein Freund, was gibt‘s?“, fragt Claus seinen Freund.
„Hey Claus, das ist aber keine nette Begrüßung.“, antwortet
Nicolai.
„Ich weiß, tut mir leid.“, antwortet Claus etwas beschämt.
„Egal, ich muss mit dir reden. Ich möchte Lena einen
Heiratsantrag machen. Da du ja Experte in Sachen Hochzeit
bist, kannst du mir einen Tipp geben?“, fragt Nicolai seinen
Freund, der ihm natürlich sofort mit Rat und Tat zur Seite
steht.
Nach zirka einer Stunde legt Nicolai wieder auf und ist fest
entschlossen, seiner Lena an diesem Abend einen Heiratsantrag zu machen.
Er ruft im Krankenhaus, in dem er arbeitet an und nimmt
sich einen Tag frei. Kurz, nachdem seine Freundin die gemeinsame Wohnung verlassen hat, tut er selbiges. Er
kauft einen Strauß Rosen, Verlobungsringe und eine Flasche Sekt.
Drei Stunden lang dekoriert er die Wohnung, legt romantische Musik ein und kocht ein leckeres Menü. Als Lena am Abend nach Hause kommt, ist sie verwirrt. Sie öffnet die Türe und sieht ein Meer von Kerzen auf dem Boden. Aus Teelichtern hat Nicolai ein Herz geformt, welches mit einer nachfolgenden Linie direkt ins Wohnzimmer führt.
Lena folgt der Linie und sieht Nicolai im Anzug mit einem
Strauß Rosen im Wohnzimmer stehen.
„Was machst du denn hier? Womit hab ich das verdient?“,
fragt sie ihn verblüfft.
„Lena, Schatz, komm zu mir.“, flüstert er und reicht ihr die Hand. Sie schleicht zu ihm und nach einem langen Kuss sieht sie ihm tief in die Augen.
„Lena Majer, du bist die Liebe meines Lebens. Wir haben uns vor drei Jahren auf der Hochzeit von Claus und Neele kennengelernt und schon beim ersten Anblick wusste ich, dass du die Frau für mein Leben sein wirst.“. erklärt Nicolai die Situation.
„Lena, ich möchte dich fragen, ob du meine Frau werden willst.“, fragt er sie während er sich niederkniet und das kleine Kästchen mit den Verlobungsringen aus der Tasche seines Anzuges holt.
Lena scheint komplett überfordert zu sein, damit hat sie scheinbar nicht gerechnet. Nicolai versucht die Situation mit einem Glas Sekt zu retten, das er seiner Angebeteten in die Hand drückt.
„Lass uns auf unser Glück anstoßen, falls du mich heiraten willst.“, flüstert Nico Lena ins Ohr.
„Ich will dich heiraten, Nicolai, aber ich muss dir auch etwas
sagen.“, antwortet Lena begeistert und ver”ngstigt zugleich.
„Nicolai Markus Abronsius… Du wirst Vater.“, erklärt sie schnell und ihre Stimme zittert.
Er steht da, stocksteif, wie vom Blitz getroffen. Er fragt nochbeinmal nach, ob er richtig gehört hat, denn er kann nicht
glauben, was Lena ihm gerade gesagt hat.
„Aber das ist ja wunderbar. Dann müssen wir zusehen, bald zu heiraten, noch bevor unser gemeinsames Kind auf die Welt kommt.“, antwortet Nicolai freudig und nimmt seine zukünftige Frau erfreut in den Arm.
Nachdem die Beiden noch einen schönen Abend verbracht haben, ist das erste, was Nicolai macht, als er wach wird, dass er seinen besten Freund anruft.
„Claus Schilling, Hallo?“, ertönt es am anderen Ende der Leitung.
„Claus, ich bin‘s, Nico! Hast du Zeit, ich muss dir etwas
erz”hlen.“, spricht Nicolai schnell und aufgeregt.
„Mensch Nico, was ist denn mit dir los? Dich hört man ja durchs Telefon schon zittern.“, erwidert Claus.
Nicolai erzählt ihm, was am vorherigen Abend passiert ist und Claus fällt aus allen Wolken.
„Du willst mir also erzählen, dass du drei Jahre nach mir heiratest, aber noch vor mir ein Kind bekommst? Das kann ich nicht glauben. Nicolai, du Schlingel.“, spricht Claus
gespielt eingeschnappt.
„Mensch, jetzt freu dich doch. Ich werde Vater und Lena und ich wollen, dass Neele und du die Paten unseres Kindes werdet.“, erklärt Nico seinem Freund.
Die kommenden Monate vergehen wie im Fluge. Lena und Nicolai heiraten nur drei Wochen nach dem Antrag, da die Gefahr sonst zu groß wäre, dass Lena in kein
Hochzeitskleid mehr passen könnte.
Die Schwangerschaft verläuft ohne Komplikationen und exakt
acht Monate später bringen Nicolai und Lena Abronsius ein gesundes Mädchen zur Welt.
Wir schreiben nun den 13. Juni 1976.
Lena Carolin Abronsius und Nicolai Markus Abronsius befinden sich im Kreissaal Nummer drei im Landeskrankenhaus Königsberg , die Klinik, in der beide beschäftigt sind.
Der erste Schrei ihres neugeborenen Kindes, einer Tochter, macht Nico und Lena zu den glücklichsten Menschen auf der Erde.
„Lena, du bist ein Engel. Du hast unsere gesunde Tochter zur Welt gebracht und siehst trotzdem aus wie eine Göttin.“,
flüstert Nico seiner Frau ins Ohr.
„Wie wollen wir die kleine Maus denn nun nennen?“, fragt
er sie kurz darauf.
„Maja, der Name klingt wie der eines Engels.´“, antwortet Lena spontan.
„Maja, Lena und Nicolai, die Namen passen toll zusammen.“, spricht Nicolai und die ersten Tränen kullern über seine Wangen.
„Schatz, zu machst mich zum glücklichsten Menschen, den es gibt. Ich liebe dich so sehr und unsere kleine Tochter wird der Mittelpunkt unseres Lebens darstellen, das verspreche ich dir. Ich werde euch beide immer gut behandeln und über alles lieben.“, verspricht Nicolai seiner Frau und küsst sie auf die Stirn.
Keine fünf Minuten, nachdem er diese Worte ausgesprochen hat, klopft es an der Türe.
„Herein!“, ruft Nicolai, der eine Krankenschwester vermutet.
Doch als sich die Türe öffnet, treten Claus und seine Frau
Neele ein und stürmen auf die glückliche, frisch gebackene Familie zu.
„Gratulation euch beiden. Ich bin stolz auf dich, Lena.“,
flüstert Neele. „Ich hätte nie gedacht, dass du noch vor mir ein Kind bekommst. Ich gratuliere euch vom ganzen Herzen.“, flüstert sie weiter und küsst Lena auf die Stirn.
„Kumpel, du bist Klasse. Sei stolz auf deine kleine Tochter und behandele sie ja gut.“, scherzt Claus und klopft Nico auf die Schulter.
Die folgenden zehn Jahre können in einer Kurzfassung zusammengefasst werden. Maja entwickelt sich prächtig, genießt die Liebe ihrer Eltern in vollen Zügen und genießt
zusätzlich die höchstmögliche schulische Ausbildung.
Die Freundschaft zwischen Claus und Nico läuft gewohnt prächtig und auch die Ehe zwischen Lena und Nicolai funktioniert perfekt.
Zehn Jahre nach der Geburt von Maja Abronsius, erblickt
das nächste Kind das Licht der Welt.
Dieses Mal ist es ein Junge, dessen Namen Alfred Schilling
lautet. Er ist der ganze Stolz seiner Eltern Claus und Neele.
Weitere zehn Jahre ziehen ins Land und im Jahr 1995 nimmt das Leben unseres Professors eine dramatische Wendung.
Wir schreiben einen lauen Sommertag, den sechsten Juni im Jahr 1995. Lena und Nicolai beschließen, einen Ausflug mit ihrer mittlerweile zwanzig jährigen Tochter zu machen.
Maja, die längst in einer anderen Stadt wohnt, reist am Vormittag des besagten Tages bei ihren Eltern an.
„Maja, da bist du ja. Wir sind so froh, dass du hier bist.“, spricht ihr Vater und freut sich, seine Tochter in die Arme schließen zu können.
„Es ist auch schön, dich zu sehen, Papa. Wie läuft es im
Krankenhaus, alles in Ordnung in deinem Job?“, fragt sie
und küsst ihren Vater auf die Stirn.
„Na klar ist alles in Ordnung, der Job als Psychologe gefällt
mir immer noch ganz gut, ich bin allerdings am oeberlegen, in die Forschung zu wechseln, da der Beruf abwechslungsreicher zu sein scheint.“, erkl”rt Nicolai seiner Tochter.
„Mama, da bist du ja! Wie gehtùs dir?“, fragt Maja, als sie ihre
Mutter Lena aus dem Zimmer kommen sieht.
„Maja, mein Schatz. Mir geht es sehr gut, wie geht es dir?“, antwortet Lena.
Die Kleinfamilie unterhält sich, während sie ihre Sachen für ein Picknick im Freien zusammenpacken. Der Ausflug soll zu einem kleinen, etwas abgelegenen See in Königsberg führen.
Lena, Nicolai und Maja verbringen den ganzen Tag an diesem See, bist um zirka neun Uhr Abends die Dämmerung einbricht.
„Lasst uns nach Hause fahren und dort noch ein wenig
fernsehen.“, erhebt Maja das Wort.
Die Kleinfamilie packt ihre Sachen zusammen, wirft sie ins
Auto und fährt nach Hause.
Dort angekommen verschwinden sie ins Wohnzimmer und
machen es sich auf dem Sofa gemütlich. Da es Nicolai im
Wohnzimmer zu warm ist, öffnet er das Fenster und dreht
das Licht ab. Und genau das ist der größÜte Fehler, den er in
seinem Leben macht.
„Ich mache uns etwas zu essen. Was wollt ihr denn, habt
ihr auf etwas spezielles Lust?“, fragt Nicolai seine Familie.
„Ja, wieso holst du uns nicht etwas zu knabbern?“, antwortet Maja und sofort geht Nico auf ihren Vorschlag ein.
Er verschwindet in die Küche, doch als er ein paar wenige Minuten später zurückkommt, trifft ihn der Schlag.
Seine Frau Lena und seine Tochter liegen tot auf dem Boden.
„Oh mein Gott, was ist denn hier passiert?“, ruft er laut und sieht seine beiden Frauen genauer an. Sie haben nicht viel
Blut verloren, jedoch haben sie auffällige Bissspuren auf ihrem Hals. Zwei kleine Löcher, etwas Blut und das war es.
Keine Verwüstung, ein Einbrecher kann es nicht gewesen
sein.
Nicolai weiß im ersten Moment nicht, was er tun soll, er kniet einfach nur da.
„Nur die Ruhe bewahren, Hektik bringt dir jetzt auch nichts.“, versucht er sich selbst zu beruhigen.
„Ich muss die Polizei rufen, ich muss irgendetwas machen.“, ruft er und stürmt zum Telefon.
Er wählt die Nummer der Polizei und schildert den Beamten, dass seine Frau und seine Tochter tot auf dem Wohnzimmerboden liegen. Zusätzlich versucht er zu erklären, wie der Tod zustande gekommen sein könnte.
Als er auflegt und sich umdreht, sind die Beiden verschwunden. Weder seine Frau, noch seine Tochter liegen auf dem Boden, nur noch ein paar Blutstropfen beweisen, dass dort etwas passiert sein muss.
„Bin ich jetzt verrückt geworden? Wo sind die Beiden hin?
Zwei Leichen können doch nicht einfach so verschwinden.“, flËstert er und sackt verzweifelt zusammen.
Geweckt wird er wieder, als die Polizei an seiner Tür klingelt. Er rafft sich auf und öffnet dir Türe.
„Was ist passiert, sie haben uns gerufen?“, sagt einer der Beamten.
„Nein, habe ich nicht, tut mir leid.“, antwortet Nicolai, denn er hat Angst, dass ihn die Beamten für verrückt halten, wenn er ihnen die gerade geschehene Geschichte erzählt.
Nicolai schließt die Türe und stapfft zum Telefon. Der einzige
Mensch, der ihm jetzt eventuell helfen kann, ist Claus.
„Claus Schilling, Hallo?“, ertönt die Stimme auf der anderen
Seite der Leitung.
„Claus, du musst mir helfen. Maja und Lena… Sie sind… Sie
Sind… Sie sind tot!“ ruft Nicolai in den Hörer und beginnt laut zu schluchzen. Er kann sich die Tränen vor Schock und Schmerz einfach nicht mehr zurückhalten.
„Wie bitte, sie sind tot? Wie ist denn das passiert?“, fragt
Claus besorgt.
Nico schildert ihm die Geschichte soweit er kann.
„Und plötzlich waren sie weg. Ich bin mir sicher, dass sie tot sind, aber sie sind weg. Sie hatten nur zwei kleine Löcher im Hals und etwas Blut kam raus.“, schildert Nicolai.
„Ganz klar, sie sind durch einen Vampirbiss gestorben. Nachdem du durchs Telefon abgelenkt warst, sind die Beiden durchs Fenster verschwunden.“, antwortet Claus und klingt gefasst.
„Claus, ich bin jetzt nicht zum Spaßen aufgelegt. Sag mir deine ehrliche Meinung.“, antwortet Nico.
„Ich meine es ernst, Nicolai. Versuch herauszufinden, ob es
Vampire gibt, es muss irgendwo Vampire geben. Sie holen die Menschen bei Nacht, bei Tag sind sie nicht zu gebrauchen.“, schildert Claus und klingt dabei vollkommen ernst.
Ohne weitere Worte von sich zu geben, legt, Nicolai den
Hörer auf, setzt sich aufs Sofa und wirft den Kopf in die
flachen Hände. Dann beginnt er zu weinen und kann erst
am nächsten Morgen wieder aufhören.
„Da hilft einem sogar die Psychologenausbildung nichts. Ich habe meine Frau und meine Tochter verloren, die beiden wichtigsten Menschen in meinem Leben sind tot.“, schreit Nico laut.
Die kommenden Tage lässt er sich bei niemandem blicken,
lässt nichts von ihm hören und liegt einfach nur da. Er liegt
auf der Couch, steht nicht auf, isst nicht und trinkt kaum etwas.
Eine knappe Woche später ist er wieder in der Lage aufzustehen.
„Ich werde herausfinden, wer meine Familie getötet hat“, verspricht er sich selbst und macht sich auf die Suche nach einem Schuldigen.
Der erste Weg fËhrt ihn ins Landeskrankenhaus Königsberg. Dort angekommen kündigt er seinen Job, denn er will sich komplett auf die Suche konzentrieren.
„Ich gebe meinen Beruf als Psychologe auf. Ich bin am dem heutigen Tage „Professor Nicolai Markus Abronsius“, Vampirforscher aus Königsbergö, verspricht er sich selbst.
Von diesem Tage an schwört er, in seinem Leben kein anderes Ziel mehr zu verfolgen, als Vampire zu jagen.
Die Jahre ziehen weiter ins Land, weitere fünfzehn Jahre vergehen, doch Professor Abronsius hat keine Spur. Mittlerweile ist der arme Mann 60 Jahre alt, wir schreiben das Jahr 2010 und Nicolai arbeitet als Professor an der Universität in Königsberg.
Einer seiner Studenten hört auf den Namen Alfred
Schilling. Dieser Student ist der Sohn seines besten Freundes, Claus Schilling.
Alfred ist mittlerweile fünfundzwanzig Jahre alt und einer seiner besten Studenten. Sein Verhalten hat er scheinbar von Neele und Claus mitbekommen, denn er ist schüchtern,
zurückhaltend und redet kaum ein Wort.
Nicolai hat mittlerweile eine kleine Spur, die ihn nach Transsylvanien führen könnte, doch alleine möchte er die
Reise nicht antreten.
„Ich brauche einen Assistenten, der mich auf meiner Reise begleitet.“, erwähnt er, als er mit seinem Freund Claus telefoniert.
„Dein Sohn währe ein idealer Begleiter, erlaubst du ihm, mit mir nach Transsylvanien zu fliegen und dort nach Vampiren zu forschen?“, fragt Nicolai seinen Freund.
Stolz, dass sein bester Freund seinen eigenen Sohn dazu
auserwählt hat, ihn auf die gröte und längste Reise zu begleiten, bejaht Claus Nicolais Vorschlag.
Keine zwei Monate später bereiten sich Professor Nicolai Markus Abronsius und Alfred Schilling auf ihre große, weite Reise nach Transsylvanien vor. Sie packen warme Kleidung und diverseste Untersuchungsgegenstände in ihren Koffer und keine zwei Stunden später stehen sie am Flughafen und warten auf den Flug 007 - auf direktem Wege nach Transsylvanien.
Dort angekommen machen sie sich sofort auf die Suche. In diesem Land herrschen eisige Temperaturen und die Suche gestaltet sich als äußerst schwierig.
Doch der Professor und sein Assistent lassen sich durch die Kälte nicht beirren, bis zu dem Moment, als der Professor sich auf einen Stein setzt, um seine Beobachtungen aufzuschreiben.
Alfred, der schüchterne Assistent und Sohn des besten Freundes von Nico bemerkt nicht, dass der Professor sich gesetzt hat und geht weiter. Keine zwei Minuten später fällt
ihm auf, dass der Professor verschwunden ist und er beginnt laut zu schreien:
„He, Ho, He, Hey wo sind Sie Professor?!“.
„Wir sind entkommen, mein Verstand hat triumphiert und die
Menschheit vorm Verderben bewahrt.“ Der Professor möchte weiter sprechen, doch die Worte bleiben ihm im Hals stecken.
Er schwenkt seinen Kopf nach links – dreht ihn nach Rechts und muss feststellen, dass Sarah und Alfred verschwunden sind.
„Gerade eben kauerten sie doch noch unweit meines Steines auf dem Boden, wo sind sie denn auf einmal hin?“, fragt sich der Professor leise und merkt, dass er langsam zu frieren beginnt.
„Logik, Logik! Wer fragt, dem sagt die Logik.“, murmelt er leise vor sich hin.
Er fragt sich, was passiert sein könnte und warum Alfred und Sarah kein Wort von sich gegeben haben, bis es plötzlich hinter ihm knackt.
Ruckartig dreht er sich um, kann jedoch nichts entdecken – weit und breit ist nichts und niemand zu sehen.
„Alfred, Alfred!“, ruft der Professor laut, doch auch hierauf bekommt er außer seinem eigenen Echo keine Antwort.
Langsam legt er den Stift in sein Notizbuch und legt es zur Seite. Er reibt seine Hände aneinander – die mittlerweile ziemlich gefrohren haben und schon ganz blau sind.
Der Professor stützt seine Ellenbogen auf seine Knie und lässt den Kopf darauf fallen.
„Was ist, wenn Alfred und Sarah etwas passiert ist?“, fragt er sich und springt ruckartig von seinem Stein auf. „Wenn etwas passiert ist, dann muss ich sie schnellstmöglich finden.“, sagt er sich selbst.
Er packt sein Notizbuch, steckt es in seine Manteltasche und untersucht den Boden nach etwaigen Spuren. Da es geschneit hat und der Boden ganz glatt und mit einer leichten Schneedecke überzogen ist, sollte man Spuren leicht erkennen können.
Jeder Milimeter Schnee wird vom Professor genauestens unter die Lupe genommen und… tatsächlich, nach einigen wenigen Metern findet er die erste heiße Spur, die ihn jedoch nicht sonderlich glücklich macht.
„Blut…“, denkt er laut. So gut es mit den mittlerweile auch gefrohrenen Knien geht, lässt er sich in den Schnee fallen und untersucht die roten Tropfen im Schnee.
„Eindeutig Blut – aber das kann doch gar nicht sein.“, denkt er erneut laut.
Mittlerweile zittert der Professor am ganzen Leibe, ihm ist kalt und außerdem bekommt er es langsam mit der Angst zu tun.
Für einen kurzen Moment schließt er die Augen, atmet zweimal tief durch und öffnet sie wieder – jetzt fällt ihm das klare Denken um einiges leichter.
„Eigentlich können die Tropfen nur von Sarah stammen, sie wurde gebissen, doch dafür sind es viel zu viele.“, denkt er. „ „Hätte Sarah allein so viel Blut verloren, müsste sie hier irgendwo liegen - sie alleine kann nicht der Auslöser für so viel Blut sein.
Der Professor begibt sich wieder auf seine Beine und denkt angestrengt nach. Viele Möglichkeiten, was passiert sein könnte, gibt es nicht, das ist ihm klar, doch er muss herausfinden, was genau passiert ist.
„Um herausfinden zu können, was passiert ist, benötige ich etwas Zeit und einen warmen Platz, um meine Gedanken sammeln zu können.“, denkt der Professor bei sich.
Er entschließt sich, in das „Hotel am Platz“ zurückzukehren und sich dort für einige Tage ein Zimmer zu mieten, um in Ruhe nachdenken zu können, welche weiteren Schritte er nun gehen möchte.
„Im Hotel könnte ich Rebecca antreffen, vielleicht kann sie mir weiterhelfen und sagen, wo Alfred und Sarah sich befinden. Eventuell befinden sie sich sogar dort – ich muss es einfach versuchen.“, belehrt er sich selbst und stapft strammen Strittes durch den immer tiefer werdenden Schnee.
Je näher ich dem Hotel komme, desto mehr Erinnerungen werden in mir wach gerufen.
„Als ich das erste Mal hier ankam, tanzten alle Menschen fröhlich auf den Tischen – sie besangen den Knoblauch, hatten ihn sich umgebunden.“, philosophiert er und lächelt.
Schnellen Schrittes geht er letztendlich auf die Haustüre des Hotels zu und drückt die Türklinke – doch nichts tut sich. So beschließt er, einfach anzuklopfen, was er auch tut.
Eine Weile tut sich gar nichts, doch dann hört er Schritte, die immer näher zu kommen scheinen.
Mit einem Ruck wird die Türe zum Hotel aufgerissen und Rebecca steht vor ihm – freudestrahlend und lachend.
„He, Ho, He! Hallo, Herr Professor!“, singt Rebecca erfreut
und bittet ihn herein.
Langsamen Schrittest, um nicht auf dem nassen Holzboden auszurutschen, schluft der Professor in die Stube und setzt sich an den großen Holztisch, direkt zu einer Petroleumlampe, an der er seine Hände zu wärmen versucht.
„Kapino, den Wodka, schnell!“, ruft Rebecca zu einem der
Dorfbewohner, der den Wodka auch sogleich bringt.
Der Dorfbewohner schnappt sich den Vodka und läuft auf sie zu. Schnell stellt er die volle Flasche auf den Tisch, sodass der Vodka gleich überschwappt.
„Bedien dich.“, meint sie fröhlich und drückt Nicolai ein Glas in die Hand.
Dieser schnappt sich das Glas und die Flasche, gießt sich einen guten Schluck Vodka ein und trinkt ihn mit einem Schuck aus.
„Ah, das tut gut.“, flüstert Abronsius und spürt, wie sich die Wärme des Vodkas in seinem Körper ausbreitet.
„Aber jetzt erzähl mal, Herr Professor. Was führt dich denn zu mir?“, fragt Rebecca schnell. „Wo hast du denn Alfred gelassen, deinen jungen Assistenten?“.
„Genau deswegen bin ich hier, ich weiß nicht, wo Alfred geblieben ist.“, erklärt Nicolai und nimmt noch einen großen Schluck Wodka.
Er lehnts ich zurück, gähnt einmal ausgiebig und beginnt dann, Rebecca zu erklären, was vorgefallen ist.
„Du weiÜt doch, dass wir auf der Suche nach Sarah waren, sie ist doch damals in dieser tiefschwarzen Nacht verschwunden.
Beim Mitternachtsball im Schloss musste dann das passieren, was passieren sollte, er hat Sarah gebissen – wollte sie unsterblich machen.“, erzählt er weiter.
Rebecca bricht in Tränen aus, doch Nicolai lässt sich davon nicht abhalten, die Geschichte weiter zu erzählen.
„Im Endeffekt gelang es Alfred und mir, Sarah aus dem Schloss zu befreien. Sie war schwach, doch Alfred hat sich liebevoll um sie gekümmert. Irgendwo auf dem Weg zwischen Schloss und dem Hotel hier haben wir uns kurz niedergelassen, um eine Verschnaufpause einzulegen.“, erzählt er weiter.
„Und plötzlich, als ich aufgesehen habe um zu schauen, ob es den Beiden gut geht, waren sie verschwunden.“.
„Sie sind verschwunden?“, fragt Rebecca ungläubig. „Du willst mir erzählen, dass du sie gerettet hast und dann hast du sie einfach verschwinden lassen?“.
Nicolai versucht ihr zu erklären, dass es anders gewesen ist, doch Rebecca hört ihm gar nicht mehr zu.
„Wenn du mich jetzt um Hilfe bitten willst, ich kann dir nicht sagen, wo die Beiden sind, ich dachte, dass sie bei dir in guten Händen seien – aber da habe ich mich wohl getäuscht. Am Besten du gehst zurück zum Schloss und beginnst dort zu suchen.“, spricht sie mit wutentbrannter Stimme.
„Ich weiÜ nicht, ob das eine so gute Idee ist. Wenn seine
Exzellenz hungrig ist, bin ich doch ein gefundenes Fressen.
Wenn er mich beißt, kann ich nicht mehr nach Alfred und Sarah suchen.“, erwidert der Professor etwas nachdenklich.
Rebecca gibt ihm jedoch keine Antwort mehr, sie starrt plötzlich nur noch ins leere.
Der Professor versucht herauszufinden, welchen Punkt sie anstarrt, kommt allerdings nicht dahinter.
Ohne zu erfahren, was in Rebecca vorgeht, beschließt er, erst am nächsten Tag weiterzusuchen und sich ins Bett zu legen – der Tag war ziemlich hart.
Der Professor schleicht leise in sein Zimmer, um die anderen Bewohner nicht zu wecken und beschließt, noch eine Runde baden zu gehen – seine alten Knochen müssen sich erwärmen, sonst wird es nichts mit dem Weitersuchen.
Als er die Türe zum Bad öffnet, sieht er eine schwarze, dunkle Gestalt am Rand der Baedewanne sitzen. In der Badewanne selbst lassen sich Umrisse einer weiblichen Gestalt erkennen.
Er erschrickt, versucht aber, nicht zu laut zu sein, um herausfinden zu können, wer diese Gestalt ist.
Wie es aussieht, scheint das der Graf höchstpersönlich zu sein – und es hat den Anschein, als würde er gerade ein neues Opfer suchen, das er in den Bann der Untoten ziehen kann.
Der Professor beschließt, sich den Grafen zu schnappen. Er läuft zurück zum Bett, schnappt sich seine Tasche, kramt den Pflock und den Hammer hervor und stellt sich zur Türe.
Innerlich zählt er bis drei und reißt selbige ruckartig auf.
„Da sind sie ja, Herr Graf.“, ruft er laut und stürmt ins Badezimmer – doch dort ist niemand zu finden. Es riecht nicht modrig, keine Frau in Sicht – nichts.
„Entweder bin ich schon ganz verrückt, oder einfach vollkommen übermüdet.“, murmelt der Professor und beschließt, das baden gehen doch sein zu lassen.
Langsam und betrübt schlurft er zurück zum Bett, stellt seine Tasche auf den Boden und krabelt unter die Decke. Keine zwei Sekunden später schläft er auch schon ein.
„Folg mir nach, vertrau der Nacht, sie nur kann deine Seele retten. Fluch dem Tag und seiner Macht, lös die Sehnsucht von allen Ketten.“, ertönt es plötzlich laut.
Erschrocken fährt der Professor hoch und staunt nicht schlecht. Um sein Bett herum stehen duzende Vampire, alle grinsen ihn an, ächzen nach seinem Blut.
Einige davon haben sich den Weg bist zu seinem Bett schon freigekämpft und versuchen, an seinem Hals zu saugen.
Der Professor versucht, sie zu verjagen, fuchtelt mit den Armen, doch die Vampire lassen sich nicht sonderlich davon überzeugen.
Er tritt mit den Füßen, versucht, sie zu erwischen, doch keine Chance.
Der Professor versucht sich zu erheben – möchte weglaufen, doch vergebens, er muss geschockt feststellen, dass er an das Bett gefesselt ist.
Verzweifelt möchte er bereits aufgeben, sieht keine Chance mehr, sich gegen die Meute der Vampire zu retten, doch da kommt ihm die entscheidende Idee.
Mit seinen Fingern formt er ein Kreuz und sofort drängen alle Vampire in eine Ecke, schützen ihre Augen vor dem Anblick.
Nicolai sieht sich die Vampire genauer an und muss feststellen, dass ihm einige davon sehr bekannt vorkommen.
„Sarah - das bist du ja!“, ruft Nicolai laut, als er sie in demselben funkeln roten Kleid sieht, in dem sie verschwunden ist.
„Alfred, da bist du ja.“, ruft er auch, als er Alfred zu Gesicht bekommt.
Er bittet die Beiden, zu ihm zu kommen und ihm zu helfen, doch die Beiden flätschen nur die Zähne und ihre Augen verfärben sich rot.
„Was ist denn mit euch los! So helft mir doch!“, schreit der Professor.
Doch wiedererwartend helfen sie ihm nicht, sie heben nur langsam den Kopf. Ihre Augen sind geschlossen, sie würdigen ihn keines Blickes.
Er versucht seinen Kopf zu drehen und sieht Magda und
Chagal. Sie stehen unweit von Alfred und Sarah und sehen
sie an. Es sieht aus, als würden die Beiden ihnen etwas
sagen.
Plötzlich öffnen Sarah und Alfred die Augen, sie sind
blutrot und funkeln ihn an. Sie öffnen ihren Mund,
fletschen ihre Zähne und erst jetzt merkt er, dass die
Beiden nicht mehr unter uns Menschen weilen. Sie sind
Vampire, sie haben sich verwandelt und haben es jetzt auf
sein Blut abgesehen.
Er sieht sich um und mittlerweile fletschen alle Anwesenden ihre Zähne.
An dem einen oder anderen Mund kleben noch die Überreste der letzten Mahlzeit.
Ohne zu zögern, stürzen alle auf einmal auf ihn und versuchen, ihn in den Hals zu beißen.
„Halt!! Hört auf, ihr nehmt mir doch den ganzen Spaß!“,
ertönt es auf einmal aus der hintersten Ecke des Zimmers.
„Kommt zu mir zurück, wir machen das alles gemeinsam!“,
spricht dieselbe Stimme streng.
Langsam entfernen sich die ungebetenen G”ste wieder vom
Bett des Professors und dieser atme erleichtert auf.
Er sieht sich um, um herauszufinden, woher die Stimme
kommt und sieht seine Exzellenz in der Ecke stehen. Seine
Augen funkeln, er hat ein Lächeln auf den Lippen.
„He, Ho, He! Hey da sind Sie Professor!“, spricht er
langsam, aber mit fester Stimme.
„Was wollen Sie von mir? Sie können mich nicht beißen, es
wäre längst nicht genug Blut für allle da!“, spricht der Professor laut – doch seine Stimme zittert.
„He, Ho, He, wirklich treffend Professor! Nur ein Biss und
es ist passiert! Zu viel Neugier ist tödlich, Professor!“, spricht
von Krolock laut und fängt an, lauthals zu lachen.
Alle Vampire, einschließlich Sarah und Alfred drehen sich
ruckartig um und rücken ganz eng zusammen.
„Sei bereit, Professor.“, spricht der Graf und mit einem Blick zu seinen Vampiren fordert er sie auf, zuzubeißen.
„Sei bereit, Sternkind.“, sagen alle gleichzeitig und hechten
mit einem Sprung auf Nicolai zu.
Kurz bevor sie ankommen, ertönt die Stimme des Grafen noch erneut.
„Nein, es wär verkehrt, den Kopf zu verlieren. Wir wollen
nicht vor der Zeit, den Genuss ruinieren.“, ruft er und
schüttelt den Kopf.
Erschrocken durch die Worte seiner Exzellenz, aber
Eingeschüchtert, drehen sich die Vampire lautlos um und
fliegen davon.
Von Krolock fliegt zu Nicolai, kommt ganz nah an seinen Hals heran und flüstert ihm etwas zu.
„Nur ein Biss und es ist passiert, zu viel Neugier ist tödlich, Professor.“, spricht er und öffnet seinen Mund.
Seine funkelnden, weißen Zähne blitzen dem Professor entgegen und er ist sich sicher, dass der Graf zubeißen will.
Genau in diesem Moment, öffne er seine Augen und
merkt, dass alles nur ein Traum war. Er schlägt die Augen
ein paar Mal auf und zu, sieht, dass er schweißgebadet im
Bett liegt.
Erschrocken muss er feststellen, dass er nicht einmal im Schlaf zur Ruhe kommen kann, also klettert er aus dem Bett.
„Sollte dieser Traum ein Hinweis sein, sollte er mir zeigen,
dass Alfred und Sarah verloren sind, dass ich nicht weiter
nach ihnen suchen soll?“ ,fragt er sich.
Er ist sich nicht sicher, ob er das Richtige macht.
Wieder versucht er sich selbst zu belehren.
„Ich suche Wahrheit, ich suche Klarheit.“, spricht er laut und deutlich.
Er stellt sich vor den Spiegel und wiederholt seine
Worte, dabei erhebt er seinen rechten Zeigefinger und
sieht aus, wie immer. Ein belehrender Professor, so gehört
es sich.
Er fasst allen Mut zusammen, zieht sich an und
Macht sich auf, weiterzusuchen.
„Ich kann nicht aufgeben, ich muss wissen, was mit Alfred und Sarah passiert ist. Dieser Traum kann kein Hinweis sein, es war nur ein einfacher Alptraum.“, flüstert er leise.
Er packt seine Sachen, zieht sich an und macht sich auf
den Weg. Nach wenigen Schritten muss er allerdings anhalten und zugeben, dass er keine Ahnung habt, wohin er gehen soll.
Kurz überlegt er, ob er dem Tipp Rebeccas doch
folgen soll und ins Schloss des Grafen geht, oder ob er
jemanden sucht, der Alfred und Sarah möglicherweise
gesehen haben könnte.
Doch noch bevor er sich einen wirklichen Plan
zusammenstellen kann, werden seine Gedanken
durchbrochen.
„Was macht dich so blass, bist du krank?“, zwitschert eine
helle aber klare Stimme.
„Wie, was, wo? Wer spricht hier mit mir?“, denkt er erschrocken. Er dreht sich um und sieht in zwei warme Augen – er hebt den Kopf.
„Blonde Haare, Vampirzähne, warme Augen und lila
Gewand.“, murmelt er leise.
Plötzlich merkt er, wer genau davor ihm steht und springt zur Seite.
„Nein, ich bin nicht krank, ich hatte einen Alptraum.“, antwortet Nicolai leise und bemerkt, wie Herbert mit einem Lächeln auf den Lippen auf ihn zukommt.
„Aber nein, du hast Fieber mein Freund!“, spricht er leise
und sieht Nicolai direkt in die Augen. „Du solltest im Bett sein.“, säuselt er weiter.
„Ich habe kein Fieber. Ich habe nur schlecht geschlafen.“,
erwidert der Professor errschöpft.
„Du zitterst vor Angst, mon Cherie.“, antwortet Herbert
und muss grinsen.
„Nein, ich zittere nie! Ich habe keine Angst. Was willst du
eigentlich von mir, wieso bist du hier? Du solltest in deinem
Sarg liegen, es ist hellichter Tag.“, erklärt Nicolai ihm und sieht ihn an.
„Ich wollte mit dir reden. Ich habe erfahren, dass du nach
Alfred und Sarah suchst. Ich kann dir helfen, ich weiß wo
sie sind.“, spricht Herbert und sieht vertrauenswürdig aus.
Doch sofort schleicht sich das Gewissen ein. Soll Nicolai ihm
vertrauen? Er ist der Sohn des Grafen von Krolock,
vielleicht hat er ihn geschickt um ihn zu holen.
„Meine Stunden könnten gezählt sein.“, denkt er.
„Wieso sollte ich dir vertrauen. Woher weiß ich, dass du
mich nicht anlügst und du wirklich weißt, wo Alfred und
Sarah sind?“, fragt er Herbert.
Dieser holt einen kleinen, roten Stofffetzen aus seiner
Jackentasche und hält ihn dem Professor unter die Nase.
„Dies ist der Stoff von Sarahs Kleid. Sie ist hängengeblieben, als sie zu meinem Vater und mir gekommen ist um sich helfen zu lassen. Dieser Stoff beweist, dass ich weiß, wo Sarah und Alfred sind.“, erwidert Herbert und drËckt mir den Fetzen in die Hand.
„Das Kleid… Sie hatte dieses rote Ballkleid an, als wir
geflohen sind. Er weiß wirklich wo Alfred und Sarah sind,
er lügt mich bestimmt nicht an. Wieso sollte er mir helfen
wollen, wenn er es nicht wirklich wüsste?“, murmelt Nicolai und Herbert grinst schämisch.
„Okay, du kannst mir scheinbar wirklich helfen. Wo mssen wir hin? Wo sind die Beiden?“, sagt er schnell und sein Herz klopft immer schneller.
„Komm, ich lad dich ein, zu Wein und Musik und Kerzenschein. Das wird gigantisch, romantisch.“, flüstert er
und Nicolai bejaht.
Er weiß, dass Herbert schwul ist Ich weiÜ ja, dass Herbert schwul ist, und denkt, dass er, wenn er Nähe zu ihm aufbaut schneller an Alfred und Sarah herankommen kann.
„Okay, lass uns etwas trinken gehen.“, erwidert und
schon sitzen sie in einem netten Restaurant und trinken ein Gläschen Wein.
„Heut Nacht ist Ball, ich lad dich ein. Mit dir im Arm werde
ich im siebten Himmel sein.“, träumt Herbert vor sich hin.
„Moment, für euren Ball komme ich nicht mit und mit dir
tanzen möchte ich…“.
Der Professor kann nicht weitersprechen, denn plötzlich wird ihm ganz schwindelig. Er kann für einen Moment nicht atmen, alles verschwimmt vor seinen Augen – seine Arme werden schwer.
„Mit dir tanzen möchte ich auf jeden Fall.“, antwortet er und hat keine Ahnung, was mit ihm los ist.
„Es wirkt, hatte mein Vater doch recht.“, flüstert Herbert
leise, sodass Nicolai nicht sicher ist, ob er das gerade eben wirklich von sich gegeben hat.
„Herbert? Ich würde gerne mit dir ins Schloss kommen
und dort als dein Partner zum Ball gehen.“, flüstert Nicolai und Herbert rückt näher an ihn heran.
Plötzlich sringt er auf und funkelt Nicolai an.
„Ich geb dir was dir fehlt, eine Reise auf den Flügeln der
Nacht. In die wahre Wirklichkeit, in den Rausch der
Dunkelheit. Mach dein Herz bereit:“, singt Herbert vor sich
hin und ergreift des Professors Hand
Noch bevor dieser richtig begreifen kann, was passiert, stehen die Beiden vor den Toren des Schlosses seiner Exzellenz.
Kaum eingetreten, schreitet auch schon Graf von Krolock
persönlich daher und begrüßt sie.
„Ich weiß, was du fühlst und denkst. Ich kann dein Sehnen spüren. Wenn du mir dein Vertrauen schenkst, werde ich dich führen.“, sagt er laut und Nicolai erschrickt.
Ihm ist nicht wohl, doch seine Gedanken sind wieder klar.
„Wo bin ich und vor allem, warum steht der Graf vor mir?“, fragt er sich.
„Da fragst du noch? Du bist mir freiwillig gefolgt.“, erwidert
Herbert etwas eingeschnappt.
„Wie bitte? Ich bin dir freiwillig gefolgt? Das kannst du
jemand anderem erzählen, ich würde doch nie mit einem
schwulen Vampir mitkommen um mich in die Falle
höchstpersönlich zu begeben. Das Schloss des Grafen -
etwas Schlimmeres kann mir doch gar nicht passieren!“,
ruft Nicolai.
„Pah!“, ruft Herbert beleidigt, dreht sich um und schreitet
von Dannen.
Jetzt sind sie nur noch zu zweit, der Graf und der Professor.
Was soll ich jetzt tun? Weglaufen bringt nichts, das
weiß ich - schließlich habe ich es nicht erst einmal versucht.“, fragt er sich selbst.
„Ich muss mich stellen, ich muss ihn um Hilfe bitten!“.
Doch anstatt ihn fragen zu können, verändert sich Krolocks Augenfarbe.
Ich bin wie versteinert, ich kann mich nicht bewegen.
Ich weiß genau, was das zu bedeuten hat.
„He, Ho, He, Hallo Herr Professor!“, ruft Alfred, der hinter einer Säule hervortritt und lacht.
Plötzlich springen aus allen Ecken Vampire hervor, mit blutunterlaufenen Augen und fletschen ihre Zähne.
„Auf ihn.“, ruft Sarah und sieht Alfred in die Augen.
„Ich weiß, dass es zu Ende ist, ich kann nicht gegen so viele
Vampire ankommen.“, denkt er bei sich.
Er neigt seinen Kopf nach rechts und spürt schon, wie sich die spitzen Zähne in seinen Hals bohren.
Er zittert, sackt zusammen und sieht nur noch, wie Sara mit blutverschmiertem Mund und blutigen Zähnen aufschreit und nach mehr Blut ächzt.
Sie packt seinen Kopf, neigt ihn zur linken Seite und auch Alfred beißt zu.
Er bricht zusammen und wacht erst wieder auf, als alle
Vampire gleichzeitig vor mir stehen und ihn in ihren
Armen halten. Alle haben blutverschmierte Münder, alle
fletschen ihre Zähne.
Er sieht zu Boden, auf dem noch einige Blutstropfen zu
sehen sind.
„Was ist das?“, fragt er.
„Blut, Liebling. Leck es auf.“, antwortet Herbert.
Nicolai leckt daran und ekelt sich – es schmeckt scheußlich.
„Nichts wie raus aus der Nacht, in die Sonne, weil uns
endlich keine Schranke mehr hält. Unsre Ziele sind klar, unsre Methoden bewährt. Wir sind tot doch wir leben, solang ihr uns nährt.“, singen alle gleichzeitig und Nicolai merkt, dass er sich in der Gegenwart der Vampire richtig wohl fühlt.
Alle stellen sich in einer Reihe auf, sehen sich an und
beginnen zu singen.
„Wir wollen tun was uns Spaß macht und so sein wie wir
Sind“.
„Wir trinken Blut und haben Null Moral, was aus dieser Welt
wird, ist uns scheiÜegal. Wir trinken Blut und haben Null
Moral, was aus dieser Welt wird ist uns scheißegal.“, singen
alle.
Und jetzt ist er sich sicher, jetzt laden alle Vampire zum Tanz.
„Der Ball kann beginnen.“, ruft er und fletscht seine Zähne.
Die Nacht dauert lang und am nächsten Tag ist Nicolai ganz verschlafen.
„Guten Morgen, mein lieber Nicolai! Wie geht es dir an diesem wunderschönen Abend? Hast du gut geschlafen?“, ertönt Herberts Stimme sanft aus seinem Sarg. Er setzt sich auf und streckt die Arme in die Höhe. Er trägt ein fliederfarbenes T-Shirt mit einer schwarzen, engen, langen Hose. Wie
sonst auch, trägt er auch beim Schlafen sehr körperbetonte Kleidung.
„Uah, guten Abend, Herbert.“, antwortet Nicolai. „Mir geht es prächtig, ich habe sehr gut geschlafen.“, spricht er leise und noch etwas müde.
„Komm schon mein Süßer, komm aus deinem Sarg heraus und kriech zu mir. Ich hätte eine gute Idee, wie ich dich wach bekomme.“, säuselt Herbert, streicht sich durch sein blondes Haar und sieht Nicolai Abronsius mit großen Augen an.
„Herbert, mein Lieber. Du weißt doch, wie ich zu einer Beziehung zwischen zwei Männern stehe. Ich liebe dich nicht, ich mag dich, du bist nett, mehr aber auch nicht.“, seufzt der Professor und schält sich aus seinem Sarg.
„Ich gehe jetzt erst einmal in den großen Saal frühstücken und ich denke, dass sich dein Vater freuen würde, wenn du auch bald kommst.“, spricht Nicolai langsam und gähnt ausgiebig.
Er springt locker von der Erhöhung seines Sarges, nimmt sich seinen Morgenmantel und schlurft langsam zum großen Saal, in dem täglich das Frühstück der Vampire stattfindet.
Dort angekommen sind die Schlossbewohner schon fertig, nur der Graf sitzt noch gemütlich bei Tisch.
„Guten Morgen, von Krolock.“, spricht Nicolai langsam und verbeugt sich.
„Sei nicht so förmlich, du bist einer von uns.“, antwortet dieser lachend.
„Du weißt doch, du kannst mich beim Vornamen nennen.“, spricht er weiter.
„Okay, nur… Wie lautet der?“, fragt Nicolai.
„Man nennt mich… Heinrich, mein Lieber. Heinrich von Krolock.“, antwortet er und reicht Nicolai die Hand.
„Heinrich? Ich glaub es nicht, Heinrich.“, lacht Nicolai und hat Mühe, sich wieder einzukriegen.
„Was ist denn das für ein Name?“, fragt er und reißt sich zusammen, nicht noch einmal laut loszulachen. Diesen Namen hätte Nicolai ihm wohl nicht zugetraut.
„Willst du mich beleidigen? Meine Eltern nannten mich vor über 500 Jahren so, damals war dieser Name modern. Glaube mir, in 200 Jahren wird auch über deinen Namen jeder laut lachen, sollte er diesen jemals erfahren.“, antwortet der Graf leicht genervt.
„Guten Morgen, Vater.“, ertönt es auf einmal.
„Guten Morgen, Herbert, mein Sohn. Ich hoffe du hattest eine angenehme Tagruhe.“, fragt er.
„Mit so einem netten Mann in meiner Umgebung kann ich doch nur gut schlafen.“, erwidert Herbert und zwinkert Nicolai zu. Dieser wendet sich schnell von Herbert ab und sieht in eine andere Richtung.
„Wenn dieser junge Mann nicht bald aufhört, mich anzuhimmeln, verliere ich in absehbarer Zeit die Nerven.“, denkt der Professor bei sich.
Der Graf lächelt bei Herberts Antwort und wendet sich dem Professor zu. „Du weißt hoffentlich, dass heute unsere erste Lektion in Sachen Vampir-Dasein ansteht.“, fragt er diesen.
„Ja natürlich, welche Fähigkeit bringst du mir denn heute bei?“, fragt Nicolai aufgeregt. Er ist noch nicht lange in der Fraktion der Vampire und durfte auch bis jetzt noch nichts lernen, das ihm in seinem weiteren Leben helfen könnte.
„Wir werden dir heute beibringen, wie du richtig zubeißt.“, antwortet Herbert und lächelt. Dabei kommen seine strahlend weißen Zähne zum Vorschein.
„Oh, an diese Lektion hatte ich gar nicht gedacht.“, antwortet Nicolai nervös. Er ist sich nicht sicher, ob es ihm so leicht fällt, einen Menschen zu beißen und somit zu töten. Er war schon als Lebender immer sehr fürsorglich und hat immer darauf geachtet, dass es den Menschen in seiner Umgebung gut geht.
„Nicolai, jetzt komm schon, sei kein Waschlappen. Du schaffst das locker, Herbert wird dich unterstützen. Er hilft dir dabei, das alles zu bewältigen.“, antwortet Heinrich und klopft seinem Sohn auf die Schulter. Dieser lächelt und liebäugelt Nicolai an.
„Na gerade dann wird es mir noch schwerer fallen. Wieso eigentlich immer Herbert?“, denkt Nicolai bei sich.
„Wir schaffen das schon. Sei in zwanzig Minuten in eurer Gruft, dort werden wir dir das Jagen beibringen.“, dringen die Worte des Grafen in Nicolais Gewissen.
„Okay, ich werde pünktlich sein.“, erwidert dieser und lässt sich in seinen Sessel sinken. „Das Dasein als Vampir ist schon jetzt anstrengend, das kann ja nur noch besser werden.“, denkt er bei sich.
Zwanzig Minuten später erscheint er in der Gruft und nimmt für den Anfang am Sockel des Sarges platz. Kurze Zeit später erscheinen Heinrich und Herbert und bauen sich vor ihm auf.
„Nun dann, lasst uns beginnen.“, spricht der Graf laut und streckt Nicolai eine kleine Ampulle entgegen, die mit einer roten Flüssigkeit gefüllt ist. „Professor, beantworte mir eine Frage. Was glaubst du befindet sich in dieser Ampulle?“, ertönt seine Stimme erneut.
„Hm… Himbeersaft?“, antwortet Nicolai. „Gut so, ich hab sowieso schon richtig Durst… Aber… Eine Ampulle wird mir da nicht reichen, denke ich.“, spricht er weiter und lacht laut.
Herbert sieht Nicolai ungläubig an und ungefähr denselben Blick nimmt des Grafen Gesicht an. „Himbeersaft?“, fragt Herbert. „Du glaubst nicht im Ernst, dass sich Himbeersaft in der Ampulle befindet, oder?“, fragt er mir weit geöffneten Augen weiter.
„Natürlich nicht, ich wollte euch ein wenig auf die Schaufel nehmen. Ich glaube doch nicht im Ernst, dass das hier Himbeersaft ist.“, antwortet Nicolai und Herbert und sein Vater atmen erleichtert auf.
„Für Himbeersaft ist die Farbe viel zu dunkel. Es ist bestimmt Erdbeersaft.“, spricht der Professor mit sicherer Stimme weiter.
Herbert und sein Vater blicken sich in die Augen und lassen den Kopf hängen und ihr Atem stockt.. Nachdem sie beide einige Male ein und ausgeatmet haben, schauen sie Nicolai tief in die Augen.
„Du meinst das jetzt nicht im Ernst so, wie du es sagst?“, fragt Heinrich. „Wenn du dir einen weiteren Scherz erlauben willst, dann beenden wir die Unterrichtseinheit sofort.“, spricht er
langsam weiter und sieht Nicolai dabei tief in die Augen.
„Natürlich meine ich das ernst. Ich hab mir einen Scherz mit euch erlaubt, es tut mir leid, das war nicht fair. Aber in dieser Ampulle befindet sich ganz klar Erdbeersaft. Du weißt doch, Heinrich, meiner Theorie bezüglich „Logik“. Die Konsistenz weißt auf eine Substanz mit viel Zucker hin und die Farbe ist eindeutig Erdbeeren gleichzusetzen. Also befindet sich in dieser Ampulle Erdbeersaft.“, spricht Nicolai leise und tippt dabei auf die Ampulle.
„Nicolai, mein Freund.“, säuselt Herbert und setzt sich neben ihn. „Das ist Blut, mein Schatz, Blut! Das ist doch ganz klar, was soll ein Vampir denn bitte mit Erdbeersaft?“, fragt er ihn leise.
Nicolais Blick lässt darauf schließen, dass er es nicht für selbstverständlich hält, dass die Ampulle mit Blut gefüllt ist. „Du musst unseren Unterricht ernst nehmen. Reiß dich zusammen oder du wirst nie ein richtiger Vampir.“, antwortet der Graf und scheint ziemlich sauer zu sein.
„Aber,… Ich reiß mich doch zusammen, ich nehm das hier alles ernst. Ich kann doch nichts dafür, wenn ich nicht sofort daran denke, dass das Blut ist. Ich bin einfach ein gutmütiger Mensch… Ich meine Vampir und denke nicht daran, dass ihr einen Mensch getötet habt um mir beizubringen,
wie man ein richtiger Vampir ist.“, antwortet Nicolai gestresst.
„Bemüh dich einfach, okay? Denk wie ein Vampir – leb wie ein Vampir.“, säuselt Herbert und geht dabei einmal um den Professor herum.. „Sei ein Vampir!“, ruft er und sieht Nicolai tief in die Augen.
„Ich werde es versuchen, ich verspreche es euch.“, antwortet dieser leicht eingeschüchtert.
„Na gut, lassen wir das mit der Ampulle sein. Wir sollten dir erst einmal beibringen, wie man richtig zubeißt. Du musst deine Zähne so einsetzen, dass du einen gewissen Punkt am Hals des Menschen triffst.“, erklärt Herbert und tippt auf eine Stelle an seinem Hals.
„Nur, wenn du ihn direkt an diesem Punkt triffst, stirbt er auch, ansonsten bleibt er unter den Lebenden.“, belehrt Heinrich den Professor und hebt dabei seinen rechten Zeigefinger.
Nicolai nickt etwas schüchtern und sieht dem Grafen tief in die Augen. „Na dann los, erklär mir, wie das funktioniert.“, spricht er weiter.
„Ich werde es dir erklären, dass du die Theorie verstehst und…“, spricht Heinrich und sieht zu Herbert, der nur nickt.
„… Herbert wird dir zeigen, wie das in der Praxis funktioniert. Er stellt sich bestimmt freiwillig zur Verfügung.“, spricht er weiter.
„Ja, das mache ich gerne. Einmal am Hals des Professors saugen zu dürfen… Das ist doch wie Geburtstag und auf die Jagd gehen zusammen.“, erwidert Herbert und stellt sich zwischen die beiden Särge, die sich in der Gruft befinden.
Er deutet Nicolai, sich zu ihm zu stellen. Dieser erhebt sich und stellt sich direkt neben Herbert. Er ergreift seine Hand, schiebt ihn vor sich und legt seine beiden Hände auf des Professors Schulter.
„Können wir heute nicht nur Theorie machen?“, fragt Nicolai, um Herbert aus dem Weg gehen zu können. „Nein, mein Liebling. Heute werde ich dich endlich so berühren dürfen, wie ich das möchte.“, antwortet dieser und lächelt verliebt. Er fährt mit dem Finger langsam und zärtlich über Nicolais Hals und fletscht die Zähne.
„Du würdest gut zu Herbert passen, du hast ein bisschen Zicke in dir.“, antwortet der Graf genervt. „Wir machen das Alles so, wie ich es sage und dabei bleibt es. Jetzt sei still und hör zu.“, ertönt seine kräftige Stimme weiter.
„Du hast – wie du sicherlich schon bemerkt hast – spitze Beißerchen in deinem Mund.“, beginnt der Graf zu lehren. „Diese musst
du einsetzen. Du schleichst dich an dein Opfer an, packst es von hinten und beißt zu.“, lehrt er weiter.
Während seine Worte in Nicolais Gehörgang dringen, dreht sich Herbert um, läuft ein paar Schritte nach hinten und schleicht danach langsam auf Nicolai zu. Mit einer Hand packt er seine Schulter, mit der anderen seinen Kopf. Er öffnet seinen Mund und lässt seine blitzweißen Zähne zum Vorschein kommen. Dann beißt er zu.
„Aua, Mensch… Herbert, das tut doch weh!“, ruft Nicolai erbost und stößt Herbert beiseite. „Bist du denn von allen guten Vampirgeistern verlassen? Du kannst doch nicht einfach zubeißen, verdammt noch einmal.“, ruft er weiter und hält die Hand auf seinen Hals. Als er sie wieder weg nimmt, klebt Blut darauf.
Herberts Mund ist blutverschmiert und er lächelt den Professor an. „Endlich… Du schmeckst wunderbar, ich könnte dich auf der Stelle komplett vernaschen.“, säuselt er und wischt sich das Blut von seinem Mund. Dabei funkeln seine Augen verliebt.
„Gut gemacht, mein Sohn.“, ertönen die Worte des Grafen.
„Siehst du, Nicolai, das ist alles gar nicht so schwer.“, spricht er weiter.
„Nicht so schwer… Die haben sie doch beide nicht mehr alle. Das tut verdammt weh, die armen Opfer…“, denkt dieser bei sich und
hält sich mit schmerzverzerrten Miene die blutende Stelle am Hals.
„Stell dich nicht so an, das hört bald auf zu bluten. Nimm diese Ampulle und füll die restlichen Tropfen ein, indem du sie an deinen Hals hältst.“, spricht Herbert und hält ihm eine kleine Ampulle hin.
„Wieso zum Teufel sollte ich das machen?“, antwortet Nicolai erbost.
„Ist doch ganz klar, wenn wir Hunger haben, trinken wir Blut. Wenn wir uns gegenseitig beißen, bleibt davon immer etwas übrig, das wir in diese Ampullen füllen. Sollte uns der Hunger packen, wenn kein Opfer in der Nähe ist, trinken wir sozusagen ein Stamperl Blut aus diesen Ampullen.“, belehrt Herbert den Professor.
Dieser ergreift sie und hält sie sich an den Hals. Kaum ist die Ampulle voll, schließt sich die Wunde und hört auf zu Bluten. Wie von Zauberhand fühlt Nicolai sich wieder gut.
Er verschließt die Ampulle mit einem kleinen Korken und drückt sie Herbert in die Hand. Dieser bedankt sich mit einem Nicken und schleicht davon.
„So und jetzt bist du dran.“, spricht Heinrich langsam. „Herbert wird sich zur Verfügung stellen, jetzt wirst du ihn beißen.“, spricht er weiter. „Stell dich hinter ihn und tu das Gleiche, was er
getan hat.“, belehrt er den Professor mit erhobenem Zeigefinger.
Er zeigt ihm die Stelle am Hals, die Nicolai genau treffen sollte. Dieser prägt sie sich genau ein und stellt sich hinter Herbert.
„Na dann, los geht es.“, sagt Nicolai leise, während Herbert den Kopf erfreut zur Seite kippen lässt.
Er öffnet den Mund, setzt erst leicht seine Zähne an, lässt den Kopf in den Nacken fallen und möchte zubeißen. Doch dann fällt ihm ein, wie schmerzhaft das ist und lässt von Herbert ab. Er schließt den Mund, erschrickt und hüpft ein paar Schritte zur Seite.
„Ich kann das nicht… Ich kann das nicht, das tut weh. Ich kann Herbert nicht weh tun und ich kann es auch bei keinem Anderen.“, ruft er und nimmt auf dem Sockel des Sarges platz. Er lässt den Kopf in seine Hände fallen und atmet schnell aus und ein.
„Mensch, was ist denn mit dir los? Du bist ein Waschlappen. Herbert wird keine Schmerzen haben und wenn doch, hat er sie gerne.“, belehrt der Graf Nicolai und kniet sich hin. „Jetzt sei doch endlich ein richtiger Vampir und beiß einfach zu.“, spricht er langsam weiter und legt die Hand auf Nicolais Schulter.
„Du meinst also einfach zubeißen.“, antwortet Nicolai und sieht dem Grafen direkt in die Augen. Dieser nickt. „Aber die Zähne sind spitz, das tut den Opfern weh.“, spricht er langsam.
Heinrich weiß langsam nicht mehr weiter. „Wieso verdammt noch einmal ist dieser Mann so vorsichtig? Es ist doch vollkommen egal, ob die Opfer Schmerzen merken, sie werden es innerhalb von Sekunden sowieso nicht mehr spüren.“, denkt er bei sich und schüttelt langsam verzweifelnd den Kopf.
„Ja, natürlich tut es den Opfern weh, aber binnen Sekunden ist das vorbei. Sie sind kurz nach dem Biss in unsere Gattung aufgenommen und werden diesen Biss ab diesem Zeitpunkt tausend Male selbst setzen. Jetzt reiß dich verdammt noch einmal endlich zusammen und beiß einfach zu.“, brüllt der Graf mittlerweile äußerst erbost und blitzt Nicolai sauer an.
„Na gut, Heinrich, beruhige dich. Ich könnte es ja noch einmal versuchen, aber anders. Lass es mich an einer… Puppe versuchen. Ja, eine Puppe wäre ideal.“, antwortet Nicolai und seine Miene hellt sich auf.
„Eine Puppe? Was willst du denn mit einer Puppe? Die schenkt dir doch kein Blut, da lernst du doch nie, wie du deinen Biss richtig setzt.“, erwidert Heinrich etwas verwirrt.
„Na gut, schlechter Vorschlag, das sehe ich ein. Dann könnte ich doch…. Koukol beißen, der will sicher…“, spricht Nicolai. Plötzlich erstarrt er und seine Miene verzieht sich angewidert.
Allein die Vorstellung, Koukol zu beißen, lässt ihm einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Diesen buckligen, stinkenden Mann… „Bevor ich nur in der Nähe seines Halses bin, würde ich umkippen.“, denkt er bei sich.
„Du willst Koukol beißen? Das glaubst du doch wohl selbst nicht, der würde sich nie beißen lassen. Wobei, er ist ein Mensch, er ist mein Diener und wird immer älter. Gar keine schlechte Idee also, ihn ebenfalls unsterblich zu machen.“, erwidert der Graf und lächelt.
„Nein, nein, das war doch nur ein Scherz. Ich könnte Koukol nicht beißen… Wie du selbst sagst, er ist ein Mensch, ich könnte ihm diesen unsagbaren Schmerzen nicht aussetzen.“, antwortet Nicolai schnell, um sich aus der Gefahrenzone zu bewegen.
„Du bist ja wirklich nicht belehrbar.“, spricht Herbert langsam. „Jetzt beiß mich schon, ich halte die Schmerzen aus, glaube mir.“
„Ich kann nicht.“, antwortet Nicolai und sieht dabei dem Grafen in die Augen, der selbige in diesem Moment verdreht.
„Du brauchst deine Augen gar nicht verdrehen, mein Lieber. Ich weiß, was du denkst, aber ich bin nicht zu nett und auch nicht zu feige. Ich lerne erst und wenn du mein Lehrer bist, lege ich meine Nettigkeit bestimmt bald ab.“, funkelt er den Grafen an.
„Was soll denn das jetzt bedeuten?“, fragt Heinrich erbost. „Willst du damit sagen, dass ich zu meinen Opfern nicht nett bin?“, brummt er weiter.
„Wenn du es als nett bezeichnest, deine Opfer erst zu verführen und ihnen Nettigkeit und Liebe vorzugaukeln, um ihnen dann in den Hals zu beißen und ihnen ihr Blut zu entlocken. Ich würde es anders machen, ich würde wirklich nett sein, da bin ich mir sicher.“, antwortet Nicolai und lacht.
Herbert widerfährt ein kurzer Lacher. Heinrich sieht erst zu ihm, dann zu Nicolai und baut sich auf.
„Natürlich würdest du es anders machen, du Witzfigur. Wenn du versuchst, einen Menschen erst zu verführen, um danach das Blut zu entlocken, würdest du ziemlich sicher einige unserer Ersatzampullen brauchen.“, antwortet er und lacht dem Professor ins Gesicht.
„Das ist doch jetzt die Höhe. Was soll das jetzt bedeuten? Willst du behaupten, dass ich nicht mehr attraktiv genug für diese unsere Welt bin? Denk daran, ich hatte
schon einmal eine Frau, die DU gebissen und somit getötet hast, falls ich dir das in Erinnerung rufen darf.“, brüllt Nicolai den Grafen an und eine Träne kullert über seine Wange.
„Ach mein Schatz, wein doch nicht. Deine Frau ist unter den Vampiren gut aufgehoben. Und außerdem hast du doch jetzt mich, was willst du mehr?“, ertönt Herberts Stimme. Er legt seine Hand auf Nicolais Schulter und legt seinen Kopf sanft darauf.
„Hört beide auf, ihr habt doch keine Ahnung!“, ruft der Professor böse und befreit sich von Herbert. Er läuft erbost und traurig aus der Gruft, direkt vor die Tore des Schlosses und lässt sich dort auf den Boden fallen.
Es ist tiefste Nacht, kein Stern und kein Mond scheinen am Himmel auf. Er schützt sein Gesicht mit seinen Händen und lässt seinen Tränen freien Lauf.
„Die Beiden haben doch gar keine Ahnung, wie sehr ich meine Frau geliebt habe. Sie haben mir alles genommen, was ich zu der Zeit besaß. Meine Tochter, meine Frau, alles hat er mir genommen, dieser Fiesling.“, schluchzt der Professor leise und die Tränen rinnen wie Bäche seine Wangen hinunter.
Er hebt den Kopf und sieht zum Himmel hinauf. „Wieso bin ich ein Vampir, ich
möchte doch gar keiner sein und wollte es nie. Ich will nicht ewig leben und ewig diese quälende Einsamkeit erleben. Ich muss weiter forschen, ich muss herausfinden, ob es ein Mittel gibt, einen Vampir wieder in einen Menschen zu verwandeln.“, spricht Nicolai vor sich hin. „Ich bin mir sicher, dass es ein Mittel gibt, irgendwas muss ich machen können. Ich werde eine Lösung finden, da bin ich mir sicher.“, denkt er und lächelt.
„Der Ansatz der Lösung, er befindet sich in meinem Kopf, ich packe die Chance jetzt am Schopf. Ich forsche weiter, gebe nicht auf – egal wie oft ich im Kreise lauf. Ich finde eine Lösung – das weiß ich genau, spüre es, wenn ich tief in mich schau. Nicht mehr lang und es ist soweit – ich weiß genau, ich bin bereit. Ich finde einen Weg dieses Leben auf Eis zu legen und das Dasein als Vampir aufzugeben. Meine Forschungen nehmen jetzt ihren Lauf und ich nehm auch Enttäuschungen in Kauf. Ich finde einen Weg – die Lösung ist so nah und bald bin ich wieder ein Mensch, das ist ganz klar.“, spricht der Professor mit fester Stimme, steht auf und tippt sich an den Kopf.
„Meine Theorien und meine Logik werden mich weiterbringen ich spüre es. Ich werde es schaffen und mich selbst nicht mehr enttäuschen.“, denkt er bei sich und putzt sich den Staub des Bodens von seinen Hosenbeinen.
„Ach Liebling, was machst du denn hier draußen?“, ertönt Herberts Stimme und Nicolai dreht sich erschrocken um. Er sieht Herbert langsam auf sich zukommen. Er trägt mittlerweile seinen fliederfarbenen Anzug, den er immer trägt, wenn er auf die Jagd geht. Dieser betont seine eher weibliche Figur, seine blonden Haaren und die Schönheit und Ausstrahlung seines Gesichts.
Herbert schleicht mit leisen Schritten auf den Professor zu, geht einmal um ihn herum und bleibt direkt gegenüber von ihm stehen. „Was ist mit dir los? Wieso weinst du denn?“, fragt er ihn und wischt mit seinem Finger langsam über Nicolais Gesicht.
„Es ist nichts, Herbert. Ich brauchte eine kurze Auszeit, das wurde mir zu viel. Aber es ist alles wieder in Ordnung.“, antwortet der Professor und legt eine Hand auf Herberts Schulter. Dieser packt Nicolai an eben selbiger und schiebt ihn lächelnd ins Schloss zurück.
„Vater erwartet dich bereits. Wir werden heute auf die Jagd gehen und du siehst uns dabei zu.“, flüstert er leise und schiebt den Professor ins Ankleidezimmer des Schlosses.
„Was soll ich denn hier tun?“, fragt Nicolai, doch Herbert ist bereits verschwunden. Stattdessen steht Heinrich
vor ihm. „Du wirst jetzt dein erstes Outfit bekommen. Du musst es immer anziehen, wenn wir auf die Jagd gehen, darfst es aber auch so tragen.“, spricht er langsam und ruft nach Koukol. Dieser erscheint mit vollen Händen.
„Dies hier ist deine neue Hose, sie ist schwarz wie die Nacht.“, spricht der Graf und reicht Nicolai eine Hose.“
Dieser betrachtet sie und lächelt. „Hübsch, gefällt mir.“, erwidert Nicolai.
„Zusätzlich trägst du ein weißes Hemd, schwarze Schuhe, ein schwarzes Sakko, ein rotes Gilet und einen tiefroten Umhang.“, spricht Heinrich weiter und drückt Nicolai die Kleidungsstücke in die Hand.
„Dankeschön, sieht alles wirklich gut aus. Ich werde es gleich anprobieren. Herbert hat mir erzählt, dass ihr auf die Jagd gehen wollt und ich mitkommen soll.“, spricht der Professor langsam und sieht dem Grafen direkt in die Augen.
„Du hast Recht! Herbert und ich werden auf die Jagd gehen. Du darfst mitkommen, sei aber vorsichtig, die Gier ist oft stärker, als wir es uns wünschen. Zieh dich um, ich lasse dich alleine. Wenn du fertig bist, komm vors Schloss, Herbert und ich werden dort warten.“, spricht Heinrich mit fester Stimme, dreht sich um und schleicht davon. Kaum ist die Türe ins
Schloss gefallen, beginnt der Professor, sich umzuziehen.
Plötzlich öffnet sich die Türe wieder und Herbert betritt den Raum. Er lehnt sich mit verliebtem Blick und leicht amüsiert gegen den Türstock und lächelt. „Oh, ich komme direkt zum richtigen Zeitpunkt. Ich werde dir zusehen, wenn es dir nichts ausmacht.“, säuselt Herbert und richtet den Blick auf den Professor.
„Wenn du unbedingt darauf bestehst, bleib eben hier. Ich kann es nicht verhindern.“, antwortet Nicolai und beginnt, sich die Kleidung für Vampire überzuziehen.
„Rot – die Farbe der Liebe. Steht dir wirklich gut, mein Lieber. Ich könnte dich auf der Stelle erneut vernaschen.“, säuselt Herbert und zwinkert einige Male.
„Dankeschön.“, antwortet Nicolai. „Kannst du mir mit dem Umhang behilflich sein?“, fragt er Herbert, der sich gerne zur Verfügung stellt.
„So, komm schon, wir müssen los.“, erwidert Herbert und packt ihn an der Hand.
Vor dem Schloss angekommen wartet Heinrich schon ungeduldig auf die Beiden. „Wir müssen uns beeilen, wenn wir nicht bald loslegen, wird es hell.“, brummt dieser verärgert und schon sind die drei auf dem Weg.
Sie müssen gar nicht lange fliegen, bis sie eine ganze Horde Menschen erkennen können, die scheinbar ein Fest feiern. Von eben diesem scheint sich ein Pärchen zu entfernen. Sie schlendern einen schmalen Weg entlang, der in keiner Weise beleuchtet zu sein scheint.
„Herbert, die Beiden schnappen wir uns.“, flüstert Heinrich seinem Sohn zu und deutet mit einem Finger auf das Pärchen, welches gerade eben stehen geblieben ist, um sich zu umarmen.
„Okay, Vater, die Beiden sind ein gefundenes Fressen. Nicolai, du versteckst dich hinter dem Baum dort. Versuch deine Gier zurückzuhalten und denk immer daran: Du weißt noch nicht, wie man als Vampir jagt.“, flüstert Herbert und deutet auf einen Baum, unweit von dem Pärchen entfernt.
Nicolai schwebt sanft zu Boden und huscht hinter den Baum, auf den Herbert gezeigt hat. Dort blickt er unerkannt hervor und schaut Herbert und Heinrich genau zu, wie sie zur Jagd ansetzen.
Sanft und leise wie eine Feder schweben der Graf und sein Sohn zu Boden und packen das sich umarmende Pärchen an der Schulter. Noch bevor die Beiden einen Ton von sich geben können, bohren sich spitze Zähne in ihre Hälse.
Nicolai versucht jeden einzelnen Schritt der Beiden zu verfolgen, doch in dem Moment, als sie ihre Zähne benutzen, sieht er angewidert zur Seite. „Wie kann man nur so grausam sein, ich versteh es nicht.“, denkt er sich und späht wieder hinter dem Baum hervor. Doch… Wo sind Herbert und Heinrich? Er sieht nur noch die Beiden Lebendtoten am Boden liegen, doch von seinen beiden Begleitern fehlt jede Spur.
„Hier sind wir.“, ertönt Herberts sanfte Stimme hinter Nicolai und als sich dieser umdreht, lehnt Herbert mit blutverschmiertem Mund an einem Baum. Sein Vater steht mit ähnlich viel Blut um den Mund neben ihm und giert nach mehr, doch Herbert kann ihm gut zureden, sich nicht erneut auf die Beiden zu stürzen.
„Hast du gut aufgepasst und verstanden, wie das Alles funktioniert?“, fragt Herbert und funkelt Nicolai sanft an.
Dieser nickt verlegen und sieht beschämt beiseite.
„Wieso seid ihr Beiden so grausam, was haben euch diese beiden Menschen getan? Gibt es keine andere Lösung eure Gier zu stillen, als ihnen das Blut aus den Adern zu saugen und sie somit zu töten?“, antwortet Nicolai verzweifelt.
Herbert und sein Vater sind mit einem Schlag zurück am Boden der Tatsachen angekommen und verdrehen die Augen.
„Warum ritzt ihr nicht einfach einen Schnitt in die Haut und saugt daraus das Blut? Oder lasst sie stolpern und saugt das Blut aus der Wunde. Das Alles wäre bestimmt weniger schmerzhaft und vor allem würden die Menschen unter den Lebenden bleiben.“, erklärt der Professor und deutet dabei auf die Beiden am Boden liegenden. Doch… Sie sind verschwunden.
„Ich sagte doch: Es geht sehr schnell, dass sie zu den Vampiren übergehen, das solltest du eigentlich wissen. Schließlich warst du bis vor kurzem auch noch ein Mensch.“, lächelt der Graf. .
„Bist du so naiv, oder tust du nur so, mein Engel?“, fragt Herbert und zuckt mit den Schultern. „Wenn wir ihnen nur die Haut aufritzen oder sie stoßen, würden wir nicht einmal ansatzweise einen Tropfen Blut zu Gesicht bekommen. Sie würden verschwinden, bevor wir das Wort „Gier“
sagen können.“, seufzt er. „Außerdem wollen wir doch, dass die Welt irgendwann nur noch von Vampiren bevölkert ist, also müssen wir die Menschen beißen, sonst bleiben sie ja am Leben.“, erwidert er weiter.
„Doch jetzt sag uns einmal, Herr Professor. Hast du die Gier gespürt, wolltest du selbst zubeißen?“, fragt von Krolock leise und sieht Nicolai eindringlich in die Augen.
„Wenn ich ehrlich bin, nein. Ich hatte keinen Anflug einer Gier, ich wollte nicht zubeißen. Und auch jetzt, wo ich sehe, dass es euch geschmeckt hat, habe ich keinen Drang, den Geschmack von Blut auf meiner Zuge zu spüren.“, antwortet Nicolai.
„Es sei dir verziehen. Ich glaube du bist einfach nicht hungrig genug und kennst den Geschmack noch nicht. Wenn du erst einmal weißt, wie frisches Menschenblut schmeckt, wirst du deine Gier nicht lang versteckt halten können.“, erwidert Herbert und zieht ein kleines Fläschchen aus der Tasche seines Sakkos.
„Was ist das?“, fragt Nicolai und sieht das Fläschchen von allen Seiten an. „Nimm es, es gehört dir.“, antwortet Herbert und reicht es ihm.
„Das ist Blut – frisches Blut von den eben getöteten Menschen. Es wird die Gier in
dir aufkeimen lassen, du wirst nie wieder etwas anderes Trinken wollen als Blut. Spätestens, wenn du das getrunken hast, wirst du auch zum perfekten Jäger werden.“, antwortet der Graf.
„Dein Körper wird mit Glück und Freude durchflutet werden, du wirst spüren, wie sich die Wärme ausbreitet.“, säuselt Herbert und nimmt den Korken von der Flasche.
„Und jetzt trink, mein Schatz. Trink es aus und lass es dir schmecken.“, spricht er mit fester Stimme und giert selbst nach dem frischen Blut.
„Na dann… Auf unser aller Wohl.“, spricht Nicolai und setzt das Fläschchen an seine Lippen. Doch schon der Geruch lässt ihn zusammenzucken. Er will den Grafen und seinen Sohn jedoch nicht enttäuschen und trinkt das Blut mit einigen Schlucken.
Erwartungsvoll und immer noch voller Gier starren Herbert und Heinrich ihren Professor an, der angewidert das Gesicht verzieht.
„Bäh, das ist ja grauenvoll!“, ruft er und wirft das Fläschchen auf den Boden. „Wie könnt ihr so etwas trinken, das schmeckt doch grässlich!“, ruft er weiter und läuft zu einem nahegelegenen Brunnen um Wasser nachzutrinken.
Ungläubig starren der Graf und sein Sohn Nicolai an und glauben, ihren Ohren nicht
zu trauen. „Meinst du das jetzt ernst?“, fragt Herbert immer noch total verwundert.
„Natürlich meine ich das ernst, oder hast du mich schon jemals lügen gesehen? Das schmeckt doch total übel – Blut – wie könnt ihr so was trinken und vor allem – wie könnt ihr nach so etwas gieren?“, antwortet Nicolai und schüttelt sich.
„Das ist die Nahrung, die du den Rest deines Lebens zu dir nehmen wirst und… Du willst sie verweigern?“, fragt der Graf ungläubig.
Herbert und Heinrich sehen einander an, schütteln den Kopf und stellen sich Nicolai gegenüber.
„Mein lieber Professor. Es ist ja schön und gut, dass du der einzige wirklich nette Vampir bist. Es ist auch in Ordnung, dass du deine – meiner Meinung nach – dummen Theorien über Logik und all diesen Kram nicht sein lassen kannst und ich kann es auch nicht ändern, dass du meinem Sohn nicht die Zuwendung gibst, die er eigentlich verdient hat.“, spricht der Graf erbost und sein Sohn nickt.
„Aber wie bitte schön willst du weiterhin als Vampir überleben, wenn du kein Blut trinkst? Blut – das Hauptnahrungsmittel von uns Vampiren?“, fragt der Graf weiter und wischt sich den Schweiß von der Stirn, der sich aufgrund seiner Wut in der Zwischenzeit gebildet hat.
Der Professor sieht die Beiden an und versteht nicht recht, womit sie ein Problem haben. „Ich werde eben ein vegetarischer Vampir, wo liegt das Problem? Gemüse, Brot und solche Sachen bekommt man auch im Schloss. Und außerdem kocht Koukol vorzüglichen Haferschleim – mein Lieblingsgericht.“, antwortet Nicolai und zuckt mit den Schultern. Er sieht in der ganzen Sache kein Problem, Heinrich und Herbert allerdings schon.
„Ein Vampir lebt so, wie er es zu Anfang gelernt hat. Er braucht kein Blut zum Überleben, denn sterben kann er sowieso nicht.“, spricht er weiter und tippt sich an den Kopf. „Logik, Logik, ich hab Recht – das sagt die Logik.“, spricht er unbeirrt weiter.
„Herbert – mein Sohn.“, unterbricht der Graf Nicolais Predigt und dreht sich zu seinem Sohn. Er packt ihn an den Schultern und sieht ihm tief in die Augen. „Sag mir – hilf mir – wieso habe ich diesen unbelehrbaren, alten Mann gebissen? Wieso hast du mich nicht abgehalten, verdammt noch einmal?“, spricht er weiter. „An diesem Mann verliere ich noch meinen letzten Nerv.“, seufzt er und lässt sich verzweifelt auf den Boden sinken.
„Aber Vater! Ich finde ihn nicht schlecht – er macht sich doch gut. Sieh ihn dir an, er funkelt wie ein Diamant in seiner roten Kleidung – er sieht doch verdammt gut aus.“, antwortet Herbert – wie nicht
anders erwartet. „Nur weil er nicht jagen will? Lass ihn doch, es ist doch sein eigenes Pech, wenn er sich der unstillbaren Gier nicht hingeben kann.“, spricht er weiter und geht zu Nicolai.
„Ich glaube, dass ich seine Exzellenz ganz schön beleidigt habe, weil ich das Blut verweigere und es mir nicht schmeckt. Ich werde mich zusammenreißen, ich werde lernen, wie man als Vampir lebt. Die Jagd können wir ja verschieben… Bald habe ich sowieso ein Mittel gefunden, wie ich wieder sterblich werde, ich kann also einfach so tun, als würde ich lernen wollen.“, denkt Nicolai bei sich.
„Komm schon, Heinrich. Es war die erste Jagd, bei der ich dabei bin. Es war stressig und die ganze Situation hat mir auf den Magen geschlagen, deswegen hat mir das Blut nicht geschmeckt, ich bin mir sicher.“, flüstert Nicolai.
„Kopf hoch. Fliegen wir zurück und legen wir uns einmal schlafend. Es wird schon hell… Morgen bringt ihr mir einfach etwas anderes bei oder ihr zeigt mir noch einmal die genaue Bissstelle, allerdings ohne lebendes Objekt. Ich werde es lernen und mich zusammen reißen, ich verspreche es dir.“, spricht er langsam weiter und streckt von Krolock seine Hand entgegen.
Dieser erwidert sie und sieht dem Professor tief in die Augen. „Ich glaube du bist der schlimmste und unbelehrbarste
Vampir, der mir in meinem ganzen Leben begegnet ist: Du raubst mir den letzten Nerv und ich bin am Verzweifeln und doch – ich mag dich.“, antwortet dieser und klopft ihm freundschaftlich auf die Schulter. Herbert, Heinrich und Nicolai packen sich an den Händen und fliegen zurück ins Schloss.
„Gute Nacht, Heinrich.“, flüstert Nicolai dem Grafen zu, als sie im Schloss ankommen. „Ich verspreche dir, mich morgen ein bisschen mehr zu bemühen und alles besser zu machen.“, spricht er weiter, klopft Heinrich auf die Schulter und macht sich auf den Weg in seine Gruft.
„Warte doch, mein Engel.“, ruft ihm Herbert hinterher, doch Nicolai geht unbeirrt weiter. Er hat nur seinen Plan im Kopf, er weiß genau, dass er bald zu forschen beginnen muss, um schnellstmöglich eine Methode zu entwickeln, wieder ein Sterblicher zu werden.
„So warte doch.“, ruft Herbert ihm hinterher. „Was ist denn Herbert, wir sehen uns doch eh unten in der Gruft. Lass mir doch bitte einmal für fünf Minuten meine Ruhe, geht das?“, antwortet der Professor genervt und verdreht die Augen. Dann geht er weiter, streift seine Kleidung schon im Gehen ab und legt sich in seinen Sarg.
„Ich muss es schaffen, ich beginne gleich morgen Früh zu forschen. Ich weiß, dass
ich es schaffe.“, denkt er bei sich und sieht an die Decke. Plötzlich kommt seine Frau ihm wieder in den Sinn. „Wenn ich es schaffe, wieder ein Sterblicher zu werden kann ich meine Frau retten. Ich muss sie nur finden, aber das kann nicht so schwer sein.“, denkt er bei sich, doch bei dem Gedanken an seine Frau kullert ihm eine Träne die Wange hinunter.
„Wenn ich meine Frau finde, finde ich auch meine Tochter. Wir könnten wieder als eine glückliche Familie weiterleben.“, denkt er weiter und schluchzt. Beim Gedanken an die zwei wichtigsten Menschen in seinem Leben kann er die Tränen einfach nicht mehr zurückhalten. Sie rinnen wie Sturzbäche seine Wangen hinunter und er vergräbt seinen Kopf in seinem Kopfpolster.
„Aber… Schatz, wieso weinst du denn so bitterlich?“, ertönt Herberts Stimme. „Nie hat man seine Ruhe, das ist doch nicht auszuhalten.“, denkt Nicolai und dreht sich zur Seite und Herbert somit den Rücken zu. Er will ihm dadurch signalisieren, dass er keine Lust hat, mit ihm zu sprechen, doch Herbert lässt sich dadurch nicht beeinflussen.
Er schleicht zu Nicolais Sarg, stellt sich auf die Erhöhung und streichelt mit seinen zarten Fingern über seinen Rücken. „Komm schon, was ist los mit dir? Du weißt doch, ich höre dir immer zu.“, spricht er mit sanfter, weicher Stimme und fährt Nicolai durchs Haar. Dieser dreht sich langsam um und sieht Herbert direkt in die Augen.
„Dein Vater hat meine Frau und mein Kind umgebracht, weißt du das?“, fragt er ihn langsam und mit zittriger Stimme.
„Er hat sie zu uns Lebendtoten geholt, das weiß ich. Ich war doch dabei, als es passierte und schon damals – als ich an deinem Fenster stand und zusah, wie mein Vater deine Frau und deine Tochter biss – hatte ich ein Auge auf dich geworfen.“, antwortet Herbert langsam und streicht Nicolai über die Wange.
„Du standst in der Küche, hast so liebevoll das Abendessen für deine Familie gekocht und sahst schon da so süß aus, dass ich dich am Liebsten vernascht hätte.“, spricht Herbert langsam weiter.
„Wieso hast du deinen Vater nicht davon abgehalten? Oder wenigstens mich auch gebissen? Wieso habt ihr mir alles genommen, was ich jemals geliebt habe?“, fragt Nicolai verzweifelt und senkt seinen Kopf.
„Ich habe es versucht, wirklich. Ich wollte deine Familie nicht zerstören, ich habe Heinrich gesagt, dass er Lena und Maja in Ruhe lassen soll. Ich habe ihn angefleht, sich andere Opfer zu suchen und doch konnte ich ihn nicht beeinflussen, die Gier war zu stark.“, antwortet Herbert und legt seine zarten Hände in des Professors Gesicht.
„Ich konnte deine Familie nicht retten.“, spricht er und sieht dem Professor tief in die Augen. „Glaube mir, Nicolai, ich habe alles getan um deine Familie vor dem Ende zu bewahren. Ich würde es auch jetzt gerne wieder rückgängig machen, aber ich kann es nicht.“, säuselt er weiter und streicht Nicolai mit verliebtem Blick durch die Haare.
Bei diesen Worten kommt es Nicolai in den Sinn. „Er würde alles tun, um das wieder rückgängig zu machen. Das ist es, ich muss ihn auf meine Seite holen!! Er muss mir bei meinen Forschungen behilflich sein, wieso bin ich da nicht früher drauf gekommen.“, kommt es dem Professor und er hüpft mit einem Satz aus seinem Sarg. Herbert erschrickt und zieht seine Hände beiseite.
„Herbert, ich hab eine Idee.“, ruft Nicolai aufgeregt und ergreift Herberts Hände. Dieser funkelt ihn verliebt an und lächelt. „Ich habe vor, hier weiter zu forschen. Ich will ein Mittel finden, wieder Sterblich zu werden. Ich will kein Vampir sein – ich wollte es nie und werde es auch nie wollen. Ich will meine Frau und meine Tochter finden, ich will mit ihnen glücklich zusammen leben – als Mensch, verstehst du mich?“, spricht der Professor schnell und aufgeregt. Sein Herz pocht und seine Stimme überschlägt sich beinahe.
„Aber… Aber, du willst doch wohl nicht weg von hier? Ich meine, wenn du einmal wieder unter den Sterblichen bist, dann… Dann bist du weg und ich… Ich hab niemanden mehr.“, jammert Herbert und fällt auf die Knie. „Du darfst mich nicht verlassen... Ich meine, ich….Ich liebe dich doch.“, säuselt er und lässt den Kopf in seine Hände fallen.
„Aber Herbert, das hat doch alles nichts mit dir persönlich zu tun. Ich mag dich, mein Lieber, aber du hast selbst gesagt, dass du es rückgängig machen würdest, wenn du könntest. Ich möchte einfach, dass du mir bei meinen Forschungen behilflich bist. Ich weiß es nicht, ob es jemals funktionieren kann, aber bitte hilf mir.“, antwortet Nicolai und kniet sich vor Herbert. Er nimmt seine Hände von seinem Gesicht und sieht, dass kleine Tränen Herberts Wangen hinunter kullern. „Herbert, wein doch nicht, du bist doch ein Mann.“, spricht er leise und streichelt ihm durch sein blondes, glänzendes Haar.
„Ich bin aber ein weiblicher Mann, ich zeige meine Gefühle.“, antwortet dieser und sieht dem Professor in die Augen. „Ich helfe dir, aber wir dürfen Vater nichts sagen. Wenn er erfährt, dass du her forscht und ein Mittel finden willst, um wieder zu den Sterblichen zu gehören, wird er das um jeden Preis verhindern.“, spricht er mit zitternder Stimme weiter.
„Er wird nichts erfahren, wir schaffen das schon. Jetzt sollten wir schlafen gehen, morgen steht uns ein harter Tag bevor.“, antwortet Herbert und Nicolai nickt verständnisvoll. Er fährt Herbert noch einmal durch sein blondes Haar, küsst ihn auf die Wange und steht auf. Herbert fasst sich an die Wange, genau an die Stelle, die Nicolai geküsst hat und sieht ihn an.
Gerade als sich Nicolai in seinen Sarg legen möchte, um zu schlafen, ertönt Herberts Stimme noch einmal. „Möchtest du nicht mit mir im gleichen Sarg schlafen?“, fragt er verliebt.
Nicolai verdreht die Augen und dreht sich um. Er packt Herbert an den Händen und sieht ihn mit warmem Blick an. „Herbert, du weißt doch, wie ich zu dir stehe. Ich kann nicht mit dir im gleichen Sarg schlafen, weil ich mir vorstellen könnte, dass du deine Finger nicht von mir lassen kannst.“, antwortet er und streicht ihm über die Wange.
„Und wenn ich es dir verspreche? Du hast mir geholfen, ich habe dir geholfen, wir sind Freunde. Ich werde dich nicht anfassen, ich verspreche es dir.“, antwortet Herbert, nimmt Nicolais Hand und zieht ihn in seinen Sarg.
„Nun dann, ein bisschen Nähe hat noch niemandem geschadet.“, antwortet dieser und legt sich zu Herbert.
„Gute Nacht, mein Lieber.“, spricht er leise.
„Gute Nacht, mein Schatz.“, antwortet Herbert und schließt den Deckel seines Sarges.
Am nächsten Morgen wacht Herbert noch vor Nicolai auf. Er öffnet den Deckel seines Sarges und setzt sich auf. „Uah, guten Abend liebe Welt. Ein neuer Tag beginnt und ich werde ihn sinnvoll nutzen.“, spricht er leise doch plötzlich hält er inne. „Nicolai, was tut denn der hier.“, denkt er bei sich, als er zur Seite sieht und der schlafende Professor neben ihm liegt.
„Oh, ich könnte mich glatt vergessen.“, denkt er weiter und streicht mit seiner
Hand über Nicolais Wange. Plötzlich wacht dieser auf und lächelt Herbert sanft an.
„Du hast mich wirklich nicht angegriffen, du hast dich toll zurückgehalten.“, spricht er. „Guten Morgen, Herbert.“, flüstert er und küsst ihn auf die Wange.
„Guten Morgen, mein lieber Nicolai. Ich habe es dir versprochen und mich daran gehalten. Komm schon, wir gehen zum Frühstück.“, säuselt er und springt aus seinem Sarg.
„Hey – Herbert! Bleib bitte einmal stehen.“, ruft Nicolai dem schon vorausgehenden Herbert zu. „Du weißt, kein Wort zu deinem Vater. Er darf nicht wissen, was wir gestern besprochen haben – er soll nichts von unserem Plan erfahren, hast du mich verstanden?“, ruft Nicolai und zwinkert seinem neuen Freund zu. „Den kann man wirklich leicht einwickeln. Die erste Hürde wäre also geschafft.“, denkt er bei sich, während Herbert nickt und weiter den Gang zum Frühstückssaal entlang hüpft.
Nicolai schält sich aus seinem Sarg und schlurft Herbert langsam nach. Im großen Saal angekommen, sitzt Herbert alleine am Tisch – doch wo ist der Graf? „Herbert, wo ist dein Vater?“, fragt er unsicher.
„Ich weiß es nicht, er war gerade eben noch da. Doch als ich zur Tür herein kam, stand er auf und ging.“, antwortet dieser
und schnappt sich einen Teller Haferschleim und einen Tee. Dies ist das tägliche Frühstück, das Koukol für alle Bewohner des Schlosses kocht.
„Seltsam.“, denkt Nicolai bei sich. Er setzt sich zu Tisch, nimmt sich ebenfalls sein Frühstück und beginnt zu essen. Still und leise sitzen die Beiden nebeneinander, als der Graf plötzlich zur Türe hereinkommt. Er lächelt und sieht Nicolai an.
„Guten Morgen, Nicolai. Ich habe gute Neuigkeiten für dich!“, beginnt er zu sprechen und der Professor legt seinen Löffel beiseite.
„So, welche guten Neuigkeiten hast du denn für mich?“, fragt er und sieht den Grafen ungläubig an.
„Ich habe jemanden gefunden, an dem du deinen perfekten Biss üben kannst, es stellt sich jemand freiwillig zur Verfügung. Ich bin mir sicher, dass du bei dieser Person nicht widerstehen kannst. Du wirst zubeißen, das weiß ich.“, spricht er und deutet auf die Türe, hinter der sich der lange Gang befindet, an dem die Ahnengalerie hängt.
„So, ich kann mir nicht vorstellen, dass du jemanden finden kannst, den ich…“, antwortet der Professor als er plötzlich inne hält. Plötzlich kommt es ihm in den Sinn. Es gibt nur eine Person, der Nicolai
nicht widerstehen könnte, eine einzige Person, die zu holen es allerdings einem hohen Potential an Gemeinheit bedarf.
„Nein, Heinrich, das hast du nicht getan.“, flüstert er leise und blitzt den Grafen böse an. „Es gibt nur einen Menschen beziehungsweise einen Vampir, bei dem ich meine Gier nicht zügeln kann. Allerdings nicht die Gier nach Blut, sondern die Gier nach der Person an sich.“, spricht Nicolai weiter. „Du hast es nicht getan, nicht einmal du kannst so viel Hass und Bösartigkeit in dir haben.“, flüstert er und hält inne, als sich die Türe öffnet.
Zur Tür herein schwebt eine Vampir-Dame, eine Dame, vor der Nicolai nicht halt machen kann. Seine Augen beginnen rot zu blitzen, er wetzt seine Zähne und stürmt auf sie zu.
„Nein, Nicolai, bitte bleib hier!“, ertönt Herberts Stimme, doch Nicolai scheint ihn nicht zu hören. Er stürmt auf Nicolai zu und packt seine Schultern. „Bleib stehen, bitte mach das nicht. Wenn du sie beißt, begehst du einen großen Fehler.“, schreit er Nicolai an. Dieser dreht sich zu ihm um und blitzt ihn an.
„Lass mich, Herbert. Lass mich verdammt noch einmal los, ich muss sie haben, ich muss zubeißen.“, brummt er mit tiefer Stimme. „Dein Vater ist gut – er weiß genau was er tut. Er weiß, wie er mich
rumkriegt.“, brummt er weiter. „Kompliment!“, ruft er Heinrich zu, welcher nur grinsend da steht.
Herbert versucht vergebens, Nicolai abzuhalten, die Dame zu beißen und schließlich sieht er nur noch einen Ausweg. Er kippt Nicolais Kopf zur Seite und beißt selbst zu.
„Aua, das tut…“, spricht Nicolai, seine Augen hören auf zu funkeln und er sackt schmerzverzehrt zusammen. „Was zum Teufel ist passiert, wieso hast du zugebissen? Ihr habt Ersatzampullen, für den Fall, dass ihr hungrig seid. Ich dachte wir hätten geklärt, dass ich nichts für dich bin.“, stottert Nicolai langsam und hält sich die Wunde mit seiner Hand zu.
„Lieber Herr Professor, richte deine Augen einmal genau gerade aus und sieh der Dame ins Gesicht, dann weißt du, warum ich dich gebissen habe.“, spricht Herbert ausnahmsweise mit fester Stimme und packt Nicolai am Kopf. Er richtet ihn in Richtung der Vampir-Dame.
„Ach du liebe Zeit. Lena, um Gottes Willen, was machst du hier?“, fragt er erstaunt, als er Lena vor sich stehen sieht. Doch noch bevor sie antworten kann, dämmert es dem Professor.
„Du bist so ein mieser Vampir.“, ruft er Heinrich zu. „Du wusstest genau, dass Lena die Einzige ist, vor der ich nicht Halt
machen kann. Dir war bewusst, dass die körperliche Gier eines Vampirs am Stärksten ist, wenn seine ehemalige Frau vor ihm steht.“, brüllt er von Krolock an. „Du bist so ein Schwein.“, schreit er, steht auf, dreht sich um und geht.
„Vater, das war das Mieseste, was du je getan hast.“, spricht Herbert leise und folgt Nicolai vors Schloss. Heinrich bleibt im großen Saal stehen und lacht. „Lena, schön, dass du gekommen bist. Ich habe dir doch versprochen, dass du hier deinen Mann antreffen wirst.“, spricht er leise und umschwärmt die ehemalig sterbliche Frau des Professors.
„Du hast mich als Köder benutzt, du bist das Mieseste, das ich jemals gesehen habe.“, spricht Lena und setzt zum Abfliegen an.
„Nein, bleib hier, Lena, ich werde dir alles erklären.“, antwortet Heinrich und bittet sie zu sich.
„Dann beeil dich, ich möchte hier weg.“, antwortet sie und baut sich vor dem Grafen auf.
„Nicolai ist der mieseste Vampir, den ich jemals gesehen habe. Er jagt nicht, er trinkt kein Blut und er scheint etwas einsam zu sein. Ich wollte all diese drei Dinge sozusagen mit einem Schlag beenden. Du warst seine Frau, als ihr beide noch unter den Lebenden wart, er hat dich
geliebt und tut es bestimmt immer noch.“, beginnt er langsam zu erklären. „Ich dachte, dass er seine Gier entdeckt und gleichzeitig seine Einsamkeit los wird, wenn er dich sieht. Ich wollte und wusste nicht, dass Herbert dazwischen gehen wird.“, spricht er weiter und schämt sich mittlerweile für das, was er getan hat.
„Du wolltest Nicolai zwingen, zuzubeißen. Du hast nicht akzeptiert, dass er seine Gier gar nicht erst eröffnen will, dass es ihn nicht interessiert. Du hast ja auch wirklich keine Vampir-Kenntnisse. Er ist ein guter Mensch gewesen und ist auch ein guter Vampir. Dass du ihn dermaßen verletzt hast – er wird es dir nie verzeihen, mach dich darauf gefasst. Im Übrigen – ich verzeihe dir auch nicht. Mach es gut.“, antwortet Lena erbost, öffnet ihre Flügel und fliegt davon.
Vor dem Schloss bricht Nicolai inzwischen zusammen, fällt auf die Knie und stützt die Hände auf den Boden. „Dieser Idiot, wieso hat er das getan?“, brüllt er laut und die Tränen rinnen wie Sturzbäche seine Wangen hinab.
„Komm schon, Nicolai, Kopf hoch.“, säuselt Herbert und kniet sich vor den Professor. „Was sich mein Vater hier erlaubt hat, war ganz und gar nicht in Ordnung, aber sieh das Positive in der ganzen Sache.“, spricht er leise.
„Was bitte soll an dieser Aktion positiv sein? Er wollte, dass ich meine Gier erwecke, indem ich meine eigene Frau beiße. Was hat sich dieser dumme Graf eigentlich dabei gedacht? Ich sehe nichts Positives an alle dem.“, antwortet Nicolai schluchzend.
„Hey, es gibt etwas Gutes an dieser Situation. Ich habe dir doch versprochen, dass ich dir helfe, ein Mittel zu entwickeln, um dich wieder Sterblich zu machen.“, spricht er mit sanfter und warmer Stimme und streicht Nicolai über die Stirn.
„Ja, verdammt, aber was bringt uns das jetzt?“, fragt Nicolai und sieht Herbert in die Augen.
„Na denk doch mal nach. Eigentlich war das – was mein Vater gerade getan hat – das Beste, was uns in dieser Situation passieren kann.“, antwortet Herbert und lächelt den Professor an.
Nicolai starrt Herbert nur verständnislos an und schüttelt den Kopf. Er zuckt mit den Schultern und signalisiert Herbert damit, dass er keine Ahnung hat, wovon er redet.
„Mein Vater hat deine Frau geholt – die Liebe deines Lebens. Wir müssen sie also nicht mehr suchen. Rede mit ihr, die Gier wird dich nicht packen, weil ich dich gebissen habe. Solange deine Wunde nicht
verheilt ist, gierst du nicht.“, spricht Herbert aufgeregt und etwas zu schnell.
„Aber was hat das Alles denn mit meiner Frau zu tun?“, fragt der Professor verwirrt und immer noch unter Tränen.
„Hm, du verstehst auch gar nichts. Wir wollten deine Frau suchen, um ihr das Mittel zu verabreichen, sobald du es fertig erforscht hast. Wenn wir jetzt mit ihr sprechen, kann sie uns eventuell helfen, dann kommst du schneller voran.“, erklärt Herbert weiter. „Und das Beste wäre, dass wir sie nicht mehr suchen müssten, sie wäre schon hier.“, säuselt er und zeigt zum Schloss.
„Jetzt verstehe ich was du meinst. Ich muss sofort mit ihr reden, wo ist sie?“, fragt Nicolai, als der Knopf bei ihm aufgeht.
„Hier bin ich, Nicolai.“, ertönt eine warme, sanfte, engelhafte Stimme. „Ich habe alles mit angehört. Du hast also vor, eine Lösung zu finden um wieder als Sterblicher leben zu können?“, fragt sie und schreitet langsam auf Nicolai zu.
„Oh mein Gott, du bist genauso schön, wie du es früher warst.“, antwortet Nicolai mit sanfter Stimme und berührt ihr Gesicht. Er sieht ihr tief in die Aungen und küsst sie leidenschaftlich.
„Ich hab dich so sehr vermisst, Nicolai! Ich dachte immer, dass du schon längst tot bist, weil ich dich nicht gefunden habe. Ich hätte dich gebissen – gebissen um nicht einsam zu sein.“, stottert Lena und sieht Nicolai tief in die Augen.
„Ihr müsst euch beeilen.“, säuselt Herbert. „Solange deine Wunde noch nicht geschlossen ist, kannst du ohne den Anflug einer Gier mit Lena reden. Sobald sie verheilt ist, wirst du wieder auf sie losgehen – das ist die Natur von uns Vampiren, wenn wir der Liebe unseres Lebens gegenüber stehen.“, erklärt er weiter.
„Lena, wir haben nicht viel Zeit. Du musst mir helfen. Ich forsche hier weiter, ich werde einen Weg finden, wie man Vampire wieder in Sterbliche verwandelt. Wenn ich dieses Mittel gefunden habe, möchte ich es an mir ausprobieren und dich mitnehmen. Ich will mit dir zusammen leben, so, wie wir es früher getan haben. Ich will mit dir als Mensch leben und wenn du weißt, wo Maja ist, nehmen wir sie mit.“, erklärt Nicolai schnell.
Lena nickt verständnisvoll und sieht Nicolai tief in die Augen. „Ich helfe dir, mein Schatz. Maja lebt bei mir, sie hat sich nie von mir getrennt. Bitte halte uns am Laufenden, was deine Forschungen betrifft. Wir müssen irgendwie miteinander kommunizieren und sollten wir uns begegnen…“, spricht sie weiter und hält
inne. Sie wendet sich Herbert zu und sieht ihn an. „Herbert, bitte pass auf Nicolai auf und begleite ihn überall hin. Sollte er mir irgendwo begegnen, setz deine Zähne ein, beiß ihm in denHals.“, spricht sie und legt ihm ihren Arm um die Schulter. „Versprich mir das, Schwester.“, säuselt sie Herbert ins Ohr und zwinkert ihm zu.
„Schwester… Dieses Wort muss ich mir auf der Zunge zergehen lassen, so hat mich noch nie jemand genannt.“, strahlt er. „Ich werde ihn überall hin begleiten und werde auf ihn aufpassen, ich verspreche es dir.“, antwortet er und nickt langsam.
Herbert dreht sich zu Nicolai um und sieht plötzlich in zwei funkelnd rote Augen. Der Professor wetzt seine Zähne und will gerade zum Sprung auf Lena ansetzen.
„Lena, schnell, verschwinde!“, ruft Herbert. „Ich pass auf ihn auf und werde dir Informationen liefern, sobald ich welche habe. Ich weiß, wo du bist und komme zu dir, sobald wir etwas Neues herausgefunden haben.“, ruft er ihr zu. „Jetzt hau endlich ab, schnell!!“, ruft er noch lauter, während er Nicolai zurückhält.
Kaum ist Lena verschwunden, normalisiert sich Nicolai wieder. „Wo ist Lena hin, wieso ist sie nicht mehr hier?“, fragt Nicolai und fasst sich an den Hals. Er spürt, dass seine Wunde verheilt ist und
versteht sofort, wieso seine Frau verschwunden ist.
Er schleicht zu einem kleinen Stück Wiese, welches sich vor dem Schloss befindet. Dort sinkt er zu Boden, legt sich auf den Rücken und verschränkt die Arme hinter dem Kopf. Er sieht zum Himmel hinauf, nur ein einziger Stern ist am großen, weiten Himmelszelt zu sehen.
Herbert schleicht ihm hinterher, legt sich neben ihn und dreht sich zur Seite, sodass er Nicolai direkt ansehen kann. Er legt seinen Arm über dessen Bauch und starrt ihn an.
„Herbert, wir müssen eine Lösung finden. Ich weiß nicht, was ich tun soll.“, flüstert Nicolai und dreht seinen Kopf Herbert zu.
„Wie soll ich Forschen, wenn dein Vater andauernd bei uns ist. Wenn er noch öfter solche Aktionen bringt, wie gerade eben, wird er mir alles kaputt machen.“, flüstert er weiter und schließt die Augen.
Er versucht zu vergessen, dass der Graf diese Tat wirklich begangen hat. Er versucht zu verdrängen, dass er seine Gier wecken wollte, indem er ihm seine Frau vor die Augen gestellt hat.
Plötzlich spürt er Herberts warme Lippen auf seinen und öffnet blitzartig die Augen. Er sieht direkt Herberts geschlossene Augen und spürt, wie er immer
noch an seinem Mund zu kleben scheint. Da er keine Kraft mehr hat, sich zu wehren, lässt er den Kuss zu und muss langsam eingestehen, dass Herbert das ganz gut zu beherrschen scheint.
Als dieser wieder von ihm ablässt und seinen Kopf in seine Hand stütz, sieht er ihm tief in die Augen. „Herbert, hilf mir!“, bittet er ihn inständig und funkelt ihn warm an.
„Wir schaffen das, glaube mir.“, antwortet Herbert und schließt die Augen. Er atmet einmal tief ein und seufzt. „Ich helfe dir beim Forschen. Ich erzähle Vater, dass ich dir das Jagen beibringe, dass du das besser kannst, wenn er nicht dabei ist. Ich bringe ihm das schon bei, außerdem glaubt er jetzt bestimmt, dass du ganz schön sauer auf ihn bist, nach dieser Aktion wäre das auch nicht verwunderlich.“, spricht er langsam weiter und streicht Nicolai durchs Haar. „Er wird glauben, dass ich dir etwas beibringe, währenddessen werden wir Beiden forschen. Wir werden eine Lösung finden – ein Mittel, das dir hilft.“, verspricht er ihm und legt seinen Kopf auf Nicolais Schulter.
Dieser nickt zustimmend und genießt für kurze Zeit die Stille der Nacht und sehnt sich tief in seinem Inneren nach seiner Frau. „Bald werde ich wieder mit ihr zusammen leben können, ich weiß es
einfach.“, denkt er bei sich und schläft ein.
Herbert sieht ihm schweigend zu, wie sich sein Körper langsam auf und ab bewegt und er leise atmet. „Endlich kann ich ihm nah sein.“, flüstert er und streicht über Nicolais Oberkörper.
„Herbert, verdammt, was machst du hier.“, ertönt plötzlich die Stimme des Grafen und sein Sohn schreckt hoch. „Du sollst unseren Professor nicht verführen, du sollst ihm lehren, wie sich richtige Vampire verhalten.“, spricht er und ermahnt Herbert.
„Außerdem haben wir ein ernstes Wort zu sprechen.“, ruft er mit fester Stimme und packt Herbert am Arm.
„Wieso zum Teufel hast du die Gier des Professors nicht zugelassen, wieso hast du ihn durch deinen Biss davor bewahrt, sie auszuleben?“, fragt er seinen Sohn und funkelt ihn böse an.
„Ich wollte nicht, dass du deine gemeine Art, den Professor zur Gier zu zwingen, durchsetzen kannst. Er soll es selbst lernen, soll selbst entscheiden, wann er zubeißen will und wann nicht. Ihn dazu zu zwingen, finde ich nicht richtig.“, belehrt Herbert seinen Vater und merkt, dass er langsam die Eigenschaften des Professors annimmt.
„Hm, du hast Recht mein Sohn, die Aktion war nicht richtig. Denkst du, dass Nicolai mir verzeihen kann?“, fragt Heinrich leise und deutet auf den schlafenden Professor.
„Lass ihn einmal einige Zeit in Ruhe. Ich werde mich um ihn und seinen Unterricht kümmern.“, antwortet Herbert und sieht seinen Plan aufgehen.
„Na gut mein Sohn, ich werde auf die Jagd gehen. Bleib du bei unserem Professor und vergnüge dich noch ein wenig mit ihm.“, antwortet Heinrich und verschwindet mit einem Satz in die dunkle Nacht.
Herbert schleicht zurück zum Professor, legt sich neben ihn und sieht ihn an. Kurze Zeit später wacht Nicolai gähnend auf und sieht sich um.
„Wo bin ich?“, fragt er leise, doch als er den Kopf zur Seite dreht, sieht er Herbert neben sich liegen. „Ach, Herbert. Ich muss wohl eingeschlafen sein, dein Biss hat mich müde gemacht.“, spricht er leise. „Steht heute noch etwas am Plan, oder wollen wir uns in unsere Gruft verziehen?“, fragt er weiter und lächelt Herbert warm an.
„Nein, es steht nichts mehr an. Los, gehen wir.“, antwortet dieser und packt Nicolais Hand
In der Gruft angekommen, legen die Beiden sich in ihre Särge und kurz, bevor Nicolai
den Deckel seines Sarges komplett geschlossen hat, ertönt Herberts Stimme noch einmal.
„Wir beginnen gleich morgen zu Forschen, ich habe meinem Vater gesagt, dass ich mich um dich kümmere und er hat zugestimmt.“, säuselt er und lächelt.
„Herbert, du bist einer der nettesten Menschen… ich meine Vampire, die ich je kennengelernt habe. Trotzdem du eigentlich ein Auge auf mich geworfen hast, hilfst du mir. Du weißt, dass ich – sollte ich ein Mittel erfinden – mit meiner Frau zusammenleben werde. Trotz alle dem hilfst du mir, das bewundere ich an dir.“, antwortet Nicolai sanft und setzt sich noch einmal kurz auf.
Herbert, der sich gerade seine Schlafkleidung übergestreift hat, sitzt aufrecht in seinem Sarg und lächelt.
„Ich mag dich, Professor. Ich habe dich immer gemocht und auch, wenn ich zwischenzeitlich mit deinem Assistenten herumgemacht habe – ich wollte eigentlich immer nur dich. Ich wusste vom ersten Augenblick an, dass wir füreinander geschaffen sind.“, antwortet Herbert und schickt Nicolai einen Kuss.
„Ich glaube, dass er noch nicht ganz verstanden hat, dass ich mit meiner Frau zusammen sein möchte. Aber es ist egal, er hilft mir und nur mit seiner Hilfe kann
ich bald mit Lena zusammenleben.“, denkt er bei sich.
Mit diesem Gedanken und positiven Gedanken an den erfolgreichen Start der Forschung schließt Nicolai die Augen und schläft friedlich ein.
Am nächsten Tag wacht er fröhlich und gut gelaunt auf. „Dieser Tag ist der erste meines neuen Lebens.“, flüstert er leise und klatscht in die Hände. „Oh, nicht so laut, Herbert scheint noch zu schlafen..“, spricht er und sieht zu Herberts geschlossenem Sarg.
„Ich werde ihn wecken, es ist schon spät. Wir müssen beginnen.“, beschließt er, hüpft aus seinem Sarg und schleicht zu dem von Herbert. Mit ein wenig Kraftaufwand öffnet er den Deckel – doch es liegt niemand darin. Nur ein Zettel liegt auf dem Kopfpolster.
„Komm in die Bücherei, ich habe dort bereits begonnen, ein paar Exemplare zusammenzusuchen. In Liebe, dein Herbert.“, steht dort in großen, leicht geschwungenen Buchstaben.
Der Professor zieht sich geschwind seinen Morgenmantel über und läuft auf der Gruft. Plötzlich hält er inne und schaut sich langsam um. „Die Bücherei, ich wusste gar nicht, dass es hier eine Bücherei gibt.“, flüstert er und sieht sich um. „Wie komm ich denn dort jetzt hin?“, fragt er sich währenddessen.
Als er auf den Boden sieht, funkeln ihm dort weiße Rosenblätter entgegen. Sie scheinen einen Weg zu deuten. Als Nicolai der Spur folgt kommt er zu einer Türe, die er zaghaft öffnet. Sie befindet sich hinter einem Mauervorsprung und ist nicht leicht zu entdecken.
„Nicolai, da bist du ja endlich.“, ertönt eine engelhafte Stimme und Herbert läuft auf ihn zu. Er küsst ihn auf die Wange und nimmt seine Hand. „Wir haben keine Zeit zu verlieren, komm, setz dich hierher.“, spricht er aufgeregt und deutet Nicolai, sich auf eine Bank zu setzen.
„Ich habe schon einmal ein paar Exemplare aus meiner Sammlung herausgesucht. Hier – Bitte!“, spricht er fröhlich und legt Nicolai einen Stapel Bücher vor die Nase.
„Deine Sammlung?“, fragt dieser. Er scheint etwas verwirrt zu sein. Es ist doch nicht normal für einen Vampir, Bücher zu sammeln und schon gar nicht Bücher über Themen, die die Unsterblichkeit betreffen.
„Ja, meine Sammlung. Mein Vater kennt diesen Raum nicht, er hat ihn noch nie zu Gesicht bekommen. Er hat sich nie dafür interessiert, was ich in meiner Freizeit mache und da ich sehr oft sehr einsam bin, verziehe ich mich immer hierher.“, antwortet Herbert, stellt sich in die Mitte des Raumes und beginnt sich zu drehen. „Diese Bücher sind mein Leben, ich liebe sie.“, spricht er weiter und lacht.
„Ich bewundere dich, Herbert. Du sammelst Bücher, die Themen betreffen, die einem Vampir normalerweise nicht zusagen.“, antwortet Nicolai und lächelt. „Doch, wie willst du mir mit diesen Büchern helfen, wieder sterblich zu werden?“, fragt er langsam und sieht Herbert direkt in die Augen.
Dieser bewegt sich langsam auf Nicolai zu, nimmt sein Gesicht in seine Hände und sieht ihm tief in die Augen. „Ich habe selbst geforscht und versucht, wieder sterblich zu werden.“, antwortet er und Nicolai muss blinzeln.
„Wie, du hast das selbst versucht?“, fragt er ungläubig.
„Ja, und das nicht erst einmal. Ich habe hier alle meine Aufzeichnungen gesammelt. Ich habe alles aufgeschrieben – und das ist viel – denn ich lebe schon lange als Vampir. Wir werden meine Mitschriften durchgehen und vielleicht findest du eine Lösung. Vielleicht helfen sie dir ein
bisschen.“, spricht er und schnappt sich das erste seiner Bücher.
„Aufzeichnungen des Jahres 1563“, liest Nicolai laut vor. „Aber Herbert, ich wusste gar nicht, dass du schon so lange lebst. Du hast dich gut gehalten.“, spricht er weiter und zwinkert Herbert verschmitzt zu.
„Tja, man muss sich eben pflegen…“, antwortet dieser und lächelt. „Komm schon, lass uns beginnen. Ich habe meinem Vater gesagt, dass wir drei Stunden lang Unterricht halten werden, danach wird er uns suchen.“, flüstert er. „Wir müssen in drei Stunden in unserer Gruft stehen und so tun, als würde ich dir beibringen, wie man jagt. Also lass uns keine Zeit verlieren, los geht’s!“, spricht er freudig weiter und tippt auf die erste Seite.
„Aber, Herbert. Wieso hast du versucht, aus deinem Vampir-Dasein auszubrechen? Was hat dir nicht gefallen? Vor allem, wieso hast du mir nie davon erzählt?“, fragt Nicolai und sieht Herbert besorgt an.
„Ich habe ein ähnliches Schicksal erlitten, wie du. Ich habe meine große Liebe verloren. Ich war gerade 23 – das Alter, das ich jetzt auch besitze, wenn du ungefähr 500 Jahre dazurechnest. Ich war mit Brian zusammen, mein damaliger erster Freund und meine große Liebe.“, beginnt Herbert langsam zu erklären und
geht dabei zu dem einzigen Fenster, das sich in dem Raum befindet.
„Heinrich, mein Vater wusste von unserer Liebe, er hat mich unterstützt. Meine Mutter war dagegen, sie konnte nicht akzeptieren, dass ich schwul bin. Okay, normalerweise ist das genau gegengleich, aber bei mir in der Familie war mein Vater der Stärkere in jeder Hinsicht.“, spricht er weiter und sieht verträumt aus dem Fenster.
„Eines Tages wachte ich auf und ging ins Schlafzimmer meiner Eltern, doch meine Mutter war verschwunden. Ich sah nur ein paar Blutstropfen auf ihrem Kopfpolster, von ihr selbst war nichts zu sehen. Ich weckte meinen Vater, der sofort erschrak, als sie weg war.“, erklärt er und kniet sich mit gefalteten Händen auf den Boden.
„Ich habe gebetet, dass ihr nichts passiert sei, ich habe es so sehr gehofft, doch das Blut auf ihrem Kopfpolster lies auf etwas anderes schließen. Brian hat in dieser Nacht bei mir übernachtet, sie wusste davon, konnte sich aber nicht gegen meinen Vater durchsetzen, der es erlaubte.“, ertönt es weiter und seine Stimme beginnt zu zittern.
Nicolai erhebt sich von seinem Platz und geht auf Herbert zu. Er legt ihm seine Hand auf die Schulter, kniet sich zu ihm und dreht seinen Kopf, sodass er ihm direkt in die Augen sehen kann. „Erzähl mir weiter, was ist dann passiert?“, fragt
er mit sanfter Stimme und streicht Herbert eine blonde Strähne aus dem Gesicht.
Herbert schluchzt und spricht weiter. „Wir haben meine Mutter überall gesucht, konnten sie aber nirgendwo finden. Am Abend, als wir alle zusammen beim Essen saßen – Brian war dabei – wollten wir gerade den weiteren Verlauf der Suche besprechen, als plötzlich das Fenster aufging. Der Wind pfiff in dieser Nacht, als wolle er uns etwas mitteilen.“, spricht er leise weiter und bricht in Tränen aus.
„Heinrich – mein Vater – erhob sich und wollte das Fenster gerade schließen, als er mit schmerzverzerrtem Gesicht zusammensackte. Ich hörte ihn nur schreien und als ich mich zu ihm drehte, stand dort meine Mutter.“, flüstert er mittlerweile nur noch mit ängstlicher Stimme.
Nicolai sieht Herbert in die Augen, wischt ihm die Tränen aus dem Gesicht und nimmt ihn in den Arm. „Was ist dann passiert, Herbert, was ist mit deiner Mutter passiert?“, fragt er leise und streichelt ihm durch die Haare.
„Meine Mutter… Sie… Sie… Sie wurde in der vorherigen Nacht von einem Vampir gebissen – sie ging zu den Lebendtoten über. Sie wollte meinen Vater bei sich haben, ihn und mich nicht aufgeben, sich aber auch an uns rächen. Sie konnte es nicht akzeptieren, dass ich mit Brian glücklich
war und so biss sie zu.“, spricht er weiter und klammert sich an den Professor.
„Sie wusste genau, wie sie zubeißen musste, um einen Menschen zum Vampir zu machen und wie, um ihn gänzlich zu töten.“, brüllt er und schlägt die Hände verzweifelt vor sein Gesicht.
„Sie biss erst bei Brian zu, kurze Zeit später bei mir. Als ich zu mir kam, lag ich in der Küche, mein Vater neben mir, doch Brian war verschwunden. Bis heute habe ich vergeblich auf ihn gewartet.“, schluchzt er. „Meine große Liebe – sie hat mein Leben zerstört, indem sie ihm den tödlichen Biss gesetzt hat.“, ertönt es und dann bricht Herbert zusammen.
„Das ist grauenvoll, wieso tut eine Mutter ihrem Sohn so etwas an?“, fragt Nicolai sich. Er nimmt Herbert fester in den Arm, streicht ihm über sein Gesicht und küsst ihn auf die Wange. „Herbert, deine Geschichte… Sie lässt mich weinen. Aber, wieso hilfst du mir jetzt? Erst dachte ich, dass du dir Vorteile erhoffst, eventuell selbst ein Sterblicher werden willst.“, beginnt Nicolai zu sprechen, doch Herbert unterbricht ihn.
„Ich habe es versucht… 450 Jahre lang habe ich geforscht, habe versucht, ein Sterblicher zu werden. Ich hatte immer die Hoffnung, Brian irgendwann zu begegnen und mit ihm wieder zu den Menschen zu gehören. Ich habe die Hoffnung mittlerweile
aufgegeben – ich werde ihn nicht wieder finden, meine Mutter hat ihn getötet.“, spricht er weiter und sieht aus dem Fenster.
„Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man seine große Liebe verliert, Nicolai. Ich will nicht, dass dir das Gleiche widerfährt, ich will, dass du mit deiner Frau glücklich werden kannst. Mit deiner Frau und deiner Tochter – nur ihr drei – als Menschen. Deswegen helfe ich dir.“, säuselt er und sieht dem Professor tief in die Augen. „Ich hab dich außerdem wirklich gern und Menschen, die man gern hat, sollte man nicht im Stich lassen – nie – egal in welcher Form man zu ihnen steht.“, flüstert er und küsst Nicolai. Dieser gibt sich Herberts Kuss hin, denn er möchte ihn nicht enttäuschen.
„Herbert, was dir passiert ist, klingt schrecklich. Aber wir dürfen jetzt nicht aufgeben. Komm schon, trockne deine Tränen und steh auf. Wir müssen jetzt zusammenhalten.“, flüstert Nicolai mit sanfter Stimme, als er sich von Herbert gelöst hat.
Er steht auf, packt Herbert am Arm und zieht ihn hoch.
„Lass uns forschen, wir schaffen das.“, erwidert dieser, klopft dem Professor auf die Schulter und setzt sich. „Danke, dass du mir zugehört hast. Ich bin froh, mit dir darüber gesprochen zu haben.“, säuselt
er, während er eines der Bücher aufschlägt.
„Sieh mal hier.“, ruft er und tippt auf eine Stelle in seinem Buch. „Hier habe ich versucht, mich selbst zu beißen. Ich wusste nicht, ob es funktioniert, aber die Not macht erfinderisch.“, lacht er.
„Du hast versucht, dich selbst zu beißen?“, fragt Nicolai ungläubig. „Wie hast du denn das gemacht, du kannst dir doch nicht selbst in den Hals beißen.“, spricht er weiter.
„Nein, nein, nicht in den Hals. Ich habe mir in den Arm gebissen.“, lacht er. „Aber es hat nicht funktioniert, wie du siehst.“
Knapp drei Stunden forschen die Beiden, lesen in den verschiedensten Büchern, finden jedoch keine Lösung. „Los Nicolai, schnell. Wir müssen in die Gruft zurück, mein Vater wird gleich nach uns schauen.“, ruft Herbert und packt den Professor am Arm.
„So, was habt ihr denn gelernt?“, ertönt des Grafen Stimme. Nicolai sitzt am Sockel seines Sarges, Herbert steht mit offenem Mund neben ihm.
„Ich habe ihm gerade den Winkel des Bisses noch einmal erklärt.“, antwortet Herbert und sieht Nicolai aus dem Augenwinkel an. Dieser nickt nur und öffnet den Mund. „Ich weiß jetzt, wie ich meinen Kopf am
Besten halten muss, um zuzubeißen.“, antwortet er.
„So, sehr gut.“, spricht der Graf. „Ich sehe, du bist ein guter Lehrer, Herbert. Und zusätzlich kannst du Zeit mit dem Professor verbringen.“, flüstert er in Richtung seines Sohnes.
„Ja, Vater und jetzt lass uns alleine. Ich möchte noch einmal kontrollieren, ob Nicolai verstanden hat, was ich ihm beigebracht habe.“, säuselt Herbert und schickt seinen Vater aus der Gruft.
„Das war ja mal knapp.“, flüstert Herbert und lässt sich auf den Sockel seines Sarges fallen.
„Deine Worte in meinem Gehörgang.“, antwortet Nico und lächelt Herbert zu. „Aber, wir haben das perfekt gemacht, er hat nichts bemerkt.“, spricht er langsam weiter.
Die Beiden lachen und sehen sich an. „Komm, lass uns etwas essen gehen und dann…“, erhebt Nicolai das Wort.
„Und dann sehen wir weiter.“, beendet Herbert den Satz und beide laufen davon.
Im großen Saal angekommen, treffen die Beiden den Grafen erneut an. „Was macht ihr denn hier, seid ihr hungrig?“, fragt er verdutzt.
„Ja, wir sind hungrig. Wieso fragst du?“, antwortet Herbert und sieht seinen Vater an. „Wir haben gelernt, da darf man doch hungrig sein, oder nicht?“, fragt er weiter.
„Koukol hat aber noch nicht gekocht, ihr müsst wohl mit unseren Ampullen vorlieb nehmen.“, antwortet Krolock und deutet mit dem Kopf zum Schrank, in dem die Blutreserven aufbewahrt werden.
„Wir trinken kein Blut. Wir finden schon etwas, zur Not kochen wir selbst.“, antwortet Herbert und dreht sich zu Nicolai. „Komm, wir gehen zu Koukol in die Küche.“, spricht er weiter.
Die Beiden drehen sich um und lassen den verdutzten Grafen alleine zurück. „Wir
trinken kein Blut? Was soll denn das bedeuten?“, fragt dieser sich, während die Türe ins Schloss fällt.
„Herbert, wieso meintest du eigentlich eben, dass wir kein Blut mehr trinken?“, fragt Nicolai seinen Begleiter, während sie sich auf den Weg in die Küche machen.
„Naja, ich möchte dich unterstützen, mein Freund. Ich möchte, dass es dir leichter fällt, ein vegetarischer Vampir zu sein und werde versuchen, meine eigene Gier zurückzuhalten.“, antwortet dieser und sieht verschämt zu Boden. „Seitdem ich dir von meinem Schicksal erzählt habe, erscheint es mir unwichtig, Menschen zu töten. Sollte ich meine Gier nicht zügeln können, werde ich einfach…“, spricht er weiter und sieht Nicolai tief in die Augen.
„… wirst du einfach mich beißen, ich stelle mich zur Verfügung. Herbert, das ist nett, dass du das machst, aber wegen mir musst du das nicht machen.“, antwortet Nicolai und legt seine Hände auf Herberts Schultern.
„Willst du das wirklich, bist du dir sicher?“, fragt er ihn.
„Ja, ich bin mir sicher. Es wird hart, aber ich schaffe das. Ich kann dir besser helfen, wenn ich mich mehr auf die wichtigen Sachen konzentriere, als auf meine Gier, verstehst du?“, erklärt er und
fährt sich mit einer Hand durch sein blondes, glänzendes Haar.
„Und nun komm! Wir suchen Koukol und bitten ihn, uns etwas zu essen zu machen.“, spricht er vergnügt und hüpft lachend den Gang hinunter.
„Koukol, hast du Zeit und kochst du uns etwas zu Essen?“, fragt er Koukol, als sie in der Küche ankommen.
Dieser nickt nur. „Bringen!“, antwortet er und sieht ihn an.
„Danke Koukol, wir sind in der Gruft.“, spricht Nicolai und packt Herbert an der Hand. „Komm schon, lass uns an unserer Mission weiterarbeiten.“, flüstert er ganz leise und deutet ihm zu gehen.
„Gute Idee, ich hole noch schnell etwas, warte in der Gruft auf mich.“, antwortet Herbert und deutet in Richtung Bücherei. Er hüpft los und holt ein Buch.
Währenddessen schleicht Nicolai in die Gruft und setzt sich in seinen Sarg. „Wer hätte gedacht, dass Herbert und ich einmal so gute Freunde werden würden?“, fragt er sich bei sich, als seine Gedanken unterbrochen werden.
„Ich weiß genau, was du mit meinem Sohn vor hast, mein Lieber.“, ertönt von Krolocks Stimme und Nicolai zuckt zusammen.
„So, was hab ich denn deiner Meinung nach vor, Heinrich?“, fragt er und lächelt. Woher sollte der Graf schon wissen, was Herbert und er aushecken, ohne zugesehen zu haben?
„Du willst ein Mittel erfinden, ein Mittel um wieder Sterblich zu werden. Ich habe euch belauscht. Das kannst du vergessen, ich werde es nicht zulassen, da kannst du dir sicher sein.“, spricht Heinrich und Nicolai sieht zu Boden.
„Du hast deinen Sohn belogen, dessen bist du dir hoffentlich sicher. Du hast ihm versprochen, mein Lehrer sein zu dürfen und dich rauszuhalten. Er hat es mir erzählt.“, spricht Nicolai und funkelt den Grafen böse an.
Dieser reagiert jedoch nicht. Er sieht ihn an, lächelt und spricht mit fester Stimme. „Du kannst dir in einer Sache sicher sein. Ich lasse nicht zu, dass du zu den Sterblichen übergehst, das wäre ja noch schöner.“, antwortet dieser und als die Türschnalle sich bewegt, verschwindet er.
„Ich hab das Buch, Nico. Lass uns weiterforschen“, ruft Herbert, als er zur Türe hereinkommt. Er sieht den Professor an und seine Miene verzieht sich zu einem verzweifelten Blick.
„Was ist denn mit dir los? Hast du plötzlich keine Lust mehr?“, fragt er
Nicolai und läuft auf ihn zu. „Ist etwas passiert?“, fragt er ihn.
„Dein Vater weiß Bescheid, er hat uns belauscht. Er weiß, dass wir forschen und er hat mir versprochen, das um jeden Preis zu verhindern.“, antwortet Nicolai und schüttelt verzweifelt den Kopf. „Es ist vorbei, Herbert, wir müssen eine andere Lösung finden.“, spricht er weiter und bricht in Tränen aus.
Ohne zu antworten, dreht Herbert sich um und stürmt aus der Gruft. Auf dem Weg lässt er das Buch fallen und läuft so schnell er kann zu seinem Vater. „Was soll das, du hast mir versprochen, dass ich mich um Nicolai kümmern darf.“, brüllt er seinen Vater an.
„Aber Herbert, du weißt doch, dass ich mein Gehör überall habe. Ich weiß es, weil du in der Gruft mit Nico darüber gesprochen hast.“, antwortet der Graf. „Wo ihr die Lösung finden wollt, weiß ich nicht, aber auch das werde ich noch herausfinden.“, spricht er.
„Er weiß also nichts von meiner Bücherei. Ich werde mit Nicolai nur noch dort über unsern Plan sprechen, er kann es also nicht direkt verhindern.“, denkt Herbert bei sich.
„Mein Sohn, ich bin hungrig und werde jetzt auf die Jagd gehen.“, spricht der
Graf mit fester Stimme. „Begleitest du mich?“, fragt er.
„Vergiss es, Vater. Nach dieser Enttäuschung werde ich dich nicht mehr begleiten. Außerdem weißt du doch, ich bin Vegetarier.“, antwortet Herbert und dreht sich um. Er schreitet aus dem großen Saal und flüchtet in die Gruft.
„Herbert, wieso warst du jetzt so schnell weg?“, fragt Nicolai, als die Türe aufgeht. Doch Herbert antwortet nicht, er packt Nicolai nur an der Hand und zieht ihn in die Bücherei. Dort angekommen schließt er die Türe und atmet tief aus und ein.
„Vater hat herausgefunden, dass wir forschen, allerdings nicht, wo wir forschen. Wir können ganz normal weitermachen, wir dürfen es allerdings nur noch hier drin erwähnen. Außerhalb dieses Raumes erwähnen wir ab jetzt kein Wort mehr.“, spricht er schnell und deutet auf die Türe. „Kaum ist diese Türe hinter uns ins Schloss gefallen, gibt es den Plan nur noch in unseren Gedanken.“, flüstert er weiter.
Nicolai nickt und setzt sich auf die Bank in der Mitte des Raumes. „Und jetzt?“, fragt er. „Mein Vater geht jetzt auf die Jagd und wir werden die Zeit nutzen und forschen.“, antwortet Herbert und schnappt sich ein Buch. „Los geht’s, wir dürfen
keine Zeit verlieren.“, flüstert er und lächelt.
Währenddessen macht sich der Graf auf den Weg. Da sein Sohn kein Interesse gezeigt hat, ihn zu begleiten, fliegt er alleine los.
Schon nach kurzer Zeit erspäht er aus der Luft eine junge Frau, die gerade nach Hause zu kommen scheint. Sie trägt ihre langen blonden Haare gewellt über den Rücken laufend, an ihren Füßen stecken rote Schuhe und sie trägt ein rotes, bodenlanges Kleid. Der Graf wundert sich, denn er verspürt keinerlei Gier. Er fliegt nahe an das junge Mädchen heran und versteckt sich hinter dem Haus, welches sie ansteuert.
„Dieses Mädchen ist traumhaft schön. Wie sie sich gibt – in ihrer natürlichen Art, ihr Antlitz – sie leuchtet so von innen heraus.“, denkt er bei sich und starrt sie an. „Die Wärme, die sie ausstrahlt und ihre Schönheit, lassen die Sonne scheinen, auch bei Nacht.“, flüstert er leise und hält inne. „Die Sonne scheinen, ich vertrage gar keine Sonne.“, denkt er bei sich und sieht zu Boden.
Doch kaum hebt er seinen Blick wieder, sieht er die junge Frau den Schlüssel ins Schloss stecken. „Nein, geh nicht hinein, bitte bleib hier draußen – bei mir.“, spricht er leise und faltet seine Hände zusammen, als würde er beten. Doch sie scheint seine Gebete nicht zu erhören.
„Sie ist so wunderschön.“, flüstert Heinrich weiter und schwebt langsam zum Haus. Er sieht bei jedem Fenster hinein, bis er sie plötzlich in einem Zimmer stehen sieht.
Er sieht sie in ihrem Zimmer stehen, sie setzt sich auf ihr Bett und scheint lesen zu wollen. Er nimmt jede ihrer Bewegungen auf, er sieht sie an und träumt sofort von ihr. „Was ist mit mir passiert.“, fragt er sich. „Ich verspüre keinerlei Gier, das ist doch nicht normal“, flüstert er leise und wendet den Blick von dem jungen Mädchen ab.
„Ich habe keine Lust mehr zu jagen.“, flüstert er und setzt zum Fliegen an. Dann wendet er seinen Blick noch einmal der jungen Frau zu, die sich gerade in ihr Bett begeben hat. „Sie ist wunderschön, wie die Nacht – wenn sie sich hinlegt in ihrer vollen Pracht. Sie strahlt so viel Liebe aus – leuchtet, von Innen heraus. Ihre Haut – so zart und weiß – ich muss sie bekommen – egal um welchen Preis. Ihre Augen, sie leuchten und strahlen so sehr – mein Verlangen nach ihr wird von Sekunde zu Sekunde mehr.“, flüstert er und sieht zum Himmel. Kein Stern ist zu sehen, der Mond versteckt sich, er ist ganz alleine. Nur er und der Gedanke an dieses wunderschöne Mädchen.
Er setzt zum Sprung an und fliegt davon. Im Schloss angekommen setzt er sich auf
die Wiese und sieht abermals in den Himmel. Das Einzige, woran er denken kann, ist diese Frau. Er schleicht zu Herbert und Nicolai in die Gruft, um Herbert von den Vorkommnissen der letzten Minuten zu erzählen.
Die Beiden hatten schon geahnt, dass der Graf am Weg zurück zum Schloss ist und haben sich zur Sicherheit bereits ihn ihre Gruft begeben. Dort sitzen sie – als der Graf die Türe öffnet – beide in ihren Särgen und tratschen fröhlich vor sich hin.
„Herbert, ich muss dringend mit dir sprechen.“, ertönt des Grafen Stimme, als sich die Türe öffnet. „Du musst mir helfen, ich weiß nicht mehr weiter.“, spricht er leise weiter und sieht verzweifelt aus.
„Was ist los, Vater?“, fragt Herbert und springt aus seinem Sarg. Ganz gleich, was sein Vater ihm in den letzten Tagen angetan hat, er kann es nicht sehen, wenn sein Vater besorgt ist oder gar keinen Ausweg mehr findet und ihn um Hilfe bittet.
„Lass uns das im großen Saal besprechen, mein Sohn.“, spricht der Graf und nimmt Herberts Hand. Dieser jedoch weitert sich.
„Ich habe keine Geheimnisse vor Nicolai, wir können die ganze Sache auch hier besprechen.“, erwidert dieser und zieht
seine Hand zurück. Er klettert in seinen Sarg, setzt sich aufrecht hin und sieht seinen Vater an.
Nicolai hingegen weigert sich, anwesend zu sein, wenn Heinrich etwas Persönliches mit seinem Sohn besprechen möchte. „Geht ruhig, ich warte hier auf dich, Herbert.“, spricht er leise und deutet zur Tür.
Herbert jedoch weigert sich und sieht seinen Vater an. „Komm, setz dich zu mir in den Sarg. Was ist passiert, warum bist du verzweifelt? So erlebt man dich selten, Vater.“, spricht Herbert leise und klopft auf den Platz neben sich.
Heinrich setzt sich auf den freien Platz und sieht Herbert direkt in die Augen. „Mein lieber Sohn…“, beginnt er zu sprechen. „Ich habe heute auf der Jagd eine Frau gesehen, die mich verzaubert hat.“, spricht er weiter und Herbert nickt. „Ich… Ich konnte nicht jagen, ich habe keine Gier verspürt.“, spricht er traurig weiter.
„Ach Vater, du verspürst immer deine Gier, das glaube ich dir nicht.“, antwortet Herbert und lacht.
„Herbert, ich habe diese Frau nicht gebissen, obwohl ich beinahe neben ihr gestanden bin. Ich habe keine Gier mehr verspürt und bin wieder geflogen.“, erwidert Heinrich und sieht seinem Sohn
besorgt in die Augen. „Was ist mit mir passiert?“, fragt er weiter.
Nicolai sitzt nur still da und beobachtet das Geschehen. Er weiß sofort, was mit dem Grafen passiert ist, traut sich jedoch nicht, auch nur einen Laut von sich zu geben.
„Vater, ich weiß, was mit dir passiert ist.“, antwortet Herbert. „Du bist verliebt, das ist doch offensichtlich.“, spricht er weiter und klopft seinem Vater auf die Schulter.
Heinrich senkt seinen Blick und sieht auf den Boden. „Ich bin doch nicht verliebt. Ich – der Herr des Dunklen – bin doch nicht verliebt, Herbert.“, antwortet er und lächelt. „Das bildest du dir alles nur ein, weil du selbst verliebt bist.“, spricht er langsam weiter.
„Ach so? Ich bin verliebt, das ist richtig und genau aus diesem Grund kann ich dir versichern, dass du verliebt bist. Du wirst es glauben müssen, Vater, weil es nämlich so ist.“, lacht Herbert.
Noch bevor der Graf antwortet, dreht er sich um und schleicht mit gesenktem Blick davon. Er will nicht glauben, was sein Sohn ihm versucht klar zu machen. „Ich bin doch nicht verliebt – das kann nicht sein.“, denkt er immer wieder bei sich.
In den folgenden Tagen wird dem Graf immer mehr klar, dass sein Sohn recht haben muss. Er hat keine Lust mehr, auf die Jagd zu gehen, er fliegt jede Nacht zum Haus der schönen Frau und beobachtet sie oft stundenlang. Meist sogar so lange, bis der Tag sich ankündigt und es hell wird.
Meistens kommt der Graf geknickt von der Jagd zurück, redet mit niemandem und geht schlafen, ohne etwas zu essen. Tagelang hat er keine Ersatzampulle angerührt – nichts gegessen und schläft kaum noch.
„Vater, was ist mit dir los?“, fragt Herbert. „Du magerst ja richtig ab, deine Gier scheint verflogen. Kann ich dir helfen?“, fragt er weiter.
„Komm mit mir zur Jagd und sieh dir die junge Frau an. Hilf mir und sieh sie dir einfach nur an.“, antwortet Heinrich und sieht seinen Sohn mit flehenden Augen an.
„Aber, Vater, du weißt doch, dass ich ein vegetarischer Vampir geworden bin.“, spricht Herbert, der den Sinn hinter der Bitte seines Vaters nicht verstanden hat.
„Du sollst sie auch nicht beißen, du sollst sie dir ansehen. Ich will sie nicht zu einer Lebendtoten machen, sie ist einfach zu schön.“, spricht der Graf mit weicher und warmer Stimme.
„Ich kann nicht mehr schlafen – nicht mehr essen, das Gesicht dieses wundervollen
Wesens nicht vergessen. Sie raubt mir die Sinne – ich seh sie dauernd vor mir – ich verspüre nur Liebe, doch keinen Anflug der Gier. Die Tage ziehen sich hin – die Zeit bis ich sie sehen kann – und tu ich es dann, zieht ihre Schönheit mich in den Bann. Ich muss einen Weg finden – sie zu kriegen – doch darf die Gier nicht vorher siegen. Ich will ihr nicht das Leben nehmen – mich aber auch nicht lebenslang nach ihr sehen. Der Professor kann mir helfen – seine Forschung muss weitergehen – er wird es verstehen – hat er sie erst gesehen.“, spricht der Graf und sieht dabei immer wieder zu Boden.
„Er soll dir helfen, nach all dem, was du ihm angetan hast?“, fragt Herbert verdutzt und reißt den Grafen aus seinen Gedanken. „Er soll forschen, nur um dir die Liebe zu dieser Frau möglich zu machen? Das glaubst du doch wohl selbst nicht, oder?“, fragt Herbert weiter und sieht seinem Vater in die Augen.
„Er wird mir helfen, es hätte doch für uns beide einen Sinn. Er könnte – falls er es schafft – seiner Frau und Tochter das Mittel verabreichen und mit ihnen bis ans wirkliche Ende des Lebens glücklich zusammen leben und ich… Ich könnte Sterblich werden und mit diesem wundervollen Geschöpf zusammen leben.“, antwortet Heinrich und sieht verliebt zu Boden.
„Aber Vater, es wäre bestimmt einfacher, wenn du diese Frau einfach beißen würdest.“, antwortet Herbert. Er scheint nicht zu verstehen, warum sein Vater extra ein Sterblicher werden möchte, nur, um mit dieser Frau zusammen zu leben. Er könnte es schließlich einfacher haben.
„Das will und vor allem kann ich nicht! Wenn ich sie beiße, wird sie zum Vampir und verliebt sich eventuell in einen unserer Gefährten. So habe ich größere Chancen, verstehst du?“, antwortet der Graf.
Herbert schüttelt den Kopf um zu signalisieren, dass er nicht so recht versteht, was sein Vater meint. Er fragt aber auch nicht weiter. „Ich gehe nicht mit dir zur Jagd, Vater. Ich kümmere mich weiter um Nicolai und noch etwas. Ich werde ihn bestimmt nicht fragen, ob er für dich forscht. Das darfst du schön alleine machen!“, säuselt er, dreht sich um und schreitet davon.
„Ich muss ihm hinterher und Nicolai sofort fragen, ob er mir hilft.“, denkt der Graf bei sich und huscht in die Gruft. Dort findet er Herbert, der Nicolai gerade erzählt, das sein Vater von ihm verlangt.
„Und dann wollte er, dass ich dich darum bitte, ihm zu helfen. Das ist doch völlig irre, oder?“, spricht er, als sich die Türe öffnet.
„Vater!“, ruft Herbert und schreckt zurück.
Dieser gibt keinen Laut von sich – antwortet nicht. Er stellt sich Nicolai gegenüber und legt seine Hände auf dessen Schulter.
„Nicolai, du musst mir helfen. Ich habe mich verliebt, will diese Frau aber nicht zu den Lebendtoten holen. Du musst Mittel und Wege finden, einen Sterblichen aus mir zu machen!“, ruft er verzweifelt und schüttelt Nicolai hin und her.
„Stopp! Erst verbietest du mir, hier zu forschen – verbietest mir, selbst zu den Lebenden überzugehen und jetzt wie aus dem Nichts, verlangst du, genau diese Forschungen weiter zu betreiben?“, fragt er und sieht den Grafen ungläubig an. „Du kannst dich hoffentlich erinnern, was du mir in letzter Zeit angetan hast und da soll ich dir noch helfen?“, fragt er weiter und befreit sich aus Heinrichs Griff.
Dieser nickt nur und senkt den Kopf zu Boden. „Ich weiß, dass ich dir Unrecht getan habe – mehr als genug – aber ich würde dir helfen. Sag mir, was ich tun soll und ich helfe dir. Gemeinsam sind wir stärker!“, spricht er mittlerweile mit leiser Stimme und hebt seinen Kopf. Er sieht Nicolai direkt in die Augen. „Bitte.“, beendet er seinen Satz.
Der Professor seufzt und sieht zu Herbert, der nur mit den Schultern zuckt. „Lass es mich überlegen, okay?“, fragt er den Grafen, der nur nickt. „Und jetzt lass uns alleine, wir möchten schlafen.“, spricht er und schickt den Grafen weg.
Kaum hat sich die Türe hinter ihm geschlossen, dreht er sich zu Herbert. „Was denkst du, kann ich deinem Vater trauen?“, fragt er diesen.
„Ich glaube schon, er ist wirklich verliebt!“, antwortet dieser und lächelt. „Und der Liebe sollte man eine Chance geben.“
Am nächsten Abend, als Nicolai und Herbert den großen Saal betreten, um zu frühstücken, sitzt Heinrich auf seinem Stuhl und starrt auf sein Frühstück.
„Guten Morgen, Vater.“, säuselt Herbert. „Hattest du eine angenehme Tagruhe?“, fragt er.
„Nein, ich konnte nicht schlafen. Ich habe kein Auge zugemacht, saß den ganzen Tag wach in meinem Sarg und dachte nach.“, antwortet Heinrich.
„Aber, was ist denn los?“, fragt Herbert weiter und sieht Nicolai fragend an. Dieser formt ein Herz mit seinen Fingern und deutet auf den Grafen. „Ach, ist es wegen dieser jungen Frau?“, fragt Herbert weiter.
„Ja, sie geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich habe mich dermaßen in sie verliebt – es ist kaum auszuhalten. Ich kann nicht einmal mehr essen!“, jammert Heinrich und sieht zu Boden.
„Aber Heinrich.“, spricht Nicolai mit sanfter Stimme. „Du würdest bei dieser Dame gar nicht landen können. Du bist über 500 Jahre alt, vergiss das nicht!“, spricht er weiter, als der Graf seinen Kopf hebt.
„Wenn du mich sterblich machen könntest – Nicolai – würde ich von dem Alter weg weiterleben, in dem ich gestorben bin. Ich
wäre gerade einmal 34 Jahre alt, das wäre nicht schlimm.“, antwortet er. „Die junge Frau würde mich mögen – ach was sage ich – sie würde mich lieben, da bin ich mir sicher.“
„Vater!“, ruft Herbert dazwischen. „Nur, weil du hier als Graf unwiderstehlich bist, heißt das lange nicht, dass du dies als Mensch auch noch bist.“, spricht er weiter. „Das Leben als Mensch ist nicht so einfach, das weißt du selbst. Du müsstest dich erst wieder an die normale Lebensweise gewöhnen und das wäre bestimmt nicht einfach.“
„Das ist mir egal. Nicolai – hast du dir schon überlegt, ob du mir helfen möchtest?“, fragt Heinrich und dreht sich Nicolai zu.
Dieser sieht zu Herbert, der wiederum nur mit den Schultern zuckt. „Ich werde dir helfen, du musst aber mitmachen.“, sagt Nicolai und des Grafen Gesicht erhellt sich merklich.
„Ich werde dir helfen, das verspreche ich dir. Sag mir, was ich machen soll und ich werde es tun“, verspricht Heinrich und lächelt.
„Vorerst ist mir geholfen, wenn du Herbert und mich alleine lässt und in unserer Forschungsarbeit nicht mehr störst. Ob es in diesem ganzen Projekt sonst noch etwas gibt, wo du uns helfen kannst, wird sich
zeigen.“, antwortet Nicolai und deutet zur Türe. „Wenn ich dich jetzt bitten darf.“
Heinrich versteht sofort, dreht sich um und verschwindet.
„Aber Vater hätte uns in einigen Sachen behilflich sein können, wir wären schneller durch die Bücher und würden einiges schneller machen können.“, flüstert Herbert verärgert.
„Das ist richtig, Herbert. Aber jetzt beantworte mir mal, ob du wirklich willst, dass ein Vater deine Bücherei findet. Den Ort, an dem du ungestört sein kannst – du wärst es dann mit Sicherheit nie wieder.“, spricht Nicolai und lächelt. „Also komm, lass uns gehen, wir haben einiges vor uns.“
Die folgenden Tage verlaufen ruhig. Herbert weigert sich mehr und mehr, auf die Jagd zu gehen, seine Gier stillt er mir Ersatzampullen und Heinrich lässt die Beiden forschen.
Als sie eines Abends in der Bücherei sitzen und Herberts Mitschriften durchlesen, kommt Nicolai eine Erkenntnis.
„Herbert, du hast geforscht, ob du mit dem Gift eines Tiers einen Vampir wieder sterblich machen kannst?“, fragt er und sieht Herbert etwas verwirrt an.
„Ja, ich habe schon öfter gehört, dass Menschen mit dem Gift von Tieren geheilt werden können. Oder aber auch, dass man Tiere für Heilungszwecke benutzt. Ich habe zum Beispiel einmal ein Pärchen belauscht – ich hab sie mir als Beute ausgesucht – die beim Arzt waren. Dort erklärte dieser, dass die Krankheit der Frau durch Blutegel verringert oder geheilt werden könnte.“, erklärt er und hebt seinen Zeigefinger.
Nicolai sieht Herbert tief in die Augen und nickt. „Du bist ein wahnsinnig intelligenter Mann, Herbert. Wieso nutzt du das nicht, auch Vampire können jemandem etwas beibringen. Nutze dein Wissen und mach etwas aus dir.“, spricht Nicolai weiter und klopft Herbert auf die Schulter.
„Das tu ich doch, ich helfe dir.“, erwidert dieser und lächelt sanft.
Nicolai lächelt. „Und, warum wurde aus deiner Forschung mit dem Gift nichts?“, fragt er.
„Ich konnte nicht herausfinden, ob es eine Möglichkeit gäbe, mit Gift zu arbeiten. Ich habe erfahren, dass es eben zu Heilungszwecken beim Menschen eingesetzt wird, aber ob es für uns Vampire eine Möglichkeit gibt, damit wieder sterblich zu werden, weiß ich leider nicht.“, antwortet Herbert und sieht beschämt zu Boden.
„Hey, Kopf hoch!“, spricht Nicolai und hebt mit seinem Zeigefinger Herberts Kinn an.
„Aber wenn das bei Menschen funktioniert, warum dann nicht bei uns. Viele Dinge, die bei Menschen funktionieren, haben bei uns genau den gegenteiligen Effekt!“, flüstert Herbert.
Nicolai nickt verständnisvoll. „Nimm doch mal den Mond her, oder die Sonne und die Sterne.“, spricht er.
„Ja, die Menschen finden es romantisch, einen Spaziergang zu machen, wenn die Sterne am Himmelszelt stehen und funkeln. Sie lieben es, den Mond zu sehen und zu dieser Zeit draußen zu sein.“, antwortet Herbert. „Bei uns Vampiren ist es genau umgekehrt, wir können nicht draußen sein. Es geht nur, wenn kein Stern am Himmel funkelt, wenn der Mann im Mond das Licht ausknipst – wenn es einfach nur dunkel ist.“, spricht er weiter und tippt sich auf den Kopf. „Logischer Schluss daraus – es muss irgendwas geben, was Menschen gut tut und uns dermaßen schlecht, dass wir uns wieder zurückverwandeln.“, belehrt er sich und Nicolai weiter.
Nicolai, der mittlerweile amüsiert Herbert gegenüber sitzt lacht. „Weißt du was, mein Lieber. Du wirst mir immer ähnlicher. Ich hätte mir die träumen lassen, dass du einmal mit mir am selben Tisch sitzt, dir
auf den Kopf tippst und von Logik sprichst.“, flüstert er amüsiert.
Herbert bemerkt erst jetzt, was der Professor meint, lässt seinen Zeigefinger sinken und lächelt. „Also, was machen wir jetzt?“, fragt er.
„Ich finde deine Theorie von damals ehrlich gesagt gar nicht schlecht. Wir sollten weiter daran festhalten. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, ich spüre das.“, erwidert Nicolai und sieht aus dem Fenster.
„Denkst du wirklich?“, fragt Herbert und dreht des Professors Kopf in seine Richtung zurück.
Der Professor nickt und tippt auf ein Buch. „Sieh dir dieses Buch an. Hier scheinen ganz schön viele Tiere abgebildet zu sein, lass uns reinschauen. Vielleicht finden wir hier eine Lösung?“, spricht er. „Setz dich zu mir, dann geht es einfacher.“
Einige Stunden später sitzen die Beiden erschöpft auf der Bank und lassen den Kopf in die Hände fallen. „Das ist ja anstrengender als gedacht.“, spricht Herbert und wischt sich über seine strahlenden Augen.
„Wo du Recht hast…“, antwortet Nicolai. „Komm, lass uns etwas essen gehen, ich habe Hunger. Wir sollten für heute Schluss machen und morgen sehen, ob wir einen
Schritt näher an die Lösung kommen.“, spricht er weiter.
„Okay, lass uns gehen.“, erwidert Herbert und erhebt sich von seinem Platz.
Die Beiden schlendern den Gang entlang zum großen Saal und nehmen vor dem Tisch platz.
„Konntet ihr etwas herausfinden?“, fragt Heinrich, der bei Tisch sitzt und wieder nur in seinem Essen herumstochert.
„Nicht wirklich, wir haben eine Theorie, konnten diese aber noch nicht bestätigen. Eigentlich stehen wir noch am Anfang.“, antwortet Herbert und senkt den Kopf.
„Das ist nicht ganz richtig. Ich bin mir sicher, dass unsere Theorie richtig ist, wir müssen sie nur verbessern.“, erwidert Nicolai und hebt Herberts Kopf. „Kopf hoch, du bist so klug und ein sehr intelligenter Mann. Zusammen schaffen wir das, okay?“, fragt er. „Vertrau mir einfach.“
Herbert nickt, schnappt sich einen Teller Haferschleim – den Koukol gekocht hat – und beginnt zu essen. Kurze Zeit später – als ihm beinahe die Augen zufallen – tippt er Nicolai auf die Schulter.
„Gehen wir ins Bett, ich bin total müde.“, fragt er und der Professor nickt kurz. Die Beiden wünschen Heinrich eine schöne und
angenehme Tagruhe und verschwinden in ihren Särgen.
Heinrich, der sich von seinem Stuhl keinen Millimeter wegbewegt, starrt auf die Tischplatte. „Ich muss ihnen doch irgendwie helfen können.“, spricht er zu sich selbst.
Er denkt nach – zerbricht sich stundenlang den Kopf – findet jedoch keine Lösung. Kurz, bevor es hell werden würde, packt ihn noch einmal die Sehnsucht nach der jungen Frau und er macht sich auf den Weg zu ihrem Haus.
Davor angekommen, versteckt er sich hinter einem Baum unweit des Fensters, hinter dem sich ihr Zimmer befindet. Da es dunkle Nacht ist, schläft sie. „Sie ist so wunderschön.“, spricht Heinrich zu sich selbst und seine Augen funkeln.
„Ich muss sie haben – ich muss herausfinden, wie ich Herbert und Nicolai helfen kann.“, denkt er. „Ich kann die Beiden doch nicht alleine forschen lassen und tatenlos zusehen.“
Nur ein paar Minuten später beginnt die Sonne sich ihren Weg durch die Wolken zu bahnen und Heinrich muss seine Beobachtungen abbrechen. So schnell er kann fliegt er zurück zum Schloss und kommt gerade rechtzeitig vor dem ersten Sonnenstrahl dort an.
Er begibt sich – obwohl er müde ist – nicht ins Bett, sondern setzt sich in dem Gang, in dem sich die Ahnengalerie befindet, auf die Stufen.
Dort finden ihn Nicolai und Herbert, als sie einige Stunden später aus ihrem Schlafgemach geschlichen kommen.
„Vater, was machst du denn hier, wieso schläfst du nicht?“, fragt Herbert verdutzt, als er seinem Vater ins Gesicht sieht. „Du siehst müde aus, hast du diesen Tag überhaupt schon geschlafen?“, fragt er weiter.
Heinrich schüttelt nur den Kopf und gähnt ausgiebig. „Ich habe mir den Kopf darüber zerbrochen, wie ich euch helfen kann.“, antwortet er und gähnt erneut.
„Vater, du kannst uns nicht helfen – zumindest im Moment noch nicht. Geh in deine Gruft und schlaf dich einmal aus. Wenn es etwas gibt, wo du uns behilflich sein kannst, rufen wir dich.“, spricht Herbert sanft und hilft seinem Vater hoch. „Los, geh schon.“, spricht er und gibt ihm einen leichten Schups.
Heinrich schleicht müde und kraftlos in seine Gruft, legt sich in den Sarg und schläft sofort ein.
„Ich hab’s Herbert, ich hab’s!!“, ertönt es Stunden später aus der Bücherei. „Herbert ich hab ein Tier gefunden, welches bei uns die Wechselwirkung haben
könnte, uns zum Menschen zu machen.“, ruft Nicolai und wirbelt in der Bücherei herum.
In der Hand hält er ein Buch, welches den Titel „Die Spinnen dieser Welt“ trägt. Aufgeregt läuft er in der Bücherei umher – den Zeigefinger fest auf ein Bild gepresst – und sucht Herbert.
„Herbert, sag mal wo bist du denn?“, ruft er weiter und läuft umher. Er sucht die ganze Bücherei ab – von Herbert ist allerdings nichts zu sehen. Nicolai läuft zur Türe, um sich draußen umzusehen, als er plötzlich knacksende Geräusche wahrnimmt.
Er dreht sich langsam um – den Blick abwechselnd nach rechts und links gerichtet – kann jedoch nichts entdecken. Da – es knackst erneut und als Nicolai den Blick zu Boden richtet, erschrickt er.
„Herbert!! Was machst du denn unter dem Tisch?“, ruft er und stürzt zu Herbert. „Mensch, ist dir was passiert?“, sorgt er sich und hebt Herberts Kopf.
Dieser hat die Augen geschlossen und atmet ganz langsam.
„Herbert!!“, ruft Nicolai und klopft ihm auf die Wange.
Plötzlich öffnet Herbert seine Augen und sieht den Professor an. „Nicolai, was ist passiert? Wieso liege ich unter dem
Tisch?“, fragt er den Professor mit weit geöffneten Augen.
Der Professor zuckt nur mit den Schultern, doch dann kommt es ihm in den Sinn. „Herbert, du bist eingeschlafen und unter den Tisch gefallen, kann das sein?“, fragt er, doch Herbert schüttelt beschämt den Kopf.
„Ich bin doch nicht eingeschlafen, was denkst du von mir?“, erwidert er und erhebt sich. Er klopft sich den Staub von seinem fliederfarbenen Mantel und setzt sich auf die Bank.
„Nur das Beste Herbert, nur das Beste!“, antwortet Nicolai und seine Aufregung kehrt zurück. Er erhebt sich, schnappt sich das Buch und deutet erneut auf das Bild.
„Herbert, Herbert, ich hab eine Lösung gefunden. Es gibt auf der ganzen weiten Welt ein einziges Tier, dessen Gift dem Menschen hilft und uns so dermaßen schaden könnte, dass wir wieder zu Sterblichen werden.“, erzählt Nicolai aufgeregt und tippt mit dem Finger immer wieder schnell auf das Bild.
Herbert erhebt den Kopf und sieht sich das Bild an. Darauf abgebildet ist eine etwa 3 Zentimeter große Spinne. Sie hat einen grünen Körper, rote Augen, einen sehr kleinen Kopf und acht ganz kurze Beine,
die unter dem Gewicht des Körpers ganz schön leiden müssen.
„Ähm, und was genau bewirkt diese Spinne? Ich meine, sie sieht schon ganz schön lustig aus – ich habe so ein Tier noch nie gesehen.“, antwortet Herbert und hält sich seine Hand vor den Mund – der sich zu einem Lachen verformt.
„Diese Spinne nennt sich Cloranische Kreuzspinne.“, beginnt der Professor belehrend. „Sie trägt ein Gift in sich, welches beim Menschen eine heilende Wirkung hat. Das Gift dieser Spinne – vermischt mit verschiedensten Komponenten aus der Humanmedizin können bewirken, dass Menschen, die vergiftet wurden, das Gift sozusagen ausscheiden, bevor es ihnen schadet.“, spricht er weiter und hebt den Zeigefinger.
Herbert sieht Nicolai verblüfft und gleichzeitig verwirrt an. „Das versteh ich jetzt nicht. Wenn Menschen vergiftet werden, tragen sie doch schon Gift in sich. Wieso sollten sie dann noch ein Gift schlucken, um das andere…“, spricht er und hält plötzlich Inne. Er schüttelt den Kopf und flüstert „Jetzt kenn ich mich überhaupt nicht mehr aus.“
Nicolai setzt sich neben Herbert auf die Bank, legt das Buch vor sich auf den Tisch und dreht seinen Oberkörper zu Herbert. „Ich erkläre es dir – keine Angst. Hör mir
genau zu.“, spricht der Professor langsam und hebt seine Hand.
„Das Gift der Cloranischen Kreuzspinne wird in der Humanmedizin mit verschiedensten Komponenten gemischt, die dem menschlichen Körper normalerweise auch zur Regeneration helfen können. Diese Substanz wird dem Menschen gegeben, wenn er sich in irgendeiner Weise vergiftet hat.“, belehrt er. „Das Gift der Spinne bindet sozusagen das Gift, was der Mensch zuvor in irgendeiner Weise zu sich genommen hat.“
Herbert sieht etwas verwirrt aus, nickt aber eifrig.
„Der Mensch bekommt auf das Gift der Spinne Nebenwirkungen wie Erbrechen, Schweißausbrüche oder Durchfall. Durch genau diese Nebenwirkungen wird das Gift wieder ausgeschieden und der Körper ist frei. Verstehst du, was ich meine?“, fragt er Herbert, der immer noch eifrig nickt.
„Ja, ich glaube ich konnte dir bis jetzt ganz gut folgen. Das heißt dieses Gift fördert beim Menschen die Regeneration des Körpers, wenn ihm Schaden zugefügt wurde. Das Problem – das ich jetzt nicht ganz verstehe – ist allerdings folgendes. Welche Auswirkung könnte dieses Gift auf einen Vampir haben? Wir sind unsterblich, Gift hilft bei uns nicht.“, spricht er, doch Nicolai schüttelt den Kopf.
„Das Gift alleine wird uns nicht wieder sterblich machen – das stimmt. Es gibt jedoch eine einzige Möglichkeit – sozusagen ein Mittel – mit dem man das Gift mischen kann. Wenn wir diese Substanz dann trinken und zusätzlich das machen – was uns am Meisten schadet – können wir – wenn wir wirklich Glück haben, wieder Sterblich werden.“, belehrt Nicolai weiter.
„Was ist es? Womit müssen wir das Gift mischen und was müssten wir machen, um sozusagen die Wirkung des Giftes zu verstärken?“, fragt Herbert schnell und wackelt aufgeregt mit den Beinen.
Nicolai senkt den Kopf. „Es ist leide nicht so einfach, wieder Sterblich zu werden. Du musst auf jeden Fall einen Grund haben – für dich persönlich – wieder Sterblich zu werden. Du musst aufgrund einer Person sterblich werden, verstehst du?“, erklärt Nicolai.
„Ja, ich verstehe. Also man muss sozusagen jemanden vom ganzen Herzen und aufrichtig lieben, um wieder ein Mensch werden zu können?“, fragt Herbert.
Nicolai nickt. „Das heißt, dass ich nicht Sterblich werden kann. Der einzige Mensch, den ich jemals vom ganzen Herzen geliebt habe, ist kein Mensch mehr. Ich habe auf der Welt niemanden – ich habe eigentlich keinen Grund, wieder Sterblich zu werden.“, erwidert Nicolai traurig. Er
senkt den Kopf, lässt ihn in seine Hände fallen und beginnt zu weinen.
Herbert legt seine Hand um Nicolais Schulter und streichelt mit der anderen Hand über seinen Kopf. „Wir finden eine Lösung, ich verspreche es dir.“, flüstert er leise.
„Aber jetzt erklär mir doch weiter – wie würde es dann funktionieren?“, fragt Herbert.
„Du musst – als Vampir – diesen Menschen, den du aufrichtig liebst, beißen, jedoch nicht so, dass er Unsterblich wird. Wenn du falsch zubeißt – habt ihr mir erklärt – stirbst du als Vampir.“, erklärt Nicolai. „Es muss ein zweiter Vampir anwesend sein, der das Blut des Menschen auffängt, mit dem Gift der Spinne vermischt und dem im Sterben liegenden Vampir einflösst. Durch die Wirkung des Giftes – vermischt mit dem Blut des Menschen, der einem selbst alles auf der Welt bedeutet – wird dein Vampir Dasein beendet. Es muss allerdings schnell gehen, denn man hat nur insgesamt eine Minute Zeit, dem im Sterben liegenden das Gemisch einzuflössen.“, erklärt er weiter.
Herbert erschrickt aufgrund der Tatsache, dass diese Aktion auch tödlich ausgehen könnte. „Das heißt wenn der Partner nicht schnell genug ist, stirbt der Vampir, der Mensch bleibt aber am Leben?“, fragt er nach.
Nicolai nickt. „Ja, genauso würde es sein. Das Problem an alle dem ist jedoch, dass es mir nichts nützen würde. Ich habe doch gar niemanden mehr da draußen.“, spricht er traurig.
„Nico, denk doch mal nach. Ich hab eine tolle Idee, wie du meinem Vater helfen kannst – Sterblich zu werden und gleichzeitig dich und deine Familie retten kannst.“, antwortet Herbert und lächelt. „Du predigst immer deine Theorie mit der Logik, also wende sie doch auch einmal an.“, spricht er und tippt sich seitlich auf die Stirn.
Nicolai sitzt nur deprimiert da und sieht Herbert an. „Was meinst du?“, fragt er.
„Ganz einfach! Mein Vater liebt diese Frau – die er beinahe täglich beobachtet – mehr, als sein Vampir-Leben. Er würde sie beißen, würde das Gift bekommen und als Mensch leben können.“, erklärt Herbert langsam.
„Ja, das stimmt, aber das würde mir doch nicht helfen.“, brummt Nicolai verärgert zurück.
„Nicht so eilig, das würde dir helfen, vertrau mir!“, erwidert Herbert. „Mein Vater ist mir das Wichtigste im Leben, er war immer für mich da, wenn ich ihn brauchte und auch, wenn er manchmal ein ganz großes Scheusal sein kann, liebe ich ihn mehr als mein Leben.“, erklärt er weiter und Nicolai nickt.
„Dann bist du auch Unsterblich und ich hätte gar niemanden mehr.“, antwortet Nicolai doch plötzlich beginnen seine Augen zu leuchten.
„Ich glaube du hast jetzt gerade begriffen, was ich meine. Da ich – seitdem du ein Vampir bist – dein einziger Vertrauter bin, könntest du mich beißen und würdest ebenfalls Sterblich werden. So könnten wir fortfahren – das Prozedere mit deiner Frau und deiner Tochter durchziehen und würden alle Sterbliche werden.“, lacht Herbert und Nicolai beginnt ihn zu umarmen.
„Du bist klug, Herbert – wie ich gesagt habe. Du bist nicht nur klug, du bist ein Genie! Jedoch müssten wir einen Vampir finden, der an unserer Seite steht, wenn wir das Gift mit dem Blut vermischen.“, antwortet Nicolai doch Herbert winkt ab.
„Das wird kein Problem sein, in Transsylvanien gibt es ja nicht gerade wenige Vampire, einen werden wir da schon finden.“, antwortet er. „Komm, wir fliegen zu Maja und Lena und teilen ihnen mit, dass wir eine Lösung gefunden haben.“, ruft Herbert und packt Nicolais Hand.
Dieser zieht sie jedoch zurück und sieht auf den Boden. Er scheint sich für irgendetwas zu schämen oder betrübt zu sein.
„Was ist denn los? Komm schon, lass uns keine Zeit verlieren!“, ruft Herbert erneut, doch Nicolai bewegt sich keinen Millimeter.
„Setz dich, Herbert!“, spricht er traurig. „Es ist nicht so einfach, wie du dir das vorstellst. Ich habe dir etwas verschwiegen – ein Detail, das sehr relevant ist.“, beginnt er leise zu sprechen und sieht Herbert direkt in die Augen.
„Was denn, was ist los?“, fragt dieser.
„Diese Art von Spinne gibt es nicht überall und schon überhaupt nicht oft. Die Cloranische Kreuzspinne kommt weltweit nur zehn Mal vor… Es gibt sie zehn Mal auf der ganzen weiten Welt. Wie sollen wir eine dieser Spinnen bloß finden?“
„Mein Vater meinte doch, dass wir ihm Bescheid sagen sollen, wenn er uns helfen kann. Wir erzählen ihm, dass wir diese Spinne für unsere Forschungen benötigen. Er wird alle Vampire die er kennt darauf ansetzen, eines dieser Tiere zu finden, da bin ich mir sicher.“, antwortet Herbert und packt erneut die Hand es Professors. „Jetzt komm schon, wenn du jetzt aufgibst, war alles umsonst. Wir schaffen das, okay?“, fragt er und sieht dem Professor tief in die Augen.
Dieser nickt und küsst Herbert zärtlich auf die Wange. „Danke, du bist echt der
beste Freund, den man haben kann. Auch, wenn ich das lange nicht sehen wollte.“, spricht er und die beiden springen davon.
Nachdem die Beiden Heinrich überall im Schloss gesucht haben, finde sie ihn in seiner Gruft. Er sitzt in seinem geöffneten Sarg und starrt vor sich hin.
„Vater, wir brauchen deine Hilfe – dringend!“, ruft Herbert und reißt Heinrich aus seinen Träumen.
Er springt sofort auf, schnappt sich seinen Umhang und montiert ihn auf seinem Sakko. „Los, wie kann ich helfen?“, fragt er aufgeregt. „Was soll ich tun, wohin soll ich fliegen?“, fragt er weiter.
„Nicht so schnell, Vater.“, bremst Herbert ihn. „Wir sind auf der Suche nach der so genannten „Cloranische Kreuzspinne“. Diese Spinne gibt es weltweit jedoch nur exakt zehn Mal! Du musst deine ganzen Freunde zusammenrufen und dich mit ihnen auf die Suche nach dieser Spinne machen.“, erklärt Herbert und reicht seinem Vater ein Bild der Spinne. „So sieht sie aus.“
„Okay, kein Problem. Ich fliege sofort los.“, antwortet Heinrich und setzt zum Sprung an. „Soll ich sie dann gleich mitbringen, sollten wir sie finden?“, fragt er noch einmal.
Nicolai und Herbert nicken und Heinrich fliegt davon.
„Ich hoffe, dass das klappt.“, flüstert Herbert.
„Ich auch.“, flüstert Nicolai.
Tagelang lässt sich Heinrich nicht blicken, er meldet sich nicht und es gibt auch keine Spur, wo er sein könnte.
„Sollten wir uns einmal auf die Suche machen?“, fragt Nicolai. „Vielleicht ist ihm etwas passiert?“
„Ach, das ist mein Vater, dem passiert schon nichts.“, erwidert Herbert.
Gerade, als er weitersprechen möchte, fliegt die Türe auf und Heinrich steht vor den Beiden. In der Hand hält er eine kleine Dose, in der sich eine der seltenen Spinnen befindet.
„Oh mein Gott, Vater, du hast sie gefunden!“, ruft Herbert und reißt ihm die Dose aus der Hand. „Nicolai, schnell, Vater hat die Spinne gefunden. Wir müssen ihr das Gift entnehmen!“, ruft er weiter.
Nicolai steht auf und stellt sich Heinrich gegenüber. „Danke.“, sagt er langsam. „Und jetzt kommen wir zum ernsten Teil der ganzen Sache. Bereite dich bitte darauf vor, bald als Mensch zu leben, es kann nichts schief gehen.“, erklärt Nicolai.
Heinrich nickt. „Kann ich euch noch etwas helfen?“, fragt er.
„Nein, bereite dich darauf vor, dass du noch diese Nacht dein Vampir-Dasein hinter dir lassen wirst.“, antwortet Nico und packt Herberts Hand. „Komm schon, wir entnehmen der Spinne das Gift, wir haben nur eine einzige Chance.“, spricht er weiter.
„Warum nur eine Chance?“, fragt Herbert.
„Diese Spinne gibt ihr Gift nur einmal im Leben ab, danach stirbt sie.“, erwidert Nicolai. „Wir müssen jetzt ganz vorsichtig sein.“
Herbert packt die Dose, in der sich die Spinne befindet und läuft in den großen Saal. „Komm Nico, wir werden das jetzt erledigen.“, ruft er und Nicolai folgt ihm.
Einige Minuten später trägt Herbert das Gift der Spinne in einer kleinen Flasche in die Gruft zurück. Dort wartet Heinrich ungeduldig auf Nico und Herbert.
„Diese Flasche ist unsere einzige Chance. Das Gift reicht genau für fünf Vampire.“, spricht Nicolai.
„Wir müssen vorsichtig sein. Los, es ist dunkel. Wir werden jetzt einmal mit der Verwandlung von Heinrich beginnen. Ich habe Maja und Lena benachrichtigt, sie
werden beim Haus dieses Mädchens warten.“, erwidert Herbert.
Heinrich, Nicolai und Herbert fliegen – mit der Flasche in der Hand – los zum Haus der jungen – von Heinrich angebeteten Frau.
„Lena und Maja kommen erst später.“, flüstert Herbert Nicolai zu. „Du weißt wieso – ich will nicht, dass deine Gier kurz vor unserem Ende noch entfacht wird.“, spricht er weiter.
„Vater, jetzt wird es ernst. Wir müssen deine Angebetete aus ihrem Haus locken, sonst kannst du sie nicht beißen.“, spricht Herbert und sieht ihrem Vater direkt in die Augen.
„Ich schaffe das schon.“, erwidert Heinrich, hebt einen Stein vom Boden auf und wirft ihn gegen das Fenster der jungen Frau. Diese erhebt sich und schleicht zu ihrem Fenster. Um nachzusehen, wer den Stein geworfen hat, öffnet sie das Fenster und beugt sich hinaus.
„Los, Vater, das ist deine Chance.“, ruft Herbert. „Jetzt flieg schon!“, brüllt er seinen Vater an.
Heinrich hebt ab, fliegt zu der jungen Frau und stellt sich neben sie in ihr Zimmer. Er sieht Herbert und Nicolai ein letztes Mal an, zwinkert ihnen zu und öffnet den Mund.
„Los Herbert, öffne das Fläschchen, du weißt… Wir haben eine Minute, los!“, ruft er und die Beiden beginnen langsam zum Fenster zu fliegen.
Heinrich setzt währenddessen zum Biss an. Er wirft seinen Kopf in den Nacken und beißt absichtlich auf die falsche Stelle. Noch bevor das Blut der jungen Frau zu rinnen beginnt, zuckt Heinrich zusammen. Er beginnt zu zittern, seine Augen verfärben sich weiß und er sinkt zu Boden – gemeinsam mit seiner Angebeteten.
„Los, Herbert! Mach schnell.“, ruft Nicolai, der das Blut der Frau in einer kleinen Ampulle auffängt.
Dieser öffnet das kleine Fläschchen, leert ein wenig des Giftes in die Ampulle, die Nicolai ihm hinhält und mischt das Blut mit dem Gift. Danach flösst er Heinrich das Gemisch ein, legt die Ampulle zu Boden und verschließt das Fläschchen.
„Jetzt heißt es warten, ich hoffe, dass er durchkommt.“, betet Nicolai. „Wenn er es schafft, können wir auch unser Leben als Vampir beenden.“, spricht er weiter und legt seinen Arm um Herberts Schultern, der ängstlich zitternd neben seinem Vater kauert.
„Bitte, komm durch, Vater, komm durch!“, betet er leise.
Da… Plötzlich öffnet Heinrich die Augen und sieht verwirrt in der Gegend herum. „Wo bin ich, was ist passiert?“, fragt er leise.
Noch bevor Herbert antworten kann, zückt Nicolai einen Spiegel, den er sich in sein Sakko gesteckt hat und hält ihn Heinrich hin. „Los, sag uns, ob du dich sehen kannst.“, flüstert er.
Heinrich nickt und hält sich den Spiegel vor sein Gesicht. Und… „Ich kann mich sehen – es hat geklappt!“, ruft er. „Verdammt es hat geklappt, ich bin ein Mensch!“, ruft er und springt auf.
Doch da passiert das – was passieren muss. Beim Freudensprung wirft Heinrich das kleine Fläschchen um, in dem sich das Gift der Spinne befindet – die einzige Chance von Herbert und Nicolai.
Das Fläschchen kippt um, der Hals bricht ab und die Flüssigkeit läuft aus.
„Nein, Vater!!!“ ruft Herbert. „Vater, was hast du getan!“, brüllt er und sinkt zu Boden.
„Vater, du hast uns die einzige Chance genommen, Sterblich zu werden!“, ruft er.
Heinrich sieht seinen Sohn an, beugt seinen Kopf zur Seite und flüstert: „Wenn du nicht sterblich sein kannst, dann will ich es auch nicht sein. Los, beiß mich!“
Herbert blickt seinem Vater tief in die Augen.
Heinrich erkennt, dass sein Sohn mit der Gier ringt, nimmt dessen Hand und legt sie auf seinen eigenen Kopf.
Leicht drückt er mit seiner eigenen dagegen und lehnt so seinen Kopf leicht zur Seite.
Herbert für seinen Teil legt langsam seinen Kopf in den Nacken und beginnt leicht schämisch zu grinsen.
Seine messerscharfen Zähne blitzen kurz aus seinem Kiefer.
Ein knurrender Laut entfährt aus Herberts Kehle und setzt an, den finalen Biss zu setzen, der den ehemaligen Grafen wieder zu seiner selbst macht.
Langsam lässt er seinen Kopf fallen, er schleckt sich über seine Lippen und nagt kurz an seines Vaters Hals. Erneut lehnt er seinen Kopf zurück, diesmal etawas weiter und lässt seine rasierklingen scharfe Zähne auf eine gewisse Stelle am Hals seines Vaters herabsausen.
Seine Zähne bohren sich bereits leicht ins Fleisch, da hält Herbert inne. Wie perplex zuckt er zusammen, zieht ruckartig die Hände weg und fällt nach hinten auf seinen Hintern. Er lässt den Blick auf den Boden senken, schlägt die Hände vors Gesicht und beginnt leise zu weinen.
„Herbert, was zum Teufel ist mit dir los?“, fragt Heinrich – leicht am Hals blutend.
Herbert sieht kurz vom Boden auf – seinem Vater direkt in die Augen.
Da erkennt Heinrich die Ausdruckslosigkeit in den Augen seines Sohnes. Die Gier scheint wie ausgeloschen, Herbert sitzt einfach nur noch da – stumm und weinend.
„Was ist los, Herbert – warum machst du mich nicht zu dem, was ich jahrelang gewesen bin?“, fragt Heinrich ruhig.
„Ich kann nicht, Vater.“, antwortet Herbert leise. „Ich habe gesehen, wie glücklich du an der Seite dieser Frau bist.“, spricht er leise schluchzend weiter und deutet auf die Frau, die mittlerweile wieder im Bett liegt – in das Heinrich sie gebracht hat.
„Ich kann dir dieses Glück nicht nehmen – du wolltest so leben, mir und Nicolai ist es anscheinend nicht vergönnt.“
Nicolai, der das Treiben von einer gewissen sicheren Entfernung mitangesehen hat – und sich vergewisssert, dass sein Verlangen nach Blut nicht gegeben ist – schleicht leise zu Vater und Sohn.
„Was ist los – wieso sitzt ihr hier und diskutiert, anstatt euer Werk zu vollenden?“, fragt er leise und legt den Arm um den schluchzenden Herbert.
Heinrich deutet traurig zu seinem Sohn. „Er behauptet, mich nicht beißen zu können, weil ich glücklich bin.“, flüstert er. „Ich kann aber ohne meinen Sohn nicht glücklich sein.“.
Nicolai rümpft die Nase, tippt sich auf die Schläfe und beginnt zu erklären.
„Ich dachte mir schon, dass Herbert dich nicht beißen wird.“, beginnt er. „Er hat gesehen, wie glücklich du bist – weil du verliebt bist, ein Gefühl, welches nur Menschen richtig verspüren können.“, erklärt er weiter.
„Um alles auf der Welt wolltest du sterblich werden, um mit dieser Frau zusammen sein zu können. Das kann dir Herbert nicht nehmen.“.
„Aber wieso nicht – ich bin sein Vater.“, antwortet Heinrich verwirrt. „Er weiß doch, dass ich lieber mit ihm zusammen bin, als mit irgendjemand anderem.“, seufzt er weiter.
Nicolai schüttelt den Kopf. „Vielleicht weiß er es tief im Innersten seines Herzens – aber aktuell sieht er nur, wie glücklich du bist, weil du ein Mensch sein kannst – weil du lieben und leben kannst, ohne Menschen töten zu müssen.“, antwortet Nicolai erklärend.
„Natürlich weiß Herbert, dass du sein Vater bist, dass du ihn über alles liebst und ihn nie verlassen würdest, aber er versteht es einfach nicht, er kann es nicht verstehen. Er hat dich gesehen, wie du ein unglücklicher – nach Liebe gierender Vampir warst – und jetzt, wo du deine Liebe normal ausleben konntest.“.
„Das heißt, dass ich mir jemand anderen suchen muss, der mich beißen wird.“, fragt Heinrich traurig.
„Das stimmt, ich vermute jedoch, dass es nicht einfach werden wird, so jemanden zu finden. Naturgemäß versuchen Vampire in solchen Situationen alles, um andere Vampire davon fernzuhalten, den geliebten Menschen für Untot zu erklären.“, erklärt Nicolai.
„Du wirst es schwer haben, mein Lieber.“, flüstert er und klopft Heinrich auf die Schulter.
Dieser nickt nur still und sieht seinen Sohn besorgt an.
„Herbert?“, fragt er leise.
Dieser nickt nur – sieht nicht vom Boden auf – die Tränen immer noch die Wangen herunterrinnend.
„Herbert – du bist mein Sohn und ich liebe dich mehr als alles Andere auf dieser Welt. Nie im Leben würde ich es verkraften, würdest du mich überleben müssen.“, beginnt er langsam und einfühlsam zu sprechen.
„Ich weiß, dass deine Gier verschwunden ist, doch ich bitte dich, mach nicht den Fehler und warne die anderen Vampire davor, mich zu beißen. Ich möchte wieder der mächtige Mann von vorher sein.“, flüstert er weiter.
Herbert nickt nur.
„Ich möchte die Vampire wieder regieren, zurück in mein altes Schloss und den Menschen das Blut aus den Adern saugen! Ich wollte mit dir zusammen menschlich werden – jetzt will ich mit dir zusammen das Vampir-Dasein leben. Ich schaffe das alles nicht alleine.“.
„Du willst mir erzählen, dass du alles nicht alleine schaffst?“, fragt Herbert plötzlich schroff – springt auf und baut sich vor seinem Vater auf. Seine Zähne blitzen aus dem Kiefer, doch die Augen ändern ihre Farbe nicht – die Gier keimt also nicht auf.
Perplex sehen sich Nicolai und Heinrich zuerst gegenseitig an, dann blicken sie zu Herbert auf.
„Bleib ruhig – mein Sohn.“, flüstert Heinrich, seht auf und legt die Hand auf Herberts Schulter.
„Herbert, beruhige dich.“, flüstert auch Nicolai und tut dasselbe.
Doch Herbert lässt sich nicht beruhigen.
Rabiat, aber bestimmt, kreist er seine Schultern, sodass die Hände der Beiden sie verlassen, schubst die Beiden in die Wiese und setzt zum Sprung an.
„Nein – Herbert – bitte bleib hier!“, ruft Heinrich verzweifelt.
„Um gottes Willen – Herbert – mach keinen Fehler!“, ruft Nicolai.
Doch Herbert setzt an, springt in die Luft und fliegt davon. Schon weit entfernt geglaubt taucht er noch einmal auf, blitzt seinen Vater an und lässt ihm die Zähne entgegenblitzen.
„Du behauptest, du könntest nicht ohne mich leben?! Wie hast du es denn dann die ganze Zeit über geschafft - bis jetzt?“, schreit Herbert. Du hast mir alles genommen – damals, als wir noch Menschen waren – und jetzt denkst du, dass ich alles vergesse und dich einfach wieder zum Vampir mache?“, fragt er Heinrich und seine Augen werden langsam rot.
„Denkst du wirklich, dass ich dir vergeben habe – nach all den Jahren? Dass du mir meine große Liebe gestohlen hast?“.
„Vergiss es!“, ruft er und setzt erneut zum Sprung an.
„Herbert, ich kann nicht ungeschehen machen, was damals war – es war ein riesengroßer Fehler, das weiß ich und könnte ich es ändern, würde ich es tun!“, ruft Heinrich ihm nach.
„Vielleicht ist es besser, wenn wir uns eine Weile nicht sehen – meine Gier wird dir gegenüber nicht aufkeimen, ich kann dich besuchen kommen, wann immer ich will.“, raunt Herbert – wieder Tränen in den Augen habend.
„Ich werde dich irgendwann besuchen – aber ich muss jetzt fort – ich muss darüber nachdenken, ob ich dir jemals verzeihen kann, was du getan hast. Du kommst sehr gut ohne mich zurecht, du hast es die letzten Jahre und vor allem Monate und Wochen ja bestens bewiesen.“.
Mit diesen Worten springt Herbert in die Luft und fliegt davon. Nicolai sieht ihm hinterher – versteht genau, wieso Herbert so reagiert – der Einzige, der es nicht versteht, ist Heinrich.
Verdutzt sieht er seinem Sohn hinterher – begreift noch gar nicht richtig, was passiert ist.
„Was… Was war denn das jetzt?“, fragt er Nicolai.
Nicolai deutet Heinrich, sitz zu setzen, was dieser auch sofort tut.
„Ich kann dir genau erklären, warum Herbert so reagiert.“, sagt er behutsam und legt seine Hand auf Heinrichs Schultern.
„Dann beginn doch bitte, ich verstehe nicht, was er plötzlich hat.“, antwortet der ehemalige Graf leise – eine Träne rinnt ihm über die Wange.
„Herbert hat dich über Jahrhunderte lang als den mächtigsten Vampir angesehen, dich natürlich als Vater, aber auch als Obervampir geliebt und war dir untergeben.“, beginnt Nicolai zu erklären.
Heinrich nickt nur.
„Er hat verdrängt, was passiert ist, damals, als du seinen Freund getötet hast – nur, weil du ihn nicht akzeptieren konntest. Herbert hat ihn nie mehr wiedergesehen, er kann dir nicht verzeihen.“, spricht Nicolai weiter.
„Doch warum kommt fällt ihm das jetzt erst auf – jetzt, wo ich ihn am Dringensten brauche?“; fragt Heinrich.
Nicolai setzt ein Lächeln auf die Lippen und seine Augen funkeln.
„Du hast dir die Antwort gerade eben selbst gegeben, Heinrich.“, antwortet er schämisch grinsend.
Er bemerkt jedoch, dass Heinrich nicht zu verstehen scheint und setzt erneut an, es ihm zu erklären.
„Heinrich, der Grund, warum Herbert jetzt bemerkt, dass er dir nicht helfen will – zumindest nicht im Moment – ist, weil du ihm jetzt unterlegen bist, weil du jetzt seine Hilfe brauchst. Früher war es anders – er war dir unterlegen, er brauchte deine Hilfe, er ist dein Sohn.“, erklärt Nicolai.
„Du meinst – aufgrund dessen, dass ich seine Hilfe benötige, merkt er, dass er mir im tiefsten Inneren nie verziehen hat?“, fragt Heinrich und Nicolai nickt nur zustimmend.
Der ehemalige Obervampir sackt in sich zusammen, Tränen rinnen seine Wangen hinunter. Er hält erschrocken Inne – sieht Nicolai fragend an.
„Was… warum weine ich?“, fragt er ihn zweifelnd, fährt sich mit einem Finger über seine Wange und sieht einen kleinen Tropfen daruaf tanzen.
„Heinrich, hast du vergessen, dass Menschen weinen, wenn sie Emotionen empfinden?“, fragt Nicolai und grinst. „Hach, das muss bei dir wirklich lang her sein, dass du so etwas empfinden konntest.“, seufzt er.
Heinrich nickt nur leise und lässt seinen Tränen freien Lauf.
„Was soll ich denn jetzt machen, Nicolai?“, fragt er. „Ich habe meinen Sohn verloren, werde von Tag zu Tag älter – er wird mich überleben – das wollte ich nicht.“.
„Heinrich – gib ihm etwas Zeit. Er wird dir verzeihen, aber du musst Geduld haben.“, antwortet der Vampir-Professor.
„Ich muss jetzt los – ich sollte versuchen, Herbert vor jeglichem Blödsinn zu bewahren. Mach’s gut, Heinrich, ich komme bald wieder und unterrichte dich über Herberts Aktionen. Genieß deine Zeit mit deiner neuen Frau – nun geh hinein, wir sehen uns.“, spricht Nicolai, während er sich umdreht.
Er sieht Heinrich ein letztes Mal in die Augen, setzt zum Sprung an und fliegt davon – auf direktem Weg zurück zum Schloss.
Dort angekommen landet er sanft und leise auf einer Wiese vor dem Schloss. Sofort läuft er durch das riesige Eisentor – auf dierktem Wege in die große Halle – in der die riesige Ahnengallerie hängt.
„Die Ahnen scheinen zu schlafen“, denkt er sich.
„Wenn man sie braucht, sind sie nicht da.“, denkt er laut, ird allerdings sofort vom Gegenteil überzeugt.
„Reg dich nicht auf, mein lieber Nicolai, wir sind wach. Wir haben uns nur eben versteckt – wir konnten ja nicht wissen, dass du es bist, der kommt.“, antwortet eine der Ahnen etwas verärgert.
Mit einer entschuldigenden Geste nickt er der Ahne zu und geht flotten Schrittes weiter in Richtung Gruft – um Herbert – den er in dessen Sarg liegend vermutet – aufzusuchen.
„Die Mühe kannst du dir sparen – Herbert ist weg.“, ruft eine andere Ahne laut und etwas amüsiert.
Nicolai dreht sich erschrocken um und sieht der Ahne in die Augen. „Was soll das heißen, er ist weg? Und was gibt es da außerdem so frech zu grinsen?“; fragt Nicolai ziemlich verärgert.
„Na wenn ichs dir doch sage, er ist verschwunden. Er kam, zog sich etwas anderes an, steckte sich ein paar Blutampullen in die Tasche und flog davon.“, antwortet die Ahne.
Nicolai scheint verwirrt und verärgert zugleich, fragt die Ahne, wo Herbert hingeflogen sein, doch diese gibt keine Antwort, lächelt ihn nur frech und amüsiert an.
„Verdammt noch einmal, bist du stur!“, brüllt er in Richtung des Bilderrahmens der Ahne, doch diese ist schon wieder verschwunden.
„Das gibt es doch nicht, ich muss Herbert finden.“, flüstert er leise. „Ich kann nicht zulassen, dass Heinrich von Tag zu Tag altert und Herbert nicht endlich beginnt, seine Wut auf seinen Vater zu überdenken.“.
„Er hat etwas bezüglich seines Aufenthaltsortes angedeutet.“, flüstert auf einmal eine Stimme hinter Nicolai.
Dieser dreht sich um und sie auf einmal Aurelia hinter sich stheen, eine Untote aus dem Schloss und gute Freundin von Herbert.
„Aurelia, was hat Herbert angedeutet?“, fragt Nicolai aufgeregt.
„Er wollte zu zwei Menschen fliegen – zwei Frauen, soweit ich mich erinnern kann.“, flüstert sie. „Mehr kann ich dir nicht verraten.“.
Sie deutet auf die Ahnengalerie, in der bereits wieder eine Ahne erschienen ist, die sie böse anfunkelt.
„Danke, Aurelia.“, flüstert Nicolai und küsst sie auf die Wange.
Langsam schleicht er weiter in Richtung der Gruf, in der Herbert und er ihre Särge stehen haben. Mittlerweile ist es früh geworden und Nicolai ist ganz schön müde.
„Wie leer die Gruf ist, wenn Herbert nicht da ist.“, denkt Nicolai bei sich. „Ich möchte es nicht zugeben, aber ehrlich gesagt vermisse ich ihn schon.“, denkt er weiter.
Langsam entledigt Nicolai sich seiner Sachen, schnappt sich seinen Pyjama und legt sich langsam und leise in seinen Sarg. Er schließt die Augen und versucht, einzuschlafen. Dies gelingt ihm jedoch nicht, er muss andauernd daran denken, dass der Sarg neben ihm leer ist und kann sich nicht erklären, bei wem Herbert Unterschlupf gesucht haben könnte.
Immer wieder muss er seine Augen öffnen, setzt sich auf und blickt auf den leeren Sarg, der neben seinem steht. Der geöffnete Deckel, Herberts fliederfarbener Pyjama – fein säuberlich über den Rand des Sarges gehängt, die unangetastete Decke, der glatt gestrichene Polster, alles so, wie jeden Abend, wenn Herbert seinen Sarg verlässt.
„Er ist ein ganz schöner Perfektionist.“, denkt Nicolai bei sich und lächelt kurz. Langsam erhebt er sich aus seinem Sarg, schleicht zu dem Herberts und setzt sich auf den Rand – an dem der Deckel herabhängt.
Er lässt seinen Kopf in seine Hände fallen, reibt sich einige Male über die Schläfen und versucht sich zu konzentrieren, doch ihm will einfach nicht einfallen, was Herbert im Schilde führt, geschweige denn, wie er ihn dazu bringen kann, die Wut auf Heinrich zu überdenken.
Eine Weile lang sitzt Nicolai starr da – gibt keinen Ton von sich. Dann – irgendwann seufzt er laut, öffnet die Augen und erhebt sich.
„So kann ich mich nicht konzentrieren, ich muss mich schlafen legen.“, flüstert er sich selbst zu.
Er streicht noch einmal sanft über Herberts Pyjama – doch gerade als er sich umdreht und zu seinem Sarg gehen will, fällt ein Zettel aus der Hosentasche Herberts.
Auf selbigem stehen fein säuberlich zwei Buchstaben geschrieben – diese können nur von Herbert stammen – die Schrift ist schön, gar zu graziös und geschwungen.
Nicolai liest sich die beiden Buchstaben durch und lässt sie in seinem Kopf kreisen.
„L & M“, steht auf diesem Zettel geschrieben – nicht mehr, nicht weniger.
„Soll das eine Nachricht von Herbert an mich sein?“, fragt Nicolai sich.
„L & M“, lässt er sich auf der Zunge zergehen.
Langsam schleicht er zu seinem Sarg, legt sich erneut hinein und deckt sich zu. Er dreht sich zur Seite und denkt über die Buchstaben nach – irgendwann jedoch schläft er ein.
Diesen Morgen träumt er einen wilden Traum.
Schweißgebadet wacht er auf – fährt in die Höhe und wirft seine Decke zur Seite.
„Ich weiß, was L&M bedeuten soll – er ist zu meiner Frau und meiner Tochter geflohen.“, entfährt es ihm.
So schnell er kann wechselt er seine Kleidung und läuft den langen dunklen Gang entlang – zum Speisesaal, wo die anderen Vampire gerade eben beim Frühstück sitzen.
„Setzen.“, ruft Koukol und deutet Nicolai, sich auf seinen Stuhl zu setzen.
„Keine Zeit, Koukol!“, ruft Nicolai und stellt sich in die Mitte des Raumes.
Die anderen Vampire, die gerade eben gierig ihr Frühstück herunterschlingen schenken ihm nicht sonderlich viel Beachtung – das tun sie nie – sie halten Nicolai nur für einen neunmalklugen Vampir – der eigentlich keiner sein sollte – weil er sich nicht wie einer verhält.
Einzig Aurelia hebt ihren Kopf, nimmt den letzten Schluck aus ihrer Blutampulle und schleckt sich genüsslich um den Mund.
Nicolai – der immer noch kein sonderlich großer Blutliebhaber ist, graust es – jedoch hält ihn das nicht von seinem Vorhaben ab.
„Was ist denn los – Nicolai, du bist ganz blass um die Nase.“, scherzt Aurelia und lächelt ihn an.
„Ich bin nicht unbedingt zum Spaßen aufgelegt – ich habe eine dringende Bitte an euch!“, ruft Nicolai, doch die Anderen schlingen genüsslich ihr Frühstück weiter herunter.
Aurelia blickt Nicolai mit fragender Miene an.
Nicolai malt mit seinem linken Zeigefinger ein „H“ in die Luft und Aurelia versteht sofort, dass es sich nur um einen Vampir handeln kann – nämlich um Herbert.
Langsam erhebt sie sich und fliegt zu Nicolai, der mittlerweile nervös von einem Bein aufs Andere schwingt.
„Hast du etwas herausfinden können, Nico?“, fragt Aurelia nervös.
Nicolai nickt und erzählt ihr, dass er einen Zettel in Herberts Sachen gefunden hat, auf dem die Initialien der Vornamen seiner Frau und seiner Tochter standen.
„Das ist ein Zeichen, Aurelia!“; ruft er.
„Ich dachte mir, dass er dorthin wollte.“, antwortet sie. „Er hat angedeutet, dass du die Menschen, zu denen er wollte, sehr gut kennst – also wäre es doch naheliegend, wenn es deine Frau und Tochter wären.“, flüstert sie weiter.
„Du musst mir helfen, Aurelia.“, jammert Nicolai. „Ich weiß nicht, wie vielen Vampiren Herbert bereits eingeflöst hat, sich Heinrich nicht zu nähern.“.
Aurelia nickt nur und versichert ihm, die anderen Vampire daraufhin auszufragen.
„Ich werde gleich damit beginnen, verschwinde du nur wieder in deinen Sarg.“, flüstert sie, doch Nicolai hat nicht sonderlich viel Lust, herumzuliegen.
„Ich muss etwas tun.“, denkt er bei sich. Als einzigen Zufluchtsort kann er die Bibliothek des Schlosses wählen, kaum einer weiß, dass diese existiert, sie gehörte dem Grafen.
Leise schleicht er sich aus dem Speisesaal – direkt hin zur Bibliothek. Um zu selbiger zu gelangen muss er jedoch an der Ahnengalerie vorbei, in der die nette Ahne vom Vortag bereits wieder frech grinsend von der Wand auf ihn herabblickt.
„Und, hast du schon etwas herausfinden können?“, fragt sie gespielt freundlich und grinst immer schämischer.
„Das werde ich dir bestimmt nicht verraten.“, giftet Nicolai zurück, verdreht die Augen und läuft weiter in Richtung Bibliothek.
Dort angekommen lässt er die Türe hinter sich mit einem lauten Knall zufallen und verschließt sie – zur Sicherheit, dass er nicht gestört wird.
Er läuft planlos durch den großen Raum und versucht, seine Gedanken zu sortieren.
„Nach was suche ich denn eigentlich?“, fragt er sich selbst.
Langsam lässt er sich auf die große hölzerne Bank fallen, knallt mit dem Kopf auf den Tisch und beginnt verzweifelt zu lachen.
Im Moment weiß er selbst nicht, warum er eigentlich lachen muss, aber es hilft, seine Gedanken zu sortieren.
Kurz darauf hebt er seinen Kopf, stützt die Ellenbogen auf den Tisch und lässt den Kopf darauffallen. Er rauft sich die Haare und verzieht das Gesicht.
„Ich muss herausfinden, ob hier irgendwo dokumentiert steht, wie ich Herbert dazu bekomme, seinen Hass zu überdenken.“, kommt er schließlich auf die Lösung des Problems.
Er erhebt sich von der Bank – schwebt planlos durch den Raum – bis er plötzlich – ganz unvorbereitet vor einer Bücherwand steht, auf der exakt drei Bücher stehen.
„Das könnte aufschlussreich sein.“, denkt er bei sich und nimmt ein kleines Buch aus dem Regal.
Es ist in einen dunkelbraunen, ledernen Einband gehüllt und etwas staubig. Nachdem Nicolai den Staub weggewischt hat, kann er den Titel des Buches lesen.
„Tiefenpsychologie der Vampire.“, steht auf dem Einband des Buches geschrieben.
„Fein.“, denkt er bei sich. „Ich als früherer Psychologe bilde mich somit einmal in Tiefenpsychologie der Untoten weiter – vielleicht finde ich hier etwas darüber, wie ich Herbert dazu bringen kann, seinem Vater zu verzeihen.“, denkt er laut und legt das Buch auf den großen, hölzernen Tisch.
Er schlägt die erste Seite auf und staunt nicht schlecht. In feinster – weiblicher Schrift steht auf der ersten Seite „Herbert Klaasen“.
„Klaasen?!“, fragt sich Nicolai. „Hat denn Heinrich von Krolock fürher Heinrich Klaasen geheißen?“, denkt er laut weiter.
Er blättert das Buch durch und findet aufschlussreiche Informationen über die psychologischen Gegebenheiten der Untoten.
Interessiert liest er sich die Notizen durch, die auf beinahe jeder Seite des Buches geschrieben stehen.
„Vampire können sich nicht richtig verlieben, sie gaukeln die Liebe nur vor, um ihre Gier zu stillen.“, steht dort gedruckten Lettern geschrieben – daneben Herberts Notizen.
„Ein Vampir zu sein, kommt mir nicht in den Sinn – da müsste ich jahrelang sein - was ich jetzt bin. Ich wäre Jahr für Jahr gleich alt – veränderte nie meine Gestalt.“, steht dort in geschwungener Schrift – den gedruckten Satz unterstrichen.
Nicolai liest das Gedicht Herberts weiter – bis zum Schluss – die Tränen schießen ihm langsam in die Augen.
„Das muss er geschrieben haben, kurz, bevor sein Vater ihn in die Welt der Vampire gebissen hat.“, denkt er bei sich.
Er dreht das Buch langsam in seinen Händen und untersucht es auf ein etwaiges Datum. Er wird fündig – auf der Hinterseite – ganz unten am Einband – steht ein Datum, das Nicolai schlagartig bekannt vorkommt.
„Das ist doch das selbe Jahr, in dem Herbert zum Vampir wurde.“, denkt er bei sich und plötzlich wird ihm einiges klar.
„Dieses Buch ist mir bestimmt nicht zufällig in die Hand gefallen – Herbert will mir irgendetwas damit sagen. Er hat das Buch hierhin gestellt – es wäre mir sonst längst aufgefallen.“, murmelt er und legt es vor sich hin.
Langsam öffnet er erneut die erste Seite – liest sie genau durch, kann jedoch nichts entdecken.
„Wenn ich mir jetzt jede einzelne Seite durchlesen muss, werde ich nie fertig.“, denkt er bei sich.
So nimmt er den Rand des Buches in die Hände und schüttelt es vorsichtig – bis plötzlich erneut ein Zettel aus dem Buch fällt.
Und schon fällt ein Zettel heraus, auf dem jedoch erneut nur die Initialien „L & M“ zu finden sind.
„Das muss ein Hinweis sein, dass ich zu meiner Frau und meiner Tochter fliegen soll – aber warum versteckt er sich dort – er hat doch eigentlich noch nicht sonderlich viel mit ihnen zu tun gehabt.“, denkt er sich weiter.
Ohne wirklich zu verstehen, was Herbert zu seiner Familie treibt, macht er sich auf den Weg, die Beiden zu suchen. Er weiß, in welchem Schloss die Beiden hausen – etwas abgelegen – aber relativ einfach zu erreichen – für einen Vampir zumindest.
Somit beschließt er, sich schleunigst auf den Weg zu machen, um Herbert noch vor Anbruch des nächsten Tages zu finden.
„Das Buch nehme ich zur Sicherheit mit – wer weiß, wozu es noch zu gebrauchen ist.“, denkt er bei sich und schleicht vor das große Eisentor.
Dort angekommen hört er ein knacken hinter sich und dreht sich ruckartig um. Doch es ist nur Aurelia – die über einen Ast gestolpert ist, weil sie zu schnell auf Nicolai zugeeilt ist.
„Nicolai, warte kurz.“, ruft sie ihm hinterher und hält ihm plötzlich eine abartig riechende Ampulle unter die Nase.
„Was willst du denn damit?“; fragt Nicolai sie schnell und dreht den Kopf weg. „Das stinkt ja abartig.“, flüstert er angewiedert und verzieht sein Gesicht.
„Ach Nicolai, stell dich doch nicht dümmer, als du bist – dast ist Blut – da sist doch klar!“, antwortet Aurelia und drückt ihm die Ampulle in die Hand.
„Und was willst du jetzt damit hier draußen?“, fragt Nicolai weiter.
„Ich gar nichts – du sollst sie trinken.“, antwortet Aurelia amüsiert – sie weiß genau, wie sehr sich Nicolai vor Blut ekelt.
Dieser sieht sie verständnislos an – rümpft die Nase und reckt sich. Auf die erneute Frage, wieso genau er das Blut nun trinken solle, antwortet Aurelia schon leicht genervt, dass es zu seinem Schutz dienen soll – um nicht wehrlose Menschen anzufallen, die ihm eventuell die Zeit stehlen könnten.
„Außerdem bist du noch nicht geübt, was das Beißen betrifft.“, spricht sie weiter. „Also trink jetzt – beeil dich, du verlierst viel zu viel Zeit.“, flüstert sie und animiert Nicolai, die Ampulle am Mund anzusetzen.
„Darf ich mir die Nase denn zuhalten?“, fragt Nicolai und als Aurelia nur nickt, tut er selbiges auch.
Dann beginnt er, langsam an der Ampulle zu nippen – das scheint Aurelia etwas zu langsam zu gehen. Sie schnippt von unten auf die Ampulle, sodass sich Nicolai halb verschluckt – sie aber in einem Zug leert.
„Spinnst du – was soll das?“, fragt er empört.
„Bis du die Ampulle leer getrunken hast, ist es Morgen – ich wollte dir einfach etwas helfen.“, anwortet sie gespielt lustig. „Und nun flieg endlich los – du hast nicht mehr sonderlich viel Zeit – es dämmert bereits.“
Mit diesen Worten im Ohr setzt Nicolai – immer noch angewiedert vom Blut – zum Sprung an und verschwindet in die dunkle Nacht.
Flink und geschwind – ohne auf irgendetwas anders Acht zu geben – fliegt er zum Schloss, in dem seine geliebte Frau und seine Tochter hausen – die er bereits länger nicht gesehen hat.
Dort angekommen klopft er leise an die Türe, welche sogleich geöffnet wird.
„Hallo Papa, was machst du denn hier?“, ruft eine verwunderte, aber sehr erfreute Stimme, die zu Maya gehört – seiner Tochter.
„Hallo Maya – Kind!“, ruft Nicolai erfreut und umarmt seine geliebte Tochter. „Ist Herbert hier? Du weißt schon, der süße schwule Vampir – blond, groß, meist fliederfarben gekleidet?“, spricht er schnell und komplett außer Atem.
Maya nickt nur und führt ihn durch einen schönen, großen Innenhof direkt ins Speisezimmer des kleinen Schlosses. Dort sieht der erleichterte Nicolai Herbert sitzen, der gerade mit Lena – seiner Frau – beim Morgenbrot sitzt.
„Herbert, da bist du ja – oh Gott welche Sorgen ich mir gemacht habe!“, ruft er freudestrahlend und läuft auf Herbert zu, der sich jedoch abwendet.
Ohne es zugeben zu wollen, versetzt diese abweisende Art Nicolai einen Stich ins Herz – den er aber dezent ignoriert.
„Herbert, was ist los?“, fragt Nicolai besorgt. „Habe ich dir etwas getan?“.
Herbert schüttelt nur den Kopf und unter einem weitern Stich ins Herz sieht er, wie eine Träne Herberts Wangen herunterrollt.
Nicolai kniet sich vor Herbert, legt seine Hände auf dessen Schoß und sieht ihm tief in die Augen.
„Herbert – sag mir doch bitte, was passiert ist – wieso bist du verschwunden?“, fragt Nicolai einfühlsam und deutet seiner Frau und seiner Tochter, sich kurz zurückzuziehen.
Selbiges tun die zwei auch sofort und lassen Nicolai und Herbert alleine zurück.
„Komm schon, Herbert… Jetzt rede doch mit mir – was ist passiert, dass du so schnell weg wolltest?“, fragt Nicolai weiter – sehr einfühlsam, die Hände immer noch auf Herberts Schoß platziert.
Dann, endlich, bricht Herbert sein Schweigen und erzählt unter Tränen, was der Grund für den plötzlichen Aufbruch war.
„Ich habe mich unter Druck gesetzt gefühlt.“, antwortet Herbert leise.
Entgeistert sieht der Professor ihn an. „Wieso unter Druck gesetzt – von wem?“; fragt er besorgt.
„Von dir und Vater – ihr hattet erst nur deinen Unterricht im Kopf – habt gar nicht gesehen, was ich empfinde. Danach hattet ihr nur diese Frau im Kopf – wie ihr Vater sterblich machen könnt, um mit dieser Frau ein neues Leben beginnen zu können. Und jetzt… jetzt habt ihr nur im Kopf, wie ihr Vater wieder zu uns Untoten zurückholt, weil der Plan nicht so funktioniert hat, wie ihr das wolltet.“, erklärt er immer wieder schluchzend.
Nicolai rümpft die Nase, legt seine Stirn in Falten und überlegt. Er muss sich eingestehen, dass Herbert mit all dem, was er sagt, vollkommen Recht hat – er wurde wirklich vernachlässigt.
„Aber mein Lieber, das kann nicht der einzige Grund sein, warum du verschwindest. Wieso hast du denn nicht mit mir geredet?“, fragt Nicolai weiter.
Herbert hebt langsam den Kopf und blickt Nicolai tief in die Augen.
„Ich war enttäuscht – enttäuscht darüber, dass du nicht gesehen hast, was ich für dich empfinde. Du hast immer nur abschätzige Gesten gemacht, wenn ich dir andeuten wollte, dass ich Gefühle für dich habe.“, antwortet Herbert wieder.
„Du hast mich innerlich bestimmt ausgelacht – hast dir gewünscht, dass ich besser nie bei dir sein sollte.“.
Nicolai muss erneut zugeben, dass Herbert Recht hat. Es war jedoch nicht immer so – mittlerweile hat er Gefühle für Herbert entwickelt, weiß jedoch nicht so Recht, wie er ihm selbige beibringen soll, ohne, dass sie gekünstelt rüberkommen.
„Herbert, mein Lieber – du hast Recht, anfangs wollte ich dich mir nur vom Leibe halten, doch mittlerweile habe ich entdeckt, was für ein toller Vampir du bist. Ich hatte nur meine Forschungen im Kopf – wollte weiterkommen – wollte deinem Vater helfen – da hast du mir nicht so Recht ins Bild gepasst.“, erklärt Nicolai einfühlsam – doch er merkt, wie sich Herbert mehr und mehr kränkt.
Um zu verhindern, dass selbiges Spiel weitergeht, erhebt sich Nicolai und nimmt Herberts Hände in seine. Er deutet ihm, dass er aufstehen soll und steht kruz darauf Gesicht an Gesicht vor ihm.
Herbert, der etwas erschrocken aussieht, atmet flach und langsam, doch Nicolai kann seinen Atem genau spüren – es lässt ein Kribbeln in seiner Magengegend entfachen, das Nicolai jedoch als angenehm empfindet.
So stehen sich die Beiden einige Sekunden lang gegenüber und plötzlich – wie aus dem Nichts, beginnt Nicolai Herbert sanft zu küssen – er schließt die Augen und lässt seinen Gefühlen freien Lauf.
Gefühlte Minuten später lässt Nicolai wieder von Herbert ab und blickt ihm erneut tief in die Augen. Herberts anfänglich geschockter Gesichtsausdruck verwandelt sich nun in ein erst schüchternes Grinsen, dann in ein schämisches Lachen.
„Ich wusste doch die ganze Zeit, dass du etwas für mich empfindest.“, lacht er laut und umarmt Nicolai, der für seinen Teil das selbe macht.
„Ich wollte es mir nicht eingestehen – aber du hast Recht, ich glaube, dass ich mich in der Zeit in dich verliebt habe. Als ich ins Schloss zurückkam und dich nicht anfinden konnte, gab es mir den ersten Stich ins Herz – den zweiten, als du mich gerade eben nicht beachtet hast – ich kann so nicht weitermachen, ich muss dir meine Gefühle endlich zeigen.“, antwortet Nicolai.
Eine Weile lang sitzen die Beiden nur nebeneinander, tratschen und reißen Witze, doch dann wird Nicolais Miene von einem Moment auf den Anderen ernster und er sieht Herbert an.
Dieser für seinen Teil ahnt, was gleich kommen wird und verstummt – seine Miene wird ernster.
„Herbert, ich muss trotzdem mit dir sprechen.“, beginnt Nicolai kurz das Schweigen zu brechen.
Herbert nickt nur – er weiß genau, worum es geht und noch bevor der Professor beginnen kann – etwas zu sagen, startet Herbert den ersten Erklärungsversuch.
„Ich weiß, es geht um meinen Vater und um den Hass, den ich für ihn empfinde.“, beginnt er langsam. „Ich hasse ihn nicht wirklich, tief im Inneren meines Herzens liebe ich ihn, aber ich kann ihm nicht verzeihen, dass er mir den liebsten Menschen genommen hat – meinen Freund, dass er nicht akzeptieren konnte, dass ich die männlichen Geschöpfe in meiner Umgebung liebte, nicht die weiblichen.“.
Nicolai nickt verständnisvoll und deutet Herbert, sich zu setzen. Selbiges tut er und Nicolai legt ihm seine Hand auf den Schoß. Behutsam animiert er ihn, weiter zu erzählen.
„Nachdem er mir den liebsten Menschen genommen hatte, war ich ihm immer unterlegen – ich war immer für ihn da, habe ihm in gewisser Weise immer gedient – hatte nichts in der Hand, um ihm einmal zu zeigen, dass ich mein eigenes Leben auch noch besitze – wobei man das hier eigentlich kein Leben nennen kann.“, erklärt er weiter und macht eine ausladende Geste einmal rund um sich.
„Ich fühle mich gefangen – gefangen in meiner eigenen Haut – ich kann nicht raus. Ich dachte, dass ich meinem Vater dankbar sein muss für das, was ich jetzt habe – das ewige Leben, dass ich ihm zeigen muss, dass ich ihn liebe – egal wie groß der innere Drang war, ihm einmal so richtig zu zeigen, dass er mir damals alles genommen hat, was ich hatte.“.
Nicolai nickt nur mit dem Kopf und mit jedem Wort Herberts steigen ihm die Tränen weiter in die Augen – bis bald schon die erste zu Boden fällt.
„Wie gern wäre ich ab und zu einfach aus meinem eigenen Käfig ausgebrochen, hätte mich ausgelebt und eine neue Liebe kennengelernt – doch mein Vater akzeptiert bis heute nicht, dass ich auf männliche Vampire stehe und – wenn ich ehrlich bin – es gibt keine wirklich hübschen Vampire auf dieser Welt – die meisten sind alt und hässlich.“.
Als Herbert diesen Satz ausspricht, sieht ihn Nicolai an – etwas funkelt in seinen Augen, er ist verletzt darüber, was Herbert gerade gesagt hat.
„Damit meine ich doch nicht dich – Nicolai.“, lacht Herbert kurz auf, bevor er wieder ernst wird.
„Aber was war nun der Grund, warum du deinen Vater nicht zurück zu den Untoten holen wolltest?“, fragt der Professor.
„Das ist eigentlich ganz einfach – sogar menschlich, wenn ich es recht bedenke.“, setzt Herbert zur Erklärung an.
„Ich habe etwas gegen ihn in der Hand – er ist mir unterwürfig – er spürt wie das ist. Er kann jetzt einmal erleben, wie ich mich Jahrunderte lang gefühlt habe.“, spricht er weiter und seine Augen beginnen plötzlich zu funkeln, seine Zähne blitzen aus dem Kiefer hervor.
„Aber wie ich sehe, keimt die Gier nach deines Vaters Blut auf – wie konntest du sie in seiner Gegenwart zurückhalten?“, fragt Nicolai plötzlich erstaunt.
„Ich denke, dass du das Buch gefunden hast, welches ich für dich in der Bücherei hinterlegt habe.“, spricht Herbert.
Nicolai nickt nur.
„Dieses Buch – ich habe es damals im Psychologieunterricht empfohlen bekommen – habe ich mir gekauft, weil ich eigentlich den gleichen Beruf wählen wollte, den du hattest – ich wollte Vampirforscher werden.“.
Erstaunt blickt Nicolai Herbert an und runzelt die Stirn. Noch bevor er etwas fragen kann, erzählt Herbert weiter.
„Ich dachte mir damals, es wäre nicht schlecht, sich etwas in die Materie der Vampire einzuarbeiten, bevor ich mit der Jagd beginne. Deswegen kaufte ich mir das Buch „Tiefenpsychologie der Vampire“, dort stehen relativ nützliche Tips und Tricks, sich Vampire vom Leib zu halten, jedoch auch, wie Vampire reagieren können – wie sie ihren Körper beherrschen können.“, erklärt Herbert und greift sich das Buch aus Nicolais Tasche.
Er legt es behutsam auf den Tisch, streicht einmal darüber und öffnet es schließlich. Vorsichtig – um keine einzige Seite zu beschädigen – blättert er zu einem bestimmten Kapitel und tippt auf eine Stelle in der Mitte des Buches.
„Zurückhaltung der Gier in Anwesenheit Angehöriger.“, steht dort geschrieben.
Nicolai liest sich den Absatz durch, auf den Herbert gezeigt hat.
„Vampire können ihre Gier nur selten steuern – sie kommt und geht – wann immer sie hungrig sind. Steuerbar ist sie nur in Anwesenheit von Angehörigen beziehungsweise in Anwesenheit derer Menschen, die sie lieben.“, liest er laut vor.
Herbert sieht ihm zu und schmunzelt.
„Möchte ein Vampir einen Menschen beißen, der zu seinen Angehörigen zählt, ist die Gier normalerweise stärker als jeder Wille – ist jedoch ein Anwesender in der Nähe, der vom beißenden Vampir geliebt wird, kann dieser – ohne es zu wollen – die Gier des Vampires vermindern oder gar auslöschen.“, liest Nicolai weiter.
Er hält inne und sieht Herbert verdutzt an.
„Ich verstehe nicht – habe ich dich etwa abgehalten, deinen Vater zu beißen?“, fragt Nicolai.
Herbert nickt und schmunzelt weiter.
„Ich habe dich mitgenommen, weil ich herausfinden wollte, was du für mich empfindest. Hättest du keine Gefühle für mich, hätte ich erbarmungslos zugebissen und mich für die nächsten Jahrhunderte meinem Vater unterworfen – meine Gier wäre gestillt und mein Vater wieder der große Graf von Krolock.“, erklärt Herbert.
Nicolai nickt – versteht aber immer noch nicht so Recht, worauf Herbert hinaus will.
„Durch deine Liebe – die ich spüren konnte – wurde der Biss verhindert, ich konnte den Mut fassen, meinem Vater zu zeigen, dass ich kein Taugenichts bin, sondern serwohl einiges kann und ihn auch dazu bringen kann, sich mir unterlegen zu fühlen.“, erklärt Herbert weiter.
„Moment einmal, du möchtest also sagen, dass ich dich daran gehindert habe, deinen Vater zu beißen?“, fragt Nicolai erstaunt.
Herbert nickt, setzt jedoch noch etwas dazu. „Nicht du selbst, Nicolai, sondern deine Liebe haben mich daran gehindert.“.
Der Professor nickt und verstummt, er sieht Herbert tief in die Augen.
„Gut, das habe ich soweit verstanden, du wolltest deinem Vater eines auswischen.“, spricht er. „Aber warum bist du verschwunden und warum gerade hierher?“, fragt Nicolai.
Herbert grinst erneut – diesmal ist es aber ein freches Grinsen, das Nicolai nicht so Recht einschätzen kann.
„Ich bin hierher geflogen, um dich zu testen.“, flüstert Herbert. „Ich wollte wissen, ob du zu deinen Gefühlen stehst – ob du mich lieben kannst – oder mich verleugnest und somit deine Gefühle unterdrückst.“.
Nicolai versteht noch immer nicht so Recht.
„Ich habe dir die zwei Zettel geschrieben, weil ich wusste, dass die Gruft und die Bibliothek die einzigen zwei Orte sind, zu denen du gehst, wenn du nachdenken musst beziehungsweise wenn du mich suchst.“.
„Gut, du wolltest testen, ob meine Gefühle zu dir echt sind. Aber warum bist du genau hierher gekommen – du kennst meine Frau und meine Tochter doch kaum.“, antwortet Nicolai, der mittlerweile etwas verwirrt ist.
„Ganz einfach – deine Gefühle hast du mir bewiesen, indem du mich unbewusst vom Biss abgehalten hast. Jetzt wollte ich wissen, ob du zu deinen Gefühlen stehst, indem du mich suchst.“, erwiedert Herbert.
„Auch diesen Test hast du bestanden, du bist schließlich hier – doch der finale Test sollte sein, ob du standhaft bleibst, wenn du deine Frau und deine Tochter siehst. Du weißt doch, die Gier ist gerade bei Verwandten beziehungsweise den geliebten Menschen am Stärksten.“, erklärt er.
„Aber Aurelia hat mir extra eine Blutampulle gegeben, dass die Gier nicht entfacht werden kann.“, antwortet der mittlerweile komplet verwirrte und perplexe Nicolai.
Auch das scheint ein Teil Herberts Plans gewesen zu sein, denn dieser grinst immer schämischer, bis er plötzlich zu lachen beginnt.
„Ach, mein Lieber… Stellt man dir einmal genau das hin, was du anfangs dachtest, es sein in den Ampullen, passt es dir genausowenig, als wäre Blut drin.“, lacht Herbert.
„Es war kein Blut – es war Erdbeersaft. Zugegeben, versetzt mit Geruchsstoffen – du solltest die Lüge ja nicht sofort aufdecken können, aber du hättest es doch schmecken müssen.“.
Nicolai sieht beschämt zu Boden. „Ich habe mir die Nase zugehalten – ich dachte, das wäre Blut.“, antwortet er beleidigt.
„Das dachte ich mir – aber das macht nichts. Verstehst du denn jetzt, warum ich dich hierher gelockt habe?“, fragt Herbert erneut.
Nicolai nickt verständnisvoll und beginnt ein wenig zu Lächeln.
„Ich wollte sehen, ob deine Gier nun endgültig deinen Gefühlen gewichen ist und du aufrichtig und ehrlich Gefühle für mich hast, oder ob du mir nur etwas vorspielst, um mich zu meinem Vater zurückzuholen.“, erklärt Herbert ein letztes Mal. „Du hast mir bewiesen, dass du ehrliche Gefühle hegst, also werde ich dir jetzt ein letztes, kleines Geheimnis verraten.“, spricht er leise.
Nicolai sieht ihm eindringlich in die Augen und Herbert setzt zum kleinen – aber feinen Finale an.
„Ein kleines Geheimnis habe ich noch – nur weder du, noch Vater wussten davon.“, erzählt er leise.
„Mach es nicht so spannend, Herbert, ich bin ein alter Mann.“, scherzt Nicolai und lächelt.
„Ich habe noch etwas von dem Serum übrig, das uns zu Menschen verwandeln kann.“, beichtet Herbert.
Nicolai sieht ihn nur verdutzt an – er versteht nicht. Er fragt ihn verwirrt, woher er das Serum hat, Heinrich hatte doch alles ausgeleert, als er das Fläschchen umgestoßen hatte.
„Ich habe mir extra zwei kleine Portionen des Gemisches aufgehoben – in der Flasche war nur ein Gemisch für drei Vampire – ich kenne meinen Vater – er ist ein Tollpatsch. Ich wollte vorsorgen und auf Nummer sicher gehen, dass nichts passieren kann und wir trotzdem alle zu Menschn zurückkonvertieren können.“, erklärt Herbert stolz.
„Du bist ein Spitzbub.“, ruft Nicolai und springt auf.
Er packt Herbert an den Händen, umarmt ihn und drückt ihm einen zärlichen Kuss auf den Mund.
„Jetzt fragt sich nur, was wir mit dem Serum machen sollen.“; spricht Nicolai. „Verwenden wir es, oder bleiben wir so, wie wir sind?“, fragt er weiter.
Herbert erklärt ihm, dass er das gerne mit seinem Vater besprechen will, er möchte ihn fragen, ob er menschlich bleiben möchte, oder zu den Untoten zurückkehrt.
„Ist in Ordnung – Herbert.“, flüstert Nicolai. „Komm schon, wir fliegen zu deinem Vater.“.
Er packt ihn an den Händen, steckt das kleine Fläschchen mit dem restlichen Serum in seine Tasche und läuft mit ihm in den schon herannahenden Morgen.
Beide setzen gleichzeitig zum Sprung an und landen Minuten später vor dem Haus, in dem Heinrich mit seiner neuen Frau lebt.
Sie spähen zum Fenster hinein, können Heinrich jedoch nirgendwo entdecken.
„Wo ist er hin?“, fragt Herbert nervös.
Gerade möchte Nicolai antworten, da knackt es hinter den Beiden im Dickicht des Waldes – und Heinrich steht vor ihnen. Sein Gesicht ist seltsam verschwollen, die Augen ganz rot.
„Was ist denn mit dir passiert?“, fragt Nicolai den ehemaligen großen Grafen von Krolock.
„Ich habe mir die ganze Zeit die Augen aus dem Kopf geweint.“, antwortet dieser.
Gerade möchte er weiter sprechen, da sieht er Herbert hinter Nicolai hervorsteigen.
„Herbert, mein Sohn, da bist du ja!“, ruft er. „Ich habe mir solche…“, setzt er an, doch Herbert verbietet ihm schroff den Mund.
Heinrich, der etwas erschrocken aussieht, schließt seinen Mund und sieht seinem Sohn tief in die Augen.
„Vater…“, beginnt Herbert zu sprechen.
Nicolai legt ihm schützend seine Hand auf die Schulter und animiert ihn, weiter zu sprechen.
„Vater, du hast mir in all den Jahren das Gefühl gegeben, als wäre ich nicht nur dein Sohn, sondern auch dein Diener und Untertane. Du hast nie daran gedacht, wie es mir geht – immer nur, wie es dir und den Anderen Vampiren geht.“, spricht er langsam, aber erklärend.
„Ich hatte immer das Gefühl, dass du mich nicht so akzeptieren konntest, wie ich war und immer noch bin – ein Vampir, der auf Männer steht und es liebt, männliche Wesen zu verführen – nicht wie du – weibliche. Ich liebe es, nach dem Blut frischer, junger Männer zu gieren – Frauen ekeln mich an.“, erklärt er weiter und Heinrich verzieht keine Miene.
„Aber mein Sohn, ich habe dich doch akzeptiert, wie du bist.“, versucht Heinrich einzuwerfen, doch Nicolai und Herbert blitzen ihn an – sodass er schnellstmöglich den Mund wieder schließst.
„Vater – gib zu, du hast meine Neigung nie akzeptiert – wolltest immer, dass ich so bin wie du. Das werde ich nie sein – ich kann kein großer Graf sein, der die Frauen nur verführt und ihnen die Liebe vorgaukelt, nur, weil er nach Blut giert. Ich empfinde wirklich liebe – wenn ich sie jemandem zeige – so, wie ich dieses Gefühl für Nicolai empfinde.“.
Dieser wird ein wenig rot und sieht beschämt zur Seite.
„Herbert, bitte verzeih mir – es war falsch, was ich getan habe.“, versucht Heinrich die Situation zu Retten – doch vergebens.
Einige Minuten lang wirft Herbert ihm alles an den Kopf, was er Jahrhunderte lang hinunter schlucken musste.
Nach einer mehrminütigen Standpauke hält Herbert erschöpft inne. Nicolai nimmt ihn tadelnd in den Arm und küsst ihn zärtlich. Dann animiert er ihn dazu, ein letztes Mal aufzudecken, was er auch ihm verschwiegen hatte.
„Ich habe jetzt zwei Vorschläge für dich – ich möchte, dass du sie dir gut überlegst und dich dann für einen entscheidest.“, wirft Herbert ein.
Heinrich nickt.
„Die erste Möglichkeit ist, dass ich den finalen Biss setze und dich zum Vampir mache – ich kann dir aber jetzt schon sagen, dass du bestimmt nicht mehr der Obervampir „Graf von Krolock“ sein wirst – denn für diesen Posten habe ich bereits jemand Anderen im Sinn.“, erklärt er und Heinrich nickt zustimmend.
„Oder…“, setzt Herbert an, doch Heinrich unterbricht ihn.
„Welche zweite Möglichkeit sollte es noch geben, du kannst mich nur beißen, sodass wir den Rest unseres Lebens zusammen verbringen können – ich möchte nicht, dass du mich überlebst, Herbert. Ich liebe dich doch.“, spricht Heinrich, doch Herbert schneidet ihm das Wort ab.
„Oder Nicolai und ich nehmen dieses Serum hier.“, spricht er und schnappt sich das Serum aus Nicolais Tasche. „Wir könnten jeder davon trinken und – wie du – zu menschlichen Geschöpfen werden.“, erklärt Herbert und lässt die Flasche vor Heinrichs Gesicht baumeln.
„Woher hast du denn dieses Mittel?“, fragt Heinrich erstaunt.
„Das spielt keine Rolle – du sollst dich entscheiden – aber entscheide gut.“, spricht Herbert und freut sich, seinen Vater einmal in der Hand zu haben.
„Herbert, ich möchte nicht ohne dich weiterleben. Ich weiß, ich habe dir viel angetan in den letzten Jahrhunderten und auch als wir noch menschlich waren, habe ich dir alles genommen, aber bitte, verzeih mir.“, setzt Heinrich zur Erklärung an.
Herbert sieht ihm nur starr in die Augen, Nicolais Hand immer noch unterstützend auf seiner Schulter liegend.
„Ich werde lang brauchen, um dir zu verzeihen, ob es in diesem Leben noch gelingt, kann ich dir nicht versprechen.“, antwortet Herbert und deutet nickend auf das Fläschchen.
„Ich will dir Zeit geben – meinetwegen die nächsten Jahrhunderte – komm Herbert, bitte beende diese Sache so, wie wir sie begonnen haben.“, spricht Heinrich und legt seinen Kopf zur Seite.
Nicolai klopft Herbert tadelnd und unterstützend auf die Schulter, küsst ihn und schickt ihn hinter seinen Vater. Bevor Herbert hinter Heinrich verschwindet, nimmt er ihm das kleine Fläschchen aus der Hand.
„Bist du sicher, dass du das willst?“, fragt er Heinrich, der nur nickt.
Noch bevor Herbert den finalen Biss sezten kann, wirft Nicolai das Fläschchen auf den Boden und hört zu, wie es auf den spitzen Steinen zerbarst. Die Flüssigkeit – das einzige Serum, das sie noch menschlich hätte machen können, rinnt langsam aber sicher den Stein herab und versickert im Erdboden.
„Herbert, lass uns das alles hier beenden.“, flüstert Heinrich und küsst seinen Sohn auf die Stirn.
Herbert, dessen Zähne in der langsam aufgenden Sonne funkeln leckt den Kopf in den Nacken.
Tastend lässt er ihn zuerst langsam fallen, bevor er ihn nochmals in den Nacken legt – soweit er kann.
Er lässt den Kopf auf Heinrichs Halsschlagader herabsausen.
„Ich liebe dich, mein Sohn.“, krächzt Heinrich noch, bevor Herberts spitze Zähne die Haut durchbohren und Heinrich ins ich zusammensackt.
„Gut gemacht, mein Liebling.“, flüstert Nicolai und küsst Herbert erneut auf den Mund.
„Das ist jetzt aber bestimmt kein Erdbeersaft.“, lacht Herbert – etwas geschwächt vom Biss.
„Ich weiß, aber das Grafenblut muss gekostet werden.“, lacht Nicolai und schleckt sich über den Mund. „Gar nicht schlecht, Liebling.“.
Keine paar Sekunden später erhebt sich der ehemalige Graf von Krolock vom Boden, die Wunde an seinem Hals bereits wieder geschlossen und lächelt die Beiden an.
„Ich glaube, das wäre geschafft.“, lacht er, lässt seine strahlenden, spitzen Zähne zum Vorschein kommen.
„Vater – wir werden viel aufzuarbeiten haben, aber erst möchte ich dir noch zeigen, wer der neue Obervampir in unserem Schloss ist.“, spricht Herbert laut.
Heinrich nickt – schon wissend was kommt und stellt sich hinter Nicolai, Herbert tut es ihm nach.
„Nicolai, du hast mir bewisen, dass du mich liebst – ich möchte, dass du der neue Graf bist – dir bin ich gern untergeben.“, spricht Herbert und lächelt.
„Und mir hast du bewiesen, dass dieser Posten dir zusteht, weil du mir geholfen hast, das Gegenserum zu brauen – was keine einfache Aufgabe war. Dein Wissen, deine Logik und dein Verstand haben dich zu dem gemacht, was du von nun an sein wirst.“, spricht Heinrich tadelnd und legt einen Arm um seinen Sohn.
Nicolai dreht sich um und sieht den Beiden ins Gesicht.
Sie sehen Nicolai tief in die Augen und beginnen gleichzeitig zu sprechen.
„Willkommen – Graf Nicolai, Markus von Krolock.“.
Danksagung
Ich danke Gernot Kranner, der meine Geschichten noch im Einzelnen gelsen hat – um zu prüfen, ob sie gut genug sind, um ein Buch zu schreiben ;)
Außerdem danke ich ihm für die Inspiration, sei es über sein Kinderstück „Das kleine Vampir ABC“ oder in seiner Rolle als „Professor Abronsius“, die Geschichte über sein Leben widme ich ihm – er ist ein Klasse Darsteller – aber auch ein sehr, sehr lieber Mensch, soweit ich ihn kennenlernen durfte.
Der nächste Dank gilt Robert D. Marx – seine Darstellung in der Rolle des Grafen von Krolock hat mich dazu inspiriert, den Grafen in dieser Geschichte allerhand erleben zu lassen.
Auch er ist ein wahnsinnig lieber Mensch, hilfsbereit und spontan – vielen Dank!
Außerdem danke ich meiner Mutter, die sich am Anfang viele Male anhören musste, was ich geschrieben habe.
Außerdem einigen anderen Freunden, die die Stories schon gelesen haben und sie gut fanden – danke auch denen, die kreative Kritik geübt haben, so konnten die Geschichten wachsen und das Buch vervollständigt werden.
Danke auch meinem Freund, der mir kreativ zur Seite gestanden ist.
Und Danke Marlies, die Fertigstellung des Buches war kurzfristig und trotzdem hat alles funktioniert.
Texte: Copyright Julia Smetana
Tag der Veröffentlichung: 19.09.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Dieses Buch ist "Gernot Kranner" gewidtmet, dem Hauptdarsteller des "Professor Abronsius" in "Tanz der Vampire" in Wien. Außerdem widtme ich es meiner Mutter und meiner Freundin Marlies, die mich tatkräftig in der Fertigstellung des Buches unterstützt haben.