Es war einmal ein schöner Morgen, der einen veranlasste, sich auf die Schule zu freuen. Schule? Eher Internat. Auf diesen Weg war Andrew. Der junge Mann ging den großen Park, der zu diesem Institut gehörte, entlang und sah die armen Blumen, die bereits aufgrund der niedrigen Temperaturen, verwelkt waren, an. Das war auch kein Wunder, denn es war Anfang Januar.
Allmählich tauchte vor ihm das riesige Gebäude auf. Es war weiß gestrichen und im alten Rokokostil gebaut. Das faszinierte Drew sehr, doch niemals würde er das vor seinen Mitschülern zugeben. Diese fanden das Internat einfach nur ätzend, was er absolut nicht verstehen konnte. Er war auch nur auf diesem Internat gelandet, weil ihn seine Eltern aufgrund seiner Begabung für die Musik fördern wollten. Mit seinen Einundzwanzig Jahren konnte Andrew nämlich Gitarre, Schlagzeug, Violine, Piano und Mundharmonika spielen. Dazu konnte er auch noch außergewöhnlich gut singen, doch dazu später mehr.
Andrew kam endlich durch die Tür des mächtigen Internats. Innen herrschte reger Verkehr, da es kurz vor Unterrichtsbeginn war. Eigentlich hatte er es nicht weit, aber er machte jeden Tag vor dem Unterricht einen Spaziergang durch den Park. Dort konnte er seinen Gedanken freien Lauf lassen, aber auch neue Ideen sammeln, die er nach der Schule sofort auf dem Papier bringen würde.
Drew sah auf den Vertretungsplan und bemerkte, dass sein Stundenplan regulär verlief. Daher fing er an, den Treppen entlang hinauf zu gehen. Dummerweise war er nämlich die meiste Zeit im Dachgeschoss des Hauses. Kurz bevor er sein Klassenzimmer erreichte, fiel ihm ein, dass er heute seine Mathematikklausur zurückbekommen würde. Entspannt atmete Andrew durch. Manchmal fragte er sich, warum er überhaupt noch Mathematik hatte. Wer brauchte schon Geometrie für Musik?
“Drew! Hey!”, hörte der junge Mann auf einmal jemanden quer durch den Gang brüllen. Wie er es doch hasste, wenn die Menschen so laut waren. Dennoch drehte sich der engelsblonde Schüler um und sah lange schwarze Haare. Kein Zweifel, das war niemand Geringeres als David, sein bester Freund. Andrew meinte, als Langhaar, so nannte er ihn zum Ärgern immer, da war: “Dave, du alte Socke! Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du nicht immer quer durch die Gänge schreien sollst?”.
Nebenbei war Andrew noch als Schulsprecher tätig und legte viel Wert auf Einhaltung der Hausordnung. David verdrehte die Augen und sagte: “Ich kann immer noch nicht fassen, dass du aus Hammersmith bist”. “Also ich habe nichts gegen meine Heimat. Fulham ist gar nicht so schlimm”, bemerkte Drew trocken, woraufhin Dave entgegnete: “Ja, aber Hammersmith ist wirklich der Schlimmste Bezirk von Fulham! Du kannst wirklich froh sein, dass du auf diesem Internat bist und dich alle respektieren”.
Die zwei Freunde betraten das Klassenzimmer und setzten sich in der vorletzten Reihe auf ihre Plätze, die an dem Fenster waren. “Ach Dave, nur weil du aus so einer vornehmeren Gegend kommst, brauchst du doch nicht denken, dass meine gesamte Umgebung so ein Ghetto ist”, meinte Andrew seufzend. Er erinnerte sich nur ungern daran, wie sehr er sich gegen die Vorurteile durchlagen musste, die die gesamte Schule gegenüber ihn hatte, als sie erfahren hatte, dass er der Nachbar von den Elendsvierteln ist. Zumal er vor drei Jahren noch neu auf dem Internat war.
David erwiderte: “Das denke ich doch nicht wirklich, du weißt genau, dass ich dich als Einziger in Schutz genommen habe. Außerdem bist du nicht umsonst mein bester Freund”. “Da hast du Recht, na gut”, gab Drew nach, aber auch, weil der Lehrer das Zimmer betreten hatte. Sofort war es im Raum still.
“Guten Morgen, meine Damen und Herren”, begann Sir Brown und die Klasse sagte im Chor: “Guten Morgen, Sir Brown”. Danach machte der Lehrer eine rasche und kurze Handbewegung, die die Schüler zum Hinsetzen aufforderte. In dem Internat durften sowohl Mädchen als auch Jungen gehen, was ziemlich untypisch war. Trotzdem hatte die Schule einen blendenden Ruf.
Mister Brown sagte: “Ich habe Ihre Tests dabei und muss zugeben, dass Sie mich überrascht haben”. Gespannt lauschten die zwanzig Schülerinnen und Schüler dem Oberhaupt - der ältere Mann war nebenbei auch noch der Direktor des gesamten Gebäudes - und fragten sich, was denn so überraschend gewesen war. “So schlecht waren Sie noch nie, Mister Jordan natürlich ausgenommen”, lautete die gar nicht so tolle Antwort von Sir Brown.
Augenblicklich später sahen alle zu Andrew, dem das gar nicht gefiel. Er saß aber weiterhin ganz ruhig da und wartete auf sein Ergebnis. Im nächsten Moment schnellten seine Augen aber zum Whiteboard. Der Lehrer hatte dort nämlich seine Klausur projiziert. Drew schmollte ein wenig, denn dann würden ihn seine Kurskameraden wieder neidische Blicke zuwerfen. Wenigstens war seine Schrift wirklich ein Musterbeispiel für Männer. Und auch im Zeichnen hatte er Talent.
Sir Brown sprach die Arbeit Aufgabe für Aufgabe durch und gab seinen Schützlingen sogar eine Kopie von der Musterlösung, sprich die Lösungen von Andrew, mit. Er hatte fünfzehn von fünfzehn Punkten. Nichts fällte ihm auf dem Internat, das nebenbei das anspruchsvollste in ganz England war, schwer. Sowohl für Lehrer als auch für Schüler, Familie und Verwandte war er ein Genie.
Kaum eine Person in der Gegend von Fulham war so intelligent wie Andrew. Am Skurrilsten war aber auch noch, dass er kaum zu lernen brauchte. Sein Gedächtnis war so stark ausgeprägt, dass er sich die meisten Sachen nur ein paar Minuten lang intensiv durchzulesen brauchte, um sich den Stoff zu merken. Plötzlich klopfte ihm David auf den Rücken und meinte: “Jaja, unser Einstein mal wieder. Könntest du mir nicht mal etwas von deinem Wissen abgeben?”.
Grinsend meinte Andrew: “Würde ich ja gerne, Dave. Physikalisch ist das aber nicht möglich. Nein Scherz, was hast du denn?”. “Neun Punkte”, nuschelte Dave, woraufhin sein Banknachbar sagte: “Hey, das ist doch auch in Ordnung”. David entgegnete jedoch: “Ich hätte aber zehn Punkte oder mehr gebraucht. Meine Eltern machen mir die Hölle heiß, wenn sie davon erfahren”. Oh je, dachte sich Andrew, dieser Typ hat es echt nicht leicht. Im Gegensatz zu ihm bekam David regelmäßigen Besuch von seinen Eltern.
Drew dagegen war es egal, ob sein Vater und seine Mutter ihn besuchen kommen. Wobei ihnen das nie im Leben einfallen würde, ja, auch das Leben von Andrew war nicht perfekt. Er kam aber damit bis jetzt zurecht. Es war schon immer so gewesen, also war er es gewohnt. Am Anfang hatte ihn das sehr zu Schaffen gemacht, doch nach einiger Zeit achtete der Blonde schon gar nicht mehr darauf.
“Andrew? Kommst du? Wir haben Pause”, riss David ihn auf einmal aus seinen kleinen Gedankengang. Nickend meinte er: “Ja, ich weiß”. “Außerdem möchte ich wissen, wie die anderen aus unserem Mathematikkurs waren und die in der Parallelklasse”, fuhr Langhaar fort. Armer Dave, dachte sich Andrew, er hat es doch gar nicht nötig, die anderen Ergebnisse mit seinem zu vergleichen, um zu wissen, dass er es auch drauf hat. So war aber David nun einmal.
Die Beiden liefen zu der großen Pinnwand, die am Ende des Ganges der dreizehnten Stufe war und schon flitzten die Augen von Dave hin und her. Enttäuscht sank er seinen dunklen Kopf. Andrew konnte es sich schon denken. Sein bester Freund war auf Platz zwölf und somit nicht in seinen langersehnten Top ten. “Das ist wirklich unfair, ich habe doch so viel gelernt und selbst so ein dämlicher Kerl wie Benjamin ist besser wie ich”, meinte David voller Frust und ging zielstrebig zu der schuleigenen Kantine. Sie müssten nur ein Stockwerk tiefer und schon waren sie da.
Auf dem Weg dorthin rannten ihnen aber ein paar Mädchen hinterher. Oder besser gesagt Andrew. Er war nicht nur schlau und begabt, sondern auch begehrt. Welches Mädchen wollte denn nicht mit dem Schulsprecher zusammen sein? Dass dieser auch noch Intelligent war und besondere Gaben hatte, war das Sahnehäubchen.
“Drew!”, hörte er eine Blondine sagen. Nicht die, dachte er und verdrehte die Augen. Dann drehte er sich um und sah in das strahlende Gesicht von Martina. Schon fragte er: “Tina, was gibt es denn?”. “Du warst schon wieder Schulbester, wie machst du das eigentlich alles? Ich meine du musst doch dafür die ganze Zeit lernen und dann bist du noch engagierter Schulsprecher. Das muss doch total stressig sein”. “Geht so, ich komme damit klar. Sonst noch was? Ich möchte nämlich endlich essen”, gab Andrew von sich.
Martina verstand die Abfuhr und zog enttäuscht ab. Er dachte, dass er endlich seine Ruhe hatte, doch schon wurde er erneut angesprochen. Dieses Mal war es Klara. Sie sagte auch schon : “Gibst du mir Nachhilfe? Denn ich habe nur elf Punkte”. Mit hochgezogener Augenbraue sah Drew auf sich herab. Er genoss es ja schon irgendwie, ein begehrter junger Mann zu sein, aber es war auch sehr nervig. Immer wieder wollten die Leute etwas von ihm und das ging auch gerne mal in eine nicht ganz saubere Richtung.
“Warum beklagst du dich?”, wollte er wissen und verschränkte die Arme vor der Brust. “Naja, weil du so schlau bist und ich mit dir Zeit verbringen möchte”. Oha, dachte er, da ist jemand aber ehrlich. “Nein danke”, begann er und brach ab. Dann sagte er: “Wobei du ja schon süß bist”. Ja, manchmal flirtetet er mit seinen vielen Verehrerinnen und landete mit diesen auch in das Bett. Da kam ihm sein Einzelzimmer, welches eigentlich für zwei Personen war, ziemlich gelegen. Somit musste er auf niemanden Rücksicht nehmen. Ansonsten war er aber ein sehr vorbildlicher Schüler, der nach Interesse der Mehrheit handelte und auch den unterdrückten Minderheiten ihre Chance gab.
Wobei er sich jetzt darauf konzentrierte, das rothaarige Mädchen um den kleinen Finger zu wickeln. Er hatte nicht einmal viel Geld, er konnte froh sein, dass er ein Stipendium bekommen hatte. Das aber auch nur, weil jemand vom Kulturministerium seine Intelligenz und Begabung für Musik erkannt hatte. Eigentlich wollte er hier nicht hin, aber er wurde von seinen Eltern dazu gedrängt und Nachgeben stand für ihn eh nicht zur Debatte.
“Du willst also Nachhilfe?”, fragte er und betonte das letzte Wort verführerisch, woraufhin das Mädchen rot anlief. Es verstand und antwortete: “Ja”. “Gut, dann kannst du ja, wenn du willst, um fünfzehn Uhr in meinem Zimmer vorbeischauen”, sagte Andrew und ein Lächeln umspielte seine Lippen. Seine Verehrerin strahlte ihn an und begab sich zurück in den Unterricht.
David stieß einen anerkennenden Pfiff aus. So wie immer, wenn Andrew solche Dinge tat. Sein bester Freund war auch als kleiner Macho bekannt und er wunderte sich etliche Male, wie Drew das nur machte. Irgendwann hatte er es aber aufgegeben, darüber nachzudenken. Er selbst war glücklicher Single, nur hätte Dave schon ein wenig mehr Beachtung von Mädchen nötig. Diese sahen aber lieber seinen besten Freund hinterher, was er auch verstehen konnte. Welches Mädchen wollte denn nicht so einen gutaussehenden, intelligenten und begabten Mann wie Drew haben?
Weitere drei Stunden vergingen, bis die Klingel des Internats läutete. Der Unterricht war hinüber und Andrew machte sich sofort auf den Weg in sein Zimmer. Also noch mal eine große Runde durch den Park und zurück in das Gebäude. Dann ging es in den hinteren Garten, der nur für die Studenten passierbar war, außer es gab einen wichtigen Grund dafür. Der Blonde ging schließlich den einbetonierten Wegen zwischen den Blumen entlang und stand vor einem anderen Gebäude. Es waren die Zimmer für die Schüler.
Wieder musste Andrew Treppen steigen. Manchmal hasste er das schon, aber dann fiel ihm auch wieder der Vorteil daran ein. So blieb man fit und da war es auch egal, wie lange man in seiner Freizeit vor dem Laptop oder am Handy verbrachte. Wobei das für ihn eh unwichtig war, denn Andrew war zwar schon irgendwie ein aufgeschlossener Mensch, aber auch zurückgezogen. Besonders bei seinen Hobbys. Wann immer er Zeit hatte, arbeitete er hart für seine größte Leidenschaft, dem Schreiben.
Der junge Mann hatte schon Etliches geschrieben, doch die meisten seiner Werke schmiss er achtlos in den Mülleimer. Wenn das David wüsste! Wahrscheinlich dürfte sich Andrew dann eine Standpauke, die sich mächtig gewaschen hat, anhören. Zu dumm nur, dass niemand, nicht einmal sein bester Freund, wusste, dass Drew in seiner Freizeit gerne Songs schrieb. Er liebte es aber auch, dazu zu singen, sich eine eigene Melodie auszudenken und schließlich seine Begabung für das Spielen von Instrumenten mit einzubeziehen.
Zuerst erledigte Andrew aber seine Hausaufgaben. Schule ging für ihn eindeutig vor. Er wusste eigentlich noch gar nicht so genau, was er später einmal werden wollte, aber für ihn war es wichtig, schon einmal eine gute Voraussetzung dafür zu haben. Welcher Ausbildungsbetrieb würde denn nicht einen intelligenten Schüler nehmen, der dazu auch noch sehr höflich war? Außerdem wollte er so viel wie möglich wissen. Für ihn hatte das Leben so viele Facetten, dass er einfach nicht widerstehen konnte. Ein weiterer Pluspunkt für Andrew war, dass er kaum lernen musste, um super Noten zu bekommen.
Nachdem er seine Hausaufgaben gemacht hatte und sich ein wenig den Stoff für den Unterricht am Montag aneignete, lief er zu seinem Schreibtisch, der ein Geheimfach hatte. Nebenbei erkundigte er sich danach, dass sein Zimmer sauber war, denn Drew hasste Unordnung. Gesagt, getan. Erkundung positiv. Seine Hand glitt also zu dem Fach und er zog seinen dicken Block aus der Schublade. Danach ging er über den schwarzweißen Marmorboden zurück zu seinem Bett.
Von da aus hatte er einen sehr schönen Blick über die Blumenwiesen, was für ihn mitunter sehr inspirierend war. Dazu hörte er gerne Musik, denn in dem Internat hatte er so ziemlich alles, was er brauchte. Das Einzige was ihm fehlte war eine Freundin. Er sehnte sich nämlich sehr nach einem Mädchen, was ihn verstand und nicht nur wegen seinem Aussehen, seiner Intelligenz und seiner Begabung für die Musik mochte.
Daher war es auch kein Wunder, dass es in seinen selbstgeschriebenen Songs ziemlich oft um Liebe ging. Andrew war noch nie so richtig verliebt gewesen, da spielte es auch gar keine Rolle, ob er schon einundzwanzig Jahre alt war oder nicht. Der junge Mann legte sich auf sein Bett, was nach Kiwi roch, und schlug seinen Block auf. Der Song, an dem er gerade schrieb, war schon fast bis zur Hälfte fertig gestellt und er wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis auch die letzten Zeilen geschrieben worden waren.
Den würde er bestimmt am Ende der Woche, sprich Freitag, im Sick Note, dem bekanntesten Club für Nachwuchssänger in Fulham, spielen. Noch wusste Andrew allerdings nicht, in welche Musikrichtung die Melodie und das Instrumentale gehen sollten. Es war eh egal, denn mit seinem Talent konnte er so ziemlich alle Stile der Musik spielen und singen. Mit Bedacht schrieb er den Song weiter, ihm flossen die Ideen nur so aus der Hand.
Es ging um ein Paar, dass sich getrennt hatte und sich nun wiedersahen. Er stellte sich vor, dass das alles in einem dunklen Schloss abspielen würde. In seinem Kopf sah er schon das Video vor sich und auch überkam ihm mit einem Mal die Idee, das Lied zu Rappen. Er probierte es sogar laut aus, nachdem er sich vergewissert hatte, dass niemand auf den Gang herumhauste und Dave, der sich im Nebenzimmer sein Reich mit Erik teilte, würde das sowieso nicht hören.
Seine Stimme hallte durch sein Zimmer und Andrew war sogar ein wenig überrascht, wie gut sich das doch anhörte. Dann kamen ihm aber leichte Zweifel, denn seine Heimat war bekannt dafür, zu Rappen. Wobei er aber dann auch gegen die Vorurteile, die gegenüber Rappern herrschten, ankämpfen konnte. Er war sich zwar nicht sicher, aber beschloss dennoch, diese Rapnummer durchzuziehen. Noch konnte er ja nicht ahnen, dass ausgerechnet dieser Song etwas ganz Großen, aber auch Anstrengendes ins Rollen bringen sollte.
Ein Klingeln riss ihn aus seinem künstlerischem Schaffen. Andrew blickte zu seiner uralten Taschenuhr, die er stets in seiner Hosentasche hatte und sah auf die Uhr. Kurz vor fünfzehn Uhr. Bitte nicht, dachte er, lass es bitte nicht Klara sein. Schnell packte er seine Werke zurück in die Schublade und ging zu der Tür. Diese schloss er dann auch auf und sah seinen besten Freund vor sich. Hörbar atmete er aus und bat ihn herein.
“Was ist denn?”, fragte Andrew, woraufhin David antwortete: “Ich wollte dich fragen, ob du mit der Clique in die Stadt willst”. “Damit die Anderen mit meinem schnellen Flitzer fahren können?”, meinte Drew. Auch wenn er nicht viel Geld hatte, seine Eltern hatten kurz nach seiner Geburt Geld angelegt, damit er sich später einmal ein gutes Auto kaufen konnte, denn das war ziemlich wichtig. Dave musste lachen und schüttelte mit dem Kopf. Dann sagte er: “Sei doch nicht immer so, das tut dir auch mal gut. Sonst bist du die ganze Zeit in deinem Zimmer”.
Andrew ging schließlich darauf ein, denn er hatte absolut keine Lust auf eine sinnlose Diskussion. “In Ordnung, ich habe eh keinen Nerv mehr, Johanna Nachhilfe zu geben”, unterstrich Drew noch einmal seine Entscheidung mit einem schelmischen Grinsen. David klopfte ihm auf die Schulter und meinte: “Du Herzensbrecher”. Danach lachten sie Beide und verließen das Internat.
“Drew, du alter Streber und Macho! Was geht ab?”, fragte Janina, mit der Andrew mitunter eine Freundschaft mit gewissen Extras führte. Dieser antwortete: “City. Kommst du mit?”. Er sah sich um und dachte, dass sie nicht umsonst mit Erik vor seinem Auto stand. Das war auch das Gute an dem Internat: es gab extra viele Parkplätze, damit die Schüler es nicht so weit zu dem Gebäude hatten. Welch schlaue Idee.
Drew sah das imposante Schwarz seines Autos an und verglich es mit seinen dunklen Klamotten. Immerhin hatte er ein türkisblaues Hemd an, also sah er nicht ganz so düster aus wie das Gefährt auf vier Rädern. “Steigt schon ein”, sagte er seufzend und kurz darauf fuhren sie los.
Die Fahrt war ziemlich ruhig, wobei Janina und Erik gern mal mit miteinander flirteten. Andrew spürte aber keinerlei Eifersucht, denn Nina, so nannte er sie auch gerne, war nicht umsonst seine beste Freundin. Deswegen klappte es auch so gut, wenn sie ab und zu einmal in dem Bett landeten. Es bedeutete für sie einfach Nichts, es war ihnen nicht einmal unangenehm. Nach zehn Minuten kamen sie in der Stadt an.
“Was wollt ihr eigentlich ausgerechnet hier?”, fragte er, als sie auf den nächsten Mc Donalds zusteuerten. David, der bekannt für seine Liebe zu Fastfood war, meinte: “Na was wohl? Essen”. Oh Dave, schoss es Andrew durch den Kopf, manchmal würde ich dich gerne einen Kopf kürzer machen. Trotzdem war sein bester Freund nicht dick oder Ähnliches, denn David war ein ausgezeichneter Leichtathlet. Natürlich nur in der Schule, denn als Beruf wäre das eh Nichts für ihn gewesen.
Zu Viert betraten sie also den Laden und bestellten sich ihr Essen. Dann verschlug es die Erwachsenen in ihrer Lieblingsecke, in der kaum Menschen aßen. “Wenn du mich schon einmal wegen Nahrung aus dem Internat bekommen hast, will ich aber auch in die CD-Läden”, sagte Andrew und biss genüsslich in seine Fish N Chips. Seine Freunde nickten ihn an, wobei er nur die drei Personen so richtig als Nahestehende Menschen in seinem Leben sah.
Schon bald waren sie fertig, danach klapperten sie die vielen Läden in Hammersmith ab und waren pünktlich um acht Uhr abends wieder im Internat, da dort strikte Ordnung herrschte.
Dienstag, Mittwoch, Donnerstag - endlich war Freitag. Darauf hatte sich Andrew die restlichen Tage so gefreut. Mittlerweile war sein neues Lied nämlich fertig geworden . Endlich konnte er zu dem besten Club seiner Heimat, dem Sick Note fahren, um den Song dort zu spielen und singen.
Niemand aus dem Internat, nicht einmal die Schüler, wussten, dass sich Drew dort jeden Freitag herumtrieb, was auch kein Wunder war, da er immer einen weißen Anzug trug. Zur Tarnung setzte er sich immer eine Maske auf und verheimlichte mithilfe einer schwarzen Perücke seine auffälligen blonden Haare. Selbst einen Stimmenverzerrer hatte er, denn er wollte auf keinen Fall erkannt werden. Einen Künstlernamen hatte er dagegen noch nicht.
Nachdenklich fuhr Andrew die langen Straßen entlang. Das Wetter war für Mitte Juli gar nicht mal so schlecht, trotzdem schwitzte der junge Mann nicht unter seiner guten Tarnung. Schließlich war es auch schon acht Uhr abends. Der Club, zu dem er fuhr, war eher eine Bar, was ihm sehr gefiel.
Die dichten Bäume bauten sich vor ihm auf, was signalisierte, dass die Fahrt nicht mehr lange dauern würde. Andrew fuhr aber einen kleinen Umweg, denn nebenbei wollte er seinen ehemaligem Wohnort sehen. Noch immer spielten die kleinen Kinder, die vor Dreck nur so starrten, in den Slums von Fulham.
Drew fuhr aber dann doch weiter, denn dieser Anblick ließ ihn immer wieder aufs Neue erschaudern. Immerhin war er auch früher Einer von ihnen gewesen, bis zu dem Tag, an dem er endlich sein Stipendium bekommen hatte.
Das war schon lange her, seit dem trug er auch schöne und saubere Kleidung. Mit dazu kam auch das Geld, was er nebenbei im Sick Note verdiente. Daher konnte er sich auch den weißen Anzug leisten. Mittlerweile ging es ihm sogar richtig gut, doch trotzdem war der junge Mann noch nicht vollständig zufrieden.
Endlich war er angekommen. Andrew setzte sich seine Maske auf, die er bis jetzt auf den Beifahrersitz gelegt hatte und auch der Stimmenverzerrer, der wegen seiner bunten Maske nicht zu sehen war, saß wie angegossen. Seine Instrumente lagen allesamt in seinem Zimmer, denn für den Rap brauchte er Keines. Entspannt lief er also von dem Auto weg und machte sich auf den kurzen Weg in den Club, denn niemand wusste, was für ein Auto er fuhr.
Als Andrew die Bar betrat, wurde es augenblicklich später richtig still, obwohl dort reger Redeverkehr herrschte. Nur die für Fulham typische Rapmusik dudelte weiter freudig durch den Raum. Im nächsten Moment klatschte die Menge aber, denn sie alle waren schon kleine Fans von dem Mann mit der Maske geworden.
Der Wirt gewährte Andrew seine freitäglichen Auftritte, denn so konnte auch er seinen Umsatz steigern. Sogar eine Erhöhung, die als Bühne diente, war für ihn aufgebaut worden, denn so hatte Drew einen perfekten Blick über die Zuschauer. Ein Mikrofon und eine kleine Anlage waren im Sick Note sowieso vorhanden, da dort auch gerne Karaoke gesungen wurde.
“Hallo meine Damen und Herren”, begann Andrew schließlich auf der Minibühne. Er wartete, bis es wieder ruhig war und fuhr dann fort: “Ich habe einen neuen Song für euch. Er heißt Die Maske und ich hoffe, dass er auch gefällt”. Dann begann er zu singen:
Eine unbekannte Gestalt tanzt in der Nacht,
in der Stille hat sie ein Feuer entfacht.
Still und blind,
verschwand sie geschwind.
Dabei erfüllt ihm die Trauer,
und so springt er von der Mauer.
Oft wird er dabei von Menschen gesehen,
das veranlasst ihn zu gehen.
Ihm wirds schwer ums Herz,
er spürt immer nur Schmerz.
Refrain
Jeder kennt die Maske aus Stahl,
der Fremde trägt sie selbst beim Abendmahl.
Er ist psychisch krank,
man fragt sich worin er versank.
Niemand weiß an was er hing,
in was er sich verfing.
Viele wüssten gerne was er denkt,
was ihn im Leben lenkt.
Sie wollen über ihn richten,
doch darauf kann er gut verzichten.
Lieber wacht er über sie wie ein Stern,
egal ob nah oder fern.
Er ist verantwortlich für den täglichen Sonnenschein,
dabei fühlt er sich wertlos und allein.
Sein Inneres ist zerrissen,
schließlich wurde ihm sein Glück entrissen.
Glück ist wie ein seidener Faden,
stets mit Gefahren beladen.
Das war es was ihm mit dem Leben verband,
so nahm er seine Maske und verschwand.
In seiner Isolation sah er ein Mädchen voller Sehnsucht,
es holte ihn raus aus seiner tiefdunklen Schlucht. “
Bist du verrückt?”,
fragte es bedrückt.
Davon war der Fremde sehr verwirrt,
hatte er sich in dieser Welt geirrt?
Von ihrer Schönheit geblendet sprach er endlich,
aus seinem Munde kam “Ich Liebe Dich”.
Kopf oder Zahl,
du hast keine Wahl.
So nahm er sein Schwert,
und sagte: “Ich bin nichts wert!”
Refrain
“Das stimmt nicht!”, warf das Mädchen ein,
und wusch ihn mit diesen Worten rein.
“Woher willst du das wissen?
Würdest du mich etwa vermissen?”
Der Fremde stellte viele Fragen,
und wurde damit zu Antworten getragen.
“Du bist immer parat,
das auf höchsten Karat”.
Sie antworte flink,
und wirkte nicht mal link.
Der Mann holte aus seiner Tasche ein Messer,
das fand er besser.
So warf er es in die Luft,
und befreite sich aus der Gruft.
Refrain
Seine Vergangenheit war Wahnsinn,
jetzt kommt ihm das in den Sinn.
Das Mädchen zog ihn in ihren Bann,
damit er endlich glücklich leben kann.
So warf er die Maske aus seiner Sicht,
ging mit ihr in Richtung Licht.
Sie ist seine Inspiration,
gar die Perfektion.
Sein Leben war nicht mehr kompliziert,
sondern mit ihrer Liebe verziert.
Kaum waren die letzten Töne von seinem neuen Meisterwerk verklungen, gab die Menge einen Applaus von sich, den es zuvor noch nie gegeben hatte. “Zugabe! Zugabe!”, brüllten ein paar begeisterte Grüppchen, doch sie wussten, dass es diese nicht gab. Wenn Andrew ein Lied sang, dann blieb es auch nur bei Eins. So war er nun einmal. Er wollte es auch nicht zu sehr übertreiben, wobei er den Gedanken, ein Star zu werden, ziemlich amüsant fand.
Oft wurde er nämlich darauf angesprochen. Viele seiner Anhänger im Club fanden, dass er dazu auf jeden Fall das Talent hatte. Er war auch nämlich schon mit seinen Instrumenten gekommen. “Danke, danke!”, sagte Andrew laut in das Mikrofon, doch kaum einer verstand ihn, da es nach wie vor laut im Club war. Das nahm der Blonde aber erfreut auf. Als es allmählich wieder ruhiger wurde, meinte er: “Ich bedanke mich und freue mich darauf, wieder hier sein zu dürfen”. Wieder gab es Applaus, danach ging Drew an die Theke.
Das Leben in der Bar hatte sich wieder etwas normalisiert, aber es gab über den Mann mit der Maske sehr viel zu reden. Viele unterhielten sich darüber, wie er das nur machte. Das Gute daran war aber, dass sie Nichts über ihn wussten. Das wäre Andrew auch ein wenig zu stressig geworden.
Niemand sollte wissen, dass er ein Stipendiat war. Eigentlich durfte er auch nicht hier sein, denn die Schulordnung besagte, dass man auch am Wochenende im Internat sein musste. Zum Glück war er bei den Schülern und Lehrer bekannt dafür, dass er es sich gerne in seinem Zimmer gemütlich machte oder spazieren ging.
“Ich hätte gerne einen Cocktail”, sagte Andrew zu dem Wirt, der ihm ein großes Lob gab. Dieser meinte: “Welchen denn?”, woraufhin Drew antwortete: “Das ist egal, aber bitte einen ohne Alkohol”. Daraufhin ging der älter Mann hinter dem Tresen seiner Arbeit nach und mixte ihm einen Fruchtcocktail, der seinen Kunden sichtlich gefiel.
Plötzlich tippte ihm jemand auf die Schulter. Während sich Andrew umdrehte, rief er ganz lässig: “Was gibt es denn, Süße?”. Es war absolut keine Seltenheit, dass Drew öfters von Mädchen angesprochen wurde. Kaum sah er aber, dass es sich um einen Mann in einem dunklen Anzug handelte, stammelte er etwas von “Entschuldigung, ich dachte, Sie wären eine Frau”.
Sein Gegenüber nahm dies mit Humor und meinte: “Schon okay. Ich kann mir nur zu gut vorstellen, wie es ist, wenn man so eine große Fangemeinde hat”. “Wer sind Sie eigentlich?”, wollte Andrew wissen und der Unbekannte antwortete: “Mein Name ist Jaden Malone und Ihrer?”. Misstrauisch wurde der Mann mittleren Alters gemustert, Drew schwieg.
“In Ordnung. Es muss auch für Sie komisch sein, dass Sie einfach ein Mann in einem Anzug anspricht”, lautete die Reaktion von Mister Malone. Andrew entgegnete: “Ich frage mich nur, was Sie von mir wollen”. Darauf hatte der Braunhaarige gewartet. “Nun, ich sehe in Ihnen einen geborenen Superstar. Sie verfügen über enormes Talent, ich habe nämlich schon sehr viel von Ihnen gehört und da dachte ich mir, dass ich mir einen Eindruck über Sie verschaffe”, sagte Jaden, woraufhin Drew meinte: “Aha”. Dann drehte er sich wieder um.
Mister Malone ließ aber nicht locker und setzte sich auf einen leeren Barhocker, der direkt neben dem von Andrew stand. “Ich bin von Beruf Manager und habe auch eine eigene Plattenfirma. Ich habe Sie angesprochen, weil ich Sie um ein Treffen bitten wollte”, erklang die helle Stimme von dem Mann. Darauf hatte Andrew lange gewartet! In seinem Kopf hatte er sich so ein Gespräch lange vorgestellt und genau das könnte nun Realität werden.
Er ließ seinen Blick über den leicht bärtigen Mann schweifen und sagte dann: “Okay”.“Wollen Sie mir jetzt Ihren Namen sagen? Das wäre nämlich schon ein guter Anfang”, versuchte es der Manager erneut. Lachend meinte Andrew: “Alexis Jordan”. Im nächsten Moment hielt er aber inne. Warum hatte er seinen zweiten Namen gesagt? Achja, weil den niemand kannte. Nicht einmal das Internat oder David. Er räusperte sich entschuldigend: “Also Alexis ist mein Zweitname, denn ich möchte möglichst unerkannt bleiben”.
Verständnisvoll meinte Mister Malone: “Das kann ich verstehen, schließlich ist es sehr nervig, wenn die ganze Welt den Namen kennt und außerdem finde ich Alexis schöner. Sehr gut, dass Sie ein Treffen wollen. Wir sehen uns morgen um zwölf Uhr Mittags, wenn das Ihnen recht ist”. Nebenbei übergab er Drew eine Visitenkarte, als er nickte. Young Company hieß also seine Plattenfirma. Die kannte der Blonde sogar aus dem Fernsehen. “Schönen Abend noch und bis morgen”, verabschiedete sich Mister Malone wieder und Drew sah ihn ein wenig entgeistert hinterher.
“Du scheinst sehr gefragt zu sein”, sagte der Wirt, der Andrew duzen durfte, und der Angesprochene erschrak so sehr, dass ihm beinahe die Maske herunter gefallen war. Lächelnd meinte der Wirt: “Keine Angst, ich habe eh nicht alles verstanden und ich behalte den Teil mit dem Namen für mich”. Hörbar atmete Drew auf, denn er wusste, dass er Patrick, so hieß der Wirt, vertrauen konnte.
Daher meinte er auch: “Erschreck mich nie wieder, Pat! Und vielen Dank. Ich denke, dass ich jetzt gehen sollte. Schließlich habe ich morgen einen Termin”. Danach grinste er den älteren Mann an, der ihm viel Glück wünschte.
Schon bald war Andrew wieder am Internat, auf dem es ruhig war. Wieder einmal bemerkte ihn niemand, immerhin wurde er auch nicht gesehen, als er aus dem Sick Note zu seinem Auto ging. Es war zweiundzwanzig Uhr, Zeit zum Schlafen also. Denn er wollte für den nächsten Tag auf jeden Fall fit sein.
Er machte sich nicht zu viele Gedanken um den Zufall im Club. Wobei ihm schon einiges beim Schlafen gehen durch den Kopf ging. Ist das nur ein Traum oder Realität? Sachen gibt es, dachte er, mal sehen, was ich daraus machen kann. Ich hätte ja nie gedacht, dass mich so ein hohes Tier anspricht. Trotzdem war der Stipendiat die Ruhe selbst und schon bald eingeschlafen.
Am nächsten Morgen wachte Andrew mit einem guten Gefühl in der Magengegend auf. Er war nicht sonderlich aufgerecht, es war mehr die Freude, die ihn überkam. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es kurz vor halb elf war. Drew stieg aus seinem Bett und ging in das Badezimmer. Nachdem er eine schöne Dusche genommen hatte, machte er sich zurecht.
Danach fuhr er zur Young Company, die gar nicht mal so weit von ihm war. Trotzdem wusste er nicht, wo die Firma genau ihren Sitz hatte. Denn die befand sich im noblen Viertel von Fulham. Ja, die Stadt war in sich ein ziemlicher Widerspruch von Arm und Reich. Angekommen erkundigte er sich bei der netten Sekretärin und siehe da: Mister Malone hatte ihn doch tatsächlich als Kunden eingetragen!
“Guten Morgen, Mister Jordan. Freut mich, dass Sie gekommen sind”, begrüßte Jaden Andrew, als sie zu Zweit in dessen Büro saßen. Auch Drew begrüßte den Mann, der auch schon zur Sache kam: “Wie ich bereits gestern sagte, sehe ich in Ihnen einen Star von morgen. Ich habe auch gehört, dass Sie fünf Instrumente spielen”. “Ja, das ist richtig. Ich spiele Gitarre, Schlagzeug, Violine, Piano und Mundharmonika. Zu meinen Songs habe ich ein sehr vielseitiges Sortiment an Melodie, Stimmlage und an den Einsatz von den Instrumenten”, bestätigte Andrew die Aussage von Jaden.
Dieser sah ihn anerkennend an und meinte: “Sie haben schon jetzt meinen höchsten Respekt. Was halten Sie davon, wenn ich Sie ganz groß herausbringe?”. “Das hört sich gut an, aber ich bin Stipendiat und studiere. Ich möchte auf jeden Fall keinen einzigen Unterrichtstag oder eine schulische Veranstaltung verpassen, denn ich bin im Schulrat und Schülersprecher”, sagte Andrew, woraufhin Mister Malone vorschlug: “Kann ich verstehen, Bildung ist wichtig. Dann würde ich sagen, dass Sie nur an Wochenenden und in den Ferien vorbeikommen. Dort können wir Ihre Ideen zu den Songtexten, Video und so weiter besprechen”.
“Geht das denn wirklich? Ich dachte, dass man als Musiker immer herumreist”, legte Andrew seine Skepsis offen dar. “Das werden wir auch in den Ferien und vielleicht manchmal am Wochenende. Sie können in den Pausen dann lernen”, kam ihm der Manager sehr entgegen. Für Drew ging ein Traum in Erfüllung, denn er unterschrieb schließlich den vorher angefertigten Vertrag von der Young Company, nachdem ihm noch einmal alles erklärt wurde.
Schon eine Woche später ging es zum Videodreh. Davor bekam Andrew noch eine kleine Führung durch das riesige Gebäude. “Ich würde sagen, dass es jetzt Zeit ist, dass du dein erstes Video machst”, meinte Mister Malone, er und sein neuer Schützling waren schon beim Du. Das lockerte die Zusammenarbeit immens.
Drew begann auch schon mit den Vorschlägen: “Ich würde sagen, dass das Video in der morgendlichen Dämmerung spielt. Es ist im Wald und neblig, da trete ich mit meinem weißen Anzug, der bunten Maske und den dunklen Haaren heraus. Ich schaue am Anfang ziemlich fertig aus, doch dann kommt ein Mädchen. Wir reden und reden, ich drohe immer tiefer zu fallen, aber sie stützt mich und am Ende ist es doch eine Romanze”. Das mit dem Schloss ließ er dann doch bleiben, denn eine Idee zu einem anderen Song war ihm dazwischen gekommen und dazu passte der Einfall viel besser, als für das Lied, was sein Debüt werden sollte.
Der Manager ließ sich die Worte durch den Kopf gehen und war hellauf begeistert. “Was kannst du eigentlich nicht?”, wollte er aus Spaß von Andrew wissen, der ihn angrinste. Erst jetzt fiel ihm aber auf, dass sie noch gar nicht über das Auftreten und den Künstlernamen gesprochen hatten. Und das obwohl er schon den Vertrag unterschrieben hatte!
“Wie ist das eigentlich mit meinen Outfits und den Namen? Ich würde nämlich sehr gerne bei dem weißen Anzug, der Maske und der dunklen Haaren bleiben. Außerdem soll nach wie vor niemand meinen echten Namen wissen”, meinte Andrew. Der Manager antwortete: “Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht, da ich schon wusste, dass Sie dabei bleiben. Also ist das auch in Ordnung so”. Wie ihm doch nur entgegenkommen wurde! Ja, dachte Drew, das ist genau das, was ich schon immer machen wollte.
Am nächsten Tag wurde das Video gedreht, welches sogar in seiner Heimat spielte, was ihm sehr erfreute. Am Set ging es ziemlich lustig zu, immer wieder waren seine neuen Kollegen für einen Scherz gut und Andrew liebte das Dasein als richtiger Künstler schon jetzt. Doch eine Frage blieb: Wie sehr würde dieser Zufall sein Leben verändern?
Eine weitere Woche verging, ehe der Song von Andrew in dem Radiosender 2nd Trace, oder auch Second Trace genannt, vorgestellt wurde. Es war Freitag Abend und Drew saß bei Mister Malone in dessen Büro. Der junge Mann war gerade in seinen Gedanken versunken, als Jaden meinte: “Sie spielen dein Lied! Pass auf”. Sofort war der naturblonde Stipendiat hellwach und lauschte seinem eigenen Song.
“Schon komisch, seine eigene Stimme im Radio zu hören”, witzelte Andrew ein wenig und grinste munter durch den Raum. Sein Manager meinte: “Es ist immer wieder toll, den Schützling zu hören”. Im nächsten Moment waren sie aber Beide still, denn der Moderator des Senders sagte: “Das war Die Maske von unserem neuen Star Alexis Jordan. Ein Album ist im Übrigen auch schon angekündet, welches den Namen Erster Streich tragen wird. Was damit genau gemeint ist, wissen wir noch nicht, aber wir werden uns um eine Antwort bemühen”.
Drew lächelte und hätte am Liebsten vor lauter Freude Luftsprünge gemacht, doch er wusste, dass er sich enorm zurückhalten musste. Es war zwar schön und gut, dass sein erstes Lied in dem Radio super angekommen war, aber man wusste ja nie. Spätestens nach ein paar Minuten konnte er ein wenig aufatmen. Die Anrufe wollten einfach nicht aufhören. Viele Jugendliche, besonders Mädchen, wollten den Song noch einmal hören, doch das ging natürlich nicht.
Dafür hatte der nette Moderator die Belegschaft vertröstet und gemeint, die Single käme bald als CD auf den englischen Markt und es würde nicht mehr lange dauern, bis auch das Debütalbum die Charts unsicher machen würde. “So, nun ist aber genug von unserem Edelrapper. Widmen wir uns doch auch den anderen neuen Sternen am Himmel”, wurde das Thema im 2nd Trace gewechselt.
“Das ist wirklich… wow, ich bin sprachlos!”, sagte Andrew und strich sich über die dunkle Perücke, woraufhin der Manager entgegnete: “Genieße es, aber pass auf, dass du es nicht zu lange tust”. Verwundert wurde Jaden angestarrt, doch er lächelte Drew nur geheimnisvoll an. Was war damit gemeint? Sollte Andrew lieber weiterhin hart für seine Karriere, die noch nicht einmal so richtig gestartet war, arbeiten?
Am nächsten Tag verschlug es Andrew in seinem Lieblingspark von Fulham, der direkt im Zentrum des Bezirkes der englischen Hauptstadt London lag. Natürlich hatte er seine gesamte Maskerade dabei, denn wann hatte man schon eine Chance, einen Künstler bei der Arbeit zuzuschauen? Und er war sich auch sicher, dass er dadurch noch bekannter werden würde, da ihn mehr als genug sehen würden. Zudem hörte so gut wie jeder Haushalt in der Gegend Second Trace.
Es war ein schöner Tag im Juli und die Luft war so frisch wie lange nicht mehr. Drew sah auf seine silberne Taschenuhr. 19:07 Uhr. Somit war er ziemlich gut im Zeitplan, welchen es gar nicht gab. Andrew setzte sich an den Rand des riesigen Brunnens, der im Zentrum des Parks gelegen war und fing an ein neues Lied zu schreiben. Ihm fiel es auch schon im Allgemeinen leichter, seine Gefühle auf dem Papier darzustellen und darüber zu singen.
Leise plätscherte das Wasser des Brunnens hinter ihm vor sich hin, die Sonnenstrahlen wurden etwas von den dichten Bäumen aufgehalten. Sonst hätten sie bestimmt den neuen Star am Musikhimmel so hell erleuchtet, dass die gesamte Bevölkerung von London kurzerhand zu ihm hingepilgert wäre.
Andrew kam relativ gut zurecht, doch dann hatte sich urplötzlich um ihn eine Traube Mädchen gebildet. Sie alle sahen ihn fassungslos an, als ob er ein Mensch aus einer anderen Zeit wäre. “Alexis? Bist du es wirklich?”, traute sich eine Schwarzhaarige endlich aus der Menge hervorzutreten und ihn anzusprechen. Drew hob den Kopf und lächelte unter seiner Maske, die ihn so emotionslos wie eine Skulptur aus Stein erscheinen ließ. “Ja, der bin ich. Und ihr?”, fragte er.
Zum Glück habe ich den Stimmenverzerrer bei mir, dachte sich Andrew erleichtert, das wäre sonst eine Katastrophe geworden. Ein anderes Mädchen meinte redegewandter: “Fans. Als ich deinen Song zum ersten Mal im Sick Note gehört habe, wusste ich, dass ich deine Musik mag. Außerdem finde ich es ziemlich lustig, dass wir denselben Namen tragen”. “Danke für das Kompliment, es freut mich, dass mein Song so gut ankommt”, sagte Andrew und meinte das sogar ernst. Nebenbei hatte er sich auch noch vor dem Mädchen verbeugt, was die Anderen mit sichtlichem Neid zur Kenntnis nahmen.
“Kann ich bitte ein Autogramm haben?”, bat Alexis und Drew entgegnete: “Tut mir leid, ich habe leider keinen Stift dabei, da ich überhaupt nicht damit gerechnet habe, dass man mich hier anspricht”. “Kein Problem, ich habe einen. Hier”, winkte das Mädchen lässig ab und hielt Andrew außerdem noch ein Buch hin. Verdammt, dachte sich Drew, ich habe mir noch überhaupt keine Gedanken gemacht, wie ich als Alexis unterschreibe.
Trotzdem flog seine linke Hand flink über das Buch, welches sich als Roman entpuppte und seine Unterschrift sah dabei gar nicht nah so schlecht aus. Der Anfangsbuchstabe war richtig elegant und geschwungen, der letzte Buchstabe ging ein wenig unter den Namen und das x war ein wenig größer geraten. Das kam also dabei raus, wenn der Naturblonde einmal Schreibschrift schrieb.
Das war ein weiterer Vorteil für den Einundzwanzigjährigen, denn in dem Internat schrieb er stets in Druckschrift. “Danke, du bist echt nett!”, sagte das Mädchen und starrte auf die Unterschrift. Es konnte kaum fassen, dass es wirklich die Erste war, die von Alexis Jordan ein Autogramm bekommen hatte! Wenigstens motivierte es die anderen Fans von dem Mann mit der Maske und nach einiger Zeit hatte jeder ein Autogramm.
Andrew genoss die strahlenden Gesichter und machte mit ein paar Mädels sogar ein Foto. Ihm ging dabei durch den Kopf, dass er selbst dafür Geld verlangen könnte, doch so war er nie und nimmer. Das wäre für ihn eine dreiste Ausbeutung. Nach einer halben Ewigkeit war er wieder alleine. Er beschloss zu gehen, denn er wollte nicht zu viel Aufmerksamkeit bekommen.
Texte: Die Geschichte sowie die enthaltenen Songtexte stammen allein von mir!
Tag der Veröffentlichung: 25.01.2012
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