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Silber Glöckchen


Prolog


Mein Zuhause.
Es ist menschenleer.
Heute.
Und morgen wird es immer noch menschenleer sein.
So wie es gestern menschenleer war.
Hier in meinem Zuhause lebt kein Mensch.
Mein Leben ist menschenleer.
Menschenleer und doch erfüllt von Menschen.
Menschen ohne Gesichter.
Mein Zuhause.
Es ist menschenleer.
Wenn ich aufwache.
Wenn ich Schlafen gehe.
Wenn ich arbeite.
Hier in meinem Zuhause laufen Menschen ohne Gesichter herum.
Geistern von einem Ort zum andern.
Niemand weiss vom Andern.
Mein Zuhause ist menschenleer.
Menschenleer ist mein Zuhause.
Immer bleibt es menschenleer.
Ich warte an der Türe.
Warte auf euch.
Während der Wind meine Tränen hinweg streicht.
Während der Wind durch meine Haare weht.
Sie streichen mir über das Gesicht.
Sie verdecken mir die Sicht.
Mein Zuhause ist menschenleer.
Ohne euch.



Wasser, Silber, Holz und Diamanten

Wie jeden Tag sitze ich am Fluss.
„Mizuko“, er ruft mich. Ich wollte noch nicht wieder gehen.
„Komme.“, antworte ich ihm, langsam stehe ich auf und passe auf das lange Kleid auf, welches ich trage.
„Wo bleibst du denn?“, fragt er.
„Entschuldigung.“, lächle ich und greife nach seiner Hand.
Er, ist mein Bodyguard. Seit ich denken kann, war er immer an meiner Seite. Der einzige, der mich jemals weinen gesehen hat.
„Bei mir musst du dich nicht entschuldigen. Sondern bei deinem Vater.“, sagt er.
„Du weisst, dass ich mich nicht bei ihm entschuldigen werde.“, antworte ich ihm.
„Ja ich kenne dich doch besser als jeder andere.“, sagt er ebenfalls lachend.
„Ist Irgendjemand dir gefolgt?“, frage ich ihn leise und sehe mich um.
„Nein. Wieso?“, fragt er überflüssigerweise.
„Gut.“, ich ziehe ihn zu mir hinunter und küsse ihn.
„Mizuko. Nicht in der Öffentlichkeit.“, sagt er, aber er lächelt trotzdem.
„Pah, hier ist doch keiner.“, lächle ich.
Ich sehe auf den Baum hinter mir dort stehen unsere beiden Namen.
Mizuko und Kai.
Natürlich ohne Herz, oder ähnliches. Es sieht aus wie ein Mahl aus unserer Kindheit, die wir zusammen verbracht haben.
Unsere Liebe ist verboten. Wie fast alles für mich.
„Jetzt komm endlich.“, sagt er und wir gehen gemeinsam zu meinem Zuhause.
„Mizuko, da bist ja endlich.“, sagt mein Vater.
„Guten Tag Vater.“, sage ich und verbeuge mich.
„Komm, setz dich neben mich.“, er zeigt auf den kleineren Thron zu seiner rechten. Zu seiner linken sitzt meine Mutter, sie darf auf seiner Herzseite sitzen.
„Darf ich den Anlass für diese Ehre erfahren?“, frage ich, während ich mich aufrichte.
„Ja, wir erwarten Besuch.“, sagt mein Vater.
Ich gehe würdevoll auf meinen Platz zu.
Kai hinter mir, als ständigen Begleiter, wie ein Schatten.
„Wer erwarten wir denn?“, frage ich ihn erneut.
„Lass mich dich überraschen.“, sagt er und lächelt.
Mein Vater ist anders als sonst. Viel weniger förmlich.
Mein Vater ist nämlich Herrscher, Herrscher über die 8 Clans.
Und ich bin seine einzige Tochter. Ich habe noch einen kleinen Bruder, er wird später einmal der neue Herrscher.
„Muss Kai hier bleiben?“, fragt meine Mutter.
„Ich habe keine Geheimnisse vor ihm. Das solltet ihr auch nicht haben.“, sage ich schnippisch. Ich bin empfindlich wenn es um Kai geht.
„Er wird es sowieso erfahren, aber ich weiss nicht, ob die Neuigkeit ihn so sehr erfreuen wird.“, antwortet meine Mutter, die Herrscherin.
„Nein.“, flüstere ich. Nicht diese Art von Besuch.
Ein Diener betritt den Thronsaal.
„Der angekündigte Besuch, Prinz des 8. Clans, Prinz Junkin.“, sagt dieser und ein Gefolge betritt den Saal.
Ein riesiges Gefolge, der 8. Clan ist der grösste.
Natürlich ist es klar, weshalb der Prinz zu Besuch kommt.
Ich sehe zu Kai, sein Gesicht ist steift, emotionslos.
Ich will nicht.
„Der älteste Prinz des 8. Clans.“, ruft ein Sprecher feierlich.
Mir kommen fast die Tränen.
Ich will nicht.
Ich will bei Kai bleiben. Warum tun mir das meine Eltern an.
Ein junger Mann tritt aus der Türe. Er ist prächtig gekleidet.
Seine Kleider sind von Goldfäden durchwirkt.
Er tritt mit erhabenem Schritt auf mich zu und kniet vor mir nieder.
Er nimmt meine Hand und küsst sie. Ich spüre Kais Wut neben mir. Er kocht förmlich.
„Ich freue mich euch kennen zu lernen. Prinzessin Mizuko. Meine Verlobte.“, er spricht das Wort ganz langsam aus, sehr bedächtig.
„Es freut mich euch kennen zu lernen. Prinz Junkin.“, ich spreche das verhasste Wort nicht aus.
Es weiss niemand, dass Kai mein inoffizieller Verlobter ist.
Ich fühle nach meiner Tasche. Ich spüre ihren Inhalt.
Das silberne Glöckchen, welches mir Kai zur unserer Verlobung geschenkt hat und lasse es einmal klingeln. 
Niemand versteht, woher das Geräusch kam, nur Kais Miene wird etwas weicher.
Nun wendet sich Junkin noch meinen Eltern zu.
„Es tut mir leid, dass ich mich zuerst an ihre Tochter gewendet habe, doch dies schien mir angemessen.“, sagt er in diesem höflichen Ton, der in mir Brechreiz auslöst.
„Es sei dir verziehen.“, sagt mein Vater und bedeutet ihm, dass er wieder aufstehen kann.
„Könnte mir denn Jemand meine Gemächer zeigen? Der junge Herr neben meiner Verlobten vielleicht?“, fragt Junkin.
„Kai ist nur als mein Bodyguard angestellt.“, presse ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Dann also nicht?“, fragt Junkin und dreht sich um: „Doch ich würde es bevorzugen, wenn er ein wenig mehr Abstand zur meiner Verlobten halten würde.“
Kai entfernt sich keinen Schritt von mir, wo führ ich ihm unendlich dankbar bin.
„Kai ist mein Bodyguard, er muss immer in meiner Nähe sein.“, antworte ich ihm.
„Vater, ich entferne mich.“, sage ich zu meinem Vater und stehe auf. Kai folgt mir wie immer, während ich raschen Schrittes den Saal verlasse und an Junkin vorbei rausche.
Ich gehe in mein Zimmer, eines meiner Zimmer.
Das abgelegenste.
Dort wo mich fast keiner findet.
„Grosse Schwester.“, höre ich die Stimme meines kleinen Bruders.
„Du sollst doch nicht in mein Zimmer.“, lächle ich schwach.
Ich habe ihn so lieb.
„Aber ich bin gerne in deinen Zimmer.“, lacht er und ich sehe seine strahlend weissen Zähne.
„Ach, mein Kleiner.“, sage ich und umarme ihn. Er kichert fröhlich.
Ich denke daran, ob er seiner Tochter das gleiche antun wird, wie mein Vater mir.
Er heisst Mokuzai, benannt zu ehren des 5. Clans, des Clans der Bäume und des Waldes. Sein Name selbst bedeutet schon Holz, da waren meine Eltern nicht sehr einfallsreich.
Ich bin nach dem 4. Clan benannt, dem Wasserclan. Ich bin das 12. Herrscherkind, seit es die Vereinigung der 8 Clans gibt. Mein Bruder das 13. deshalb haben vor seiner Geburt viele prophezeit er würde die 8 Clans in das Unglück stürzen und das in seinem Herzen etwas Böses heran wachsen wird. 
Doch wenn ich ihn so sehe. Auf meinem Bett - welches locker für 6 Personen Platz bietet – an mich gekuschelt. Da kann ich gar nicht glauben, dass er in seinem Leben jemals einen bösen Gedanken gedacht hat.
„Schwester, Schwester? Was ist da unten los?“, fragt Mokuzai.
„Wie haben Besuch.“, sage ich leise.
Mein Bruder darf erst in zwei Jahren, mit 14, an unseren Feierlichkeiten Teilnehmen. Noch ist er zu jung und zu kränklich. 
Meine Eltern wollten ihn eigentlich in ein Internat zu dem Waldclan bringen, doch er hat sich gewehrt, mit Tritten und Bissen. Wie ein Wilder, er wollte unbedingt im Schloss bleiben. Bei Vater und Mutter.
„Was?! Was für Besuch?“, fragt er aufgeregt und zupft an dem weiten Ärmel, meines mit Perlen bestickten Kleides. Ich darf nur Perlen und Saphire tragen. Zu ehren des Wasserclans, manchmal noch Türkise, aber am liebsten mag ich Perlen.
„Ein Prinz.“, wieder klingt meine Stimme leise. Ich sehe zu Kai. Er sitzt am äussersten Rand des riesigen Bettes.
Er lässt mich und meinen Bruder immer die nötige Privatsphäre, doch heute wäre es mir lieber wenn er uns auf die Pelle rücken würde, wie immer wenn wir zu lange zusammen sind.
Ich kann doch nichts dafür. Dass es so ist wie es ist. Es tut doch auch mir weh.
„Prinzessin.“, höre ich die Stimme einer Dienerin. Dabei weiss jeder, wie ich es hasse Prinzessin genannt zu werde. Als ich noch kleiner war, wusste ich gar nicht dass ich eine Prinzessin bin.
Niemand wusste von mir, bis mein Bruder vier wurde, damals erfuhr die Welt ausserhalb das erste Mal von mir und meinem Bruder.
Niemand sollte von uns erfahren, damit Niemand auf die Idee käme uns zu entführen.
„Prinzessin!“, die Stimme wird lauter, jetzt weiss ich auch wer es ist. Es ist Niana, welche mir von Anfang an unsympathisch war. Sie ist eine exotisch aussehende Schönheit aus dem 2. Clan, dem Feuerclan. Doch das ist nicht das Problem, sondern das sie einen Narren an Kai gefressen hat. Ich weiss nicht was Kai tun wird, wenn ich tatsächlich diesen Junkin heirate.
Was ist das überhaupt für ein Name. Wie überheblich, reines Gold. So ist er gewiss nicht.
„Prinzessin Mizuko, kommen sie sofort in den Ankleidesaal, der Prinz und der ehrenwerte Herrscher und die ehrenwerte Herrscherin erwarten sie zum Dinner.“, sagt Niana und klopft an das Zimmer.
„Nein, sag ihnen ich komme nicht.“, antworte ich ihr und klammere mich an meinen Bruder. Der quietscht vor Vergnügen und klammerte sich ebenfalls an mich.
„Seid nicht so stur. Kommt jetzt endlich!“, sagt Niana.
„Nein, nein!“, antworte ich, noch immer habe ich meine Arme um meinen kleinen Bruder geschlungen. Welcher sich an mich kuschelt und leise gurrt.
Plötzlich spüre ich die grosse Hand von Kai auf meiner Schulter.
„Kommt Mizuko.“, sagt er und zieht mich hoch.
„Hey! Wieso nimmst du mir Mizu weg?“, fragt mein kleiner Bruder empört und hält sich an meinem Fuss fest: „Und warum bist doch so vertraut mit meiner Schwester, du bist nicht mehr als ihr Bodyguard.“
Kai kocht schon wieder, er mag meinen Bruder nicht besonders, er ist eifersüchtig auf ihn.
„Mo, hör auf, du weisst, dass Kai mehr für mich ist als bloss ein Bodyguard. Er ist wie ein grosser Bruder.“, sage ich und löse langsam meinen Fuss aus Mokuzais Griff.
„Aber ich bin dein richtiger Bruder.“, meint Mokuzai wütend.
„Ja und ich hab dich auch wahnsinnig lieb, aber ich sollte jetzt zum Dinner gehen, sobald ich fertig bin komme ich wieder zu dir.“, sage ich zu ihm und küsse ihn auf die Stirn.
„Okay.“, sagt er mürrisch.
„Komm jetzt.“, sagt Kai und zieht mich vom Bett.
„Ja.“, sage ich ton los und er lässt mich an ihm vorbei, er wird wieder zu meinem Schatten.
Als ich beim Ankleidezimmer endlich ankomme, wartet Niana davor.
„Komm Kai, wir warten hier.“, sagt diese und greift nach seiner Hand.
„Kai hat keinen Grund, nicht mit mir hinein zu gehen. Er begleitet mich immer um mir Ratschläge zu geben.“, sage ich und gehe in das grosse Ankleidezimmer, das eigentlich ein riesiger Wandschrank nur für meine Kleider.
An zwei langen Reihen hängen nach Farben geordnete Kleider. Jedes ein kleines Vermögen wert. Alle mit Edelsteine oder Perlen besetzt.
„Hier Fräulein, das Kleid für den heutigen Abend.“, eine Stilistin hebt ein blaues Kleid hoch. Es ist mit weissen Perlen besteckt und mit weissen Lilien verschönert.
„Es ist wundervoll.“, sagt Kai und dreht sich um.
„Was ist denn?“, frage ich erstaunt.
„Du bist doch jetzt verlobt, dein Verlobter würde es sicher nicht gern erfahren das dein Bodyguard dir beim Umziehen zusieht.“, sagt Kai und bleibt umgedreht.
Er weiss nicht wie sehr dies mich verletzt, die Tränen steigen in meine Augen.
Ich kann doch nichts dafür.
„Würden sie dieses Kleid jetzt anprobieren?“, fragt Stilistin.
„Natürlich.“, sage ich, ein Tränenfilm vor meinen Augen.
„Es steht ihnen ausgezeichnet.“, sagt sie.
„Ja.“, sage ich.
„Du siehst wunderschön aus.“, flüstert Kai.
Ich sehe mich um, bis zu einem meiner Zimmer ist es nicht weit.
„Komm.“, flüstere ich und ziehe ihn dorthin.
„Was tust du?““, fragt er erstaunt.
Aber da küsse ich ihn schon. Ich will ihn und Niemand sonst. Ich liebe Kai.
Seine Lippen sind heiss und schmiegen sich an meine.
„Ich liebe dich.“, sage ich zwischen zwei Küssen.
Er zieht mich enger an sich, ich wühle in seinem Haarschopf und kralle mich fest.
„Ich liebe dich auch.“, antwortet er, jetzt schlingen sich seine Arme auch um meinen Körper. Seine küsse wandern meinen Hals hinunter.
„Du bist so wunderschön und ich.“, plötzlich lässt er mich los.
„Was ist?“, frage ich erstaunt, noch immer ganz dusselig.
„Du und ich, das geht nicht. Wir leben in zwei verschiedenen Welten. Ich liebe sich seit du mir damals die Hand ausgestreckt hast. Seit du mich gerettet hast.“, sagt er und vergräbt die sein Gesicht in seinen Händen.
„Aber, ich kann doch nichts dafür.“, sage ich und strecke meine Hand nach seinem Gesicht aus und beginne es zu streicheln.
„Du? Wieso sollst du etwas dafür können. Aber ich hasse mich selbst dafür, seit du mich auf den Strassen des 7. Clans gefunden hast, war jeder Tag wie ein Geschenk für mich. Du hast mich einfach aufgenommen, ohne meine Herkunft zu kennen, du hast mir ein Heim gegeben und ich hab mich einfach in dein lachendes Gesicht verliebt. Als dein Bruder auf die Welt kam, war ich furchtbar eifersüchtig auf ihn, weil ich dich von da an mit ihm teilen musste. Aber an dem Tag, als du mir gesagt hast das du mich liebst, ist für mein schönster Traum in Erfüllung gegangen. Aber jetzt… es muss nur ein Prinz kommen und schon verliere ich dich wieder.“, sagt er und ich spüre eine Träne auf meiner Hand.
„Meinst du wirklich ich gebe so schnell auf?“, frage ich ihn entrüstet: „Traust du mir wirklich so wenig zu? Glaubst du wirklich es muss nur ein daher gelaufener Prinz kommen und schon bin ich entliebt. Oder hast du mir jemals geglaubt, das ich dich liebe?“
Er sieht mich nicht an, ich habe ins Schwarze getroffen.
„So ist das also.“, er hat mir nicht geglaubt. Auch wenn ich es ihm wieder und wieder gesagt habe.
„Wir leben nicht in zwei Welten, Kai. Ich habe dich zu einem Teil der meinen gemacht. Wenn dir das nicht gefällt kannst du ja gehen. Aber in meiner Welt bin ich mein eigener Mittelpunkt und du bist mir wichtig. Ich habe mich in dich verliebt weil du, du bist.“, sage ich ihm und gehe aus dem Zimmer. Ich weiss nicht wie ich jetzt aussehe.
Verwuschelte Haare und rotgeäderte Augen werde ich wohl haben.
„Niana?“, rufe ich nach der Dienerin die im Flur steht.
„Ja? Prinzessin?“, ruft sie zurück.
„Könntet ihr bitte die Stilistin zu mir bringen?“, frage ich sie.
„Natürlich Herrin.“, antwortet sie und entfernt sich sofort.
Warum jetzt? 
Warum alles auf einmal.
Ich will Kai nicht verlieren. Ich liebe ihn mehr als meine Eltern.
Ich würde sofort mit ihm weg gehen, aber meinen kleinen Bruder liebe ich auch so sehr.
Aber wie es scheint kann ich nicht haben, aber wenn ich mich mit diesem Prinzen verlobe, werde ich keinen von beiden jemals wieder haben.
„Mizuko? Sie haben nach mir geschickt?“, fragt mich die Stilistin, gefolgt von der Friseurin, anscheinend muss Niana ihnen gesagt haben, wie schlimm ich aussehe.
„Ich weiss ich sollte längst beim Dinner sein…“, beginne ich.
„Oh nein. Das Dinner fängt erst in einer halben Stunde an. Ihr Vater wollte bloss, dass alles perfekt ist bis dahin.“, unterbricht mich die Friseurin, schlägt allerdings sofort die Hand vor den Mund. Es gibt nichts Unhöflicheres als mich zu unterbrechen.
„Schon gut.“, beruhige ich sie: „Bitte, richten sie mich einfach wieder her.“
Ich meine ein: „Wo ist denn ihr Schatten?“ zu hören bevor sie über mich herfallen und mich wieder zu Recht machen.
„Sie sehen wieder perfekt aus, wie immer.“, sagt die Friseurin, nach dem sie mich in das Spiegelzimmer gebracht haben.
„Danke.“, sage ich und gehe nun endlich Richtung Dinnerzimmer.
„Wo ist denn dein Schatten?“, fragt mich, eine Serviererin.
„Was gibt dir das Recht mich so zu behandeln?“, frage ich und laufe geschwinden Schrittes weiter. Allerdings muss ich auf meine Frisur achten, ich trage die Haare so, wie alle hohen Adligen im Wasserclan, alle auf einer Seite in einer einzigen riesigen Locke. Darin verstecken sich einige blaue Strähnen.
„Entschuldigung Herrin.“, sagt Riri und senkt den Kopf, während sie errötet.
„Dir sei verziehen.“, antworte ich, doch würdest du bitte nach Kai sehen und ihn so schnell wie möglich in das Dinnerzimmer bringen?“, frage ich sie. Ich werde das Zimmer nicht ohne Kai betreten. Ich brauche ihn.
Wieder suchen meine Finger die Tasche, welche ich unter meinem Kleid verstecke.
Ich fühle das silberne Glöckchen, spüre es zwischen meinen Fingern. Nichts spendet mir denselben Trost, wenn weder Kai noch Mo da sind. Ich lasse es einmal läuten. Höre seinen Klang und bin fast ein wenig glücklich.
„Was ist denn das?“, fragt mich plötzlich eine Stimme.
Ich sehe nach meiner rechten, dort steht Prinz Junkin.
„Geht dich das etwas an?“, frage ich und wende den Blick wieder ab.
„Nein, aber ich bin neugierig.“, antwortet er lächelnd.
„Dann sei irgendwo anders neugierig.“, antworte ich ihm und gehe wieder weiter.
„Willst du nicht irgendetwas von mir wissen?“, fragt er und folgt mir.
„Nein.“, antworte ich und bleibe plötzlich stehen.
Er läuft voll in mich rein.
„Soll ich dir wirklich nichts erzählen?“, fragt er noch mal.
„Also, wieso heisst du Junkin, du bist doch Prinz des Diamantclans, nicht des Gold und Silberclan?“, frage ich ihn, wenn es ihn glücklich macht.
„Wieso heisst du Mizuko?“, fragt er zurück.
„Das ist etwas anderes, ich wurde zu ehren von dem Wasserclan benannt. Aber du bist nicht der Sohn des Herrscher über alle.“, antworte ich ihm erstaunt.
„Ich wurde so benannt, um den Streit zwischen meinem Clan und dem Gold und Silberclan zu schlichten. Die älteste Tochter des Gold und Silberclan wurde übrigens Ruby genannt, uns zu ehren.“, antwortet er fröhlich.
„Darf ich dich noch etwas fragen?“, frage ich ihn.
„Natürlich.“, lacht er.
„Hast du nichts dagegen, ich meine gegen die Zwangsheirat?“, frage ich ihn leise.
„Wer sagt denn, dass es für mich ebenfalls eine Zwangsheirat ist?“, fragt er, ich spüre seinen Atem auf meinem Ohr: „Du hast wohl vergessen wie einflussreich der Diamantclan ist. Ohne unsere grosszügigen Abgaben, würde dein Vater ziemlich alt aussehen. Deshalb, dürfen wir auch in das Königshaus einheiraten.“, nicht vielen Clans wurde diese Ehre zu Teil, vor allem ist es seltsam, das er der älteste Sohn, nicht eine hohe Adlige aus seinem eigenen Clan geheiratet hat, welche ihm sicherlich besser unterstützt hätte.
„Warum darf nicht dein jüngerer Bruder mich heiraten. Sein Bruder ist im gleichen Alter wie ich. Sechzehn.
„Weil ich dich heiraten wollte. Ich habe meine Eltern überzeugt, dass dies das Beste wäre.“, er lacht leise.
Dann ist er schuld.
Wenn ich seinen kleinen Bruder heiraten könnte, dann hätte ich vielleicht noch ein wenig Zeit gehabt.
„Warum wolltet ihr mich heiraten?“, ich wechsle wieder in die höflichere Form.
„Weil eure Schönheit überall gerühmt wurde und mir die Adlige, welche ich heiraten sollte so gar nicht gefiel.“, sagt er.
„Hat niemand an mich gedacht?“, frage ich leise.
„Warum? Seid ihr nicht zufrieden mit mir? Oder seid ihr doch nicht etwa schon verliebt, das wäre ja unerhört.“
Ich bin verlobt, denke ich und wieder greife ich fast automatisch zu dem silbernen Glöckchen.
„Nun, da ihr mir nicht auf diese Frage antworten wollt. Würdet ihr mir eine andere beantworten?“, fragt er.
Ich nicke. Was wird er schon gross wissen wollen.
„Was habt ihr da unter eurem Kleid?“, fragt er.
„Ein Geschenk.“, antworte ich knapp.
„Von wem?“, fragt er.
Ich sehe ihn an, wollte er nicht nur etwas wissen.
„Von einer der wichtigsten Personen.“, wieder wird er nichts damit anfangen können.
„Und was ist es?“, er findet es wohl sehr spannend.
“Ein silbernes Glöckchen.“, antworte ich. Was hat er wohl erwartet.
„Dann kommt euer Geliebter wohl aus dem Gold- und Silberclan.“, antwortet er lächelnd.
„Vielleicht.“, antworte ich und gehe endlich durch die Türe in den Dinnersaal.
Vater und Mutter sind noch nicht da.
„Setzt euch.“, sagt ein Diener und zeigt auf zwei Sitze, welche sich gegenüberliegen.
Vater und Mutter werden wohl wie immer am Kopfende essen.
Ich schweige Junkin an. Er sieht mich die ganze Zeit über an, während mein Blick auf den Tisch geheftet bleibt.
„Guten Abend Junkin, guten Abend Mizuko.“, höre ich die Stimme meiner Mutter. Es ist ungewöhnlich, dass sie zuerst einen Gast begrüsst. Normalerweise begrüsst man immer zuerst sie.
Vater kommt hinter ihr in den Saal. Seine lange Robe, wie eine Schleppe hinter sich herziehend.
„Guten Abend verehrter Vater.“, sage ich sofort, nur knapp gefolgt von Junkin: „Guten Abend verehrter Herrscher.“
Danach begrüssen wir beide Mutter.
„Wann werden wir eigentlich die Ehre haben, deine Eltern wieder Mal in unserem Heim begrüssen zu dürfen?“, fragt meine Mutter, sichtlich um ein Gespräch bemüht.
„So bald es ihre Zeit zulässt. Sie freuen sich sehr darauf, ihre zukünftige Schwiegertochter kennen zu lernen.“, antwortet Junkin höflich.
Ich balle wieder die Hände zu Fäusten bei dem Gedanken, sowohl Kai, als auch Mo zu verlassen. Ich will nicht mit ihm gehen müssen, ich will nicht regieren.
„Mizuko, hast du eigentlich deinen Bruder gesehen? Er ist wieder aus seinem Zimmer geflohen.“, richtet sich die Aufmerksamkeit Mutters nun auf mich.
„Er war in meinem Zimmer.“, antworte ich knapp und beschäftige mich dann wieder mit, auf-den-Tisch-starren.
„Das hätten wir uns ja denken können.“, seufzt Mutter: „Er hängt wirklich sehr an die. Es scheint mir fast, dass er dich lieber hat, als deinen Vater und mich.“
Da kann ich ihr nur zustimmen, für Mo bin ich die Bezugsperson, nicht unsere Eltern. Ich habe ihn gross gezogen. Nicht Mutter und Vater.
Ich hege richtig starke Muttergefühle für ihn, für ihn und Kai.
Kai, war früher auch eher Mal wie ein Ziehsohn für mich. Damals, als ich ihn gefunden habe.
„Weshalb kann er überhaupt ausbüchsen? Wird er nicht ständig bewacht?“, er darf noch weniger als ich, da er schon seit der Geburt kränklich ist, wird er überwacht, so dass er sogar mich nur selten sehen kann.
„Natürlich, aber dein Bruder ist nicht dumm, Mizuko.“, sagt Mutter.
„Das weiss ich wohl am besten oder?“, frage ich sie verbissen: „Oder wann habt ihr das letzte Mal mit ihm gesprochen?“
„Das ist jetzt nicht der Punkt Mizuko und das weisst du auch nicht wahr? Wir wollen dich bloss auf den Alltag einstellen, wenn du verheiratet bist und deinen Bruder nicht mehr oft sehen wirst.“, sagt mein Vater.
Dann wird er ganz vereinsamen.
„Vater, hast du jemals daran gedacht, ob ich mich verheiraten will?“, rutsch es mir heraus.
„Ob du heiraten willst? Natürlich willst du heiraten, dein Zukünftiger ist in dem richtigen alter, er sieht gut aus und ist in dem richtigen Stand vom Adel her.“, spricht mein Vater über Junkin, als würde er gar nicht am Tisch sitzen.
„Als ob es darum gehen würde, ob ich heiraten will.“, sage ich leise.
“Was hast du gesagt? Würdest du das bitte wiederholen?“, fragt mich Vater.
„Ich will nicht heiraten, ich will Junkin nicht heiraten.“, sage ich lauter. Jetzt ist es mir egal, ob Junkin mich hören kann und es ihn verletzt.
„Du willst Junkin nicht heiraten?“, fragt Mutter mich erstaunt.
„Nein.“, sage ich wieder leiser, nicht Junkin, Kais Bild kommt in meinen Sinn. Würde ich ihn heiraten?
Ja, sagt mein Gefühl. Ich liebe Kai. Die Wärme, welche er mir schenkt kommt wieder in mir hoch. Ich läute das Glöckchen. Es klingt so rein und klar. Es ist wie Kai.
„Würdest du Jemand anderen heiraten?“, diese Mal fragt weder Mutter noch Vater, es ist Kai.
Ich schweige vorerst. Dann aber entschliesse ich mich die Wahrheit zu sagen, allerdings nicht zu viel der Wahrheit.
„Ja, ich würde Jemand anderen heiraten.“, sage ich fest.
„Wen?“, Junkins Stimme klingt tonlos.
Dieses Mal schweige ich kontinuierlich. Wenn sie es erfahren werden sie Kai wieder auf die Strasse setzen. Er darf nicht wieder zurück, er gehört nicht dahin, er gehört zu mir.
„Wen?!“, seine Stimme wird lauter.
Ich schaue weg, der erste Gang kommt endlich, ich kann mein Schweigen mit essen rechtfertigen. Aber plötzlich habe ich keinen Hunger mehr. Ich schiebe den Teller weg und stehe auf.
„Das Dinner ist noch nicht beendet.“, sagt Vater, ziemlich angespannt.
„Für mich schon.“, antworte ich kühl und gehe mit raschem Schritt aus dem Zimmer.
„Lasst Mokuzai ja nicht zu ihr.“, höre ich meine Mutter flüstern. Sie schotten ihn vor mir ab.
Ich gehe in mein liebstes Zimmer, aus dem Gehen wird ein Fliehen.
Als ich in dem Zimmer ankomme lasse ich mich auf das Bett fallen und weine los.
Mit meinen sechzehn Jahren habe ich schon die grössten Probleme, welche man haben kann.
Ich darf nicht den Mann lieben, welcher mich liebt und ich liebe, ich muss einen anderen Mann heiraten, für welchen ich nichts als Abscheu empfinde.
Und mein Ziehsohn, mein kleiner Bruder, wird vor mir beschützt.
Ich kann nicht mehr. Ich weine stumm in mein Kissen.
„Es wird alles wieder gut.“, höre ich seine Stimme.
„Kai!“, schluchze ich auf und werfe mich an seinen Hals.
„Shhht, meine Mizu, es wird doch alles wieder gut.“, er streichelt sanft über mein Haar: „Es tut mir so leid, ich wollte dich nicht verletzen.“
„Glaubst du mir, dass ich dich liebe?“, frage ich ihn leise.
„Vielleicht, wenn du es mir noch einmal sagst und es mir beweist.“, lächelt er.
„Ich liebe dich.“, flüstere ich leise und küsse ihn.
Er küsst mich zurück, lange schmusen wir einfach, kuscheln uns einfach aneinander und sagen kein Wort. Er tröstet mich so besser, als er es mit Worten tun kann.
Ich bin so erfüllt mit Kai, dass ich nicht bemerke wie die Tür leise ins Schloss fällt.

Wassertochter

Ich wache in Kais Armen auf, es ist schon wieder Morgen.
Sein Blick ruht auf mir: „Guten Morgen.“, flüstert er.
„Guten Morgen.“, antworte ich ihm glücklich. Wir haben uns wieder vertragen, dass ist alles was zählt.
„Wieso hast du mich nicht geweckt?“, frage ich ihn vorwurfsvoll.
„Du hast so schön ausgesehen, als du geschlafen hast.“, antwortet er entschuldigend.
„Und wenn ich wach bin, bin ich nicht schön, oder was?“, sage ich, etwas gereizt.
„Nein, du bist sogar noch schöner. Aber ich kann mir das gar nicht vorstellen, wenn ich es nicht vor meinen eigenen Augen sehe.“, lächelt er.
Er ist so süss.
„Als wärst du nicht ebenfalls so schön.“, flüstere ich.
„Was? Du findest mich schön?“, fragt er mich erstaunt.
„Natürlich.“, ich fahre mit den Fingerspitzen sein kantiges Gesicht entlang, den ausgeprägten Wangenknochen und ende bei seinen veilchenblauen Augen.
Er legt seinen Kopf in meine Hand. Er sieht tatsächlich wie ein typischer Silberclan Mensch aus. Seine geraden Haare, die aussehen wie Silberfäden, sie sind länger geworden, sie hängen ihm schon in den Augen und im Nacken enden sie erst bei den Schultern.
„Du solltest sie mal wieder schneiden.“, murmle ich leise.
„Was?“, fragt er belustigt über meine Bemerkung, welche für ihn keinen Sinn ergibt.
„Deine Haare sind schon wieder so lang.“, sage ich deutlicher.
„Gerade du sagst das.“, meint er und ergreift eine Strähne meines Haares. Es geht mir bis zur Hüfte.
„Du weisst dass ich das nicht darf.“, sage ich lächelnd.
„Häh?“, plötzlich erschrickt er.
„Ist irgendetwas?“, meine Stimme klingt ein wenig panisch.
„Ich will ja nichts persönliches fragen, aber…“, beginnt er zögernd.
„Was ist?“, frage ich hysterisch.
„Färbst du dir die Haare? Denn du hast einen Ansatz.“, sagt er.
„Nein…“, ich habe meine Haare noch nie gefärbt. Das würde sie kaputt machen und da ich sie nie abschneiden darf…
„Aber dein Ansatz ist ganz deutlich.“, sagt er und sieht noch genauer hin.
„Was für eine Farbe denn?“, frage ich leise, ich muss mich beruhigen, vielleicht kommt es von der Sonne, oder sie verändern sich mit dem Alter.
„Azurblau.“, kommt die verwirrende Antwort von Kai.
Azurblau also, ist doch nicht schlimmes.
„WAS!?“, erschrecke ich plötzlich, als ich es begriffen habe: „AZURBLAU?“, ist er sich sicher?
„Ja…“, sagt er verwirrt: „Fast wie eine aus dem Wasserclan…“
„Aus dem Wasserclan?“, frage ich verwirrt. Meine Existenz ist dem Wasserclan gewidmet, aber ich selber eine aus Wasserclan, eine Wasserfrau?
Ich sehe zwar meinen Eltern nicht besonders ähnlich, aber Mo ihnen auch nicht.
Keines der Königskinder hat jemals seinen Eltern ähnlich gesehen. Wir sehen wie die Adligen aus dem Clan aus, für welchen wir leben.
Aber blaue Haare, noch dazu Azurblau. Azurblau ist einzig und allein den höchsten im Wasserclan gewidmet.
Ich darf kaum Azurblau tragen. Nur an Feiertagen des Wasserclans. Man kleidet mich eher in dunklere Farbtöne.
„Ja.“, sagt Kai langsam: „Los, gehen wir frühstücken:“
„Gute Idee.“, antworte ich und stehe auf. Mein Haar lockt sich noch immer von der gestrigen Frisur. Sie sind so lang geworden.
„Ziehst du dich hier an?“, fragt Kai.
„Ja, ich ziehe nur ein kurzes Kleid an. Nichts Ausgefallenes.“, antworte ich und entledige mich meines Schlafanzug. 
“Mizuko.“, sagt er peinlich berührt.
„Jetzt tu nicht so unvertraut.“; lache ich und ziehe sofort mein Kleid an, welches ich mir gestern schon bereit gelegen habe.
Es ist grün und geht mir nur bis knapp über die Knie, es besteht aus dünner Seide und ist sonst sehr schnörkellos.
Perfekt für diesen warmen Sommermorgen.
„Warum siehst du bloss immer so verdammt perfekt aus?“, sagt Kai lachend.
„Wahnsinnig perfekt, ich habe einen azurblauen Haaransatz.“, lache ich.
„Komm wir gehen.“, sage ich lächelnd.
„Dein Bodyguard muss sich vielleicht auch noch anziehen.“, sagt Kai und steht auch auf.
„Ja, du brauchst sicher noch eine halbe Ewigkeit.“, sage ich und setze mich auf eine Bettecke.
„Bin fertig.“, sagt Kai, er steht da in seinem Arbeitsanzug mit einem silbernen Band um den weissen Hemdkragen. Darüber ein schwarzen Blazer, welcher im bis Mitte Oberschenkel reicht.
„Was habe ich gesagt?“, lache ich glücklich. Zumindest solange ich mit Kai allein bin, will ich nicht an alle meine Probleme denken. Nicht an Mo und an Junkin schon gar nicht.
Wir gehen in Richtung Terrasse. Bei so einem Wetter, will ich nicht drinnen essen.
Bald kommt auch schon ein Diener, es ist Yoshio, er hat sich diesen Namen verdient in dem er unserer Familie schon seit 15 Jahren dient.
Er hat als fünfzehnjähriger bei uns angefangen. Damals war ich gerade mal ein Jahr alt.
„Möchten sie Frühstücken, verehrte Mizuko?“, ich weiss nicht, weshalb er so förmlich ist. Ich kenne ihn schon länger als Kai.
„Ja gerne.“, lächle ich ihm zu, ein kurzes Lächeln zurück. Ich mag ihn.
„ich komme sofort wieder.“, antwortet er und verschwindet lautlos.
„Was ist mit deinen Eltern?“, fragt mich Kai.
„Die können mich mal.“, sage ich wütend.
„Du solltest nicht so über meine Eltern reden, sie wollen nur das Beste für dich.“, sagt Kai.
„Aber das was sie für das Beste halten ist nicht das Beste für mich. Ich will doch bloss dich und Mo und sie wollen euch beide mir wegnehmen.“, antworte ich und werde wieder traurig.
„Ich weiss.“, flüstert Kai, er wird stiller.
Eine Weile lang schweigen wir beide. Yoshio kommt mit zwei anderen Dienern, welche jeweils zwei riesige Servierbrette tragen.
„Wir sind doch bloss zu zweit.“, sage ich ein wenig verlegen lächelnd.
„Nicht wirklich. Prinz Junkin, hat mich auf dem Weg hierher angehalten und mich gefragt wo ihr seid, als ich es ihm gesagt habe, wollte er mit euch mit essen. Verehrte Mizuko.“, erklärt Yoshio.
„Ach du…“, rutscht es mir heraus.
„Er wird euch bald aufsuchen.“, sagt Yoshio und schon wieder ist er weg.
Das bedeutet, unsere traute Zweisamkeit wird bald gestört werden.
„Na ja, beginnen wir schon einmal, vielleicht sind wir fertig, bis Junkin auftaucht.“, versucht Kai mich zu trösten.
Ich lächle schwach: „Okay, wir sollten das Essen nicht verkommen lassen.“
Ich sehe auf ein eine Sevierplatte. Darauf sind die verschiedensten Köstlichkeiten.
Ich lade mir ein paar davon auf den Teller, Kai tut es mir gleich.
„Mach Ah.“, sage ich und versuche Kai zu füttern.
Er schnappt nach dem Löffel, den ich ihm vor das Gesicht halte.
Wir müssen beide lachen, solange Junkin noch nicht da ist, können wir noch ein wenig Spass haben. Er beginnt auch mich zu füttern.
„Darf ich stören?“, höre ich plötzlich Junkins Stimme hinter mir.
„Nein.“, rutsch es mir wieder Mal heraus.
„Ich tu’ es trotzdem.“, lächelt er und setzt sich auf einen der freien Stuhl: „Was gibt es denn Leckeres?“
„Such dir einfach etwas aus.“, sagt Kai kühl und wendet sich wieder mir zu.
„Seid ihr nicht ein wenig vertrauter, als ihr es gestern mir weiss gemacht habt.“, sagt Junkin, noch immer so verdammt fröhlich.
„Wir kennen uns, seit ich fünf Jahre alt bin, wenn nicht noch länger.“; sage ich ebenfalls kühl.
„Schon so lange? Dann seid ihr ja wie Bruder und Schwester.“, noch immer lächelt Junkin.
Ich schweige und Kai ebenfalls, es weiss niemand, dass wir viel mehr sind als Bruder und Schwester. Wir sind verlobt. Ich bringe das Glöckchen wieder zum klingeln, schon wieder mehr Reflex als sonst irgendetwas.
Kai lächelt wieder ganz leicht. Ich ebenfalls, nur Junkin sieht verwirrt von einem zum anderen.
„Er kann ja lächeln.“, sagt Junkin ganz erstaunt.
„Ja, aber nur in Mizukos Gegenwart.“, antwortet Kai.
„Mizuko hat ja einen guten Einfluss auf dich.“, sagt Junkin und lächelt auch.
„Mizuko ist mein ein und alles.“, sagt Kai schlicht: „Sie hat mich gefunden und gerettet.“
„Deinem Aussehen nach kommst du aus dem Gold- und Silberclan. Stimmt das denn?“, fragt Junkin.
„Ja.“, sagt Kai und bekommt wieder einen ernsten Gesichtsausdruck.
„Ich bin fertig.“, sage ich plötzlich, bitte nicht noch mehr aus Nähkästchen plaudern.
Ich stehe auf und Kai tut es mir gleich.
Ich will zu Mo, aber wie soll ich zu ihm komm en. Ich darf nicht zu ihm.
„Kai, du weisst nicht zufälligerweise wie ich zu Mo komme?“, frag ich ihn, während wir einen langen Gang entlang gehen.
„Du nicht zu ihm, aber vielleicht kommt ja Mokuzai zu dir.“, schlägt Kai vor.
„Und woher, weiss er, wo ich bin?“, frage ich verzweifelt. Ich habe noch nie den Tag, ohne Mo begonnen.
„Ich könnte zu ihm gehen“, sagt Kai.
„Danke.“, sage ich und falle ihm um den Hals, ich weiss, dass er Mo nicht mag.
„Schon gut.“, Kai lächelt auf mich herab.
„Ich bin in meinem Lieblingszimmer.“, sage ich leise und küsse ihn, als ich sehe, dass niemand ausser uns beiden im Gang steht.
Ich gehe auf direktestem Weg zu meinem Zimmer. Dort zeichne ich noch ein wenig. Ich zeichne die Landschaft, welche ich aus meinem Zimmerfenster sehe. Ich bin ziemlich gut darin, die einzige Kunst, welche ich gerne mag, ich bin nämlich ziemlich unmusikalisch, auch wenn ich Klavier- und Kotounterricht hatte.
„Grosse Schwester.“, höre ich Mos zaghafte Stimme und fühle seine kleine Hand auf meiner Schulter.
„Mo.“, sage ich glücklich und stehe auf.
„Grosse Schwester.“, seine Stimme klingt nicht so fröhlich wie immer, sie klingt besorgt.
„Was ist denn, Mo?“, frage ich ihn und umarme ihn.
„Grosse Schwester.“, ist das einzige, was er heraus bringt, seine Stimme klingt brüchig.
„Mo.“, sage ich und drücke ihn fester an mich.
Er löst sich aus meiner Umarmung, das hat er noch nie getan.
„Ich darf nicht hier sein.“, ich sehe, dass er weint.
„Ich weiss Mo.“, sage ich leise.
„Aber, ich habe mich Vater und Mutter widersetzt, weil ich mich dir einfach nicht fernhalten.“, sagt er und schluchzt einmal kurz auf.
„Ich kann mich auch nicht von dir fernhalten Mo, dass müssen wir gar nicht.“, antworte ich ihm und lege meine Arme auf die Schultern.
„Doch“, wieder schnieft er: „Wenn ich mich jetzt nicht von dir löse, werde ich daran kaputt gehen, wenn du mich verlässt.“, sagt er, noch immer rollen ihm die Tränen über die Wangen.
„Ich werde dich nicht verlassen.“, sage ich leise. In seinen Augen leuchtet etwas auf. Aber es verlöscht gleich wieder: „Warum belügst du mich? Du wirst mich verlassen, auch wenn du diesen Junkin nicht heiratest, wirst du mich verlassen, weil Vater und Mutter deine Liebe niemals akzeptieren werden.“, sagt Mo.
„Ich bin doch gar nicht verliebt.“, sage ich etwas verwirrt.
„Du belügst mich schon wieder.“, antwortet Mokuzai kühl.
„Woher?...“, frage ich verstört.
„Ich habe euch gesehen, als ich mich gestern aus dem Zimmer geschlichen habe, um dir gute Nacht zu sagen. Er hat dich so umarmt, wie es sonst nur ich darf.“, sagt Mo.
„Es tut mir leid.“, jetzt beginne auch ich zu weinen.
„Ich habe dich so lieb Mizu, viel zu sehr. Du bist mehr als eine Mutter für mich. Aber du hast mich nicht so lieb wie ich dich. Du liebst ihn mehr als mich, aber ich liebe dich mehr als alles andere. Du bist meine Mizu.“, wieder schnieft er und jetzt ist er es, welcher mir die Arme um den Hals schlingt. Er ist gewachsen, bald wird er schon dreizehn, mir ist es gar nicht aufgefallen.
„Ich liebe ihn nicht mehr als dich.“, sage ich leise.
„Aber mich auch nicht mehr als ihn.“, sagt Mo.
„Nein.“, sage ich leise.
„Du solltest zu unseren Eltern gehen.“, schlägt Mokuzai mir vor.
„Weshalb, wegen Kai?“, frage ich erstaunt.
„Nein, wegen deinen Haaren.“, sagt er.
Meine Haare, die habe ich ja vollkommen vergessen.
„Gute Idee.“, ich versenke mein Gesicht in seinen braunen Haaren.
„Aber, können wir noch ein wenig so stehen bleiben.“, bittet er mich.
Ich nicke, nicht sicher, ob er es gespürt hat.
Er hält mich fest, lässt mich nicht mehr gehen.
„Kannst du die Lüge für mich nicht wahr werden lassen?“, ich weiss welche Lüge er meint, er will, dass ich bleibe.
„Ich werde alles versuchen.“, antworte ich ihm leise.
Er legt seinen Kopf in meine Halsgrube. Er ist nicht besonders gross, aber er ist schon sehr erwachsen. Ich will nicht, dass er so schnell erwachsen wird.
Er ist doch mein Baby.
„Du solltest jetzt gehen.“, sagt Mo, macht allerdings keine Anstalten mich loszulassen. 
“Ja?“, frage ich belustigt, darauf wartend, dass er mich loslässt.
„Wenn ich dich loslasse, kommst du dann zurück?“, fragt er mich ernst.
„Ich werde immer zu dir zurück kommen.“, flüstere ich ihm zu. 
Er lässt mich los und ich küsse ihn auf die Stirn.
„Komm bitte wieder zurück.“, flüstert er flehend.
Ich gehe aus dem Zimmer und schenke ihm noch eine Kusshand. So viele Sorgen stehen in seinem Gesicht.
Ich gehe auf dem direkten Weg in Vaters Arbeitszimmer.
„Mizuko.“, sagt er erstaunt, als er mich sieht.
„Ich muss mit dir reden Vater.“, sage ich und meine Stimme klingt fest.
„Was hast du mir zu erzählen“, sagt er und wendet sich voll und ganz mir zu. Es ist nicht normal, dass er mir so viel Aufmerksamkeit zukommen lässt.
„Vater, beantwortest du mir eine Frage?“, frage ich ihn.
„Natürlich.“, sagt er erstaunt, über meinen ernsten Ton.
„Bin ich eine Wasserfrau?“, die Frage hängt schwer im Raum.
„Bist du was?“, fragt mein Vater verstört und empört zu gleich.
„Ich habe azurblaue Haare Vater. Azurblau.“, meine Stimme wird lauter.
„Nicht jetzt.“, flüstert mein Vater: „Warum gerade jetzt?“
„Dann ist es wahr? Ich bin gar nicht eure Tochter?“, plötzlich kommt mir noch ein anderer Gedanke.
Ich bin nicht Mokuzais Schwester.
„Du bist unsere Tochter.“, beginnt mein Vater: „Aber in deinen Adern fliesst nicht das Blut meiner Frau oder mir.“
„Und auch nicht das von Mokuzai.“, sage ich leise.
„Nein, du bist die Tochter von einem der höchsten Adligen des Wasserclans. Soll ich dir die ganze Geschichte erzählen?“, fragt er mich.
Ich nicke, darauf winkt er mich zu sich und ich setze mich auf einen Stuhl, neben seinem.
„Deine Mutter war eine wunderschöne junge untere Adlige aus dem Wasserclan. Damals gab es einen riesigen Skandal um sie, da sich ein viel höher gestellter Adliger sich in sie verliebt. Die zwei haben geheiratet, doch dein Vater starb noch bevor du geboren worden bist, an einem politischen Anschlag.“, beginnt er zu erzählen. Das alles klingt so weit entfernt.
„Deine Mutter, wollte dich danach nicht mehr, sie hat dich verstossen.“
„Und warum habt ihr mich dann aufgenommen?“, frage ich erstaunt.
„Weil wir damals die Hoffnung aufgegeben haben, dass wir jemals ein eigenes Kind bekommen können. Ausserdem passte es auch ganz wunderbar, dass du das zwölfte Kind der Herrscherfamilie bist. Also haben wir dich aufgenommen. Aber es niemals bereut.“
„Lebt meine Mutter noch?“, frage ich leise.
„Nein, sie ist tot.“, sagt Vater und senkt den Blick.
„Meine Mutter wollte mich also nicht mehr, als mein Vater gestorben ist.“, stelle ich fest.
„Aber ich und meine Frau lieben dich genau so sehr wir Mokuzai.“, sagt mein Vater.
„Aber eigentlich, habt ihr mich nur aufgenommen, weil ihr keinen Thronfolger gehabt habt.“, sage ich schwach.
„Ja.“, sagt Vater ernst.
„Kann ich dich noch etwas fragen?“, meine Stimme klingt wieder fester.
„Natürlich.“, anscheinend will er jetzt alles aus der Welt schaffen.
„Ist das der Grund, weshalb ihr mich unbedingt jetzt schon verheiraten wollt.“, frage ich leiser.
„Ja, eigentlich schon.“, antwortet Vater.
„Weshalb?“, frage ich.
„Ist Junkin dir denn so zuwider?“, fragt mich Vater.
„Nicht unbedingt, aber…“, sage ich leise.
„Was aber?“
„Es gibt da schon Jemand, ich bin schon verliebt. Und dieser jemand ist nicht Junkin.“, meine Stimme ist jetzt fast ein Flüstern.
„Wer?“, Vaters Stimme klingt tonlos. Anscheinend kommen jetzt tatsächlich alle Geheimnisse hervor.
„Willst du es wirklich wissen?“, frage ich leise.
„Ja.“
„Wirst du ihm auch wirklich nichts tun?“, frage ich ihn voll Sorgen.
„Vielleicht.“, sagt er kühl.
„Du sollst nur wissen, dass ich ihn wirklich von ganzem Herzen liebe.“, sage ich.
„Nun sag es schon.“
„Ich bin verliebt, er ist kein Adliger, er ist niemand von Stand. Es ist der Mensch, der mich schon so lange begleitet. Ich liebe Kai.“, meine Stimme wird immer fester.
„Kai…“, mein Vater klingt nachdenklich.
„Was ist?“, seine Reaktion beunruhigt mich.
„Das hätte ich mir ja denken können.“, sagt er schlicht.
„Das heisst, du hast nichts dagegen?“, frage ich überglücklich.
„Oh nein, Kai wird sofort entlassen und du wirst ihn nie wieder sehen.“, sagt Vater.
Nein, nein, nein!
“Vater, bitte nicht!“, schreie ich, aber er wendet sich wieder dem Schreibtisch zu: „Bitte Vater, entlasse Kai nicht. Ich verspreche dir, dass Kai mich niemals angefasst hat, oder ähnliches. Bitte, gib ihm einfach eine andere Stelle.“, flehe ich ihn an.
Er sieht mich lange an: „Vielleicht.“
„Ich danke dir, ich danke dir so sehr.“, sage ich und küsse ihm die Hand.
„Und was ist mit Junkin?“, fragt mich Vater.
„Muss ich ihn immer noch heiraten?“, frage ich ihn.
„Ich werde dich nicht dazu zwingen. Aber ich weiss nicht wie der Diamantclan reagieren wird, wenn wir ihren ältesten Sohn verschmähen.“, sagt Vater.
„Wie wäre es, wenn er die Wahrheit über mich einfach herausfinden wird und er mich dann verschmäht.“, schlage ich Vater vor.
„Warum nicht?“, sagt er, damit ist das Gespräch für ihn beendet.
Er weiss gar nicht in was für einem Zustand er seine Tochter hinterlassen hat. Ich bin nicht die Tochter meiner Eltern, meine Mutter wollte mich nicht.
Und Mo ist nicht mein Bruder.
Er ist nicht mein Bruder.
Es spukt mir im Kopf herum.
Ich bin nicht blutsverwandt mit Mo.
Aber ich sehe mich immer noch als seine Schwester.
„Mizuko?“, ich höre Kais Stimme in meinem Rücken.
„Hallo.“, antworte ich, es ist schon Nachmittag.
„Was ist passiert?“, fragt er. Was wenn ich ihm die Wahrheit sage? Wird er mich verlassen, wenn ich keine Prinzessin mehr bin?
Stimmt ja, ich bin jetzt keine Prinzessin mehr, ich bin nicht mehr, was ich so lange gehasst habe.
„Du bist gefeuert.“, sage ich stattdessen.
„Was?!“, fragt er geschockt.
„Ich habe ihnen gesagt, dass ich dich liebe. Da hat mein Vater dich als meinen Bodyguard gefeuert. Allerdings, wirst du weiterhin hier im Schloss arbeiten. Das habe ich dir schliesslich versprochen.“, sage ich traurig lächelnd.
Heute ist ein Tag des Verlustes. Ich verliere meine Eltern, meinen Bruder und jetzt auch noch meinen Schatten.
„Du hast ihnen gesagt, dass du mich liebst?“, sagt er verständnislos.
„Ja.“ Sage ich und eine Träne stiehlt sich in mein Auge, „Sie haben so etwas schon erwartet.“
„Und was wird jetzt auch uns?“, fragt Kai verwirrt.
„Es gibt uns nicht mehr, auf jeden Fall im Moment gibt es uns nicht mehr.“, sage ich und stelle mich auf die Zehenspitzen, um ihn zu küssen.
Es ist ein Abschiedskuss.
Noch weitere Tränen stehlen sich in meine Augen, sie laufen mir das Gesicht entlang.
„Nicht weinen.“, flüstert Kai, obwohl er es doch eigentlich ist, welcher getröstet werden muss, nicht ich.
Ist es nicht so?
„Auf Wiedersehen.“, ich kann ihm einfach nicht ‚Lebe Wohl’ sagen.
Es tut zu sehr weh.
„Wir werden uns auch so sehen.“, sagt er.
„Du weisst, was ich meine.“
„Ja, leider.“, sagt er schwach.
Ich drehe mich um, sehe ihm nicht mehr in das Gesicht.
Es schmerzt zu sehr.
In meiner Brust pochte ein dumpfer Schmerz.
Erst jetzt wird mir klar, dass ich gewählt habe.
Gewählt zwischen Kai und Mokuzai.
Ich habe mich dazu entschieden, nicht mit Kai wegzugehen.
Auch jetzt nicht, da ich weiss, das ich nicht die Tochter des Herrschers und der Herrscherin bin.
Noch ist es nicht endgültig, dazu habe ich noch nicht den Mut.
Aber bis es soweit ist, werde ich Mo mit aller meiner Macht beschützen.
Ich höre Kais Schritte in meinem Nacken, nur mit grösster Selbstbeherrschung, schaffe ich es, ihm nicht nach zu sehen.
Ich liebe Kai, seit jenem Tag.
„Bist du ganz allein?“, Tränen steigen in meine Augen.
„Dann komm mit mir mit.“, sie fliessen über meine Wangen.
„Ich werde dich bei mir zu Hause aufnehmen.“, sie tropfen auf den Boden.
„Ich mag deine Haare, sie sehen aus wie aus Silber.“, ich greife nach dem Glöckchen.
„Du bleibst doch bei mir oder?“, ich läute es einmal, es klingt hell und rein.
„Du darfst nie mehr allein sein, dafür Sorge ich.“
Es tut mir leid Kai, ich habe mein Versprechen von damals gebrochen.
Ich laufe ziellos durch die Flure, ich reagiere nicht auf die Blicke der Diener und Dienerinnen.
Reagiere nicht auf das Getuschel.
Noch immer tropfen Tränen auf den Fussboden.
Plötzlich bleibe ich stehen.
Ich stehe vor seiner Zimmertür, vor Mos Zimmertür.
Sie ist riesig und wird von zwei Wachen bewacht.
Ich weiss, dass sie mich nicht hinein lassen.
Sie haben den Auftrag mich vor Mo abzuschotten.
Meine Knie knicken plötzlich ein, ich finde nirgends Halt.
Ich höre noch wie schnelle Schritte umhereilen.
„Verehrte Mizuko.“
Und dann: „Grosse Schwester.“
Weiss er die Wahrheit schon?
„Mo.“, flüstere ich leise und strecke ihm meine Hände entgegen.
„Mizu.“, flüstert er zurück, ich spüre wie eine Träne auf mein Gesicht fällt.
„Nicht weinen.“, flüstere ich traurig, während mir selbst die Tränen über die Wangen laufen.
“Was ist denn passiert Schwester?“, fragt mich Mo.
Ich antworte ihm nicht mehr.
Ich bekomme den Mund nicht mehr auf.
Ich lächle bloss noch, während noch mehr Tränen über mein Gesicht laufen.
„Was ist denn Schwester?“, seine Stimme klingt leicht pansch.
Ich lächle noch immer still vor mich hin.
Mo ist da.
Kai ist weg.
Aber jetzt will ich bloss schlafen, nicht mehr.
„Was ist denn?“
Ich wache wieder auf, das erste, was ich sehe, als ich die Augen aufschlug, war Leere.
Da war nichts, alles ist leer.
Was natürlich nicht stimmt, da ist schon etwas. Eine Bettdecke.
Aber ich sehe mehr in mich hinein.
Ich habe mich von Kai getrennt, zumindest vorläufig.
Und Mo?
Wo ist Mokuzai?
Er war da, als ich mein Bewusstsein verloren habe.
Er hat mich festgehalten.
„Mo?“, meine Stimme ist bloss noch ein heiseres Krächzen.
„Er schläft verehrte Mizuko.“, höre ich die Stimme einer Dienerin.
Niana.
„Wie spät ist es?“, frage ich.
„Fast drei Uhr morgens.“, antwortet Niana.
„Oh.“
„Mizuko, ich muss euch daran erinnern, dass euer kleiner Bruder morgen Geburtstag hat.“, sagt Niana.
Natürlich, Mo wird schon dreizehn.
„Morgen? Oder heute?“, frage ich.
„Morgen.“, antwortet Niana.
Gut, ich beschliesse noch ein wenig zu schlafen, als ich das nächste Mal aufwache, ist es Tag.
„Guten Morgen.“, wieder ist es Niana, welche mich begrüsst.
„Morgen.“, antworte ich und stehe auf.
„Ihr solltet euch vornehm anziehen.“, schlägt mir Niana vor.
„Weshalb?“, frage ich erstaunt.
„Euer Bruder hat heute Geburtstag, dass habe ich euch doch gesagt.“, antwortet Niana schnippisch: „Heute ist morgen, ihr habt zwei Tage geschlafen.“
Zwei Tage?
Ich bin doch nicht krank geworden, oder?
„Was war los mit mir?“, frage ich Niana.
„Du bist durch das ganze Schloss gerannt, bis ihr vor Prinz Mokuzais Türe zusammen gebrochen sind.“, antwortet Niana.
„Was ist mit Mo?“, frage ich Niana kraftlos, aber voller Angst.
„Ihm geht es gut, aber er hat sich riesige Sorgen um euch gemacht. Er wollte unbedingt zu euch, aber man hat ihn nicht hierher gelassen.“, antwortet Niana ruhig.
„Es geht ihm gut.“, wiederhole ich leise. 
Es geht Mo gut, alles andere ist nebensächlich, selbst er.
Ich taste nach der Tasche, sie ist noch da. Ich umschliesse das Glöckchen mit meinen Fingern, sein Glöckchen. Ich habe es ihm nicht zurückgegeben.
„Ich würde mich gerne fertig machen, bringst du bitte mein Kleid hierher? Ich bin noch zu schwach um in das Ankleidezimmer zu gehen.“, bitte ich Niana.
„Natürlich.“, sagt diese, verbeugt sich noch einmal und verschwindet dann lautlos.
Ich drehe mich auf meine rechte Seite. Ich spüre die Tasche ganz deutlich.
Es sollte nicht in der Tasche bleiben, überlege ich mir.
Ich bemerke, dass mir erneut die Tränen über das Gesicht laufen.
Nicht schon wieder. Ich sollte nicht an ihn denken, dass habe ich mir geschworen.
„Ihr Kleid.“, sagt Niana, sie nennt mich nicht mehr Prinzessin, als wüsste sie, was passiert war.
„Danke, du darfst dich jetzt entfernen.“, sage ich schwach und richte mich auf, die Tränen haben schon vor einiger Zeit aufgehört zu fliessen. Niana verbeugt sich und entfernt sich dann.
Ich sehe auf das prachtvolle Kleid, es ist noch schöner, als das welches ich zu Junkins Ankunft getragen habe.
Was wohl jetzt mit Junkin los ist? Ob er wieder abgezogen ist?
Das Kleid ist Azurblau, es leuchtet. Der Ausschnitt ist mit Vergissmeinnicht und Spitzen besetzt. Der Rock rüscht sich bis zum Fussboden und das korsettartige Oberteil ist mit Perlen bestick. Eigentlich ist es zu viel Stoff für diese Jahreszeit.
Ich streife es über, natürlich sitzt es wie angegossen.
Ich lasse meine Haare über mein Gesicht fallen, um sie gut durch zu bürsten.
Und erschrecke.
Über Nacht (und Tag) sind alle meine Haare Azurblau geworden, ein Erbe meines Vaters. Jetzt knapp nach meinem sechzehnten Geburtstag ist endlich das Geheimnis meiner Eltern aufgedeckt, aber wieso färben sich jetzt alle meine Haare blau?
Ich nehme alle meine seidigen, leicht gewellten Haare in die Hand und nehme ein seeschaumgrünes Band in die Hand um sie auf meiner linken Seite zusammen zu binden, da kommt mir plötzlich eine Idee.
Ich hole das Glöckchen aus meiner Tasche, ziehe es so über das Band, das es frei schwingen und klingen kann.
Ich binde die Haare so zusammen, dass das Glöckchen bei jedem meiner Schritte klingt, so rein und klar wie immer.
Ich gehe aus dem Zimmer in Richtung Festsaal.
Noch sind bloss Diener da, noch keine Gäste und auch nicht Vater, Mutter oder Mo.
„Verehrte Mizuko.“, sagt einer der Diener. Ich sehe ihm nicht ins Gesicht.
„Wann kommen Vater und Mutter?“, frage ich niemand bestimmtes. Als ich den Kopf wende klingelt das Glöckchen.
„Bald.“, antwortet wieder einer der Gesichtslosen.
Ich nicke und setze mich auf meinen Thron. Er steht rechts neben dem von Mutter. Ich habe den am tiefsten gestelltesten Platz in dieser Familie.
Die Throne hier sind weniger prachtvoll, als die im Thronsaal. Allerdings nur unmerklich.
„Mizuko.“, höre ich Mutters Stimme.
„Guten Tag Mutter.“, antworte ich kühl.
„Geht es dir wieder besser?“, fragt sie mich.
Ich nicke, wieder erklingt das Glöckchen.
„Das ist schön.“, sie lächelt und setzt sich neben mich: „Vater kommt gleich.“
Wieder nicke ich bloss.
Nach einer Weile kommt auch Vater.
Er setzt sich auch.
Die Gäste trudeln langsam ein, der riesige Festsaal füllt sich langsam.
Ich erkenne einige Adlige wieder. Junkin sehe ich nirgends.
„Vater, was ist mit meinem Verlobten?“, frage ich erstaunt.
„Er sagt, seine Eltern haben ihm verboten, dich zu heiraten. Sie waren sowieso von Anfang an dagegen. Er ist schon wieder neu verlobt. Sie heisst Nyoko, eine hohe Adlige aus seinem eigenen Clan.“, antwortet er.
Dann bin ich ja jetzt, endlich nicht mehr verlobt.
Wie angenehm, so ohne Verpflichtungen.
„Verehrter Herrscher?“, spricht ihn eine ältere Wasserfrau an.
„Ja? Nanami?“, fragt Vater sie.
„Darf ich annehmen dass…“, während sie das sagt, blickt sie auf meine Haare, ihre haben eine ähnliche Farbe: „Dass euer Geheimnis nun gelüftet ist?“
„Ja, das ist es.“, antwortet Vater.
Sie weiss also von meiner Herkunft.
„Dann möchte ich als Vertreterin des Wasserclans sagen, dass wir Anspruch auf eure Tochter erheben. Sie ist eine von uns, und wenn ihr erlaubt, möchten wir gerne ihren Bräutigam zur Verfügung stellen. Anderenfalls, wird es zum Streit zwischen dem Herrscherhaus und dem Wasserclan kommen.“, noch immer ist ihre Stimme leise.
Ich habe Vater noch nie so erlabt, er sieht so entsetzt aus, wie nie zuvor.
„Ihr wollt mir meine Tochter wegnehmen?“, fragt er verstört.
„Sie ist nicht eure Tochter, sonder die meines Bruders, dass wisst ihr auch. Deshalb mache ich euch einen Vorschlag, entweder sie heiratet wieder in unser Adelshaus ein, oder ich werde sie von nun an erziehen als ihre Tante.“
Vater, ich will nicht.
Wieder klinge ich so kindisch.
Ich will nicht, ich will nicht, ich will nicht.
Lasst mich bei euch bleiben.
„Ich werde keines von beiden tun.“, antwortet Vater.
„Dann sehen wir uns vor Gericht wieder, ich habe Rechte auf dieses Kind, meine Nichte.“
Ich will nicht.
Als Mo kommt reagiere ich gar nicht auf seinen erstickten Aufschrei, als er mich sieht.
Natürlich, meine Haare.
Aber das ist jetzt nicht wichtig.
Ich werde sie beide verlassen müssen.
„Schwester.“, höre ich Mo erschrocken sagen
„Ich bin nicht deine Schwester.“, ich darf ihn nicht mehr anlügen, hat er gesagt und an das halte ich mich von jetzt an.
Ich werde ihn nicht noch weiter belügen, nur um ihn einen Wunsch zu erfüllen.
„Ich werde gehen müssen Mo.“, sage ich ihm noch, dann wird alles grau. Ich kann mich an nichts weiter erinnern, was auf der Party passiert ist.Ich weiss nicht mal wie Mo darauf reagiert hat.


Das menschenleere Zuhause

„Verehret Mizuko.“, höre ich die Stimme des Kutschers.
Er bringt mich weg aus dem Schloss, weg von meinem Zuhause.
Ein halbes Jahr ist seit Mokuzais Geburtstag vergangen. Meine Eltern wollten mich nicht wieder gegen meinen Willen verloben.
Deshalb lebe ich jetzt bei meiner Tante, ich weiss nicht für wie lange.
„Die Fahrt dauert insgesamt nur viereinhalb Stunden.“, redet der Kutscher weiter.
Ich antworte ihm nicht, ich sehe zurück. Er wird zurückgehalten. Von ihm.
Ich sehe wie er meinen Namen schreit. Immer und immer wieder.
Er ist doch krank, er darf nicht hier draussen sein. Er sollte wieder hinein gehen, in sein Zimmer.
Kai hält ihn fest, er ist jetzt sein Bodyguard, aber er darf immer noch im Schloss arbeiten, wie ich es ihm versprochen habe.
Er hat sich so verändert, er ist fast grösser als ich, sein Gesicht wird von Tag zu Tag kantiger. Obwohl ich das nicht beurteilen kann, ich durfte ihn nicht mehr sehen.
Kai hat es mir erzählt. Wie er klüger und schöner wird.
Ich war ganz allein in meinem Zimmer, nur Niana und Kai durften hinein kommen.
Ich sehe wieder zu ihnen er ist auf Knie gestürzt.
„Mokuzai.“, flüstere ich.
Er hustet. Es schüttelt seinen ganzen Körper.
Mir kommen erneut die Tränen. Ich weine lautlos, keine Schluchzer.
Jetzt wende ich meinen Blick wieder ab. Es schmerzt zu sehr.
Sie werden mir jetzt weggenommen, endgültig. Ich habe keinerlei Möglichkeit, jemals wieder dieses Schloss meine Heimat zu nennen.
Ich lebe auf einem Landsitz bei meiner Tante und meinem Onkel. 
Sie mögen mich nicht, weil sie meine Mutter verabscheuen. Dies habe ich schon bei der Verhandlung vor dem Gericht bemerkt. Sie verabscheuen mich, sie wollen mich nur, um ihre Stellung zu erhöhen und um einen gut erzogenen Nachfolger zu haben. Denn ihre Tochter ist ein richtiger Problemfall, sie ist von Zuhause weggelaufen.
Ich schwenke wieder ab.
Lange denke ich nichts, fühle ich nichts.
„Wir sind bald da verehrte Mizuko.“, höre ich die Stimme des Kutschers.
Ich will nicht aussteigen.
Will nicht zu meiner Tante und meinem Onkel.
Sie benutzen mich, wie ein Papiertaschentuch, welches man einfach wieder wegwerfen kann.
Man öffnet dir Tür zur Kutsche. Behutsam steige ich aus und passe dabei auf mein Kleid auf.
Ich weiss nicht, was mich hier erwarten, was ich hier soll.
„Mizuko.“, als ich den Kopf drehe um nach der Stimme zu sehen, welche meinen Namen gerufen hat, klingelt mein Glöckchen.
Seit unserer Trennung flechte ich es jeden Tag in mein Haar ein.
Mein Haar wächst noch immer, auch die nachfolgenden Haare sind azurblau.
Es ist meine Tante Nanami.
Aber sie ist für mich keine Tante, sie ist die mir völlig fremde Schwester, meines völlig fremden Vaters.
„Tante Nanami.“, antworte ich und verbeuge mich.
„Deine Zieheltern haben dich wirklich gut erzogen.“, stellt mein Onkel fest, mit ihm bin ich nicht einmal blutsverwandt, dabei wird er jetzt für eine ziemlich lange Zeit mein Vater sein.
„Vielleicht.“, antworte ich und gehe auf die beiden zu.
„Was ist denn das für ein nerviges Geräusch?“, fragt meine Tante.
„Das ist mein Haarband.“, antworte ich kühl, wie kann man das klingeln dieses einen Glöckchen nur als nervig empfinden.
„Würdest du es bitte entfernen, als Meerjungfrau trägt man sein Haar offen.“, bittet mich meine Tante und dreht mir den Rücken zu.
Meerjungfrauen nennt man die jungen, sehr hohen Adligen, welche noch nicht mit ihrer Ausbildung fertig sind und den Titel Wasseradlige noch nicht verdient hat.
„Der Name Mizuko ist ziemlich überheblich.“, stellt Tante Nanami fest: „Wie wäre es, wenn wir dich einfach umbenennen.“
„Weshalb? Ich bin die Tochter des Herrschers, auch wenn wir nicht blutsverwandt sind, so hat doch er mich erzogen und mich als zweite Erbin eingesetzt.“, antworte ich entschlossen.
„Aber das Gericht hat beschlossen, das wir jetzt deine Vormunde sind. Was bedeutet wir können über dich bestimmen.“, antwortet Nanami.
„Nein, ihr werdet nie über mich bestimmen können.“, flüstere ich leise, folge ihnen allerdings trotzdem.
Wir gehen in den Landsitz, er ist nicht einmal so halb so gross wie das Schloss, indem ich so lange gewohnt habe. Natürlich ist er nicht klein.
„Dein Zuhause.“, sagt Nanami.
Es wird nie mein Zuhause sein, mein Zuhause ist da wo Kai und Mo sind, nicht das Gebäude in dem ich leben muss.
„Für wie lange?“, frage ich, scheinbar unbeteiligt.
„Bis du heiratest.“, antwortet Ryoichi, mein Onkel.
„Wer entscheidet, wen ich heirate?“, frage ich tonlos.
„Du selbst, das haben wir mit dem Herrscher abgesprochen, allerdings muss er mit deiner Wahl einverstanden sein.“, antwortet Ryoichi erneut.
„Vater…“, flüstere ich leise. Auch wenn wir nicht blutsverwandt, auch wenn er mich bloss adoptiert hat, um einen Thronfolger zu haben. So denke ich doch, dass sie mich irgendwann lieben gelernt haben.
Irgendwann…
„Er ist nicht dein Vater. Vergiss ihn.“, sagt Tante Nanami.
Natürlich ist er mein Vater, hätte ich ihr beinahe ins Ohr geschrieen.
Er ist derjenige, welcher mich erzogen hat, nicht dieser Wassermann, welcher mich gezeugt hat. Er und Mutter, sind meine Eltern, wenn auch nicht biologisch, uns verbindet ein Band. Auch wenn wir unsere Beziehung nicht offen gezeigt haben, auch wenn sie wenig Zeit hatten.
Wir gehen in mein neues Zuhause. Vielleicht kann ich es irgendwann so sehen.
Noch nicht jetzt, aber da ich niemals heiraten werde…
„Du wohnst in dem Zimmer im Ostflügel, wir erwarten dich um punkt achtzehn Uhr für das Abendessen. Ah, und übrigens, von nun an wird erwartet, dass du nur noch helle Blautöne tragen wirst, die dunklen sind den Wasserfrauen vorbehalten.“, erklärt mir Nanami und überlässt mich eine ihrer Dienerinnen.
„Folgen sie mir verehrte Mizuko.“, sagt eine junge Dienerin.
„Natürlich.“, antworte ich lächelnd, sie sieht eingeschüchtert aus.
Wir gehen durch einige Flure, bis wir zu meinem Zimmer gelangen. Es ist nicht so gross, wie mein Hauptzimmer in dem Herrscherschloss, aber verschnörkelter, überall Gravuren von Nixen und Sirenen.
„Darf ich fragen, ob dies das ehemalige Zimmer der Tochter von der verehrten Nanami und ihrem Ehemann ist?“, frage ich die Dienerin höflich.
„Ja, dem ist so.“, antwortet sie, noch immer nervös.
„Du musst mich nicht fürchten, ich bin nicht verzogen worden.“, sage ich immer noch lächelnd. Ich will nicht als verzogene Göre des Herrschers gelten.
„Ich… ich fürchte nicht dich, es ist eher so, dass ich Angst um euch habe.“, sagt sie leise, während sie sich verstohlen umsieht.
„Was? Um mich?“, frage ich erstaunt.
„Ja…“, flüstert sie leise und entfernt sich, nachdem sie sich verbeugt hat.
„Seltsam.“, flüstere ich und beginne mich umzuziehen.
Mein Gepäck ist schon zwei Tage vorher hierher gebracht worden.
Als mein Blick auf ein Sommerkleid fällt, kommen mir wieder die Tränen. Ich sehe, dass mein Zimmer einen eigenen Kamin hat. Ich nehme das leichte Sommerkleid aus Seide in die Hand und werfe es in den Kamin.
Die Flammen züngeln um den grünen Stoff, die lecken nach der Seide und verbrennen das Kleid langsam.
Ich habe fast keine Tränen mehr, die schlaflosen Nächte haben sie alle aufgebraucht.
Ich bin in einem menschenleeren Zimmer.
In einem Haus, worin es keine Menschen gibt, welche ich liebe.
Für mich ist dieses Haus menschenleer.
Ich ziehe ein warmes Kleid, aus verschiedenen Schichten an.
Es wird jetzt langsam kälter, ich erinnere mich an den letzten Winter.
Als ich und…
Wir haben Schneeballschlachten gemacht, obwohl er krank ist. Mit ihm zusammen und Schneeengel gemacht. Wir haben heisse Schokolade getrunken und alles sonst gemacht, was man im Winter so tun kann.
Wie eine kleine, glückliche Familie.
Warum, also?
Ich sehe auf die Uhr, erst fünf Uhr.
Ich beschliesse mich ein wenig umzusehen.
Langsam streife ich durch die Gänge, im Westflügel hat es ein riesiges Musikzimmer. Ich sehe, dass es einen wunderschönen Flügel hat.
Klavier spielen habe ich auch mal gelernt.
Wie lange ist es her, dass ich eine weisse oder schwarze Klaviertaste berührt habe. Ich setze mich auf den Klavierstuhl und streife langsam über die Oktaven.
Ich erinnere mich an in Stück, dass ich immer gern gespielt habe, bis es mein Lehrer es mir verboten hat.
Ich klimpere unüberlegt vor mich hin.
Es ist schön, ein Zimmer zu haben in dem ich mich künstlerisch betätigen kann.
Ich sehe mich noch weiter um. Es hat auch eine Koto und eine Staffelei.
Aber ich habe keine Zeit dafür.
„Ihr wurdet wirklich gut von euren Zieheltern erzogen.“, höre ich die Stimme eines jungen Mannes.
„Was?“, ich schrecke auf und sehe in das Gesicht, eines hübschen Mannes, ca. in Kais Alter.
„Ich habe nur gesagt, dass es war ist, was Alia herum erzählt. Sie behauptet, dass ihr gesagt habt, dass ihr gut erzogen worden seid.“, sagt er lächelnd.
Ich senke meinen Blick und stehe auf: „Dann darf ich annehmen, dass Alia die junge Dienerin ist, welche mich in meine Gemächer begleitet hat.“
„Ihr liegt richtig mit eurer Annahme.“, antwortet er, immer noch ein leicht spöttisches Lächeln auf den Lippen.
„Was habt ihr denn erwartet? Eine Zimtzicke, die alle Welt verabscheut? Mein Vater hat mich gelehrt, dass man im Leben weiter kommt wenn man die Mundwinkel nach oben zieht. Wer seine Mitmenschen freundlich behandelt, bekommt von ihnen auch Freundlichkeit zurück.“, antworte ich kühl.
„Ich dachte euer Vater ist vor eurer Geburt gestorben.“, sagt er erstaunt.
„Mein Vater war nicht, wie ihr wohl meinen mögt irgendein Wassermann. Er war der Herrscher, auch wenn sein Blut nicht in meinen Adern fliesst.“, sage ich aufmüpfig.
„Wenn ihr meint.“, noch immer hat er dieses Lächeln auf den Lippen, welches mich verrückt macht.
„Weshalb seid ihr überhaupt hier. Nur um mich zu nerven, oder mich über meinen Vater auszufragen?“, frage ich noch immer genervt.
„Nein, ich soll euch zu dem Dinnersaal bringen.“, sagt er und lächelt weiter.
„Dann bringt mich dorthin und schweigt.“, sage ich und gehe mit schnellen Schritten an ihm vorbei.
„Wie ihr befehlt Prinzessin.“, sagt er und legt mir den Arm um die Schulter.
„Ich bin keine Prinzessin!“, fauche ich und schlage den Arm von meiner Schulter.
„Au, ihr habt Kraft my mistress.“, sagt er und noch immer lächelt er.
„Weshalb eure Herrin?“, frage ich.
„Ich werde sie von Heute an begleiten. Ich bin ihr neuer Bodyguard.“, sagt er.
Bo… dy… gu… ard?
„Eh?“, frage ich kraftlos.
Bodyguard… Kai...
Ich schüttle den Kopf und höre wie das Glöckchen klingt.
„Was ist das?“, fragt er erstaunt.
„Nichts…“, ich merke wie meine Stimme wieder bricht.
„Das nichts klingt aber wirklich schön.“, lächelt er schon wieder.
„Ich weiss noch nicht einmal wie du heisst…“, sage ich leise und sehe auf den Boden.
„Mein Name? Ich heisse Daichi, und komme aus dem ersten Clan, dem Erdclan.“, sagt er und plötzlich steht er vor mir.
Er fasst unter mein Kinn und hebt mein Gesicht an.
„Wie ich es mir gedacht habe. Du weinst.“, sagt er.
Ich schüttle den Kopf erneut, bei dem Klang des Glöckchens zucke ich wieder zusammen.
„Warum weinst du?“, fragt er.
Aber der Gedanke an ihn macht mich auch stark.
„Woher nehmen sie sich die Frechheit mich anzufassen und mich zu duzen?“, frage ich und schlage ihm schon wieder die Hand von meinem Kinn weg.
„Ich habe sie etwas gefragt.“, sagt er und hält sich die Hand.
„Und ich habe nicht die Absicht zu antworten. Sie sind mein Bodyguard, was bedeutet, von nun an sind sie mein Schatten. Sie folgen mir überall hin und lassen mich niemals aus den Augen. Ausserdem sagen sie nichts, ausser sie werden gefragt.“, spreche ich die Worte mit fester Stimme, welche mein Vater Kai damals gesagt hat.
„So sei es, my mistress.“, sagt er und senkt den Blink.
„Gut, dann führen sie mich jetzt zu dem Dinnersaal.“
„Sie können mich duzen, mistress.“, sagt er, noch immer mit gesenkten Blick.
Ich antworte nichts.
Ich nicht schwach, ich muss nicht mehr weinen, auch wenn ich an ihn denken.
Ich bin nicht schwach.
Aber ich bin auch nicht stark.
Ich bin nicht stark genug, um ohne euch zu leben.
„Mizuko, wir haben dich erwartet.“, sagt Tante Nanami, als ich endlich in den Dinnersaal gekommen bin.
„Weshalb habe ich einen Bodyguard bekommen?“, frage ich, ziemlich sauer.
„Noch bist du für den Herrscher sehr wertvoll, deshalb dachten wir es wäre gut dich zu überwachen. Ausserdem hattest du doch auch schon in dem Schloss des Herrschers einen Bodyguard, nicht wahr? Ein Findelkind aus dem Silberclan.“, sie sagt das so einfach daher.
Ein Findelkind, ich habe ihn einfach aufgelesen und mitgenommen, wie einen Strassenköter.
Mutter hat schön geschaut.
Ich kichere leise in mich hinein und spüre den verwunderten Blick von Daichi.
„Ja, ich hatte einen Bodyguard, sein Name war Kai und er kam aus einem der Wächtergeschlechter aus dem Gold- und Silberclan. Er war Vollwaise, als ich ihn gefunden und in das Schloss meiner Eltern gebracht habe.“, sage ich leise und beginne meine Hände in der Wasserschale, welche auf meinem Tisch steht, zu waschen.
„Silberclan?“, höre ich die Stimme von Daichi.
Oh verdammt, mein Glöckchen. Ich unterdrücke den Drang, das Glöckchen zu berühren.
„Ja…“, lächle ich gezwungen: „Ich habe meinen Vater zu einem Treffen mit dem Silber- und Goldclanoberhaupt mit seiner Tochter Ruby begleitet.“
„Ist Ruby die Älteste Tochter von dem Oberhaupt, nicht wahr?“, fragt Tante Nanami.
„Ja, aber ich habe sie schon lange nicht mehr gesehen, sie ist wirklich sehr beschäftigt.“, antworte ich ruhig.
„Wen von den kennst du denn sonst noch, also ich meine von den Oberhäuptern?“, fragt mich Nanami gierig.
„Eigentlich alle.“, lächle ich schwach: „Nur der Diamantclan hat sich geweigert uns zu empfangen.“
„Weshalb?“, fragt mich Nanami.
„Sie waren nicht damit zufrieden, nur das zweitmächtigste Geschlecht, der Welt zu sein.“, antworte ich.
Und jetzt, da sie nicht mehr mit ihren Söhnen, in das Herrschergeschlecht einheiraten, werden sie nicht sehr erfreut sein.
„Oh, natürlich. Aber dein ehemaliger Verlobter, kam doch aus dem Diamantclan, nicht wahr?“, horcht Nanami mich weiterhin aus.
„Ja, aber nachdem er erfahren hat, dass ich nicht die biologische Tochter des Herrschers bin. Haben seine Eltern, die sowieso wollten das ich seinen jüngeren Bruder heiraten, verboten mich zu heiraten. Schöne Geschichte, nicht wahr?“, sage ich mit leiser Stimme und falschem Lächeln.
Ich spüre Daichis durchdringenden Blick auf mir ruhen.
„Mochtest du ihn?“, fragt mich Nanami.
Ich schüttle energisch den Kopf: „Er war mir zu überheblich.“
„Das Essen ist angerichtet.“, höre ich einen Diener.
Ich beginne zu essen, damit ich nicht mehr reden muss.
„Wie schmeckt dir das Essen?“, fragt mich Ryoichi.
„Ich mag Fisch nicht so besonders, aber er ist wirklich gut angerichtet.“, sage ich, um einen höflichen Ton bemüht.
„Du bist eine Meerjungfrau, aber magst Fisch nicht?“, fragt Nanami belustigt.
„Ich bin nun mal nicht als Meerjungfrau aufgewachsen.“, sage ich, noch immer um ein Lächeln bemüht, auch wenn meine Verwandten mich langsam wirklich nerven.
Ich senke meinen Blick, ich will nicht mehr von der Vergangenheit reden.
„Wie wäre es, wenn wir mal ein Treffen arrangieren? Also mit dir und Ruby.“, fragt mich Tante Nanami mit leuchtenden Augen.
„Es tut...“, beginne ich zu erklären.
„Verehrte Nanami, als Bodyguard bin ich für die Gesundheit von Körper und Geist meiner mistress, also der verehrten Mizuko, muss ich sie darum bitten, aufzuhören sie auszuhorchen. Da es ihr offensichtlich seelische Schmerzen bereitet.“, unterbricht mich Daichi plötzlich.
Ich werde rot, er ist glaublich doch netter, als ich gedacht habe.
„Es tut mir leid Mizuko.“, sagt Nanami.
Ich nicke ihr lächelnd zu. Solange sie nichts sagt, ist ihre Anwesenheit, gar nicht mal so schrecklich.
Von da an, war das Essen sehr still.
Niemand fragte mich noch irgendetwas.
Weder über meine Vergangenheit, noch über meine Zukunft.
„Tante Nanami, darf ich dich etwas fragen?“, sage ich nach einer Weile.
„Natürlich, Mizuko.“, sagt sie freundlich, aber mit einem neugierigen Unterton.
„Im Schloss, durfte ich fast nie helle Blautöne tragen. Weshalb, darf ich jetzt keine dunkeln Töne tragen?“, frage ich weiter.
„Damals musstest du dich noch von normalen Meerjungfrauen unterschieden, du warst eine Besonderheit. Wie ein Saphir unter Lapislazuli.“, antwortet sie fröhlich: „Aber jetzt, bist du so wie alle hohen Meerjungfrauen, nichts Besonderes.“
„Vater hat mir gesagt, dass ich mich von Meerjungfrauen unterscheiden muss, allerdings hat er auch behauptet, dass Azurblau die wichtigere Farbe ist.“, sage ich erstaunt.
„Nein, dunklere Farbtöne sind viel kostbarer. Azurblau, hat doch jede von euch im Haar, wieso sollten wir es auch noch an unseren Körpern tragen.“, lacht Nanami vergnügt: „Ausserdem reicht Nanami, wir sind doch verwandt.“
„Schön.“, lächle ich.
Nach dem Essen, begleitet mich Daichi zurück zu meinem Zimmer.
„Danke.“, sage ich und drehe mich zur Türe.
„War ich schattenartig genug?“, fragt er und drückt gegen die Tür, damit ich nicht hinein komme.
„Ja.“, sage ich und versuche die Türe auf zu ziehen.
„Dieses Glöckchen, hat das irgendetwas mit diesem Bodyguard zu tun? Dem aus dem Silberclan?“, fragt er und noch immer spüre ich seinen Blick auf mir geheftet.
„Das ist jetzt nicht schattenartig genug.“, sage ich und versuche noch immer die Türe aufzuziehen.
„Ich weiss...“, flüstert er.
„Sein Name, er lautete Kai.“, beginne ich zu erzählen.
„So wie du seinen Namen ausgesprochen hat, hat er dir viel bedeutet und so, wie deine Hände als wir von ihm gesprochen haben immer wieder zu diesem Glöckchen gezuckt haben, so bedeutet es dir auch viel.“, sagt er.
„Ja. Er war wie ein älterer Bruder für mich.“, wieder erfüllt mich der Gedanke an ihn mich mit Wärme.
„Wie ein älterer Bruder also?“, er lächelt müde.
Seine Stimme ist so leise, ich verstehe ihn kaum.
Plötzlich ist der Widerstand weg, ich knalle auf den Fussboden.
Ich sehe wie er den Gang hinunter geht, viel schneller als wir hierher gekommen sind. Er kratz sich den Kopf.
Was hat er denn damit, dass ich Kai wie einen Bruder liebe.
Vielleicht, glaubt er mir einfach nicht.
Ich beginne hysterisch zu kichern.
Ich glaube mir ja selbst nicht.
Ich gehe zu dem riesigen Panoramafenster.
Ich will es hinaus schreien, so laut wie ich nur kann.
„Kai, ich liebe dich, noch immer, für immer.“, flüstere ich bloss.
So leise das der Wind meine Stimme verweht.
„Ich werde dich immer lieben. Mokuzai, ich vermisse dich so sehr. Mein kleiner Bruder.“
Ich ziehe mich um.
Schlüpfe lautlos in das warme Nachtgewand und dann krieche ich unter die Decke.
Ich habe mich daran gewöhnt, allein zu schlafen. Bis vor einem halben Jahr, konnte ich es mir gar nicht vorstellen. Kai schlief immer in demselben Bett wie ich.
Seit ich ihn gefunden habe.
Damals, als ich noch nichts wusste.
Weder, dass ich als Tochter des höchsten Mannes der Welt aufwachsen werde, noch, dass es Mokuzai überhaupt gibt.
Mokuzai kam auf die Welt, als ich gerade zwei Jahre alt geworden bin, doch man trennte ihn von mir. Ich wusste nicht, dass es ihn gab.
Erst, als ich sechs Jahre alt war und man mir das erste Mal gesagt hat, wie wertvoll ich bin, da hat man mir auch Mokuzai das erste Mal gezeigt.
„Das ist dein kleiner Bruder.“, hat Vater damals gesagt, während ich sein schlafendes Gesicht betrachtete. Damals war Mokuzai schwer krank. Man hatte ihn mir gezeigt, damit ich wusste, wie das Gesicht des Menschen ausgesehen hat, für welchen man bald in der ganzen Welt Kerzen aufstellen wird und um wen man trauern wird.
„Bruder?“, habe ich Vater erstaunt gefragt und eine Strähne aus dem kleinen und abgemagerten Gesicht gestrichen. Kai musste vor der Tür warten. Damals war er acht.
„Du solltest ihn nicht anfassen.“, hat Vater damals gesagt und zwei Menschen haben mich von Mokuzais Bett entfernt.
„Aber, er ist doch mein Bruder.“, habe ich gemeint und bin wieder an das Bett gekrochen, ich habe seine Hand genommen. Sie war so heiss.
„Er ist mein Bruder...“, habe ich noch einmal geflüstert. Es hat sich so schön angefühlt einen Bruder zu haben, einen richtigen Bruder, nicht so wie Kai.
Drei Tage lang schlief ich an seinem Bett und habe die Hand nur einmal losgelassen. 
Am Morgen des dritten Tages hat er endlich seine Augen geöffnet.
„Mutter.“, war das erste Wort welches er gekrächzt hat.
„Nein.“, habe ich gelächelt: „Ich bin deine grosse Schwester.“
Er hat mich verwundert angesehen: „Schwester?“
„Ja, bisher wussten wir ja nichts von einander. Ich bin Mizuko, deine grosse Schwester.“, ich habe ihm damals sanft über das bleiche Gesicht gestreichelt.
„Mein Name ist Mokuzai, Schwester.“, er hat ebenfalls versucht zu lächeln.
„Ich gehe Mutter und Vater holen.“, habe ich ihm gesagt und meine Hand hat seine losgelassen.
„Dann warst du das also Schwester.“, hat er geflüstert. Ich wusste nicht was er damit gemeint hatte.
Als ich die Nachricht verbreitet hatte, das Mokuzai wieder aufgewacht ist, habe ich Kai das erste Mal seit drei Tagen wieder gesehen.
„Kai, Kai!“, habe ich im zugerufen und bin ihm um den Hals gefallen: „Ich habe einen kleinen Bruder Kai!“
„Du hast einen was?“, hat er erstaunt gefragt.
„Einen Bruder Kai, einen richtigen Bruder.“, ich glaube, diese Worte haben ihn damals ziemlich verletzt.
Ist dies ein Traum?
Einen Traum der Vergangenheit?
Der erste Tag, an dem ich sie beide hatte.
Kai und Mokuzai.
Jetzt...
Bin ich allein.
In diesem menschenleeren Zuhause.
Ich glaube, weder Nanami noch sonst irgendwer können hier für mich zur Familie werden. 
Nicht solange ich immer noch an meiner alten Familie hänge, bestehend aus zwei Menschen.
Ich will weiter träumen, denke ich mir.
Und erneut schlafe ich ein. (wenn ich jemals wach war.)
„Vater, ich mag Ruby nicht.“, sagt das kleine Mädchen und sieht ganz aufgeregt umher. Sie sieht all die funkelnden Schmuckstücke in den Schaufenstern.
„Aber, aber Kleine. Ruby ist nicht immer so, weisst du? Aber ihr Vater und ihre Mutter sind sehr streng. Wenn die Zwei dabei sind, dann darf sie nicht so fröhlich sein wie du.“, antwortet offensichtlich der Vater des Mädchens, welcher sie hinter sich herzieht.
„Aha.“, sagt das Mädchen und tut so, als wäre ihr nun alles klar, sie stemmt sich gegen den Zug ihres Vater, auch wenn nicht absichtlich, da sie einfach nur ein schönes Stück gesehen hat.
„Was ist denn? Du weisst wir sollten nicht so lange hier bleiben.“, sagt der Vater immer noch sichtlich genervt.
„Wieso sitzen diese Jungen da auf dem Boden, Vater?“, fragt das Mädchen, während es in eine Gasse sieht, in der einige Jungen, nicht viel älter als sie herum sitzen.
„Weil sie keine Vater und Mutter haben, nicht so wie du Schatz.“, sagt der Vater traurig.
„Warum haben sie keine Vater und Mutter?“, fragt das Mädchen und geht einen Schritt auf die Jungen zu.
Der Vater zieht scharf die Luft ein und zieht das Mädchen in die entgegen gesetzte Richtung: „Mach das nicht noch mal Mizuko.“
Ein Junge blickt auf. Seine vor Dreck starren Haare hatten wahrscheinlich mal die Farbe Silber. Seine Augen, die aus tiefen Höhlen treten, sind veilchenblau. 
Er sieht aus wie der Prototyp eines Silbermenschen.
„Vater, warum haben sie keine Eltern?“, fragt das kleine Mädchen ungeduldig.
„Vielleicht sind ihre Eltern tot, oder wollen sie einfach nicht mehr.“, sagt ihr Vater mit einem traurigen Unterton.
„Sie wollen ihre eigenen Kinder nicht?“, fragt das kleine Mädchen verwirrt.
„Ja Mizuko, das ist sehr traurig, aber wahr.“, sagt ihr Vater und zieht sie zu einer Kutsche, während sie noch immer dem Jungen mit den veilchenblauen Augen ansieht.
„Ich wette er ist hübsch, wenn er gebadet hat.“, flüstert das kleine Mädchen noch.
„Mistress.“, höre ich die Stimme von Jemandem den ich kenne.
Ich hebe meinen Kopf aus dem Kissen: „Was?“
„Ihr solltet aufstehen uns euch bereit machen mistress.“, es ist die Stimme von Daichi: „Ihr müsst bald in die Kutsche einsteigen.“
„Hm? In welche Kutsche?“, frage ich.
„In die Richtung Schloss des Oberhaupts des Wasserclans.“, antwortet Daichi und rüttelt mich an der Schulter.
„Will nicht.“, murmle ich.
„Du musst.“, sagt er: „Das sind deine Pflichten, als Tochter von Nanami. Damit solltest du doch vertraut sein.“, er zieht mich hoch.
„Lass mich los.“, sage ich, ohne grossartige Überzeugungskraft.
„Sei still.“, sagt er unhöflich.
Ich verziehe mein Gesicht zu einer Schnute.
„Zieht euch an, das darf ich nicht sehen.“, sagt er.
„Hm?“, ich sehe ihn an und bemerke, das sein Blick abgewandt ist und er ist rot angelaufen: „Ich hab doch ein Nachthemd an.“
„Seid still und zieht euch an.“, murmelt er und dreht mir den Rücken zu.
Ich kichere leise, er erinnert mich an Kai am Anfang.
„Was ist so lustig?! Hm?“, seine Ohre sind jetzt auch rot.
„Nichts.“, kichere ich immer noch.
Nach dem ich fertig angezogen bin, dieses Mal ist das Kleid himmelblau.
„Ihr seht gut aus.“, sagt Daichi: „Frühstück gibst in dem Schloss des Wasserkönigs.“
„Weshalb Wasserkönig?“, heisst es nicht Oberhaupt.
„Oh, das ist nur weil er so aussieht wie Poseidon.“, lacht Daichi.
„Super, das Wasservolk ist überhaupt nicht hochnäsig, nein, nein.“, lächle ich.
„Kommt jetzt endlich.“, sagt Daichi genervt.
Ich steige endlich in die Kutsche, ausser mir fährt nur Daichi in derselben Kutsche.
„Wie lange brauchen wir?“, frage ich.
Ich hasse Kutschenfahrten.
„Lange.“, antwortet Daichi und schaut aus dem Fenster.
„Weshalb bist du eigentlich hier als mein Bodyguard angestellt?“, frage ich aus einer Langeweile heraus.
„Deshalb.“, antwortet er und ignoriert mich sonst.
„Haben sie dich adoptiert, oder ähnliches?“, frage ich ihn weiter, da es ihn zu nerven scheint.
„Nope.“, antwortet er.
„Sind deine Eltern zu arm und du musst für deine Geschwister sorgen?“, hacke ich weiter nach.
„Nope.“, sagt er erneut.
„Was dann?“, frage ich und verzweifle langsam.
„Geht es dich etwas an? Du sagst doch ich soll immer schweigen.“, antwortet er genervt.
„Ausser wenn du gefragt wirst.“, antworte ich fröhlich.
„Ja, du hast mich gefragt.“, antwortet er und schaut mich noch immer nicht an.
Plötzlich fällt mir etwas auf: „Warum duzt du mich manchmal und manchmal bist du übertrieben höflich?“, frage ich erstaunt.
„Weil es mir schwer fällt dich als mistress zu sehen.“, antwortet er und endlich sieht er mir in die Augen.
Ich kenne sie, diese fast schwarzen Augen.
Die mich so durchbohren können.
Die alles wissen.
Sie sind mir vertraut.

In der Halle des Wasserkönigs

„Du bist Daichi.“, flüstere ich.
„Das weisst du doch schon.“, sagt er lächelnd.
„Wieso bist du hier? Was ist mit deinen Eltern?“, frage ich verwirrt.
„Weisst du eigentlich was an deinem sechzehnten Geburtstag los war?“, fragt er mich kühl.
„Nein, ich war nicht auf meiner Feier. Ich habe, ähm, privat gefeiert.“, ja zusammen mit Kai.
„Nur kurze Zeit später haben dir deine Eltern erzählt, dass du mit Junkin verlobt bist, nicht wahr?“, fragt Daichi noch immer mit dieser furchtbar kalten Stimme.
„Woher weisst du das?“, frage ich ihn erstaunt.
„Nun, weisst du, Junkin war nicht der einzige der deinen Vater um deine Hand gebeten hat.“, sagt er, seine Stimme ist so kalt.
Daichi, so hiess ein Sandkastenfreund von mir.
Er kam aus dem Erdenclan, welcher dem Herrscherhaus schon immer sehr freundlich gesinnt war.
„Wer hat es denn auch noch getan?“, frage ich und werde rot.
„Nun, ein Prinz aus dem sechsten Clan, dem Tag und Nachtclan. Ein hoher Adliger aus dem Windclan...“, beginnt er zu erzählen.
„Was?“, frage ich erstaunt.
„Ja, auch wenn du es nicht bemerkst Mizuko, du bist schön, auch als deine Haare noch dieses helle braun hatten. Schon als wir uns das erste Mal gesehen haben warst du die Schönste.“, sagt er und wird rot: „Ausserdem waren das noch nicht alle. Wie du weisst hat auch Junkin um deine Hand gebeten, aber kurz vor ihm, kam noch ein Anderer, welcher bis Junkin kam gute Chancen gehabt hat.“
„Das warst du Daichi, der jüngste Sohn des Oberhaupts des Erdenclans.“, sage ich und greife nach seiner Hand.
„Ja, das war ich...“, sagt er und wird noch röter: „Lass los.“, er zieht seine Hand weg.
„Warum hast du um meine Hand angehalten?“, frage ich erstaunt.
„Weil ich dich mag...“, flüstert er leise.
„Du magst mich?“, frage ich erstaunt.
„Ja, schon als wir Kinder waren, wollte ich mich mit dir verloben.“, sagt er leise.
„Hast du jemals an mich gedacht?“, frage ich wütend.
„Was?!“, fragt er verwirrt.
„Ob du jemals daran gedacht hast, wie es mir dabei geht, wenn ich einfach so gesagt bekomme, dass ich so mir nichts dir nichts mit Jemandem verlobt bin. Egal was ich für diese Person empfinde?“, sage ich und werde richtig sauer.
„Ich habe darüber nachgedacht, aber mich dazu entschlossen, dass ich dich so sehr mag, dass mir deine Gefühle egal waren.“, sagt er leise.
„Wenn dir meine Gefühle egal sind dann magst du mich gar nicht so sehr, wie du behauptest.“, sage ich zornig und ziehe meine Lippen zu einem Schmollmund.
„Es tut mir leid.“, sagt er noch immer ruhig.
„Ach, sei still.“, sage ich, noch immer schmollend.
„Solange ich hier arbeite, bin ich sowieso bloss dein Schatten.“, sagt er und lächelt schwach.
„Ja.“, sage ich und lächle zurück.
„Wir sind bald da!“, höre ich die laute Stimme des Kutschers.
„Was schon? Daichi, du hast doch behauptet, dass die Fahrt lang geht.“, werfe ich Daichi vor.
„Jop, ich wollte dich bloss ärgern, so wie früher.“, sagt er und noch immer lächelt er.
„Stimmt du hast mich immer veräppelt.“, merke ich plötzlich: „Du hast mir mal erzählt, dass wenn ich schlafe, viele kleine Monster kommen und mir dabei zusehen!“, sage ich empört und beginne wieder zu schmollen.
„Das habe ich nie.“, sagt er und hält schützend die Hände vor das Gesicht, als ich beginne spielerisch auf ihn einzuschlagen.
„Doch das hast du. Wegen dir konnte ich nicht mehr allein in einem Bett schlafen.“, meckere ich.
„Nein, ich habe gesagt, ein kleines Monster kommt jede Nacht um dir beim Schlafen zuzusehen und das war die Wahrheit.“, sagt er, plötzlich ist er wieder ernst: 
„Ich konnte es nicht ausstehen, er war wie, äh, eigentlich wie dein Schatten.“
„Was? Mit dem kleinen Monster hast du Kai gemeint?“, sprudelt es aus meinen Mund.
Er sieht mich wieder ernst an.
„Der, der für dich wie ein Bruder ist, nicht wahr?“, meint er sarkastisch.
„Entschuldigung.“, murmle ich, jetzt liegt es an mir, mich zu entschuldigen.
„Schon okay, ich bitte dich nur, lüg mich nie wieder an. Ich weiss genau, wann du lügst. Du bist nämlich nicht sonderlich gut darin.“, sagt er und seine Stimmen klingt jetzt wieder fröhlicher.
„Aber woher wusstest du überhaupt von meinem Umzug?“, frage ich verdutzt, ich habe niemandem davon erzählt.
„Ich war auf Mokuzais Geburtstagsfeier.“, sagt er.
„Natürlich.“, flüstere ich monoton.
„Ich sollte seinen Namen wohl nicht aussprechen, nicht wahr?“, fragt er traurig.
„Ist schon in Ordnung...“, sage ich lächelnd, aber bevor ich es bemerke laufen mir schon wieder die Tränen über das Gesicht: „Entschuldigung.“, entschuldige ich mich erneut, dieses Mal mit gebrochener Stimme.
„Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen musst.“, flüstert er beruhigend und nimmt mich sanft in den Arm, zuerst will ich mich aus der Umarmung lösen, aber dann merke ich, wie sehr es mich tröstet.
Ich sollte dies hier nicht tun, ich weiss aber...
„Warum bist du hier?“, frage ich erneut.
„Ich habe davon gehört, dass du frei entscheiden kannst, wen du heiraten willst.“, beginnt er zu erklären.
„Ja und?“, frage ich, noch immer flüsternd.
„Ich hoffe eine Chance zu haben, von euch gewählt zu werden.“, antwortet er mit einer Stimme, die bloss noch so laut ist wie ein Hauch.
„Ich gebe dir die Erlaubnis mich zu duzen.“, flüstere ich ebenfalls: „Ich hab dich schon so lange nicht mehr gesehen.“
„Ja, seit seinem neunten Geburtstag.“, sagt er und schlägt die Augen nieder.
„Kurz nach dem ich zwölf geworden bin.“, antworte ich.
„Eher, als dein Vater dich zum zweiten Mal von der ganzen Welt abgeschottet hat.“, antwortet Daichi.
„Ja, als mir das erste Mal gesagt wurde, dass ich eine Prinzessin bin. Auch wenn es eine Lüge war. Aber danach bin ich zu einer Prinzessin erzogen worden.“, antworte ich traurig lächelnd.
Die Erziehung war hart und anstrengend und jetzt ist alles um sonst: „Weshalb wurde ich überhaupt in so vielem unterrichtet, wenn sowieso er an die Stelle meines Vaters treten wird.“, frage ich mich mehr selbst, als Daichi.
„Weil er krank ist, Mizuko. Für deine Eltern ist und bleibt er immer nur eine unsichere Zukunft.“, antwortet Daichi.
„Vielleicht, aber er wird sicher einmal ein guter Herrscher.“, sage ich und lächle stolz.
„Du bist immer noch so eine fürsorgliche Glucke?“, fragt er belustigt.
„Ich bin keine Glucke, ich bin seine Mutter.“, antworte ich empört.
„Hast du ihn geboren?“, fragt er mich.
„Nein, aber ihn grossgezogen, seit er vier Jahre alt ist, er kennt es gar nicht anders, ich war für ihn schon immer da. Aber er wurde mir vorenthalten und jetzt wird er mir weggenommen.“, sage ich und vergrabe mein Gesicht in meine Hände: „Dabei habe ich mich für ihn entschieden.“
„Du hast was? Dich für deinen Bruder entschieden? War dein Kai dir so wichtig?“, fragt mich Daichi erstaunt.
„Anscheinend nicht. Sonst hätte ich das Schloss noch vor meinem 16. Geburtstag verlassen.“, antworte ich: „Ich war zu feige mich zwischen meinem Bruder und meinem Geliebten zu unterscheiden.“
„Was ist denn daran feige, wenn man sich nicht zwischen seinem Geliebten und seinem Bruder entscheiden will, es ist doch völlig normal da man diese zwei Personen völlig unterschiedlich liebt. Wenn auch gleich stark.“, sagt er und sieht mir fest in die Augen.
„Danke.“, flüstere ich schwach.
„Schon okay, solange du beide irgendwann weniger liebst als mich.“, flüstert er schwach.
„Was hast du gesagt?“, frage ich erstaunt.
„Nichts, nichts.“, antwortet er schnell.
„Wir sind da, bitte steigt aus.“, höre ich die Stimme des Kutschers.
„Natürlich.“, antwortet Daichi sofort und steigt auf der rechten Seite aus: „Kommt, my mistress.“, sagt er darauf und streckt mir die Hand hin.
„Du musst nicht mehr so höflich sein, wir sind Kindheitsfreunde.“, sage ich lächelnd.
„Und wie lange hast du deinen vorherigen Bodyguard gekannt? Seit du sechs bist?“, fragt Daichi sarkastisch: „Er musste in der Gegenwart von Höhergestellten trotzdem dein Schatten sein, nicht wahr?“
Ich nicke, Kai war der perfekte Bodyguard, still und stark, stets um mein Wohlergehen besorgt.
Wir gehen einige Schritte auf das riesige Schloss zu. Wir sind in einem wunderschönen Wassergarten angekommen.
„Wow!“, sage ich und springe zu einem Teich mit Seerosen und Lotusblüten, plötzlich schiesst ein riesiger Wasserstrahl heraus.
„Wow!“, rufe ich noch mal und folge mit meinen Augen dem wunderschönen Strahl.
„Du bist tatsächlich eine Meerjungfrau.“, lacht Daichi, der hinter mich getreten ist: „Ich persönlich bevorzuge Blumen, welche ihre Wurzeln in die Erde graben.“
„Aber Daichi, diese Lotusblumen sind doch so schön und rein.“, antworte ich und schaue ihn mit leuchtenden Augen an.
„Wenn du in der Nähe von Wasser bist, wirst du wieder zum Kind.“, antwortet Daichi kopfschüttelnd: „Wir müssen zu Nanami und Ryoichi.“
„Jahaaaaa...“, antworte ich, aber ich kann meinen Blick kaum von den wunderschönen Blüten lösen.
„Komm jetzt endlich.“, sagt er und zieht mich an der Schulter mit.
„Entschuldigung...“, murmle ich und folge ihm zu der anderen Kutsche die ankommt.
Ryoichi steigt aus und hilft dann Nanami dabei.
Ich verbeuge mich vor meiner Tante: „Guten Tag Nanami.“
„Guten Tag Mizuko, du siehst heute bezaubernd aus.“, sagt Nanami.
Ich erröte: „Danke vielmal Tante.“
Ich sehe an mir herunter. Mein Kleid ist ärmellos, nur zwei Perlenketten halten es von auf meinen Schulter, das helle blau strahlt und weitere Perlenketten schmücken es.
„Schon in Ordnung, aber jetzt müssen wir hinein gehen, sonst machen wir den Wasserkönig noch wütend.“, antwortet sie.
Wir setzen uns in Bewegung, ich gehe zwischen Daichi und Nanami. Als wir in die Eingangshalle kommen, begrüsst uns einige Hausmädchen.
„Guten Tag. Wir begrüssen sie hier in der Halle des Wasserkönigs.“, sagen sie alle gleichzeitig.
„Guten Tag.“, antwortet Nanami kühl.
„Guten Tag.“, sage ich ein wenig freundlicher, als Nanami.
„Guten Tag.“, Ryoichis Stimme klingt noch kühler als Nanamis, er ist wohl stolz.
„Guten Tag!“, sagt Daichi schon fast zu fröhlich, die Bediensteten sehen ihn belustigt an.
„Nur weil du nicht mehr als Prinz des Erdclans unterwegs bist, bist du immer noch mein Bodyguard, also sei ein wenig arroganter.“, flüstere ich, hab das wirklich ich gesagt?
„Bitte lass mir diesen Spass.“, flüstert er zurück.
Ich seufze tief, wir werden in einen Thronsaal geführt.
„Das kennen wir doch irgendwoher.“, flüstert er mir zu.
„Hey, meiner war viel grösser als deiner.“, antworte ich: „Und ich musste ihn nicht mit drei Brüdern teilen.“
„Du hast ja recht, wie immer.“, antworte ich lächelnd.
„Ich freue mich euch zu sehen, Mizuko.“, begrüsst uns der Wasserkönig.
Ich verbeuge mich, ich kenne ihn und seine Familie ziemlich gut, schliesslich war meine Existenz mal dem Clan gewidmet.
„Guten Tag.“, sagen wir dieses Mal alle gleichzeitig.
„Mizuko, dass ist ja schon so lange her.“, höre ich die Stimme eines Mädchens.
„Aber wir haben uns doch an meinem Geburtstag das letzte Mal gesehen, Amaya.“, antworte ich und verbeuge mich vor ihr.
„Hör doch auf meine Mizuko. Wir kennen uns doch schon seit ich denken kann.“, sagt sie, plötzlich flüstert sie ihrem Vater etwas zu, dann sieht sie ihn bittend an.
„Was hat sie?“, fragt mich Daichi.
„Sie ist ein kleiner Wildfang, normalerweise...“, aber weiter komme ich nicht.
„MIZUKO!“, ruft Amaya und springt auf mich an, sie schlingt ihre Arme um mich und küsst mich auf die Wange.
„Warum hast du mich nicht besucht Mizuko?“, fragt sie mich und funkelt mich böse an.
„Es tut mir Leid Kleine.“, sage ich und erwidere ihre Umarmung.
„Du hast aber einen guten Draht zu Kindern.“, sagt Daichi erstaunt.
Nanami und Ryoichi sehen mich fassungslos an.
Ich mache ein entschuldigendes Gesicht.
„Mizuko, jetzt bin ich über dich gestellt.“, sagt die Kleine fröhlich.
„Das ist ja toll, aber langsam wirst du mir zu schwer.“, sage ich und stelle sie wieder auf den Boden.
„Och, mannometer.“, sagt sie und lacht.
„Woher hast du denn wieder den Ausdruck?“, frage ich ebenfalls lachend.
„Von einem Diener. Mein Vater sagt er soll mir keine solchen Ausdrücke mehr beibringen.“, sagt sie lachend.
„Da hat dein Vater Recht.“, antworte ich: „Und jetzt solltest du wieder zurück zu deinem Vater gehen.“, sage ich und drehe sie um.
Sie lächelt mich an und geht dann wieder zurück auf ihren Thron.
Ihre Mutter sieht ihren Vater böse an, doch der zuckt nur mit den Schultern.
„Er kann seiner Tochter nichts abschlagen.“, flüstere ich Daichi zu.
„Ich weiss, obwohl wir nicht viel mit den Wassermenschen zu tun haben.“, antwortet dieser zurück.
Wassermenschen sind sehr ruhige, wenn auch sehr unbeständige Wesen. Ihre Art ist ruhig, aber etwas in ihnen treiben sie stets zum Fortschritt an.
Erdmenschen sind ebenfalls ruhige Menschen, aber sie ehren ihre Traditionen mehr und mögen den Fortschritt nicht sonderlich. Deshalb kriegen sich die beiden auf den Versammlungen der Clans immer in die Haare, dafür halten die Luftmenschen immer zu den Wassermenschen.
Ein ziemlich aufgespaltetes Volk, über das ihr ehemaliger Vater regiert hat.
„Es würde mich ehren, wenn ihr noch zum gemeinsamen Dinieren bleiben würdet.“, spricht der Wasserkönig.
„Natürlich, es wäre uns die grösste Ehre.“, antwortet Ryoichi.
„Meine Diener werden euch in den Speisesaal begleiten.“
Wir haben mit unseren Gästen immer im kleinen Festsaal gegessen, nicht im gewöhnlichen Speisezimmer, denke ich mir, folge allerdings Nanamis Rücken, neben mir Daichi.
„Woher kennst du eigentlich die Kleine Prinzessin so gut?“, fragt mich Daichi.
„Sie hat uns oft besucht, es gibt nicht viele Kinder der Herrscher in ihrem alter und sie und Mokuzai verstehen sich gut.“, antworte ich.
Ich habe seinen Namen ausgesprochen, wie seltsam er jetzt klingt.
„Aha, also ist die Hochzeit zwischen den beiden schon beschlossene Sache und ich kann anfangen Einladungskarten zu schreiben?“, fragt Daichi.
„Ich glaube nicht, dass Amaya etwas dagegen hat. Sie hat Mokuzai immer angehimmelt, nur glaube ich, dass Mokuzai noch nicht sehr schnell seine Frau wählen wird, er ist doch erst 14.“, sage ich beschwichtigend und stutze plötzlich: „Weshalb solltest du für Mokuzai Einladungskarten schreiben?“
„Na ja, als zukünftiger Schwager und sicherlich auch einer der Trauzeugen.“, antwortet Daichi lachend und seltsamerweise werde ich nicht mal sonderlich wütend.
Auch wenn ich weiss, dass ich niemals heiraten werde.
Es wäre Betrug.
Völlig unvorstellbar.
„Ach, das nennen sie also ‚Speisesaal?’“, fragt Daichi sarkastisch und sieht in den riesigen Saal, der dem kleinen Festsaal meines alten Heimatschlosses erstaunlich nahe an Grösse ankommt.
„Wassermenschen sind stolze Wesen.“, antworte ich und zucke mir den Schultern.
„Und du grenzt dich da ganz aus, oder was?“, fragt Daichi mich belustigt.
„Nein, auch ich habe meinen Stolz, ich bin stolz genug, dass ich niemals einen einfachen Bodyguard heiraten würde.“, antworte ich und versetzen Daichi damit einen Schlag in das Ego.
„Warum?“, fragt er theatralisch, während wir den Weg zum Tisch in der Mitte des Saales antreten.
Nachdem wir uns gesetzt haben, kommt durch eine andere Tür der Wasserkönig, seine Frau, seine zwei Töchter und sein Sohn.
Amaya ist mit elf Jahren das älteste Kind, danach kommt ihr kleiner Bruder, der acht Jahre alt ist und danach ihre kleine Schwester, die knapp fünf Jahre alt ist.
Sie setzt sich neben mich.
Ihre kleinen Geschwister folgen ihnen auf Schritt und Tritt, sie halten sich beide an ihrem Kleid fest und sehen mich mit grossen Augen an. Als ich sie freundlich anlächle, weichen sie zuerst zurück, lächelt dann aber auch.
„Söne Swester.“, sagt das kleine Mädchen und zeigt auf mich.
„Sie ist nicht deine Schwester, meine Kleine. Ihr Name lautet Mizuko.“, antwortet Amaya und lächelt die Kleine an.
„Misuto?“, fragt sie.
„Genau.“, sagt Amaya fröhlich und stupst sie an die Nase.
„Nehmt doch bitte alle Platz.“, sagt der Wasserkönig und alle folgen seiner Aufforderung.
Nach dem Essen, müssen wir dann auch gehen, es passiert nichts weiter, ausser dass ich wieder Fisch essen muss. Aber daran werde ich mich wohl gewöhnen müssen.
„Hey, wie geht es eigentlich Mokuzai?“, fragt mich Amaya.
„Ich glaube es geht ihm sehr gut, er soll immer grösser und schöner werden. Klug war er ja schon immer, aber er arbeitet ein Wissensgebiet nachdem anderen ab.“, antworte ich, dass sind alles Informationen die ich von Kai bekommen habe.
„Weshalb weisst du es nicht genau?“, fragt Amaya bestürzt.
„Ich habe ihn schon seit einem Jahr nicht mehr gesprochen.“, sage ich und lächle traurig.
„Wie lange bist du denn schon bei Nanami?“, fragt mich Amaya erstaunt.
„Erst seit einem halben Jahr, aber ich durfte Mokuzai ein halbes Jahr lang nicht sehen, auch als ich noch zuhause wohnte.“, antworte ich und senke meinen Blick, aber auf meinem Teller starrt mich bloss ein Fisch aus leeren Augen an, also sehe ich zu Daichi. Welcher mich darauf natürlich fragend mustert.
„Oh, dann hat er dich sicher ganz furchtbar vermisst, Er hat dich ja schon vermisst, als ihr bloss zwei Tage getrennt wart.“, sagt Amaya fröhlich.
„Er ist nicht mehr der kleine Junge von früher, er hat sich sehr verändert.“, antworte ich schwach lächelnd.
„Er liebt dich bestimmt genau so wie früher und bestimmt ist er immer noch der gleiche, etwas ungeschickte, aber furchtbar süsse Junge.“, sagt sie und wird rot.
Ich lächle, Amaya hatte schon immer eine Schwäche für Mokuzai, sie hätte bestimmt kein Problem damit, wenn Mokuzai sie als Herrscherin an seiner Seite anerkennen würde.
„Wie geht es dir in dem Landsitz deiner neuen Vormünde, Mizuko?“, fragt mich die Wasserkönigin freundlich lächelnd.
„Es ist sehr schön und der Fluss, der dort fliesst führt so klares Wasser wie ich es noch nie gesehen habe, ausser natürlich in eurem Garten. Die Wasserblumen sind ausgesprochen hübsch.“, antworte ich ebenfalls lächelnd und wechsle fast automatisch in den höflichen Sprechstil, der mir meine Erzieher beigebracht haben.
„Danke, ihr seid immer noch so entzückend und so wunderbar zuvorkommend, wie die Herrscherin selbst. Ich wünschte alle unsere Adligen hätten eine solche Erziehung genossen.“, antwortet die Wasserkönigin freundlich.
„Danke sehr, ich fühle mich ausser ordentlich geschmeichelt, aber dieses Kompliment kann ich euch ebenfalls machen. Ich empfinde nichts als Freude, wenn ich mit euren Kindern zusammen bin. Sie sind höflich und dennoch so freundlich, ich hoffe, dass ich meine Kinder irgendwann auch so wundervoll erziehen kann.“, antworte ich und nicke ihr höflich zu.
Amaya neben mir langweilt sich sichtlich, genau diese Art von Gespräch muss sie mit ihren Eltern bei jedem Besuch anhören.
„Ihr wollt also auch Kinder, Mizuko?“, fragt mich der Wasserkönig.
„Natürlich, ich liebe Kinder und ich kann es kaum erwarten meine eigenen grosszuziehen.“, antworte ich.
‚Lügnerin.’, sagt mir eine innere Stimme, du weisst genau, dass du niemals heiraten wirst, dass du niemals Kinder bekommen wirst.
„Habt ihr denn schon einen passenden Ehemann in Aussicht?“, sagt die Wasserkönigin lachend.
„Ich war schon Mal verlobt, aber es ist nichts daraus geworden. Aber so unglücklich war ich darüber nicht, nach meinem Umzug wollte er nichts mehr von mir wissen.“, sage ich lächelnd.
„Ach ja stimmt, der Prinz des Diamantclans, nicht wahr?“, fragt die Wasserkönigin.
„Ja.“, antworte ich knapp um das Thema zu beenden.
Schon sehr bald nach diesem Gespräch wird das Dinier beendet und wir gehen wieder in Richtung Landsitz.
„Das war jetzt gar nicht so spannend. Ich dachte es sei sehr ganz anders, wenn man nicht dazugehört, aber die meiste Zeit, durfte ich ja sowieso nicht reden.“, sagt Daichi auf dem Weg zu den Kutschen und verschränkt die Arme hinter seinem Kopf.
„Daran hättest du denken sollen, bevor du zu meinem Bodyguard geworden bist.“; antworte ich schnippisch.
„Aber wenn du erst Mal im Erdschloss wohnst, wird für mich wieder alles so sein wie früher.“, antwortet er und schlingt die Arme um mich.
Ich winde mich aus seiner Umarmung und antworte: „Ausser das du wieder ganz allein zu deinem Schloss gehen wirst.“
„Wir werden ja sehen.“, sagt er und sieht in den Himmel.
„Kaum.“, antworte ich und lasse mir von ihm helfen in die Kutsche einzusteigen.
„Doch, doch.“, sagt er, während er selbst in die Kutsche steigt.
„Ich hasse Kutschenfahrten.“, murmle ich, während dem ich aus dem Fenster in der Türe sehe.
„Warum eigentlich?“, fragt Daichi.
„Sie erinnern mich an Abschied, mehr nicht.“, antworte ich und sehe weiterhin aus dem Fenster.
„Sind Abschiede etwas Schlechtes?“, fragt Daichi und mustert mich genau.
„Endgültige Abschiede schon.“, antworte ich.
„Die Einzigen Endgültige Abschied ist der Tod. Wenn man nicht stirbt, kann man sich auch sehen.“, antwortet Daichi.
Ich sehe ihn lange schweigend an, sehe sein braun gebranntes Gesicht.
„Aber...“, flüstere ich.
„Was bin ich für ein Idiot.“, lacht er plötzlich: „Wieso erzähl ich dir das? Das verringert doch bloss meine Chancen bei dir.“
„Ich werde niemals heiraten, du hast und wirst niemals Chancen haben.“, sage ich stur.
„Aber du willst doch Kinder, stelle dir doch mal vor, wie süss unsere Kinder aussehen werden.“, sagt er lachend.
Unwillkürlich habe ich ein Bild vor Augen, ein kleines Mädchen, dessen Azurblaue Haare leicht gewellt sind und das mich mit freundlich violetten Augen ansieht, sie lacht. Natürlich stelle ich mir vor, wie meine und Kais Tochter aussehen würde.
Vielleicht auch silberne Haare und blaue Augen.
„Und wie sieht unser Kind aus?“, fragt er neugierig.
„Als würde mich das interessieren.“, antworte ich und schweige dann.
Von Zeit zu Zeit sehe ich der vorbeiziehenden Landschaft zu.
Plötzlich wiehern die Pferde auf.
„Was ist los?!“, frage ich Daichi erschrocken und versuche mich festzuhalten, da der Wagen gerade einen Satz macht.
„Ich weiss nicht...“, sagt Daichi seine Stimme klingt ruhig, aber auch seine Augen sind vor Schreck geweitet.
Er macht die Türe auf um den Kutscher etwas zu fragen, ich verstehe nicht was er sagt, aber als sein Kopf wieder in der Kutsche steckt, sie er mich an. Jetzt sieht man ihm seine Angst deutlich an.
„Raus hier.“, flüstert er.
„Aber die Kutsche ist in voller Fahrt, sie beschleunigt sogar noch!“, sage ich und meine Angst wird langsam zu Panik.
„Es geht nicht anders, unser Kutscher wurde von dem Kutschbock geworfen und ein Mädchen mit pinken Haaren steuert die Kutsche jetzt.“, antwortet er.
„Pink?“, frage ich erstaunt.
„Jetzt ist nicht die Zeit sich um Haarfarben sorgen zu machen. Wir springen gemeinsam heraus. Ich werde einen Schutz um dich bilden, komm.“, er öffnet die Tür, dann seine Arme und ich begebe mich wieder willig hinein, der Fahrtwind zieht an uns vorbei.
Ich spüre wie sich sein Griff um mich verstärkt. Er wird einen Käfig um mich bilden.
Ich kenne das, theoretisch bin ich so einen Notfall schon hundert Mal durchgegangen.
Theoretisch ja.
Und da war der Mensch ein völlig unbekannter, kein Sandkastenfreund.
„Eins, zwei, drei.“, zählt Daichi leise und springt dann.
Es fühlt sich seltsam an, wie ein endloser Flug, obwohl wir doch bloss wenige Sekunden in der Luft schweben.
„Sieh an, sie ist tatsächlich so doof, wie ihre Haare blau sind.“, höre ich eine weibliche Stimme und sehe nach oben.
Daichi rollt von mir runter und stöhnt leise.
„Daichi!“, sage ich erschreckt und sehe sofort nach ihm.
„Ihm geht’s gut.“, sagt die weibliche Stimme und tritt mich in die Magengegend: „Und du bewegst dich nicht, hast du mich verstanden?“
Ich krümme mich unter dem Schmerz, den ihren Tritt verursacht hat.
„Ja.“, antworte ich und höre plötzlich ein vertrautes Geräusch, dass erste Mal, seit ich aufgewacht bin heute Morgen.
Mein Glöckchen, ich sehe wie es davon rollt und strecke die Hand nach ihm aus.
Als meine Finger das kalte Metall umschliessen, fühle ich mich ein wenig getröstet.
Mir geht es doch gut, warum brauche ich Trost.
Es ist meine erste Entführung, ich kann doch glücklich sein, dass nicht Kai dabei ist.
Aber warum weine ich dann, warum wünsche ich, es wäre genau umgekehrt.
Warum kann er nicht einfach hier sein und mich trösten.
„So, da bin ich wieder, schlaf gut.“, höre ich die Stimme wieder.
‚Schlaf gut?’, frage ich mich, aber da bin ich schon weggetreten.
Das kleine Mädchen geht ein zweites Mal auf dieser Strasse, wieder kommt es von einem Besuch.
Auch beim zweiten Mal bleibt sie vor jedem Juwelier stehen und drückt ihre kleine Stupsnase dagegen.
Aber eigentlich sucht sie nach etwas anderem, als sie das letzte Mal hier war, gab es furchtbar viele Kinder, die einfach so auf der Strasse sassen.
„Papa, warte!“, ruft sie ihrem Vater zu, als sie wieder zu lange an einem Schaufenster stehen geblieben ist, ohne dass ihr Vater es gemerkt hat.
Sie rennt kopflos in die Menge, kann aber den breiten Rücken ihres Vaters nicht finden.
„Pass doch auf Göre!“, fährt ein Mann sie an, als er fast auf das kleine Mädchen drauf tritt.
„Sie sind der, der aufpassen sollte.“, hört sie eine Stimme und sieht sich um.
Es ist das eine Bettelkind vom letzten Mal, das mit den violetten Augen.
„Komm, ich bring dich zu deinem Papa.“, sagt der Junge und nimmt das kleine Mädchen an der Hand.
Das Mädchen nickt und gemeinsam gehen sie in die Menge.
„Mizuko!“, ruft eine dem Mädchen bekannte Stimme.
„Das ist Papa.“, sagt das Mädchen und stürzt auf den grossen Mann zu, er umarmt das kleine Mädchen stürmisch.
‚Ich werde wohl nicht mehr gebraucht’, denkt sich der Junge und dreht sich wieder zu seiner Bettelecke.
„Papa, Papa, der Junge da hat mir geholfen, kannst du und Mama ihm nicht auch ein wenig helfen?“, fragt das kleine Mädchen, das jetzt auf den Schultern ihres Vaters sitzt.
„Natürlich, wenn er mir meine kleine Mizuko wieder mitgebracht hat, bekommt er alles was er will. Komm mit Junge, du kannst mit uns in der Kutsche fahren.“, sagt der grosse Mann und streckt dem Jungen die saubere und gepflegte Hand entgegen.
Der Junge sieht auf seine eigenen Hände, sie sind dreckig, die Nägel abgebrochen, schon lange hat er keine solche Hand wie die des Mannes gesehen.
Sein Vater hatte solche Hände, geschickte Hände.
Er greift nach der Hand und hört das Mädchen lachen, sie greift nach einem Schmetterling, der versucht der Stadt zu entkommen.
‚Süss’, denkt sich der Junge.
„Wie heisst du überhaupt?“, fragt der Mann, als se alle in der Kutsche sassen, das kleine Mädchen schlief in den Armen ihres Vaters.
„Auf der Strasse hat man mich Gin genannt.“, sagt der Junge kurz angebunden.
„Und wie lautet der Namen, den dir deine Eltern gegeben haben?“
„Kai.“, antwortet der Junge.
„Gut Kai, ich weiss nicht was mit deinen Eltern los ist, aber deinem Aussehen nach zu urteilen, nist du nicht als Bettler geboren, nicht wahr?“, fragt der grosse Mann und das Mädchen murmelt irgendetwas im Schlaf.
„Meine Eltern waren Wächter, die besten, die es gab.“, sagt er.
„Ein Wächterspross also.“, sagt der grosse Mann: „Meine Tochter ist sehr wichtig, du wirst irgendwann auch erfahren wieso. Aber was ich eigentlich fragen will ist: Möchtest du nicht Bodyguard meiner Tochter werden. Jetzt bist du erst als Spielgefährte angestellt, aber wenn ihr älter seid und mehr versteht, dann müsst ihr für den Schutz meiner Tochter sorgen.“
„Was ist mein Lohn?“, fragt der Junge, nicht das es nicht entscheidend war.
Er würde den Job so oder so annehmen, wann die nächste Chance geboten wird weiss man nie.
„Du darfst bei uns wohnen, bekommst von uns Essen und ein angemessenes Taschengeld. Wenn meine Tochter allerdings dich nicht mag, dann werde ich dich wieder entlassen müssen.“, sagt er, lächelt dann aber liebevoll auf das kleine Mädchen hinab, welches sich an seinen Mantel krallt: „Aber das glaube ich kaum, sie ist ein herzensguter Mensch.“
„Ich mach ’s.“, sagt Kai und sieht dann aus dem Fenster.
Mein Kopf ist ganz schwer und was ist das für ein nervendes Geräusch im Hintergrund.
„Na, endlich wach?“, fragt mich die weibliche Stimme.
„Ja.“, antworte ich: „Was willst du von mir.“
„Aber, aber nicht so feindselig Cousinchen.“, sagt das Mädchen und ihre pinken Haare fallen ihr über die Schulter, als sie sich vorbeugt.
„Cousine, dann bist du?“, frage ich verwirrt.
„Genau, ich bin Nanamis Tochter. Freut mich Nachfolgerin.“


Pfirsichkern

„Nachfolgerin?“, frage ich entgeistert.
„Halloho?“, sagt das Mädchen und schlägt mit der flachen Hand vor die Stirn: „Was glaubst du weshalb meine Mutter und ihr Mann sich bei ihnen aufgenommen haben. Bestimmt nicht aus Nächstenliebe.“
Das Mädchen nimmt eine Flasche in die Hand, setzt sie an die Lippen und nippt an dem Inhalt, den sie allerdings sofort wieder ausspuckt.
„Igitt, wer trinkt denn das Gesöff hier?“, fragt sie in die Runde, aber niemand antwortet.
„Wo bin ich?“, frage ich, aber dann fällt mir sofort die nächste, viel wichtigere Frage ein: „Wo ist Daichi.“
„Aha, Daichi heisst dein Schnuckel also. Ihm geht’s gut.“, antwortet sie und sucht nach einer anderen Flasche.
„Was willst du überhaupt von mir?“, frage ich und werde langsam wütend.
Ich kann mich nicht bewegen, ich spüre das Betäubungsmittel immer noch in allen meinen Gliedmassen. Ich liege auf einem staubigen Parkettboden, der über und über mit leeren Flaschen voll gestellt ist.
„Von dir? Von dir will ich gar nichts Zuckerpüppchen.“, antwortet sie und versucht gerade mit einem Messer Dreck unter ihren Fingernägeln zu entfernen.
„Und wieso hast du mich dann gekidnappt?“, frage ich weiter.
„Ich will meiner Mutter und ihrem dämlichen Ehemann einen Denkzettel verpassen.“, antwortet sie: „Man sollte nicht versuchen mich einfach so auszuwechseln.“
„Aber du bist doch selbst weggerannt?“, frage ich erstaunt.
„Hey, ich bin aus gutem Grund weggerannt, du kannst mir dankbar sein, dass ich dich daraus befreit habe.“, sagt sie und jetzt bohrt sie in ihren Ohren.
„Du bist eklig.“, sage ich und starre sie angewidert an, aber gleichzeitig merke ich, wie ich meine Arme langsam wieder bewegen kann.
„Boah, bist du unhöflich. Ich dachte du wärst gut erzogen worden, ey.“, sagt das Mädchen und beugt sich näher zu mir.
„Wer ist hier unhöflich, du hast mich entführt, oder nicht?“, antworte ich.
„Hm, irgendwie hast du Recht.“, sagt das Mädchen: „Ich hab dir ja noch nicht mal meinen Namen gesagt, obwohl ich deinen auch nicht kenne. Wie heisst du?“
„Mein Name ist Mizuko.“, antworte ich.
„Mizuko, was für ein schöner Name. Hat dich meine Mutter so genannt?“, fragt das Mädchen.
„Nein.“, antworte ich und frage sie dann: „Wie heisst du denn?“
„Man nennt mich Momo.“, antwortet das Mädchen.
„Momo? Nanami hat dich doch sicher nicht Pfirsich genannt, oder?“, frage ich erstaunt.
„Nö, aber die Jungs hier. Jungs sagt mal hallo zu Mizuko.“, sagt Momo.
Einige murmeln nur wenige sagen wirklich hallo und eine Stimme sagt es voll Enthusiasmus.
„Nicht so fröhlich alle miteinander.“, sagt Momo und beginnt zu lächeln.
Ich habe dieses Spiel jetzt endgültig satt und richte mich auf.
Ich sehe in den Raum, wahrscheinlich 15 Menschen sitzen und stehen an der anderen Seite des Raums. Einige neugierig andere voller Abneigung, nur einer sieht freundlich aus.
„Wer sind die?“, frage ich Momo.
„Wir sind Rebellen. Mehr nicht, ich bin das einzige Mädchen.“, antwortet Momo-
„Und wo ist jetzt Daichi?“, frage ich und stehe auf, ich bin ein wenig grösser als Momo.
„In einem anderen Zimmer in diesem Haus, aber ich würde dir nicht raten nach draussen zu gehen. Das hier ist nicht deine Welt.“, sagt einer der Jungs.
„Woher willst du wissen was meine Welt ist?“, frage ich ihn stelle mich drohend vor ihn.
„Hey, mach mich nicht fertig, nur weil ich nicht aus goldenen Tellern gegessen habe, als ich klein war.“, antwortet er und steht jetzt auch auf.
Er ist etwas grösser als ich.
„Das heisst du bist kein Adliger?“, frage ich ihn.
„Nein, ausser Momo kommt niemand aus einem hohen Haus.“, sagt der Mann, der mich als einziger anlächelt.
„Dann redet nicht über Dinge von denen ihr keine Ahnung habt.“, antworte ich.
„Wahnsinnig schwer mir das vorzustellen.“, sagt einer.
„Könnt ihr euch vorstellen wie es ist Tag ein Tag aus nicht aus seinem Zimmer gehen zu dürfen. Bis ich sechs Jahre alt war, existierte ich gar nicht. Ich wurde herumgereicht wie ein Bündel Stroh.“, sage ich wütend und sehe sie mit festem Blick an: „Ich kenne keine Freiheit, ich darf mich niemals verlieben und ich kann mir meine Freunde nicht selber aussuchen, ich muss manche Menschen ignorieren und andere mit Freundlichkeit überschütten. Super Leben, oder?“
Alle im Raum schweigen.
„Eben.“, füge ich noch an, hebe dann mein Kleid an, damit ich besser laufen kann: „Nicht mal meine Beine können sich frei bewegen.“
Nur zwei Menschen lachen darüber, während ich aus der Türe gehe.
‚Als wäre mein Leben der pure Spass, also bitte...’, denke ich mir und öffne eine Tür, aber darin ist nichts.
„Wo ist dieser Holzkopf?“, frage ich noch immer gereizt.
„Meinst du mich?“, höre ich eine bekannte Stimme.
„Daichi.“, sage ich und werfe mich ihm um den Hals.
„Hey nicht so stürmisch Mistress. Auch wenn ich nichts gegen deine Umarmung habe.“, sagt Daichi und legt mir eine Hand auf den Kopf. Sofort springe ich zurück und werde rot.
„Du solltest nicht laufen, du bist sicher verletzt.“, sage ich besorgt.
„Ach nicht der Rede wert. Nicht stärker verletzt, als wenn ich mit meinen Brüdern früher gekämpft habe.“, antwortet Daichi und macht eine wegwerfende Handbewegung.
„Und um so einen Idiot habe ich mir Sorgen gemacht.“, sage ich kopfschüttelnd.
„Du hast dir Sorgen gemacht?“, fragt er belustigt.
„Ach sei still.“, sage ich und mache seine typische Bewegung, indem ich meine Hände hinter meinem Kopf verschränke.
„Hey, hier sind die Regeln aufgehoben, ich bin hier nicht mehr dein Bodyguard.“, sagt Daichi.
„Und wer hat mich als Mistress bezeichnet?“, frage ich und öffne die Tür zu dem Raum in dem Momo und die anderen waren.
„Sei nicht immer so kleinlich.“, sagt Daichi und macht die Tür hinter sich zu.
„Ich bin wie ich bin, du kannst mich nicht mehr erziehen.“, sagt er.
„Ach ja? Ich hab dich auch schon früher erzogen, als dir deine Brüder Flausen in den Kopf gesetzt haben.“, antworte ich belustigt.
Plötzlich ist sein Gesicht wieder ganz nah: „Ich bin aber kein Kind mehr, Mizuko.“
Er lächelt auf eine seltsame Weise.
„Da seid ihr also.“, höre ich Momos Stimme, ich drehe mich um, heilfroh für die Unterbrechung. Hinter ihr läuft der einzige, welcher freundlich zu mir war.
„Was macht ihr hier? Wir wollen Gekoh spielen.“, sagt sie.
„Gekoh. Gekoh!“, lacht der Mann hinter ihr, bestimmt ist er älter als ich und Daichi, wahrscheinlich auch als Momo.
„Der Idiot hier.“, sagt Momo und stösst ihm einen Ellenbogen in die Rippen, „Heisst Tsubasa.“
„Schön dich kennen zu lernen, Tsubasa.“, sage ich und lächle freundlich, man erkennt sofort seine Herkunft, die nachtschwarzen Haare und die Augen, die nur eine feine schwarze Umrandung um die Iris und die schwarzen Pupillen als Farbtupfer haben, deuten hundertprozentig auf einen perfekten Nacht du Tagclan Mischling.
„Wow, du bist so süss, viel süsser als Momo.“, meint er plötzlich und mustert mich eindringlich, „Kaum zu glauben das ihr verwandt seid.“
„Boah, ja, ja ich weiss, ey, ich bin gar nicht süss. Also spielt ihr mit?“, fragt Momo noch einmal.
Ich sehe Tsubasa verwirrt an und antworte dann: „Ich kenne leider die Regeln des Spiels nicht.“, dazu setze ich mein entschuldigendes Lächeln auf.
Sofort spürte ich wie zwei Arme sich um mich schlingen und ich aufgehoben wurde.
„So süss!“, ruft Tsubasa aus und hebt mich mit einer Kraft auf eine seiner Schultern, mit der ich nie gerechnet hätte, „Momo, kann ich Mizuko als Haustier halten, sie ist so süss!“
„Ich glaube kaum dass die Tochter des Herrschers sich als Haustier eignen würde Tsubasa.“, sagt Momo kopfschüttelnd, „Also lass sie los.“
„Du hast Recht.“, lacht er und lässt mich wieder runter.
Bin ich wirklich so ein Federgewicht?
„Komm wir erklären dir Gekoh, lass uns spielen!“, ruft Momo und zieht mich am Arm mit in das grosse Zimmer von vorhin.
Lange spielen die anderen und ich schau bloss zu und
Bis Momo plötzlich aufsteht, alle warten bis sie gesagt hat man könne weiter machen.
"Warum ist eigentlich Momo eure Anführerin?", frage ich nach dem nächsten Spiel, "Bloss weil sie adlig ist?"
"Das hat nichts damit zu tun.", sagt Tsubasa freundlich.
"Warum dann?", frage ich erneut.
"Weil sie die Stärkste ist, ganz einfach.", antwortet ein anderer lachend.
"Nicht ganz, der neue ist eigentlich der Stärkste, oder?", fragt Tsubasa.
Einige gemurmelte Jas meine ich zu hören.
"Der Neue?", frage ich, während ich Neko streichle.
"Irgend so ein Typ aus der Silberclan Abteilung.", antwortet Tsubasa und gesellt sich zu mir und Neko, um ihn auch zu streicheln.
Ich merke das Daichi eine aufmerksamere Haltung einnimmt. Das wäre dann doch zu viel Zufall auf einmal, er wird kaum hier sein.
"Er ist der Einzige, der dem Charme der Chefin nicht erliegt. Sonst sind alle ein wenig in sie verknallt. Aber er sagt immer, er wäre schon verliebt. Dabei mag die Chefin ihn."
"Was für eine Verschwendung!", ruft einer.
"Kennst du eigentlich Jemanden von da?", fragt mich Tsubasa: "Er war es nämlich, der den Einfall hatte dich zu holen. Aber im Moment ist er gerade auf Beutezug."
Daichi sitzt noch angespannter da als sonst. Er ist sich wohl ziemlich sicher.
"Ja ich kenne Jemanden.", antworte ich freundlich lächelnd.
"Mizuko ist so niedlich!", sagt Tsubasa und umarmt mich so stark, dass er beinahe Neko zerquetscht. Er hat wohl einen Narren an mir gefressen, ich lasse es stumm über mich ergehen.
"Lass sie los.", knurrt Daichi und zieht Tsubasa von mir weg.
"Seltsam, das gleiche wollte ich gerade sagen.", höre ich eine bekannte Stimme und merke wie sich meine Augen mit Tränen füllen.
Aber warum klingt die Stimme so kalt?
Warum ist diese Stimme hier?
Sie sollte doch...
"Kai!", sprudelt es über meine Lippen, bevor ich denken kann. Ich springe auf meine Füsse und renne in den grossen Körper hinein.
"Kai!", sage ich noch einmal, etwas leiser und schlinge meine Arme um ihn.
"Hallo Mizu.", sagt die Stimme, ich spüre seine Hand auf meinem Kopf. 
Seine Stimme klingt schon etwas wärmer.
Als ich nach oben sehe, blicke ich direkt in die violetten Augen, die ich so sehr vermisst habe. Sie sehen liebevoll auf mich herab.
"Also kennt Mizuko ihn doch!", stellt Tsubasa fest und ich erinnere mich wieder daran, dass noch andere Personen im Raum sind.
Besonders eine. Ich kann seine Wut bis hierher spüren.
Ich lasse Kai wieder los, greife aber im selben Atemzug nach seiner Hand.
"Du bist also der, der wie für Mizuko wie ein Bruder ist.", sagt 
Daichi und richtet sich auf. Er ist so gross wie Kai.
"Wie ein Bruder?", fragt Kai erstaunt.
Nicht gut, das ist gar nicht gut.
"Das hat mir Mizuko auf jeden Fall gesagt.", antwortet Daichi charmant lächelnd.
"Woher kennst du Mizuko überhaupt?", fragt Kai anstatt weiter auf das einzugehen was Daichi gesagt hat.
"Ich bin angesellt als ihr Bodyguard, na kommt dir das bekannt vor.", plötzlich zieht er mich an sich: "Ausserdem ist sie eine Kindheitsfreundin von mir und meine Zukünftige Verlobte, kapiert."
Ich spüre wie sich die Stimmung zwischen den beiden aufheizt.
"Kai ich muss dich sprechen.", sage ich als Notlösung und ziehe in mit 
aus dem Raum.
"Was willst du von mir? Ich bin nicht mehr dein Untergebener.", sagt er und sieht mir nicht in die Augen.
"Ich hab dich so vermisst.", sage ich.
"Was?!", fragt er erstaunt.
Ich merke wie mir schon wieder die Tränen kommen.
"Ich hab dich so schrecklich vermisst.", sage ich und reibe mir über die Augen.
"Ich hab dich so schrecklich vermisst und das einzige was ich von dir höre, als wir uns wieder sehen ist ein Hallo?", Frage ich ihn und werde langsam wütend.
"Es tut mir leid.", sagt er und weiss nicht wohin mit seinen Händen.
"Und was machst du überhaupt hier? Du solltest Mokuzai beschützen und 
nicht irgendwelches Essen für Rebellen klauen.", ich werde immer lauter.
"Und du? Bist du soviel besser? Das erste was ich erfahre, ist das dein unqualifizierte Bodyguard vor hat dich zu heiraten!", sagt Kai und wird ebenfalls wütend.
"Woher willst du wissen, dass er unqualifiziert ist?", Frage ich.
"Wärst du sonst hier?", kontert er.
"Du bist so ein Idiot!", sage ich.
"Und du etwa nicht?", fragt er und küsst mich endlich.
"Ich hab dich auch vermisst.", sagt Kai und wird rot.
"Wie geht es Mokuzai?", frage ich, nicht ahnend, dass diese Frage Kai noch wütender machen würde.
"Immer geht es dir um das Balg.", sagt er und geht wieder in das Zimmer zu den anderen.
"Hey, du hast meine Frage nicht beantwortet!", rufe ich hinterher.
"Es geht ihm gut, es wächst, es ist öfter krank, es vermisst dich. Das Übliche.", antwortet er.
"Du Holzkopf!", sage ich wütend und beginne auf seinen breiten Rücken einzuschlagen:
"Wie kannst du nur so beiläufig erwähnen, dass er krank ist?"
Schon wieder ruhen alle Blicke auf uns beiden.
Kai dreht sich um, packt mich an der Taille und wirft mich über die Schulter.
"Lass mich runter! Ich schwöre, wenn ich wieder unten bin dann! Kai nein, nein!"
Er beginnt sich seelenruhig pfeifend zu drehen, während ich auf seiner
Schulter Morddrohungen ausspreche. Er wird immer schneller und schneller.
Die einzige Rettung die mir noch einfällt ist Daichi, aber das ginge zu weit, also kreische ich einfach so hoch und laut ich kann.
"Au, du Mistkröte.", sagt Kai, während er mich runter lässt: "Du bist so ein Ekel."
"Ich hatte den besten Lehrer.", antworte ich.
"Doch nicht diesen Schwachmatten.", sagt Kai und zeigt auf Daichi.
"Schieb deine Lorbeeren bloss nicht auf andere.", antworte ich.
"Dachte ich schon. Der Typ hat einfach nicht das Zeug dazu ein richtiges Ekel zu sein.", sagt Kai so, als wüsste er darüber ganz genau Bescheid.
"Und in so einen Idioten ist Mizuko verliebt.", sagt Daichi kopfschüttelnd.
"Ha! Dann hat sie dir doch gesagt, sie ist in mich verliebt.", sagt Kai grinsend.
"Hat sie nicht, aber das war ja nicht schwer heraus zu finden.", antwortet Daichi und nippt an einer Tasse Tee.
"Warum hast du eigentlich nicht darauf reagiert?", Frage ich Kai erstaunt.
"Du hast mir doch gesagt, dass ich dir vertrauen soll, wenn es um das geht.", sagt Kai und holt sich ebenfalls eine Tasse Tee.
"Stimmt.", sage ich und erinnere mich daran, wie an ein anderes Leben.
"Damals war ich noch mit Junkin verlobt.", sage ich lachend.
"Junkin?", fragt mich Tsubasa.
"Ach bloss der älteste Prinz des Diamantclans.", winke ich ab.
"Wow!", sagt Tsubasa ehrfürchtig.
"Pf, wenn dieser Idiot nicht wäre, wären wir schon lange verlobt.", sagt Daichi.
"Was hat der Idiot gerade gesagt?", knurrt Kai.
"Nichts, nichts. Das ist völlig unwichtig.", stimmt, Kai weiss nichts.
Ich setze mich neben ihn vor das Feuer das im Kamin brennt und kuschle mich an ihn.
Diese Wärme habe ich die ganze Zeit über vermisst.
"Im Gegensatz zu dir, Silberhaar, habe ich die besten Chancen Mizuko zu heiraten.", antwortet Daichi und setzt sich neben mich. Ich rutsche noch näher zu Kai, aber Daichi rutscht nach.
"Und weshalb, Braunlocke?", fragt Kai und legt den Arm um mich.
"Komm schon, erinnerst du dich gar nicht mehr an den Kleinen Daichi, der früher immer zum Spielen in euer Schloss gekommen ist? Der mit den drei älteren Brüdern?", fragt Daichi erwartungsvoll.
"Früher sind bloss Herrscherkinder und hohe Adlige zu uns gekommen.", sagt Kai bis bei ihm endlich der Groschen fällt: "Warum bist du hier? Sollte dein Hintern nicht auf einem goldenen Thron im Erdenclan sitzen? Daichi jüngster Sohn des Herrschers des Erdenclans."
"Hey, was haben wir denn heute? Tag der Herrscherkinder oder so?", begleitet vom Krachen der Türe höre ich Momos fröhliche Stimme.
"Tsubasa, hol mal Mizu aus dieser Zwickmühle raus.", gibt sie schon die ersten Befehle.
Ich spüre wie mich jemand unter den Achseln packt und ich in einem Schwung in Tsubasas Armen liege.
Er läuft mit mir in Richtung Türe, als wäre ich so leicht wie eine Feder.
"Hier, Momo.", sagt er und stellt mich vor ihren Füssen wieder ab.
"Ich hab nichts von herbringen gesagt. Was glaubst du wie man sich fühlt, wenn man einfach so herum getragen wird?", fährt Momo ihn an.
"Hey Cousinchen, wie geht es denn immer so?", fragt dir mit einem freundlicheren Gesicht und küsst mich auf die Wange.
"Cousine?", fragt Kai fassungslos.
"Wusstest du das nicht, Kai Schatz?", fragt sie und mit einigen schnellen Schriften ist sie bei ihm, um sich ihm an den Hals zu werfen, "Meine Mutter ist die Schwester ihres Vaters.", erzählt Momo weiter und pfeift einmal zwischen ihre Zähne, Neko kommt sofort angelaufen, an seinen Krallen hängen noch eine Federn.
"Was für ein guter Kater. Hast du mir einen Vogel gefangen? Du bist so begabt, ey.", sagt Momo und knuddelt Neko an sich an. Der laut schnurrt und seinen kleinen Kopf an ihre Wange reibt, als würde er sich über das Lob freuen.
Ich sehe Momo gern zu, wenn sie und Neko spielen. Sie streckt ihm einen Finger hin und er beginnt ihn zu jagen.
Ich merke wie alle Männer im Raum schmachtend zu den beiden sehen.
"Du bist tatsächlich ihre Cousine?", Kai ist wieder an mich herangerutscht und greift nach meiner Hand.
"Ja, es ist wohl so.", sage ich und lächle ihn an.
"Ihr seht euch gar nicht ähnlich.", sagt er.
"Nanami hat gesagt, ich sehe meiner Mutter ähnlich. Anscheinend war meine Mutter schön", antworte ich.
"Ihr seht beide nicht aus wir typische Wasserfrauen. Ihr habt nicht das typische weiche und runde Gesicht. Das einzige sind eure Haare und Augen.", antwortet Kai.
"Aber Momos Haare sind doch Pink.", sage ich.
"Und du glaubst die sind echt? Die sind gefärbt Schatz.", sagt er lachend.
"Oh, wird sie deshalb Momo genannt?", frage ich.
"Ja, ausserdem hasst sie den Namen, den ihre Mutter ihr gegeben hat.", antwortet Kai.
"Wie hat Nanami denn sie genannt?", Frage ich.
"Ey, echt jetzt.", ich spüre wie Momo mir mit dem Finger gegen die Stirn schnippt: "Ich bin anwesend, frag doch mich, boah!"
"Wie hat Nanami dich genannt, Cousine?", frage ich und lehne noch weiter nach hinten, weil sie mit ihrem Gesicht vor meinen kniet.
"Ame.", will sie eigentlich sagen, aber da sie sich noch weiter vorbeugt und auf mich drauf fällt wird ein: "Ameeeeeee haha, prust muahahaha..."
"Könntest du bitte von mir runtergehen?", frage ich und versuche mich unter ihr heraus zu winden.
"Aber du bist so süss.", sagt sie umschlingt mich mit ihren Armen und dreht sich auf den Rücken, "Ich hab mich immer gefragt wie du sein würdest. Nanami hat mir immer gesagt, wie schön, klug und lieb du bist.", beginnt sie zu erzählen.
Noch immer werde ich von ihr festgehalten, "Und sie hatte recht. Du bist wirklich ein guter Mensch, ein viel besserer als ich."
Sie küsst mich auf die Wange: "Ausserdem mag Kai dich und das heisst etwas, er war allen gegenüber unnahbar.", sagt Momo.
"Was wohl passiert wäre, wenn Momo Mizuko da nicht herausgeholt hätte.", überlegt Tsubasa laut.
"Sei still.", sagt Momo, es klingt wie ein Befehl.
"Es ist schon spät, Mizuko, du solltest Schlafen gehen.", sagt Daichi, ich habe mich schon so daran gewöhnt, dass ich aufstehe und vor ihm hinstelle.
"Gute Nacht.", sagt und Momo und gähnt gleichzeitig wie Neko und wirft mir eine Kusshand zu.
Kai steht auch auf, er legt den Arm um mich und schiebt mich von Daichi weg.
"Mizuko kann in meinem Zimmer schlafen. Aber für den Erdjungen ist da kein Platz.", sagt Kai und schiebt mich aus der Tür.
"Hey, ich bin für Mizukos Sicherheit zuständig.", sagt Daichi.
"Hat ausser mir schon Mal im selben Zimmer wie Mizu geschlafen?", fragt Kai in die Runde.
Niemand antwortet.
"Eben, sie schläft bei mir.", sagt Kai.
"Ähm Kai?", flüstere ich ihm ins Ohr.
"Was noch? Willst du beim Erdbengel schlafen?", fragt Kai genervt.
"Nein. Ich habe kein Schlafgewand dabei. Ich kann nicht in diesem Kleid schlafen und da ist die einzige Möglichkeit noch...", sage ich und beisse mir auf die Unterlippe.
Kais Gesicht färbt sich langsam rot, besonders seine Ohren scheinen zu 
glühen. Er dreht sich auf der Stelle um und sagt mit nervöser Stimme: "Momo!"
"Wolltet ihr nicht schlafen gehen?", Momo hat die Karten erneut hervor geholt 
und spielt mit Tsubasa, Daichi und einigen anderen Poker.
"Die Cousine hat kein Nachtgewand.", sagt Kai und zeigt auf mich und ich winke zur Verdeutlichung noch mit.
Jetzt wird auch Daichi rot und springt auf: "Was?!"
"Du bist nicht gefragt Erdbubi. Momo bitte."
Momo und Tsubasa sind bei Kais Worten in Lachen ausgebrochen, sie kugeln sich auf den Boden und schlagen sich gegenseitig auf die Schenkel.
"Sorry Kai, aber du solltest dich sehen. Dein Gesichtsausdruck ist zu 
witzig. Ja ich gebe ihr was Passendes, du alter Checker!", eine Lachsalve später steht Momo endlich auf und bringt mich in ihr Zimmer.
"Wem gehört dieses Haus eigentlich?", frage ich.
"Haus ist nicht die richtige Bezeichnung. Dieses Gebäude ist grösser als der Sitz meiner Mutter.", antwortet Momo.
"Und ihr habt es einfach besetzt?", frage ich.
"Boah, was denkst du von mir? Nein es gehört mir, mir Momo Tane.", sagt sie.
"Du nennst dich tatsächlich Pfirsich Kern?", frage ich erstaunt: "Und woher hast du dieses Haus?"
"Lass mich doch, klingt optimistischer als Regen, oder? Das Gebäude 
hab ich geerbt.", antwortet sie.
"Von wem denn?", frage ich neugierig.
"Es hat deinem Vater gehört. Du wärst hier aufgewachsen, wenn dein Vater nicht umgebracht worden wäre.", antwortet sie: "Deine Mutter war 
so hübsch und liebevoll, aber nach dem Verlust deines Vaters ist sie 
wahnsinnig geworden. Sie hat alles vergessen, sogar dich. Du bist 
nicht im Haus der Herrscher aufgewachsen, weil sie dich nicht wollte, 
sondern weil sie nicht mehr wusste wer du bist. Wenn sie es gewusst 
hätte, hätte sie dich mit aller Kraft beschützt. Das ist die 
offizielle Version meiner Mutter. Es gibt drei Versionen der Geschichte. Die des Herrschers, die meiner Mutter und die Wahrheit."
„Du meinst, weder Vater, noch Nanami erzählen die gleiche Geschichte, aber beide sind reine Lügen?“, frage ich geschockt.
Sie nickt.
Ich weiss nicht, was ich darauf antworten soll, also schweige ich einfach, ich sehe mich im Zimmer um. Auf einem Regal liegen viele zerfledderte Notizbücher.
"Wenn man von meiner Mutter doch das gleiche sagen könnte, ich meine mit dem Beschützen.", lacht Momo und dreht sich mit einem Bündel auf den Armen um: "Hier, dein Nachtgewand."
"Was hast du gegen deine Mutter? Sie ist nervig, aber so schlimm ist 
sie nicht.", antworte ich.
"Meine Mutter ist dumm und naiv.", antwortet Momo, für sie scheint das Thema damit abgeschlossen zu sein.
"Du solltest jetzt wieder zu dem Idioten gehen. Er hat dich wirklich sehr vermisst.", sagt Momo und sie weiss nicht wie sehr, dies mir mein 
Herz wärmt.
"Kommst du nicht mit?", frage ich.
"Nein, ich bleibe noch ein bisschen hier. Ich liebe dieses Zimmer.", antwortet sie und dreht mir wieder den Rücken zu.
"Gute Nacht.", sage ich und gehe wieder in den Aufenthaltsraum.
"Kai?", frage ich und stecke den Kopf durch die Tür.
Die Männer sind aufgestanden und stehen im Kreis um etwas herum. Ich trete näher 
und lege die Hand auf Tsubasas Schulter: "Was ist da los?"
"Oh Mizuko, schau doch selbst.", sagt er und fasst mich schon wieder um die Taille und hebt mich hoch.
Die Rebellen stehen im Kreis und feuern zwei Idioten an, die sich auf den Boden herum prügeln.
"Nicht wirklich, oder?", frage ich und werde wahnsinnig wütend: "Lass mich runter."
"Bist du wütend?", fragt Tsubasa.
"Ja.", sage ich während er mich herunter lässt. Ich kämpfe mich zwischen den Rebellen durch.
Ich packe den silbernen Haarschopf und ziehe mit aller Kraft daran.
"Au!", ruft Kai und hört auf, auf Daichi einzuschlagen. Ich greife jetzt auch in die braunen Haare.
"Hey!", schreit Daichi und richtet sich ebenfalls auf.
Sie funkeln sich schon wieder an, selbst jetzt, wo ich zwischen ihnen stehe.
"Komm Mizuko wir gehen.", sagt Kai und zieht mich so stark am Ärmel, dass er fast reisst.
Ich bleibe stur stehen.
"Kai, ich bin einen Tag hier und was machst du?", frage ich.
"Mizu, es...", beginnt er sich zu entschuldigen.
"Nein Kai. Keine Entschuldigungen. Es tut dir nicht leid, ich merke das.", antworte ich und beisse mir auf die Unterlippe, damit ich nicht zu weinen anfange. Ich schmecke schon Blut.
Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und bin trotzdem noch fast einen Kopf kleiner als er.
Ich hole so weit wie möglich mit meinem Arm aus und schlage ihm mit aller Kraft eine Ohrfeige.
"Mizu.", Kai sieht mich mit vor Schreck geweiteten Augen an, seine Stimme klingt brüchig. Ich wende den Blick ab, jetzt kommen mir trotz allem die Tränen.
Ich drehe mich zu Daichi um und schlage auch ihn.
"Warum seid ihr bloss so kindisch? Ich kann nicht mehr. Werdet endlich erwachsen!", bei den letzten Worten sehe ich zu den beiden auf und beginne richtig zu weinen: "Ihr seid so nervtötend."
Ich stürme aus dem Zimmer. Hinter mir höre ich wie Jemand zwischen den Zähnen hindurch pfeift.
Ich gehe in irgendein Zimmer in dem ein Bett steht, ziehe mich schnellstmöglich um und werfe mich auf das Bett.
Warum ist mein Leben bloss so kompliziert. Ich will zurück, als es noch einfach war.
Als ich einfach in Kai verliebt war.
Nicht mehr.
Als ich einfach Mo lieb gehabt habe, als du zwei jeden Tag bei mir waren.
"Du bist gut."
Ich sehe mich um, Kai steht in der Türe, die Gesicht von Schlägen verunstaltet und auch ein wenig vor Scham gerötet.
"Ach...", antworte ich bloss und drehe mich auf die andere Seite, um ihm nicht ins Gesicht sehen zu müssen.
"Was muss ich tun, damit du mir verzeihst?", fragt er.
"Erzähl mir von Mo.", sage ich leise. Das Bett bewegt sich, als Kai sich neben mich setzt.
„Mo, es geht ihm schlecht, sehr schlecht.“, sagt Kai und schon fliesst meine erste Träne.


Die Fotographie der schönen Frau

„Er, seine Abwehr gegen die Krankheiten, wird immer schwächer. Ich war nicht lange bei ihm, aber mit jedem Tag wurde sein Blick härter, seine Haut blasser und sein Ton hasserfüllter.“, beginnt Kai zu erzählen.
„Er ist einfach einsam.“, ich erinnere mich an die warmen braunen Augen, „Er hat niemand, er ist doch erst 14 Jahre alt.“
„Mizuko, er lehnt jede Form von Annäherung ab, egal ob von Herrscherkindern, oder von den Dienern. Niana ist seine persönliche Kammerzofe, du weisst sie kann sehr nett sein, wenn sie muss. Aber er ignoriert sie vollständig.“, erzählt Kai.
„Ich kann nichts dafür, aber er tut mir immer noch leid.“, ich schluchze einmal leise und breche dann in Tränen aus.
„Mizuko es ist normal, das er dir Leid tut. Er ist dein Bruder, wenn in ihm auch nicht dein Blut fliesst, so seid ihr dennoch mit diesem Gedanken aufgewachsen.“, sagt Kai und hält mich ganz fest.
„Kai, auch wenn du der grösste Idiot auf der Welt bist, ich liebe dich.“, ich küsse ihn und erwidere seine Umarmung.
„Ich liebe dich auch Mizuko, mehr als alles andere auf der Welt.“, sagt er und seine Küsse werden fordernder seine Hände streicheln über meinen Rücken, er weiss, dass er nicht weiter gehen darf. Nicht so weit, dass er nicht mehr aufhören kann.
Ich muss bis zu meiner Hochzeitsnacht Jungfrau bleiben.
„Momo hat dir einen ziemlichen Fetzen gegeben.“, flüstert mir Kai in mein Ohr und in meinem Bauch kribbelt es ganz furchtbar, als er mit seiner Zunge über meine Ohrmuschel fährt.
„Kai...i“, keuche ich, als er anfängt mit seinen Küssen meinen Hals zu bedecken, „Ni...icht.“
„Mizuko, du bist endlich frei, bitte, ich will nichts ausser dir, ich begehre nichts auf dieser Welt ausser dir.“, sagt Kai und sieht mir direkt in die Augen.
„Aber ich bin noch immer adlig. Wenn ich keine Jungfrau mehr bin, werde ich niemals heiraten.“, sage ich aus Reflex.
„Natürlich.“, sagt er und lächelt traurig, „Du kannst mich immer noch heiraten. Ist das nichts.“
Mokuzai, ich werde Mokuzai nie wieder sehen wenn ich Kai jetzt schon heirate.
Seine Hand wandert zwischen meinen Schenkeln hinauf.
„Kai.“, sage ich fest und löse mich aus seinem Griff.
Er sieht mich an, als hätte er gewusst, wie es enden würde.
„Du denkst immer noch an Mokuzai“ stellt er fest.
„Wie könnte ich nicht, du sagst mir es geht ihm immer schlechter und im nächsten Augenblickt willst du mich entjungfern.“, sage ich wütend und sehe ihn mit festem Blick an. Aber sein Blick lässt mich sofort verstummen.
Sein Gesicht zeigt eine Trauer, die ich erst ein einziges Mal in meinem Leben gesehen habe.
„Mizuko.“, sagt er leise und steht auf, „Ich will nichts in dieser Welt ausser dir. Alles andere ist mir egal, ich interessiere mich nicht für Geld, oder Macht, weder für andere Frauen, noch für eine bessere Welt. Ich will bloss für immer an deiner Seite sein und dein wichtigster Mensch sein.“
„Aber warum stört dich Mokuzai, du weißt doch wie wichtig er mir ist und wie wichtig ich ihm bin.“, sage ich und ziehe meine Beine an.
„Es geht nicht bloss darum, dass du er dir wichtig ist. Mizu, er hat Dinge die ihn kümmern wie seine Zukunft als Herrscher, seine Intelligenz und sein Ruf. Obwohl er neben dir auch noch andere Dinge so sehr schätzt, liebst du ihn, so wie du mich liebst.“, sagt Kai und setzt sich langsam und geräuschlos in einen Sessel.
„Aber er braucht mich. Ausser mir hat er keinerlei menschlichen Kontakt, alle haben ihn immer vernachlässigt und du brauchst mich nicht so sehr. Du bist auch alleine zu Recht gekommen. Aber er wäre fast gestorben, bevor ich ihn kennen lernte.“, meine Stimme wird immer lauter.
„Als du mich gefunden hast.“, sagt Kai fast tonlos, „war ich eigentlich schon tot.“
Lange sehe ich ihn an, erinnere mich an den kleinen Jungen, der wenn überhaupt mit leiser Stimme gesprochen und sich kaum gewagt hatte mich anzusehen.
„Wieso muss ich mich entscheiden.“, frage ich leise, „Warum darf ich nicht euch beide lieben.“
„Du hast seit ich dich kenne Entscheidungsschwierigkeiten, immer hast du einen Rat von mir gebraucht.“, sagt Kai und kichert kurz, bevor er wieder ernst wird, „Keine Entscheidung ist leicht. Manche Menschen würden viel Geld für Jemanden zahlen, der ihnen sagt was man tun soll, egal ob der Rat richtig oder falsch wäre, solange sie jemanden haben, dem sie die Schuld geben können. Aber wenn du dich nicht bald entscheidest, wenn du dich nicht bald von einem verabschiedest, wird es bloss schlimmer werden.
Warum sagt er mir die Dinge, die ich nicht hören will.
„Was machst du wenn ich mich gegen dich entscheide.“, frage ich so leise, dass ich hoffe er hat die Frage nicht gehört.
„Wahrscheinlich sterben.“, sagt er und legt sich wieder ins Bett, „Oder ich helfe Momo weiter bei ihrem verrückten Plan.“
„Sterben?“, flüstere ich leise, dieses Mal wirklich so leise, dass er mich nicht hört.
Er will sterben, wenn ich ihn nicht nehme.
Lange, nachdem ich angefangen habe so zu tun, als würde ich schlafen, stehe ich auf und gehe in den Flur.
Ich will nicht, dass Kai wegen mir stirbt.
‚Und was ist.’, flüstert eine böse Stimme in mir, ‚Wenn dein lieber Mokuzai genau so denkt. Wenn es ihm gar nicht nur schlechter geht, weil die Krankheit immer schlimmer wird, sondern weil er will, dass es ihm immer schlechter geht?’
Nein.
Niemand darf wegen mir sterben, egal ob entscheidungsschwach oder nicht.
Dann bin ich nun mal so naiv, dass ich denke es gibt eine Lösung.
Aber warum nimmt mich das ganze dennoch so mit.
„Mizuko?“, fragt eine ruhige und liebe Stimme, „Hast du kalt? Du zitterst.“
Als ich mich umdrehe steht Tsubasa hinter mir, mit einer Taschenlampe in der Hand und sieht mich besorgt an.
„Es ist nichts.“, sage ich und wische mir eine vorwitzige Träne aus den Augen.
„Na ja, so dumm bin ich auch nicht. Du siehst so aus, als könntest du eine warme Schokolade und ein ausgiebiges Mädchengespräch vertragen.“, sagt er lächelnd und seine störrischen Haare aus dem Gesicht.
„Woher willst du das wissen?“, frage ich.
„Weil ich schon mal ein Mädchen aufgelesen hatte, dass zittert, aber nicht friert und sich die Tränen aus dem Gesicht streicht sobald man sie anspricht.“, sagt er noch immer mit seinem warmen Lächeln, „Kurz gesagt, ein Mädchen, welches man am liebsten in den Arm nehmen würde, weil es so scheint, als wäre es kurz davor zu zerbrechen.“
„Ja das trifft es so ziemlich. Kannst du mir denn so etwas anbieten?“, frage ich und beginne auch zu lächeln
„Wie wäre es, wenn ich dir eine warme Schokolade mache und du Momo einen kleinen Besuch abstattest.“, schlägt er vor.
„Das klingt schön.“, sage ich, „Aber schläft Momo nicht schon?“
„Als sie vor ein paar Minuten gesagt hat, ich solle mich verdammt noch mal nützlich machen und diese dämliche Wache halten, echt jetzt, war sie noch ziemlich wach.“, sagt er und beginnt zu kichern, ein ganz anderes Kichern, als das von Kai, nicht spöttisch oder herablassend, sondern eine Art: ‚So ist sie nun mal, ich liebe sie trotzdem.’ Kichern.
Ich sehe Tsubasa in das jungenhafte Gesicht und entdecke einen Ausdruck, den mir vorher noch nie aufgefallen ist, aber immer da war, wenn er von Momo gesprochen hat.
Ich kenne diesen Blick, es ist der Löwenmutterblick, den man schon oft in meinen Augen lesen konnte. Den man nur bekommt, wenn man über eine Person spricht, die man mit aller Kraft beschützen möchte.
„Dieses Mädchen, dass du so angetroffen hast wie mich, wahr Momo, nicht wahr?“, frage ich die Frage, die so offensichtlich scheint.
„Ja und nein.“, antwortet er, „Sie zitterte drei volle Tage, hatte immer wieder Weinanfälle und sprach kein einziges Wort. Momo ist stark, sie ist der stärkste Mensch den ich kenne, aber ich kenne auch keinen anderen Menschen, der schon so sehr wie Momo in ihrem Leben verletzt worden ist.“
Sein immerzu warmer und freundlicher Blick wurde kalt und hart bei den Worten die er jetzt aussprach: „Du hast keine Ahnung, wie kurz ich davor war, einfach dem Menschen den Hals umzudrehen, der Momo das angetan hat. Wie gern hätte ich ihn so leiden gesehen, wie ich das bei ihr gesehen habe. Das Momo dich gesucht hat, dass sie den verrückten Plan, deines Freundes angenommen ausgeführt hat, war nicht bloss Nächstenliebe, sondern auch begleitet mit sehr viel Angst. Du weißt nicht wie froh sie darüber ist, dass es dir so gut noch geht. Eigentlich weißt du gar nichts über sie.“
Es war seltsam dem so veränderten Tsubasa in die Augen zu sehen.
„Ja, da magst du wohl Recht haben.“, sage ich leise und laufe in Richtung Momos Zimmer.
Nachdem ich an die Tür geklopft habe, öffnet sie sich leise und eine verwirrte Momo sieht mir entgegen.
„Mizuko, du?“, fragt sie.
„Momo, kann ich mit dir reden?“, frage ich leise, „So von Frau, zu Frau?“
„Ob du schon eine Frau bist, weiss nicht so genau.“, antwortet sie und ihr Gesichtsausdruck wird freundlicher, „Aber du darfst natürlich gerne herein kommen.“
„Danke.“, sage ich während ich in das karg eingerichtete Zimmer gehe, indem eigentlich nur Bücher stehen.
„Über was willst du reden?“, fragt sie und klopft einladend neben sich auf ihr Bett.
„Über alles.“, antworte ich leise.
„Dann wird das wohl eine lange Nacht werden, aber Morgen habe ich sowieso nichts mehr vor.“, antwortet sie lächelnd.
„Weißt du ich habe noch nie so wirklich mit einer Frau gesprochen, weder mit meiner Mutter, noch sonst Jemandem, meine engsten Vertrauten waren immer Männer.“, beginne ich langsam.
„Du kannst mir alles sagen und mich natürlich auch alles fragen.“, sagt sie, „Vor einiger Zeit habe ich mir auch Jemanden gewünscht mit dem ich von Frau zu Frau reden konnte.“, sagte sie und blickte über meinen Kopf hinweg zu einem der Bücherregale.
„Als du von Tsubasa gefunden worden bist, nicht wahr?“, frage ich leise.
Sie sieht mich verwundert an, sagt dann allerdings: „Ja, als mich Tsubasa gerettet hat.“
„Erzählst du mir davon?“, frage ich.
„Du wolltest doch über dich reden.“, lächelt sie verwirrt.
„Ja, aber ich glaube dir würde eine Aussprache auch gut tun.“, antworte ich schnell und unüberlegt.
Wieder dieser verwunderter Ausdruck in ihren Augen: „Woher willst du das wissen?“
„Ich sehe es dir an.“, beginne ich, „Und Tsubasa hat geplaudert.“
„Natürlich, Tsubasa.“, sagt Momo mehr zu sich selbst und sieht wieder in die Ferne, „Vor zwei Jahren hat er mich halbtot bettelnd auf einer Strasse gefunden und mich wie eine ausgesetzte Katze mitgenommen.“
„Warum bist du vor deinem Zuhause weggelaufen?“, frage ich weiter.
„Weil ich es dort nicht mehr ausgehalten habe.“, antwortet sie knapp.
„Wer hat dich so verletzt?“, langsam ähnelt dieses Gespräch einem Verhör, aber je länger ich Momo ansehe, desto mehr will ich von ihr wissen.
Momo sieht mich an, ohne die geringste Regung in ihren Zügen.
Es klopft an der Tür, Tsubasa bringt die heisse Schokolade, Momo gibt ihm als Dank einen Kuss auf die Wange, dann geht er wieder.
„Lies das.“, sie drückt mir ein Buch in die Hand, ein Notizbuch, zerfleddert und durchgelesen.
Ich senke meinen Blick auf die wohlgeformten und edlen Buchstaben, es ist handgeschrieben.
‚Der Wolf ist heute wieder gekommen. Ich hasse ihn, er zwingt mich zu Dingen, die ich nicht will. Warum hört Mama meine Schreie nicht. Warum glaubt mir Mama nicht.
Ich habe solche Angst vor ihm, aber er sagt, er tut mir etwas an, wenn ich etwas sage. Ich habe es trotzdem gesagt. Aber Mama glaubt mir nicht, sie glaubt ich mag ihn einfach nicht, weil ich Papa zu lieb hatte. Aber ich habe solche Angst vor ihm, ausserdem werde ich niemals heiraten, wenn ich etwas erzähle.
Ich bin jetzt keine Jungfrau mehr.
Das hat er zu mir gesagt, alles wird mir genommen, wenn ich etwas erzähle, aber ich will nicht mehr, ich habe solche Angst vor ihm. Denn der böse Wolf kommt und kommt immer wieder.’
„Momo.“, sage ich leise, viel zu leise. Tränen steigen in meine Augen und fliessen über mein Gesicht, bis sie auf das gelbliche Papier tropfen.
„Mein Vater ist bei demselben Anschlag wie deiner gestorben Mizuko. Ich war damals erst zwei Jahre alt.“, beginnt sie zu erzählen, „Als ich sieben Jahre alt war, kam Ryoichi in unser Haus, meine Mutter hatte ihn geheiratet um unseren Stand zu verbessern, nachdem die Männer unserer Familie alle tot waren.“
„Was hat er dir angetan?“, frage ich leise, als sie mich noch immer nicht ansieht.
„Damals noch nichts, ausser das er mich immer schlecht gemacht und geschlagen hat. Aber du kanntest meine Mutter von damals nicht. Ich hatte sie lieb, sehr lieb sogar. Ihr zuliebe wollte ich ein gutes Kind werden, so werden, dass Ryoichi mich akzeptiert.“, sagt sie und nippt an ihrer Schokolade, „Aber das ist mir nicht gelungen.“
„Aber das war doch nicht alles oder?“, wegen so einer Sache rastet Tsubasa nicht so aus, auch wenn es grauenvoll gewesen sein musste.
„Nein, als ich zu meinem 15. Geburtstag endlich meine blauen Haare bekommen habe, fing es erst an.“, endlich sieht sie mich an, ihre Augen glänzen von Tränen und spiegeln so unendlich viel Schmerz wieder, „Immer an Neumond, wenn die Wasserfrauen sich zu ihren Treffen versammeln, kam er in mein Zimmer. Es war grauenvoll, erst kurz bevor ich weggelaufen bin, habe ich es meiner Mutter erzählt. Aber sie hat mir nie geglaubt, ich wollte nicht mehr, also bin ich weggerannt, ohne ein Wort zu sagen.“
Sie holt tief Luft. Danach sieht sie mich liebevoll an: „Weisst du, du bist die erst die zweite, der ich das erzähle.“
„Ich fühle mich geehrt.“, sage ich lächelnd
„Musst du nicht, boah, wenn du so süss lächelst, möchte man dich wirklich umarmen.“, sie ist wieder die alte.
„Dann tu’ s doch:“, sage ich lachend.
Schon schlingt sie die Arme um mich und ich lege meine auf ihren Rücken.
Wie gut es tut, meine Cousine zu umarmen.
„Ich hab dich echt gern.“, sagt Momo und löst zwar die Umarmung, doch greift sofort nach meinen Händen, „Nichts Gesponnenes, so als Cousine, ´kay?“
„Schon klar.“, sage ich und streichle mit einer Hand über ihre Wange.
„Oh, da fällt mir ein, willst du schlafen? Oder willst du noch von deinem Problem erzählen?“, fragt sie und legt sich wieder auf den Rücken.
„Neben deinen Problemen sehen meine so kindisch aus.“, antworte ich noch immer lächelnd und lege mich neben sie auf das riesige Bett.
„Du solltest froh um diese kindischen Probleme sein.“, lächelt sie sanft: „Wer wäre man denn, wenn man sich keine Sorgen um sein Leben macht. Es doch normal, dass man das Leben ernst nimmt, nicht wahr?“
„Wahrscheinlich hast du Recht.“, sage ich leise.
„Ich habe immer Recht.“, lacht sie jetzt laut und schallend.
„Das klingt jetzt so gar nicht eingebildet.“, lache ich ebenfalls.
„Weisst du, jetzt kann ich endlich wieder lachen.“, sagt sie: „Du kannst dir das bestimmt gar nicht vorstellen, wie ich war. Völlig eingeschüchtert und verstört. Ich war still und folgsam, Unglaublich, oder?“
„Warst du glücklich?“, frage ich und sehe ihr tief in die Augen, sie sieht zurück.
„Ja, solange meine Mutter glücklich war, war auch ich glücklich. Aber nach der Ehe mit Ryoichi lächelte sie kaum noch und ein Lachen hab ich nie von ihr gehört.“, antwortet sie und steht wieder auf.
„Oh.“, sage ich bloss.
Ich weiss nicht genau, ob mich die Herrscherin wirklich als Tochter angesehen hat, aber sie hat mich nie mit Liebe überschüttet und lächeln, kaum jemals habe ich sie lächeln gesehen. Natürlich oft falsch, aber richtig von Herzen so gut wie nie.
Momo geht zu einem der überladenen Bücherregale sucht nicht lange und zieht ein anderes Buch heraus, nicht so verlesen, wie das andere.
„Hier.“, sagt sie und gibt es mir in die Hand, „Das könnte dich interessieren.“
„Was denn?“, ich öffne das Buch, auf den Seiten kleben Fotographien, „Ein Fotoalbum.“, stelle ich erstaunt fest.
„Das bin ich und meine Mutter, früher.“, Momo zeigt auf ein kleines Mädchen mit langen braunen Haaren und einer noch relativ jungen Frau mit demselben Azurblau wie ich.
„Sie war ja wunderschön.“, sage ich erstaunt und sehe das Foto bewundernd an.
„Ja, sie und dein Vater waren beide ausgesprochen hübsche Kinder, deshalb erstaunte es ja auch Niemand, das sie sich nach oben geheiratet hat.“, antwortet sie lächelnd.
„Du warst wirklich Mal so süss?“, frage ich und sehe Momo verstohlen an, ihr Gesicht unter den pinken Haaren sieht noch immer sehr hübsch aus.
‚Es stehen ja auch alle Rebellen auf sie.’, rufe ich mir in Erinnerung.
„Sorry, das ich es jetzt nicht mehr bin, okay?“, antwortet sie lachend, „Im Gegensatz zu dir.“
„Vielleicht war ich als Kind ja hässlich?“, antworte ich ebenfalls lachend.
„Als Baby warst du auf jeden fall zuckersüss.“, antwortet sie geheimnisvoll lächelnd.
„Woher willst du das wissen?“, frage ich verdutzt.
Sie blättert ein paar Seiten weiter, ein anderes Foto, ein kleines Baby schläft in den Armen einer Frau. Von der Frau sieht man nur einzelne Strähnen ihres blauen Haares. Der Fotograph wollte ganz eindeutig das Gesicht des kleinen Babys fotografieren. Es strahlt über das ganze Gesicht und die hellblauen Augen funkeln wie zwei Diamanten. Der hellbraune Flaum auf dem Kopf ist verstrubbelt.
„Süss.“, sage ich leise, „Und wer ist das?“
„Stell dich nicht dümmer als du bist.“, lacht Momo und rollt sich auf ihren Rücken, „Das bist natürlich du, in den Armen von Tsubaki, deiner Mutter.“
„Tsubaki.“, spreche ich den Namen leise aus.
Meine Mutter, das erste Mal höre ich ihren Namen.
„Was für ein schöner Name.“, sage ich, während mir schon wieder die Tränen kommen.
„Du bist eine Heulsuse.“, stellt Momo fest und zerstört somit die ganze Stimmung, die mich leise umwabert, „Aber sie war auch eine.“
„Wirklich?“, frage ich und wische mir dir Tränen aus den Augen.
„Ja, sie hat wegen jedem kleinen Vorfall, der nicht sie betraf geweint.“, antwortet Momo.
„Hast du sie gut gekannt?“, frage ich sie.
„Als ich nicht mehr die Kraft hatte, immer in der Gegenwart meiner Mutter zu lächeln und höflich zu nicken, kam ich zu ihr. Mizuko, deine Mutter brachte sich nicht um und sie wurde auch nicht wahnsinnig.“, sagt Momo leise und sieht mich beschwörend an, „Du wurdest deiner Mutter weggenommen Mizuko. Du wurdest von Nanami, meiner Mutter, ihrer Schwägerin, weggeben.“
„Weshalb?“, frage ich leise und sehe Momo fest in die Augen, „Weshalb hat meine Mutter zugelassen, das ich wie ein Stück Papier herum gereicht werde?“
„Sie hat es nicht zugelassen. Sie hat dich eingeschlossen, alle Menschen gekratzt und gebissen, nachdem man die Türe zu deinem Zimmer geöffnet hat, hat sie sich an dich geklammert und man hat sie bis zu den Toren dieses Hauses mitgeschleppt, als sie ohnmächtig zusammen gesunken ist.“, erzählt Momo, „Ich habe es mit eigenen Augen gesehen, wie sie nachher wie eine Tote zurück in ihr Haus gewankt ist und hat die Türe nur mir aufgemacht.“
„Sie hat dich sicher sehr gern gehabt.“, antworte ich und kann nicht verhindern, dass eine Spur Eifersucht mitschwankt.
„Ich habe sie wie eine Tochter geliebt, aber als ich acht Jahre alt wurde, öffnete sich die Türen des grossen Hauses auch für mich nicht mehr. Alles war abgeschlossen und sie war weg.“, antwortet Momo, „Mann hat sie zwei Wochen später gefunden, auf dem Grab deines Vaters, vergiftet.“
„Selbstmord.“, flüstere ich leise.
„Ja, zu 99.3%.“, sagt Momo, „Niemand hatte mehr einen Grund sie zu töten, mit der Übergabe von dir an den Herrscher war ihr Potenzial für Nanami ausgeschöpft.“
„Nanami, warum hat sie mich überhaupt weggeben?“, frage ich verstört.
„Der Herrscher hatte keinen Nachfolger, der Wasserclan war wieder an der Reihe durch das Kind geehrt zu werden. Nanami sah darin eine grosse Chance gute Beziehungen zu einem Herrscherkind zu gewinnen und natürlich auch später zu einem Herrscher, das einzige Problem war, das du nicht männlich warst, aber das spielte keine grosse Rolle. Und Nanamis Rechnung ging auf. Ihre Beziehung zum Herrscher wuchs von Jahr zu Jahr und sie und Ryoichi sind sogar zu Botschaftern des Wasserclans nominiert, was bis jetzt immer ein Verwandter des Königs war.“, antwortet Momo sofort.
„Du weisst echt viel über die Politik deines Clans.“, sage ich lachend.
„Politik interessiert mich, ich bewundere den Herrscher für seine Gerechtigkeit allen Clans gegenüber, in den letzten Generationen waren viele Tyrannen unter den Herrschern, die sich einem Clan verschrieben hat. Aber unser jetziger Herrscher ist voller Liebe.“, haltet sie mir einen Vortrag.
„Wenn ich mich auch so sehr dafür begeistert hätte, hätte mein Vater mich vielleicht nicht weggeben.“, antworte ich leise.
„Das war nicht deine Schuld.“, versucht Momo mich sofort zu trösten und nimmt mich in den Arm.
„Ich fühle mich so nutzlos.“, wieder beginne ich zu weinen, „Ich wollte niemals von Zuhause weg, auch wenn Mutter und Vater nicht durch Blut mit mir verwandt sind, liebe ich sie trotzdem. Seit dem Tag, an dem ich erfahren hatte das ich nicht ihre Tochter bin, hatte ich immer solche Angst, das sie mich niemals wollten, das ich eine Last für sie war.“
„Das stimmt nicht.“, Momo wiegt mich sanft hin und her und versucht mich zu beruhigen.
„Es ist so ungerecht, alles was ich wollte, war für immer an diesem Ort zu bleiben, bei Menschen die ich liebe und die mich lieben. Aber trotzdem zwingen sie mich dazu, mich zu entscheiden. Ich will das nicht. Ich wollte dieses Leben nicht, aber wenn ich es schon habe, dann soll doch wenigstens alles so bleiben wie es war, als ich noch glücklich war.“
Momo sagt nichts mehr, ich weiss nicht ob sie beleidigt ist, oder ob sie es mir nachempfinden kann.
Ich wollte niemals Prinzessin sein, aber ich war es und dadurch begann ich die Menschen um mich herum zu lieben.
Und wenn ich schon Prinzessin sein muss, dann will ich doch wenigstens bei ihnen sein.
Ich halte diese Leere nicht aus.
„Bei Nanami.“, flüstere ich mehr zu mir als zu irgend sonst jemand, „habe ich mich das erste Mal so gefühlt. Ich war in einem Haus voller freundlicher Diener, sogar eine Verwandte von mir und ein Kindheitsfreund.“
„Aber du warst einsam, weil die Menschen die du liebst nicht bei dir waren.“, flüstert Momo.
„Ein menschenleeres Zuhause.“, flüstere ich, „das war immer das Einzige vor dem ich mich fürchtete. Ein leeres Zuhause und doch erfüllt von Menschen.“
„Ja, das ist tatsächlich etwas sehr unheimliches.“, antwortet Momo und legt meinen Kopf auf ihren Schoss.
„Wenn Tsubasa dich nicht gefunden hätte, was hättest du dann gemacht?“, frage ich leise, schon fast im Halbschlaf.
„Ich hätte aufgegeben und wäre irgendwann entweder gestorben oder wäre nach Hause zurück gekehrt um unglücklich zu werden.“, antwortet sie.
„Und was würdest du tun, wenn man dir Tsubasa jetzt wegnimmt?“, frage ich, dieses mal so leise, das sie es eigentlich nicht mehr hören sollte.
„Selbst wenn es ausweglos erscheint, ich würde ihn suchen und suchen und suchen, bis ich ich ihn finden würde und wenn ich ihn gefunden hätte, würde ich ihn mir über die Schulter werfen und nach Hause bringen.“, antwortet sie sanft lächelnd.
„Warum?“, frage ich sie leise, „warum würdest du ihn suchen, auch wenn es ausweglos erscheint?“
„Weil er der Mensch ist, ohne den mein Zuhause menschenleer bleibt.“, antwortet sie und ihr Atem kitzelt in meinem Ohr.
Das ist das letzte, was ich spürte in dieser Nacht, danach begann ich zu träumen.
Von meinem eigenen Zuhause.
„Sie schläft.“, sagt Momo zu Tsubasa, als er ihr hilft, es dem Mädchen, welches schlief bequem zu machen.
„Sie ist wirklich ausgesprochen schön.“, sagt Tsubasa als sein Blick sich in ihrem Gesicht verfing.
„Ja, ja.“, antwortet Momo und deckt das Mädchen zu.
„Was bedeutet das, das ich der Mensch bin, ohne den dein Zuhause menschenleer sei?“, fragt Tsubasa und umarmt Momo.
„Das verrate ich nicht.“, sagt Momo und streckt ihm die Zunge heraus.
„Ich kann es mir denken.“, antwortet Tsubasa und setzt sich mit Momo in die Sessel neben dem Bett.
„Wusstest du es denn nicht?“, fragte Momo leicht erstaunt.
„Ich wusste es von mir. Denn wenn du mich nicht mehr mit deiner gellenden Stimme rufen würdest, wäre mein Zuhause stumm. Auch wenn Schritte durch die Flure und Stimmen durch die Zimmer hallen.“, antwortet er.
„Ich liebe dich.“, flüstert Momo und lässt es zu, das Tsubasa ihr Gesicht in seine Hände nimmt.
„Ich liebe dich mehr.“, antwortet er sanft und küsst sie, zart und fein, als wäre sie noch immer das zerbrechliche Mädchen, welches er gefunden hat.
„Über das,“, sagt sie nach dem Kuss, „darüber ob du mich mehr liebst, als ich dich.“
„Was ist damit?“, fragt er neckisch.
„Also darüber müssen wir echt noch einmal reden, ey.“

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 01.04.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Mia O-chan Franzi Und dir

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