Das Abendrot schimmerte noch durch das Geäst der Baumkronen des Waldes; mit seinen Tannen und Laubbäumen. Der Waldboden war von den vielen Blättern der Bäume übersät, die nach und nach während des kalten Herbstes herabfielen. Die Blätter besaßen die verschiedensten Farben und Formen, erstrahlten am Tage rot, braun und gelb und verliehen der Umgebung ein unnachahmliches Aussehen. Doch nun, wo die Sonne langsam hinter dem tiefen Wald verschwand, lag das alles in immer größer werdende Schatten und vereinzelte Nebelschwaden strichen über den Boden; sie ähnelten einem Leichentuch, welches über den Körper einer Leiche gezogen wurde.
Im Dämmerlicht des zunehmenden Abends wurde die Stille des Waldes gestört. Zwei Gestalten, ein Mann und eine Frau, die ein Baby in ihren Händen trug, beide recht Lumpenhaft und verdreckt bekleidet. Beide vermutlich verehelicht, rannten von Angst getrieben durch den nächtlichen Wald.
Das Baby war ebenfalls in ärmlichen Stoffen geborgen, welche es kaum vor der Kälte zu schützen vermochte. Die Frau die dieses Kind fest an ihren Brustkorb hielt lief ihrem Mann hinterher, stets über Wurzeln und Unterholz stolpernd, rannten sie beide weiter, dem Schmerze zum Trotz.
Die junge Mutter stolperte ein weiteres Mal und fiel zu Boden, Tränen traten hervor und liefen über deren Wangen, als ein stechender Schmerz am Knöchel, die junge Frau am Wiederaufrichten hinderte. Das Kind, noch immer fest umklammert, schrie auf und sie war nicht imstande es zu beruhigen.
„Pssst, leise. Bitte schreie nicht, “ flüsterte sie und drückte ihren Kopf behutsam an den ihres Säuglings, „bitte beruhige dich, sonst werden sie uns hören.“ Panik ergriff sie und mit Grauen vernahm sie die Hufe vieler Pferde, die ihren Verfolgern gehörten. Sie kamen unaufhaltsam näher, plötzlich erschien jede verstreichende Sekunde so lange wie eine Stunde. Ungeachtet ihrer Schmerzen erhob sie sich vom Boden und kam ihrem Mann hinterher, welcher schon ein ganzes Stück voraus war, und das fehlen seiner Frau noch nicht bemerkte. Dann wandte er sich zu ihr um, als sie langsam hinterher kam und blickte verstört in die Richtung aus der sie kamen. In diesem Moment drang der Schein von vielen Fackeln zu ihnen, die sich in der Ferne auf sie zubewegten. Das laute Rufen ihrer Verfolger lag nun in greifbarer Nähe, mit jedem Moment den sie an diesem Platz verweilten, kam das unaufhaltsame Ende immer näher. Der Mann kam schnellen Schrittes auf seine Partnerin zu, sein Schulterlanges Haar, war zerzaust und von Laub durchzogen. Er reichte ihr die Hand und versuchte, sie den Weg den sie noch vor sich hatten, mit sich zu ziehen.
„Rasch, sie sind nahe“, sprach er zu ihr und half ihr weiter zu gehen. So waren sie zwar langsam und das Fortkommen war beschwerlicher, doch so entzogen sich beide den Fängen der Reiter und deren Soldaten.
Inzwischen war die Sonne gänzlich entschwunden und der Wald lag nun in tiefen Schatten. Hinter den beiden fliehenden Personen, waren ihre Verfolger, welche nun drastisch aufgeholt hatten. Schon bald vernahm man das Zischen und Heulen der Pfeile, die jedoch die beiden verfehlten und in die Bäume einschlugen. Sie beide versuchten nun schnell zu entkommen, hier und da flogen Pfeile an und über ihnen vorbei, doch plötzlich standen sie vor einer hohen, mit Moos und Gräser überwucherten Felswand, die ihnen den Weg versperrte.
„Hier kommen wir nicht weiter“, schluchzte die Frau und ließ sich auf die Knie fallen. Dabei legte sie das Kind vor sich auf den feuchten Boden, beugte sich vor und gab dem Baby einen Kuss auf die Stirn. Eine Träne glitt dem Boden entgegen und fiel auf das Gesicht des Kindes, um dort zu verlaufen.
Die Kälte des Herbstes ließ die Wangen des Säuglings erröten und im selben Augenblick verstummte das weinende Kind. Der Mann stand fassungslos vor der Felswand, die sich vor ihm aufgetan hatte, nahm ein altes Pergament hervor und betrachtete die Zeichnung, welche ein Mitgefangener einst für sie angefertigt hatte. Diese beschrieb einen Fluchtweg aus der Festung des Feindes und einen Pfad durch den Wald, abseits der bekannten Wege. Der Gefangene der ihnen dieses Pergament überreichte, wurde in derselben Nacht gehängt und wollte, dass die beiden es wenigstens aus der Gefangenschaft schaffen sollten.
Der Felsen jedoch, war durch die ständigen Regenfälle glatt und rutschig, daher bot er keinen halt um sich am Felsen festzuhalten, geschweige denn am Gestein herauf zu klettern. Dennoch versuchte er es, wobei er stets abrutschte und dort landete wo er damit begonnen hatte. Die Rufe ihrer Verfolger drangen an sein Ohr, nun noch viel näher. Er wand sich zu seiner Frau um, sah wie sie am Boden hockte und versuchte ihr stets weinendes Kind zu beruhigen.
Hinter ihr tauchten nun die Soldaten auf, welche von einem schwarzen Ritter zu Pferd, angeführt wurden. Dessen Gefolge bestand aus etwa zwanzig Mann, mit Speeren, Äxten, Schwertern und Bogen bis an die Zähne bewaffnet; sie selbst trugen auch eine Rüstung welches schwarz wie Kohle schien. Durch Handzeichen gab ihr Heerführer das Zeichen zum umstellen. Die beiden Verfolgten waren nun in der Falle. Vor ihnen die steile und rutschige Felswand, hinter ihnen ihre Jäger, die jede Sekunde ihre Pfeile auf sie nieder regnen lassen konnten. Die Fackeln erhellten den nächtlichen Wald. Ihre Bogen waren gespannt und auf sie gerichtet, die Sekunden der Ungewissheit erschienen sich wieder ins unendliche zu erstrecken. Bis ihr Heerführer das Zeichen zum schießen geben wollte.
Der Mann ging an seiner Frau vorbei und stellte sich den Soldaten, er versuchte seine Angst so gut zu unterdrücken wie er es zu diesem Zeitpunkt vermochte; doch jeder Schritt den er tat, war für ihn eine Qual, bis er schließlich stehen blieb und zum Heerführer aufsah, welcher auf seinem hohen schwarzen Ross im Sattel saß und auf ihn herab blickte. Er blickte den Reiter ernst an, sah wie dessen schwarzer Umhang sich leicht im Winde bewegte, an dessen Seite war ein Schwert am Gürtel, welches auch einen schwarzen Griff besaß und an dessen Griffende ein roter Stein eingefasst war. Seine Hände waren in schwarze Lederhandschuhe gehüllt, die ihn vor der Kälte des Herbstes schützen sollten. Diese Person, auch wenn sie sich hinter einer Rüstung und Helm verbarg, erkannte er wieder, er hieß Cole, der erste Heerführer. Einst war er ein guter Freund, bevor sie beide sich auseinanderlebten.
„Sie können mich und meine Frau umbringen, Cole. Aber dadurch schieben sie nur das Unglück auf, welches über ihr Reich kommt. Die Rebellion können sie nicht aufhalten, “ sprach er mit fester Stimme und blickte in die vielen Gesichter der Soldaten. Viele von ihnen hatte er selbst noch ausgebildet, und heute bestraften sie ihn für den Verrat an König und Vaterland, so zumindest hieß es im Brief, den er damals erhielt, als er sich mit den Rebellen verbündete.
„Ich bin untröstlich, wenn ich darüber nachdenke, dass ihr die Vernichtung eurer Rebellion nicht mehr miterleben könnt“, sagte Cole, hob dabei den Arm und gab den Befehl zum schießen. Im selben Moment sausten die Pfeile an ihm vorbei und in ihn hinein. Er sackte zu Boden und fiel vorn über, so dass sich die Pfeile noch tiefer in den Brustkorb bohrten, als es ohnehin schon der Fall war. Die Frau ließ von ihrem Kind ab und kroch zu seinem liegenden Leichnam hin, drehte ihn auf den Rücken, legte seinen Kopf auf ihren Schoß und strich ihm mit ihrer Hand durch das Haar. Sie schluchzte und wehklagte, weinte bittere Tränen. Cole stieg von seinem Pferd, während er auf die Frau zu ging zog er sein Schwert, als er neben ihr stand, ihren geschändeten Körper und gequälten Geist nicht mehr mit ansehen konnte, schlug er mit der Klinge den Kopf von ihren den Schultern; der Körper der jungen Frau kippte vornüber und bedeckte das Gesicht ihres Mannes.
Das Baby schrie auf, Cole hob es auf und wiegte es in Arm. „ Beruhig dich doch, dich wird ein besseres Schicksal erwarten, dafür sorge ich. Doch das Kind ließ sich nicht beruhigen. Cole blickte in Gesicht des kleinen Babys. Es war kalt, und blass. Er holte aus einer Tasche eine Decke und wickelte das Kind dort ein. Er selbst wollte so gerne Kinder haben, bis jetzt war es ihn nicht vergönnt mit seiner Frau die anscheinend keine Kinder bekommen konnte. Er hat eine wunderbare Frau, so führsorglich. Sie wäre eine wunderbare Mutter, bestimmt auch für dieses Kind. Wo würde das Kind hinkommen wenn es nicht bei uns bleiben dürfte, ins Waisenhaus? Ein trostloser Ort, dort leben die Kinder in Armut und unter einer strengen Hand. Aber er würde dort versorgt werden. Nein, das wäre nicht richtig. Jedes Kind hat eine liebende Familie verdient. Er übergibt das Kind einen Reiter. „ Bitte halte es gut fest, das Köpfchen muss auch gestützt werden. Er blickt zu den anderen: „ Bindet sein Pferd fest und holt es später ab.“ Er sieht zu dem Reiter der das Kind hält. „Du reitest mit mir.“
Die beiden Leichen des Ehepaars ließen sie ungeachtet dort liegen, mit Gewissheit würden sich die Wölfe um ihre Körper kümmern und sich an deren Fleische laben können.
Mitternacht war schon lange vergangen, als die Soldaten aus dem Schatten des Waldes heraustraten und sich vor ihnen die Silhouette der schwarzen Festung in der Ferne abzeichnete, es war keine Festung im eigentlichen Sinne, vielmehr war es die Hauptstadt, welche durch schwarze Mauern umrandet war und sich in der Mitte, auf einem hohen Fels der Palast abzeichnete. Sie folgten einem Weg aus dem Wald über eine weite Wiesenfläche, bis sie vor den schwarzen Mauern der Hauptstadt standen. Die Außenmauern waren dreißig Meter hoch und zehn Meter maßen sie in der Breite. Das Tor war fünfzehn Meter hoch und bestand aus dicken Baumstämmen die quer aufeinander lagen, welche mit schweren Eisenplatten verstärkt wurde. Wo sich die Außenmauern trafen, ragten hohe Türme in den nächtlichen Himmel, sie selbst waren fünfzig Meter hoch. Eine Trompete, mit einem tiefen Ton erschallte aus dem Inneren der Mauern und es schien als ob die Luft erbebte, sogleich wurde das Tor entriegelt und öffnete sich.
Die kleine Menge an Soldaten schritt nun in Viererreihen hindurch und gelangte ins Innere der Festungsanlage der Stadt, wo die Häuser der Bevölkerung erbaut waren. Von den Türmen und Befestigungsanlagen sahen hunderte von Soldaten auf die Heimkehrer herab und verfolgten mit ihren Blicken den Weg bis hin zu den Toren des Thronsaals. Das schwarze Pferd mit dem Reiter schritt voran vom Zug, welcher sich durch die Straßen schlängelte. Sie kamen an hunderte von Häusern vorbei und an etlichen Befestigungsanlagen, welche zum Teil die Straßen mit ihren langen Schatten noch weiter verdunkelten. Letzten Endes hielt der Zug an den Toren des Thronsaales, mit seinem riesigen Platz, wo die Soldaten aufmarschierten und dem König ihre Treue schworen. Der Heerführer stieg von seinem Pferd und nahm das Kind wieder an sich. Eine breite Treppe ging hinauf zum Thronsaal auf die er sich nun befand. Die Tore zum Saal öffneten sich und erst als er drinnen war, schlossen sie sich hinter ihm.
Vor ihm lag ein langer Gang der mit weißen Marmorplatten gepflastert war und hohe Säulen den Weg säumten, die in einem Kreisrunden Saal endeten und dort eine hohe Kuppel trugen, die kunstvoll mit Engelsabbildungen verziert war. Diese Engel hatten ihre Hände gen Himmel gehoben, als ob sie dem Himmel huldigen wollten, in der Mitte der Kuppel war ein buntes Fenster eingelassen; wenn die Sonne am höchsten Punkt des Tages stand, trafen ihre Strahlen auf das Fenster und schienen mit bunten Farben auf den Thron, welcher in der Mitte der Halle stand und ihn trotz des schwarzen Gesteins im Tageslicht schimmern ließ.
In der Mitte der runden Halle stand nun der Thron, aus pechschwarzen Gestein, auch mit Abbildungen von Engeln verziert, die sich an den Arm und Kopflehnen abzeichneten und auch hier den Anschein machten, dass sie einer Person sich unterwarfen. Doch hatten diese Engel keine richtigen Flügel, vielmehr sah es danach aus, als ob sie ihnen abgerissen worden waren, so dass nur Stumpfe mit Federresten übrigblieben. An der rechten Armlehne lehnte das Schwert des Königs, die Klinge abgestumpft und die Zeichen der Zeit sah man der Klinge an. Auf dem Thron saß ein Mann, vom Alter gebeugt und in einem warmen Fellmantel gehüllt, zum Schutze gegen die Kälte des Winterabends. Auf seinem Haupt ruhte die eiserne Krone, die wie zusammengebundene Farne sich um dessen Kopf schlangen und sein silbernes Schulterlanges Haar schmückten.
Als Cole mit dem Kind in den Armen an den Thron trat, blickte sein König kurz auf. Cole selbst blieb fünf Meter vor seinem Herrn stehen, ging in die Knie und setzte seinen Helm ab, welcher das Gesicht des Heerführers verborgen hielt, es war markant und von kleinen Narben an beiden Wangen und dessen Kinn geprägt, sein kurzes braunes Haar wurde zudem noch sichtbar; Cole sah zu Boden und hielt seinen Kopf nach vorne hin gebeugt. Nur er und ein weiterer Heerführer durften so nahe an ihren König heran; Besucher allerdings, auch wenn sie adeliger Abstammung waren, durften sich nur auf zehn Metern dem Thron nähern. Und selbst dann nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Königs, eine absolute Ausnahme war der Berater des Königs, welcher ein treuer Freund und Verbündeter war.
„Mein Herr“, sagte Cole in einem, dem Moment angemessenen Ton, „die Gefangenen sind nicht mehr am Leben, doch hatten sie ein Kind bei sich. Ich habe mich dem Kind angenommen, da die Mutter und der Vater tot sind. Ich bitte nun, mein Herr, um die Erlaubnis dieses Kind zu behalten.“ Cole blickte zu seinem König hinauf und wartete ab.
Der König sprach leise, es glich eher einem Hauch, als er antwortete. „Ihr wollt das Kind eines Verräters aufziehen wie euer eigenes Fleisch und Blut? Wieso sollte er seinen toten Eltern einst nicht gleich tun.“ Er errötet: „ Herr das Kind kann doch nichts für die Vegehen der Eltern. Jedes Kind wird in Unschuld geboren auch dieses, ich werde ihn lehren was Loyalität heißt, ich werde ihn mit Liebe und Verstand aufziehen. Seine Eltern werden wir sein, wir werden seine Vorbilder sein.“ Der König sieht erstaunt auf, ob er wohl verägert ist. Nie hat Cole sich erlaubt gegen den König so zu augmentieren, für ihn hatte Vertrauen und Gehorsam den König gegen über immer hohe Priorität. Aber die Augen des Kindes, diese lieblichen unschuldigen Augen, zeigen ihn das er zu recht handelt. Der König räuspert sich: „Nun Ihr dürft das Kind erziehen, aber nur unter der Bedingung: Es soll zum Soldaten erzogen werden, dem Königreich dienen und folgen.“
Cole nickte kurz, als er vom König das Handzeichen zur Aufforderung zum Gehen sah, so verneigte er sich kurz und kehrte schnell seinem Herrn den Rücken um den Gang nach draußen wieder zu folgen. Vor den Toren des Thronsaals stand sein kleines Heer und wartete auf weitere Befehle.
„Ihr dürft zu euren Frauen und Kindern zurückkehren, ich habe keine neuen Befehle erhalten!“ rief Cole ihnen zu und sah zu, wie die Soldaten erfreut ihrer Wege gingen. Cole selbst blieb noch eine kurze Zeit auf dem Vorhof und blickte zu den Sternen hinauf. Atmete die kühle Luft der Nacht ein und spürte diese aufkommende Frische in seinem Körper. Dann begab er sich mit langsamen Schritten nach Hause, in sein kleines Haus, wo seine liebliche Frau sicherlich schon das Abendessen hergerichtet hatte und auf seine Wiederkehr wartete.
Als Cole in sein Haus eintrat, umfing ihn sofort die Wärme des Kamins, die schnell in die Nacht hinausging, sobald jemand die Haustür öffnete. Ihm strömte sogleich der Duft von einem frischen Braten
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 04.11.2013
ISBN: 978-3-7309-7558-9
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