Mittlerweile bin ich umgezogen und wohne jetzt am Stadtrand von Cockeysville im Baltimore County. Vor einiger Zeit habe ich mir für relativ kleines Geld bei einer Versteigerung ein sehr schönes, großes Grundstück kaufen können und mir ein schickes, romantisches Haus im französischen Landhausstil gebaut - in Massivbauweise und komplett unterkellert nach deutschem Standard. Zusätzlich verfügt das Grundstück über eine Anlegestelle am Loch Raven Reservoir. Hin und wieder fahre ich mit meiner kleinen „Yacht“, einem recht kleinen Kajütboot hinaus auf den Teich, der an einigen, verschwiegenen Stellen in den nördlichen Uferregionen besonders tief ist. Manchmal schieße ich mir dann ein oder zwei Enten. Hin und wieder fahre ich auch zum Angeln und Relaxen hinaus, laß die Seele einfach baumeln. Ich lebe jetzt nun schon vier Jahre zufrieden in den USA.
Wenn ich in seltenen Augenblicken so diese beiden Morde in meinem Leben Revue passieren lasse, stelle ich fest, daß mein erster Mord sowohl dem Gedanken der Selbstverteidigung als auch einer Verzweiflungstat entsprach und ich damals meiner Ex nur zuvorkam. Zugegeben, ich hatte den Rettungsanker so genau vor ihrem Gesicht platziert, daß der unmittelbar zu erwartende Reflex sie letztendlich tötete. Nur wer sechzehn Ehejahre mit dieser Frau verbracht hatte und mich, beziehungsweise uns oder sie genau kannte, kann meine innere Verzweiflung und Zerrissenheit verstehen - und ihre Kälte und ihren Egoismus, ihre Ichbezogenheit sehen.
Na ja, der zweite Mord geschah zuletzt, vor etwa einem Jahr in Texas. Ich hatte bei Edna, einer in mehreren Bundesstaaten gesuchten schwarzen Witwe, ein klein wenig nachgeholfen, ihrem Schöpfer zu begegnen.
In beiden Mordfällen nahm ich immer, was mir die Natur anbot. Man muss sich ihrer immer nur auf angemessene Art und Weise bedienen. Denken Sie jetzt aber bitte nicht, daß ich nun wahllos einfach jemanden Nachts hinmeuchel und im Dunkel derselben verschwinde. Ganz so ist es nicht. Der Tod des Jeweiligen sollte schon einen Gemeinwert und einen nachhaltigen Nutzen für die Gemeinschaft haben. In beiden Fällen hatte ich keine Gewissensbisse oder gar Reue empfunden, sondern nur eine fast kaum zu bewältigende Erleichterung verspürt, besonders im ersten Fall. Ich fühlte mich danach wie neugeboren. Im zweiten Fall hatte ich ein ähnliches Gefühl, wiederholte sich doch alles. Es war auch einfach eine Notwendigkeit, ein Akt der Selbsthilfe.
Baltimore selbst strotzt ja nun geradezu vor Gewaltkriminalität und die anderen Monsterstädte in den Nachbarstaaten nehmen sich da nicht aus. Sie sind genauso wild und kriminell wie Baltimore - mehr oder weniger.
Wir haben einige sehr schwere Jungs hier, nicht nur an Gewicht sondern eher an dem gemessen, was sie auf dem Kerbholz haben. Würde man sie für jede Tat nach dem Gesetz bestrafen, müssten sie mehrfach wiedergeboren werden, um ihre Strafe abzusitzen. Ein Leben reicht bei denen nicht aus, egal wie alt sie sind oder hinter Gittern werden.
Seit einiger Zeit beschäftigten sich die Tageszeitungen und die Medien mit einem Prozess, der mir selbst auch sehr nahe ging, ein richtiger Krimi, wenn man dem Verlauf mit Interesse verfolgte und es kam, wie es kommen musste. Der Prozess wurde wegen eines Verfahrens-/und Formfehlers eingestellt und der Angeklagte, ein weißer Pädophiler, kam auf freien Fuß. Niemand konnte ihm etwas nachweisen und nachdem „Monty“ wieder auf freiem Fuß war, war er noch vorsichtiger geworden. Irgendwer musste dem Einhalt gebieten.
Nun, eines späten Abends, ich kam gerade aus dem Fitness-Studio und wollte die kurze Strecke nach Hause zu Fuß gehen, sah ich, wie „Monty“ Calhoun, der Pädophile, vor dem Eingang des Studios’ herumlungerte. „Monty“ Montgomery Calhoun war mir ja nun aus den Medien und den Zeitungen bekannt. Nach allem, was ich ihnen und der Presse entnehmen konnte, stammte er aus einem kleinen Vorort im Süden von Baltimore und wohnte auch dort. Was also suchte er hoch im Norden von Baltimore Country? Er musste auf der Hut sein, nicht tatsächlich noch gelyncht zu werden, auch wenn er ein Weißer war. „Monty“ wollte mit Sicherheit kein „Eisen biegen“ und sich für eine kräftige Muskulatur abrackern. „Pädo-Monty“, wie ihn die Presse nannte, war von Natur aus kräftig und untersetzt und alles in allem eine bullige Erscheinung mit einem Allerweltsgesicht. Man sah ihn einmal und vergaß ihn sofort wieder. Irgendwie macht er einen nervösen, unsteten Eindruck auf mich. Plötzlich fiel es mir ein, schlagartig! „Monty“ stand unter Druck. Er suchte ein Opfer. Er würde wieder seinen Neigungen nachzugehen versuchen, ein kleines und unschuldiges Kind schänden und anschließend auf grausame, geradezu bestialische Weise töten und zerstückelt in einem Müllsack wie einen Haufen Abfall auf der nächstgelegenen Müllkippe entsorgen.
Hm, dachte ich mir, eigentlich eine gute Idee, diesen Kinderschänder für immer und auf ewig der Nachwelt zu entziehen, gleichzeitig konnte ich ein gutes Werk vollbringen. Sein Tod war für mich eine beschlossene Sache und würde mit Sicherheit ganze Heerscharen Kinder retten. Ein „erster, sogenannter Probelauf“ für meine neu entdeckte Leidenschaft bot sich an, kam wie gerufen.
Ich wusste auch schon, wie ich ihn nachhaltig aus dem Genpool von Baltimore Country entfernen wollte und lud ihn auf einen Drink zu mir nach Hause ein. Er überschlug sich fast vor lauter Dankbarkeit. Wenn dieses fette Schwein wüsste, was ich mit ihm vorhatte, würde er sich bestimmt nicht bedanken - oder vielleicht doch? Für einen kurzen Augenblick tat er mir sogar leid. Er musste sich sehr einsam fühlen, so von allen geächtet zu werden, um sein Leben fürchten zu müssen, wenn er sich, wenn auch nur in den Abendstunden, auf der Straße sehen ließ und daß alles nur wegen einer kleinen psychischen Störung. Na ja, wie gesagt, es war nur ein kurzer Augenblick.
Ich bat ihn, Platz zu nehmen und nachdem ich ihm einen guten, doppelstöckigen Whiskey angeboten hatte, den er in einem Zug austrank, verdrehte er wenige Minuten später die Augen und trat kommentarlos weg. Ich lud mir diesen Fleischklops auf die Schultern und brachte ihn erst einmal nach unten in den Keller.
Vielleicht sollte ich erwähnen, daß nicht der Whiskey ihn umgehauen hatte, sondern die darin enthaltenen KO-Tropfen. Daß diese so schnell wirkten, hatte ich bei dieser Masse Mensch nicht wirklich erwartet. Na ja, vielleicht hatte er auch noch nichts gegessen. Nun, auf jeden Fall heiligte für mich der Zweck die Mittel.
Ich zog mir im Keller eine dicke Arbeitshose an, eine ebensolche Jacke, feste Bergarbeiterstiefel, band mir eine bis fast auf den Boden reichende Schürze um und setzte mir eine leichte, aber säurebeständige Kopfhaube auf. Anschließend folgten ein paar dicke Gummihandschuhe, die mit ihren Stulpen bis zum Ellbogen reichten. Zum Schluß setzte ich meinen Sichtschutz auf. Langsam kam ich mir wie Dexter vor, obwohl wir beide so gut wie nichts gemeinsam hatten. Er war ja nur eine Filmfigur, aber immerhin killten wir die gleichen oder ähnlichen Freaks. Er im Film und ich in der Realität, nur musste ich um einen Tick schlauer sein als mein Filmpedant: ich hatte keine Schwester bei den Bullen, die mich deckte und noch weniger hatte ich einen psychischen Knax wie er, hatte also keine üble und merkwürdige, undurchsichtige Vergangenheit aufzuarbeiten. Mir machte diese Tätigkeit einfach nur Spaß und ließ mich ein verantwortungsbewusstes Mitglied meiner Gemeinde sein, gab mir eine gewisse Genugtuung - und letztendlich war sein Tod auch eine Notwendigkeit. Irgendwer musste ja die Drecksarbeit machen.
Dann begann ich eine sehr unästhetische Arbeit: meinen Gast komplett zu entkleiden und in die großräumige Badewanne zu legen. Widerwärtig diese nackte, weiße und fette Gestalt. Ich legte ihn in die Badewanne. Schön ausgerichtet und schön festgeschnallt, ließ langsam lauwarmes Wasser einlaufen und wartete darauf, daß sich die Wasserstände zwischen Wannenfüllung und dem daneben stehenden Aquarium ausglichen. Ebenso mussten sich die Wassertemperaturen angleichen. In dem am Fuß der Wanne angeschlossenen und gut gesicherten, sehr großen und sehr geräumigen Fischbecken brodelte und tobte es schon. Die Jungs hatten wohl irgendwie mitbekommen, daß in der Badewanne ein Leckerchen lag und sie nur noch eine Weile warten mussten. Jedenfalls schwammen sie sich schon einmal warm.
Nach einiger Zeit hatten sich also die Wasserspiegel sowie die Wassertemperaturen ausgeglichen und ich schloß den Deckel, damit es nicht so spritzte und mir nachher alles in roten und rosafarbenen Tönen eingesaut war. Wenn Sie also noch nie 15 Exemplare der Gattung Pygocentrus nattereri (Roter Piranha) in Aktion gesehen haben, schauen Sie sich einfach mal ein paar Videos im Internet, zum Beispiel bei YouTube, an und Sie sind überzeugt, daß man sich der Natur nur auf die richtige Art und Weise bedienen muß, um einen unliebsame Zeitgenossen zu entsorgen.
Noch war „Monty“ betäubt und schlummerte tief und fest. Ich muß zugeben, daß ich anfangs mit dem Gedanken spielte, ihn im Wachzustand in den für ihn sicher zweifelhaften Genuss kommen zu lassen, seiner eigenen und etwas unorthodoxen Hinrichtung beizuwohnen, aber ich wollte auch kein Sadist sein. Also klappte ich den Deckel über die Wanne herunter, verriegelte sie und zog das eisernen Gitter zum Fischbecken.
Zügig schwammen die 15 ausgehungerten Tiere, sie sind Schwarmfische und verkümmern, wenn sie allein sind, hin und her, zogen ihre Kreise im Aquarium bis der erste den offenen Durchlass durch die Luke in die Badewanne entdeckte. Da ich „Monty“ beim Hineinlegen in die Wanne offensichtlich leicht verletzt haben musste, blutete er geringfügig, was durchaus reichte, die Tiere in einen schauerlichen Fressrausch geraten zu lassen.
Der Piranha fixiert zuerst die Beute, schießt dann auf sie zu und beißt zu. Anschließend kommt die Rüttelbewegung wie bei Haien, um das Fleischstück zu lösen. Zum Schluß entfernt er sich von der Beute und schluckt. Und das wiederholt sich pausenlos.
In ihrer Heimat übernehmen sie in gewissem Maße die Rolle der „Gesundheitspolizei“. Somit erfüllen die Piranhas eine wichtige Funktion zugunsten des ökologischen Gleichgewichtes, weil durch das Vertilgen von Tierkadavern gefährliche Epidemien verhindert werden. Ich kümmerte mich halt um das soziale, gesellschaftliche Gleichgewicht. Dabei ist das Aggressionsverhalten der Tiere berüchtigt, es ist bei allen drei Arten sehr ausgeprägt, wobei der Serrasalmus als am aggressivsten gilt. Bei uns in den USA sind sie strengstens verboten, aber wozu gibt es das DarkNet?
Es tobte und wirbelte in dem Becken und ich hatte die Befürchtung, daß die Vorrichtung nicht halten würde, schließlich war es ein erster Probelauf. Aber, ich durfte zufrieden sein und die ganze Einrichtung erwies sich als äußerst stabil. Nichts klapperte oder klingelte, nirgendwo rollte eine Mutter selbständige Wege entlang.
Nach zirka 30 Minuten kehrte Ruhe ein und die 15 vollgefressenen Fische schwammen von der Wanne ins Becken und wieder zurück. Die 15 Fische zogen wieder ihre Kreise und bevor sie wieder in der Wanne auftauchen konnten, versperrte ich ihnen den Weg mit dem Gitter. Ich zog den Stöpsel aus der Wanne und das blutige Wasser floss zusammen mit den relativ wenigen, nicht verwerteten Resten von „Monty“ ab, während ich gleichzeitig die Pumpe einschaltete, um den Wasseraustausch im Aquarium vorzunehmen. Sie würde solange laufen, bis der Inhalt komplett ausgetauscht war und die Beckenfüllung ihren Sollstand erreicht hatte.
„Monty“ aber, nun ja, hatte in sehr kurzer Zeit richtig abgenommen, war richtig abgemagert. Keine Unze Fleisch mehr auf den Knochen und diese waren auch noch fein säuberlich abgenagt. Ich verschloß den Ablauf der Wanne und füllte diese nun anschließend aus einem Tank vorsichtig mit Schwefelsäure. Gerade so viel, daß sie seine beinernen Überreste fünf Zentimeter hoch bedeckte. Danach schloß ich den Deckel fest zu, öffnete die Entlüftungsventile an der Wanne und sorgte für eine gute Abluft im Raum, in dem ich die separate Klimaanlage einschaltete. Jetzt konnte ich mich endlich wieder von Schürze und Haube trennen und mich der Schuhe entledigen. Die Fische waren schon versorgt worden, hatten frisches Wasser und schwammen zufrieden und vollgefressen ihre Kreise.
Nachdem ich den Kellerraum über das Codeschloß gesichert hatte, begab ich mich nach oben unter die Dusche. „Monty“ würde ungefähr 36 bis 48 Stunden benötigen, um sich völlig spurlos aufzulösen. Anschließend musste ich nur noch vorsichtig die Säure neutralisieren, die Wanne langsam mit Wasser auffüllen, den Stöpsel ziehen und "Monty" und sein Bad in der Kanalisation entsorgen. Einige Wannenfüllungen Wasser würden das Ganze entsprechend verdünnen. So war der Plan und natürlich ging er auf.
Ich hatte alle Sachen von Monty schön zusammengelegt, seine wenigen Wertsachen oben drauf gestapelt und sie in einem vorbereiteten Müllbeutel gestopft. Letzteren nahm ich nun mit, schaltete beim Verlassen des Hauses die Alarmanlage ein und ging zu meiner kleinen Yacht, fuhr hinaus auf den Loch Raven. Während ich die Angeln auslegte, ließ ich den zusätzlich mit ein paar Kieselsteinen beschwerten Beutel mit dem Seewasser volllaufen und band die Öffnung wieder zu. Dieses Paket ließ ich an einer tiefen, geschützten Stelle über Bord gehen. Die enthaltenen drei Kilogramm Meersalz, angereichert mit dem Wasser des Loch Raven Reservoir würden eventuelle Spuren und Fingerabdrücke in den nächsten Stunden zerstören. Anschließend fuhr ich gemütlich mit zwei gefangenen Forellen nach Hause.
Einige Zeit wurde noch herumgerätselt, wo „Monty“ Calhoun geblieben war. Nach und nach beruhigte man sich wieder in seinem Wohnort und auch die Sensationspresse verlor ihr Interesse an ihm. Als nach Wochen noch immer keine Kinder vermisst wurden, entspannte sich die Bevölkerung zusehends und ging davon aus, daß „Monty“ sich abgesetzt hatte, zumal auch sein Haus schlagartig aus nur mir bekannten Gründen leer stand und verweiste. Ein Jahr später, nachdem es niemand kaufen wollte, fackelte es eines Nachts aus unbekannten Gründen ab. „Monty“ geriet bald in Vergessenheit. Er würde keinem Kind mehr gefährlich werden.
Ich war zufrieden, hatte ich doch ein gutes Werk getan. Ich nahm mir vor, noch weitere gute Werke zu tun und mich der Natur in angemessener Art und Weise zu bedienen.
Bis dann ... - wir bleiben in mörderischer Verbindung, so Sie denn wollen.
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Texte: by B. Terlau
Bildmaterialien: by B. Terlau
Cover: by B. Terlau
Lektorat: B. Terlau
Übersetzung: keine
Satz: by B. Terlau
Tag der Veröffentlichung: 02.03.2019
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