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Erstes Kapitel

Hat das Schicksal es so gewollt?

…Anja heult hysterisch. „Pass bloß auf“, knurrt ich leise. „Das ist mein Freund, kapiert? Wenn hier also jemand kreischt und ohnmächtig wird, dann bin ich das.“ Sie starrt mich mit aufgerissenen Augen an. Clemens geht zurzeit wahrscheinlich zurück in sein Zimmer, um sich umzuziehen nach diesem dreckigen Wettkampf. Clemens scheint ja inzwischen schon sehr eng mit Anja befreundet zu sein, dass ich für ihn fast in Vergessenheit geraten bin. Das macht mich sehr traurig. So beschließe ich Clemens aufzusuchen, um mit ihm darüber zu reden. Als ich Clemens Zimmer betrat, sah ich Anja auf dem Bett liegend und Clemens sitzend neben ihr am Bettrand. Ich kam näher, um es zu vergewissern, dass es auch wirklich wahr ist, was mir meine Augen sagten. In diesem Moment dachte ich, ich könnte ihm nur noch eine Ohrfeige geben und wegrennen, ganz weit weg von hier. Und dies tat ich. Ich begegnete Thomas am Gange, da er ja der Zimmernachbar von Clemens war und offensichtlich hatte er vor einen Spaziergang zu machen. Doch ich konnte nicht und hatte auch nicht vor mit ihm zu reden und so rannte ich weiter los bis ich das Gefühl habe, als ob jemand mich die ganze Zeit verfolgte. Ich konnte die Schritte hören und bewegte mich langsamer und tat so, als ob ich nichts bemerkt habe. Es kam näher und näher, so drehte ich mich um. Uffh, was für ein Glück, das war Thomas. „Thomas! Wieso verfolgst du …“ In einem nicht gut durchdachter Moment nimmt Thomas mein Gesicht in seine Hände und macht Anstalten mich zu küssen. Ich versuchte ihn von mir wegzustoßen, doch er drückt mich nur noch fester an sich, dass unsere Lippen berührten. Auch in diesem Moment kam Clemens … Er sah sehr wütend aus, dies konnte man an seinem Gesicht erkennen. Da fragte ich mich wirklich, wieso er jetzt überhaupt noch gekommen ist, hat er denn nicht schon Anja? Plötzlich spürte ich von hinten eine Kraft, die versuchte mich von Thomas zu trennen. Zugleich konnte ich eine sehr bekannte Faust sehen, die in der Züge war, auf Thomas zu zukommen. „Ich mag Thomas“, schrie ich ungewollt heraus. Diese Worte sind mir einfach herausgerutscht und da blieb alles starr. Alles scheint aufgehört zu haben, sich zu bewegen, als diese Worte aus meinem Mund kamen … Für einen kurzen Moment, denke ich: „Was habe ich eigentlich gemacht? Ist es mir denn nicht klar, dass es das Ende zwischen Clemens und mir sein wird, wenn ich diese Worte sage?“ Doch dann überlegte ich es mir nochmals gründlicher. Es kann doch nichts Schlimmeres werden. Wenn er mich liebt, dann wird er schon irgendwie versuchen, mich wieder zurückzubekommen und außerdem könnte ich auch feststellen, wie seine Liebe mir gegenüber ist. „Wie bitte? Meinst du das ernst? Du magst ihn? IHN?“, vergewissert Clemens sich bei mir nach meiner Aussage. „… Ja! Ich mag ihn. Hast du was dagegen?“ Er wandte sich um ohne ein weiteres Wort zu sagen und entfernt sich von Thomas und mir. „Aber … Clemens!“, sagt ich zögerlich. Er ist bereits so weit weg, dass er mich gar nicht mehr hörte. „Es tut mir Leid wegen dieses Ereignis. Ich weiß auch nicht warum ich es dir angetan habe“, sagte Thomas zu mir. Er sah so verlegen aus, dass ich ihn gar nicht mehr die Schuld geben möchte. „Ist schon gut. Er soll seine Lektion lernen. Schließlich hat er ja damit begonnen“, beruhigte ich ihn, obwohl mir selbst nicht bewusst war, was danach mit Clemens und mir passieren wird. Ich war noch beim Schlafen, als plötzlich das heftige Klopfen an meiner Haustüre mich aufgeweckt hat. Ich streckte mich aus und bewegte mich schließlich zur Tür, um zu sehen, wer es eigentlich war. Ich öffnete meine Augen und erschrak als ich Clemens vor mir stehen sah. „Was ist los? Wieso bist du hier?“, fragte ich nach. „Komm mit!“, sagte Clemens und zog mich dabei an meiner Hand. Ich riss mich von ihm weg, da ich ohne Grund nirgendswohin gehen werde und außerdem bin ich noch im Schlafanzug. Ich möchte mich auf keinen Fall in der Öffentlichkeit blamieren wollen. „Wohin und weshalb?“ „Du wirst schon wissen!“, verkündigte er mir und versuchte nochmals mich aus der Wohnung zu bewegen. „Nein! Ich gehe nirgendswo, solange du mir nicht sagst, wohin du mich bringen willst und aus welchem Grund“, sagte ich aufgebraust. „Zu Anja. Es war nur ein Missverständnis, was du gestern gesehen hast. Es war nicht wie du es dir gedacht hast. Ich möchte, dass Anja dir die ganze Geschichte weismacht.“ „Tja, jetzt weiß er auch wohl, dass er mich braucht“, sagte ich zu mir selbst in Gedanken. Als ich nichts mehr darauf sagte, fügte Clemens hinzu: „Bitte. Komm mit mir!“ Da ich ihm noch eine Chance geben und nochmals anvertrauen will, stimmte ich ihm diesmal zu. „Okay … aber warte kurz, ich muss mich noch schnell umziehen.“ Ich ging ins Badezimmer und machte mich bereit. Clemens brachte mich zu Anja. Als wir bei ihr ankamen, war Anja gerade beim Packen. Clemens erwartete von ihr, dass sie endlich mit die Wahrheit herausrückte, doch das schien schwierig zu sein. Niemand würde einfach so die Wahrheit sagen und schon gar nicht, wenn man keine Zeuge hat. Später war auch Thomas anwesend. Auch er will dies aus Anjas Mund hören, doch sie blieb weiterhin still bis Thomas sie warnte: „Hör auf mit diesem Unsinn! Wann willst du endlich dich damit abfinden, diese Sachen an jedem Typ zu machen? Entweder sagst du es selbst oder ich werde es für dich tun!“ – Es stellte sich heraus, dass ich doch am falschen lag. Anja scherzte nur mit Clemens. Sie sagte, dass sie starken Bauchschmerzen hatte und da Clemens Vater ein Doktor ist, hat er natürlich von seinem Vater einige Erste Hilfe Leistung gelernt und bot ihr deshalb die Hilfe an. Auch kam das ins Rampenlicht, dass Anja schon öfter diese Tricks an mehreren Jungs angewendet hat und Thomas war einer davon …

Das ist unser letzter Abend in Spanien und diese möchten wir noch genießen. Wir sitzen am Balkon und betrachteten die funkelnden Sterne am Himmel. „Versöhnen wir uns?“, fragte Clemens mich. Seine Stimme klang aber zittrig. „Da musst du Thomas dafür bedanken, dass er dir geholfen hat, die Wahrheit ins Licht zu bringen.“ „Ja, ja … du stehst immer auf seiner Seite!“, sagte er wütend. „Was war eigentlich gestern mit Thomas und dir?“ „Eifersüchtig?“ „Was denkst du? Soll ich denn nicht eifersüchtig sein?“ „Ja. Hab’s schon verstanden, dass du mich liebst. Ich liebe dich auch!“ Nach einer Weile fragte ich Clemens neugierig: „Welche Liebe ist für dich am Wichtigsten?“ „Naja, die Mutter Liebe. Ich denke auf der ganzen Welt, wer dich am meisten liebt und dir Beachtung schenkt, das ist niemand anderes als deine eigene Mutter“, antwortete er mir überlegend. Ich wusste nicht, ob ich ihn widersprechen soll oder nicht, da meine Mutter mich nämlich von klein an verlassen hat. Sie versprach mir, dass sie irgendwann einmal, aber sehr bald wieder zurückkommen wird. Aber bis jetzt ist sie noch nicht aufgetaucht.

Und so verlief die letzte Nacht in Spanien und wir bereiteten uns für die Abreise … Als ich nachhause kam, erhielt ich einen Anruf. Ich war wie aus dem Hause. „Meine Mutter, die mich verlassen hat, ist endlich wiederzurückgekehrt. Sie hat mich gesucht!“, ließ ich mir die Gedanke im Kopf durchlaufen. Die Mutter, die ich vor langer Zeit nach ihr gesehnt habe, erklärte mir, dass sie bereits erneut verheiratet ist und lud mich zu einem Familientreffen ein …

Ich bereitete mich für diesen Abend vor. Der Abend, wonach ich schon zirka 20 Jahren gesehnt habe. Den Tag, an dem ich meine Mutter endlich wieder sehen könnte. Ich möchte so gern in ihre Umarmung sein. Ich möchte wissen, weshalb sie mich verlassen hat und sich für eine neue Familie entschieden hat. So viele Fragen werfen in mir auf. Einerseits bin ich glücklich, dass ich meine Mutter wieder gefunden habe. Andererseits habe ich Angst. Ich weiß nicht wie ich reagieren soll, wenn ich sie sehe. Soll ich sie überhaupt verzeihen, dass sie mich zurückgelassen hat? …

Diese Straße kommt mir so bekannt vor. Das ist doch die Straße, wo Clemens lebt. Ich habe auf ihn dort gewartet, als wir uns verabredet haben. Ich schaue die Adresse nach, die mir meine Mutter gegeben hat, um sicherzustellen, dass ich mich nicht geirrt habe. Faydenstraße 5. Genau dieses Haus. Ich klinge an der Haustür und ahne etwas Schlimmes. Als endlich jemand von ihnen rausrannte, um die Tür zu öffnen, konnte ich augenblicklich nicht fassen, was hier eigentlich vorgeht. Es war Clemens, der mir die Tür geöffnet hat. „Oh… hi! Was machst du heute da? Kommst du mich besuchen?“, fragte er freundlich. Doch ich war so überrascht und konnte kein Wort herausbringen. Als ich mich wieder einigermaßen beruhigt habe, erkundigte ich mich bei ihm: „ … ist … ist das dein Haus?“ „Ja …? Erkennst du es denn nicht mehr? Wir haben uns hier ständig verabredet. Du hast hier auf mich gewartet! Na, willst du heute denn mit mir ausgehen oder hast du mich so sehr vermisst, dass du mich unbedingt noch sehen willst?“, sagte er und lachte dabei. Noch bevor ich es ihm erklären konnte, kam eine zierliche Frau aus dem Haus. Sie sah etwa wie 35 Jahre aus, elegant und luxuriös bekleidet. „Was brauchst du so lange, um die Tür auf zu machen?“, sagte sie zu Clemens und bemerkte erst danach, dass ich davor stehe. Ist das meine Mutter etwa? Ob sie mich noch erkennt … als sie mich verlassen hat, war ich erst 3 Jahre alt. Ich konnte Tränen in ihre Augen sehen. Auch mir kamen die Tränen als ich sie sah. Sie kam näher und umarmte mich, küsste mich. Danach brachte sie mich ins Haus und sagte zu Clemens, dass er eine Tasse Tee vorbereiten sollte. Clemens war verwirrt, das sah man an seine Bewegung. Möglicherweise wusste er nicht, was sich hier abspielt, genauso was ich vor 10 Minuten gefühlt habe, nur ich wollte es nicht glauben, dass es die Wahrheit ist. Ich war wie geschockt, als meine Mutter mir gleich am ersten Tag, nach so vielen Jahren, an dem wir uns wiedergefunden haben, eine schwer zu glaubende Überraschung bereitete. Ich traute meinen Augen nicht zu! Mein Stiefvater, er war Clemens Vater und zugleich der Sohn meiner Mutter. Es tritt ein Gefühl auf in mir, das ich nur schwer beschreiben konnte. Ich war wie niedergeschlagen und wusste keinen Ausweg mehr. „Auf dieser Welt gibt es so viele Menschen. Wieso? Wieso muss  ausgerechnet er mein Bruder sein?“, fragte ich mich. Als Clemens wieder von der Küche mit einer Tasse Tee hinaustrat, sagte diese Frau zu ihm: „Du, Clemens … setz dich mal her. Ich muss dir etwas sagen …“ Die Nervosität stieg in Clemens. Vielleicht verstand er jetzt die Situation. „Dieses Mädchen … das du hier siehst. Sie ist meine Tochter von ehemaligem Mann. Sie ist deine Schwester.“ Clemens starrte seine Mutter an. Ihm standen Tränen vor Augen. Verwirrend stand Clemens auf und ging in sein Zimmer zurück. „Clemens … Clemens!“, rief sie ihm nach. „Was ist bloß los mit ihm heute“, warf sie die Frage im Raum. Auch ich fühlte ein Stich in meinem Herz. Ich versuchte trotzdem ruhig zu bleiben. Einerseits bin ich froh, dass ich endlich meine Mutter gefunden habe und somit eine neue Familie habe, andererseits ist es ziemlich beschwerlich für uns beide diese verzwickte und schmerzhafte Gegebenheit zu akzeptieren. Wir sind Geschwister! Trotz des anderen Familienstamms, wurden er und ich durch dieselbe Mutter zur Welt gebracht. Mir war klar, dass das das endgültige Ende unserer Beziehung bedeutete. Es war uns beiden bewusst. Ich ging nach dem Treffen nach Hause und weinte, weinte für unser Schicksal. Meine Mutter bot mir zu ihnen zu ziehen, doch ich lehnte ab. Um die Blutschande zu vermeiden, habe ich mich entschlossen friedlich zu gehen. Ich weiß nur, dass ich weit, weit weg gehen möchte und ein neues Leben für mich finde. Es ist so schmerzhaft hier zu bleiben, wenn die Gedanken über Clemens nicht nachlassen, deshalb habe ich mich für ein Studium in Amerika beschlossen. Zwischenzeitlich konnte ich nur diesen Ausweg finden. Das ist eine gute Lösung für uns beiden.

Nach vierjährigem Masterstudium in Business in Austin, habe ich mich beschlossen nach Boston zu ziehen, um mir eine neue Umfeld zu suchen. Ich habe mir inzwischen eine kleine Wohnung gekauft, zwar nicht im Zentrum der Stadt, aber auch nicht so weit entfernt. Von dort benötige ich zirka anderthalb Stunden zu meiner Arbeit. Kürzlich habe ich mich als Angestellte für ein Unternehmen beworben und bin jetzt ziemlich zufrieden mit mein Leben. Da man in Amerika unbedingt ein Auto haben sollte, damit man sich besser hin und her bewegen kann, habe ich mir ein Auto geleast. Es ist günstiger. Und ich bin auch Mutter vielen Kindern. Seit einem Jahr habe ich mich bei einem Kinderdorf engagiert. Ich möchte außer unternehmerische Dinge, meine Freizeit mit den Kindern verbringen und etwas für den guten Zweck machen. Ich liebe Kinder und sie lieben mich auch. Sie verhelfen mir die schlechte Erinnerungen beiseite zu legen. Ich fühle mich wohl bei ihnen zu sein. „Endlich Wochenende! Heute wird ein schöner Tag sein. Mal wieder Zeit nehmen, mit meinen Kindern zu unterhalten, ist doch was Schönes. Die habe ich schon vermisst. So, jetzt werde ich noch kurz zum Supermarkt fahren, um Zutaten für heute Abend zu kaufen. Heute werde ich ihnen ein leckeres Abendessen vorbereiten. Sicherlich freuen sie sich darauf.“ Bump! Plötzlich fühlte ich einen starken Stoß, der mich nach vorne schleuderte. Ich habe eine Vollbremse gemacht. „Verdammt! Noch habe ich gesagt, dass heute ein schöner Tag sein wird. Von wegen!“ Wie ausgerastet, stieg ich aus meinem geleasten Auto, das ich monatlich 200 Euro dafür bezahlen muss und deshalb sehr darauf Acht gebe, dass nichts passiert. „Können Sie denn nicht Auto fahren? Sehen Sie nur, was sie mit meinem Auto angerichtet haben!“ Vor Wut habe ich diese Person noch nicht ins Gesicht gesehen, doch als diese Person die Stimme erhebt, kommt mir diese Stimme so bekannt vor. Als hätte ich es früher schon einmal gehört. Diese Stimme ist nicht leicht zu verwechseln. Es ist sehr speziell und ich könnte nie im Leben vergessen von wem diese Stimme ist. „Thomas? …“, frage ich und hebe dabei meinen Kopf etwas hoch, um diese Person ins Gesicht zu blicken. Mein Herz raste plötzlich so schnell und ich konnte nicht fassen, dass es wirklich er ist. Den alten Freund aus der ehemaligen Zeit. „Ja. Das bin ich! Aber woher wissen Sie meinen Namen? … Geht es Ihnen gut? Hören Sie, es tut mir wirklich sehr Leid. Ich habe nicht die Absicht gehabt. Ehrlich nicht. Ich habe nur kurz etwas gesucht gehabt und ja …“ „Du hast dich aber all die Jahren nie wirklich verändert!“ „Wieso sagt sie du zu mir?“, fragte er sich verwundert. „Em … Entschuldigen Sie, kennen wir uns vielleicht?“ „Ja, sicher! Erkennst du mich nicht mehr?“ „Echt? Kenne ich Sie?“ Er sah ihr in die Augen. Ihre Augen sind wunderschön. Er erkannte es wieder. Diese Augenfarbe. Türkisblaue glänzende Augen. Doch sie hat sich inzwischen so viel verändert, dass er sie kaum noch erkennen kann. Nur eins bliebt gleich: Die Augen. „Emily? Bist du es?“ „Ja! Wer denn sonst? Was für eine Überraschung dich hier in dieses Land und in dieser Stadt zu sehen!“ „Ich auch, ich auch“, sagte er glücklich und ein wenig überrascht. „Naja, vielleicht ist diese Welt doch nicht so groß wie ich es mir gedacht habe. Was machst du eigentlich hier? Em … ich meine, seit wann bist du nach USA gezogen?“ „Auch schon länger eigentlich!“ „Oh … wollen wir gemeinsam etwas Essen gehen? Ich möchte nämlich vieles erfahren.“ Vor lauter Freude, endlich jemand aus der ehemaligen Zeit wieder sehen zu können, habe ich völlig vergessen, dass mein Auto derzeit einen Schaden hat. „Oh …“, sagt ich als ich mich wieder daran erinnert habe. „Ich werde dir den Schaden bezahlen“, sagt Thomas zu mir und wirkt dabei schuldig. „Ist schon okay …“, sagt ich mit wenig überzeugender Ton. Er ist ja ein Freund von mir. Ist doch blöd, wenn ich etwas von ihm fordere gleich nach dem ersten Wiedertreffen. Aber zur Werkstatt muss ich mein Auto trotzdem schicken lassen. Ich rufe schnell den Schleppdienst an, um diesen reparieren zu lassen. „Okay. Der Schleppdienst kommt erst in zwei Stunden. Ich schlage vor, dass wir uns zunächst den Magen vollfüllen. Ich habe ihnen meine Nummer schon gegeben. Sie werden mich anrufen, wenn’s so weit ist.“ Er öffnet mir die Türe auf und lässt mich einsteigen. Danach fährt er los zu einem Restaurant, der in nicht zu weit weg ist, damit wir noch rechtzeitig wieder zurück fahren kann, wenn der Schleppdienst gekommen ist. Er lädt mich zum Essen ein und gibt mir die Entscheidung, das Menü zu wählen. „Wenn er schon sagt, dass ich selbst wählen kann … hm, dann werde ich sicherlich etwas Teures wählen, um ihn für den Schaden zu rächen“, denke ich mir. Als der Kellner an unserem Tisch kommt, um die Bestellung aufzunehmen, habe ich mich für Seafood entschieden. Ich bemerke, dass Thomas ständig auf seine Uhr schaut und frage nach: „Hast du vielleicht einen wichtigen Termin?“ „Oh, ja. Ich habe eigentlich ein wichtiges Treffen mit einer Kunde von mir. Die habe ich beinahe vergessen. Ich glaube, ich muss jetzt weg. Genieße das Essen. Die Rechnung werde ich schon bezahlen. Und… bevor ich es noch vergesse, hier ist meine Visitenkarte. Bleibe in Kontakt! War nett dich wieder nach so vielen Jahren zu sehen. Tschüss!“ „Em … okay?“ Aus dem Fenster konnte ich erkennen, wie er geeilt zu seiner Auto rennt und in der Hand einen Regenschirm hält. Es nieselt draußen, so beschließe ich noch gemütlich das Essen zu genießen während dem Regen. Neugierig werfe ich kurz einen Blick auf seine Visitenkarte: Thomas Reinhard. Anwalt. „Nicht schlecht. Er hat sogar eine bessere Ausbildung wie ich“, sagte ich und schlinge dabei mein Essen schnell runter. Ursprünglich hatte ich vor die Kinder zu besuchen und durch dieses Ereignis hat sich das verzögert. Ich fahre diesmal mit dem Bus zuerst zum Supermarkt danach zum Kinderdorf. Gott sei Dank ist es nicht so weit weg, da in Amerika die Busverbindungen selten sind. Fast jeder Bewohner besitzt ein Auto, mit dem sie sich hin und her bewegen. Ich bin herzlich willkommen. Als sie mich von weitem sehen, laufen sie zu mir und umarmen mich. „Mama, wir haben dich vermisst“, sagten sie aus einem Chor. „Ich euch auch meine Lieben“, kontert ich ihnen und bücke mich dabei zu ihnen. Gemeinsam gehen wir ins Haus und ich koche ihnen das Mittagessen, währenddessen sie draußen Fußball spielen. „Das Essen ist fertig“, rief ich aus der Küche raus. Sofort eilten einige von ihnen ins Küche, um mir bei der Bedeck zu helfen. Ich sehe zu wie sie das Essen schmecken lassen und dabei ihre Kleidung bekleckern. Doch das sind Kinder. Glück ist manchmal sehr leicht zu finden. Das kann auch nur eine Kleinigkeit sein, die man glücklich machen kann. Es muss nicht immer etwas großartiges sein. Ein paar von ihnen konnten nicht mehr abwarten, mir das Lied vorzusingen, den für eine Aufführung geprobt haben. Andere klatschten fröhlich dem Rhythmus mit und tanzten dabei. Es war eine gemütliche und angenehme Atmosphäre, das ich schon länger nicht mehr erleben konnte. Da die Sonne bereits ihre Aufgabe erledigt hat und der Mond sich jetzt zeigt, verabschiedete ich mich bei ihnen und versprach ihnen, dass ich sehr bald wieder kommen werde und sie jede Menge von Geschenke mitbringen werde, wenn sie brav sind.  

 

Am Sonntagabend, als ich am Erledigen meiner Arbeiten war, klingelte an meiner Tür. Zügig öffne ich die Tür und war überrascht, als ich erneut Thomas vor meinen Augen sehe. Ich reibe mir die Augen, um sicherzustellen, dass es er ist. Ich hatte beim letzten Treffen ihn gar keine Adresse gegeben oder Telefonnummer. Wieso weiß er trotzdem wo ich wohne? „Hey … Thomas? Woher weiß du wo ich wohne?“ „Geheimnis. Lässt du mich bitte ins Haus?“ „Oh. Ja sicher. Komm rein.“ Da die Nacht so schön ist, bitte ich ihn mit mir hinauf zum Balkon zu gehen. Es sind jede Menge Sternen am Himmel zu sehen und dies erinnert mich wieder an Clemens und an die Nacht, die wir in Spanien gemeinsam erlebt haben. Nur die Person, der jetzt neben mir sitzt nicht Clemens ist, sondern Thomas. „Wie sieht deine Beziehungsstatus aus?“, fragte ich aus Wissbegierde. „Mich? Ich bin noch Single.“ „Achso? Noch Single? Willst du Single bleiben oder wartest du auf jemand, der dich liebt?“, scherzte ich mit ihm und wandte meinen Blick auf ihn zu und lächelte ihn an. Plötzlich fühle ich, dass Thomas sich immer näher zu mir rückt. Ich konnte sein Atem auch näher fühlen. „Ich hole mir schnell einen Kaffee ja? Willst du auch noch einen?“, lenkte ich schnell noch ein, um die Situation, die früher schon einmal passiert hat zu vermeiden. Verlegen zog sich Thomas zurück und bedankte für das Angebot. Nach wenige Minuten kam mit zwei Tassen Kaffee wieder hoch und übergab ihm seine. Er bedankte sich bei mir und nahm ein Schluck Kaffee zu sich. „Bitte gern.“ „Hast du eigentlich noch Kontakt mit Clemens?“, fragt er mich anschließend. Für eine Minute habe ich mir gedacht, genau aus diesem Grund bin ich ja von meinem eigenen Land weggelaufen. Deshalb bin ich zu dieses fremdes Land gezogen und hoffe, dass ich die Vergangenheit vergessen könnte. Wieso muss er jetzt auftauchen und mich wieder an diese schmerzhafte Begebenheit erinnern. „Ach, ich habe mich inzwischen schon damit abgefunden!“ „Achso.“ „Und? Irgendwelche Neuigkeiten?“ „Ja. Ist so ziemlich viel passiert in dem Zeitraum, wo du weggeblieben bist.“ „Was ist denn passiert?“ „Anja …“ Plötzlich stockt Thomas. „Was ist mit ihr?“, fragte ich nach. „Anja … sie ist kürzlich mit Clemens verheiratet.“ Ich spürte ein Schmerz in meinem Herz. Es wurde mir klar, dass ich all die Jahre hindurch diesen Jungen namens Clemens noch nie richtig vergessen habe und ich mich nur selbst belogen habe. „Die Zeit, wo du ihn alleine gelassen hast, ist Anja bei ihm gewesen. Sie hat ihn getröstet“, begann er weiter die Geschichte zu erzählen. Also ist Anja anstatt mir reingesprungen und hat die Tätigkeiten übernommen, die ich eigentlich hätte tun sollen, wenn nur die Wahrheit zwischen unserer Beziehung nicht aufgedeckt worden ist. Naja, so ist das Leben halt. Ich wünsche ihm vom Herzen, dass er glücklich mit seiner Familie ist und auch, dass er die richtige Entscheidung getroffen hat. Ich sah, dass Thomas weitererzählen wollte, doch es hatte mir einfach schon gereicht. Mehr wollte ich nicht mehr von ihnen wissen. „Ja. Möglicherweise ist dir unsere Geschichte bereits bekannt. Wir sind Geschwister und das war meine Entscheidung ihn zu verlassen und somit auch die bestmögliche Lösung für uns beide“, verkündigte ich Thomas und tue so, als ob würde mir nichts ausmachen. Ich konnte fühlen, dass in meine Augen sich Tränentropfen bilden. Ich versuche die Tränen zurückzuziehen, um Thomas das nicht anmerken lassen und neigte mein Kopf in die andere Richtung. Wahrscheinlich hat Thomas meine Tränen bemerkt und legte seine Hand auf meinen und fragte mich leise: „Weinst du?“ „Nein, wieso soll ich denn weinen? Meine Augen tun mir nur ein bisschen weh. Der Wind weht heute aber stark“, sagte ich, um meine Schmerzen zu verbergen und lachte dabei, dass es anders klang, als würde ich normal sein. Anscheinend konnte ich Thomas nicht durch diese Worte vortäuschen und er packte mich an meine Arme und drehte mich zu ihm und sagte: „Schaue mir in die Augen!“ Meine Tränen fallen nur noch. „Tatsächlich … du weinst doch!“ In diesem Moment habe ich aufgegeben stark zu bleiben und beichte ihm: „Mein Herz … Mein Herz schmerzt so sehr. Was soll ich nur machen, Thomas?“ Sofort drückt er mich näher zu sich, umarmte mich und tröste mich. Ich legte mein Kopf auf seine Schulter und weinte meinen Schmerz aus. Den Schmerz, dass ich jahrelang versucht habe zu heilen. Nach einer Weile richte ich mich wieder auf, wischte meine Tränen weg und bedankte mich für seine warme Schulter. Um die Atmosphäre etwas zu verbessern, versuchte ich das Thema zu wechseln: „Also, wann zahlst du mir die Rechnung wegen dem Autoschäden eigentlich?“, scherzte ich mit ihm. „Aber … ich dachte, du meinst, dass ich nicht zahlen soll. Hast du doch gesagt oder?“ „Ja. Habe ich gesagt, aber habe mir jetzt doch anders überlegt.“ Ich sah ihm in den Augen. Er wirkte so nervös. „Habe doch nur Scherz gemacht. Du brauchst nicht nervös werden, mein Freund!“, sagte ich zu ihm und lachte. „Habe auch nur so gewirkt, als ob … Bin ich kein guter Schauspieler?“ Daraufhin begannen wir beide zu lachen. Es war amüsant. Eine angenehme Atmosphäre. Augenblicklich beginnt er seine Stimme wieder zu heben: „Die Rechnung werde ich dir schon zahlen. Keine Sorge. Nur, du musst ein wenig Geduld haben …“ „Aber wieso?“, fragte ich neugierig nach. „Ach, nur so …“ „Rücke mit die Wahrheit raus … ich kenne dich schon zu lange wie du tickt. Das klingt für mich so unwahr an.“ „Ich habe mein Job verloren, deshalb. Aber keinerlei ein großes Problem für mich. Es ist leicht wieder einen zu finden“, sagte er mit Stolz. Ich verstehe noch immer nicht ganz, weshalb er jetzt seine Arbeit verloren hat. Noch gestern hat er mir gesagt, dass er noch einen wichtigen Termin mit einer Kunde hat. „Weshalb?“, wollte ich unbedingt von ihm erfahren. „Aus gewissen Gründen nur. Bitte frage mich nicht weiter.“ Da er mir den Grund nicht verraten möchte, will ich ihn auch nicht zwingen, es zu sagen.

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Tag der Veröffentlichung: 26.12.2014

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