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Epilog

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Freiheit

 

… ist etwas das jeder begehrt und braucht um seine Persönlichkeit voll entfalten zu können.

Niemand kann gefangen überleben, dass liegt in unserer Natur.

 

Aber wie erlangen wir diese Freiheit?

Was bedeutet Freiheit ganz speziell für dich?

Wie können wir den Zustand der Freiheit beständig werden lassen?

Und wenn wir Freiheit erlangt haben, würden wir sie hergeben um wieder glücklich zu sein?

Würdest du sie jemals aufgeben, wenn du gerade frei geworden bist?

 

Es liegt bei dir und an deinen Entscheidungen und ganz egal in welcher Situation du dich befindest, du bist der Einzige der sie ändern kann... denn es gibt immer einen Weg.

Es gibt immer einen Weg frei zu sein, auch wenn es nicht danach aussieht.

B.T.R.

 

 

1. Teil 

 

(Neugier gefangen hinter den Mauern

des Dorfes und seinen Regeln)

1. Kapitel (Neu hier? - Dankeschön?)

 

Ein kleines Dorf, eingeschlossen zwischen weiten Feldern und düsterem Wald. Direkt an der Grenze zum Königreich Lupus feram und Serigala Liar. Zwischen ihnen eingeschlossen ein Dorf von nicht mehr als fünfzehnhundert Leuten.

Es liegt in einem verborgenen Land und spielt zu einer Zeit die nicht in unsere einzuordnen ist. Die Menschen leben in Hütten aus Stein oder Holz und je nachdem wie reich oder arm sie sind besitzen sie Stroh oder Holzdächer. Das Land auf dem sie leben ist saftig grün, die Ähren sprießen und jedes Jahr können die Dorfbewohner eine reiche Ernte einbringen. Auch fließen Flüsse und kleine Seen durch die jeweiligen Gebiete und durch ein ausgeklügeltes Wassersystem müssen die Einwohner keine Wasserkrüge schleppen, um sich zu waschen oder zu backen. Im Dorf gibt es kleine und große Läden, Dorfversammlungen, lachende Kinder, einzigartige Häuser und staubige Straßen.

So friedlich das Leben hinter den sicheren Mauern, die das Dorf umgeben, sein mag, wagt man es einen Schritt in die Freiheit zu gehen, wendet sich nicht nur das Dorf gegen denjenigen, sondern auch ganz andere viel schrecklichere Gefahren. Denn es ist auch eine Zeit des Bangens und der Verzweiflung, des Streits und der Jagd.

Um dies lebend zu überstehen und sicher zu sein, stellte das Dorf viele Regeln auf und das hat zwei tragende Gründe. Die beiden Königsfamilien verstehen sich nicht besonders gut und führen hin und wieder Krieg.

Da wir nicht dazugehören sind wir gern ein Ziel. Wir sind unabhängig und wollen es bleiben, daher kommen nur selten Leute aus der großen Stadt oder Fremde aus anderen Ländern zu uns. Eines der wichtigsten Gebote ist es, niemals mit einem aus den beiden angrenzenden Königreichen sprechen oder sogar heiraten, wer das tut wird verbannt.

Es gab schon einige große Dramen, weil sich Mädchen wie Jungen in jemanden von den Lupus feram oder Serigala Liar Leuten verliebten und mit ihnen in ihre Heimat gingen. Doch das weit aus größere Problem sind die Beasts. Wir benannten sie mit englischem Namen, da es in unserer Sprache kein Wort dafür gab. Selbst dieses drückt nicht aus wie scheußlich und grausam diese Lebewesen sind.

Und sie sind Teil des ersten Gebotes. Verlasse niemals, absolut niemals allein das Dorf in Richtung Wald.

Selbst den Ältesten und den 10 Stärksten Männern im Dorf ist es verboten unabgemeldet den Wald auf der Nordseite zu betreten. Wehe dem, der dieses Gebot missachtet.

Es ist einmal vorgekommen das sich jemand weiter verirrt hatte als eigentlich erlaubt war, er wurde von diesen Unwesen überwältigt und lockte sie zu allem Übel in unser Dorf. Großer Schaden entstand und die Maßnahmen wurden verschärft.

Es ist nur logisch, wenn jetzt die Frage: wieso verbünden sie sich nicht mit einem der Königreiche und fordern Schutz?, aufkommt. Doch unser Dorf und seine Menschen sind zu Stolz um zuzugeben das sie Hilfe brauchen. Wir bestehen bereits seit mehr als 15. Generationen und niemand will sich seine Freiheit durch einen Herrscher nehmen lassen. Dabei bin ich der Meinung das wir uns unsere Freiheit selbst nehmen. Mit den vielen Regeln die man beachten muss und den Strafen die folgen wenn man etwas missachtet, kann man dieses Leben nicht mehr frei nennen.

 

„Evelyn...“ ich hörte eine Stimme, ein weites Stück von mir entfernt. Ich stand vor der Grenze. Das heißt, es gibt einen Teil den wir unangemeldet und allein betreten dürfen im Wald, es ist nicht groß und viel, doch wurde seit ich ein Kind bin zu meinem Rückzugsort und zog mich immer tiefer und tiefer in die Dunkelheit. Ich war einmal versucht gewesen weiter zu gehen, doch wurde ich aufgehalten ohne weitere Konsequenzen davon zu tragen, ich hatte Glück.

Und in diesem Augenblick war ich erneut kurz davor endlich auszubrechen und die lockende Natur hinter dieser Grenze zu erforschen. Doch meine beste Freundin hinderte mich daran und wusste es nicht einmal.

„Ich komme.“ rief ich um ihr Antwort zu geben.

Ein letzter Blick in das Dunkel des Verbotenen und dann drehte ich mich um. Ein Rascheln ließ mich Einhalt gebieten und den Kopf zurückwerfen. Etwas flitzte durch die dichten grünen Büsche und schien sich genauso wie ich nicht über die Grenze zu trauen.

Ohne mir weiter Gedanken darüber zu machen rannte ich auf mein Schlupfloch zu und in die Arme meiner Freundin.

„Da bist du ja...“ schimpfte sie. „Madam Magrett sucht dich schon und plant schon eine Strafe.“ ich verkniff mir ein Lachen und hob verschwörerisch eine Augenbraue.

„Und ich werde mir wie immer eine Ausrede einfallen lassen.“ sie stieß mir ihren Ellbogen in den Bauch.

„Was hast du eigentlich wieder gemacht? Warst du im Wald? Ich hoffe du machst keinen Unsinn, du weißt genau was passiert.“ und wieder begann ihre Fragerei.

„Jaja ich bin ein braves Kind. Das weißt du.“ ich sah sie an und lief an einem kleinen Laden vorbei. „Was ist eigentlich mit Pasco...“ ich stöhnte.

„Nichts, was soll schon sein.“ bevor sie antworten konnte, hatten wir die enge Straße, die umrandet mit kleineren Läden war, hinter uns gelassen und kamen auf eine Wiese auf der sich einige Gleichaltrige versammelt hatten.

„Evelyn Ann Fork schaffen sie es denn nicht einmal pünktlich zum Unterricht?“ begrüßte mich Madam Magrett die Lehrerin.

„Entschuldigen sie ich habe den Sonnenstand wohl nicht richtig gelesen.“ sie warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu.

„Wenn sie sich dauernd im Wald verstecken ist das kein Wunder. Und ab Marsch, stellen sie sich zu Pasco und helfen ihm beim Kräuterbestimmen.“

Am liebsten hätte ich ihr an den streng zusammengebundenen Haaren gezogen, sie wusste wie sehr ich Pasco hasste und von dem Kräuterbestimmen ganz zu schweigen.

„Viel Spaß.“ flüsterte Celia und machte sich ebenfalls auf zu ihrem Partner. Wieso in Gottes Namen war ich diejenige die mit dem beliebtesten und bestaussehendsten Typen aus dem Dorf Kräuter finden musste. Wieso war es nicht Celia, sie war die Tochter des Oberhauptes und himmelte ihn genauso an, wie jedes andere Mädchen.

„Hast du dich zu sehr geschämt, um mir in die Augen zu blicken oder warum bist du nicht gekommen?“ raunte Pasco in mein Ohr als ich mich neben ihn ins Gras hockte.

„Tut mir Leid, nein, es war einfach dein Ego was mich verschreckte. Weißt du, jedes Mal bekomme ich keine Luft, wenn ich neben dir stehe, du solltest das echt in den Griff bekommen.“ warf ich keck zurück und widmete mich dem Unkraut vor mir. „Ähh...“ er wollte noch etwas sagen verkniff es sich jedoch. Besser so.

Eine ganze Weile war es still und jeder suchte, zeichnete und dokumentierte die verschiedenen Pflanzen, während unsere Lehrerin uns streng observierte. Mit ihrem weiten Baumwollkleid, in der Farbe von strahlendem Grasgrün, konnte man sie beinahe mit dem Unkraut vor mir verwechseln.

Trotz der knalligen Nuancen wirkte sie plump durch den Schnitt des Kleides, er saß unvorteilhaft an ihren breiten Hüften und betonte ihre hängende Oberweite. Das Einzige was annehmbar war, waren ihre verdeckten Arme und Beine die mit dem Alter an Muskeln verloren hatten und zu Brei mutierten. Sie trug ein Sehglas und ihre Haare band sie immer zu einem strengen Knoten nach hinten. Alles in allem war sie eine sehr konservative Frau und ihr Wesen war ihrem Aussehen angepasst, furchtbar nervtötend.

Wir saßen also alle gemeinsam auf der zertrampelten und fleckigen Wiese, um noch einige verwendbare Pflanzen zu finden.

Doch kurz vor Schluss war mein Partner so dreist mir ans Hinterteil zu fassen. Als ich ihm einen wütenden Blick zuwarf, pfiff er nur unschuldig und machte einfach weiter.

Ich rupfte ein Büschel Löwenzahn aus der grünen Wiese und stopfte sie ihm ins Maul.

„Ich hab gehört das soll gegen Überheblichkeitsprobleme helfen... und Hautprobleme. Außerdem soll es Wunder wirken in Sachen Körpergeruch. Sag mal wie lange hast du dich schon nicht mehr gebadet?“ ohne auf seine Antwort zu warten, richtete ich mich auf und watete davon. Madam Magrett war zwar nicht zufrieden, konnte aber nichts dagegen sagen, da der Unterricht so oder so beendet gewesen wäre.

 

„Dad? Mum?“

Ich öffnete unsere Haustür und trat in unser gemütliches kleines Wohnzimmer. Nachdem ich meine Schuhe abgeputzt hatte stellte ich sie in einen selbst gezimmerten Schrank aus einfachem Buchenholz und lief Richtung Küche.

„Evelyn... wie schön. Wie war der Unterricht?“ meine Mum stand am Herd und kochte Eintopf.

„Wenn du Kräuter als spannend bezeichnen willst dann super.“ witzelte ich und sah sie genervt an.

„Kind, du weißt, dass das sehr wichtig für eine angehende Hausfrau ist. Wer weiß was du deinem zukünftigen Mann auftischt, wenn du nicht weißt wie du Würzen sollst.“ wies sie mich zurecht. Und so ging das schon ein paar Tage. Irgendwann hatten sie angefangen immer von meinem Zukünftigen zu erzählen und was alles wichtig war zu lernen, wollte ich eine gute Hausfrau werden.

Das Problem: ich wollte es nicht.

„Mum...“ sie grinste und wandte sich mir zu.

„Entschuldige Schatz.“

„Wo ist Dad?“ sie sah mich fragend an. Anscheinend verstand sie meine Frage nicht.

„Ach... der wird bestimmt gleich zur Tür hereinschneien.“

„Es ist aber nicht Winter.“ konterte ich und sah aus dem Fenster auf die Straße, um nach ihm Ausschau zu halten.

„Sei nicht so frech mein Fräulein, so wirst du nie einen guten Bräutigam finden.“ so langsam war es mehr als nur nervig.

„Ich geh nochmal raus.“ sie wollte gerade etwas rufen und es mir wahrscheinlich verbieten aber da hatte ich mir schon meine Bauchtasche aus Leder geschnappt, sie mir umgeschnallt und wollte zur Tür, da öffnete sich diese und ich rannte direkt in meinen Vater.

„Oh... Evelyn. Wohin so eilig?“ ich sah nach unten und dachte angestrengt nach.

„Ich wollte nochmal zu Celia.“

„Hmmm... gut, aber sei vorsichtig, irgendetwas tut sich im Nordwald und es sollen ein paar Fremde ins Dorf gekommen sein.“ verwundert musterte ich ihn.

„Wie ist das möglich? Die Wachen müssten doch Alarm geschlagen haben oder nicht?“ er nickte beunruhigt.

„Sie sind friedliche Leute, aber das der Wald unruhig wird macht mir Sorgen. Sei einfach vorsichtig, ja?“ ich nickte und hörte wie meine Mutter schon zu uns gestürmt kam. „Also bis zum Abendmahl.“ ich drückte ihm einen Kuss auf die Wange und verschwand aus dem Haus.

„Evelyn...“ hörte ich meine Mutter noch wütend, doch ich war schon verschwunden.

Ich wollte eigentlich noch ein wenig auf die Felder und den leichten Wind genießen, vielleicht auch etwas malen. Doch Celia, meiner besten Freundin einen Besuch abzustatten erschien mir eine ebenbürtige Möglichkeit. Kurz vor der Kreuzung, an der ich meine Entscheidung treffen musste lief ich mit jemandem zusammen.

„Waaah...“ war das Einzige was ich herausbrachte, als ich gerade dabei war zu fallen.

Bevor ich auf dem Boden aufschlug griffen zwei starke Arme nach mir und hielten mich in Position. Wir standen da wie in einem Märchen in dem der Prinz die Prinzessin hielt, als würde er sie jeden Moment küssen. Sie, hingebungsvoll in seinem Arm, voll auf ihn vertrauend. Nur das ich diesen Typen nicht kannte und ihm ebenso wenig vertraute.

„Nicht so stürmisch.“ flüsterte er mit rauer Stimme in mein Ohr und hob mich mit einer geschmeidigen Bewegung wieder auf die Füße.

„Entschuldigung... Tut mir wirklich lei...“ stammelte ich und blickte ihm zum ersten Mal in die Augen. Sie waren grün, stechend und tief, an der Pupille hatte er orange Sprenkel und je weiter sich die Iris nach außen ausbreitete wurde das Grün kräftiger und dunkler. Er hatte dunkle braune mittellange Haare, die ihm wild in die verruchten Augen hingen. Grünes Shirt und dunkle Hose mit kreuzenden Kordeln am muskulösen Bein gebunden, ließen auf einen gut gebauten Körper schließen und der schwarze Umhang, in dem er fast völlig verschwand ließ in mysteriös wirken.

„Ähm...“ unterbrach ich die unangenheme Stille. Sie war entstanden als wir uns gegenseitig musterten. Er hob eine Augenbraue und grinste mich hämisch an.

„Ich ähh... muss dann... mal...“ wollte ich sagen, da packte er mich am Arm und zwang mich in die nächste Ecke.

„Bekomm ich kein Dankeschön?“ verwirrt starrte ich erneut in seine tiefgrünen Augen, mehr konnte ich nicht sehen außer seinen dunklen Haaren, da er eine Kapuze tief in sein Gesicht gezogen hatte.

„Wofür?“

„Dafür, dass ich soeben deinen süßen Hintern davor bewahrt habe blaue Flecken zu bekommen.“

„Ich denke nicht, dass das Heldenmut genug war, um eine Belohnung zu fordern, oder? ...Oder bist du ein Hund dem man ein Leckerli für jeden Trick geben muss?“ ich hatte meine Fassung endlich wieder zurück gewonnen und gab ihm eine Backpfeife mit Worten. Na, wenn das nicht gesessen hatte.

„Ich könnte dich schon allein dafür versklaven, dass du nicht aufgepasst hast und in mich hinein gerannt bist. Jetzt behauptest du also auch noch dreist, ich wäre es nicht wert ein Dankeschön zu hören und vergleichst mich mit einem Hund. Was für ein ausfallendes Mundwerk!“ konterte er und grinste mich schäbig an. Dieser Typ gefiel mir nicht, nicht nur weil er gut mit Worten umgehen konnte und es schaffte mich zum Schweigen zu bringen.

„Dankeschön...“ murrte ich verbissen und musste zugeben er hatte recht. Ich hatte nicht aufgepasst und durfte ihn jetzt nicht einmal dafür verurteilen mich vor einem schmerzhaften Sturz bewahrt zu haben.

„Das reicht mir nicht.“, verdutzt starrte ich ihn erneut an.

„Küss mich.“

„Du spinnst.“ er nahm mein Kinn und drehte meinen Kopf so, dass ich ihm ins Gesicht schauen musste oder zumindest auf die Kapuze und das was man von seiner Haut erkennen konnte.

„Sehe ich so aus, als könnte ich das?“ ich knurrte ihn an und überlegte wie ich aus dieser verzwickten Situation wieder herauskommen konnte. Er war ein Fremder, das war mir bereits klar und mein Vater hatte mich noch gewarnt. Ich war nicht vorsichtig gewesen und nun saß ich in der Klemme. Wieso funktionierte mein Kopf nicht wie sonst? Ich fand oft eine Lösung, wieso aber jetzt nicht?

„Eveeeeelyn...“ ich hörte Celia. Überrascht von dem lauten Ruf drehte sich der Junge um und für den Bruchteil einer Sekunde war er unaufmerksam. Ich nutzte diese Gelegenheit, stieß ihn von mir weg und entwischte ihm. Ich rannte gerade zu auf meine Freundin und wollte neben sie springen da packte er mich am Handgelenk und zog mich an seine Brust. Einen Arm um meine Hüfte gelegt, die andere hob erneut mein Kinn.

„Glaub nicht du entkommst mir... aber für heute muss ich dich wohl gehen lassen. Mach dich bereit, dafür das ich deine Schuld eintreiben werde.“ er grinste noch einmal und stieß mich dann sanft in Richtung meiner Freundin. Als ich mich zu ihm umdrehen wollte um noch etwas Böses zu erwidern, war er plötzlich verschwunden, so plötzlich wie er auch aufgetaucht war.

 

- ... -

 

Das war also das Dorf. Klein, aber fein.

Jeder hier kannte jeden, was es für mich umso gefährlicher machte. Denn je früher ich entdeckt wurde desto weniger Informationen konnte ich sammeln. Und diese brauchte ich nun einmal um zu bekommen was ich wollte, was ich brauchte.

Schon im Wald war mir mit die wichtigste Information direkt in die Nase gestiegen. Es war ein Duft. Süß, verlockend, mit einer Priese von Neugier.

Es roch auch nach Staub und frischem Brot, ebenso wie Schweiß und harter Arbeit, aber dieser eine markante Geruch zog mich sofort in die Mitte des Dorfes. Diese Süße versprach meiner Zunge einen unglaublichen Gaumenschmaus und ich roch den Kiefernwald und Wärme. Als ich meinen Instinkten folgte, führten mich diese zu einem Mädchen. Lachend und süß lief sie unschuldig umher. Ich konnte es mir einfach nicht nehmen lassen, den Geruch den sie streute und der mich angelockt hatte, noch tiefer einzusaugen. Schon jetzt wusste ich das es mir Spaß machen würde sie zu ärgern.

Es wird eine interessante Zeit.

2. Kapitel (Etwas... - der Bund der Ehe)

 

„Was war denn los? Wer war das und was wollte er?“ fragen konnte sie wirklich gut.

„Ich weiß es ehrlich gesagt nicht.“ war meine Antwort.

„Hmm komischer Typ, mit seinem schwarzen Umhang... da hat man absolut nichts gesehen. Hast du was von ihm gesehen?“ sie war neugierig, das hatten wir gemeinsam, aber meine Neugier war gefährlicher. Auch wenn ich mir sicher war, dass sie viel zu viel in das, was ich wirklich gesehen hatte, interpretieren würde.

Deswegen hielt ich es für besser, ihr zu verschweigen was mir begegnet war.

„Nicht mehr als seine dunklen Haare, wenn ich mich recht entsinne schienen sie braun und so dunkel das sie fast schwarz waren. Vielleicht waren sie das auch... keine Ahnung.“ verdutzt sah sie mich an.

„Mehr nicht? Schade... naja bestimmt ist er einer von den Neuen, wir haben Fremde hier. Das hat mein Daddy mir erzählt. Sie sind auf mysteriöse Weise in unser Dorf gelangt, aber keiner hat sie bis jetzt zu Gesicht bekommen. Niemand weiß wer sie sind, noch wo und was sie wollen. Komisch oder?“ es war nur typisch das sie Bescheid wusste, schließlich war ihr Vater unser Dorfoberhaupt, er konnte entscheiden, über alles. Und Dank meiner Freundschaft zu Celia war ich schon so mancher böser Strafe entgangen.

„Ich hab auch von Fremden gehört. Aber wenn sie noch niemand zu Gesicht bekommen hat, woher kommt dann das Gerücht, dass es hier Fremde gibt. Vielleicht spielt uns hier nur einer der Jungs wieder einen gemeinen Streich?“ sie nickte andächtig und sah sich um. Ihre Falte in der Stirn machte deutlich wie angestrengt sie nachdachte, es sah irgendwie niedlich aus wie sie sich den Kopf zerbrach. Sie war so zierlich... nicht so wie ich.

Sie hatte blondes Haar und eher kurz geschnitten, helle blaue Augen die sofort alle Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen und einen zierlichen Körper. Sie war kleiner als ich und hatte wenig Vorbau, trotzdem Kurven und weil sie einen durchtrainierten Körper besaß konnte sie so ziemlich alles tragen, außer vielleicht Jungsklamotten. Sie war lebhaft und immer unter Menschen, sie konnte ihre Niedlichkeit gut ausnutzen und wickelte so manchen Kerl um ihren kleinen Finger. Aber sie traute Menschen nicht sehr schnell und brauchte oft noch Bestätigung von ihren Eltern.

Ich war das genau Gegenteil von ihr, ich hatte langes braunes Haar und braune Augen. Mein Gesicht hatte nicht so eine schöne Form wie das ihre und ich fühlte mich in ihrer Gegenwart immer zu massig. Ich hatte Vorbau, leider, und auch der Rest an mir fiel kurvig aus. Deswegen fiel es mir oft schwer Kleider zu finden die mir gefielen und passten, aber das lag sicher nicht nur an meinem Körper, sondern auch an meinem Selbstwertgefühl, das ich nicht besaß.

Im Gegensatz zu Celia, die sich vieles zutraute und von sich überzeugt war. Aber jeder hat seine Stärken und Schwächen und so wie sie immer die Bestätigung ihrer Eltern brauchte, so nörgelte ich halt an mir herum. Dafür war ich sehr selbstständig, erledigte gern Dinge allein und war mehr Einzelgänger als in der Nähe von Gleichaltrigen.

Wir ergänzten uns auch wenn es durch die Verschiedenheiten schon oft zu Streit gekommen war, konnten wir nicht von Einander getrennt leben. Wie sagt man so schön: Gegensätze ziehen sich an.

 

„Schon merkwürdig. Und dir ist wirklich nichts an ihm aufgefallen, was ihn anders macht als uns?“ ich schüttelte den Kopf.

Sie wollte ein Indiz mit dessen Hilfe wir nach den Fremden suchen und herausfinden konnten, ob es wirklich Fremde waren. Sie war schlau und das schon immer.

„Naja Schluss mit der pessimistischen Grübellei, sag mal was machst du hier überhaupt? Gibt es um diesen Sonnenstand nicht längst das Abendmahl bei euch?“

„Ja, aber ich hatte keine Lust auf meine Eltern. Sie sind in letzter Zeit so komisch. Reden dauernd von Heirat und Jungs, wie ich mich zu benehmen habe und das ich, wenn ich mich nicht anstrenge, nie eine gute Hausfrau und Mutter werden kann.“ Celia fing an zu lachen und schlug mir kameradschaftlich auf den Rücken.

„Bei dir auch? Na endlich kommst du auch in den Genuss der Qual, die ich von Beginn an, meines kläglichen Lebens, erleiden musste.“ noch immer halb im Lachfieber, versuchte sie mir einen ernsten Blick zu zuwerfen.

„Jetzt übertreib mal nicht.“ stöhnte ich genervt, vielleicht hätte ich doch auf die Wiese gehen sollen, dann wäre das alles nicht passiert.

„Das tu ich überhaupt nicht. Ich werde schon seit dem Anfang so erzogen: sei artig, setzt dich gerade hin, denk an deine Manieren, was werden die Leute sagen, streng dich mehr an, was soll sonst nur aus dir werden, dich will sonst sowieso keiner...“

Sie war sonst nie so offen. Ich bin mir sicher das sie gerade, weil es sie sehr belastete mir so ehrlich erzählte wie sie sich fühlte. Und ich wusste das sehr zu schätzen, Celia war niemand der schnell anderen Leuten traute, sie war zu allen freundlich und schien sich mit jedem auf Anhieb zu verstehen, aber ihre Gefühle teilte sie nur Wenigen mit.

„Entschuldige...“ stammelte ich.

Ich fühlte mich schuldbewusst, schließlich hatte sie schon ein ganzes Leben lang damit zubringen müssen und bei mir war es erst seit den letzten paar Mondnächten so.

„Du wirst das schon überleben, sobald sie einen Mann für dich gefunden haben ist es vorbei.“ sie kicherte erneut und ich warf ihr nur einen wütenden Blick zu.

„Den werde ich schon allein finden.“ doch sie schüttelte den Kopf.

„Vergiss es... meine Eltern haben mir das auch schon angedroht, aussuchen darf ich mir das nicht.“ sie ließ ebenfalls den Kopfhängen und folgte meinem sehnsüchtigen Blick in die Ferne.

Es roch nach warmer Suppe und duftenden Blumen, die Sonnenstrahlen kitzelten bereits den Horizont und tauchten die Wolken in warmes Orange, ähnlich wie das von dem Fremden, nur nicht so intensiv, ruhiger und sanfter. Seines war aufregend und aufdringlich, bissig und schien zu flammen... wieso dachte ich jetzt daran?

„Du hast aber mehr Auswahl, als jede von uns. Du wirst die Erste sein die noch Wählen kann und darf, und du wirst die größte Auswahl haben.“ sie riss sich von der belebten Dorfstraße los und sah mir in die Augen.

„Wie sagt man: die Qual der Wahl... und du hast Recht, aber glaub mir ich habe mehr Feinde als du dir überhaupt vorstellen kannst. Und nicht wir werden wählen, sondern die Jungs.“ das Schauspiel von vorhin schien umgekehrt. Nun war ich daran zu kichern und sie Trübsal zu blasen.

„Du hast ja keine Ahnung wie viel Ahnung ich habe.“ verwirrt beobachtete sie mich.

„An mir klebt der Widerling Pasco, glaub mir jedes Mädchen im Dorf hasst mich mindestens genauso sehr wie dich.“ plötzlich nahm sie meine Hand, grinste mich an und zog mich auf einen Laden mit duftendem Brot zu.

„Na so ein Glück. Ich kann dich richtig gut leiden.“ sie lachte und bevor wir den, hübsch mit Blumen verzierten, Laden betraten zog ich sie in eine feste Umarmung.

„Ich dich auch...“

 

Nachdem ich mich von ihr verabschiedet hatte und sie mit dem großen braunen Klumpen, genannt Brot nach Hause eilte, schlenderte ich noch derweilen die kleine Straße hinunter. Ich beobachtete die Leute, die allmählich ihre Sachen zusammenpackten und ihre Stände abbauten. Allerlei Gebäck, Kräuter und Weine wurden sorgsam verstaut. Schmuck, besondere Fundstücke und Kleider packten sie in kleine Kisten und Kästen, um sie vor Regen zu schützen. Die trockene Straße war gelb und grau vor Staub, roch nach dem vertrocknetem und platt getretenem Gras und Schweiß und führte mich zu der Wiese. Auf dieser hatten wir zuvor Unterricht und mussten Kräuter sammeln, doch diese waren mir im Moment egal.

Ich genoss die Ruhe, zog die Farben, Geräusche und Gerüche in mich auf und entspannte mich ein wenig. Ruhe...

Es raschelte leise hinter mir und ich drehte den Kopf in Richtung Büsche.

Etwas schwarzes huschte hin und her, doch es kümmerte mich nicht. Was sollte schon passieren?

Ich ließ mich müde ins grüne, weiche Gras fallen und streckte mich, schloss die Augen und döste. Etwas streifte meinen Fuß, ich vermutete ein Insekt.

Etwas huschte sanft über meinen Bauch und strich über meine Brust, bestimmt nur der Wind.

Etwas zog an meinem Haar, durchkämmte es, wahrscheinlich das bewegte Gras, dessen steife Holme.

Etwas strich mein Kinn entlang, über meine Wangen, zu meinen Lippen und zog sie leicht auseinander. Was war das?

Ich drehte mich auf die Seite, um es loszuwerden, doch nichts änderte sich, mein Mund verließ die Spannung nicht. „Du gehörst mir.“ flüsterte eine raue Stimme so leise das es auch der rauschende Wind hätte sein können.

Als ich etwas hartes, vielleicht spitzes an meinem Ohrläppchen spürte und wie dieses Etwas hinein biss, schlug ich die Augen auf. Ich setzte mich zu ruckartig auf und war für den Bruchteil einer Sekunde durcheinander. Bevor mein Kopf sich wieder geordnet hatte, verschwand eine schwarz umhüllte, große Gestalt in den nahe gelegenen Sträuchern und hinter den großen Bäumen.

War das ein Traum gewesen?

„Blödmann...“ zischte ich so laut, sodass ich mir sicher sein konnte dieses Etwas hatte es noch gehört. Was oder wer es war, es war sicherlich nur ein Traum oder Hirngespinst gewesen...

Ich rappelte mich auf und verließ nun diesen ruhigen Platz, um zum Abendmahl zurückzukehren. Ich wusste genau würde ich die Zeit noch weiter ausnutzen, würde meine Mutter mir eine Strafe auferlegen oder zumindest furchtbar ausrasten. Darauf hatte ich nicht übel Lust.

 

„Dad...?!?“ fragte ich während ich in dem Brei, den meine Mutter uns auf den Tisch gezaubert hatte, herumstocherte.

„Ja?“ antwortete er mit einer Gegenfrage.

„Wie sind die Fremden in unser Dorf gekommen? Wer sind sie? Und woher kommen sie?“ irgendwie beschäftigte mich dieses Thema, seit ich ihm begegnet war und Celia mir diese geheimnisvolle Geschichte erzählt hatte.

„Haha, nicht so viele Fragen auf einmal.“ lachte er mit brummender Stimme und sah mich mit hochgezogener Augenbraue an. „Also...“ wenn er so anfing konnte das länger dauern und da wir das alle wussten und meine Mum nicht gerade gut zu sprechen war auf diese Angelegenheit, stöhnte sie vorwurfsvoll auf.

„Setz dem Kind bloß keine Flausen in den Kopf.“ nörgelte sie und ließ ihm trotzdem die Freiheit mir meine Fragen zu beantworten.

„Wir wissen nicht wie sie hier rein gekommen sind. Das heißt es gibt irgendwo ein Schlupfloch und das müssen wir schnellstens finden, sonst ereilt uns Böses. Ich und auch niemand sonst weiß wer diese Gestalten sind. Gesehen wurden nur schwarze lange Umhänge und Wesen die eine Kapuze tief im Gesicht sitzen hatten. Niemand weiß wie sie aussehen, wo sie untergekommen sind oder was sie wollen. Niemand weiß irgendetwas nicht einmal unser Oberhaupt und das macht vielen Leuten Angst. Deswegen rate ich dir: sprich nie in Gesellschaft über die Fremden und stell nie Fragen. Es ist für unser aller Wohl. Aber wenn du etwas herausfindest, dann sag mir oder Osprant Bescheid, wir werden dann entscheiden wie weiter vorgegangen wird. Ich kann dir leider keine deiner Fragen genau beantworten und hoffe, dass wir bald mehr wissen.“ ich nickte nur und sah wie mein Vater mich misstrauisch musterte.

„Du wirst doch nichts anstellen oder?“ unschuldig zog ich eine Schnute.

„Ich werde nichts machen. Versprochen!“ bekräftigte ich meine Aussage.

„Wieso willst du das eigentlich wissen?“ fragte nun meine Mutter und brachte sich zum ersten Mal mit in dieses Gespräch ein.

„Weiß nich... hab mich mit Celia darüber kurz unterhalten und wir haben uns einfach nur gewundert. Aber weiter nichts, geht uns schließlich nichts an.“ damit hoffte ich sie zu beruhigen und weiteren unangenehmen Fragen aus dem Weg zu gehen.

Sie nickte und legte eine Hand auf meine Schulter während sie die Holzteller zu einem Stapel auftürmte.

„Ich mach mir Sorgen. Du kennst uns, wir haben schon so viel verloren. Bitte du nicht auch noch.“ plötzlich schossen ihr Tränen in die Augen und die Stimmung wurde emotional gedrückt. Mein Dad nahm sie in den Arm, um sie zu trösten und zog mich einfach mit in seine sichere Nähe.

„Wir bleiben zusammen egal was passiert.“ flüsterte er.

„Ich hab euch Lieb.“ ich drückte die beiden fest und sah zu ihnen hoch.

„Wir dich auch.“ meine Mum strich mir eine Haarstähne aus dem Gesicht und schmunzelte.

„Du bist so schnell groß geworden und so ein gutes Mädchen.“

„Und wunderschön. Wir müssen schon ganz schön acht geben, dass die Jungen dich uns nicht nur mit ihren Blicken auffressen.“ setzte mein Vater lachend hinzu.

„Ach was, ich hab Celia als beste Freundin, sie ist immer die erste Wahl.“ doch meine Mutter schüttelte den Kopf.

„Glaub mir sie hat es nicht leichter als du und mal ehrlich, noch lassen wir dich das Haus nicht verlassen.“ ich schnaubte verächtlich.

„Und warum...?“ setzte ich an doch sie wusste genau worauf ich hinaus wollte.

„Nichts desto Trotz ist es kein Fehler sich auf den Bund der Ehe gut vorzubereiten. Aber jetzt genug gefaselt, ab ins Bett.“

Ich nickte widerwillig und fühlte mich behandelt wie ein kleines Kind, aber ich ließ es über mich ergehen. Sie hatten, in der Tat, nicht mehr als mich. Ich habe eigentlich noch einen Bruder, aber dieser wurde verstoßen und aus unserem Dorf verbannt. Meine Eltern sind nie ganz darüber hinweg gekommen und haben diese Entscheidung nie akzeptiert, doch sie konnten nichts anderes tun.

Ich bin mir sicher gäbe es mich nicht, wären sie mit ihm gegangen und dafür fühle ich mich schuldig. Mein Bruder verlor seine Eltern nur, weil seine kleine Schwester sie brauchte und den Schutz des Dorfes.

Immer wieder aufs Neue musste ich mir anhören wie gefährlich die Welt da draußen war und das ich mich nur hier in Sicherheit wiegen konnte. Leider hatten genau diese Predigten zum Gegenteil geführt, ich war neugierig und abenteuerlustig geworden, gar nicht das brave Kind was alle dachten. Ich erkundete gern die gefährliche Natur und wäre, hätte mich nicht irgendjemand zurückgehalten, sicherlich auch schon aus dem Dorf ausgebrochen.

Das Einzige was mich hier hielt, war meine beste Freundin und meine Eltern. Und es schien ihnen besonders wichtig zu sein in diesem Dorf zu bleiben, aus mir unerklärlichen Gründen.

Es hatte schon ein bis zwei Familien gegeben die dieses Dorf verlassen hatten, um die Welt zu sehen und das was hinter diesen stabilen Mauern aus Holzpfählen.

Aber meine Eltern, behauptete ich gern, waren dafür zu feige. Obwohl ich mir bei einem sicher war, dieses Dorf barg ein Geheimnis und das kannten meine Eltern, sonst würden sie manche unsinnigen Regeln nicht beachten. Irgendetwas versteckte sich hinter der Fassade aus Gesetz, Pflicht und Vorschrift.

3. Kapitel (Heute gehen wir in den Wald! - Hast du keine Angst alleine?)

„Kinder, heute gehen wir in den Wald.“ Juhu, wir gehen in den Wald, danke Frau Oberlehrerin, das sie uns zutrauen mit kleinen Insekten klar zu kommen.

 

Meine Lehrerin war doch tatsächlich der Meinung, dass wir noch Kinder waren die keine Ahnung von der Welt hatten.

Aber entschuldigen sie mich, ich muss ihnen diese Illusion leider entreißen. Es gibt einige die haben bereits ihre Jungfräulichkeit verloren, andere haben die Regeln missachtet oder machen sogar schon Geschäfte, weil ihre Eltern ihre Hilfe brauchen. Wir sind lange schon nicht mehr unschuldig oder unwissend, aber das begreift diese Frau wohl erst wenn wir alt und runzlig sind.

„Die hat doch echt ne Meise, oder?“ fragte mich Celia und kicherte als wir uns in eine Zweierreihe aufstellten und sie voran in den Wald schritt.

„Glaub mir, mehr als das...“ ich runzelte die Stirn und hoffte inständig, dass wir uns allein umsehen durften. Sie war zwar noch nie ein Freund davon gewesen uns allein irgendwo herumlaufen zu lassen, selbst auf der Wiese wo sie uns immer sehen konnte, aber da es der ausdrückliche Wunsch unserer Eltern gewesen war musste sie sich beugen.

Im 'Wald' gab sie uns die Aufgabe verschiedene Tiere zu beobachten und wenn möglich zu skizzieren und danach zu benennen. Dann vereinbarten wir noch einen Treffpunkt und den Sonnenstand und sie ließ uns losziehen.

Ich kapselte mich von den Anderen ab und genoss das leise Zwitschern der Vögel und das melodische hin und her wiegen der Gräser. Egal wie oft ich hier herkam, immer wieder konnte ich die Pracht bewundern, die sich mir bot. Verschiedenste Blattarten und Grüntöne, raue Baumrinde oder glatte feine Ästchen, dünne Blumenstängel und eine bunte Vielfalt an verschiedensten Floraformen.

Ich entspannte mich und drehte mich im Kreis. Eine ungewohnte Freunde stieg in mir hoch, wie die eines aufgeregten Kindes machte sie sich breit und brachte mich auf Höhenflüge. Für einen kurzweiligen Moment fühlte ich mich frei, ungebunden, ohne Verpflichtungen oder Sorgen, einfach frei. Das was ich mir, seit ich denken konnte, erträumte.

Immer tiefer geriet ich in die lockende Dunkelheit des Waldes, darauf bedacht die Grenze nicht zu überschreiten. Schließlich waren wir mitten im Unterricht und nicht nur ich, sondern auch meine Eltern würden bestraft werden, würde ich jetzt einen gravierenden Fehler begehen.

An einer geeigneten Stelle ließ ich mich auf das weiche Moos sinken und schloss die Augen. Ich hörte zirpen und summen, zwitschern und rascheln. Die Ruhe des Waldes war ein erholsamer Ausgleich zu meinem Leben im Dorf, welches mit Hektik und Anstand verbunden war.

Leider bemerkte ich viel zu spät das sich mir etwas größeres genähert hatte. Ein lauter Knacks, wahrscheinlich war ein morscher Ast durchbrochen worden, riss mich aus meinen Tagträumen und brachte mich in die grausam hässliche Realität zurück. Auf das Stückchen Wald, das kein Wald mehr war und die Natur ihren Glanz verloren hatte.

Beunruhigt suchte ich mit den Augen, meine Umgebung nach Verdächtigen ab, doch nichts offenbarte sich mir. Alles schien normal, grüne Büsche, braune Bäume und ich mitten in diesem künstlichen Gefängnis.

Ich war gerade dabei meine Augen wieder zu schließen, da bewegte sich etwas am Rande meines Sichtfeldes und ich wandte den Kopf nach rechts. Zu schnell, um vom menschlichen Auge wahrgenommen zu werden, flitzte etwas zu einem Strauch mir direkt gegenüber. Langsam wurde es unheimlich, aber ich ließ mich nicht beunruhigen. Ich fixierte die Stelle an der sich die schwarze Gestalt versteckt hielt und versuchte all meine Konzentration darauf zu richten. Nach wenigen Momenten bewegte sich erneut ein dunkler Schatten und diesmal nach links.

So langsam kam mir die Frage wer oder was mich beschattete...

Ich stand auf, um das Etwas zu provozieren und stemmte mich an der Rinde mit tiefen Furchen, des Baumes hinter mir, hoch. Bevor ich mich auch nur einen Millimeter weiterbewegen konnte stand eine große Gestalt vor mir. Eingehüllt in geheimnisvolle Dunkelheit, welche jegliche Farbe aus allem sog und gnadenlos jeden verschlang.

„Hast du keine Angst? Hier, so ganz allein im Wald?“

Eine raue, tiefe und doch verführerische Stimme jagte mir kalte Schauer über den Rücken, als sie mir ihre geflüsterten Worte ins Ohr pfiff.

„Ich bin nicht allein.“ wagte ich mich mutig zu entgegen.

Doch als Antwort schallte nur ein dumpfes Lachen aus dem dichten Schwarz. Diese Gestalt hatte mich vollkommen umschlossen, mir jeden Ausweg genommen, den ich hätte zur Flucht benutzen können. Hatte mich gefangen und schien mich ebenso zu verschlingen, wie alles um uns herum. Starke Arme, rechts und links, nahmen mir die Sicht zu den Seiten, ein muskulöser und breiter Brustkorb versperrte mir alles was nach vorn ging und der Baum hinter mir bildete die harte Wand in meinem Rücken, die ich nicht durchbrechen konnte.

Es blieb mir nichts, kein Freiraum oder Luft zum Atmen, nur der Blick zu diesem seltsamen Jungen. Als ich meine Aufmerksamkeit auf ihn richtete, konnte ich wieder die leuchtenden Smaragde sehen, die hinter wildem Haar hervor blitzten und durch das dunkle Schwarz nur noch mehr hervor stachen. Mein Gehirn schien einer Überlastung nahe, ich wurde eingezwängt. Er raubte mir mit seinem undurchdringlichen Blick den Verstand und übte eine magische Anziehungskraft auf mich aus, nur durch seinen Geruch, gemischt aus Eichenholz und süßen Beeren.

„Was willst du?“ fragte ich noch immer sehr durcheinander und die Überraschung sicher ins Gesicht geschrieben. Doch die Genugtuung, meine Unsicherheit auszukosten, gab ich ihm nicht. Mit einem bösen Funkeln machte ich ihm deutlich, dass er mich kreuzweise konnte.

„Wir haben noch eine kleine Rechnung offen...“ hauchte er immer noch nah zu mir gebeugt, ich spürte seinen warmen Atem an meinem Hals entlang streichen und das verursachte kleine Blitze die durch meinen ganzen Körper zuckten. Nicht nur ich, sondern auch die Luft war zum Zerreißen gespannt.

„Hast du sie dir nicht schon geholt?“ fragte ich mürrisch und wusste ich war ihm ausgeliefert. Ich schuldete ihm was und in unserem Dorf waren Schulden nie gern gesehen, sie wurden beglichen, egal was es für einen Preis gab, wir waren ehrliche und faire Menschen, zu meinem jetzigen Pech.

„Ich wüsste nicht wann?!“ säuselte er und brachte endlich etwas Abstand zwischen uns, um mich wieder mit diesen irren Augen anzustarren.

„Gestern zur späten Abendsonne auf der Wiese.“ erinnerte ich ihn und entlockte ihm ein hinterhältiges Grinsen.

„Was soll dort gewesen sein?“ er stellte sich also dumm.

„Hör auf mich zu veralbern, entweder war es nur ein Traum gewesen oder irgendein Irrer, und da ich so etwas nie Träumen würde, tippe ich auf Letzteres.“ belustigt funkelte er mich an.

„Wieso bist du der Meinung so etwas nicht zu träumen?“ ich überlegte kurz, entschloss mich aber ihm die Wahrheit zu sagen.

„Dann wäre noch viel mehr passiert als dieser Windhauch von Berührung.“ plötzlich drehte er sich weg und vor meinen Augen war nur der schwarze weiche Stoff seiner Kapuze zu sehen.

„Wenn du dich so ausdrückst nehme ich das als Einladung und werde meine Begierde nicht länger im Zaum halten.“ seine Stimme klang rau und heiser, auch sein Körper spannte sich unwillkürlich an und er schien sich wirklich nur schwer zu zügeln.

Er wollte mich doch auf den Arm nehmen, oder? Was auch immer er da faselte, es ergab keinen Sinn, ...für mich.

„Wer bist du?“ fragte ich nun gerade heraus, um das Bevorstehende ein wenig hinaus zu zögern. „Ist das denn wichtig?“ stellte er als Gegenfrage und ging auf meinen Plan ein.

„Sicher, du scheinst einer der Fremden zu sein...“ mutmaßte ich und wartete seine Reaktion ab. Inzwischen hatte er sich mir wieder zugewandt und fixierte mich mit seinem Blick, rückte immer näher mit seinem stählernen Körper und trieb mich immer mehr zum Wahnsinn, durch die Enge und auch seinen Geruch. Er schnitt durch meine Sinnesorgane wie ein scharfes Messer durch weiches Fleisch.

„Wieso, gibt es denn Mehrere?“ ich zuckte nur mit den Schultern.

„Keine Ahnung, das frage ich dich …?!“

„Ich bin allein, falls du das meinst und mir sind keine weiteren Fremden bekannt.“ auch seine verführerische Stimme zog mich immer mehr und mehr in seinen Bann.

„Und was machst du hier? Was willst du in unserem Dorf?“ fragte ich schon fast etwas benommen und versuchte mich in meinem Kopf zu Ruhe und Ordnung zu zwingen, doch sein ganzes Wesen hatte mich schon viel zu Tief mit sich in die unbekannte Dunkelheit gezogen, da kam ich so schnell nicht wieder raus.

„Das werden mir langsam zu viele Fragen und ich habe keine Lust mehr unser kleines Spielchen zu spielen, ich will mein Dankeschön!“ das Will betonte er übertrieben und senkte sein Gesicht. Ich spürte jeden seiner Atemzüge auf meiner Haut und versuchte das aufkommende Kribbeln zu unterdrücken. Ich musste einen Ausweg oder eine Ausrede finden, schnell. Aber was sollte ich nur tun? Ich war ihm ausgeliefert. Er hatte mich in der Hand, im wahrsten Sinne des Wortes und ich konnte mich nicht wehren.

Mein Herz schlug wie verrückt und ich musste Angst haben, dass er das hörte, so laut schlug es gegen meinen Brustkorb. Eine Gänsehaut hatte sich auf meinem ganzen Körper gebildet und egal wie sehr ich es versuchte, ich bekam keinen klaren Gedanken zu Stande. Was sollte ich als Mädchen gegen einen solchen Prachtkerl auch ausrichten können?

„Okay okay. Bitte entschuldige! Und diesmal meine ich es wirklich ernst. Es tut mir aufrichtig Leid. Reicht das?“ versuchte ich mit Nachdruck, ihn aufzuhalten. Doch alles was er tat, war erneut schäbig, tief zu Lachen.

„Zu spät...“ flüsterte er noch einmal bevor seine einladenden Lippen den Meinen immer näher kamen.

Kurz bevor sie sich trafen hörte ich einen schrillen Schrei und meine Lehrerin trommelte uns mit strengem Ton zusammen.

„Schade, die Zeit scheint um zu sein.“ ohne auch nur mit dem Funken einer Enttäuschung, entfernte er sich von mir. Das er einfach aufgab hätte ich nicht gedacht. Erleichtert atmete ich auf und genoss die frische Luft und die schwindende Spannung der vorherigen Situation. „Aber wir werden noch einige Gelegenheiten haben uns zu vergnügen. Mach dich darauf gefasst.“ säuselte er in mein Ohr, bevor er verschwand.

So wie er gekommen war, fast lautlos und wie ein Schatten stahl er sich davon. Ein mysteriöser Typ und ich wusste absolut nichts von ihm, lediglich seine Augen und seine Haare, vielleicht noch seine Vorliebe für schwarze Umhänge und heranschleichen.

4. Kapitel (Kotzbrocken will Aufmerksamkeit - der Eindringling beißt)

„Was ist passiert?“ fragte ich als ich am Sammelpunkt angelangte und mich zu Celia gesellte, diese hatte ein verschrecktes Gesicht aufgesetzt.

„Ja, ich weiß auch nicht. Sam schrie aufgebracht und Pasco lag am Boden, ich kam zu spät um zu sehen was geschehen war. Vielleicht hat ihn etwas angegriffen?!?“

„Ach quatsch, der spielt doch bestimmt nur wieder Drama Queen.“ grummelte ich genervt. Es kann doch einfach nicht war sein, dass dieser Kotzbrocken immer die Aufmerksamkeit sämtlicher Leute braucht oder? Nicht das er nicht auch schon so ziemlich beliebt ist... nein, er kann es gar nicht haben, wenn ihn jemand verschmäht.

„Evelyn... kannst du mir nicht vielleicht helfen?“ nicht nur ich, sondern alle stutzten. Pasco wollte etwas von mir, dass war nichts Neues, aber ich sollte ihm helfen. Einige warfen mir böse und wütende Blicke zu, andere kicherten, weil sie genau wussten wie sehr ich dieses Ekelpaket verabscheute.

„Was hast du denn?“ fragte ich vorwurfsvoll und stapfte auf ihn zu, etwas anderes blieb mir nicht übrig.

Er deutete auf seinen Mund und schien mir sagen zu wollen, er habe etwas Falsches gegessen.

„Kannst du mir mehr Luft geben, ich kann nur noch sehr schwer atmen.“ nun war es um meine Fassung geschehen, auch wenn Madam Magrett direkt neben mir stand und den Armen Bengel begutachtete. Strafe muss sein, wenn man mich so sehr reizt.

Ich holte aus und gab dem Kerl eine kräftige Backpfeife. Ein leises Raunen und erstauntes Geschrei erfüllte die frische Waldluft, das Gemurmel hätte man fast für die Tiere im Wald halten können. Fast, denn in diesem Abschnitt gab es keine mehr, kaum noch Vögel und wenn man Glück hatte sah man ein Eichhörnchen vorbei hopsen und von Ast zu Ast klettern.

Pasco stöhnte laut auf und fluchte, er setzte sich hin, verzog sein Gesicht zu einer schmerzverzerrten Maske und fauchte mich wütend an: „Was sollte das denn?“ ohne groß darüber nachzudenken entgegnete ich: „Ich wollte sichergehen das du auch wirklich tödliche Beschwerden hast. Aber wie es mir scheint, geht es dir hervorragend. Ach, und wenn du das nächste Mal wieder ein Mädchen anmachst, denk dir erstens etwas besseres aus und zweites frage niemals wieder mich. Auf wiedersehen.“ ich machte auf dem Absatz kehrt und wollte gerade dem Schwarzen Umhang folgen der kurz zuvor noch zwischen den Büschen aufgeblitzt war, da hielt er mich auf.

„Du kannst mich doch nicht einfach so hier liegen lassen...soll ich etwa vergammeln?“ krächtze er.

„Du kannst ja wohl alleine laufen, oder?“ stöhnte ich und sah zu Celia die sich ein Lachen nur schwer verkneifen konnte.

„Ich hab mir dummerweise meinen Fuß umgeknickt, sonst hätte ich dich schon längst erledigt...“ brummte er und endlich schaltete sich Madam Magrett ein. Doch nicht gerade zu meinem Vorteil.

„Evelyn, was hast du nur wieder angestellt.“ tadelte sie mich.

„Was? Ich? Pasco ist doch derjenige der zu blöd ist im Wald spazieren zu gehen. Ich habe wie sie uns aufgetragen haben Tiere und Pflanzen analysiert. Sie können mir absolut...“ doch sie schnitt mir das Wort ab.

„Jetzt hilf dem armen Jungen schon, er ist unglücklich aufgetreten, dass kann jedem Mal passieren. Doch du schlägst nur tiefer in die Wunde und wirst vor allem auch noch handgreiflich. Wenn du ihm nicht sofort hilfst, werde ich ein ernstes Gespräch mit deinen Eltern führen müssen.“

widerwillig drehte ich mich zurück zu diesem Angeber und legte seinen Arm über meine Schulter, ich half ihm aufzustehen und lief wenige Schritte auf Celia zu.

„Hast du ihn auch gesehen?“ fragte ich neugierig und enttäuscht zu gleich, schließlich hatte ich nun die Möglichkeit, ihm zu folgen, verpasst.

„Hmmm... was er wohl hier will.“ sie nickte und machte einen nachdenklichen Ausdruck. Doch als sie wieder auf sah, mit ihren blauen großen Augen, konnte sie sich ein Lachen nicht verkneifen.

„Du hast... echt viel Pech... im Moment, oder?“ prustete sie zwischen ihren Lachanfällen.

„Ja danke das du mich dran erinnerst. Und danke für die Hilfe, das nennt man einen wahren Freundschaftsdienst.“ sie zwinkerte mir zu, ging nicht auf meine zynische Antwort ein, sondern lief in Richtung Schwarzer Umhang oder zumindest dorthin wo er verschwunden war.

Tolle Freundin, jetzt rieb sie mir auch noch frech unter die Nase, dass ich mal wieder zu weit gegangen war.

 

Nachdem ich Pasco sicher abgeliefert hatte, war mir noch nicht nach, nach Hause gehen. Ich war viel zu neugierig und rannte im ganzen Dorf herum, um meine Freundin zu finden. Am Anfang schien sie jedoch wie vom Erdboden verschluckt. Niemand hatte sie gesehen noch gehört.

Als ich schon fast aufgeben wollte, lief sie mir singend und freudestrahlend entgegen.

„Ah Evelyn. Na hast du es überlebt?“ ohne weiter auf ihre gemeine Anspielung einzugehen, rannte ich zu ihr und sah sie durchdringlich an.

„Hast du ihn getroffen?“ vergnügt und geheimnisvoll zog sie mich von der staubigen Straße in eine enge Ecke. Es roch nach Müll und Katzen, doch der Gestank war mir egal, was hatte sie herausgefunden?

„Jetzt sag schon...“ und wieder fing sie an zu kichern.

„Naja ich habe mich mit ihm unterhalten.“ flüsterte sie geheimnisvoll.

„Es ist also ein Junge?“ stellte ich mich blöd, um sie zu testen.

„Ja, aber das sagtest du doch schon...“ erinnerte sie mich aufgebracht doch ich schüttelte nur den Kopf.

„Ich sagte er, der Typ... keine Ahnung was er für ein Geschlecht hat.“ sie schüttelte empört den Kopf.

„Und was noch?“ drängte ich.

„Naja dunkle Augen, braun vielleicht, sie waren warm und herzlich. Hmmm, jaa sonst irgendwie schien er einen Akzent zu haben, aber er war freundlich und offen. Hat erzählt er sei mit seiner Familie hier und wäre zufällig in unser Dorf gelangt. Aber es gefällt ihm hier.“ sie nickte und brüstete sich mit ihrer tollen Lüge.

„Schön, zu mir sagte er, er sei allein.“ entlarvte ich sie und genoss wie sie rot wurde.

„Naja auch egal, ich muss jetzt los.“

Wir umarmten uns und ich rannte aus der engen Gasse raus, zurück in den Wald. Ich musste mit ihm sprechen mehr herausfinden, meine Neugier wurde größer und wie eine Qual drängte sie mich dazu die Wahrheit zu erfahren. Er hatte mein Interesse geweckt durch seine mysteriöse Erscheinung wurde die Neugier unerträglich.

 

Wo kann er bloß stecken? Er trieb sich an den verschiedensten Orten herum, niemand vermochte es zu sagen wo er sich aufhielt. Niemand kannte ihn oder hatte ihn je gesehen. Das hatte ich beim Laufen durch das Dorf in den Gesprächen zwischen den Dorfbewohnern aufgeschnappt.

Es war seltsam, sobald wir Fremde im Dorf willkommen hießen gab es eine Zeremonie, neue Regeln nach denen wir uns richten mussten und bestimmte Verhaltensmuster denen wir nachkommen mussten. Aber nichts dergleichen war geschehen, die sonst so strengen Vorschriften wurden nicht verschärft und erstaunlicherweise wurde auch nicht über seine Präsenz gesprochen und wenn, dann nur in Gerüchten. Ich bin mir sicher einige wussten nicht einmal etwas von einem Eindringling und andere hielten dies für einen Streich. Nur wenige wussten, dass er hier war und noch weniger waren, sicherlich unauffällig auf der Suche nach ihm, um ihn zu beseitigen.

„Suchst du etwas?“ ertönte nun eine sanfte und tiefe Stimme. Ich drehte mich um mich selbst und suchte jeden Winkel um mich herum ab. Doch ich konnte ihn nicht finden, es schien die Luft mit mir zu sprechen.

„Dich...?!“ antwortete ich fragend. Ein Luftzug und ein Sprung.

Wie eine Katze sprang er vom hohen Baum und landete mucksmäuschenstill neben mir. Elegant stützte er sich aus den Knien nach oben und richtete sich in seiner vollen Größe vor mir auf. Er überragte mich ein bisschen mehr als einen Kopf. Ich konnte immer noch nicht mehr, als seine verwuschelten Haare und strahlende moosgrüne Augen sehen. Wild und ungestüm lugten einige Haarsträhnen aus seiner schwarzen Kapuze, die den Rest des Gesichtes verbargen. Wild und hinterlistig funkelte er mich mit seinen grünen Augen an und faszinierte mich, die orangefarbenen Sprenkel um seine Pupille, wirkten in seiner Iris wie die aufgehende Sonne. Dieser mysteriöse Fremde zog mich schnell in seinen Bann und immer tiefer.

Fragend hob er eine Augenbraue und verengte seine Augen zu Schlitzen, damit holte er mich aus meinen Gedanken.

„Was willst du denn von mir, Süße?“ das er mich so annoncierte verärgerte mich und das merkte er. Seine Sinne schienen ungewöhnlich stark ausgeprägt zu sein, was ihn nur noch gefährlicher und anziehender machte.

„Du hast mich doch noch gar nicht gekostet?! Woher willst du wissen das ich nicht vielleicht doch sauer bin?“ fragte ich herausfordernd und stemmte die Hände in die Hüfte. Blödmann, nur weil er sich wie ein Geist in meinem Dorf bewegte, hieß das noch lange nicht ich würde das akzeptieren.

Ein tiefes Lachen schwebte durch den frühen Abend und kitzelte mein Ohr. Ohne das ich etwas hätte tun können, stand er plötzlich vor mir. So nah, dass sein Atem meine Wangen streifte und kleine Blitze durch meinen Körper jagte. Mit jedem Millimeter den er näher an mich heranrückte, stieg mein Herzschlag. Auch wenn es mir unangenehm wurde und meine Brust anfing heftig zu schmerzen, mein Kopf anfing zu pochen, wollte ich doch nicht von der Stelle weichen und nachgeben.

„Ich rieche es... ich rieche dich. Und nur so nebenbei, du riechst betörend. Da würde jeder stehenbleiben und kosten.“ er presste unerwartet seine Lippen an meinen Hals und vergrub seine scharfen, weißen Zähne in meiner weichen Haut. Das würde Bissspuren hinterlassen, die nicht leicht zu verbergen waren.

Ein kurzer Schrei. Doch der schien ihn nicht aus der Ruhe zu bringen.

„Ich sags ja... süß.“ raunte er dicht an mein Ohr und jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken.

„Du hast doch echt nicht mehr alle Tassen im Schrank, oder?“ ohne auf meine Ironie einzugehen musterte er mich mit lüsternem Blick.

„Was wolltest du doch gleich?“ so ein arroganter Volltrottel!

„Nur mehr über dich herausfinden.“ fauchte ich zwischen zusammengebissenen Zähne und wich endlich zurück.

„Na dann mal los...“ er nahm plötzlich meine Hand und zog mich auf die Grenze zu. Immer weiter, immer näher, unerbittlich.

„Nein hör auf, das ist verboten.“ doch er schritt weiter auf die lockende Natur zu.

„Wenn du etwas über mich erfahren willst, musst du mir in die dunkle Ungewissheit folgen.“ entgegnete er und blieb genau vor dem äußersten Grenzbereich stehen.

Ich wollte mehr Kenntnisse über ihn gewinnen, aber in einem straffreien Rahmen.

„Trau dich!“ ermutigte er mich, machte einen weiteren Schritt und nahm meine Hand. Er hatte die Grenze fast erreicht, da stemmte ich mich mit meiner ganzen Kraft gegen ihn, um ihn zurück zu ziehen.

„Nein, das ist viel zu gefährlich und verboten.“ wiederholte ich mich.

Er zuckte nur mit den Schultern:

„Brich die Regeln... es ist deine Entscheidung!“

damit drückte er meine Hand noch einmal, ließ sie aber schließlich los, rückte seinen Umhang zurecht, um seinen muskulösen Körper zu umhüllen und verschwand in dem Unbekannten vor mir.

 

Ich hatte absolut nichts neues über ihn gelernt, nur das er keine Angst hatte oder nicht wusste wer oder was Beasts waren. Der Grund für die Regeln, die Angst der Dorfbewohner und meine Angst. Trat man auch nur einen Fuß aus dem geschützten Wald war man ihnen ausgeliefert und die kuriosesten Geschichten über dein Verschwinden würden entstehen.

Nicht nur das, niemand wusste was dir gesehen konnte, traf man auf ein Beast. Ich hatte bereits erwähnt, dass sie schon mal in unser Dorf eingefallen waren und auch Menschen die die Grenze überschritten hatten von ihnen angefallen worden waren. Doch für mich war das nur Geschichte, ich war nie bei einem solchen Unfall dabei gewesen, ich wusste nur das sie der Grund für mein Gefängnis und das Zerreißen unserer Familie verantwortlich waren.

Ich wusste im Grunde nichts, über das Dorf, seine Regeln und Verbote, über die Menschen die dort lebten und warum wir uns nicht einem der beiden Königreiche anschlossen. Plötzlich wurde mir bewusst wie hilflos ich war.

Wissen ist Macht und Macht braucht man um frei zu sein. Mein Ziel, seit ich klein war wollte ich endlich tun was mir gefällt, mich nicht gefangen, eingeschlossen und erniedrigt fühlen. Ich wollte keinen Befehlen folge leisten und mir von niemandem etwas vorschreiben lassen.

Es war als hätte mir dieser Volltrottel die Augen geöffnet, ich musste den Schritt wagen. Endlich aktiv werden nicht immer in stiller Rebellion leben.

Aber die Flucht will geplant sein... sagt man doch so schön.

Ich kann meine Eltern nicht im Stich lassen, ebenso wenig wie Celia, obwohl es am Ende ihre Entscheidung ist. Aber ich brauchte ihre Hilfe!

Belustigt darüber erst jetzt verstanden zu haben was ich tun musste, um mein Ziel zu erreichen, grinste ich, sah noch einmal in die dunkle Versuchung, die mir dieses Hirngespinst in den Kopf gepflanzt hatte, drehte mich graziös um und schritt zurück durch meinen kleinen Geheimgang zurück ins Dorf.

 

- … -

 

Er hatte etwas abseits hinter der Grenze, hinter einem Baum gestanden und sie beobachtet. Er hatte damit gerechnet, dass sie ihm folgen würde oder irgendeine andere Dummheit unternehmen würde. Und wenn sie ihn nur beschimpft hätte. Stattdessen war sie still stehen geblieben, hatte in den tiefen Wald gestarrt und sich nicht bewegt. Als er schon dachte sie litt unter Schock, grinste sie vergnügt und drehte sich um.

Nun war er sich sicher, dass sie verstanden hatte was er ihr sagen wollte. Denn aus unerklärlichen Gründen faszinierte dieses Weibchen ihn und nicht nur das, er empfand das Bedürfnis ihr zu helfen endlich aus dem Gefängnis auszubrechen. Trotzdem würde er noch viel Spaß dabei haben, sie zu verärgern. Der Wille dieses Dorfes musste endlich gebrochen werden und er war der Meinung die Zeit dafür war gekommen. Geheimnisse mussten gelüftet werden... sonst und darüber war er sich im Klaren könnte er das, was er begehrte, nicht besitzen.

5. Kapitel (Lauf - Neumond)

Am Abend war ich erneut in den Wald gegangen. Es war spät und dunkel. Ich hatte versucht etwas aus meinen Eltern herauszuquetschen, ihnen Fragen zu stellen die nicht auffällig aber informativ waren. Dieses Vorhaben entpuppte sich als äußerst schwierig und so hatte ich es nach dem Abendmahl aufgegeben.

Eine weitere Idee von mir war gewesen, dass ich mich im Schlafraum meiner Eltern umsah und versuchte etwas zu finden das mir Hinweise gab. Das hätte klappen können, da mein Vater zu einer Versammlung der Männer beim Oberhaupt musste und meine Mutter zum Quatschen zu einer Freundin gegangen war. Ich hatte freie Bahn, jedoch „hätte“ es nur funktionieren können. Hat es aber nicht... ich wurde nicht fündig. Nichts!

Nichts über meinen Bruder, nicht einmal eine Zeichnung noch ein Spielzeug von ihm. Es war als hätte es ihn nie gegeben. Und auch sonst konnte ich nichts über die Herkunft von mir oder meinen Eltern finden. Es war schon immer etwas seltsam gewesen, dass ich nie Großeltern gehabt hatte, aber ich war so aufgewachsen und hatte mir nie Gedanken darüber gemacht.

Als ich die Suche aufgegeben hatte, platzte mir der Kopf. Ich rannte durch das Dorf und sah immer wieder lachende Gesichter oder unschuldige Leute am Wegesrand. Niemand schien Angst zu haben. Was war nur los in diesem Dorf, irgendetwas stank bis zum Himmel und es waren nicht die Straßenkatzen und der Müll in den Gassen.

 

Ich war in den Wald gerannt, raffte mein langes grünes Kleid, dass sich perfekt an seine Umgebung anpasste und rannte weiter.

Ich musste hier raus, einfach weg.

Wie konnte ich weiterleben... mein Bruder war verschollen, verstoßen, verschwunden und meine Erinnerung an ihn schwand.

Dieses Dorf wurde von allen Seiten belagert oder bedroht, durch Krieger der benachbarten Königreiche und durch gefährliche Kreaturen, die im Wald hausten. Niemand kümmerte sich darum und folgte allen Vorschriften des Anführers bedingungslos. Es war wie Gehirnwäsche, gab es Widerstand wurde er unterdrückt. Wir wurden dazu erzogen artig auf die Befehle erfahrener Menschen zu hören und ihnen Folge zu leisten.

Doch mein Leben kam mir leer und einsam vor. Ich war geliebt keine Frage, aber es musste doch noch mehr als das geben. Mehr als jeden einzelnen Tag in diesem Dorf zu verbringen und zu warten das etwas passierte. War ich die Einzige die darüber nachdachte?

Eine Träne rollte mir über die Wangen und die Sicht verschwamm. Ich bemerkte das ich am Rand angelangt war. Der Grenze viel zu nah, versuchte ich weiter zu rennen, doch ich stolperte. Mein Kopf musste sich entleeren und die Spannung aus meinem Körper entladen. Ich zwang mich auf die Füße und stemmte mich an einem alten knorrigen Baum hoch. Wieder flossen Tränen in Strömen meine erhitzten Wangen hinunter und alles begann sich zu drehen.

Plötzlich stoppte ich. Ich war beinahe zu weit gelaufen, mitten im Dunkeln, fast über die Grenze. Aber was sollte mir schon passieren, niemand konnte mir wahrscheinlich bestätigen das es diese Beast wirklich gab.

Einen Moment lag überlegte ich, doch ich hörte ein tiefes lautes Knurren und das war nicht mein Magen. Es schien näher zu kommen und fieberhaft versuchte ich nachzudenken. Doch mein Kopf war nun leer, dass was ich mir eben noch so sehr herbei gewünscht hatte.

Wie dumm musste man eigentlich sein? Wer rannte schon mitten in der Nacht in den Nordwald um sich den Kopf frei zu machen.

Erneut riss mich ein näherkommendes gefährliches Knurren aus den Gedanken. Ich hörte in meinem Kopf eine Stimme, sie flüsterte: „Lauf!“

Und das tat ich dann auch. Ich rannte so schnell ich konnte, so schnell meine Beine mich trugen und mein unvorteilhaftes Kleid es zuließ. Doch das Knurren kam immer näher, wurde lauter und drohender. Die Angst stieg mir zu Kopf und ich wusste ich würde es nicht rechtszeitig schaffen. Nicht rechtszeitig, um zu entkommen und in das rettende Dorf zu fliehen. Das war sicherlich die Strafe für meine Neugier und mein ungehorsames Benehmen. Was sollte ich nur tun?

Die Bäume schoben sich mir wie Hindernisse in den Weg, die Dunkelheit griff nach mir mit ihren großen Klauen und ließ mich immer langsamer werden. Mein Atem ging stoßweise und ich bekam kaum noch Luft, ich sah die rettenden Mauern weit vor mir, doch meine Beine drohten zusammen zu sacken und alle Kraft wich aus meinen Gliedern, ein Rascheln neben mir und ich fühlte mich verloren. Ein Stein, direkt vor meinen Füßen und ich stolperte. Ich machte mich darauf gefasst hart auf den Boden zu schlagen, von einem Monster bedroht zu werden und meine Eltern vielleicht nie wieder zu sehen. Eine heiße Träne verließ meine geschwollenen Augen und mein Herz pochte wie verrückt.

Doch alles kam zum Stehen. So, als hätte jemand die Zeit angehalten. Ich schlug nicht auf dem Boden auf, sondern schien wie über dem Boden zu schweben. Zwei starke Arme hatten sich um meine Taille geschlungen und hielten mich fest, sie gaben mir das Gefühl von Sicherheit und alle Angst fiel von mir ab wie ein schwerer Rucksack. Er zog mich nach oben und ließ nicht los. Hielt mich fest und ich ließ mich in seine Arme, an seine Brust fallen. Ich atmete tief ein und versuchte meinen stehengebliebenen Puls wieder normal werden zu lassen.

„Na, du stolperst ziemlich oft, was? Du musst doch bestimmt Angst haben, hier so allein im Wald.“ ich konnte sein Grinsen praktisch hören. Und auch wenn er meinen Puls schon wieder auf hundertachtzig brachte, war ich froh sein Muskelspiel seiner Brust an meinem Rücken zu spüren.

„Ich bin eben tollpatschig. Außerdem bin ich doch nicht allein.“ ich schloss die Augen. Sein Atem strich mein Ohr und beruhigte, ebenso erregte mich.

„Warum bist du hier?“ säuselte er in mein Ohr und zog mich noch fester an sich.

„Ich hab es dort nicht mehr ausgehalten.“ entgegnete ich wahrheitsgemäß.

Als ich darüber nachdachte wieso ich hier war, was passiert war und wieso ich gerade hilflos in seinen Armen lag, befiel mich erneut die Panik.

„Wir müssen hier weg. Etwas... etwas war hinter mir her.“ er gab mir einen leichten Kuss auf den Hinterkopf, drückte mich noch näher zu sich – wenn das überhaupt noch möglich war – und flüsterte mir beruhigende Worte zu.

„Es ist alles gut. Du bist in Sicherheit... ich bin da. Du musst dir keine Sorgen machen, es wird nichts geschehen.“

Wir sanken gemeinsam auf den Boden und ich krallte mich in seine Arme.

„Beruhig dich...“

Ich klammerte mich an diesen Worten fest, versuchte Klarheit in meinen Kopf zu bekommen, das zu tun was er mir sagte und doch fing ich wieder und wieder an zu zittern.

Er schien langsam die Nase voll davon zu haben und schnaubte verächtlich.

„Jetzt mach nicht so ein großes Drama daraus.“ er wusste warum ich solch eine Angst hatte, warum ich geflohen war und doch schien er mich ein weiteres Mal zu verspotten. Er löste sich aus der Umarmung die mir Halt und Geborgenheit gegeben hatte. Er funkelte mich mit seinen leuchtenden moosgrünen Augen an und lag plötzlich auf mir, bedeckte mich mit seinem stählernen Körper. Eine seiner Hände wanderte an meiner Hüfte immer auf und ab, die andere legte er mir ans Kinn und strich zart über meine Lippen. Dieser Blödmann wollte doch jetzt nicht allen Ernstes seine Schuld eintreiben?!

Ich wand mich, stemmte meine Hände gegen seinen muskulösen Körper und versuchte das Bevorstehende hinaus zu zögern. Als er mit seinen vollen Lippen über mein Gesicht streifte und Küsse auf meiner erhitzten Haut verteilte, wurde ich unheimlich ruhig. Er stoppte direkt über meinem leicht geöffneten Mund und grinste mich schäbig an.

„Glaubst du wirklich ich wäre so ein Schwein diese Situation auszunutzen?“ völlig verwirrt nickte ich und wand mein Gesicht ab. Würde ich ihn noch weiter betrachten wäre ich verloren. Denn seine markanten Gesichtszüge, das wilde Haar, der verlockende Mund und seine spielerisch funkelnden Augen nahmen mich immer mehr gefangen. Nicht zu vergessen seine Hände, die er besitzergreifend über meinen noch immer zitternden Körper fahren ließ.

Ein hämisches Grinsen verzog sein Gesicht zu einer belustigten Grimasse: „Selbst ich bin nicht so gerissen... obwohl?“ er hielt inne und ich den Atem an. Zu meinem Glück neckte er mich nicht weiter, sondern zog mich auf die Beine und an einer Hand zurück ins Dorf. Mir wurde bewusst das er das vorhin nur getan hatte, um mich zu beruhigen. Und es war wirkungsvoll gewesen. Ich stand tief, sehr tief in seiner Schuld...

Meine Beine schlotterten vom Erlebten und er passte sich rücksichtsvoll meinem Tempo an. Das machte ihn für mich unerklärbar, ich konnte ihn nicht durchschauen. Weder seine Absichten noch seine Vorgehensweise. Er schien zwar ein gewisses Ziel zu verfolgen und einen Plan zu besitzen doch handelte er auf so verschiedenste Art und Weisen.

„Wer bist du nur?“ murmelte ich immer wieder.

 

Nach einem kurzen Fußmarsch hatten wir den dunklen rauschenden Wald verlassen und standen auf der offenen Wiese unter einem klaren Sternenhimmel. Es war Neumond und die Nacht kühl. Mein Retter blieb vor den ersten Häusern stehen und drehte sich zu mir um. Seine freie Hand lag auf meiner Wange und er beugte sich ein Stück zu mir.

„Wer bist du nur?“ er hob fragend eine Augenbraue und schien meine Frage nicht zu verstehen.

„Du kommst und gehst wann du willst, bist ein Fremder aber an den Wachen vorbei gekommen. Niemand kennt dich, sieht dich, bemerkt dich. Du bist scheinbar furchtlos, wandelst im Wald und Dorf herum. Sogar in der Nacht überschreitest du ohne zu zögern die Grenze... wer bist du nur?“

Stille. Nichts war zu hören, kein sich vom Wind bewegendes Gras oder ein Schrei einer Nachteule, noch die Dorfbewohner die dabei waren ins Bett zu verschwinden. Wo ich im Übrigen auch sein sollte und wollte.

Ich wollte schon wieder ansetzten, da zog er mich ein weiteres Mal zu sich legte seine Hände besitzergreifend auf meinen Rücken und raunte unschuldig: „Ich bin jemand, der dich entführen wird.“

6. Kapitel (Außenseiter - Dummkopf)

Ich hatte ihn nun mehrere Tage lang nicht zu Gesicht bekommen und auch sonst nichts Neues gehört. Celia hatte ebenfalls ein wenig nach Informationen gesucht, war aber gegen Wände gestoßen und genauso ratlos wie ich. Wir waren uns einig, irgendeine Schwachstelle musste dieses Dorf und sein System besitzen. Aber wir waren ratlos, unsere Eltern konnten wir nicht fragen, ebenso wenig wie Madam Margrett und sonst gab es niemanden der gleiche Zweifel wie wir hegte.

Vielleicht mussten wir jetzt abwarten und Tee trinken...

 

„Wir haben einen neuen Schüler. Adam, er hat lange Zeit in den dunklen Ecken der Straßengassen gelebt und niemand hat etwas von ihm mitbekommen. Aber deine Geschichte kannst du wohl am Besten selbst erzählen. Nehmt ihn freundlich auf.“ wies sie uns an und machte Platz. Hinter ihr kam ein Junge in schwarzen abgeranzten Klamotten zum Vorschein. Seine dunklen Haare hingen ihm ins Gesicht und er trug eine Kapuze, um sein Gesicht zu verbergen. Er stand mit den Schultern nach vorn gefallen, vor uns und sprach anfangs ein wenig abgehackt, doch seine tiefe markante Stimme zog bald alle in seinen Bann. In seinen jetzigen Stofffetzen war nicht auszumachen was für eine Statur er besaß noch wie er wirklich aussah, er wirkte wie ein Außenseiter und viele hatten ihn als diesen schon abgestempelt.

„Ich bin am Rand des Dorfes aufgewachsen und da meine Eltern früh starben und wir sonst niemanden hatten mit dem wir in engerem Kontakt standen, musste ich mich allein durchschlagen. Madam Margrett hat mich vor zwei Halbmondnächten gefunden und zum Oberhaupt gebracht nun komme ich in einer netten Familie unter und darf hier mit euch zusammen lernen, ich hoffe wir werden uns gut verstehen.“ unschuldig und verschüchtert trat er zu uns und setzte sich etwas abseits auf den Boden. Ich war mir sicher, er hatte alle mit seiner herzzerreißenden Geschichte geködert, nur mich nicht. Ich wusste es besser, ich wusste wer er war. Auch wenn ich nicht viel wusste – wie ich ja nun feststellen musste – so wusste ich doch wer oder zumindest, ein wenig wie er war. Er war gerissen und hinterlistig, seine Geschichte frei erfunden und das Schauspiel von einem Opfer war eine gute Maske, um an die Informationen zu gelangen, die er brauchte. Genauso wie ich...

Ich musste ihn stoppen, herausfinden was er vor hatte und einfach versuchen ihn aufzuhalten. Er konnte nur böse sein. Aber es war keine schlechte Idee ihn zu benutzen, um an das zu gelangen was ich wollte.

Wie ich so in meine Gedanken versank, bemerkte ich nicht wie Madam Margrett mich mehrere Male ansprach und versuchte mit mir zu reden. Bis Celia mir ihren Ellenbogen in die Seite rammte flog ich meinen Gedanken nach.

„Evelyn jetzt reiß dich zusammen. In letzter Zeit bist du auffällig geworden, ich werde wohl doch ein ernstes Gespräch mit deinen Eltern führen müssen.“ sie drohte mir, aber das machte mir nichts aus. Es half nichts, meine Eltern würden mich immer in Schutz nehmen und egal wie sehr sich diese Frau auch wünscht, ich würde in den Kerker eingesperrt werden und bei Wasser und Brot verhungern, so sehr wusste ich das dies niemals geschehen würde. Dafür hatte ich einen zu hohen Stand in unserer Gesellschaft.

„Wir werden auch heute in den Wald gehen und etwas spielen. Räuber. Stellt euch auf und folgte mir schnell, heute werden wir nicht so viel Zeit haben.“ sie schien es wirklich eilig zu haben, denn sie teilte zügig jedem einen Partner zu und war schon drauf und dran den Weg zum Wald einzuschlagen.

Den Neuen, Adam wie sie sagte, stellte sie neben Pasco. Dieser schien diese Situation auszunutzen und stellte ihm Fragen, schubste und boxte ihn, um ihn zu provozieren.

„Na, Straßenkind. Wie kommt es das du erst jetzt zu uns zum Unterricht kommst?“ ein anderer stieg mit ein.

„Hey Pasco, du bekommst Konkurrenz. Die Mädchen waren alle ganz fasziniert von ihm...haha.“ er lachte und drehte sich, nachdem er den strengen Blick von Madam Margrett sah, augenblicklich wieder um.

„Nur eine schien dich nicht sonderlich zu beachten und das ist das Wichtigste.“ wieder hieb er ihm die Faust in die Schulter: „Hey hast du deine Sprache verloren?“

Adam schüttelte verschüchtert den Kopf und ließ all die Beleidigungen und Fragen über sich ergehen.

Kurz vor dem Wald blieb ich abrupt stehen. Ich hatte keine Angst, trotzdem wollte ich dort im Moment nicht reingehen. Ich hatte das letzte Erlebnis noch nicht vollständig verarbeitet. Ich hielt Celia zurück, die mich verwirrt musterte und bedeutete den Anderen ohne uns vorzugehen.

„Hey was ist los Evelyn?“ fragte sie besorgt.

Ich atmete tief ein und musste mir darüber klar werden, ihr die Geschichte zu erzählen. Sonst würde sie mir nicht vertrauen können und ich brauchte sie.

„Weißt du ich war vor ein paar Sonnenuntergängen im Wald gewesen, mitten in der Nacht. Ich war verzweifelt und brauchte frische Luft, um wieder klar denken zu können. Diese Sache mit den Regeln und dem Fremden waren mir zu Kopf gestiegen.“ sie legte eine Hand beruhigend auf meinen Arm.

„Wieso bist du nicht zu mir gekommen?“ ich hob die Augen und sah wie sie mich immer noch besorgt musterte.

„Madam Margrett hat Recht, du bist seltsam geworden. Seitdem dieser Fremder hier im Dorf herum irrt. Wieso stellst du alles in Frage? Du weißt das unsere Eltern nur das Beste für uns wollen, deswegen kann das hier niemals falsch sein.“

„Sag das nicht so. Ich denke nicht das es falsch ist und ich weiß warum unsere Eltern das tun und warum wir so leben. Aber irgendetwas stimmt nicht und das spürst du auch, richtig?“ sie wandte sich ab, um mir nicht in die Augen zu sehen.

„Du bildest dir etwas ein.“ ich konnte nur den Kopf schütteln.

„Nein ganz sicher nicht. Ich war im Wald gewesen, dort war ich nicht über die Grenze geschritten, da bin ich mir sicher. Ich hatte sogar noch ein Stück von ihr entfernt gestanden. Da hörte ich ein Knurren, tief und gefährlich. Es kam Näher und wurde lauter. Ich bin mir sicher es war ein großes Tier, vielleicht ein Beast. Ich bekam Panik und rannte davon. Mir ist nichts passiert, aber diese Neumondnacht ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich frage mich wieso dieses etwas nicht über die Grenze gekommen ist? Wieso hat es mich nicht angefallen? Wieso werden wir nicht von den Beasts angefallen? Uns wird erzählt das es mehrere Male schon passiert ist, richtig?“ sie nickte und hörte mir gespannt zu.

„Ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht einmal einen Angriff miterlebt, entweder wurde mir davon berichtet oder ich habe geschlafen oder sonst irgendetwas gemacht.“

„Ich habe schon mal einen Angriff erlebt. Ein einziges Mal, aber von einem Beast gab es keine Spur nur Verwüstung.“ stellte meine beste Freundin nun verdutzt fest.

„Siehst du?! Irgendetwas ist faul an dieser Geschichte. Ich will das Schicksal nicht herausfordern, aber ich will so einem Beast begegnen, um mir der Gefahr bewusst zu werden.“ ihre Augen weiteten sich und sie fing an mich zu schütteln.

„Evelyn hast du eine Ahnung wie gefährlich das sein kann? Du bist doch verrückt... wehe du versucht über die Grenze zu gehen. Dann werde ich dich eigenhändig köpfen. Hast du mich verstanden? Du wirst keine Dummheiten machen...!“ sie war zornig und in Sorge.

„Ist ja gut, aber hilf mir wenigstens etwas über diese sogenannten Beast herauszufinden, okay?“ sie nickte, nahm mich bei der Hand und folgte den Anderen. Ich betrat den Wald nur zögerlich obwohl ich mir bewusst war in Sicherheit zu sein.

Vielleicht hatte ich nicht Angst vor dem Beast, sondern vor dem Dorf.

 

Im Wald angekommen teilte unsere Lehrerin uns in zwei Gruppen, die Räuber und Wächter. Das Spiel war ziemlich einfach, die Räuber mussten etwas stehlen und waren dann auf der Flucht. Die Wächter hingegen mussten diese daran hindern und so hatte man einen Vorwand, im Wald fange zu spielen.

Die meisten Mädchen, wie auch Celia machten nicht mit, sie übten sich in Kunst: malen und schreiben... oder wie auch immer sie das nennen wollten.

Ich wollte, trotz meines Kleides, jedoch wie zwei weitere Mädchen mitspielen. Missbilligend genehmigte Madam Neunmalklug unsere Bitte und ließ das Spiel beginnen.

Es waren 21 Wächter und 20 Räuber, eigentlich kein Problem für uns. Vor allem da die anderen beiden Mädchen Räuber waren und versuchen mussten uns die Tücher zu stehlen, die wir auf einem Stein gut sichtbar platziert hatten und die uns als kostbare, zu stehlende, Ware diente.

Pasco war ein Wächter, Adam dagegen war ein Räuber. Ich war gespannt wie er seine Maske aufrecht erhalten wollte. Ich hatte mitbekommen das er schnell und wendig war. Doch wenn er weiter das Opfer und den hilflosen Außenseiter spielen wollte, durfte er nicht gut sein.

Es ging schnell, dass der erste Räuber zu uns vorgedrungen war und uns ein Tuch gestohlen hatte. Noch hatte ich nicht viel zu tun, da zwei andere sich um diesen Flüchtenden kümmerten. Doch schon bald darauf ging das Spiel erst richtig los. Die Räuber kamen von allen Seiten, schafften es uns zu überlisten und rannten zurück in ihr Lager. Einen hatten wir bereits festgenommen und zu uns ins Lager gebracht. Nun wollte auch ich mich ein wenig bewegen, auch wenn meine Kondition nicht die Beste war, konnte ich wenn ich wollte einen ordentlichen Sprint hinlegen.

Ich war gerade dabei eines der Mädchen zu verfolgen und hatte sie nach zwei Baumumrundungen auch fast gepackt, da hörte ich Schreie.

„Aaaah...“

„Oh nein!“

„Sofort auseinander!“ das war meine Lehrerin gewesen.

Ich sah Manith an, das Mädchen was ich eben noch fangen wollte. Wir zuckten mit den Schultern und rannte auf die Stimmen zu. Hinter den großen dichten Bäumen, in einer Mulde rauften sich zwei Jungen. Ein schwarzes Knäuel lag zusammen gekrampft auf dem Boden und Pasco stand über ihm und trat ihn mit Füßen.

„Was ist passiert?“ fragte ich und Celia fing hastig an zu erklären: „Wir haben die Beiden beobachtet. Anfangs waren sie noch friedlich gewesen. Der Neue, er hat sich den falschen Wächter zum Überlisten ausgesucht. Er hat Pasco ausgetrickst und sich eines der Tücher geschnappt. Dann lief Pasco ihm hinterher und auch wenn Adam nicht schnell ist war er Pasco immer ein Stück voraus. Bis dieser irgendwann die Schnauze voll hatte und sich auf ihn gestürzt hat. Sie sind in diese Kuhle gefallen und seitdem schlägt Pasco auf Adam ein. Es ist furchtbar...“

In der Tat, es war kein schöner Anblick. Doch niemand traute sich dazwischen zu gehen, die Beiden auseinander zu bringen. Man hörte immer nur mitfühlende „Ohs“ und „Ahs“ und unsere Lehrerin, wie sie versuchte die Kämpfenden anzuschreien und zu tadeln, doch es half nichts. Pasco ließ nicht von dem Neuen ab. So langsam gingen mir beide tierisch auf den Keks. Pasco mit seinem Machogehabe und seinem verletzten Stolz. Adam mit seinem Scheinbild und weil er sich nicht zur Wehr setzte. Es war nicht zu verachten das er alles über sich ergehen ließ, aber aus irgendeinem unempfindlichen Grund nervte mich das.

„Hey, ihr zwei Idioten, könntet ihr eure Streitigkeiten vielleicht woanders klären. Ihr versaut uns gerade das Spiel.“ sie blickten beide auf als ich mich beschwerte und nun zu ihnen herunter kletterte. Das erwies sich schwerer als gedacht, mit meinem langen roten Kleid. Die Korsage hinderte mich daran, mich gut bücken zu können und der Ledergürtel behinderte mich in meiner Bewegungsfreiheit auch nicht weniger.

Als ich es dann endlich geschafft hatte und die beiden wieder angefangen hatten, beziehungsweise Pasco weiterhin auf Adam einschlug, platzte mir beinahe der Kragen.

„Pasco, hör endlich auf. Es bringt nichts. Willst du dich wirklich erniedrigen und diesen Volltrottel hier windelweich schlagen? Glaub mir das ist nicht gerade Ruhm einbringend. Der Typ ist neu, klar das man sich erst an ihn gewöhnen muss, aber er ist doch keine Konkurrenz für dich, oder? Er liegt schon seit Beginn hilflos am Boden. Wenn du Aufmerksamkeit von den Mädchen willst, dann solltest du mit dem Stärksten und nicht dem Schwächsten kämpfen.“ langsam drangen meine Worte in sein kleines Hirn ein und er hörte auf. Adam wand sich noch immer mit Schmerzen am Boden, doch Pasco konzentrierte sich auf mich.

„Dieser Idiot hat es nicht anders verdient. Aber wenn du es so sagst und ich deine Aufmerksamkeit bekomme, wird das wohl reichen.“ er hob grob mein Kinn und lächelte schief. Dieser Grobian ließ mich los und kletterte zu den Anderen. Ich drehte mich zu ihnen um.

„Das Spiel kann weitergehen. Und ich werde mich um diesen Taugenichts von Räuber kümmern.“

Die Anderen nickten noch ein wenig verschreckt von dem dargebotenen Kampf und rannten doch weiter.

„Blödmann...“ zischte ich und reichte Adam meine Hand. Er zupfte seine Kapuze und danach seine Kleidung zurecht und nahm dankend meine Hand, ich half ihm auf.

„Da hast du recht... er ist ein Scheusal.“ flüsterte er und klopfte sich den Dreck von der schwarzen Kleidung.

„Nein, ich meine dich. Er ist einfach nur ein Dummkopf, aber du bist... ich kann es gar nicht beschreiben.“ er knurrte und ich trat ein paar Schritte auf ihn zu. Ich packte ihn am Arm um das Bild aufrecht zu erhalten, schließlich war ich der Wächter der ihn gefangen hatte.

„Es scheint als müsste ich dir danken.“ ich verdrehte die Augen und wandte nervös meinen Kopf, um die Anderen zu suchen. Doch sie waren alle beschäftigt, zum Glück.

„Was tust du hier?“ fragte ich und sah wieder zu ihm.

„Spielen...“ säuselte er und zwirbelte eine meiner Haarsträhnen um seinen Finger.

„Ich meine...“ er unterbrach mich.

„Er hat dich angefasst.“ wieder ein tiefes Knurren und ein böser Blick in Pascos Richtung.

„Wieso hast du dich nicht gewehrt?“ fragte ich ohne auf seine Aussage einzugehen.

„Dann wäre er jetzt Brei. Außerdem passt das nicht zu meinem Image.“ seine freie Hand wanderte zu meiner Taille und zog mich an seinen starken Brustkorb.

„Du gehörst mir.Schon vergessen?“ flüsterte er und ließ meine Haarsträhne los. Besitzergreifend hob er mein Kinn, doch nicht grob sondern sanft. Ganz anders als Pasco vorhin, ich spürte wie mein Körper zu kribbeln begann und sich ein wohliges Gefühl in mir breit machte. Ich fühlte mich, trotz seiner mysteriösen und gefährlichen Aura, sicher.

„Ich gehöre nur mir selbst. Damit das klar ist... und jetzt komm!“ ich zog ihn mürrisch zurück auf das Spielfeld.

„Hau ab...“ murmelte ich und ließ seinen Arm los. Verdutzt sah er mich an und als er begriff grinste er triumphierend.

„Das ist aber gegen die Regeln.“

„Das weiß ich selbst. Aber manchmal muss man sie eben brechen.“ ich nickte in Richtung Räuberquartier und drehte mich um. Hoffentlich hatte er meinen Wink verstanden.

7. Kapitel (Sorgen - Süße Begierde)

Kurz nachdem das Spiel geendet war und wir uns schon bereit machten zu gehen, tauchte mein Vater auf.

„Evelyn... gut das ich dich endlich gefunden habe. Madam Margrett...“ er hatte mir nur kurz Beachtung geschenkt und sich sofort an meine Lehrerin gewandt.

„Oh Dimarius. Schön sie anzutreffen.“ er schritt kräftigen Fußes auf sie zu und blickte ihr streng in die Augen.

„Ich muss meine Tochter früher vom Unterricht abholen und dringend mit ihr sprechen.“ sie nickte andächtig.

„Das trifft sich gut ich wollte...“ doch er unterbrach sie.

„Sie verhält sich komisch, deswegen haben wir beschlossen uns mit ihr zu unterhalten, ich hoffe sie hat ihnen keine größeren Schwierigkeiten bereitet.“ ihre Wangen röteten sich für eine kurze Zeit, doch sie fing sich wieder und nickte.

Mein Dad drehte sich entschlossen um und fixierte mich.

„Ach und Adam würde ich auch gleich mitnehmen, er ist heute bei uns zu Gast.“ sie gab auch zu dieser fordernden Bitte ihr Einverständnis und mein Vater zog mich aus dem Wald. Ich warf Adam einen bösen Blick zu und obwohl ich aufgrund seiner blöden Kapuze und seinen wilden Haaren sein Gesicht nicht sehen konnte, so wusste ich doch das er hämisch grinste... dieser Vollidiot.

„Dad was ist passiert?“ ich ließ den, hinter uns trottenden, Fremden außer Acht und versuchte die Unruhe meines Vaters zu verstehen.

„Wir müssen uns unterhalten... das ist alles.“ sein harter Ton ließ mich schlimmes vermuten. Ob sie das im Wald in der Neumondnacht herausgefunden hatten?

„Hab ich was verbrochen?“ fragte ich vorsichtig und erwartete einen Wutausbruch seinerseits, obwohl er immer die Geduld in Person war, konnte ich seine Aufgebrachtheit förmlich anfassen.

„Adam...“ er sprach nicht mich an. „Ich hoffe es ist nicht schlimm für dich schon früher zu gehen. Wenn du willst...“ mit seiner unschuldigen Miene und einer engelsgleichen Stimme entgegnete er: „Nein, ist in Ordnung. Ich freue mich Sie und ihre Familie kennenzulernen. Es war auch schon eine Freude Evelyn zu treffen.“ ich drehte mich um, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Doch das Tempo meines Vater ließ dies nicht zu.

„Evelyn, wir werden uns viel zu erzählen haben. Du uns und wir dir.“ mehr sagte er nicht und auch ich und Adam trauten uns nicht noch irgendwelche Gesprächsansätze zu wagen. Die Luft war zum Zerreißen gespannt und ich spürte wie meine Hände nass vor Schweiß wurden, aber ich kannte den Grund nicht. Ich fühlte mich schon wieder so hilflos und unwissend. Wie ein kleines Kind...

Zuhause angekommen schloss mein Dad hinter uns ab und begrüßte eilig meine Mum.

„Ach da seid ihr ja. Ich habe gerade gedeckt, aber das Essen wird warten müssen.“ sie gab mir eine Umarmung und schüttelte Adam die Hand.

„Meine Güte, bist du groß...“ stellte sie fest und musterte ihn ausgiebig.

„Mum...“ unterbrach ich sie, rollte die Augen und machte ihr klar das sie peinlich war.

„Entschuldige Schatz, aber wenn er doch nur etwas bessere Klamotten tragen und gerade stehen würde, wäre er definitiv ein Kandidat für...“

„MUM!“ schrie ich und zog sie mit mir in die Küche.

„Ich weiß das du gerade eine Obsession mit diesem Heiratskram hast, aber bitte lass sowas nicht raus, wenn wir Gäste haben und dann auch noch jemanden Neues.“ sie musterte mich und strich mir eine störrische Haarsträhne hinter das Ohr.

„Du behandelst ihn wie einen Fremden, wir sollten ihn aufnehmen.“ sie lächelte und lief zum Tisch.

Mein Vater schaltete sich ein: „Und damit muss ich mich jeden Tag herumschlagen. Ich hoffe du verstehst wie sehr ich mich freue einen Abend Unterstützung zu haben.“ Adam nickte nur und sah sich schüchtern um. Ich wusste genau das er nun genug Material hatte, um mich ein Leben lang zu ärgern.

„Aber trotzdem muss ich dich jetzt bitten kurz nochmal nach oben zu verschwinden. Wir haben etwas zu besprechen. Es ist sehr wichtig!“ wieder nickte er und lief leichtfüßig die Treppe hoch.

„Ein interessanter junger Mann.“ murmelte meine Mum und wir setzten uns.

„Warum die ganze Aufregung?“ fragte ich nun.

„Mein Schatz wie geht es dir?“ meine Mum legte ihre Hand auf mein Knie und sah mich, wie eine Mutter das eben so machte, besorgt an.

„Eigentlich ganz gut, wenn mir endlich jemand mal auf meine Fragen antworten würde.“ stieß ich genervt zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

„Evelyn.“ sie strich mir sanft durchs Haar und sah zu meinem Vater.

„Wir haben dir viel verschwiegen, wir werden es auch noch solange tun wie es geht. Aber wir müssen wissen wie du dich fühlst? Wie es dir geht?“

„Wie soll es mir schon gehen. Ich fühle mich eingezwängt und erdrückt von den Regeln dieses Dorfes. Ich spüre einen starken Drang nach mehr Wissen, ich will Informationen darüber wieso wir so leben. Wieso ihr Henil verbannt habt. Warum ziehen wir nicht auch wie andere Familie in die Welt und fangen an neue Dinge zu entdecken? Ich verspüre ein unglaubliches Verlangen nach Freiheit.“ ich öffnete ihnen mein Herz, denn sie waren die Einzigen, denen ich bedingungslos vertraute.

„Evelyn, das ist verständlich aber du musst dich unter Kontrolle halten. Du darfst diesen Gefühlen auf gar keinen Fall nachgeben, sonst wirst du dich und uns alle in große Gefahr bringen.“ erklärte mein Vater.

„Bitte versprich mir, dass du versuchen wirst deine Neugier zu unterdrücken und all die Sehnsucht nach Freiheit. Es wird vorbeigehen und du wirst verstehen warum uns das so wichtig ist. Nur vertrau uns einfach okay?“ meine Mutter flehte mich an meine Gefühle zu verleugnen, was sollte ich nun tun?

Das war wie aus dem Bilderbuch, ein Dilemma.

Um sie erst einmal ruhig zu stimmen und ihnen die Sorgen zu nehmen nickte ich und meinte: „Ich werde es versuchen, so gut es mir möglich ist. Aber sagt mir eins: warum jetzt?“

 

Nachdem wir das Gespräch beendet hatten und ich Adam holen gegangen war aßen wir zusammen Abendmahl und unterhielten uns. Die Stimmung war zwar noch immer gedrückt, jedoch konzentrieren wir uns mehr auf Adam, als auf unsere eigenen Probleme.

Ich konnte es nicht gutheißen ihn hier bei uns als Gast zu haben, aber dagegen etwas tun konnte ich auch nicht. Ich nahm es hin und war froh ihn nicht als Stiefbruder aufnehmen zu müssen.

„Hey lasst ihr mich und Ann ein wenig allein? Wir haben uns den ganzen Tag nicht gesehen und brauchen ein wenig Zeit für uns.“ mein Vater wollte uns loswerden.

„Ich geh dann hoch.“ offenbarte ich und machte mich schon auf den Weg.

„Nimm Adam mit, ich habe ihm gesagt, dass ich ihn später zu Osprant bringe und das werde ich. Aber wie gesagt, ich wollte nicht vor Sonnenuntergang aufbrechen.“ widerwillig nickte ich und bedeutete dem Fremden mir zu folgen. Mit zusammengezogenem Körper und wie ein unschuldiges Lamm folgte er mir. Wir liefen die Holztreppen hinauf und durch einen schmalen Gang auf eine Holztür zu.

„Mein Zimmer, geh schon mal ich will noch kurz ins Bad. Aber wehe du schnüffelst... dann leg ich dich um.“ er sah zu mir und grinste hämisch.

„Wir werden ja sehen, wer wen umlegt...“ raunte er und ging an mir vorbei in mein Zimmer.

Als ich aus dem Bad zurück kam und in mein Zimmer, prallte ich gegen seinen breiten Rücken.

„Oh entschuldige.“ nuschelte ich, während ich erstaunt sein breites Kreuz musterte. Er wand nur seinen Kopf zu mir und ich konnte seine Nasenspitze sehen.

„Du bist wirklich ziemlich verpeilt.“ er lachte und seine angenehme Stimme hallte im Raum.

Erst jetzt bemerkte ich das er sehr groß und gut gebaut war. Wenn er so krumm lief und stand wirkte er so klein und verletzlich. Fast so klein wie ich.

„Bin ich nicht.“ murrte ich zickig und ließ mich auf mein Bett fallen.

„Und wie du das bist.“ entgegnete er. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und hakte das Thema somit ab.

„Du hast hier ein paar interessante Zeichnungen.“

„Nimm diese blöde Kapuze ab... ich will endlich wissen wer du bist.“ er grinste und seine Augen funkelten triumphierend. Er hob seine Arme und griff mit seinen langen schönen Fingern nach dem Stofffetzen, doch nur quälend langsam ließ er sie auf seine breiten Schultern fallen. Er schüttelte seine Haare und strich sie sich aus dem Gesicht.

Zum ersten Mal sah ich ihn, konnte ihn begutachten und seine Gesichtsausdrücke deuten. Das was ich da erblickte haute mich um. Ein markantes Kinn mit hohen Wangenknochen, glatte straffe Haut und diese verführerischen moosgrünen Augen mit den orangenen Sprenkeln. Diese waren umrundet von einem dunklen Wimpernkranz und geziert durch geschwungene Augenbraun. Eine hübsche spitze freche Nase und die Krönung des ganzen waren seine vollen Lippen, die danach schrien gekostet zu werden.

„Wieso trägst du sie immer?“ er stellte mir eine Gegenfrage: „Wieso wolltest du wissen wie ich darunter aussehe?“ ich stand auf. Jetzt war ich diejenige die den ersten Schritt auf ihn zu machte und ich starrte ihm direkt ins Gesicht. Seine Augen musterten mich belustigt und begierig, er schien meine Gestalt fast verschlingen zu wollen. Es war gruselig wie er mich ansah, so als wollte er mich verspeisen.

„Damit ich dich endlich beurteilen kann. Man kann nie sagen was du wirklich denkst oder fühlst wenn du sie trägst. Es ist so als würde sie dich unsichtbar machen.“ er nickte und legte seine Hand unter mein Kinn. Ich musste zu ihm hoch sehen damit ich in seine Augen blicken konnte.

„Du hast mich gesehen und jetzt musst du den Preis dafür bezahlen. Glaub bloß nicht ich würde das bei jedem machen.“ er beugte sich zu mir, aber ich war schneller. Ich schnappte mir ein altes Tuch und wischte den Dreck von seiner Wange. Verdutzt ließ er mich machen.

Es hatte mich schon die ganze Zeit genervt und war wohl noch vom Räuberspiel im Wald. Und zum ersten Mal fühlte ich mich, als hätte ich ihn ausgetrickst. Adam genoss meine Berührung.

Als ich meine Hand weg zog, hielt er sie fest. Er drückte seine Wange in meine Handfläche und schloss die Augen.

„Du machst es mir nicht leicht...“ flüsterte er.

„Ich weiß nicht wie lange ich deinem Duft, deiner Haut... allem an dir noch widerstehen kann. Jedenfalls wird das nicht mehr lange dauern und ich falle über dich her.“ er öffnete seine Lider und moosgrüne stechende Augen leuchteten mir entgegen. Er fixierte meinen Blick und zog mich in seinen Bann. Ich vergaß alles um mich herum, sogar fasst zu atmen.

„Hey Evelyn, kommst du mit mir?“ hauchte er, so leise das ich glaubte es wäre eine Illusion gewesen. Ich schüttelte aus Reflex den Kopf und trat zurück, er vernebelte meine Sinne und ich konnte nicht mehr klar denken, wenn wir uns so nah waren.

Leider ließ er mir keinen Freiraum. Er folgte mir bis ich irgendwann auf meinem Bett landete. Sein Körper drückte meinen in die harte Matratze und seine Hände wanderten zu meiner Hüfte, um mich noch näher zu ihm zu ziehen. Seine andere glitt in mein Haar und durchkämmte es nach Lust und Laune.

„Das wollte ich schon seit so langer Zeit.“ raunte er mit seinen wunderschönen Lippen gegen meine Augen.

„Adam...“ keuchte ich nach Luft schnappend.

„Hör auf!“ doch er grinste nur dreckig und presste seinen harten Mund auf den Meinen. Er löste endlich seine Schuld ein, obwohl ich mir sicher war, dass es nicht dabei bleiben würde.

Er erhöhte den Druck und das ließ meine Körpertemperatur erheblich ansteigen. Mein Herz pochte wie wild und seine zarten und doch drängenden Berührungen jagten mir Blitze durch jede Faser. Sein Geruch betäubte mich und verführte mich in eine Traumwelt. Bis ich seine Zunge an meinen Lippen spürte und merkte das sie um Einlass bat. Er tippte mit der Zungenspitze gegen meine zusammengepressten Lippen. Wenn ich jetzt nachgab war alles verloren.

Adam ließ nur kurz von mir ab, funkelte mich mit seinen stechenden Augen an und ließ mich Luft schnappen, sobald ich den Mund zum Atem geöffnet hatte verschwand seine Zunge in meinem Rachen. Sie erkundete alles was es zu erkunden gab und forderte meine auf mit ihr ein Tänzchen zu wagen. Ich gab nach und mich dem Kuss hin. Ließ mich in die Tiefen reißen, in das Dunkel das ihn umhüllte. Das Schwarz schien mich unerbittlich zu verschlucken, so wie er mich immer mehr und mehr in Besitz nahm. Sei es durch seinen Blick, seinen Mund oder seine Hände. Ich fühlte mich gefangen und schon fast als seinen Besitz.

Dieser Gedanke riss mich aus der Trance und ich schlug auf ihn ein. Er ließ endlich von mir ab und kniff seine Augen zusammen.

„Ich will dich...“ knurrte er und duldete keinen Widerstand. Er packte meine Arme und verschränkte sie über meinem Kopf. Danach setzte er sich auf mich, sodass ich auch mit meinen Beinen nichts ausrichten konnte. Er kostete seine Überlegenheit und Macht mir gegenüber voll und ganz aus, Adam blitzte mich noch einmal an und presste dann wieder seine sinnlichen Lippen auf meine. Wer konnte dem schon widerstehen?

 

Nach einer halben Ewigkeit, wie es mir schien, löste er sich nach Luft ringend von mir und lächelte zufrieden und vergnügt. Er entfernte sich von mir stemmte seine Hände links und rechts von mir ab und musterte mich raubtiermäßig.

„Ich denke du wirst dir jetzt zweimal überlegen ob du mich noch mal fragst, ob ich meine Kapuze absetzte, oder?“ er grinste. Aber diese Erniedrigung gönnte ich ihm nicht.

„Glaub nicht, du hast mich eingeschüchtert.“ keuchte ich, immer noch außer Atem.

„Du willst mehr? Danach musst du nicht einmal fragen.“ schon war er mir wieder so nahe gekommen, dass sein Gesicht vor meinen Augen verschwamm und ich nur den dunklen Wald und die süßen Beeren riechen konnte. Er hauchte mir einen Kuss auf die Lippen und stand endlich auf. „Wenn es am schönsten ist...“

„...soll man aufhören!“ beendete ich seinen Satz.

Wir sahen einander nur an und spürten die aufsteigende Lust, ich sah seine Begierde, aber er hielt sich zurück. Als die Stimmung unerträglich wurde ging er.

„Ich sollte jetzt gehen, sonst passieren heute noch mehr Dinge, als du dir überhaupt erahnen kannst.“ er schenkte mir sein süßestes Lächeln, schüttelte sich ein letztes Mal die Haare aus dem unverschämt gutaussehenden Gesicht und setzte sich die Kapuze wieder auf.

„Wir sehen uns, Süße.“

8. Kapitel (Ängste überwinden - Vorfahren)

„Und wir gehen heute erneut in den Wald.“ meine Lehrerin knrischte mit den Zähnen und sah sich unwohl um. Irgendetwas war anders, vielleicht besonders. Wir gingen heute nicht einfach nur in den Wald...

„Wir warten zwar noch auf unser Oberhaupt Osprant und Verstärkung, aber bitte stellt euch schon mal in einer Reihe auf. Ich erwarte höchste Ordnung und Respekt, niemand tanzt heute aus der Reihe. Verstanden? Heute ist das befolgen der Regeln noch umso mehr wichtig und zusätzlich setzten wir die Ausnahmeregelung in Kraft.“ sie tippte von einem Fuß auf den anderen und übertrug ihre Unruhe auf uns.

„Wir gehen heute nur in den Wald?“ fragte Pasco überheblich und winkte diese Tatsache ab.

„Ruhe.“ schrie Madam Margrett und gekränkt reihte Pasco sich wieder ein.

„Ich will ein makelloses Benehmen, vor allem von ihnen Miss Evelyn.“ sie warf mir einen strengen Blick zu und als ich unterwürfig den Kopf senkte, wandte sie erneut suchend den Kopf umher.

„Ah... Osprant, wie schön das sie uns heute begleiten.“ sie eilte ihm hastig entgegen, was mir Gelegenheit gab mit Celia Kontakt aufzunehmen ohne erwischt zu werden.

„Celia, wieso kommt dein Dad heute mit?“ fragte ich so leise, dass ich mir sicher sein konnte, niemand außer ihr hatte es gehört.

„Naja weißt du, wir gehen heute über die Grenze. Ich weiß zwar nicht wieso, aber es ist so. Und damit uns nichts passiert wurden fünf der stärksten Männer und mein Daddy mitgeschickt.“ sie wusste auch nicht viel mehr, als wir anderen. Das verwunderte mich und nicht nur das, auch das wir über die Grenze durften. Es war sonst strengstens verboten und wurde sofort bestraft. Aber es musste einen Grund haben warum sie uns als Gruppe schickten.

„Vielleicht ja als Opfer, weil sie Angst haben das die Beasts uns wieder überfallen. Vielleicht wollen sie dem vorbeugen und liefern uns aus.“ sprach ich meine Gedanken laut aus. Celia drehte sich ängstlich zu mir.

„Das würden sie nicht tun, vor allem da mein Vater mitkommt. Er würde nie...“ ich tätschelte ihr die Schulter, um sie zu beruhigen.

„Keine Sorge. Ich habe keine Zweifel daran das es einen anderen Grund geben muss.“ sie nickte unsicher und nahm meine Hand.

Nachdem Madam Margrett sich kurz mit unserem Oberhaupt unterhalten hatte, führten sie uns auf direktem Weg, erst in den Wald den wir betreten durften und schließlich auf die Grenze zu. Als ich mich kurz nach Adam umsah, erkannte ich wie er sich ein Stück aufrichtete. Ich konnte nicht sagen, ob es aus Anspannung oder Vorfreude geschah, doch schien auch er etwas zu ahnen oder zu planen.

 

„Es ist so...“ begann Osprant. Doch ein Tuscheln war ausgebrochen seit wir an der Grenze halt gemacht hatten. Das Dorf war kaum noch zu erkennen und die Bäume schienen dunkler und gefährlicher je weiter wir in den Wald kamen.

„Ruhe!“ schrie Madam Margrett erneut und bedachte jeden der sprach mit einem bösen Blick.

Als wir unsere Aufmerksamkeit gänzlich auf unser Oberhaupt gerichtet hatten, begann dieser sich zu räuspern und erneut zu sprechen.

„Es ist so, dass wir nicht ohne Grund heute die Grenze überschreiten werden. In unserem Dorf ist es Brauch, in eurem Alter den Mut und die Tapferkeit zu beweisen und für eine gewisse Zeit in das Gebiet der Beasts einzudringen. Dabei wünschen wir euch natürlich nicht, auf eines zu treffen, hoffen aber, dass ihr einem begegnet. Unsere Erfahrung kann nicht allein durch Worte weitergegeben werden. Ihr müsst selbst erleben wie grausam diese Tiere sich verhalten und bewegen. Deswegen werdet ihr diese Grenze überschreiten, denn irgendwann, egal ob im Dorf oder im Wald, werdet ihr einem begegnen. Wir überlassen euch die Entscheidung, heute die Chance zu nutzen und weiter als erlaubt zu gehen. Ihr dürft selbstverständlich auch sagen ihr geht mit Madam Margrett zurück ins Dorf. Wisst ihr... aus Erfahrung sind es immer nur wenige, die sich trauen das Schicksal herauszufordern und direkt in die Gefahr zu laufen. Ich vertraue euch, dass ihr die richtige Entscheidung trefft.“ damit schloss er seine Rede und in mir fing mein Herz an wie verrückt zu schlagen.

Das war meine Chance, meine Chance einem solchen Beast zu begegnen. Den Grund herauszufinden, warum meine Eltern es zuließen meinen älteren Bruder allein zu lassen und warum wir den Vorschriften und Verboten Folge leisten mussten. Unterschiedlichste Gefühle stiegen in mir auf und rangen miteinander. Mein Herz kämpfte gegen meinen Kopf, einen unerbittlichen Kampf und es fiel mir schwer die richtige Entscheidung zu finden.

Ich sah zu Celia und diese zu ihrem Vater, dann drehte sie sich zu mir um und drückte mich in einer festen Umarmung.

„Ich werde nicht gehen.“ flüsterte sie leise und erleichtert.

„Bitte hänge dich nicht an meine Entscheidung. Du befindest dich in einer ganz anderen Situation und auch wenn ich es nicht will, weiß ich doch das du dich für das Richtige entscheiden wirst. Nur bitte versprich mir lebend und gesund wiederzukommen.“ fügte sie hinzu und schenkte mir noch ein Lächeln, bevor sie sich zu den anderen und Madam Margrett stellte. Fast alle hatten sich bereits einer Gruppe zugeordnet.

Auch ich stellte mich zu einer Gruppe und dachte über die Folgen nach und darüber, wie es wäre, hätte ich mich anders entschieden.

Nach einem knappen Nicken von unserer Lehrerin und einem betenden Blick von Celia verließ ihre Gruppe den Wald in Richtung Dorf. Ich besah mich meiner Gruppe, sie bestand aus acht mutigen Jungen und mir und Manith. Sie war auch schon beim Wächter- Räuberspiel dabei gewesen und war taff. Auch von der Statur her ähnelte sie mehr dem männlichen Geschlecht. Pasco und zwei seiner Freunde waren widerwillig mit uns gekommen und das nur, weil Adam ohne zu zögern auf Osprants Seite gewechselt war. Sie wollten nicht wie Feiglinge dastehen.

Als wir die Grenze überschritten hatten und in die dunkle Natur eintauchten, entschieden sich zwei Jungen um und rannten zurück, der Rest wurde von den fünf Männern auf einem kleinen Pfad tiefer in das Dickicht geführt.

Unser Anführer sprach jeden an und machte ihm Mut, so auch mich und Adam. „Ich hätte nie erwartet, dass du der Erste bist der sich traut. Du scheinst mir nicht den geeigneten Knochenbau dafür zu besitzen. Trotzdem beeindruckst du mich durch deinen Mut. Ich bin mir sicher wir werden danach ein kleines Fest veranstalten können, nachdem du wiedergekehrt bist.“ er schlug Adam kräftig auf die Schulter und lachte. Anstatt zu stolpern oder von der Kraft aus dem Gleichgewicht gebracht zu werden, nickte der interessante Fremde nur. Ich sah wie seine Augen erwartungsvoll funkelten.

„Evelyn, Kleines... ich muss sagen du überrascht mich. Aber anscheinend hast du doch mehr von deinem Vater geerbt, als ich dachte. Er ist furchtlos und willensstark. Ich bin mir sicher diese Eigenschaften besitzt auch du. Ich weiß nicht, ob ich es als Elternteil hätte gutheißen können, wäre meine Tochter in eine so gefährliche Situation gebracht worden. Aber ich weiß, dass deine Eltern sich große Sorgen um dich machen, jedoch dir ebenso vertrauen. Du bist ein gutes Kind geworden, sie können Stolz auf dich sein. Nur pass auf das du nicht ähnliche Fehltritte wie dein Bruder begehst. Das würde deine Eltern umbringen.“ er warf mir einen mahnenden Blick zu und lief schnellen Schrittes wieder an die Spitze unserer Kleingruppe.

Eine Mahnung, obwohl ich mich in einer so gefährlichen Lage befand, das empfand ich als unangebracht und es stachelte meine Neugier und Willenskraft nur noch mehr an. Ich verspürte einen plötzlichen Energieschub und spürte wie die Angst langsam dem Mut wich. Ich war fest entschlossen so einem Beast zu begegnen und nicht nur das ich wollte etwas herausfinden. Endlich den Schlüssel für meinen Käfig finden, um frei fliegen zu können.

 

Obwohl wir allein gehen sollten wollten Pasco und seine Freunde sich nicht trennen. Sie liefen als Dreiergruppe ziemlich am Anfang.

Die Spitze bildete Adam, damit hatte er einen gewaltigen Vorsprung mir gegenüber. Hinter ihm lief einer der Männer und dann Pascos Dreiergruppe. Ihnen folgte auch ein Sicherheitsmann und Mantih. Dann zur Trennung wieder die Verstärkung und ein Junge und diesem folgte, zu meiner Überraschung, Osprant. Er lief nicht ganz vorn oder ganz hinten, zu meiner Verwunderung. Danach wieder ein Junge aus meiner Klasse, der sich traute und ganze zwei Männer. Wahrscheinlich zur Sicherheit. Damit einer, den Jungen vor mir retten konnte und der Andere mich. Ich war die letzte und das war auch gut so. Ich hatte nicht vor in der Gruppe zu bleiben auch, wenn wir alle einen große Abstand zwischen uns hatten wollte ich doch tiefer, als eigentlich erlaubt.

Schon jetzt konnte ich mich kaum zurückhalten, auf dem kleinen undeutlichen Pfad zu bleiben. Fremdartige Vögel zwitscherten in den schönsten Melodien, faszinierende Blumen ergatterten sich meine Aufmerksamkeit und die vielen dicken großen Eichen verlockten mich dazu auf ihnen herum klettern zu wollen. Es gab so viel zu entdecken, Tiere wie Pflanzen und doch durfte ich nicht einen falschen Tritt wagen.

Schließlich befand ich mich hier im Jagdrevier der Beasts. Osprant und Madam Margrett hatten uns vor Aufbruch noch eine tolle Geschichte aufgetischt, sie geisterte die ganze Zeit in meinem Kopf herum.

 

Wir waren einst ein stolzes, großes Volk. Andere fürchteten sich vor uns. Wir besaßen viel Land und guten Acker. Auch die Tiere konnten nicht prächtiger genähert und schön sein.

Doch das Schicksal meinte es nicht gut mit uns. Nachdem wir einen zornigen König gestürzt hatten warnte er uns... unser Glück könne nicht andauern. Und schon bald nach dem Kampf trafen die Dorfbewohner zum ersten Mal auf die Beasts. Sie waren die Ersten und auch einzigen Kreaturen die unser Volk nicht besiegen konnte.

Das löste große Angst aus... diese wurde leider nur noch verstärkt, durch die vielen jungen neuen Familien die zu uns gestoßen waren. Wir konnten uns nicht länger wehren und wussten kein Mittel ihnen zu entkommen. Also baute das Volk dieses Dorf und die Mauern mit den übrigen Überlebenden. Sie schafften eine Art magischen Schutzwall und die Beasts ließen uns in Ruhe. Nur nach einem bestimmten Zeitabschnitt drangen sie in das Dorf ein und holten sich ein Opfer. Wahrscheinlich dafür das sie unser Volk in Ruhe ließen. Nur eine Person wurde von ihnen entführt und das Dorf hatte wieder Ruhe. Das Problem, die Beasts griffen nicht nur dieses eine Mal an. Sondern waren vor der Entführung schon mehrere Male durch die Mauern eingebrochen. Niemand weiß warum aber es erscheint wie ein Ritual.

Wir befinden uns gerade in dieser Phase. Es gab lange Zeit Ruhe und unsere Großeltern konnten nicht mal genau sagen ob sie noch existieren. Doch wir haben es zu spüren bekommen und sie werden in der nächsten Zeit wieder angreifen. Deswegen müssen wir gewappnet sein und schicken euch in ihr Gebiet, damit ihr wisst was auf uns zukommt.

Es begann alles mit einem stolzen Volk, das überheblich wurde und es endet mit der Angst die uns seit jeher verfolgt. Sie schlummert auch in uns und wir müssen bereit sein, sie zu überwinden. Das unmögliche vollbringen, das was unsere Vorfahren versuchten und daran scheiterten.“

 

Es gab also eine direkte Verbindung zwischen meinem Dorf und diesen Kreaturen. Sie greifen uns nicht aus Spaß an oder weil sie nach Beute suchen. Sie wollen einen Preis, dafür, dass sie uns in Ruhe lassen. Ein Opfer... und niemand weiß wieso und wer!

Mir lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter, wenn ich an diese gruselige Geschichte denke. Aber es ging nicht anders, sie war ein weiteres Stück für mein Puzzle und ein wichtiger Teil, um das Rätsel zu lösen. Doch konnte ich dem Glauben, was mir das Oberhaupt erzählte? Oft wurden uns wichtige Details verschwiegen und uns wurden lediglich einfache Befehle erteilt...

Ich hing noch immer meinen Gedanken nach, da brach vor mir plötzlich Panik aus. Es schien, dass ein Beast aufgetaucht sei. Mein Herz fing wild an zu schlagen, endlich... ich würde einem begegnen vielleicht sogar einen Kampf miterleben. Das war meine Chance!

Ich vergrößerte den Abstand zu den Vorauslaufenden und als ich mir sicher sein konnte, dass ich mich außer Sichtweite befand, stahl ich mich in die Büsche und suchte mir meinen eigenen Weg. Ich hörte, wie ein Schnauben und schwere Pfoten sich mir näherten. Mir brach der Schweiß aus, mein Kopf fing an sich zu wehren und den Kampf erneut mit meinem Herzen aufzunehmen, dieses Mal schaltete sich sogar mein Gewissen ein. Doch ich konnte und wollte nicht weglaufen und so versuchte ich meinen zitternden Körper wieder unter Kontrolle zu bringen. Egal was kommt, das hier ist es wert gelebt zu haben... sprach ich mir in Gedanken Mut zu.

Ich war auf eine kleine Wiese mitten im Wald gelangt, sie war rund und hatte einen Durchmesser von knapp fünfzehn Metern. Einige mir unbekannte Blumen zierten den Rand, dichte Büsche und hohe Bäume versperrten die Sicht in den tiefen Wald.

Keine Sekunde später, sprang ein riesiges Tier aus dem dunklen Unterholz und baute sich vor mir auf. Nun stand ich da, mit einem Herz, dass mir bereits zu Boden gerutscht war und leerem Kopf, direkt vor einem riesigen wolfartigen Wesen.

9. Kapitel (Shadow - Begegnung)

Er war vielleicht vier Meter groß und mindestens sechs Meter lang. Langes schwarzes buschiges Fell bedeckte seinen muskulösen Körper. Sein Schwanz verlängerte seine Größe nochmal um einiges und wedelte ruhig und langsam hin und her. Seine Pfoten waren so groß wie mein Kopf und hinterließen eigenartige Spuren. Ich konnte seine langen scharfen Krallen entdecken und wusste nicht wovor ich mehr Angst haben sollte, vor seinen Krallen oder spitzen Zähnen, die er mir wundervoll präsentierte. Er hatte eine lang gezogene Schnauze und feuchte Nase mit fast unsichtbaren Schnurrhaaren. Aus seiner Kehle dran ein zufriedenes Schnauben.

Die Ohren dieser Kreatur waren eher spitz und schienen aufmerksam zu lauschen, mit solchen Löffeln entging ihm sicherlich nichts. Seine Augen waren das unheimlichste, sie funkelten mich an und verrieten, das dieses Tier – wenn man es als das bezeichnen konnte – einen scharfen Verstand hatte. Vielleicht war es sogar schlauer als ich.

Wie gebannt spannte ich jeden Muskel an und versuchte mich nicht zu bewegen. Ich stand einem Monster, einem Beast gegenüber und hatte keine Ahnung was jetzt geschehen würde. Mir fielen nicht viele Möglichkeiten ein. Entweder ich rannte weg, ich lief auf dieses wolfähnliche Vieh zu oder ich blieb stehen. In jedem Fall war ich mir sicher, dass diese Kreatur mich überlisten würde.

Leichtfüßig und mit einer gewissen Würde schlich dieses Tier nun majestätisch um mich herum. Es drehte seine Kreise und beäugte mich von allen Seiten. Ich bemerkte seinen Blick ständig auf mir ruhen und all seine Konzentration lag auf mir, wozu im Gegensatz seine Aufmerksamkeit eher der Umgebung galt. Das war nicht verwunderlich, denn man hörte auch noch so weit weg vom Pfad die ängstlichen Schreie und Flüche der Anderen.

An diesem Punkt begann ich kurz mir darüber Gedanken zu machen, ob die Anderen sich bereits Sorgen um mich machten und mich vielleicht sogar suchten. Andererseits konnte ich mir nicht vorstellen, dass sie mein Verschwinden in dieser Paniksituation so schnell bemerken würden.

Ein warmer Luftzug, der über mein Gesicht streifte, holte mich aus meinen Gedanken und ich blickte in ein paar riesige Augen. Das schwarze Beast war vor mir zum Stehen gekommen und fixierte mich mit seinem Blick.

Mein Puls ging augenblicklich schneller, meine Beine drohten die Stabilität zu verlieren und mein Kopf setzte beinahe aus zu Denken. Ich stand nun einem Riesenwolf gegenüber und wusste wie grausam er und sein Rudel mein Dorf zerstört hatten und trotzdem empfand ich keine Angst. Nur Nervosität und Anspannung, doch nicht einen Funken Angst.

Es schien mir, als würde mein Gegenüber verstehen was ich dachte, als würde er sein Maul zu einer lächelnden Fratze verziehen. Und ein weiteres Schnauben drückte Hohn aus. Dieses Beast war in der Tat nicht nur ein Tier. Dann wäre es nicht würdig gewesen, uns zu zerschlagen und eine tief verwurzelte Angst in die Menschen zu pflanzen, die ihnen begegneten.

Es konnte nicht nur seine tierischen Instinkte benutzen und war uns in diese Richtung überlegen, es hatte scheinbar einen Verstand, der über diese Instinkte hinausreichte.

Es war nicht nur schlau wie ein Fuchs oder ein Adler oder hinterlistig wie ein hungriger Jaguar. Hinter diesen Augen verbarg sich mehr und das bereitete mir keine Angst, sondern faszinierte mich. So wie er mich anblinzelte und versuchte mir durch seine Kopfdrehungen etwas zu sagen entfachte er meine unersättliche Neugier wieder von Neuem. Ich konnte den Grund für ihr Handeln herausfinden, gewann ich das Vertrauen meines Gegenübers.

Das Problem war: das hieß ich musste auch ihm Vertrauen entgegen bringen.

Wahrscheinlich jeder wäre auf dieses Monster zugelaufen, hätte seine Arme um den flauschigen Hals geworfen und hätte es vor Entzückung nicht wieder losgelassen. Denn so wie er gerade seine Ohren nach vorne hängen ließ und mich aus großen Augen musterte, wirkte er eher wie ein verschüchterter Welpe. Niedlich!

„Starr mich nicht so an...“ nuschelte ich schmollend. Irgendwie war mir dieser Blick nicht ganz geheuer und das schien er zu bemerken. Plötzlich fletschte er die Zähne und kniff seine Augen zu einem bösen Gesicht zusammen.

„Okay, okay... du musst mich aber auch nicht anknurren.“ entgegnete ich etwas eingeschüchtert.

„Ich hab schon verstanden... du hast hier das Sagen, richtig?“ er schnaubte und setzte sich mit seinem Hinterteil hin. Seine Vorderpfoten immer noch stelzengerade aufgerichtet, musterte er mich weiterhin mit neugierigem Blick.

„Du sollst nicht so gucken... ich bin doch nur ein normales Mädchen. Ich versteh nicht warum du mich so anstarrst, hab ich eine Spinne im Haar?“ da ich mir nun sicher war, dass er mir nichts tun wollte wurde ich etwas mutiger. Wieder war ein Knurren die Antwort und fast beleidigt drehte er tatsächlich seinen Kopf weg, ließ mich aber trotzdem nicht aus den Augen.

Als nun ich ihn derweilen interessiert musterte, entwickelte sich eine Idee in meinem Kopf und ich wollte das kleine Experiment wagen. Er hatte seine Aufmerksamkeit mir zugewendet und wiegte seinen Schwanz noch immer leicht hin und her, jenes war ein deutliches Zeichen, das er ruhig war.

Ich entschloss mich meinen Plan in die Tat um zu setzten und wagte ein paar Schritte nach links. Seine Ohren stellten sich in Bereitschaft auf und seine Muskeln spannten sich an. Er schien es nicht so toll zu finden, dass ich mich vielleicht bewegen wollte oder eher noch abhauen wollte. Trotzdem blieb er noch immer auf seinen Hinterbeinen sitzen und beobachtete jede noch so kleine Bewegung. Auch ich hatte meine Augen fest auf ihn gerichtet und wagte erneut Schritte. Ich umkreiste ihn, langsam und behutsam, denn ich konnte nie wissen. Selbst wenn er sich jetzt ruhig verhalten hatte, konnte er mich jederzeit überwältigen.

Ich konnte ihn noch zwei weitere Male umrunden bis ich mich vor ihm ins Gras fallen ließ und schwer ausatmete. Ich hatte seine Verhaltensweise kopiert und ihn nachgemacht, dass schien ihn ein wenig zu belustigen. Jetzt jedoch wirkte er verwirrt und wusste nicht so ganz wie er auf mich reagieren sollte.

Es war äußerst erstaunlich, wie er verschiedenste Gefühle und Emotionen durch Laute oder Bewegungen oder leichte Ansätze der Mimik verdeutlichte. Er schien wirklich mehr als nur eines der Waldbewohner zu sein.

Nachdem ich sein verwundertes Gesicht gesehen hatte und mich fragte ob das Einbildung war und überhaupt möglich, musste ich anfangen zu kichern. Ich saß doch tatsächlich vor einem Beast und verständigte mich mit ihm. Das würde mir niemand im Dorf glauben nicht einmal meine Eltern, selbst ich konnte das nicht Mal ganz fassen. Das war alles so surreal.

„Und was jetzt?“ fragte ich noch immer kichernd.

Fast so als würde er antworten, ließ er sich auf seine Vorderpfoten sinken, kreuzte diese und legte seinen großen Kopf auf seine vorderen Beine. Er schloss halb die Augen und schnurrte leise. Dieses Monster schien sich in meiner Gegenwart zu entspannen, es wurde immer verrückter in meiner Welt.

Doch plötzlich wurde dieser Moment der Stille unterbrochen und einer der Männer, die zur Verstärkung mitgekommen waren, näherte sich unserer 'Wiese'.

„Evelyn!!!“ rief er laut und ich konnte hören wie es im Unterholz knackte und er immer näher kam.

Das Beast war mit einem Ruck aufgestanden, versperrte mir die Sicht zum Wald hin und knurrte in Richtung des Mannes. Anscheinend war er nicht sehr erfreut über die Ruhestörung. Und wenn ich ehrlich sein musste war ich das auch nicht. Aber es war besser so. Deswegen stand ich ebenfalls auf und wollte auf den Mann zulaufen, es würde nur zu einem unnötigen Kampf ausarten, wenn die Beiden sich trafen und so entschloss ich mich ihn geheim zu halten.

Doch mit dieser Entscheidung schien er nicht ganz einverstanden. Funkelnd knurrte er nun auch mich an.

„Ist ja gut, dir wird niemand etwas tun und damit es so bleibt muss ich jetzt los. Es war... unglaublich...“ ich stockte kurz und sah dem Monstrum tief in die Augen. „dich kennen zu lernen, aber alles hat ein Ende.“ ich nickte zum Abschied und trauerte schon jetzt über diese tragisch endende Fantasie.

Es musste einfach eine Fantasie sein, anders konnte ich mir das Verhalten dieses schwarzen Ungeheuers nicht erklären. Jeder war angefallen worden, sobald er über die Grenze geschritten war. Diese Beasts akzeptierten uns Menschen nicht und so lehrten sie uns das Fürchten. Außerdem gab es keinen vernünftigen Grund warum er ausgerechnet mich verschonen sollte. Vielleicht war das auch nur eine Strategie gewesen, um mich erst zu fangen und dann später grausam umzulegen. Bestimmt hatte er seinen Spaß dabei mich zu quälen... doch eigentlich machte das keinen Sinn.

Dem, was ich begegnet war, war kein Monster oder Ungestüm. Es war ein fühlendes Wesen gewesen, dass genauso neugierig wie ich versuchte etwas Neues zu entdecken.

Es schien als sei er genauso ein schwarzes Schaf wie ich und würde den Regeln der Anderen strotzen, würde ihnen widersprechen und sie brechen. Das machte ihn ein Stück weit sympathisch.

 

„Hey...“ ich war fast am dichten Wald angelangt, da drehte ich mich noch einmal zu ihm um.

„Ich nenne dich Shadow. Du bist schwarz wie die Nacht und schnell wie der Wind. Im Wald verschwindest du und wirst verschluckt... du passt dich an die Dunkelheit an und heftest dich an deine Umgebung wie ein Schatten. Ich bin mir sicher, dass du mich das letzte Mal verfolgt hast... du warst wie ein schwarzer Schatten der unausweichlich nach dem Licht greifen wollte...“

„Evelyn!!!“ wieder ein Ruf nach mir. Ich drehte mich um und wollte meinem 'Retter' schon entgegen laufen, um ihn von dem Beast abzulenken, da hörte ich nur wenige leise Schritte ein düsteres Schnauben und von einem Moment auf den anderen lag ich auf etwas schwarzem Weichen und krallte mich darin fest.

Es war sein Fell was mich weich bettete und an dem ich meine Finger fest verkrampfte, um nicht herunter zu fallen. Shadow hatte mich behutsam mit seinem Maul gepackt und auf seinen Rücken befördert, ein weiteres Knurren an den Mann gerichtet und war mit schnellen Sprüngen von der 'Wiese' verschwunden. Geschickt schlängelte er sich durch die Bäume und sprang vorsichtig über Büsche. Ich bemerkte, dass er Rücksicht auf mich nahm und immer ein Ohr hinten hatte, um zu wissen wie es mir ging und ob ich noch da war.

Es war als hätte er mich entführt. Ein Beast, schwarz wie die Nacht und groß wie ein Pferdegespann. Wir hatten keinerlei Verbindung und doch musste ich mich nicht fürchten noch Angst vor dem Verlust meines Lebens haben. Dieses Monster wollte etwas von mir und egal was es war, es brauchte mich lebendig.

 

Wir rannten eine Weile durch die eng gewachsenen Bäume und ich verlor jegliches Zeitgefühl. Es hatte mittlerweile schon zur Abenddämmerung angebrochen und die Sonne näherte sich in goldenen Farben dem Horizont. Aber nicht nur die Zeit auch den Ort konnte ich nicht mehr erkennen.

Schon als ich auf der Wiese gestanden hatte, konnte ich nicht sagen, ob ich auf den kleinen Pfad zurück gefunden hätte, doch nun hatte Shadow mich noch tiefer in sein Revier gebracht und ich war ihm hilflos ausgeliefert. Er war mir in allem Überlegen und das wusste er auch.

Wir hielten bald an und steuerten langsam auf eine Art Höhle zu, ein Unterschlupf für die Nacht. Ich hatte zwar eigentlich nicht geplant in diesem dunklen unbekannten Wald zu übernachten, aber etwas anderes blieb mir nicht übrig. Ich konnte hier nichts ohne Hilfe dieses flauschigen schwarzen Beasts herausfinden, obwohl ich einen ausgezeichneten Orientierungssinn hatte. Wahrscheinlich war er deshalb so tief in das Unterholz eingedrungen, damit ich ihm auf keinem Fall davon laufen konnte. Was sowieso nicht möglich war, da er hier sicherlich jede Ecke kannte und mich mit seinen Supersinnen schneller gefunden hätte, als ich überhaupt einen Schritt tun konnte.

Shadow ließ mich von seinem Rücken absteigen, umrundete mich wieder einige Male bis er mich in die Höhle stupste, sich zusammenrollte und mich zu sich in das flauschig weiche Fell zog. Ich kuschelte mit ihm, auch wenn mir das nicht ganz geheuer war, als ich einmal versucht hatte mich zu bewegen beziehungsweise mit etwas Abstand von ihm zu schlafen, hatte er mich sofort wieder an meinem Kleid zurück gezerrt und eine Pfote über mich gelegt, um zu garantieren das ich ihm nicht weglaufen konnte.

„Hey wieso? Was soll das? Wieso hast du mich mitgenommen?“ fragte ich verunsichert. Doch er knurrte nur und rollte sich kleiner – schloss mich dadurch noch tiefer ein – in sich zusammen.

„Aaalles klar, hier ist jemand sehr besitzergreifend und will sein Spielzeug nicht gehen lassen.“ scherzte ich müde. Ich bekam nur noch mit wie er mich mit seinen Augen anfunkelte und spielerisch vorsichtig an meinen Haaren zog. Es fühlte sich fast so an, als wäre er mein überdimensional großes Kuscheltier und mit diesem Gedanken schaffte ich es, in einen tiefen Schlaf zu verfallen.

10. Kapitel (mein Kuscheltier? - Schwert gegen Zähne)

Am frühen Morgen wachte ich auf, leises Vogelgezwitscher und weiße, kalte Sonnenstrahlen kitzeln mich aus dem Schlaf. Doch als ich mich räkeln wollte und ertastete, warum mein Bett so uneben war, bemerkte ich das ich auf etwas anderem schlief als gewöhnlich. Es war warm und weich, bewegte sich in langsamen ruhigen Zügen und fühlte sich ungewöhnlich fremd an.

Was war das?

Ich blinzelte mit den Lidern und versuchte in meiner verschommenen Sicht Klarheit zu schaffen. Meine Augen gewöhnten sich schnell an die Lichtverhältnisse und offenbarten mir einen großen Schock. Ein Beast strarrte mich aus großen Augen an und musterte mich ebenfalls noch etwas verschlafen.

Daraufhin wollte ich aufspringen und weglaufen, schreien oder irgendetwas dergleichen, doch etwas schweres hielt mich davon ab. Erst jetzt bemerkte ich, dass es eine Pfote über mich gelegt hatte, die mir in der Nacht als Decke gedient hatte. Ich konnte nicht weglaufen und wusste nicht einmal, wieso ich mich in einer solch brisanten Lage befand.

„Was ist passiert?“ nuschelte ich schlaftrunken und versuchte eine logische Erklärung für all das hier zu finden. Schlief ich vielleicht doch noch? Träumte ich?

Das Monster neben mir schnaubte nur und schloss die Augen. Anscheinend hatte er nicht den geringsten Zweifel, dass ich keine Fluchtversuche unternehmen würde. Ich konnte nur nicht nachvollziehen warum?

Ich ließ mich zurück in sein flauschiges Fell fallen und dachte über meine jetzige Situation nach und über das, was gestern passiert sein könnte. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen: wir waren mit dem Oberhaupt über die Grenze gegangen und ich hatte mich abgekapselt, war auf Shadow getroffen und als einer der Männer nach mir gesucht hatte, hatte er mich einfach mitgenommen. Dann war ich hier eingeschlafen ohne Furcht vor diesem Ungeheuer.

Was mich jedoch noch mehr überraschte war, dass ich noch immer keinen Funken von Angst verspürte. Dieser riesige Wolf gab mir irgendwie ein Gefühl von Sicherheit, als würde mich jemand in seinen starken Armen festhalten und umarmen.

„Mist....!!!“ fluchte ich und versuchte erneut aufzustehen. Doch Shadow bewegte sich keinen Millimeter und schien auch keine Anzeichen zu geben, ob er sich in näherer Zeit rühren würde.

„Bitte... bring mich wieder zurück. Sie machen sich alle sicher schlimme Sorgen um mich.“ flehte ich und krallte mich in sein Fell. Er öffnete die Augen und knurrte mich vorwurfsvoll an, vielleicht war er ein Langschläfer?!

„Jetzt sei nicht so launisch und bring mich bitte wieder nach Hause.“ doch anstatt aufzustehen und los zu laufen, drehte er nur seinen Kopf weg und schnurrte weiter vor sich hin.

„Hey du kleiner Egoist, ich find ja schön wie anhänglich du bist, aber du solltest nicht vergessen wer du bist. Und vor allem, wer ich bin. Wir sind eigentlich Feinde, du müsstest mich zerfleischen oder sonst was mit mir anstellen und mein Dorf überfallen. Wieso bist du so auf Kuschel-Tour?“ er drehte verschlafen seinen Kopf zu mir stupste mich an und schloss, wieder nur ein Knurren als Antwort, die Augen.

„Komm schon du Riesenvieh, ich muss wieder ins Dorf und zwar schnell...!“ genervt bewegte er sich langsam. Erst nahm er die Pfote von mir und dann, als ich aufgestanden war, stemmte er sich ebenfalls hoch. Er schüttelte sich und streckte sich, wie ein Hund es tun würde. Gemächlich schlich er wieder um mich herum.

„Du bist komisch...“ stellte ich kichernd fest und funkelte ihn an und er zurück.

„Wenn du mich jetzt wieder nach Hause bringst, verspreche ich dir, dass ich wiederkommen werde. Wenn du es willst...“ nachdem ich das gesagt hatte schwang er mich ohne Umschweife auf seinen Rücken und lief im Schneckentempo los. Mein Angebot schien für ihn ein akzeptabler Kompromiss zu sein, trotzdem ließ er es sich nicht nehmen noch so viel Zeit wie nötig mit mir zu verbringen.

 

Ich saß, gefühlt den ganzen Tag auf seinem weich gepolsterten Rücken und musste über mich ergehen lassen, wie er erst nach Essen suchte und dann einen Umweg nahm, um seinen Kumpel nicht aufzufallen.

Die Sonne stand hoch am Himmel, als wir auf den kleinen Pfad gelangten, auf dem ich zuvor mit den anderen Freiwilligen gewandert war. Ich hörte bereits Stimmen die meinen Namen riefen und sich durch die dichten grünen Zweige kämpften. Aus Reflex duckte ich mich, krallte mich noch tiefer in das Fell meines Entführers und versuchte mich genauso unsichtbar zu machen wie er.

Ich konnte nur ein tiefes verärgertes Knurren wahrnehmen, seinerseits, und reimte mir zusammen, dass auch er sich den Abschied anders vorgestellt hatte. Flink, wachsam und vorsichtig arbeitete er sich nach vorne vor. Er schlängelte sich geschmeidig durch die dunklen großen Bäume und schaffte es an den Suchenden vorbei ohne bemerkt zu werden.

Mein Herz klopfte auf einmal wild und ich begann zu zittern. Zweifel stiegen in mir hoch und Sorge. Was würden meine Eltern sagen, was sollte ich ihnen sagen?

Ich konnte ihnen unmöglich erklären das ein Beast mich entführt, aber mir nichts getan hatte. Sie würden mich vielleicht sogar als Hexe im Dorf abstempeln und als Opfer ausliefern. Auch wenn ich mir sicher war, dass meine Eltern dies nie zulassen würden, konnte ich soetwas unmöglich erzählen. Auch das Beast wäre in Gefahr, ich musste mich erst umhören wie viele schon eines gesehen hatten und es auch beschreiben konnten. Vielleicht stimmte ihre Sicht mit meiner überein, dann konnte ich vielleicht einen Teil erzählen.

Aber die ganze Wahrheit müsste ich verschleiern! Hinter einem dicken Vorhang von Lügen und Verrat...

Mein Brustkorb zog sich schmerzhaft zusammen bei diesen Gedanken und ich hoffte inständig nicht viel erzählen zu müssen. Ich wollte niemanden anlügen oder verletzten wenn die Wahrheit ans Licht kommt. Wieso war ich überhaupt widerstandslos gefolgt? Wieso hatte ich keine Angst wie Celia gehabt und war im Dorf geblieben? Wieso musste es ausgerechnet mir passieren?

Mir... diejenige die immer von Freiheit und Neugier sprach. Ich hatte meiner besten Freundin sogar ins Gesicht gesagt, dass ich einem Beast gegenüberstehen wollte.

Mein sorgenvoller Gedankengang wurde durch Unruhen unterbrochen. Shadow hatte angefangen zu rennen und schoss wie eine Sternschnuppe am Himmel, durch die Bäume. Unerbittlich rannte er auf die Grenze zu und ich fragte mich, wieso er es auf einmal so eilig hatte. Doch als ich bemerkte das wir von Stammesmitgliedern verfolgt wurden, erübrigte sich die Frage.

„Ruhig... ruhig. Sie werden dir nichts tun, wenn du mich jetzt hier absetzt. Von diesem Punkt an werde ich es allein schaffen. Also verzieh dich lieber.“ doch anstatt mich runter zu lassen und seiner Wege zu gehen, stoppte er nur. Shadow drehte sich zu den Männern um und fauchte sie kampflustig an.

„Lass mich runter... bitte. Sie werden dir weh tun!“ flehte ich und versuchte nicht noch einmal in Panik auszubrechen.

Und er legte sich endlich hin, damit ich absteigen konnte. Ich krauelte ihm das Ohr, um ihm meinen Dank auszusprechen. Er gab einen zufriedenen laut von sich und drehte seinen Kopf zu mir. Wieder sah er mich mit diesem niedlichen Hundeblick an und machte es mir schwer ihn jetzt zu verlassen. Irgendetwas fast schon magisches hatte er an sich, dass mich faszinierte.

Er stupste mich vorsichtig mit seiner Nase an und drängte mich auf die Grenze zu. Ich nickte dankend und schlich langsam und bedacht auf sie zu. Ich wollte nicht riskieren gehört zu werden und raffte sogar mein Kleid hoch um zu verhindern, dass ich damit irgendwo hängen blieb.

Ich war noch nicht weit gekommen, da hörte ich laute Schreie und wildes Knurren. Mein erster Gedanke galt Shadow und das ich sofort zurück musste. Doch konnte ich mich unmöglich vor ihn stellen und ihn beschützen noch irgendetwas anderes. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich hinter einem großen Eichenbaum versteckt zu halten und das Spektakel zu verfolgen.

 

Sechs Männer aus meinem Dorf, darunter Osprant, hatten das schwarze Beast umzingelt und richteten Messer, Schwerter und Sperre auf seinen Leib. Mit zurückgelegten Ohren, einer Angriffshaltung und tiefem Fauchen, musterte Shadow jeden Einzelnen. Er überragte sie alle um mindestens einen Meter und baute sich gefährlich und bedrohlich vor ihnen auf.

Ich konnte in jedem der Gesichter Furcht und Angst erkennen und wusste genau, würde Osprant nicht anwesend sein, so würden sie alle schreiend davon laufen und um ihr Leben zittern. Doch mit dem Oberhaupt voran waren sie gezwungen dem Schrecken ins Auge zu blicken und mit schlotternden Knie die Waffe auf dieses Beast zu richten.

Osprant gab Befehle ihn zu umzingeln, doch als wenn Shadow das verstanden hätte was sie vorhatten, schaffte er es das niemand sich um ihn herum traute. Also änderten sie die Strategie, sie gingen alle auf einmal von vorn auf ihn los. Auch wenn es riskanter war und die Chance das er sie verletzte um einiges höher, zeigten sie den Willen zu gewinnen.

Doch das Beast schien nicht abgeneigt von einem Kampf und überwältigte bereits die Ersten, die sich in seiner Nähe befanden. Mit den Pfoten schlug er sie zu Boden und hielt sie dort fest bis sie keine Luft mehr bekamen und ohnmächtig wurden. Ein zufriedenes fauchen entrang seiner Kehle und kurze Zeit später lagen auch schon die nächsten zwei mit Schmerz verzerrtem Gesicht am Boden und krümmten sich unter den Qualen die sie erlitten hatten durch den heftigen Sturz. Nun waren es nur noch zwei. Osprant und einer seiner Männer.

Beide richteten ihre Schwerter auf den Kopf und griffen ihn von zwei Seiten an. Die ganze Angelegenheit spitzte sich dramatisch zu und Shadow schien ein wenig überfordert zu sein, zumindest setzte er sich nicht zur Wehr und ließ die beiden bis auf wenige Meter an ihn herantreten.

Mein Herz klopfte wie wild und war im Begriff, mir aus dem Brustkorb zu springen. Würde er es schaffen, würden Männer sterben? Und das alles nur weil ich mit einem Ungeheuer gekuschelt habe!

Es schien ausweglos, Osprant hatte sein Schwert nun nicht mehr auf den Kopf, sondern auf das Herz des riesigen Tieres gerichtet und rannte schreiend los. Der andere Mann versuchte das Beast abzulenken, was funktionierte denn Shadow hatte sein Schwert zwischen den Zähnen und war dabei unserem Oberhaupt den Rücken zu zukehren und ihm damit die optimale Chance zu geben zuzustechen.

Nun hielt mich nichts mehr auf, ich konnte nicht zulassen, dass ein solches Tier unserer Angst zum Opfer fallen würde. Er hatte mich „gerettet“, mich in seine Welt mitgenommen und mir bewiesen, dass alles was wir über sie wussten falsch war. Er war nicht das Beast was alle behaupteten, er war liebevoll.

Ich rannte ein Stück um die Szene herum, sodass ich Shadow gegenüberstand und mich auf der Seite der gefallenen Männer befand. Dann trat ich aus dem Gebüsch hervor und schrie so laut ich konnte.

„Endlich habe ich euch gefunden.“ ich nahm all mein schauspielerisches Talent zusammen und versuchte möglichst überrascht und verwirrt zu wirken.

Mein Plan funktionierte, alle Augenpaare richteten sich auf mich und für den Bruchtteil einer Sekunde wurden alle abgelenkt. Am schnellsten jedoch reagierte Shadow der mich wütend anknurrte und dann in den Wald verschwand. Ohne noch jemanden zu beachten war er schnell im Gebüsch untergetaucht und ließ die verdutzten Männer stehen.

„Evelyn.“ rief Osprant überrascht und endlich erwacht aus seiner Schockstarre. Ich sah ihm an, daas er etwas grimmig über den Zeitpunkt meines Auftauchens nachdachte, aber schlussendlich froh war das es mir gut ging.

„Du hast ja keine Ahnung, was für Sorgen du deinen Eltern, mit deinem Verschwinden bereitet hast.“ er trat auf mich zu, ließ sein bleiernes Schwert in die Scheide und nahm mich in seine kräftigen Arme.

„Ich bin überglücklich euch endlich gefunden zu haben. Die halbe Nacht habe ich damit verbracht den Weg wiederzufinden oder irgendjemanden. Doch wahrscheinlich hat mich das nur noch tiefer in den Wald gebracht.“ schluchzte ich und hasste mich dafür jetzt mit den Lügen anzufangen.

Das würde ein schwieriger Tag werden und nicht nur das, spätestens heute würde ich kein Teil des Dorfes mehr sein. Ich werde von nun an eine Lügnerin sein und nie mehr offen zu anderen sprechen können.

Ein steiniger Weg steht mir bevor nur wegen einer einzigen Begegnung.

11. Kapitel (Tränen - in den Armen eines Wildfremden)

Ich war sofort ins Dorf eskortiert worden und dort empfingen mich bereits meine besorgten Eltern, Freunde und alle die sonst noch in Verbindung mit mir standen. Sie alle wollten mich in die Arme nehmen und jeder stellte die gleiche Frage: „Geht es dir gut? Ist dir auch nichts passiert?“

und jedes Mal antwortete ich mit dem Satz: „Mir ist zum Glück nichts passiert, nur die Nacht war etwas kalt.“ Worte aus denen die Lüge nur so herausquoll. Doch niemand schien genaueres wissen zu wollen, nicht einmal meine Eltern.

Als wir abends am Tisch saßen starrten sie mich erst eine Weile an und dann erzählten sie wie lange sie gesucht hatten und wie schrecklich ihre Nacht gewesen war, da sie nicht hatten schlafen gehen können. Doch wie es mir ergangen war, wie ich im Gebiet der Beast überlebt hatte ohne angefallen worden zu sein, spielte keine Rolle.

Ich war froh ihnen nicht mehr als nötig erzählen zu müssen und trotzdem hatte ich mir mehr vorgestellt. Mehr Freude, mehr Erleichterung und mehr Fragen... ich war ihre noch einzig, lebende Tochter und sie fragten nicht wie es mir ergangen war.

Vielleicht war es auch nur einfach die übergroße Erleichterung mich wieder in Sicherheit zu wissen und die Angst es hätte schlimmer kommen können, die sie davon abhielten mir jede Einzelheit aus der Nase zu ziehen.

 

Abends saß ich in meinem Zimmer und ließ den Tag Revue passieren. Ich hatte vieles und großartiges erlebt und gesehen. Die hinreißende Natur mit ihrer Vielfalt an Flora und Fauna. Aber auch ein majestätisches wildes Wesen, dass alles andere als blutrünstig war.

Er hatte mich wie magisch verzaubert und schon jetzt wollte ich ihn wieder sehen. Ich wollte das er mich tiefer in den Wald brachte, mir mehr und mehr von der Welt zeigte, seiner Welt. Ich wollte entdecken, meiner Neugier endlich Nahrung verschaffen und frei sein, die Regeln brechen.

Obwohl ich das in dem Augenblick getan hatte, als ich mich entschlossen hatte einem Beast zu begegnen. Es wurde nur in die Tat umgesetzt, als ich vom vorgegebenen Weg abgegangen war. Ich hatte mich widersetzt jeglichen Regeln, Vorschriften, dem Oberhaupt, meiner Lehrerin und nicht zuletzt auch meiner Freundin und meinen Eltern. Doch ich verspürte keine Reue, ich hatte kein schlechtes Gewissen und keine Träne rollte bei diesen Gedanken über meine Wangen.

Die Tränen kamen als ich darüber nachdachte wie mein Leben von nun an verlaufen würde. Darauf hatte ich keine Lust und noch weniger wollte ich alle enttäuschen, aber in meinem Herzen trug ich den Wunsch der Freiheit, schon seit ich ein Kleinkind war, mit mir herum. Vielleicht war es an der Zeit hier auszubrechen, aus meinem Gefängnis und mir diesem Traum zu erfüllen, auch wenn ich dabei alles verlor.

Dicke Kullertränen verließen meine roten Augen und ich begann mich doch noch in den Schlaf zu weinen. Denn mein Herz war schwer.

 

Ich hörte ein Knacken, aber nahm es nur mit halben Ohr wahr, ich war viel zu sehr in meine schlechten Gedanken vertieft, sodass ich nicht bemerkte wie jemand leise und wie ein Schatten mein Zimmer, durch das Fenster, betrat. Erst als sich die nachtschwarze Gestalt über mich beugte und leise und verführerisch meinen Namen flüsterte, schreckte ich hoch. Mit großen angsterfüllten Augen versuchte ich zu begreifen wer vor mir stand. Mein klopfendes Herz wurde erst beruhigt als ich erkannte das es nur Adam war, der mit seinem langen schwarzen Umhang über einen Baum in meinen Raum geklettert war. „Wie fühlst du dich?“ fragte er und setzte sich zu mir.

Erleichtert atmete ich aus und entspannte mich wieder etwas.

„Ich bin... durcheinander.“ stotterte ich.

Er schüttelte den Kopf: „Das mein ich nicht. Wie fühlst du dich, nachdem du die Regeln gebrochen hast?“ verwundert musterte ich seine dunkle Gestalt.

„Gut. Befreit. Aber auch traurig. Mein Leben wird nie wieder so sein wie bevor.“ er nickte. „Alles hat seinen Preis.“ er setzte die Kapuze ab und drückte mir einen unerwarteten zarten Kuss auf die Stirn.

„Hey...“ beschwerte ich mich.

Doch er grinste mich nur triumphierend an, schüttelte seine Haare und sagte unbeteiligt: „Bezahlung.“

Ich boxte ihn mit der Faust in die Seite und setzte mich näher zu ihm, er hatte mein Vertrauen gewonnen. Obwohl ich ihn nicht kannte, nichts von ihm wusste und er ein Fremder war.

Ich genoss seine Gegenwart, denn ich musste mich nicht verstecken, nicht lügen und keine Maske aufsetzten. Ich konnte sein wie ich war, denn er wusste einfach alles von mir.

Nach einer Weile der Stille, fragte er mit seiner tiefen sanften Stimme: „Darf ich dich entführen?“ ich zog nur eine Augenbraue fragend hoch.

„Würdest du mit mir kommen?“ wiederholte er sich.

Doch ich verneinte. „Wieso? Wieso fragst du das?“ er gab mir keine AnTwort. Also fing ich an zu erzählen: „Ich könnte meine Eltern nie im Stich lassen, sie haben schon mal eine schwere Zeit durchgemacht und ich möchte ihnen nicht noch einmal, eine solche Last aufdrücken. Daran würden sie zerbrechen. Und Celia... ich würde sie sehr vermissen.“

„Deine Eltern sind darauf vorbereitet das du sie eines Tages verlässt.“

„Woher willst du das wissen?“ fragte ich zickig. Wie konnte er nur behaupten, er wüsste, was in meinen Eltern vorgeht!?!

„Du bist anders. Das rieche ich und das riechen auch sie!“ flüsterte er, kam mir nahe und schnupperte an meinem Haar.

„Wer ist sie? Wieso redest du so komisch?“

Er drängte mich zurück und drückte mich mit seinem Körper in die Matratze.

„Die anderen, wenn ich nicht schneller bin, nehmen sie dich mir weg.“ er sah mich durch seine tief grünen Augen an und fixierte meinen Blick.

„Was?“ ich verstand nichts mehr. Doch sein besitzergreifender Blick, seine Hände und seine Stimme machten deutlich, dass er mich bereits als sein Eigentum betrachtete.

Adam strich mit seiner Nase durch mein Haar, küsste einzelne Strähnen und durchkämmte es sanft mit seinen Fingern. Dann strichen seine weichen Lippen über meine Stirn und Wangen und machten halt bei den Meinen. Er berührte sie nicht, aber es trennten uns nur wenige Millimeter.

Immer wieder hörte ich, wie er mit seiner verführerischen Stimme: „Meins! Du gehörst mir!“ flüsterte.

Seine Hände flogen über meine erhitzte Haut und sein Körper drängte sich immer näher an meinen. Seine Haare kitzelten mein Gesicht und brachten mein Herz dazu laut und unaufhaltsam schneller zu schlagen. Auf meinen Armen bildete sich ein Gänsehaut und als er in mein Ohr flüsterte machte er mich fast wahnsinnig.

„Adam...“ keuchte ich und versuchte meinen Körper und meine Gedanken wieder unter Kontrolle zu bringen. Doch er unterdrückte jeden Widerstandsversuch. Er knabberte an meinem Ohrläppchen und seine Hände ergriffen, nach und nach, immer mehr von mir Besitz. Ein letztes Mal hörte ich wie er meinen Namen flüsterte: „Evelyn. Du gehörst nur mir allein!“ dann knurrte er und senkte seinen Mund auf meinen. Verführerisch massierte er meine Lippen und brachte mich um den Verstand. Jeder meiner kläglichen Versuche ihn abzuhalten war gescheitert und ich gab es auf mich zu wehren. Zufrieden hörte ich erneut einen tiefen dunklen knurrenden Ton seiner Kehle entweichen.

Als ich meinen Mund öffnete, um meiner Atemnot ein Ende zu bereiten, verschwand seine Zunge in ihm. Er entlockte mir ein erregtes Stöhnen, als sie meine zu einem Tanz herausforderte. Seine kalten Hände glitten immer noch über jeden Zentimeter meiner prickelnden Haut und immer mehr und mehr zogen mich seine grünen leuchtenden Augen in seinen Bahn.

Bis ich mich fallen ließ, meine Lider zufielen und ich seine Berührungen einfach nur genoss, die Gefühle die in mir aufwallten erlebte und mich ihm hingab.

Aus einem zarten sanften Kuss wurde schnell ein wildes Züngeln und er verschlang mich mit allem was er hatte. Eine Hand krallte er in mein Haar und zog meinen Kopf in den Nacken, die andere lag an meinen Hüften und drückte mich noch näher zu ihm. Ich musste ein Hohlkreuz machen und meinen Rücken durch biegen. Ich spürte seine harten Muskeln und versuchte mir ins Bewusstsein zu rufen, was wir gerade taten.

Wie von einer Biene gestochen sprang er auf und durchbrach den intimen Moment. „Adam...?“ fragte ich noch völlig durch den Wind. Er lief zu meinem Fenster und ich hörte es ganz leise rascheln.

„Sie sind bereits da.“ murmelte er und erneut fragte ich: „Adam? Was ist los?“ er schloss das Fenster.

Immer noch in Gedanken kam er wieder auf mich zu und fixierte mich mit einem ungeheuerlichen Blick. Ich war mir sicher das etwas nicht stimmte, jedoch wusste ich absolut nicht was es war. Ich wusste sowieso nichts über ihn, geschweige denn warum er sich so komisch benahm. Er steuerte immer noch auf mich zu, mit langsamen erhabenen Schritten und seinem nachtschwarzen Umhang mit dem er alles verschlang und verdeckte was sich ihm in den Weg stellte.

„Shadow...“ huschte es über meine Lippen, wie ein Windhauch. Erschrocken über mich selbst, hoffte ich, dass er es nicht gehört hätte. Es war eigentlich unmöglich, schließlich war es so leise gewesen, ja fast schon nur in meinen Gedanken. Doch ein süffisantes Grinsen breitete sich auf seinem unverschämt gutaussehenden Gesichtes aus und er beugte sich wieder nah zu mir.

„Wie hast du mich genannt?“ fragte er so dicht an meinem Ohr, dass ich seinen heißen Atem spüren konnte.

„Nichts... ich hab nichts gesagt.“ stammelte ich und versuchte, den Grund dafür wusste ich nicht einmal, einen Ausweg zu finden.

„Was war das? Was ist gerade los gewesen?“ fragte ich nun. Und war stolz auf mich auf diese Lösung gekommen zu sein, obwohl mein Hirn schon wieder aus Matsch bestand, weil er mich verrückt machte mit seiner Nähe. Und das wusste er nur zu gut und nutzte das bis zu den Grenzen aus.

„Ach, nur ein paar Typen die mich suchen.“ erwähnte er so beiläufig wie möglich. Aber meine Neugier quälte nicht nur mich, sondern auch ihn. Ich verschränkte meine Arme trotzig vor der Brust, setzte mich in einen Schneidersitz mit genügend Abstand zu ihm und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an.

„Wer? Was wollen sie?“ bohrte ich weiter nach.

Aber wieder bekam ich nur ein Lächeln.

„Adam!“ holte ich ihn aus seinen Gedanken.

„Hmmm?“

„Man, ich habe dich etwas gefragt...!?!“ gab ich genervt zurück.

„Naja so ein paar Typen halt. Ist nicht so wichtig und geht dich nichts an.“

„Natürlich geht mich das was an. Schließlich muss ich Angst haben, dass sie unser Haus stürmen, wenn sie dich suchen und du hier bist.“ er ließ sich dicht neben mir auf mein Bett sinken.

„Keine Sorge ich werde dich beschützen.“ hauchte er verführerisch, doch ich nahm all meine Beherrschung zusammen, um dieses Gespräch nicht schon vorzeitig beenden zu müssen.

„Blödmann, ich mache mir keine Sorgen und schon gar nicht um mich oder dich, sondern um meine Eltern. Vielleicht solltest du besser gehen.“ sein Grinsen verwandelte sich zu einer Schnute als ich ihm offenbarte; dass er zu gehen hatte.

„Ach komm schon, jetzt wird es doch gerade wieder schön. Lass uns da weiter machen, wo wir vorhin aufhören mussten.“

Doch darauf hatte ich keine Lust. Nicht zuletzt, weil er wirklich gerade von diesen peinlichen Dingen sprach. Und das auch noch so, als wäre es das normalste der Welt. Aber für mich war es das nicht und so wie meine Mum es mir immer erzählt und beigebracht hatte wollte ich auf den Einen, den Richtigen warten. Sie hatte mir von diesen Sachen erzählt und davon, dass Jungs da sehr eigen waren, aber wir Frauen immer Mittel und Wege finden würden, um sie uns, wenn nötig, vom Leib zu halten. Nur hatte ich keine Ahnung, wie das im Moment funktionieren sollte. Schließlich schaffte dieser Fremde es mich total zu verwirren. Er war der Erste und Einzige, der mit einer kleinen Berührung oder leisen Worten, meine Haut zum Prickeln brachte. Er schaffte es das ich einfach nicht mehr nachdenken konnte, wenn wir uns näher kamen. Es war als hätte ich einen Kurzschluss in meinen gesamten Körper.

Das nervte mich, weil er mich damit vollkommen unter Kontrolle hatte.

„Vergiss es!“ murrte ich und drehte mich von ihm weg. Aber das reichte nicht, ich musste ihn loswerden. Sonst würde dieser Abend nicht so verlaufen wie er eigentlich sollte.

Dabei war er ja sowieso schon aus dem Ruder gelaufen.

Als ich gerade aufstehen wollte, packte Adam mich sanft am Handgelenk und zog mich zu sich zurück. Mithilfe seines Körpergewichtes drückte er mich in die Matratze und schlang sich mit allem was er so hatte, um mich. Seine Beine verschränkten sich mit meinen und sein Arm lag besitzergreifend um meinen Bauch und meine Hüfte, und ein Arm fasste an mein Kinn und meine Kehle und bog meinen Kopf zurück.

„Süße, es ist sowieso zu spät. Und jetzt schlaf endlich... du brauchst die Kraft für die nächsten Tage.“ er kuschelte sich noch enger an mich, wenn das überhaupt noch ging und benutzte seinen Umhang als Decke.

Es war warm und gemütlich und irgendwie bekannt. Ein wohliges Gefühl breitete sich in mir aus und ohne mein zu tun fielen mir die Augenlider zu und schon bald darauf war ich eingeschlafen. In den Armen eines wildfremden, den ich nicht kannte und der gefährlich war.

„Ich muss mich wohl noch gedulden... die Zeit ist noch nicht reif dich mitzunehmen. Aber ich werde dich langsam verführen und locken. Du wirst sehen... schon bald kommst du freiwillig mit mir.“ säuselte es in mein Ohr und das Letzte was ich mitbekam war der leichte Druck etwas Weichem. Vielleicht seinen Lippen auf meiner Stirn und meinen Lippen.

Doch ich versank viel zu schnell in einen tiefen traumlosen Schlaf, als das ich hätte ausmachen können was noch passierte.

12. Kapitel (In Gedanken - arroganter Vollidiot)

Als ich aufwachte, spürte ich noch die Nähe und Wärme eines Anderen. Doch die Bettseite neben mir war leer. Irgendwie fühlte ich mich einsam und es war einer der wenigen Momente in denen ich gern jemanden gehabt hätte der da gewesen wäre. Der mir gesagt hätte was ich tun soll und der so besitzergreifend war wie Adam.

Doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber nach zu sinnen, ob ich jetzt lieber allein oder zu zweit in meinem Zimmer hocken wollte. Das änderte nichts an der vorliegenden Situation.

Also raffte ich mich auf, so schwer es mir auch viel. Ich versuchte meine zerzausten Haare mit meinen Fingern zu bändigen, dann schwang ich meine müden Beine vom Bett und der harten, mit Baumwollstoff bezogenen, Matratze. Trotz meines Versuches die aufkommende Müdigkeit zu verdrängen und die Gedanken die mir immer wieder über den gestrigen Abend im Kopf herumschwirrten, schaffte ich es mich anzuziehen. Ein langes Baumwollkleid, es sah aus als wäre es in tief roten dunklen Wein getaucht worden und durch die Schnürung und weißen Einsätze an den Seiten wirkte es stimmig, elegant und locker zugleich. Auch wenn ich die längeren Kleider nicht sehr favorisierte, waren sie bei den vorherrschenden Temperaturen angebracht. Und meine Mutter versuchte mich sowieso, wann immer sie konnte, in ein langes, vornehmes Kleid zu stecken. Das war Teil ihrer Obsession von Heirat und Hausfrau.

Zu blöd nur das ich oft meinen Sturkopf durchsetzte oder heimlich Jungenkleidung oder kurze Kleider trug.

 

Es waren nun bereits einige Sonnen vergangen und Madam Neunmalklug unterwies uns jetzt schon eine ziemlich lange Zeit. Und dem Lernen war noch kein Ende abzusehen. Was für jeden meiner Mitschüler und mich inklusive eine Tortur sondergleichen darstellte, denn sie hatte uns versprochen, dass wir uns, nach dem Mittagsmahl, im See ein wenig abkühlen konnten.

Zu meinem Glück saß Celia neben mir und packte wieder mit Klatsch und Tratsch über das Dorf und alle möglichen Leute aus. Nicht nur ihre Mutter war immer auf dem laufenden, sondern auch sie wusste immer die neusten Informationen. Manchmal hatte ich das Gefühl sie war bei jedem dabei gewesen, so detailgetreu und schnell wie sie alles mitbekam. Doch ich muss hinzufügen das sie es auch versteht die Wahrheit zu verdrehen und ich bin mir mehr als sicher, dass sie deswegen eine gute Oberhauptfrau wird. Es ist wichtig Informationen weiterzugeben, aber die Art und Richtigkeit ist dabei umso entscheidender. Denn in diesem Dorf gab es nicht mehr, als den Buschfunk und sobald der etwas mitbekam wusste es das ganze Dorf. Ein Grund warum man vorsichtig sein musste was man Preis gab und wie man sich verhielt.

Nun zurück zu Celia und ihren Informationen. Sie hatte doch tatsächlich Pasco mit einen von den drei Tratschtanten erwischt. Die beiden hatten sich in der schmutzigen stinkenden Gasse abgeleckt und unbeholfen versucht etwas miteinander zu machen. Aber Celia meinte, es sei nicht mehr raus gekommen, als das sie ihn hatte abblitzen lassen mit den Worten: „Du bist ein dämlicher schlechter Küsser.“ dann hatte sie ihm wohl noch eine gescheuert und hatte einen dramatischen Abgang hingelegt.

Ich hatte nur mit einem Ohr gelauscht, das Andere hatte ich meinen eigenen Gedanken gewidmet. Sie kreisten sich hauptsächlich um die schönste Sache der Welt. Die ich noch immer nicht ganz verstand und fassen, konnte ich es auch nicht. Wie konnte er bloß einfach so draufgängerisch sein und mich küssen. Ich wusste absolut nichts über ihn, immer noch nicht und er konnte unmöglich etwas über mich wissen. Ich gebe zu er kennt meine Familie, aber mehr weiß er nicht von mir.

Er ist geheimnisvoll und versteckt sich hinter der Außenseiter-Fassade. Er lässt niemanden an sich ran, aber er hängt sich an alle anderen wie einen Schatten, er treibt sich überall im Dorf herum und bekommt das, was ich brauche. Vielleicht sollte ich ihn erpressen. Das erweist sich zwar als äußerst schwierig, da ich nichts in der Hand gegen ihn habe. Zumindest aber sollte ich seine Schwachstelle finden, um an das zu gelangen was er weiß.

Ich brauche jede Information die ich kriegen kann. Ich muss etwas über dieses Dorf herausfinden, erfahren warum wir von Mauern umgeben sind und wieso ein magischer Schutzwall errichtet wurde, wenn der doch die Beasts nicht abhält.

 

„Evelyn!“ holte mich eine tiefe sanfte Stimme aus meinen Gedanken. Ich sah mich um, konnte aber nur Celia entdecken. Sie sah mich verwundert an und krallte sich meinen Arm. Dann zog sie mich lachend hoch und wollte den Anderen hinterher spazieren.

„Was? Was ist los?“ fragte ich verdattert.

Ich sah wie Adam sich hämisch grinsend umdrehte und mir zuzwinkerte. Celia machte mit einer weiteren Klatschgeschichte auf sich aufmerksam, bis ich sie unterbrach, um meiner Verwunderung ein Ende zu bereiten.

„Celia... was ist los? Wo gehen wir hin?“

„Warst du wieder in Gedanken oder hast du wieder geträumt? Nein warte, du hast an den unbekannten schwarzen Umhangtyp gedacht oder?“ sie grinste mich breit an mit wissendem Gesichtsausdruck.

„Nein... ja... irgendwie... ich hab darüber nachgedacht wie und wo ich noch Informationen finde. Was machen wir jetzt?“ wir liefen weiter vom Dorf weg, aber nicht wie sonst auf den Wald zu. Es ging nach Süden und wenn ich mich recht erinnere auf den See zu.

Meine Schritte verschnellerten sich bei dem Gedanken, dass Madam Margrett uns die Versprochene Abkühlung wirklich gönnte. Wir liefen auf einem sandigen Weg entlang, der von den Pferdewagen schon eine deutliche Prägung erhalten hatte. Auf der rechten Seite befanden sich weite große ockerfarbene Acker mit Weizen und Gerstenähren. Auf der linken weideten gut beleibte Kühe und grasten oder dösten in der Mittagssonne. Vor uns liefen lachend und Späße treibend Mitschüler. Ausgelassen und voller Vorfreude rannten sie den Weg hinunter und auf den blauen kristallklaren See zu.

Kurz vor dem kleinen Strand trennten sich unsere Wege. Die Jungs nach rechts und die Mädchen nach links. Unsere Lehrerin ließ diese Idioten nur ungern allein, aber sie konnte nun mal nicht auf zwei aufpassen und da sie selbst, so vermuteten wir, eine Frau war, musste sie mit uns gehen.

Der See war von einem kleinen Wäldchen umrahmt und die hohen Kiefern und Nadelbäume spendeten uns kühlen Schatten. Das kristallklare blaue Wasser bewegte sich in kleinen ruhigen Wellen auf den hellen Strand zu. Der Sand war fein und sehr angenehm an den Füßen. Die ersten Mädchen stapften bereits in ihren Unterkleidern auf das kühle Nass zu.

Madam Margrett ging wie immer ein Stück in den Wald, nahm sich ein Buch und vertiefte sich in wissenschaftliches Gerede. Sie hatte schon seit langer Zeit nicht mehr aufgepasst was am See passierte. Denn schon früh hatten die Jungen begonnen zu uns zu schwimmen oder wir zu ihnen. Und da sie nicht die Autorität besaß, um uns geflissentlich auseinander zu halten, tat sie so als würde sie nichts wissen, sehen und bemerken.

Auch Celia und ich schlüpften aus unseren langen Gewändern und ließen sie am Anfang des kleinen Wäldchens liegen. Wir sprangen aufgeregt über den warmen Sand auf das Wasser zu und lachten ausgelassen. Es war so schön und angenehmen, die seichten Wellen, um die Beine spülen zu lassen. „Das ist so wunderbar!“ kicherte Celia und sah den anderen Mädchen zu, wie sie zu den Jungs schwammen.

Diese waren ebenfalls schon im herrlich kalten See und dessen Fluten verschwunden und lieferten sich eine Wasserschlacht. Die Jungen tollten herum und stuckten sich gegenseitig unter bis einer wirklich kurz vor dem Ertrinken war. Aber daraus lernen, taten sie nie.

Unsere Klassenkameradinnen waren mittlerweile bei ihnen angekommen und beteiligten sich an dem Geplansche. Es war als würde das Wasser eine magische Verbindung schaffen und all die Streitigkeiten und Uneinigkeiten, die man im Unterricht entwickelte, einfach weg spülen. Das Rivalendenken war zum Großteil ausgeschaltet und es ging nur um Spaß.

„Wollen wir auch hin schwimmen?“ fragte mich meine beste Freundin etwas schüchtern. Ich sah sie ermutigend an und lächelte: „Klar, wir schaffen das!“ sie nickte, drückte noch einmal meine Hand und stapfte mutig weiter in den See hinein. Ich folgte ihr und genoss wie das Wasser immer mehr meinem Körper umhüllte. Bis ich irgendwann bis auf den Kopf im Nass verschwunden war. Einige langsame Schwimmzüge und der Boden war unter den Füßen nicht mehr zu spüren. In der Mitte des Sees war es nicht möglich zu stehen, selbst für die Größten von uns. Es ging bis zu drei Meter in die Tiefe, trotzdem war der Grund nur mit Sand bedeckt. Aus einem unerklärlichen Grund wuchsen keine Pflanzen in diesem See, auch Fische gab es nicht. Nur Wasser und Sand. Deswegen konnte man trotzdem bis auf den Boden schauen und brauchte, so wie ich zum Beispiel, keine Angst haben etwas komisches zu berühren.

Celia war ein wenig hinter mir und kämpfte mit ihrer Angst. Als kleines Kind war sie einmal fast ertrunken und seitdem fiel es ihr deutlich schwerer zu schwimmen oder generell sich ins kühle Nass zu begeben. Doch tapfer versuchte sie mit mir mitzuhalten. Ich ließ mich ein wenig zurück fallen, um auf gleiche Höhe mit ihr zu gelangen.

„Ich habe mich heute morgen noch gewundert, warum ich mir das Leinenunterkleid heraus gelegt habe. Ohne nachzudenken hab ich es einfach angezogen.“ ich lachte.

„Jetzt weiß ich wieso...“

Celia sah zu mir und dankte mir mit einem Lächeln. Sie wusste, dass ich versuchte sie zu beruhigen und ihr Mut zu machen. Nach zwei Minuten hatten wir es endlich geschafft und die Anderen erreicht. Wir waren nicht die Ersten, aber auch nicht die Letzten die sich in das Getümmel stürzten. Einige Mädchen hatten den Jungen bereits die Augen verdreht und sie in den Wald gelockt. Andere hatte einfach nur ihren Spaß und unterhielten sich amüsiert.

Badezeit war auch immer eine Zeit in der alles erlaubt war. Da Madam Margrett sich nicht um uns scherte und uns machen ließ, war es die einzige Zeit in der wir tun und lassen konnten was wir wollten. Das wurde für viele Zwecke ausgenutzt.

Einer war sich mit dem anderen Geschlecht im Wald zu vergnügen. So mancher hatte in diesem Gestrüpp unanständige Dinge getan. Aber wir hatten auch schon anderen Spaß dort gehabt, wenn mal nicht jemand verschwunden war, um seine animalischen Bedürfnisse zu befriedigen hatten wir Spiele gespielt und genossen ohne Regeln und Erwachsene zu leben. Dieser Wald war klein und grenzte an weitere Getreide- und Weidefelder. Deshalb bestand keine Gefahr und wir konnten uns nach belieben bewegen. Doch hauptsächlich verbrachten wir unsere Zeit im See.

 

Einige Grüppchen hatten sich gebildet. Es gab Leute die trotz der Pärchen in den Wald gegangen waren, um die Natur zu erkunden, einige waren am Strand geblieben und andere vergnügten sich noch immer im Wasser.

So auch Pasco und seine Kumpel, die es auf Adam abgesehen hatten. Er war bis eben nicht einmal dem Wasser näher gekommen und war so ein einfaches Ziel. Sie ärgerten ihn und fingen an ihn auf das Wasser zu zu drängen. Weil er sich nicht wehrte, war er das perfekte Opfer. Und da er noch immer als Außenseiter galt und kaum Beachtung fand, kümmerte es keinen was mit ihm passierte.

Keinen außer mich!

Sie hatten meine Aufmerksamkeit gewonnen und zu Adams großen Nachteil, hatte Pasco verstanden, dass ich an dem Außenseiter interessiert war. Wahrscheinlich ärgerte er ihn deshalb umso mehr.

Celia war glücklich wieder Boden unter den Füßen zu spüren und gesellte sich zu den anderen Mädchen, die im Wasser genüsslich schwammen und das warme Wetter genossen. Sie tauschten den neusten Klatsch miteinander aus und informierten sich über die aktuellen Themen. Buschfunk halt.

Ich hatte mich den 4 Jungen zugewandt, die dem See immer näher kamen. Mittlerweile war auch ich fast aus dem Wasser gekommen und nur noch meine Füße und Fußknöchel standen in den seichten Wellen. Ich war mit Pasco, seinen Freunden und Adam auf einer Höhe. Das bemerkten Pasco und auch Adam, beide wandten ihre Blicke zu mir.

„Na... machst du der holden Maid schöne Augen?“ rief Pasco und schubste Adam weiter in Richtung Wasser. Dieser reagierte jedoch nicht und fixierte nur meinen Blick. Ich glaube er versuchte mir etwas zu sagen, doch ich konnte nicht deuten was.

„Zu schade nur das sie kein Interesse an dir hat.“ provozierte er ohne Unterlass.

„Na, hast du etwa die Sprache verloren?“

Ich wollte schon ansetzten etwas zu sagen, doch in diesem Augenblick landete Adam im See. Pasco hatte ihm einen kräftigen Stoß gegeben und Adam war in den Fluten verschwunden. Alle waren aufmerksam geworden und versammelten sich nun um die Szene.

Ich wusste nicht was ich tun sollte, konnte er schwimmen?

Leichte Panik machte sich in mir breit und ich hastete auf die Stelle zu, in der der Außenseiter untergegangen war. Ich machte mich bereit für das Tauchen und die schlimmsten Szenarien, doch Adam war bereits wieder aufgetaucht.

Alle staunten und raunten. Er jedoch warf seine Kapuze lässig zurück, schüttelte seine Haare und zog sich nun endgültig das langärmlige Schnürhemd über den Kopf. Erneut schüttelte er sich die Haare und warf mir ein Grinsen, so hell wie die Sonne, zu. Die Mädchen begannen zu kreischen und bekamen sich gar nicht mehr ein. Die Jungen standen baff am Strand und sagten nichts, sie warfen sich nur verwunderte Blicke zu.

Genauso wie ich nun Adam anstarrte.

„Was ist los Süße? Verschlage ich dir die Sprache?“ diese Frechheit verbitte ich mir, doch konnte ich absolut nicht kontern. Ich war ebenfalls erstaunt, dass er seine Fassade abgelegt hatte und sein, wer weiß ob das stimmte, wahres Ich zeigte. Es war als wäre er ein neuer Mensch, als hätte das Wasser den Außenseiter, den Unbeholfenen, den Tollpatschigen, den Loser weg gespült und ein cooler arroganter Vollidiot war daraus geworden.

„Wieso?“ war das Einzige, das ich hervorbrachte.

13. Kapitel (Beliebt - Lügennetz)

Es machte keinen Sinn. Er hätte seine Fassade aufrecht erhalten können und wäre durch diese Situation noch langweiliger und noch mehr Opfer gewesen. Doch er, aus welchem Grund auch immer, hatte sich nun offenbart. Und ich verstand einfach nicht wieso.

Das merkte er, denn ich starrte ihn immer noch total, durch den Wind und verwirrt, an.

„Süße, Mund zu sonst kommen die Fliegen rein oder soll ich ihn versiegeln. Denn wir wollen ja nicht...“ fing er an mich zu necken, dass passte zu ihm. Also zu dem Ich das ich kennengelernt hatte.

„Ich würde nicht so blöd gaffen, wenn nicht vor mir gerade der a...“ unterbrach ich ihn, jedoch kam ich nicht weit, denn auch er schnitt mir das Wort ab.

„Wenn nicht gerade vor dir der bestaussehendste, sexieste und cooleste Typ, der dir je begegnet ist, aus dem Wasser erschienen wäre. Richtig?“ beendete er meinen Satz und zog mich mit seinen starken Armen in seine Richtung. Erst jetzt begutachtete ich ihn nochmal richtig und mir fiel auf, dass er nicht nur ein attraktives Gesicht und markante Züge besaß, sondern zu allem übel auch noch ein umwerfend breites Kreuz und gut definierte Muskeln, die leicht angedeutet waren.

Den nächsten Satz brachte ich nur stotternd heraus, da ich verarbeiten musste was gerade vor mir stand.

„Nein, der... wäre mir sofort... ähm... aufgefallen. Ich wollte sagen... ja... äh... ein arroganter Vollidiot...“ mein Gehirn schien ein wenig langsam zu sein und meine Attacke kam mehr als ein Kompliment an, als eine Beleidigung. Aber wer konnte schon normal denken, wenn einen diese moosgrünen, undurchdringlichen Augen mit einem besitzergreifenden Blick fixierten.

Er kam mir ein Stück näher, sodass ich seinen Atmen an meinem Ohr spürte und wie er flüsterte: „Du solltest den Mund wirklich zumachen, sonst sabberst du noch.“ dann zwinkerte er mir zu und ließ mich einfach so betröppelt stehen. Ich wollte ihm einen bösen Kommentar hinterher werfen, leider hätte er diesen, jedoch nicht gehört denn sowohl Mädchen als auch Jungen hatten ihn umringt und stellten nun tausende von Fragen.

Celia war eine der Wenigen, die nicht gleich zu ihm stürmten, auch wenn ich ihren sehnsüchtigen Blich sah.

„Was ist gerade passiert?“ fragte sie mich, doch ich konnte nur mit den Schultern zucken.

„Ich habe absolut keine Ahnung.“ sie tätschelte mir die Schulter, lächelte noch einmal und gesellte sich dann ebenfalls zu ihm und ließ sich von seinen Lügen einspinnen.

Alle, Mädchen wie Jungen hatten sich wie eine Traube um ihn gesetzt und fragten unerbittlich tausende von Fragen, doch Adam ignorierte alle geflissentlich. Die einzige die er anhörte war Celia.

Auch sie löcherte ihn unentwegt.

„Wo kommst du wirklich her? Wieso hast du dich immer verdeckt gehalten?“

Kurz schweifte sein Blick zu mir und er zwang mich mit einem unerbittlichen Stechen mich ebenfalls zu setzen. Dann strich er sich mit einer betörenden Handbewegung die Haare aus dem Gesicht und nickte andächtig.

„Ich werd euch meine Geschichte nochmal erzählen... und diesmal alles.“ gespannt lauschten wir, nur ich war skeptisch.

 

Ich habe meine Eltern sehr jung verloren, ich kann mich nicht mal mehr an sie erinnern. Seit ich denken kann lebe ich in einer dreckigen Gasse und komme nur über die runden indem ich stehle und im Müll suche. Als ich es nach einiger Zeit nicht mehr aushielt lief ich in den Wald und wäre beinahe zu weit gelaufen. Da fand mich die Magierin, sie nahm mich zwar nicht bei sich auf. Aber sie brachte mir jagen und kämpfen bei. Sie zeigte mir wie man auch alleine überleben konnte und erzählte mir Geschichten. Und irgendwann kam in mir der Wunsch auf, genauso wie ihr zu leben. In einem Haus mit einen richtigen Bett und gutem, ehrlich verdientem Essen, einer Arbeit und vielleicht sogar einer Familie. Deswegen habe ich beschlossen zum Oberhaupt zu gehen um seine Gunst zu erlangen und sein Einverständnis hier leben zu dürfen.“

 

Er schloss seine Geschichte mit einem tiefen Seufzen und selbst ich, die weiß das alles eine Lüge ist, wäre seinem Charme fast verfallen. Seine verruchte, tiefe Stimme die sanft eine so traurige und dennoch mutige Geschichte erzählte. Er hatte sich kurz gefasst und nur das wichtigste erzählt, unnötige Details hatte er ausgelassen. Man merkte ihm an das er eine solche Aufmerksamkeit gewohnt war und ihn diese nicht aus der Fassung bringen konnte.

Trotzdem glaubte ich ihm kein Wort!

 

Weil Adam mich auf eine Idee gebracht hatte flüsterte ich Celia etwas zu.

„Ich werde jetzt zu Oxana gehen. Ich komme dann später nach. Versuch Adam und die anderen abzulenken, damit ich unentdeckt verschwinden kann.“

Sie nickte und stand auf, kicherte und dann warf sie sich Adam um den Hals.

„Adam, du tust mir so Leid. Ich werde gleich, wenn wir wieder zuhause sind mit meinem Vater sprechen. Du kannst sicherlich bei uns wohnen und wir werden bestimmt eine gute Frau für dich finden.“ ganz theatralisch, so wie sie es am besten konnte lenkte sie alle Aufmerksamkeit auf sich.

Ich schlich mich derweil in den Wald an den unzüchtigen Paaren und den Fährtenlesern vorbei.

Bis zur äußersten Grenze, doch diesmal lief mir kein ungeheuerlicher Schauer über den Rücken, sondern ein zufriedenes Gefühl. Ich wusste ich musste keine Angst vor dieser Linie haben.

Schon bald sah ich ein kleines Häuschen mit Veranda, auf derer mir eine kleine alte Dame freudig zuwinkte.

„Oh meine Liebe Evelyn, was für eine wundervolle Überraschung.“ rief sie mir zu.

Das war Tante Oxana. Sie war bekannt als Magierin, allerdings war sie keine. Sie war nur sehr weise und wusste Dinge, die sonst niemand wusste. Deshalb war es auch immer verboten gewesen sie zu besuchen, doch mich störte das als Kind nie, meine Neugier war wie immer zu groß.

Sie hatte mir schon früher viele Geschichten erzählt und mir beigebracht keine Angst vor den Beasts zu haben, wieder dessen was alle anderen sagten.

„Oxana“ rief ich froh und ging zu ihr.

Sie nahm prompt meine Arme und hielt sie von meinem Körper weg, dann begutachtete sie mich, ließ meine Arme los und wackelte um mich herum. Die alte Dame gab mir einen Klapser auf mein Hinterteil und setzte sich dann vergnügt auf einen der Holzstühle.

„Hey...“ aufgeschreckt zuckte ich und sah sie gespielt böse an.

„Na komm, setzt dich Liebes.“ sie zeigte mit ihrer grauen, faltigen Hand auf einen Stuhl.

„Danke dir. Es ist schön dich zu sehen. Wie geht es dir?“ fragte ich.

„Ach, wir wollen doch nicht unnötig Zeit verschwenden. Was hast du auf dem Herzen?“ sie tat meine Fragen gänzlich ab und sah mich interessiert an.

„Du weißt es sicher was mich bedrückt.“ sagte ich nur und senkte den Kopf.

Sie nickte: „Ja du hast Recht. Ich weiß warum du hier bist. Und es ist nun die Zeit gekommen das ich dir die Wahrheit erzählen kann.“ verwundert sah ich sie an.

 

„Hör gut zu:

Die Geschichte die Osprant erzählt ist nicht wahr und das wird dir dein Herz bereits gesagt haben. Es gibt eine andere die nur Auserwählten erzählt wird und nun erzähle ich sie dir.

Lange bevor es dieses Dorf gab existierten schon diese zwei Königreiche von denen es sich nun bedroht fühlt. Lupus feram und Serigala Liar. Die zwei Könige standen in ewigem Streit um das Gebiet auf dem wir leben. Der Krieg schien nie aufzuhören und die beiden Herrscher entwickelten sich zu wilden Wölfen. Bis sich eine Frau aus dem Volk aufmachte und die beiden zur Vernunft zwang. Sie wurde von allen die Bändigerin genannt. Sie zwang die beiden Verfeindeten sich zu versöhnen. Sie beschlossen das die Nachkommen dieser Frau dazu bestimmt waren die Königin eines der Königreiche zu werden. Doch leider brachte ihre Gabe auch einen Fluch mit sich. Denn sie konnte nur eine Tochter bekommen. Als dann die nächste Königin einen der Enkelsöhne aus den beiden Reichen wählen sollte kam es zum Streit und es kam erneut zum Krieg.

Auch die Enkelin der Bändigerin schloss einen Pakt mit den beiden und entschloss das sie in einem ritualen Kampf entscheiden sollten, wem die Gunst der Gabe zugute kam. Um die Nachkommen der Bändigerin zu schützen wurde dieses Land ausgewählt und Sklaven und Diener dazu verdammt, die neue Auserwählte aufzuziehen und vorzubereiten. So entstand dieses Dorf und das Gen der Auserwählten wird hier weitergegeben.

Es gibt laut dieser Erzählung einen rituellen Kampf und dem Gewinner wird die Trägerin des Gens ausgehändigt. Es ist etwas besonderes mit diesem Mädchen, denn sie kann nicht nur die wilden Wölfe bändigen, sondern auch die Menschen um sie herum sind glücklicher und die Ernte ertragreicher. Umso wichtiger ist es für die Königreiche sie zu seiner Königin zu machen.

So entstand dieses Dorf und die Angst der Menschen vor dem Verlust des Glücks und der Angst vor dem rituellen Kampf.“

 

Ich hatte es kaum realisiert was sie mir eben erzählt hatte.

„Was hat das mit den Beasts zu tun?“ fragte ich um mir die Zusammenhänge erschließen zu können.

„Nun meine Liebe, man sagt das auch sie ein Teil des Fluches sind, aber was sie wirklich sind musst du selbst herausfinden. Aber glaube mir, es wird dir bald jemand zeigen.“

Ich musste erstmal nachdenken und versuchen zu verarbeiten was sie mir eben aufgetischt hatte. Das war eine ungeheure Geschichte und ich wusste nicht recht ob ich ihr Glauben schenken konnte.

„Evelyn?“ Oxana rüttelte an meiner Hand und holte mich aus meinen Gedanken.

„Mach dir mal keinen Kopf. Es wird sich alles ergeben wie es das Schicksal vorher bestimmt hat.“

Immernoch verwirrt sah ich sie an und wollte schon ansetzten zu fragen doch da sprach sie erneut drauf los.

„Mein Junge was versteckst du dich schon wieder. Komm doch zu uns.“

Es raschelte in den Büschen und ein großer, breit gebauter, dunkelhaariger, sehr gutaussehender Mann trat aus dem Gestrüpp und kratzte sich verlegen am Kopf.

„Erwischt.“ säuselte er und kam zu uns auf die Veranda.

Tante Oxana lächelte sanft und ging auf ihn zu, er beugte sich zu ihr runter und sie gab ihm einen Kuss auf die Wange. Dann kniff sie rein und lachte.

„Schön das auch du da bist.“

Adam kam zu mir und lächelte mir verführerisch zu. Das die beiden sich kannten offenbarte mir, dass nicht alles von seiner Geschichte gelogen war und das half mir nicht beim entwirren meiner Gedanken, es führte eher dazu das sich alles noch weiter verstrickte und ich ihn noch weniger einordnen, geschweige denn einschätzen konnte.

Ein kurzer Blickwechsel zwischen uns und eine lange Pause. Und dann wurden wir unterbrochen.

„So, ihr zwei. Es war schön, aber nun ist die Zeit gekommen das ihr wieder gehen müsst. Ich habe noch einiges zu tun bevor der Vollmond anbricht... na hopp hopp... los auf mit euch.“ sie schubste uns beide in Richtung des Waldes, grinste noch einmal und winkte zum Abschied.

 

14. Kapitel (Unfall - die falsche geküsst)

  Adam hatte derweil meinen Arm gepackt und mich mit sich gezogen. Als wir im Wald verschwunden waren drückte er mich an den nächstgelegenen Baum und sah mich durch dringlich an.

„Adam, was... was soll das?“ stotterte ich.

„Hat dir meine kleine Geschichte nicht gefallen? Du warst so plötzlich weg?“ säuselte er dicht an mein Ohr.

„Nein, war rührend.“ entgegnete ich genervt und drehte meinen Kopf zur Seite, um seinem fordernden Blick auszuweichen.

„Hmm... irgendein Gefühl sagt mir, dass du mich für einen Schwindler hältst.“ er legte eine Hand an mein Kinn und drehte meinen Kopf zu sich, sodass sich unsere Nasen berührten. Er zwang mich ihn anzusehen und seine moosgrünen Augen fixierten meinen Blick.

„Vielleicht, weil du auch einer bist.“ erwiderte ich trotzig und versuchte ihn von mir zudrücken., denn unsere Blicke intensivierten sich und er rückte mir näher und näher.

„Du bist so süß, wenn du versuchst trotzig zu sein.“ flüsterte er mit tiefer Stimme in mein Ohr.

Dann bevor ich auch noch irgendetwas sagen konnte, legte er seine Lippen auf meine und küsste mich. Lange und innig ohne das er jegliche Gegenwehr zuließ. Mir blieb nichts anderes übrig als mich zu fügen. Seine Zunge bat schon bald nach Einlass und massierte meine sinnlich. Erst war er nur verhalten doch schnell zogen mich seine Arme tiefer in eine Umarmung und wurden besitzergreifender. Ich spürte wie sie meinen Körper erkundeten und sein Mund verlangte mehr und mehr. Alles in mir kribbelte und Blitze zogen sich von oben nach unten. Meine Knie wurden weich und ich gab seinem heißen Verlangen nach. Er schien mich verschlingen zu wollen, mir alles abzuverlangen was ich geben konnte und mich besitzen zu wollen.

Er ließ mich kaum Luft schnappen da steckte seine Zunge schon wieder in meinem Rachen.

Der Baum hinter mir drückte mir hart in den Rücken und meine Gedanken spielten verrückt. Auch meine Hände fingen an ihn zu erkunden. Sie verwüsteten seine Haare, ich genoss es sie zu zerzausen und dann an seinem Nacken seinen Rücken Wirbel für Wirbel hinunter zu fahren. Ich spürte seine breiten muskulösen Schultern und stoppte an seinem Steißbein, wenn ich tiefer wandern würde, würde es zu weit gehen. Also glitten sie nach vorn zu seinem trainierten Bauch und zu seiner Brust rauf.

Ihn schien das noch rasender zu machen, dass ich ihn berührte. Ich spürte seine heiße Haut und wie er schwer atmete. Er ließ mir kurz Pause, denn auch er musste sich und seine Gedanken sammeln.

Schwer atmend legte er seine Stirn auf meine Schulter, Adam lehnte sich gegen mich und es schien mir als würde er sich fallen lassen.

„Evelyn...“ flüsterte er zwischen seinem Prusten.

„Adam?“ säuselte ich kraftlos, würde er sich weiter auf mich stützen würde ich zusammen brechen.

„Das ist ein schöner Name...“

„Danke.“ ich lächelte und krauelte ihm seinen Kopf.

„Du solltest jetzt besser schnell zu den anderen gehen. Sonst kann ich nicht garantieren dich je wieder los zulassen.“ er stemmte seine Hände links und rechts von mir gegen den Baum und sah zu Boden.
„Adam... was ist los? Was meinst du damit?“ fragte ich und versuchte Blickkontakt herzustellen.

Ich merkte nur wie er sich weiter verkrampfte und sich jeder Muskel anspannte. Sein Blick trübte sich und er schien plötzlich woanders mit seinen Gedanken zu sein. Ich glaubte sogar ein tiefes surrendes Knurren zu hören.

„Evelyn ich... ich kann mich nicht mehr lange beherrschen. Ich will dich so sehr... wenn du nicht gehst dann...“ er drehte sich weg und ließ mir die Gelegenheit zu fliehen.

Ich sah nur wie sein breiter Rücken vor mir noch immer heftig bebte und er nach Luft rang und nach seiner Beherrschung.

„Hey... weißt du was?“ ich legte meine Arme um ihn und schloss ihn von hinten in eine Umarmung.

„Ich weiß nicht was los ist mit mir aber du ziehst mich an wie eine Motte vom Licht angezogen wird. Ich sage das nur einmal, weil es mir peinlich ist... aber ich habe dich wirklich gern. Also dreh dich nicht weg oder sag mir das ich gehen soll.“

Blitzartig drehte er sich zu mir und schloss auch mich in eine Umarmung, er zog meinen Duft wie eine Droge in sich ein.

„Du machst es mir nicht leicht.“ säuselte er und schien seine Fassung wiedererlangt zu haben.

„Du mir auch nicht.“ nuschelte ich verlegen in sein Hemd und vergrub mein Gesicht in seiner Schulterbeuge.

 

Adam hatte mir noch einen letzten Kuss auf die Lippen gehaucht und war dann im Dickicht verschwunden. Ich hatte danach mein Kleid zurecht gerückt und war wieder zum See zurück gegangen. Derweil machte ich mir Gedanken um das was Oxana mir erzählt hatte. Wenn es einen rituellen Kampf gab dann musste das sehr bald der Fall sein, denn das Dorf war ungewöhnlich unruhig. Doch ich konnte mir immer noch nicht erschließen was das mit den Beasts zu tun hatte.

Ich sah wie die Jungen ihre Sachen packten und die Mädchen bereits auf die andere Seite geschwommen waren. Nur Celia stand noch immer am Ufer und schien nach etwas Ausschau zu halten. Als ich ihr Blickfeld erreichte winkte sie aufgeregt und ihr Gesicht hellte sich auf.

Sie hatte sich also nicht getraut allein auf die andere Seite zu schwimmen. Ich ging lächelnd auf sie zu und nahm sie dann bei der Hand.

„Danke fürs Warten. Komm lass uns zu den anderen schwimmen, wir werden bald von Miss Oberschlau zurück beordert werden.“ ich verdrehte neckisch die Augen und stieß ihr sanft mit meinem Ellenbogen in die Seite. Sie kicherte nur und nahm wieder all ihren Mut zusammen.

Wir schritten langsam ins Wasser und ließen uns ein wenig treiben. Dann fing ich an zu erzählen, weil ich wusste sie würde vor Neugier bald platzen und ich musste sie von ihrer Angst ablenken.

„Also ich war bei Oxana. Sie hat mir eine sehr interessante Geschichte erzählt. Von zwei Königen die sich um eine Frau gestritten haben und nun sollen wohl ihre Nachkommen in diesem Dorf für die nächsten Könige hier unter uns wohnen.“ ich hörte Celia schlucken.

„Meinst du das ist wahr?“ fragte sie mich.

Ich hatte jetzt nur eine grobe Zusammenfassung erzählt, aber mir schien es das ihr die Geschichte nicht unbekannt vor kam.

„Ich weiß es nicht, aber wie sagt man so schön. Jede Legende trägt einen wahren Kern in sich. Ich denke das es durchaus Wahrheiten zu finden gibt. Aber es wird auch viel drum herum erfunden worden sein, um sie glaubhafter und interessanter zu machen. Niemand will schließlich eine langweilige Geschichte hören.“

Celia sagte nichts zu meinen Gedanken und konzentrierte sich wieder aufs schwimmen.

„Der rituelle Kampf wird wohl in der nächsten Zeit stattfinden, sonst wären wir nicht in den Wald gegangen und sonst wäre es im Dorf nicht so unruhig und verschwiegen.“ bemerkte ich nebenbei und brachte Celia wohl nun vollkommen aus der Fassung. Sie schluckte einen großen Schwall Wasser und bekam Panik. Dann ging alles so schnell das ich es gar nicht richtig wahrgenommen hatte. Wir hatten die Mitte des Sees gerade überquert aber waren noch nicht nah genug am Ufer, um schon im Wasser stehen zu können. Celia war auf einmal aus meine Sichtfeld verschwunden und ich hatte nur gesehen wie ein Arm noch aus dem Wasser ragte und viel zu schnell verschwand.

Ich brauchte viel zu lange, um zu realisieren das Celia untergegangen war und wenn sie einmal Unterwasser war, dann wurde sie sofort ohnmächtig. Ich schnappte so schnell und gut ich konnte nach Luft und fing an zu tauchen. Doch da ich ebenfalls etwas in Panik und vor allem in Sorge geraten war hatte ich mich nicht richtig unter Kontrolle und meine Konzentration war nicht hoch genug, sodass ich kurz darauf prustend wieder aus dem Wasser hochschnellte und nach Luft schnappte. So ein Mist! Sie sankt stetig tiefer und bald war sie unerreichbar für mich.

Als ich erneut tief Luft holen wollte hörte ich nur einen lauten Klatscher und dann sah ich wie sich eine lange große Gestalt mit schnellen kräftigen Zügen auf uns zubewegte. Die Person schien über das Wasser zu fliegen so schnell war sie bei mir gewesen und bevor ich realisieren konnte wer es war, da tauchte sie auch schon.

Ich rang noch immer nach Luft und betete das es noch nicht zu spät für Celia war. Als ich dann einen großen Schatten auf mich zu schwimmen sah wich ich aus soweit es mir unter Schock möglich war und dann konnte ich aufatmen.

Adam tauchte auf und hatte die ohnmächtige Celia im Arm. Er rüttelte sie sanft, aber sie kam nicht zu sich. Er warf mir einen prüfenden Blick zu.

„Bist du in Ordnung?“ fragte er besorgt und nahm eine Position ein in der er meine beste Freundin an Land ziehen konnte.

„Ja, alles okay. Habe nur vor lauter Schreck ein bisschen Wasser geschluckt. Ich schaff es allein ans Ufer.“ entgegnete ich nickend.

„Soll ich dir helfen sie zu ziehen?“ fragte nun ich.

Er schüttelte nur den Kopf, holte tief Luft und machte dann wieder schnelle kräftige Bewegungen auf das Ufer zu. Auch wenn er die schlaffe Celia im Schlepptau hatte - wortwörtlich – war er doch schneller als ich gewesen.

Als ich am Ufer ankam sah ich ihn über sie gebeugt mit sorgenvollem Gesicht und einer Hand an ihrem Gesicht. Die Mädchen um ihn wussten nicht, ob sie kreischen sollten vor Entzückung oder vor Schreck. Ich konnte beobachten wie er ihr sanft auf die Wange schlug, um sie aufzuwecken. Doch es half nichts. Dann hielt er sein Ohr an ihren Mund und schien zu lauschen, ob sie atmete. Adam nickte nur wissend und kniete sich vor sie. Eine Hand legte er an ihre Stirn und dehnte ihren Kopf nach hinten, die andere legte er behutsam an Celias Kinn und zog es leicht zurück.

Er wollte doch nicht etwa... doch er wird!

Adam machte eine Mund zu Mund Beatmung und dann richtete er sie auf.

In mir regte sich etwas tückisches und etwas das mir so sehr ins Herz stach, dass ich zusammen sackte. Erst schob ich es auf den Schock oder die Panik und Angst darüber meine Freundin verlieren zu können. Doch dann merkte ich das es mich sehr verletzte das Adam eine andere so sorgenvoll begutachtete. Das er sie mit seinen rauen starken Händen berührte und das er sie, auch wenn es eigentlich kein Kuss war, küsste. Mein Herz zog sich krampfhaft und schmerzlich zusammen und ich musste kurz wegsehen um nicht meine Tränen in den Augen zu zeigen. Auch wenn man sie für Wasser hätte halten können, es war mir zu peinlich zuzugeben das ich eifersüchtig war. Ich schämte mich, in so einer Situation so zu empfinden. Ich sollte dankbar sein und mich freuen und nicht an unzüchtige Dinge denken.

Celias Lungen füllten sich mit dem lebensrettenden Sauerstoff und ein großer Schwall Wasser bahnte sich den Weg raus und zwischen ihre Beine. Adam stabilisierte sie und hielt ihre Haare fest. Sie hustete angestrengt, aber es schien alles in Ordnung zu sein.

„Alles okay bei dir? Wie geht es dir?“ hörte ich Adam sagen.

Celias Augen glänzten und sie lächelte schon wieder.

„Dank dir alles in Ordnung.“ flüsterte sie erschöpft und ließ sich in seine starken Arme sinken.

Und schon wieder zog sich alles in mir zusammen und signalisierte meinem Gehirn, dass die Situation aus dem Ruder gelaufen war und so nicht mehr so schön anzusehen.

Doch ich ignorierte meinen Hormonanflug und rannte mit meiner übrigen Kraft auf die beiden zu.

„Celia... Celia“ rief ich aufgebracht. Sie sah zu mir und schien erleichtert.

„Ja, alles in Ordnung. Es geht schon wieder.“

„Mach doch nicht solche Sachen.“ schimpfte ich.

„Weißt du was ich für einen Schreck bekommen habe. Meine Güte, beinahe wären wir beide ertrunken.“ immer noch nach Luft ringend sah ich sie an und fiel ihr in die Arme.

„Du hast mir vielleicht eine Angst eingejagt.“ schluchzte ich und drückte sie fest an mich.

„Ist ja gut Evelyn. Zum Glück war ja Adam da.“ erwiderte sie und drückte mich leicht von sich und strich mir durch meine zerzausten Haare. Ach ja, da war ja was.

Adam saß noch immer nah bei uns und musterte uns vergnügt.

„Danke...“ raunte ich nur und sah ihn dabei nicht an. Irgendwie war es mir peinlich, dass er mich geküsst hatte und das ich ihm fast meine Liebe gestanden hätte. Das wirkte in diesem Moment so kindisch und unwirklich. Vielleicht hatte er auch nur mit mir gespielt und mich ausgenutzt um an Celia ran zu kommen. Wenn ich ihn so betrachtete und wie er Celia ansah. Ganz anders als mich.

Wenn ich seiner Geschichte Glauben schenkte, dann machte das sogar Sinn. Denn er wollte ja schließlich eine Frau und einen guten Stand in unserem Dorf. Jetzt hatte er alles getan um sich beim Oberhaupt einen guten Ruf zu schaffen. Adam konnte ich mir abschreiben.

Ich sah es schon vor mir. In weniger als zwei Wochen war die Hochzeit. Nach dem Balztanz. Dabei hatte ich mein Herz doch schon verloren... plötzlich wurde mir schlecht und ich konnte seine Nähe nicht mehr ertragen. Ich rückte von ihm weg und mir wurde bewusst was ich getan hatte. Ich fühlte mich grauenhaft. Ich hatte einfach einem wildfremden vertraut und ihn mich küssen lassen. Wer weiß was noch passiert wäre, wäre der Unfall nicht gewesen. Ich musste ihn mir sofort aus dem Kopf schlagen.

Adam schien zu merken, dass bei mir etwas nicht stimmte und entschärfte die Situation.

„Celia, kannst du aufstehen?“ fragte er und schien damit zu rechnen das sie bejahte. Doch clever wie sie war wickelte sie ihn sofort um ihren Finger und nutzte die Gelegenheit.

„Ich glaube meine Beine zittern noch zu sehr, um schon laufen zu können. Ich denke ich werde mich noch eine Weile beruhigen müssen.“ flötete sie unschuldig und sah ihn mit großen Augen an.

Der gutaussehende Braunhaarige sah hilfesuchend zu mir, doch konnte er von mir nichts erwarten. Ich ignorierte ihn geflissentlich und versuchte meine Gedanken wieder in den Griff zu bekommen. Das war selbst für mich zu viel gewesen die letzten Tage.

„Na gut. Dann werde ich dich den Weg zurück zum Dorf tragen.“ seufzte er und hob sie, als wäre sie leicht wie eine Feder, auf.

„Aber ich bin doch viel zu schwer.“ protestierte sie gespielt und klammerte sich schon um seinen Hals. Alle Mädchen um uns herum kreischten und liefen den beiden Turteltauben kichernd und flüsternd nach.

Adam verdrehte nur genervt die Augen und lief voraus.

Ich hatte noch eine Weile da gesessen und mich beruhigt. Als ich meine Gedanken wieder geordnet hatte und eine Lösung für mein Problem gefunden hatte, war ich den anderen nur schleppend nachgelaufen. Ich wusste wie es nun ablaufen würde und genauso kam es.

Alle erzählten aufgeregt von Adams Heldentat und er versuchte es herunterzuspielen. Doch Celia machte einen riesen Wirbel daraus und ihr Vater versprach Adam eine hohe Entlohnung für seinen Heldenmut.

 

Tja, so viel zu: Ich werde dich entführen.

Da hat er aber mächtig gelogen...

15. Kapitel (Versammlung - Eifersucht)

Ich hatte Adam die letzten Tage gemieden wo ich nur konnte. Auch wenn Celia von nichts anderem mehr sprach, als Adam ihr Retter und wie toll er doch war, wie gut er aussah und das er vielleicht bald ihr Mann wurde. Ich hatte mir in dieser Zeit viele Gedanken über die beiden widersprüchlichen Geschichten gemacht. Ich hatte nun soweit ich das erkennen konnte alle wichtigen Puzzelteile zusammen. Aber ich konnte sie nicht zusammenfügen. Entweder war ich zu blöd oder es fehlte doch noch eine Information. Und irgendeine schlechte Vorahnung sagte mir, dass Adam diese Information hatte und der Schlüssel für all die seltsamen Geschehnisse war.

 

Es hatte eine Dorfversammlung gegeben zu der alle gezwungen waren teilzunehmen. Osprant wollte die kommenden Tage besprechen, denn sie würden sehr aufregend werden. Das balzen und die Vermählungen standen an. Und auch wenn ich wusste ich konnte noch ein, zwei Jahre warten, so würde meine Mutter versuchen mich schon dieses Jahr mit einem netten Schwiegersohn zu verheiraten. Doch nur über meine Leiche.

Celia hatte bei ihrer Mutter Platz genommen und Adam schien wohl gezwungenermaßen daneben sich niederzulassen. Ich beobachtete ihn und wie er etwas in der Menge zu suchen schien. Seine moosgrünen Augen glitten langsam über die Masse hinweg und erspähten meinen Blick. Als ich merkte das er an mir hängen blieb, sah ich wie er verführerisch grinste und mich mit seinem Augen magisch anziehen wollte. Allerdings wendete ich den Blick ab, bevor er mit seinen stechenden Augen eine Botschaft überbringen konnte.

Wieso schaute er nach anderen Frauen, wenn seine Traumfrau direkt neben ihm saß?

Als ich mich erneut wagte ihn anzusehen, sah ich wie sein Blick sich verfinsterte und er schien böse zu sein. Ob er gekränkt war, dass ich ihm und Celia, die wie eine Klette an ihm hing, aus dem Weg gegangen war. Oder was war der Grund das er mich verletzt und verärgert musterte.

Adam schien seinen Blick nicht abzuwenden, nicht mal als sein zukünftiger Schwiegervater einen kurzen Witz darüber verlauten ließ, dass er bald einen kräftigen wohlerzogenen Schwiegersohn an seiner Seite hätte, dem er wohl vieles zu verdanken hätte.

Allen war klar das Adam gemeint war, doch der erdreistete sich einfach nicht darauf zu achten, sondern mich unentwegt anzustarren. Er wollte sich bestimmt rächen.

Meine Mutter holte mich mit einem Stoß in meine Seite wieder zu den eigentlichen Tatsachen zurück und flüsterte:

„Wirklich schade. Dieser Junge ist wahrlich ein Schwiegersohn wie er im Buche steht. Und ich hätte schwören können, dass er dir einen Antrag gemacht hätte. Wenn der Unfall nicht gewesen wäre...“

„Ach so ein Blödsinn. Außerdem hätte ich nie zugestimmt.“ antwortete ich trotzig und sah zu Osprant.

„Und wie du zugestimmt hättest meine Liebe. Ich sehe doch wie du ihn anhimmelst.“ meine Mutter grinste und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder unserem Oberhaupt.

Ich sehe ihn überhaupt nicht an, also soll sie sich gefälligst nichts einbilden.

Plötzlich wurde ich hellhörig und richtete meine Aufmerksamkeit auf Osprant.

 

„Meine liebe Dorfgemeinschaft. Es ist nun wieder an der Zeit die Balztänze und die Vermählungstage zu vollziehen. Wir sind sicherlich alle sehr aufgeregt und dieses Jahr ist, wie ihr wisst, auch ein ganz besonderes für mich. Ich werde meine Tochter einem Mann versprechen und ihn in die Geschäfte des Oberhaupts einführen. Damit alles wie geplant stattfinden kann müssen noch einige wichtige Dinge vorbereitet werden. Bevor wir die Aufgaben mit Siegbert durchgehen habe ich noch eine wichtige Mitteilung. Da Adam noch immer eine Familie suchte in die er aufgenommen wird und er mein zukünftiger Schwiegersohn ist weise ich ihn einer anderen zu. Die Familie Fork wird sich von nun an um ihn kümmern bis die Vermählungstage und der Vermählungsakt vorbei sind. So und nun...“

Mir klappte die Kinnlade runter. Er hatte nicht nur eine, sondern gleich zwei Hiobsbotschaften. Das wurde ja immer schöner. Nicht nur das Adam schon mit Celia verlobt war, nein der Blödmann sollte bis er mit Celia verheiratet war auch noch bei uns wohnen.

Meine Mutter zwinkerte mir neckisch zu.

„Deine letzte Chance, meine liebe Evelyn. Auch wenn ich nicht glaube das er Osprants Angebot abschlagen wird, aber er hat einen Narren an dir gefressen. Wer weiß ob er sich auf unsere liebe Celia einlässt, wenn du ihm vorher seinen Kopf verdrehst.“

„Mum, jetzt reichts aber. Ich werd doch keinen verlobten Mann bezirzten.“ knurrte ich zurück.

„Noch ist er nicht verlobt. Er hat noch nicht zugestimmt und um mehr Zeit zum Nachdenken gebeten.“ klinkte sich mein Vater nun ein.

„Nicht du auch noch...“ ich schlug eine Hand an die Stirn und sackte zusammen. Meine Familie war gänzlich verrückt.

„Die Krönung des ganzen wäre, dass ihr uns zwingt in einem Zimmer zu schlafen.“ spaßte ich trotzig.

„Ich bitte dich, Evelyn. Das ist unzüchtig.“ entgegnete mein Vater und gebot uns wieder dem Geschehen zu folgen.

Doch bei mir war es nun zu spät. Meine Gedanken hingen nur noch bei Adam und seinen starken Armen und wie er Celia heldenhaft davon getragen hatte und mich einfach sitzen ließ. Wie würde ich nur die nächsten Tage überstehen. Ich kannte ihn doch nun. Ich wusste das er gerne küsste und wer weiß ob er die Gelegenheit nicht nochmal nutzte, um andere Frauen zu küssen bevor er sich binden sollte. Wer weiß, vielleicht hatte er Celia auch geküsst. Ob er es genauso leidenschaftlich wie bei mir gemacht hatte? Ob er Gefühle für sie hatte?

Was dachte ich denn da.

Verwundert schüttelte ich den Kopf und mir diese Gedanken aus meinen Gehirnwindungen. Dann sah ich verstohlen zu ihm rüber und natürlich, sofort fixierten mich seine dunkeln verruchten grünen Augen. Sie schienen mir zu sagen das er ein Hühnchen mit mir zu rupfen hatte. Oder etwas anders, aber auf jeden Fall nichts gutes.

 

Als wir auch die weiteren Aufgaben durchgegangen waren und sich die Versammlung dem Ende zu neigte wollte ich nur noch weg. Es wurde unerträglich zu sehen wie Celia an Adam hing, sie saß fast auf seinem Schoß. Das konnte und wollte ich nicht länger beobachten und diese Blicke die er mir zuwarf jagten mir viele kleine Schauer über den Rücken.

Aber für solche Gefühlsduseleien war jetzt keine Zeit mehr. Ich musste mich konzentrieren und das Puzzel lösen. Es war nicht mehr viel Zeit, Oxana hatte schließlich angedeutet das der rituelle Kampf genau zum Balztanz stattfinden würde. Das hieß nicht nur wir fanden unsere Partner, sondern die Nachkommen der Könige auch. Es war also nur eine Frage der Zeit bis die Beasts bei uns im Dorf einfallen würden. Deswegen hatte Osprant auch die Wachen verstärkt. Er wusste es genau was sich da anbahnte und so wie es mir schien mein Vater ebenso.

Die große Preisfrage war: Wer ist die Auserwählte? Celia vielleicht?

Wenn sie es war, dann würden große Schwierigkeiten auf sie zukommen. Sie hatte keinesfalls eine kämpfernatur, noch konnte sie ein Land regieren und sie würde unter dem enormen Druck zusammen brechen. Ich wusste, wenn Osprant sie opferte - und das würde er durchaus tun für das Wohl seines Dorfes - dann würde sie es nicht überleben.

Aber ich konnte sie nicht retten wenn ich nicht wusste wie.

So viele Gedanken durchstörmten meinen Kopf und ich vergaß alles um mich herum, bis mich meine Mutter sanft am Arm rüttelte und besorgt musterte.

"Alles in Ordnung Schatz?" fragte sie.

"Ja." antwortete ich nur knapp und stand auf. Adam war aus meinem Sichtfeld verschwunden und das hieß nie etwas gutes. Ich wollte schnell nach Hause und meine Gedanken skizzieren um sie nicht zu vergessen. Bevor ich meinen Eltern folgen konnte wurde ich harsch am Arm gepackt und in eine stille Ecke gedrängt. Dann legten sich zwei starke maskuline Arme um mich und ein männlicher Kopf drückte sich von hinten in meine Haare und hauchte mir einen Kuss auf den Hals.

"Warum gehst du mir aus dem Weg? Willst du mir das Herz brechen?" säuselte er.

"Lass mich los!" Entgegnete ich kühl und versuchte ihn auf Abstand zu bringen. Doch er rückte nicht einen Zentimeter von mir ab.

"Hör auf damit sonst werde ich wirklich böse!" Zischte er mir ins Ohr und seine Stimme klang sehr dominant und bestimmend.

"Mach doch was du willst, aber halt mich da raus. Du hast doch jetzt einen neuen Scharm, die kannst du doch bezirzen oder lässt sie dich etwa nicht ran? " spottete ich und drehte mich zu ihm um seine Reaktion von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Ich sah das er verletzt schaute, er verstand nicht warum ich ihn so kalt behandelte und ihn ignorierte. Hätte er Ohren gehabt hätte er jetzt einen Hundeblick ins Gesicht geschrieben gehabt. Irgendwie süß... Doch dann schien sich seine Miene aufzuhellen und er grinste plötzlich. Seinen Sinneswandel konnte ich nicht nachvollziehen und fühlte mich verunsichert.

"Bist du etwa eifersüchtig?"

"Ach quatsch hör doch auf..." ich sah weg von ihm und merkte wie ich rot wurde. Wieso brachte er mich schon wieder dermaßen aus der Fassung. Ich musste schnell weg von ihm.
Er schien in meinen Gedanken zu lesen wie ein Buch, denn bevor ich ihn abschütteln und wegrennen konnte zog er mich besitzergreifend zu sich und küsste mich leidenschaftlich.
"Adam!!!" schrie ich noch halb im Kuss.

"Lass mich sofort gehen." Meine Wut wandelte sich so plötzlich in Tränen, so plötzlich wie er mich geküsst hatte. Ich konnte sie kaum zurückhalten.

"Evelyn." knurrte er und seine Augen, in denen sich ein grüner Sturm zu bewegen schien, beruhigten mich auf eine Weise wie ich es noch nie erlebt hatte.

"Evelyn..." raunte er nochmal, lockerte seinen Griff und drängte mich mit seinem starken Körper an die Wand.

"Ich werde dich nicht gehen lassen. Niemals! Hast du verstanden? Egal was du tust und egal was du sagst du wirst niemals vor mir fliehen können!"

Völlig perplex sah ich ihn an. Ich würde niemals vor ihm fliehen können?

"Ich werde dich wenn es sein muss jagen, ich werde dich immer finden und einsperren. Bis du dein Schicksal akzeptiert hast. Ich kann und werde nicht mehr von deiner Seite weichen." Irgendwie beruhigten und beflügelten mich seine Worte, aber auf der anderen Seite jagten sie mir einen ungeheuren Schauer über den Rücken.

"Wer bist du nur?" fragte ich und wusste nicht wo mir der Kopf stand.

 

„Evelyn!“ ich hörte wie jemand meinen Namen rief.

„Adam!“ auch auch er wurde gerufen, doch Adam zischte nur verärgert und ließ von mir ab.

„Wir müssen gehen.“ sagte ich noch immer etwas eingeschüchtert.

„Evelyn, hör mir zu. Ich habe das was dir fehlt um dein Puzzel zu lösen. Ich bin die Lösung für all deine Fragen und Probleme. Deswegen werde ich heute Nacht in dein Zimmer kommen und es dir erklären. Zum Fliehen ist es nun leider zu spät. Ich habe meine Chance verpasst, aber du musst mir vertrauen, denn es wird alles gut.“ dann verschwand er in Richtung meines Vaters.

Ohne darüber groß nachzudenken was er gerade gesagt hatte lief ich auf meine Mutter zu.

„Da bist du ja.“ rief sie erfreut und lächelte freudig.

„Komm, wir müssen noch das Abendessen für unsere zwei Männer vorbereiten.“

Ich verdrehte nur genervt die Augen.

„Wenns sein muss...“

Impressum

Texte: Alles Niedergeschriebene ist frei erfunden.
Cover: Mercy James
Tag der Veröffentlichung: 17.07.2015

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Freiheit ist etwas unsagbar kostbares, sobald man sie gefunden hat ist man der glücklichste Mensch der Welt. Doch gib acht, Freiheit kann schnell gestohlen werden oder selbst zum Gefängnis.

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