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1. Beginn etwas langweiligem Neuen – Wer bin ich (Animals -Maroon 5)

Ich rannte über Wiesen und Felder. Die Bäume streiften an mir vorbei, wie kleine Striche in der Landschaft, die Blätter hätte niemand auch nur ansatzweise in diesem Tempo erahnen können, doch ich konnte sogar die grünen Äderchen auf ihnen sehen und den Morgentau, der von ihnen und den schmalen Grashalmen abperlte.

Eigentlich ein unbeschreibliches Gefühl, in dieser wunderschönen Landschaft, die ersten Sonnenstrahlen durch die Schäfchenwolken entdecken zu können und trotz meiner Geschwindigkeit alles klar zu sehen. Doch im Moment war mir nicht nach genießen. Ich war eher auf der Flucht auch, wenn das meine Wenigkeit nicht nötig hatte, rannte ich vor einer Gruppe von Neulingen davon. Und da ich nicht übel Lust hatte mich mit ihnen abzugeben, um ihnen die Stirn zu bieten, durchschnitt ich jetzt den dichten Wald mit schnellen großen Schritten, die für mich eher Joggen und Aufwärmtraining als richtiges Weglaufen waren.

Ich hörte ihre Stimmen einige Kilometer von mir entfernt und wie sie wütend meinen Namen riefen. Irgendwie zerstörte das gewaltig die friedliche Ruhe am Morgen, an dem doch alles schlief und sich Energie für den Tag sammelte, um ihn gut zu überstehen. Es war eigentlich immer eine Zeit, in der auch ich zur Ruhe kam und sie nutzte, um über mein sinnloses Dasein nachzudenken.

Dummerweise konnte ich das heute nicht, da ich auf die Gruppe Neulinge gestoßen war. Anderseits verschaffte es mir wieder etwas Spaß und etwas zu tun in meinem sonst so monoton ablaufenden Leben. Ich selbst schlafe nicht, Essen ist nur ein kleiner Teil meiner Energiequelle und ich war so schnell, wie ein normales Flugzeug. Ich verlangsamte mein Tempo, um meinen Verfolgern eine kleine Chance zu geben, denn ich bekam gerade ein wenig Kampflust und jeder, der mich kannte und das waren viele, wussten, dass wenn ich in Stimmung war, man nicht mit mir Spaßen sollte. Aber im Moment war alles besser außer diese schreckliche Langeweile, die sich noch immer weit verbreitet hatte.

Trotz der prächtigen grünen Farben und des duftenden Mooses und der farbenfrohen Blumen, erschien mir die Welt grau und langweilig. Ich war zu groß oder die Welt zu klein für mich. Wir passten nicht zusammen und doch musste ich hier die Zeit totschlagen. Auch wenn das so ziemlich unmöglich für mich war, denn Zeit war schon „tot“ für mich. Ich lebte außerhalb der Zeit. Wie ich es hasse!

Menschen arbeiteten darauf hin und versuchten so viel wie möglich Zeit zu sparen, aber egal was sie taten und tun, sie wird immer gleich für sie vergehen, egal wie schnell sie Dinge erledigen oder sich abkämpfen. Für diese törichten Geschöpfe lief sie und ab der Geburt fingen sie an jeden Moment, den sie lebten zu sterben oder zumindest darauf hinzuarbeiten. Was für dumme Wesen, anstatt sie lieber zu nutzen und sie zu gebrauchen, taten sie nur Unnütz. Auch Menschen gingen mir langsam immer mehr auf die Nerven, nicht das sie sich nicht alle ähnelten, nein, ihr Verhalten war auch ziemlich identisch. Sie reagierten immer auf bestimmte Art und Weise egal wie oft ich es versucht hatte, immer die gleichen Reaktionen bei der gleichen Art von Mensch. Zum todlangweilen, was für ein Witz... wenn ich das nur könnte... altern und sterben. Auch wenn ich es eigentlich nicht wollte, sehnte ich mich danach.

 

Zurück zu meinen Verfolgern, ich hatte mittlerweile eine Schlucht gefunden, die von hohen rauen ockerfarbenen Felsen umgeben war. Hier wuchs nichts, ich hatte zwischendurch eine Wüste durchquert und war hier angekommen. Wieder im Nichts. Aber es schien mir ein guter Ort, meinen lästigen Kletten gegenüber zu treten. Ich stoppte vor der hohen Mauer und sah herauf, es war schwer den Anfang zu erkennen selbst für mich.

Nach wenigen Minuten hatte ich endlich Besuch und die Neulinge hatten mich gefunden. Mal sehen wie lange sie mich beschäftigen konnten.

Ich drehte mich nicht zu ihnen um und hatte sie auch nicht ein einziges Mal zu Gesicht bekommen, trotzdem wusste ich, dass es neun Jungen waren und das sie noch nicht lange „Selbstständig“ waren.

„Haben wir dich endlich geschnappt.“ brach der eine schnaubend die Stille. Sie hechelten alle nach Luft und auf ihrer Stirn hatten sich viele Schweißperlen gebildet, während ich nicht einmal angestrengt gewesen war.

„Ja... endlich.“ murmelte ich, mir bewusst, dass sie das definitiv gehört hatten. Ein Knurren hallte durch die Luft und erschien lauter, als es eigentlich war, durch das Echo der hohen Schlucht, in der wir uns befanden.

„Ist das eure erste Begegnung mit einem eurer Art?“ fragte ich bestimmt, noch immer den Rücken zu ihnen gedreht.

„Hmm...“ brummte einer als Antwort und der nächste schrie wütend:

„Dreh dich gefälligst um du Angeber. Wir sind zu Neunt, glaub bloß nicht, dass du eine Chance gegen uns hast.“

Ich konnte mir ein verschmitztes Grinsen nicht verkneifen.

„Ich weiß wie viele ihr seid, ich dachte mir nur ich lasse euch erst einmal zu Atem kommen, bevor wir mit unserer kleinen Prügelei beginnen.“ wieder war ein tiefes Knurren zu hören.

„Was bildet der sich ein, selbst wir wissen das Einzelgänger keine Chance gegen Gangs haben.“

In der Tat Einzelgänger unserer Art überlebten in der Regel nicht lang, aber ich gehörte nicht dazu.

„Jungs... eine Frage vorweg, was wollt ihr mit eurem neuen Dasein anfangen? Habt ihr schon einen Plan?“ fragte ich verträumt und drehte mich zu ihnen um. Meine Augen funkelten sie verspielt an und in ihren konnte ich Wut und Kampflust erkennen. Die war aber nicht mit meiner gleichzusetzen, sie wollten mich umbringen, jeder Einzelne, wie er da stand, hatte sicher die schönsten Bilder im Kopf wie er mir den Gar ausmachte. Ich wollte lediglich spielen.

„Erst einmal einen Älteren erledigen und dann die stärkste Gang werden.“ bekam ich nun zur Antwort.

„Und danach? Was wollt ihr danach machen?“ wiederholte ich meine Frage. Verwirrt warfen sie sich einige Blicke zu und zuckten mit den Schultern.

„Das wird sich dann schon irgendwie ergeben.“ flüsterte einer leise, sicher ich habe es nicht gehört. Doch meine Ohren waren viel zu gut, als das ich nicht selbst seine Gedanken lesen konnte. Also ich konnte es nicht, hatte es aber trotzdem gehört.

„Na dann... wünsche ich euch viel Spaß dabei.“ meinte ich nur gleichgültig und warf ihnen einen abwertenden Blick zu. Einer, der noch am muskulösesten und mutigsten wirkte machte ein paar Schritte auf mich zu.

„Genug geredet, hast du noch irgendwelche letzten Worte?“ fragte er genervt.

Wieder glitt ein gelangweiltes Grinsen über mein Gesicht und ich sah zum Himmel. „Unterhaltet mich ein bisschen.“

Damit hatte ich ihn genug gereizt, er nahm sich einen großen Stein und schleuderte ihn mit einer unmenschlichen Wucht auf mich zu.

Ohne das ich meine Augen vom Himmel abwandte, machte ich im richtigen Moment einen Schritt zur Seite und der Stein zersprang hinter mir an der Felswand in tausend kleine Splitter.

Ich wandte mich wieder zu den Neulingen und lächelte:

„Wenigstens seit ihr nicht so dumm wie eure Vorgänger. Zuerst mal die Lage checken wie stark ich bin, was? Scheint als wärt ihr noch nicht überzeugt von euren Fähigkeiten?!“ ich grinste sie schäbig an.

„Mistkerl.“ rief einer.

„Und er nimmt nicht mal die Hände aus den Hosentaschen.“ schrie der Nächste wutentbrannt.

Ich nickte nur andächtig, ganz recht, bis jetzt habt ihr mir auch noch nichts geboten, um meine Hände zu benutzen. Der, der den Stein geworfen hatte, ging wieder einige Schritte zurück und flüsterte:

„Der macht nur einen auf dicke Hose. Er ist ausgewichen, bestimmt ist er zu schwach, um meinen Wurf abzublocken. Den erledigen wir locker mit links.“

Dummerweise höre ich was ihr sagt und jetzt beeilt euch, nicht das ich nicht die Zeit hätte mich mit euch zu beschäftigen, daran liegt es sicher nicht. Ich habe nur einfach nicht wirklich Lust.

„Jungs, ich hab heute noch was anderes vor, würdet ihr euch vielleicht etwas beeilen.“ sprach ich nun meine Gedanken aus.

„Du hast doch alle Zeit der Welt?!“ fragte einer ungläubig.

„Sicher, sicher... ich schon, aber die Menschen nicht, also würdet ihr jetzt bitte...“ ohne mich ausreden zu lassen, stürmten sie in einem Affenzahn auf mich zu. Es dauerte keine zehn Sekunden und sie hatten mich erreicht, obwohl sie einen beachtlichen Weg zurücklegen mussten. Die ersten Beiden, die in meiner Nähe waren hatten ihre Hände zu Fäusten geballt und waren bereit auf mich einzuschlagen.

Ich wich ihnen gekonnt aus und sie schlugen sich selbst, zwei waren ausgeschaltet, dann kamen drei auf mich zu, der Eine wollte an meine Beine, der Nächste visierte meinen Bauch und der Dritte von ihnen meinen Kopf an. Mit einem Kick nach vorne traf ich den, der meine Beine zu schnappen versuchte, in eine böse Stelle und er sackte mit schmerzverzerrtem Gesicht zusammen. Auch die Anderen Beiden bekamen meinen Schuh zu spüren und ließen sich auf den Boden fallen. Weitere drei versuchten ihr Glück mit der gleichen Taktik, scheiterten jedoch kläglich.

Nur noch einer war übrig und ich drehte mich langsam, geschmeidig und geheimnisvoll zu ihm um. Ich funkelte ihn mit belustigtem Blick an und konnte riechen, dass er am liebsten flüchten wollte und selbst dazu nicht den Mumm aufbrachte. Ich schlenderte zu ihm herüber und musterte ihn mit abfälligen Blicken.

„Wer bist du?“ fragte er mit zittriger Stimme. Ich ließ nur ein leichtes Lächeln meine Lippen umspielen und baute mich nun vor ihm auf. Er war nicht viel kleiner als ich und trotzdem schien er im Boden versinken zu wollen. Ich setzte gerade an zu antworten, da vernahm ich Schritte und sah auf. Eine Minute der Stille und einen Augenblick später, stand eine Gruppe Älterer hinter ihm.

„Tyren...“ schrie mir ein großer braun gebrannter Typ ins Ohr und ich konnte seine Verwunderung erkennen. Sein Blick schweifte zu den Jungen am Boden und dem vor mir, sein Gesicht hellte sich auf.

„Na, spielst du wieder ein bisschen mit den Neuen?“ fragte er gespielt brüskiert.

„Hmm... hat nicht gereicht, um es wenigstens als das zu bezeichnen.“ murmelte ich und drehte mich um.

„Ich hoffe, du hast sie nicht zu sehr ran genommen.“ er machte zwar einige Schritte auf mich zu, hielt aber noch genug Abstand, um mir seinen Respekt zu zollen. Ich zuckte mit den Schultern und starrte erneut in den Himmel.

„Was machst du hier, Nanouk?“ fragte ich nun, ohne auf seine vorherige Aussage zu achten.

„Die Bürschchen gehören zu uns. Sie dachten, jetzt wo sie endlich „Erwachsen“ sind, können sie sich einen Ruf erarbeiten und selbstständig werden.“ er lachte leise auf und fügte: „Aber da sind sie am Anfang definitiv an den Falschen gekommen, dich als ihr erstes Opfer. Ich hoffe du nimmst es ihnen nicht übel!?!“ hinzu.

Ich wandte mich ihm und seiner Gruppe zu, die mich mit neugierigen Blicken musterten.

„Sie hatten Glück im Unglück.“ erwiderte ich und nickte ihm zu.

„Hast Recht.“ antwortete Nanouk, nickte ebenfalls und ging nun auf die immer noch am Boden liegenden Jungen zu.

„Viel Spaß noch...“ rief ich ihm zu und verschwand.

„Willst du nicht...?“ hörte ich ihn noch rufen, wollte jedoch nicht anhalten.

Und was mache ich jetzt? Aufgewärmt und ein wenig in Stimmung, trotzdem noch gelangweilt. Wie sollte ich mir als nächstes die Zeit vertreiben?

Ich hatte nach dieser Aktion so einige Städte durchlaufen, wie ein D-Zug ohne anzuhalten.

Jetzt befand ich mich in einer kleinen niedlichen Stadt nahe des Meeres. Ich mochte sie, da sie mir einige schöne Erinnerungen verschafft hatte und das war selten, wirklich sehr selten. Ich atmete die Stadtluft ein und vernahm einen lieblichen Duft. Vielleicht würde es ja hier interessanter werden, zumindest schien mir der Duft, dass zu versprechen.

*

- … -

Ich quälte mich aus dem Bett. Mein Wecker hatte bereits unzählige Male zuvor nervtötende Töne von sich gegeben und jetzt hatte er es geschafft. Ich drückte ein letztes Mal auf die Nachweck-Taste und rappelte mich auf.

Verschlafen rieb ich mir den Schlafsand aus den Augen und sah mich im halbdunklen Zimmer um. Missmutig wollte ich mich gerade wieder in mein Kissen zurückfallen lassen, da schaute mein Dad zur Tür rein.

„Morgen Schatz. Aufstehen, sonst kommst du zu spät.“ grinsend sah er mich an.

„Jaja... bin schon unterwegs.“ murmelte ich und gab es endgültig auf.

Ich torkelte zu meinem Kleiderschrank und zog schnell eine kurze Shorts und ein enges Top, sowie Unterwäsche aus seinen Tiefen. Ich schlenderte ins Bad und machte mich fertig.

 

Ich bin eine durchschnittliche Teenagerin, süße 17 Jahre, lange dunkelbraune, leicht gelockte Haare. Meine Augen waren braun mit grünen Schlieren durchzogen und meine Haut war von der Sommersonne schön braun gebrannt. Ich hatte nicht den besten Körper oder das hübscheste Gesicht, aber als hässlich würde ich mich auch nicht bezeichnen. Vielleicht hier und da ein paar Gramm zu viel am Körper, sodass ich mich oft unwohl in ihm fühlte, aber dick war ich nicht. Viele sagten mir ich hätte einen super Körper und sei sehr hübsch, aber wenn ich mich mit ihnen verglich konnte ich nicht mithalten.

Ja, ich weiß. Nicht vergleichen mit anderen, das ist schon fast eine Todsünde und trotzdem machte ich es immer wieder. Ich hatte den Schalter noch nicht gefunden, um es auszustellen. Dummerweise.

 

Mein Dad rief mich und ich lief, noch immer müde, die Treppen herunter. Ich machte mir etwas zu Essen, stopfte es in eine Brotbüchse und die wiederum verfrachtete ich in meine Schultasche. Dann sah ich gemütlich auf die Uhr und wurde ein wenig panischer. Ich wollte doch nicht am ersten Tag des neuen Schuljahres zu spät kommen.

Ich drückte meinem Dad noch einen Kuss auf die Wange und verschwand schließlich, etwas in Eile aus dem Haus. Vorher hatte ich mir noch hübsche Ballerinas und ein luftiges Jäckchen angezogen, auch wenn es Sommer war und die Sonne schon jetzt auf meinem Pelz brannte, war der Wind frisch.

Der Bus fuhr vor und ich konnte sofort einsteigen, glücklich setzte ich mich an ein Fenster, machte mir Musik über meine Kopfhörer an und dachte über das neue Halbjahr nach. Es war zwar das Erste der elften Klasse, aber ich war nicht wirklich aufgeregt.

Auch wenn ich das eigentlich sollte. Neuer Stundenplan, neue Klasse, vielleicht sogar neue Mitschüler und neue Lehrer. Aber irgendwie berührte mich das alles nicht. Schließlich war es nur Schule, sie interessierte mich nicht, außer sie beinhaltete wirklich mal ein spannendes Thema, aber das war selten.

Meinem Interesse entsprechend sahen meine Noten auch aus. Sie waren nicht schlecht, keinesfalls, aber sie waren irgendwie nur durchschnittlich, wie mein ganzes langweiliges Leben. Irgendwie wusste ich noch nicht so recht, etwas damit anzufangen.

Ich passte nicht hierher.

die Anderen waren immer anders, als ich gewesen und dementsprechend hielt ich von ihnen Abstand. Es kam mir alles so unsinnig vor was sie taten, was ein normaler Teenager tat. Die eine Variante war: Partys, Jungs, Drogen, Alkohol... und die andere war nicht viel besser: Schule und Karriere.

Beides hatte keinen Reiz für mich, doch das was mir wichtig war, zählte hier nicht.

Wie auch immer, als ich so über mein klägliches Leben nachdachte hielt der Bus schließlich und setzte mich vor der Tür meiner Schule ab.

Meine Müdigkeit war mittlerweile verflogen und ich trottete gemütlich mit den anderen auf den Haupteingang zu. Meine beste Freundin wedelte schon wild mit den Armen, als sie mich sah und schrie: „Noraaa...!“ ich lachte und begrüßte sie mit einem schüchternen Lächeln, denn ein paar hatten sich umgedreht und sahen mich komisch an. Am liebsten hätte ich gesagt: Glotzt nicht so. Aber dafür war ich definitiv zu feige.

Als ich bei Coco ankam fiel sie mir um den Hals und zog mich in eine feste Umarmung.

„Halloooo...“ flötete sie immer noch etwas zu laut.

„Na, lang nicht mehr gesehen.“ begrüßte auch ich sie und legte meine Arme um sie. „Viiiiiel zu lang. Wie geht es dir? Was hast du so gemacht? Hast du Jungs kennengelernt? Wie geht’s deinem Dad so? Erzähl mir alles.“ überhäufte sie mich mit Fragen und ich zog sie, nachdem sie mich endlich wieder Luft holen ließ, mit mir ins Schulhaus. Nebenbei erklärte ich:

„Mir geht’s gut. Ich hab nichts weiter gemacht und den Rest der Fragen hab ich schon wieder vergessen, aber es war sicherlich nichts Wichtiges. Was ist mit dir?“ sie grinste mich breit an.

„Du kennst doch bestimmt Florian, oder?“ fragte sie. Ich verdrehte die Augen, wenn sie damit schon anfing, wusste ich worauf sie hinaus wollte, doch ich ließ sie erzählen, schließlich hatten wir uns wirklich lang nicht mehr gesehen.

„Ich habe ihn in den Ferien zufällig getroffen und wir haben uns angefreundet. Ich sag dir das wird was, der is voll süß, sieht gut aus und ganz nebenbei is der auch noch stink reich.“ ihre Augen funkelten und ich musste lächeln. Sie war wirklich niedlich, wenn sie so strahlte.

„Ist das nicht der Bruder von Chloè? Geld hilft dir in Sachen Liebe aber nicht weiter, dass weißt du, oder?“ sie wollte gerade etwas erwidern, da kam Ace mit seinen Freunden an, er legte einen Arm um meine Schulter und zog mich zu sich. Coco bedachte er mit einem Lächeln und dann wandte er sich mir zu.

„Na Schönheit. Gut aus den Ferien zurück gekommen?“ fragte er.

„Bin noch halb drin, aber was will man machen. Und du?“ antwortete ich höflichkeitshalber.

„Ich konnte es kaum erwarten dich wiederzusehen.“ flüsterte er mir ins Ohr und wurde auch schon von einem seiner Kumpel von mir weggezogen.

„Wir müssen jetzt echt in die Klasse, sonst gibt's Ärger.“ Ace warf mir noch ein verführerisches Grinsen zu und zog ab.

„Der steht auf dich, ich sag's dir.“ kicherte meine beste Freundin und wandte sich wieder dem schwarzen Brett zu, auf dem Listen mit unserer Klassenzugehörigkeit ausgehängt waren.

„Und wenn schon, ich kann ihn irgendwie nicht leiden.“ verdattert drehte sie den Kopf wieder zu mir.

„Aber der is doch total nett? Ich versteh dich manchmal echt nich...“

Wir beendeten unser Gespräch mit einer Umarmung und verschwanden in unterschiedliche Klassenräume. Leider waren wir nicht in der selben Klasse untergekommen und ich musste mich allein durchschlagen. Ein Trost war jedoch, dass wir viele Kurse zusammen hatten und uns dadurch doch häufiger begegneten.

Ich sah mich in der Klasse um und musste betrübt feststellen, dass so ziemlich jeder Platz schon belegt war. Ich war wirklich spät dran gewesen, weil Coco mir so viel zu erzählen hatte und Ace schließlich auch noch angetanzt kam.

Bei dem Gedanken verdrehte ich die Augen und setzte mich zu einem Mädchen mit blonden kurzen Haaren und blauen Augen. Sie lächelte freundlich, als ich mich auf den Stuhl plumsen ließ und ich nickte ihr zu. Ich kannte sie vom sehen her, wusste aber nichts genaueres über sie. Ich hatte auch nicht weiter Zeit zu fragen wie sie hieß, denn unser Klassenlehrer betrat den Raum.

Hellbraune kurze Haare, blaugraue Augen und eher klein, dennoch nicht unattraktiv.

Er war noch recht jung und bis jetzt hatte ich ihn erst zweimal in unserer Schule herumlaufen sehen. Er sah sich kurz in der Klasse um, blieb an mir hängen und drehte sich dann doch wieder zur Tafel und seinem Tisch:

„Guten Morgen, alle Miteinander.“ sagte er fröhlich und wir gaben ein lustloses:

„Guten Morgen.“ im Chor zurück.

Er grinste nur und sagte nichts weiter zu diesem Tonfall. Er packte ein paar Hefter und Blätter aus.

„Ich bin Herr Barrymore, freut mich euch in diesem Schuljahr begleiten zu dürfen. Wir werden einige Stunden miteinander verbringen und ich hoffe wir kommen gut miteinander aus.“ Er musterte mich noch einmal und wandte sich wieder der Klasse zu. Wieso um Himmelswillen starrt er mich denn bitte immer wieder an?

Er setzte seine Rede weiter fort und diese Ausführung will ich mir wirklich ersparen. Das Organisatorische dauerte die kompletten zwei Stunden. Bis zwei Klassensprecher gefunden wurden und gewisse andere Leute die sich kümmerten, die Belehrungen und Kurse die wir nun zu Besuchen hatten.

In der lang erwarteten Pause hatte ich mich mit Coco am Schwarzen Brett verabredet und quatschte bis zum Klingen mit ihr über die Ferien, auch wenn ich nicht viel darzulegen hatte, konnte sie nicht aufhören zu erzählen.

Die nächsten Stunden vergingen schleichend und schon am ersten Schultag, fing ich an die Schule zu hassen. Als ich sie schließlich erleichtert verlassen konnte, stöhnte ich schwer auf und sah zu Coco, die sich mit Ace und seinen Kumpel unterhielt.

Die sah man aber auch immer zusammen, dass sie immer das Glück hatten in eine Klasse zu kommen, war schon fast Zufall. Ace schien etwas zu suchen und wanderte mit seinem Blick über den Schulhof, als er mich sah grinste er. Wahrscheinlich hatte er es gefunden. Ich sah kurz hinter mich, um mich zu versichern, das er nicht doch jemand anderen meinte und gesellte mich schließlich zu ihnen.

„Hey, hast du Lust mit uns Eis essen zu kommen? Es ist doch ziemlich heiß und...“ setzte er an, doch ich winkte dankend ab.

„Tut mir Leid. Ich werd nach Hause fahren mein Dad meinte, er bräuchte Hilfe bei etwas, aber Danke, das du fragst bei nächsten Mal.“ er nickte verständnisvoll und drehte sich zu seinen Freunden. Coco funkelte mich verschwörerisch an und umarmte mich.

„Wir sehen uns.“ flüsterte ich und sie nickte nur.

„Bis morgen.“ rief ich der Gruppe zu und bekam ein:

„Wir sehen uns.“ zurück.

Ich spürte noch eine Weile ihre Blicke auf meinem Rücken, doch ich schüttelte nur meine langen Haare zurück und steuerte geradewegs auf den Bus zu. Mit meinen Kopfhörern und dröhnender Musik in den Ohren stieg ich auch schon ein und freute mich nach Hause zu kommen.

Ich wusste, Coco würde mit den Jungen mitgehen, denn unter ihnen war Mael. Er war nicht nur nett, sondern sah auch noch gut aus. Sie mochte ihn seit sie ihn das erste Mal gesehen hatte und das verschwieg sie mir nicht gerade selten. Auch wenn sie gerade erst mit Flo angefangen hatte, sich zu befreunden.

Sie ist keinesfalls eine Tussi, die immer mehrere gleichzeitig hat, aber Mael ist ein wenig ihre unerwiderte Liebe, die sie versucht, zu überspielen, mit anderen.

Irgendwie tut sie mir Leid, sie hatte schon einmal einen indirekten Korb von ihm bekommen und trotzdem gab sie nicht auf. Sie war ein tapferes Mädchen und manchmal wünschte ich mir so zu sein wie sie, aber dann wäre ich schließlich nicht ich, richtig?

Die Jungs und auch Ace hatten alle ein wenig ihre Eigenarten. Sie schienen irgendwie nicht ganz normal zu sein, nicht das sie nicht nur übermäßig gut aussahen und allein damit alle Mädchen auf sie standen, nein, irgendetwas ließ sie mysteriös erscheinen. Sie waren immer in einer Gruppe, unzertrennlich und man konnte sich nicht vorstellen sie je zerstritten zu erleben.

Wenn ein Junge mal mit ihnen Streit hatte, hatte er kaum eine Chance, dass allein zu regeln, sie agierten immer, wirklich immer zusammen. Wie ein Rudel Wölfe und genauso distanziert. Ich bin der Meinung, dass es das ziemlich selten heutzutage gibt und bewundere sie dafür. Aber trotzdem gehen sie mir ein wenig auf die Nerven.

Natürlich sehen sie gut aus und das wissen sie auch, deswegen benehmen sie sich dementsprechend. Ace hatte eine Zeit lang jede Woche ein neues Mädel an seinem Rockzipfel hängen gehabt, bis er sich wahrscheinlich in den Kopf gesetzt hat auch mich zu verzaubern. Seitdem bin ich unbeliebt bei den Mädchen, sie werfen mir verachtende Blicke zu und hassen mich dafür, dass ich ihren ach-so-tollen Ace abblitzen lasse. Er ist sicherlich kein schlechter Kerl, aber irgendwie ist er nicht der Richtige für mich. Als Freund klar... kein Problem.

Auf jeden Fall warte ich noch, das der Richtige vom Himmel fällt und mein Herz entführt. Ich bin eine hoffnungslose Romantikerin.

 

Auch an diesem Morgen musste ich mich aus dem Bett quälen. Mein Dad hatte mich bereits mehrere Male gerufen, aber ich bin einfach ein Morgenmuffel und da konnte ich nichts gegen tun, so sehr ich den Morgen auch genießen wollte, meine Laune war dafür zu schlecht. Meine unter meiner Bettdecke wurde es kühl, als ich sie zurück schlug und mein Kissen rief erneut nach mir, als ich ins Bad verschwinden wollte. Ich zwang mich, nicht noch einmal an Schlafen zu denken und machte mich fertig.

Gestern hatte ich meinem Dad geholfen den Garten ein wenig auf vorderman zu bringen. Wir hatten viel Spaß dabei gehabt das störrische Unkraut aus der Erde zu rupfen und uns danach mit dem Gartenschlauch eine kühle Erfrischung zu genehmigen.

Ich wusste das mein Dad das im Moment brauchte, denn sein Herz hing noch immer schwer an meiner verstorbenen Mutter. Wir haben sie alle geliebt... doch für jeden kommt einmal die Zeit diese Erde zu verlassen. Ich hatte am Anfang auch einige Probleme damit klar zu kommen, da mir keiner dabei helfen konnte, aber mittlerweile betete ich jeden Abend für sie und hoffte sie würde über uns wachen, damit nicht noch mehr Schlimmes passierte.

Zurück zu meinem zweiten, angerissenen Schultag, an dem ich mich müde durch die Schule schleppte und versuchte dem neuen Unterrichtsstoff zu folgen. Coco hatte gute Laune, denn schon heute war sie mit Florian verabredet, in seiner großen Villa am Stadtrand. Sie redete von nichts anderem mehr und machte es mir noch schwieriger den Lehrer zu verstehen.

„Und er meinte seine blöde Schwester und seine Eltern sind nicht da. Wir sind ganz allein, außer der Butler, das Haus ist nur für uns. Ist das nicht aufregend?“ flüsterte sie mir zu. Ich nickte nur und sah mich in der Klasse um, außer mir und ihr versuchten es nur wenige andere Schüler zu verstehen, was da für ein Gekritzel an der Tafel stand, doch die Mehrzahl widmete sich dem Malen auf die Tische, tratschen mit den Anderen oder einfach nur aus dem Fenster starren.

Unwillkürlich musste ich grinsen und drehte mich wieder zu meiner hippeligen Freundin.

„Und was ist mit Mael?“ sie verstummte bei meiner Frage und runzelte angestrengt die Stirn.

„Was soll mit ihm sein?“

„Ich dachte du magst ihn... wenn du nur zu Flo gehst, um dich abzulenken, solltest du das lassen. Das wird bestimmt böse enden.“ entgegnete ich und wandte mich dem Lehrer zu, der uns mit einem mahnenden Blick bedachte und sich erneut seinem Lehrbuch widmete.

„Ich will nicht ewig auf ihn warten und Flo ist echt nett.“ ich konnte sie nur ihre Schultern zucken sehen und sich wieder ihrem Hefter zuwenden.

„Ich warne dich nur, ich hab ein mieses Gefühl bei der Sache.“ murmelte ich.

„Danke, genau deswegen bist du die beste Freundin der Welt. Denn egal was für einen Mist ich baue, ich kann immer wieder zu dir kommen und einen Rat hast du auch immer parat.“ sie grinste bis über beide Ohren und drückte mir einen Kuss auf die Wange.

Auf mein Gesicht zauberte sie damit auch ein kleines Lächeln und es klingelte endlich zur Pause. Coco verschwand sofort in die höhere Klasse, um Flo aufzusuchen, trotz meiner Warnung.

Kurz nachdem ich meine Sachen zusammen gepackt und aus dem Raum getreten war, um den Kunstraum aufzusuchen, spürte ich, wie mir jemand einen Arm um die Schulter legte, sich zu mir runter beugte und raunte:

„Na, Lust mit uns die nächsten beiden Stunden zu schwänzen?“ ohne zu sehen wer es war, erkannte ich ihn an seiner groben Stimme.

Meine Augen suchten nach seinen und verloren sich fast in dem berauschenden Smaragdgrün. Ich muss zugeben, selbst ich wurde für einen kurzen Moment schwach, als ich in deren Tiefen eintauchte und alles um mich herum vergessen konnte. Auch er musterte mich mit einem interessierten Blick und ließ mich nicht wieder aus seinem Bann. Glücklicherweise strich er mir eine Haarsträhne, die mir ins Gesicht gefallen war hinters Ohr, sodass ich es schaffte mich auf etwas anderes zu konzentrieren, als auf das stechende Grün, dieser fordernden Augen.

Ich sah wie seine blonden Haare ihm ins Gesicht fielen und mit seinen schön geschwungenen Augenbrauen und den vollen Lippen, sein kantiges Gesicht abrundeten. Ich ließ meinen Blick weiter nach „unten“ schweifen, wo ich breite Schultern und einen durchtrainierten Körper vor mir sah. Sein T-shirt betonte seine Muskeln und machte jedes Mädchen nur noch schärfer auf ihn.

Nachdem ich meine Augen wieder zu seinem Gesicht gewendet hatte, breitete sich ein unverschämtes Grinsen auf diesem aus.

„Nimmst du mich endlich als Mann wahr?“ fragte er verschmitzt.

„Mann? Eher Memme oder...“ gab ich zurück und grinste ebenfalls frech. Seine Augen funkelten mich finster an und er zog mich weiter durch den Flur.

„Ganz schön frech, Kleines.“ murmelte er.

„Ich bin nicht klein.“ protestierte ich. Doch brauchte ich keine Antwort, um zu wissen das diese Aussage nicht zutraf. Ich, mit meinen 1,67 m, konnte nichts gegen seine 1,83 m sagen. Er war für mich groß und überragte mich um einen Kopf, doch es gab noch weitaus Größere. Er lachte nur laut auf und drückte mich ein wenig fester an sich.

„Was willst du?“ fragte ich nun genervt und versuchte seinen Arm von mir abzuschütteln. Leider ohne Erfolg, er musste sich nicht mal anstrengen, um mich unter seine Kontrolle zu bringen.

„Fragen ob du mit mir Schwänzen willst!? Sagte ich bereits.“ wiederholte er sich und sah zu mir herunter. Ich fühlte mich nur noch winziger und merkte, dass es nicht nur ein Größenunterschied, sondern auch einen Macht bzw. Autoritätsunterschied gab. Aber den konnte ich glücklicherweise verändern und manipulieren.

„Nein! Ich bin ein artiges Mädchen.“ brummte ich und warf ihm einen abweisenden Blick zu.

„Lüg nicht. Du hast bestimmt auch schon so einiges...“ weiter kam er nicht, denn er wurde von Herr Farnsworth unterbrochen, der sich vor uns aufbaute und trotzdem lächerlich wirkte. Ich musste mich zusammen reißen nicht loszulachen, als er anfing in seiner hohen, schrillen Stimme Ace zu ermahnen:

„Versuchst du wieder jüngere Mädchen zu verführen und ihnen schlechte Sachen bei zu bringen?“ fragte er eher weniger überzeugend. Ace's Augen glitten genervt zu mir und ich entlockte ihm ein Lächeln, als er sah, wie ich mir eines verkniff.

„Ganz und gar nicht Herr Farnsworth. Ich versuche gerade meine nächste Verabredung klar zu machen, in der ich ihr helfe Biologie zu verstehen.“ er grinste ihn breit an und wollte mich schon an dem schmächtigen Lehrer, mit kahlem Kopf und Nickelbrille vorbeiziehen, als er sich erneut aufplusterte.

„Junger Herr, ich möchte sie bitten solche Spielchen zu unterlassen. Sie ist viel zu jung für...“ er stockte bis ich Begriff, woran er dachte.

„Keine Sorge. Ich werde nicht weich bei diesem Angeber. Er hat lediglich versucht mich zum Schwänzen zu überreden, was ich dankend ablehnte, da ich nur noch zwei Stunden Kunst hinter mich bringen muss. Ich würde ohnehin nie eines seiner Betthäschen werden.“ verblüfft starrte mich der Zwölftklässler an und ihm klappte beinahe der Mund auf, als ich hinzufügte:

„Ich habe kein Biologie mehr als Kurs, deswegen können sie sicher sein, dass es nur eine Ausrede war und ihm gern eine Strafpredigt halten.“ mein Grinsen wurde noch breiter und ich schaffte es endlich mich aus seinem Arm zu lösen.

Herr Farnsworth lächelte mir freundlich zu.

„Vielen Dank, für diese ehrliche Auskunft.“ bedankte er sich und drehte sich mit wütendem Blick zu Ace um. Der stand immer noch verwirrt und ungläubig mit offenem Mund von meinem Verrat da, wie ein begossener Pudel. Ihm fiel keine gute Ausrede ein, das wieder gut zu reden und als ich noch hinzufügte:

„Mund zu. sonst kommen die Fliegen rein.“ erkannte ich, wie er ein wenig wütend wurde.

Ich konnte mir das Lachen nun endgültig nicht mehr verkneifen und musste mir schließlich den Bauch vor Lachen halten, um nicht umzukippen, als ich den Kunstraum betrat. Sein verdattertes Gesicht war einfach zu herrlich gewesen und Ärger bekam er jetzt noch obendrein.

Ich bereute kein Wort und gönnte es ihm außerordentlich mal was auf die Mütze zu bekommen. Obwohl ich nicht viel Hoffnung hatte, dass er ernsthaft leiden müsste, da er und seine Freunde immer gut weg kamen, aus rätselhaften Gründen.

Die restlichen zwei Stunden verbrachte ich immer wieder damit laut zu lachen, denn Ace's Gesicht war einfach zu herrlich gewesen, als das ich es vergessen könnte. Dadurch bekam ich zwar des öfteren strenge Blicke meiner Lehrerin zugeworfen, doch machte es mir nicht viel aus. Schließlich war es doch noch ein einigermaßen erfolgreicher Tag gewesen.

 

2. Ein harmloser Waldspaziergang – Treffpunkt: verschrumpelter alter Baum

Als ich zuhause ankam aß ich Mittag und legte mich in die Sonne, um mich zu bräunen. Mein Dad kam spät von der Arbeit und legte sich sofort hin, er war ziemlich fertig gewesen und das konnte ich gut verstehen.

Ich schrieb ihm zur Dämmerung einen Zettel, dass ich noch ein wenig im Wald Spazieren gehen würde und spätestens um 10 Uhr wieder daheim war. Dann begab ich mich auf den Weg durch die rauschenden Bäume und das duftende Gras. Unser Haus lag ein wenig abgeschieden von der Stadt und wir hatten hinter unserem Garten weite Wiesen, Felder und Wald.

Besonders im Frühling liebte ich es hier entlang zu schlendern, da es ein ruhiger Ort und gut zum Nachdenken war.

Etwas tiefer auf einer Lichtung hatte ich einen uralten verschrumpelten Baum entdeckt, der sich gut zum Klettern eignete und auf den ich mich früher oft verkrochen hatte, wenn mir alles über den Kopf stieg und mir die Luft zum Atmen gefehlt hatte.

Ich wanderte nun einen schmalen Trampelpfad entlang und streifte durch die hohen Gräser und bunten Blumen. Als ich schließlich an der Lichtung ankam, legte ich mich auf das weiche Moos, neben den verknorrten Baum und sah in den Himmel, der von der untergehenden Sonne in ein kräftiges Rot getaucht war und die prächtigsten Bilder, durch die bestrahlten Wolken entstanden.

Ich schloss die Augen und zog die angenehm frische Luft ein. Die Stille beruhigte mich und ich lauschte dem sanften Wind, der die Gräser melodisch zum Schwingen brachte und mir über die Haut strich. Die Vögel, die in ihren Nestern lieblich zwitscherten und dem leisen Knacken im Unterholz.

Irgendwie fühlte ich mich hier oft wohler, als in der vergasten Stadt, mit den vielen Menschen um mich herum, doch heute war es besonders schön. Ein wohliges Gefühl machte sich in mir breit und ich musste aufpassen hier nicht einzuschlafen.

Plötzlich machte es über mir Knack und ich rappelte mich erschrocken auf. Ich saß zwar noch immer, sah aber gebannt in den Baum der über mir seine Äste weit ausgebreitet hatte und auf ihnen erkannte ich eine schwarze Silhouette. Es kam mir vor wie ein Schatten, der sich bewegte und unerwartet sprang es vom Baum. Dieser Jemand landete direkt vor mir und musterte mich aus tiefen, hellen, wasserblauen Augen. Sie waren stechend und so strahlend, dass selbst der klarste Ozean, vor diesen Augen, mit Neid verblasste.

Sie musterten mich funkelnd und vor allem interessiert.

Umrahmt wurden sie von einem dunklen Wimpernkranz und perfekten geschwungenen Augenbrauen. Seine rabenschwarzen Haare ließen das klare helle Blau nur noch mehr hervorstehen und fielen ihm verwuschelt in sein schönes Gesicht. Er hatte hohe Wangenknochen und ein hübsches, spitzes Kinn. Seine Nase war nicht weniger perfekt und die Krönung des ganzen waren seine sinnlichen Lippen, die danach schrien berührt zu werden. Ich traute mich kaum den Blick von ihm abzuwenden, doch wollte ich unbedingt wissen, wer mir außer dieses attraktiven Kopfes gegenüberstand. Also glitt mein Blick an seinem Hals zu den breiten Schultern und den gut definierten Muskeln an seinem Oberkörper, immer weiter nach unten, starke Arme und muskulöse Beine ließen ihn vor mir wie einen Engel oder Dämon erscheinen, ich musste nur noch herausfinden, was er war.

Er sah so verdammt gut aus, das mir beinahe Sabber aus dem Mund gelaufen wäre, hätte ich meine Lippen nicht fest aufeinander gepresst, um zu verhindern, rot wie eine Tomate zu werden.

„Mir gefällt was ich sehe und wie geht es dir?“ fragte er schließlich mit tiefer und rauer, kratziger Stimme.

Mir stockte noch immer der Atem und ich wusste einfach nicht was ich erwidern sollte. Er beugte sich zu mir und kam mir viel zu Nahe mit seinem verboten gutaussehenden Gesicht. Ein arrogantes Grinsen huschte über seine Lippen und seine Augen funkelten mich geheimnisvoll an. Immer näher und näher, rückte er mir auf die Pelle und in meinem Kopf zogen sich die Synapsen zusammen vor lauter Denken.

Tausend Fragen schossen mir durch den Kopf: Wieso sah er, verdammt nochmal so gut aus? Was wollte er von mir? Was macht er hier an meinem Lieblingsplatz? Ist er gerade vom Himmel gefallen?

Als er jedoch andeutete, seinen unbeschreiblichen Mund auf Meinen pressen zu wollen regte sich endlich etwas, ein Ruck fuhr durch meinen Körper, ich drehte hastig meinen Kopf und gab ihm eine Backpfeife.

Hatte er davon, mich so zu verunsichern... dachte ich. Er legte eine seiner großen Hände an seine Wange und in seinen Augen blitzte es gefährlich auf. Ich wusste ich hatte jetzt zwei Optionen. Entweder ich würde wegrennen oder ich würde hier stumm sitzenbleiben.

„Ganz schön mutig, Süße.“ raunte er und wollte sich wahrscheinlich gerade auf mich stürzen, da sprang ich wie von Bienen gestochen auf und fauchte:

„Blödmann.“ ich rannte in Richtung kleiner Trampelpfad.

Der war doch nicht mehr ganz dicht, egal wie gut er aussah, dass gab ihm lange nicht das Recht mich zu küssen. Ich setzte schnell einen Fuß vor den anderen und überlegte was ich tun würde, wenn er mich einholen könnte. Im Sprint, wie auch in Ausdauer, war ich nie die Beste gewesen und verfluchte mich jetzt für meine Unsportlichkeit. Ich hörte es neben mir im Unterholz knacken, brachte aber nicht den Mut auf, mich umzudrehen.

„Hey.“ hörte ich auf einmal eine Stimme vor mir und ich fuhr herum. Ich drehte mich verwirrt im Kreis, konnte jedoch nirgends jemanden entdecken.

„Glaubst du wirklich...“ schallte es plötzlich von rechts.

„dass du mir...“ hinter mir.

„entkommen kannst!“ direkt vor mir.

Unsicher und panisch versuchte ich einen klaren Gedanken zu fassen, doch es war unmöglich. Ich fühlte mich von allen Seiten beobachtet und gefangen. Irgendwie wusste ich, das ich keine Chance gegen diesen Irren hatte.

Ich musste die Taktik wechseln, auch wenn sie ein großes Risiko war.

„Hey, Angsthase, traust du dich nicht einem kleinen hilflosen Mädchen gegenüber zu treten, sondern sie lieber aus dem Hinterhalt zu attackieren?“ rief ich einfach in den Wald hinein, in der Hoffnung meine Stimme würde fest und nicht zittrig vor Unbehagen klingen.

„Wer ist denn gerade panisch davon gelaufen?“ fragte er wieder mit dieser sexy Stimme und trat hinter mir aus dem dichten Gestrüpp.

Ich drehte mich, so locker ich konnte, um und starrte ihn böse an.

„Wenn man mich so überrascht wie du, ist das kein Wunder.“ zischte ich, nicht mehr ganz so von meinem Plan überzeugt.

„Kann ich ja nichts dafür, wenn du dich unter den Baum legst, schläfst und mich nicht einmal bemerkst.“ grinste er und machte ein paar Schritte auf mich zu.

Ich wich nicht nur seinem Näher kommen, sondern auch seinen Blicken.

„Das ist mein Platz, niemand außer mir war jemals hier und ich hätte nichts dagegen, wenn es dabei bleibt.“ erwiderte ich und blieb endlich stehen.

Der komische Typ fing an, mich wie ein Raubtier zu umkreisen und nicht aus den Augen zu lassen.

„Steht dort irgendwo dein Name, der beweist das es dein Eigentum ist und du mir verbieten kannst wieder herzukommen?“ fragte er hämisch. „Nein...“ giftete ich zurück und fügte hinzu:

„Aber vielleicht sollte ich meinen Namen wirklich verewigen.“ sein blödes breites Grinsen wurde noch breiter.

„Du kannst mir deinen Namen auch so sagen, dann muss ich nicht extra nochmal herkommen, um ihn zu erfahren und du kannst dort ungestört...“

„Guter Versuch, selbst wenn ich ihn dir sagen würde, würdest du wiederkommen, also schwing hier keine großen Reden.“ ich war erstaunt über meine Bissigkeit heute und die guten Konter, die ich trotz des blendenden Anblicks und der ansteigenden Angst, sicher herüber brachte.

„Um keine Antwort verlegen.“ murmelte er und als ich gerade Stolz grinsen wollte, überrumpelte er mich und lag auf mir drauf. Schnaubend öffnete ich die Augen und sah, dass sein Gesicht nur noch Millimeter von meinem entfernt war. Irgendwie war mir gerade tierisch nach schreien, doch er drückte mir nur zwei Finger auf die Lippen und funkelte mich belustigt an.

„Sssssscht... wir wollen doch keine Vögel aufschrecken und irgendwelche Wölfe die kommen und dich auffressen wollen, oder?“ flüsterte er mir direkt ins Ohr und ich konnte seinen warmen Atem auf meiner Haut spüren. Ich hielt verzweifelt die Luft an. Als er merkte, dass ich nicht antworten würde, stemmte er seine Arme links und rechts von meinem Kopf auf den Boden und entfernte sich ein Stück von mir.

Nicht, dass das die Schnelligkeit meines Herzens verringern könnte oder die aufsteigende Hitze überall auf meiner Haut. Nein, zu allem Überfluss wurde ich auch noch verdammt rot, was ihm wieder ein triumphierendes Grinsen auf das Gesicht zauberte.

„Was willst du?“ presste ich mit Mühe hervor und warf ihm einen vernichtenden Blick zu, zumindest versuchte ich es. Er lachte jedoch nur und kam mir wieder ein Stück näher:

„Weißt du, das du unglaublich gut riechst. So etwas hab ich lange nicht mehr gerochen.“ mit seiner Nase streifte er über meine Wange, zu meinem Hals und zog scharf die Luft ein, nur um seine Aussage zu bekräftigen.

Ein leises Knurren entwich seiner Kehle und seine Augen schienen zu einem Sturm zu werden. Immer mehr ähnelte er einem Raubtier und ich seiner Beute.

Dieser Gedanke schoss mir mehrmals durch den Kopf, bis mir klar wurde was hier gerade ablief. Ich stemmte meine Hände gegen seine muskulöse Brust und musste schnell erkennen, dass es absolut keinen Sinn hatte.

„Was bist du?“ hauchte ich und schloss die Augen, um seinem stechenden Wahn (auch alias Blick) zu entkommen und einen wieder halbwegs helfenden Gedanken zu fassen. Auch wenn das so ziemlich unmöglich war, da mein Gehirn zu Wackelpudding mutierte.

Ohne mir eine Antwort zu geben, leckte er leicht, wie ein Hauch, mit seiner Zunge über meinen Hals und verfolgte meine Reaktion mit seinen Augen. Wie gebannt lag ich noch immer unter ihm und fing an zu zittern.

„Rate...“ flüsterte er nur wieder nah an mein Ohr und jagte mir einen eiskalten Schauer über den Rücken.

„Vollidiot, Blödmann,, Dummkopf, Troll, kranker Primat, Vampir?“ mehr fiel mir nicht ein und er sah mich etwas verblüfft an.

„Du hältst mich für einen Vampir?“ fragte er scheinbar ernst.

Das war alles was ihn störte? Nicht der kranke Primat oder Troll?

Vampir!?!

Vielleicht war er ja wirklich einer, denn so konnte einfach kein Mensch aussehen.

„Tzz... haha, du bist echt komisch.“ flüsterte ich lächelnd und wunderte mich doch, mich so wohl in seiner Gegenwart zu fühlen.

Die Angst war wie weggeblasen, als er mich wieder so überrascht ansah und sein Blick, wie ein Hund, auf mir ruhte. Es schien, als hätte er nur sein Herrchen gesucht und wäre das Kuscheltier schlechthin und nicht der gefährliche Tiger, für den ich ihn hielt.

„Was ist?“ fragte ich nach einer Weile, weil diese Stille etwas unangenehm wurde und auch er mich irgendwie komisch musterte.

„Du lachst echt süß. Das ist mir noch nie bei einem Mädchen passiert, aber ich find es wirklich süß, wenn du lachst. Kannst du das nochmal machen?“ verwirrt zog ich meine Augenbrauen hoch und überlegte, ob er das ernst meinte. So etwas hatte noch nie jemand zu mir gesagt, es war irgendwie niedlich. Er sah mich so erwartungsvoll mit seinem Hundeblick an. Was sollte ich bloß tun, er wurde immer mehr, wie ein Hund in meinen Augen.

Ein kleines Grinsen, konnte ich mir bei dem Gedanken, einfach nicht verkneifen. Nein... nein... nein! Er ist kein knuffiger Hund! Er ist ein Monster von Mann, der verboten gut aussieht, dich angegriffen hat, dich küssen wollte und jetzt auf dir drauf liegt. Wer weiß, was er sonst noch mit dir anstellt.

Ich fing mich wieder und starrte ihn böse an, blöder Typ... blöder Typ... redete ich mir ein und sah, wie auch sein Ausdruck sich veränderte.

„Hmm... wenn du wütend bist, siehst du auch zum Anbeißen aus.“ grinste er wieder und war das Raubtier von vorhin. Wie komme ich aus dieser verdammten Situation nur wieder raus?

So, als hätte er meine Gedanken gelesen, kam er mir wieder ein Stück näher:

„Je mehr ich dich gerade so sehe, desto schwerer fällt es mir, dich gehen zu lassen.“ raunte er und streifte mit seinen Lippen meine, jetzt wurde es mir aber definitiv zu heiß.

Ich wand mich unter ihm und schlug auf ihn ein. Ich musste hier weg, Dad würde sich sicher auch schon Sorgen machen. Ohne viel Mühe nahm er meine Arme und verschränkte sie über meinem Kopf. Mit nur einer Hand hielt er sie an Ort und Stelle und mit der Anderen hob er mein Kinn:

„Wir werden jetzt ein bisschen...“ er brach mitten im Satz ab und knurrte wieder, aber kein lustvolles wie vorhin, sondern eher wütend. Mit einem Satz war er aufgesprungen und zog mich gleich mit.

„Zu Schade, aber du solltest jetzt gehen. Und glaub bloß nicht, ich lasse dich so leicht vom Haken.“ er lächelte verführerisch, hauchte mir einen Kuss auf die Wange und ließ mich laufen.

*

- Tyren -

Zu dumm, ich musste sie jetzt, wo es doch gerade lustig wurde, gehen lassen. Immer wenn es am schönsten ist. Dieser Tag war noch nicht so wirklich gut verlaufen und sie war gerade wirklich eine interessante Entdeckung gewesen. Ihr Geruch war so unglaublich lieblich und betörend, geradezu verführerisch. Es war der selbe Geruch, der mich in diese Stadt gelockt hatte.

Nicht nur, das sie so anziehend roch, sie sah auch noch verdammt gut aus. Haselnussbraune Augen, die einem durch das Glänzen, den Atem rauben konnten und langes seidiges braunes Haar, welches ich am liebsten mit meinen Fingern durchkämmt hätte. Ihr Körper war ebenfalls nicht zu verachten, die richtigen Kurven und nicht zu dünn und zerbrechlich. Aber die Krönung waren wahrscheinlich ihre Lippen... schon jetzt begehrte ich sie, mit ihrem Körper und ihrem Temperament, mehr als alles Andere, was ich je in meinem Leben wollte.

Diesen schönen Moment mussten irgendwelche Dummköpfe unterbrechen.

Wobei ich schon wieder an sie denken muss, da sie mich auch so genannt hatte.

„Hey... ich hab grad wirklich nicht übel Lust euch alle einzeln aus den Büschen zu kloppen, also hättet ihr vielleicht die Güte und würdet euch zeigen?“ stöhnte ich genervt und zog die Stirn in Falten. 7 Jungs in meinem Alter, traten aus dem jetzt düsteren Wald, trotzdem konnte ich sie gut erkennen und wusste genau wer vor mir stand.

„Wer bist du?“ rief mir einer zu und nun hatten sie einen Kreis um mich gebildet.

„Diese Frage höre ich eindeutig zu oft.“ murmelte ich und ließ meine Augen aufleuchten, ja in der Tat, sie konnten in der Nacht leuchten.

„Wieso zeigst du uns deine Augen?“ kam die nächste dämliche Frage.

„Glaubt ihr im Ernst, dass ich nicht rieche, dass ihr von meiner Art seid?“ stellte ich als Gegenfrage.

Einer der Jungs kam näher und zog eine Augenbraue hoch. Seine Augen leuchteten Smaragdgrün.

„Du bist Einzelgänger?“ jetzt reichte es mir aber endgültig.

„Ich habe nicht die beste Laune, euch zu erklären wer ich bin, wenn ihr mir nicht auch sagt, wer ihr seid. Diese ganzen Fragen gehen mir langsam echt auf den Wecker.“ zischte ich feindselig und sie machten sich kampfbereit. Sollten sie nur, ich würde mich heute nicht mit ihnen vergnügen, dafür hatte ich nun wirklich keinen Nerv mehr.

„Wir sind die Silver Wolf Gang und Beansprucher dieses Gebietes. Wir mögen keine Eindringlinge!“

„Silver Wolf...“ wiederholte ich still und blickte mich in der Runde um. Auch das noch, Wölfe waren dafür bekannt ihr Gebiet äußerst loyal und beharrlich zu verteidigen. Mit jenen, war nicht grade Zuckerschlecken angesagt. Was bedeutet, diese Unterredung konnte etwas länger dauern. Na toll!

„Noch was, was du wissen willst? Oder verrätst du uns jetzt endlich wer du bist und was du hier willst?“ drängte er.

„Ihr wollt wissen wer ich bin?“ sie nickten alle zur Bestätigung.

„Seid ihr euch sicher?“ wieder ein einstimmiges Nicken, nur etwas mit Nachdruck.

„Wenn ich es euch sage, werdet ihr aber nicht mehr so leben können wie bisher, dann muss ich euch nämlich beweisen, was der Name für eine Bedeutung trägt.“

„Jetzt sag ihn einfach, ein Name kann uns schon nicht umbringen.“ ich grinste und ließ meine Augen wieder gefährlich leuchten.

„Ich bin Tyren, der Einzelgänger.“

„Wow, das mit dem Einzelgänger hättest du weglassen können. Das wussten wir bereits.“ sagte ihr Anführer genervt.

Jedoch einer zog scharf die Luft ein, die Anderen standen weiterhin nur mit dicken Fragezeichen auf dem Gesicht vor mir.

„Wenigstens einer, der wahrscheinlich ansatzweise von mir gehört hatte.“ knurrte ich mit einem gewissen Unterton.

„Leute, wir sollten abhauen.“ flüsterte er und die Anderen drehten sich zum Gehen um.

„Halt. Ihr wollt doch nicht ernsthaft vor einem Einzelfänger fliehen. Denkt an unseren Ruf.“ brummt ihr Anführer, noch immer mit leuchtenden Smaragden im Gesicht, kampfbereit.

„Das war die falsche Entscheidung, Jungs. Ich habe euch die Möglichkeit gelassen, aber ihr habt sie nicht ergriffen.“ sagte ich in überdeutlichem Ton und schrie schon im Sprung:

„Jetzt müsst ihr die Konsequenzen tragen.“

Alle außer der Anführer hatten die Beine in die Hand genommen, doch sie würden nicht weit kommen. Zwei packte ich am Haarschopf und riss sie zu Boden, als ich wieder mit den Füßen aufsetzte. Ich knallte ihre Köpfe zusammen und sie glitten zu Boden. Aus 7 mach 5.

Den Nächsten erwischte ich, wie er gerade auf einen Baum springen wollte. Ich sprang ebenfalls ab und erwischte ihn in der Luft und traf ihn hart in den Bauch, er flog einige Meter, bis er gegen einen Baum krachte und in sich zusammen sackte.

Nun musste ich mich aber doch ein wenig beeilen, damit mir die Anderen nicht entwischten. Die Nächsten zwei schaltete ich mithilfe von Bäumen aus, die ich an der Spitze, wie ein Katapult herunter zog und auf sie richtete. Sie erschlugen sie und doch wusste ich, dass sie nur ein paar Kratzer davon tragen würden, der mit dem Tritt hatte sicherlich gebrochene Rippen, auch wenn er derjenige war, der die Anderen gewarnt hatte. Nur noch zwei!

Einer war schon mit einem Affenzahn aus dem Wald gerast, doch ich stellte mich ihm in den Weg und erledigte ihn mit ein paar weiteren Tritten. Ich warf ihn auf meine Schulter und rannte zurück zu ihrem Anführer.

Einige hatten sich aufgerappelt und schienen taffer als gedacht. Ich ließ den leblosen Körper auf den Boden sinken und steckte wieder lässig die Hände in die Hosentaschen.

„Ihr enttäuscht mich.“ keine Antwort, lediglich ein Knurren und einen wütenden blonden Typ, der auf mich zu stürmte. Seine Hand war zu einer Faust geballt und zielte direkt in mein Gesicht, was SIE vorhin so angestarrt hatte.

Mit einer lässigen Bewegung wich ich aus und er schlug ein Loch, in den hinter mir stehenden, Baum. Immer noch den Rücken zu ihm gewandt, grinste ich vor mich hin.

„Wie schaffst du das?“ fragte er brodelnd vor Zorn.

„Ich lebe halt schon eine Weile...“ gab ich kühl als Antwort.

„Ace... das ist...“ sie hatten alle wieder zueinander gefunden und stellten sich nun in ihrer üblichen Formation auf, so wie man es von Gangs kannte. Ace also, den Namen sollte ich mir merken, dass spüre ich. Er hatte einen gewissen kleinen fadenscheinigen Geruch an sich, der mich an etwas erinnerte.

„Ich mach dich fertig, sodass du heulend wieder in deine Höhle rennst.“ schrie er.

„Ihr seht aber glücklich aus, wieder vereint. Wie eine große...“ ich hielt inne. „Familie.“

„Mistkerl, du hast dich noch nicht einmal umgedreht und behauptest...“ ich atmete tief die frische Nachtluft ein.

„Und du hast dich nicht um meine Warnung geschert. Wenn ihr noch weiter spielen wollt gern. Aber strengt euch dann bitte ein bisschen mehr an.“

„Ace!“ riefen sie und hielten ihn zurück.

„Wir müssen das zusammen machen.“

„Hey Tyren... was willst du hier?“ kam eine unerwartete Frage. Ich brauchte nicht lange überlegen und wandte mich mit funkelnden Augen zu ihnen um:

„SIE!“ gab ich als Antwort und machte ihnen klar, dass ich es ernst meinte mit einem niedlichen Knurren. Das hätte nicht mal eine Maus verschreckt und trotzdem wichen sie ein wenig zurück. Auf dieser Welt gibt es einfach keine Gegner für mich.

„Wer ist sie?“ fragte Ace nun, der sich anscheinend wieder etwas beruhigt hatte.

„Willst du kämpfen oder labbern?“ stellte ich als Gegenfrage und sofort verfinsterte sich sein Blick um einiges.

„Na los...“ forderte ich sie auf.

„Greift mich an.“

Gesagt getan, nun griffen sie als Haufen an. Doch ich schleuderte nur ein paar Steine in die Luft, sprang und trat sie mit einem Salto, einer seitlichen Rolle und noch einem kräftigen Tritt auf die Bande zu. Im selben Augenblick fielen alle, außer Ace, zu Boden. Geschmeidig ließ ich mich wieder auf den Boden herab und zog meine Hände aus den Hosentaschen, um Etwas aufzuheben und sie wieder in die Tiefen der Jeans zu vergraben.

„Wieso... wieso erledigst du mich nicht auch?“ fragte er wutentbrannt und sah zu seinen Kameraden. Augenblicklich stand ich vor ihm:

„Weil es noch viel mehr wehtut, seine Kumpel mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Boden liegen zu sehen, als ein Schlag mitten ins Gesicht zu kassieren, nicht wahr?“ meinte ich und schlich an ihm vorbei wieder auf den alten knorrigen Baum zu. Er holte hinter mir aus und meine Hand schnellte nach hinten, ich drehte mich um und blitzte ihn böse an.

„Hör das nächste Mal sowohl auf deine Kumpel, als auch auf deine Instinkte. Sie haben immer Recht.“

Er knurrte tief und ließ die Kraft und Anspannung aus seinen Muskeln entweichen. Ich grinste ihn arrogant an und plötzlich stand Nanouk vor mir.

„Verfolgst du mich?“ murrte ich und sah ihn mit funkelndem Blick an. Er hob abwehrend die Hände:

„Ruhig Blut, ruhig Blut. Du bist ja echt nicht ausgelastet. Ich bin nur hier, um die Silver...“ er stockte, als er Ace hinter mir registrierte und grinste mich an.

„Du bist zu spät.“ ich sah über meine Schulter und das sie sich wieder bewegten und schwerfällig versuchten aufzustehen.

„Ich sehe schon, aber du hast dich wenigstens zurück genommen und sie nicht so hart ran genommen.“ er schlug mir freundschaftlich auf die Schulter und ging zu den Anderen, um ihnen aufzuhelfen.

„Ich bin Mal wieder zu spät gekommen...“ murmelte er noch.

Ace stand noch immer knurrend hinter mir.

Ich warf ihm einen abfälligen Blick zu und verschwand in der Dunkelheit des Waldes, zu dem Baum auf dem ich heute schon den ganzen Tag herumgelungert hatte. Von hier konnte ich noch ihre Stimmen vernehmen.

„Wer war das denn?“

„Tyren.“ sagte Nanouk.

„Das hat er uns auch verraten.“ irgendein anderer Vollidiot.

„Er ist einer der letzten und mächtigsten Imaculata!“ erklärte Nanouk.

„Er ist...?“ der Typ klang ziemlich überrascht, fing sich aber schnell wieder und merkte trotzig an:

„Das gibt ihm noch lange nicht das Recht, so ein arroganter Arsch zu sein.“ Ace.

„Da hast du wohl recht. Aber ich kann ihm nicht übel nehmen, wie er sich benimmt. Schließlich muss er sich zu Tode langweilen.“ wie wahr.

„Soll er sich einer Gruppe anschließen oder Frauen suchen... Beschäftigung halt.“ Vollidiot Nummer Zwei.

„Es gibt keinen der eine Gruppe mit ihm aushalten könnte, sie würden vor Angst alle von allein Wechseln. Es gibt keinen, der sich ihm freiwillig in den Weg stellt. Also naja, alle die ihn kennen.“ Nanouk.

„Dann sollten wir dem Typen wohl mal zeigen, wo der Hammer hängt.“ Vollidiot Nummer Drei.

„Das würde ich zu gern sehen. Wirklich... ich habe mal einen Kampf mit erlebt, da sind zehn der Mächtigsten auf ihn eingestürmt, gleichzeitig und er hat sie alle besiegt. Mehr oder weniger auf einen Schlag und er war danach noch nicht einmal angestrengt. Er braucht Jahrhunderte lag nicht schlafen, Essen oder sonst etwas und seine Kraft schwindet nicht ein bisschen. Ich bin mir sicher, er weiß selbst nicht so ganz wozu er in der Lage ist. Er hat seine Kraft noch nie bis zum Ende ausgeschöpft.“ Nanouk.

„Aber das ist unmöglich, er muss nach mindestens einem halben Jahrzehnt Kraft schöpfen sonst gibt sein Körper doch nach...“ Ace.

„Ich weiß das er zuletzt 1855 Kraft geschöpft hat und seitdem nicht mehr. Ein ganzes Jahrhundert und mehr ist vergangen und er ist nicht schwächer, als zu dieser Zeit. Eher ist er stärker geworden. Ich frage mich schon die ganze Zeit, ob er einen Rekord im Fasten aufstellen will.“ Nanouk erklärt und erzählt ihnen viel zu viel über mich.

„Woher kennst du ihn so gut?“ Vollidiot Nummer Vier.

„Seid ihr befreundet?“ Vollidiot Nummer Drei.

„Ich wünschte ich könnte das sagen, aber ich wage es nicht. In der Tat sind wir zusammen aufgewachsen und haben viel durchgemacht, aber ich kann nicht sagen, ob er mich als Freund sieht. Er hilft mir, wann immer ich in Not bin... deswegen schulde ich ihm schon zu viel. Irgendwann möchte ich ihm das zurückzahlen...“ er verliert den Faden, toller „Freund“, der alles über mich ausplaudert, wie die erstbeste Tratschtante.

„Ich rate euch, legt euch nicht mit ihm an. Und passt ja auf, wenn er wütend ist, ist er nicht so sanft wie gerade eben.“ immer noch Nanouk, der Pfosten.

„Du meinst, dass war noch nicht alles?“ Vollidiot Nummer Fünf.

„Und du erzählst uns auch keinen Scheiß?“ Vollidiot Nummer Sechs.

„Soll er doch wütend werden, irgendwann werde ich sein hässliches Gesicht so oder so verunstalten.“ Ace, danke, ich kann dich auch nicht leiden.

„Ich kann euch nur warnen, lasst ihn machen, sonst seid ihr mit 100 prozentiger Wahrscheinlichkeit tot.“ gut, Nanouk.

Ein böses Knurren war zu hören und das war nicht mein Magen. Der hatte sowieso keine Lust, im Moment, etwas zu sich zu nehmen.

„Danke, können wir dich irgendwie erreichen falls wir doch zu große Probleme mit ihm haben? Es ist immer besser jemanden zu kennen, der IHN kennt.“ Vollidiot Nummer Sieben.

„Hier ist meine Handynummer, falls was ist und wenn es richtig schlimm ist, schickt jemanden ins Purple Puppy. Da solltet ihr Hilfe finden... aber jetzt muss ich wirklich los, meine Leute warten schon.“ er hatte sich endlich verabschiedet und war davon gerannt. Auch die Düfte und Geräusche der Anderen hatten sich endlich verflüchtigt und ich genoss den klaren Sternenhimmel.

Ich versuchte ein wenig nachzudenken, aber alles was ich im Moment zustande bringe, ist ein Gedanke an dieses Mädchen. Wieso auch immer, aber ihre Augen fesseln mich und sie zieht mich magisch an. Ich will sie wiedersehen nur um festzustellen, mir das nicht doch alles eingebildet zu haben. Nicht nur, das sie super heiß aussieht... sie hat mich voll ignoriert und ist echt nicht auf meine Flirtversuche eingegangen. Bis jetzt hat das noch kein Mädchen geschafft und ich werde es auch nicht soweit kommen lassen mir eines, was ich will, durch die Lappen gehen zu lassen.

Ich bekomme alles was ich will, dass war schon immer so und wird auch immer so bleiben.

Arrgh, ich krieg sie echt nicht mehr aus meinem Kopf, egal was ich versuche... wieso beschäftigt mich so ein dummes langweiliges Menschenmädchen nur so?!

Ich muss einen Weg finden sie wieder zu treffen und dafür sorgen, dass wir uns öfter sehen.

*

- Nora -

Ihr werdet es nicht glauben, aber ich sitze erneut in der blöden Schule und darf mir das Gebrabbel meines Klassenlehrers anhören. Er schielt eine Weile schon unauffällig zu mir herüber und wirft mir immer wieder komische Blicke zu, ich habe aber ehrlich gesagt keine Ahnung wieso und es nervt.

Rose, das Mädchen mit den blonden Haaren neben mir, kichert schon die ganze Zeit, weil ich die Augen verdrehe und stöhne.

Ich weiß nicht was ich an mir habe, aber komische Typen scheine ich anzuziehen. Erst Ace, der mich nervt, seit er gemerkt hat, dass ich nicht auf ihn fliege. Dann dieser ozeanblaue-Augen-Typ, der mich fast um meinen ersten Kuss gebracht hat und jetzt mein Klassenlehrer und jedes Mal sind es ihre Augen, die mich faszinieren. Seine sind grau, einfach und schlicht grau, naja mit ein wenig blau, aber das scheint von Tag zu Tag zu wechseln ... total unheimlich.

Und wieder schweift sein Blick zu mir. Diesmal starre ich zurück und gewinne das Blick-Kontakt-wer-schaut-zuerst-weg-Spiel und er grinst nur unverholfen und wendet sich wieder ab.

„Schwachmat...“ nuschel ich zu Rose, die sich kaum noch halten kann und schaue ins Buch, in dem wir uns die Aufgaben 4-6 durchlesen sollen und irgendwie erarbeiten müssen.

So, als ob er es gehört hätte, steht er nun direkt vor mir.

„Gibt es eine Frage, Miss Noralie Ann Lancaster?“ ich hasse es, wenn man meinen Namen voll ausspricht und er zieht es auch noch unnötig in die Länge.

Ich hebe den Kopf und antworte, so freundlich es mir möglich ist.

„Wenn es um die Aufgaben 4-6 geht, nicht Herr Barrymore.“

Zu gern hätte ich ein: wenn es darum geht, dass sie mich immer anstarren, wie ein Kamel, dann ja, hinterher geworfen. Aber damit wäre ich, definitiv, in hohem Bogen aus der Klasse geflogen.

„Gut.“ brummt er nur und begibt sich wieder an seinen Tisch, um in seinem Notenheft zu blättern.

Nach weiteren unendlichen Minuten klingelt es endlich und erlöst uns von den langweiligen Aufgaben.

„Bitte beendet die angefangenen Texte zuhause. Ach und Nora, würdest du bitte einen Moment zu mir kommen, bevor du in den nächsten Unterricht darfst?!“ ich nickte widerwillig und verabschiedete mich von Rose, mit der ich mich schon sehr gut angefreundet hatte.

„Was gibt’s?“ meldete ich mich.

 

Hat er mich doch tatsächlich, fast eine halbe Stunde mit Belehrungen und belanglosem Kram zu getextet. Ich bin mir sicher, dass er das mit Absicht getan hat, aber wie soll ich ihm das nachweisen und vor allem was ist der Grund?

Jedenfalls schlendere ich jetzt endlich auf den Erdkundeunterricht zu, als ich gegen etwas hartes Stoße und beinahe mein Po den Boden geküsst hätte, wären nicht zwei starke Arme, wie aus dem Nichts hervor geschossen, um mich festzuhalten. Ich war mir sicher das hier keine Wand stand, also was oder wer war es dann?

Verwirrt starrte ich auf ein paar blaue Sneaker, muskulöse Beine in einer karierten kurzen Hose, hoch zu einem engen T-shirt mit V Ausschnitt, dass die Muskeln dieses Prachtkerls betonten und ein paar helle stechende blaue Augen, die mir auf einmal so bekannt vorkamen.

Vor Schreck springe ich wenige Schritte zurück und starre erneut auf den Typ. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht mustert er auch mich und begrüßt mich mit:

„Na, wird wohl zur Angewohnheit, dass ich dich erschrecke, was?“ ohne zu registrieren, das der Direktor neben ihm steht, komme ich nicht umhin ihn anzumotzen:

„Blödmann, dass du mich auch jedes Mal so überraschen musst mit deinem Auftauchen.“

„Nora...“ ich sah überrascht auf und erblickte nun auch die Begleitung, des verhassten, viel zu gutaussehenden Typen.

„Wie es mir scheint, kennt ihr euch bereits.“ ohne, dass ich etwas einwenden konnte fuhr er fort. „Dann wäre es wohl besser, ich übergebe sie in die Hände unserer Nora, sie wird ihnen sicherlich auch die Schule zeigen. Das heißt dann natürlich für sie, dass sie die Stunde nicht mehr aufsuchen müssen.“

„Aber ich...“ wollte ich protestieren, doch der Troll stellte sich auf meine Seite, legte einen Arm auf meine Schulter und meinte:

„Sie freut sich sehr, diesen Job übernehmen zu dürfen.“ antwortete er nun für mich.

„Wer hat dich nach deiner Meinung gefragt?!“ giftete ich ihn an und wandte mich wieder dem Direktor zu.

„Du würdest mir damit einiges ersparen und ich könnte meine Arbeit schneller beenden und zu meiner kranken Frau und ihr mit den Kindern helfen. Also vielen Dank und viel Spaß euch.“ er winkte uns fröhlich zu und ich traute mich nicht noch einmal Widerspruch einzulegen. Kranke Frau und Kinder waren ein Todschlagargument, selbst für mich...

„Also Noraaa!“ zog der Primat meinen Namen in die Länge, Stolz ihn zu wissen und zog mich durch den Flur.

„Was zeigst du mir?“ flötete er und sah zu mir herab.

„Am liebsten den Fußboden, wenn du verstehst...!“ knurrte ich und versuchte mich aus seinem Arm zu winden. Er ließ es zu und packte dafür meine Hand.

Ich stöhnte genervt auf, blieb stehen und sah ihn mit böse funkelnden Augen an.

„Der ist aber nicht so interessant, wie das, was gerade wütend vor mir steht.“ grinste er vor Arroganz strotzend und nähert sich mir.

„Ja ganz recht, ich koche regelrecht und das nicht, weil die Sonne so ätzend brennt, sondern...“ er ließ mich wieder nicht Ausreden.

„Weil ich so heiß bin, ich weiß. Aber danke!“ hauchte er in mein Ohr und ließ mich am ganzen Körper zittern. Plötzlich verlor ich die Kontrolle und mein Herz fing wie wild an zu schlagen, mein Kopf verwandelte sich immer mehr zu Brei und ich wurde bewegungsunfähig.

„Also, zeigst du mir jetzt die Schule oder wollen wir hier noch den restlichen Tag im Flur mit anstarren verbringen?“ fragte er hämisch und ich drückte seine Hand. Ich fing an ihn mit mir durch das Schulgebäude zu ziehen und versuchte mich irgendwie abzulenken, der Typ macht mich irre!

„Hier sind die Mathe- und Kunsträume und dort hinten befinden sich die Pädagogikräume.“ erklärte ich, um mich von der Tatsache abzulenken, dass ich gerade, mit dem heißesten Typen, den die Welt jemals hervorgebracht hat, Händchen haltend durch die Schule latschte.

„Hey...“ hörte ich, wie er hinter mir mit seiner tiefen Stimme rief.

„In diesem Stockwerk sind die Musiker und Informatiker untergebracht.“ wir rannten schon fast die nächste Treppe ins Erdgeschoss hinunter, weil ich es endlich hinter mir haben wollte.

„Hey...“ ertönte es wieder und ich ignorierte es, mehr oder weniger gekonnt.

„Wenn du wissen willst, was gerade so los ist, hier kannst du so ziemlich alles auf dem schwarzen Brett lesen. Selbst ob Chloè schon wieder einen neuen Freund hat und wer mit wem denn nun...“

„Hey!“ er hielt an und da er, dummerweise, stärker als ich war, brachte er mich ebenfalls zum Stehen. Er zog mich näher zu sich, sodass sich sein T-shirt und mein Top fast streiften. Der Blödmann sah auf mich herab und dann zum Brett.

„Steht hier auch, ob du schon vergeben bist?“ kam die Frage von ihm und ich musste mich zusammenreißen, ihm nicht wieder eine zu knallen.

„Nein, aber da wird gleich dran stehen, dass der Neue durch eine kleine Elftklässlerin Krankenhausreif geprügelt wurde, weil er seine blöde Klappe nicht halten konnte.“ zischte ich.

„Willst du mir drohen?“ amüsierte er sich über mich.

„Wenn du mich nicht gleich in Ruhe lässt, JA!“ antwortete ich schroff und funkelte ihn zornig an. Doch er schien mich falsch verstanden zu haben, er zog mich noch näher zu sich, beugte sich ein wenig vor und flüsterte:

„Das ist echt mutig, Süße. Aber, du würdest mich nicht mal kratzen können.“

Ich versuchte mich von ihm wegzudrängen, doch legte er nur einen Arm um meine Taille und verhinderte die Trennung.

„Ich verklag dich gleich wegen sexueller Belästigung.“ keifte ich und fragte mich, woher ich den Anstand nahm, diesem Volltrottel verbal eine Auszuwischen. Ich war richtig stolz auf mich, so etwas zu antworten, obwohl es ziemlich untypisch für mich war und ich sonst eigentlich eher reserviert wirkte und mich gut unter Kontrolle hatte. Der Kerl hier, brachte mich immer wieder zum überkochen.

„Das Gericht, das mich einlocht, will ich echt mal kennenlernen. Und jetzt weiter im Text.“ er ließ endlich wieder locker und deutete auf die Cafeteria. Ich nickte und machte ein paar große Schritte, um mich von ihm zu entfernen. Natürlich hat das nicht geklappt, aber ein Versuch war es wert.

„Hey Süße, gibt es hier auch irgendwo einen Ort an den man sich verkrümmeln kann, wenn man grad...“ jetzt setzte ich seinen Satz fort.

„Mal schwänzen will? Tut mir Leid, ich bin kein Hobbyschwänzer, deswegen solltest du in solchen Angelegenheiten lieber Leute fragen, die sich in diesem Gebiet auskennen. Zum Beispiel Ace, er ist in deinem Jahrgang und ihr versteht euch sicher prächtig.“ plötzlich stoppte er. Ich drehte mich verwirrt zu ihm um und sah das er mich durch dringlich ansah. Er wirkte etwas beunruhigt und nicht besonders glücklich, hatte ich es übertrieben? Sicher nicht...

„Ace?! Mit Rudel?“ ich musste grinsen, er nannte seine Freunde Rudel. Aber so hatte ich sie ja auch schon bezeichnet.

„Ja, wieso? Ziehst du jetzt etwa den Schwanz ein?“ fragte ich triumphsicher, doch nichts da. Er gönnte mir nicht das kleinste Stück Sieg. Sofort erhellt sich sein Gesicht wieder und er legte fröhlich einen Arm um mich.

„Das wird ja richtig lustig bei euch. Ich freue mich schon.“ ich gab nur ein unzufriedenes Brummen von mir und führte die Schulbesichtigung weiter durch den Schulgarten und die Turnhalle fort.

Kurz bevor wir uns verabschieden wollten und ich endlich zu meinem Unterricht zurückkehren konnte, fiel mir noch etwas ein.

„Hey... Blödmann.“ er drehte sich grinsend zu mir um. Kannst du nicht einmal wütend werden?!

„Du kennst meinen Namen, jetzt habe ich das Recht deinen zu erfahren, außer ich soll mir noch weiter Spitznamen für dich ausdenken.“ er kam auf mich zu, strich mir eine Strähne aus dem Gesicht und jagte mir damit angenehme Schauer über die Haut. Dann beugte er sich zu mir runter, funkelte mich geheimnisvoll an und raunte mit dunkler Stimme:

„Tyren.“ in mein Ohr.

Danach war er wie vom Erdboden verschluckt und ich torkelte etwas benebelt von seiner Stimme und seinem Atem, den ich zuvor an meiner Wange gespürt hatte, in Richtung 3. Stock.

Was passierte hier gerade nur? Ich bin doch voll im falschen Film oder... wie kann ich so einen Primaten nur gutaussehend, attraktiv und anziehend finden?

Ich hasste mich dafür und wusste irgendwo in mir, gab es einen kleinen Teil, der sich danach sehnte mehr Zeit mit ihm zu verbringen. Wie ich ihn hasse... wie ich, die Gefühle die er in mir hervorruft, hasse.

 

Nach zwei Stunden Pädagogik und einer deprimierenden Mathestunde schleppte ich mich, die letzten Treppenstufen hinunter in die Cafeteria, in der auch Coco schon auf mich wartete. Lächelnd gab sie mir ein Handzeichen und deutete auf ihren Tisch, den Stuhl, der neben ihr noch frei war und Ace, der mich schon mit fettem Grinsen im Gesicht musterte. Ich quälte mich ein Lächeln zurückzugeben und holte mir mein Mittagessen für heute.

Es beinhaltete Kartoffelbrei, Ei und man konnte vermuten, das es Steak sein sollte. Ich schnappte mir noch etwas zu trinken und machte mich widerwillig auf den Weg zu meiner besten Freundin.

„Hey und wie war Mathe?“ platzte es aus ihr heraus, als ich mich auf den Stuhl neben ihr fallen ließ. Ich stellte mein Tablett ab und drehte mich zu ihr.

„Naja, ging. Ich habe zwar nicht ein bisschen verstanden, aber mein Block ist jetzt kunstvoll verziert und Misses Bloomfield wird nie wieder an meiner Kreativität zweifeln.“ wir lachten.

„Die hat doch deine Bilder immer schon toll gefunden.“ kicherte Coco und schob sich einen Löffel Kartoffelbrei in den Mund.

„Und trotzdem schien es, als wäre ich ihr nicht kreativ genug.“ merkte ich an und wandte mich ebenfalls dem belegten Teller vor mir zu.

„Ach, die waren ihr zu phantasievoll wahrscheinlich. Genauso wie Miss Hopkins, dir bei deinen Texten, immer ein Auge zudrücken muss.“

„Das liegt wahrscheinlich nicht an meinen Ideen, sondern an den vielen Rechtschreibfehlern, die sie schon anspringen, wenn sie überhaupt das Blatt in die Hand nimmt.“ erklärte ich und wieder mussten wir uns den Bauch vor lachen halten.

Jetzt begann ich das Fleisch klein zu schneiden. Als ich mir das erste Stück an die Lippen führte, ergriff plötzlich eine Hand meine Gabel und zog sie zu dem dazugehörigen Typen, der sie sich frech in den Rachen schob und genüsslich schmatze.

„Hey...“ wollte ich Protest einlegen, doch Ace war schneller gewesen. Er sah mich unschuldig an und begutachtete schon das nächste Stück.

„Schmeckt!“ offenbarte er freudig und gab meine Hand mit der Gabel wieder frei.

Was glaubt der eigentlich, wer er ist?

„Schön für dich, aber weißt du, wenn ich dir jetzt erzähle, dass das Känguruhoden ist wird dir das nicht mehr so gut im Magen liegen, oder?“ fragte ich schnippisch und achtete auf seine Gesichtszüge. Diese änderten sich rapide und er schien als würde er sich gern übergeben wollen. Das war ihm dann doch nicht geheuer.

Ich lachte und fügte hinzu:

„In Australien ist das eine Spezialität, deswegen meinte mein Dad, wir sollten das auch mal probieren. Dass du das auch lecker findest, hätte ich nicht gedacht. Aber wenn es dir schmeckt, bringe ich dir das nächste Mal auch welche mit.“ um das zu unterstreichen, schob ich mir ein Stück in den Mund.

Coco stieß mir ihren Ellbogen in die Seite und warf mir einen mahnenden Blick zu. Ich konnte sie nur frech anschmunzeln und vergnügt weiter essen. Ace hielt die Arme verschränkt und musterte meinen fast leer gegessenen Teller.

„Also nicht das es nicht schmeckt, aber die Vorstellung Eingeweide zu Essen macht dir nichts aus?“ fragte er skeptisch.

„Dir doch auch nicht.“ gab ich als Antwort und hielt ihm meine Gabel hin.

Ich weiß, dass ist wirklich gemein. Aber irgendetwas hat er an sich, dass ich ihn immer lieber auf Abstand halte. Natürlich war das auf meinem Teller nur ein normales Rindersteak und ich würde auch nie Känguruhoden essen, jedoch war es eine gute Methode Ace davon abzuhalten mir alles weg zu futtern. Wie ich so schnell auf diese Spezialität gekommen war, wusste ich nicht, doch das es vor allem Jungs abschreckt, wunderte mich nicht. Sicher mussten sie an ihre eigenen Denken und an das arme Känguru.

Naja, wie dem auch sei, das Fleisch schmeckte hervorragend und ich hatte Ace erneut richtig in die Pfanne gehauen. Sonst fiel es mir schwerer, da er mit mir immer seine Spielchen trieb, aber ich war schon den ganzen Tag so gut gelaunt. Also warum sollte ich das nicht ausnutzen und alle die mich nervten, nicht auch mal nerven.

„Nein danke, mir ist der Appetit auf Fleisch vergangen, aber dadurch hab ich Hunger auf was anderes.“ er leckte sich über die Lippen.

„Weißt du was?“ flüsterte er dicht an mein Ohr, wodurch mir ein kalter Schauer über den Rücken lief. Meine Ohren waren empfindlich und ich hasste es, wenn jemand direkt in mein Ohr sprach, es kribbelte immer und wollte nicht mehr aufhören. Erschrocken wich ich von ihm weg und starrte ihn an.

„Idiot.“ zischte ich. Ein schelmisches Grinsen machte sich breit und musterte mich lüstern.

Auch der letzte Bisschen landete im Steilflug auf meiner Zunge, die zufriedene Signale an mein Gehirn sendete und das wiederum legte fest, ich sei jetzt satt. Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück, ignorierte den bedepperten Playboy neben mir und ließ meinen Blick durch den großen Raum wandern.

Viele Schüler unterhielten sich fröhlich mit ihren Nachbarn, andere führten hitzige Diskussionen und wiederum andere flirteten. Es gab so etwas wie Gruppentische an einem saßen die Cheerleader, an einem Anderen die Fußballer, die Streber, Skateboarder, Chemiker. Naja, und uns gab es auch noch.

Die Cheerleader waren die Tussen, Zicken und reichen Girlys, die sich an jeden ran machten und behaupteten vier Mal in der Woche Sex, mit den heißesten Typen unserer Schule zu haben. Allein rein technisch ging das nicht, denn so viele heiße Typen, wie die dafür brauchen würden, gab es nicht mal auf der ganzen Welt. Trotzdem muss ich zugeben, das manche von ihnen echt nicht hässlich waren, sondern das genaue Gegenteil. Sie waren ziemlich hübsch, abgesehen von dem Plastikvorbau hatten sie alle eine makellose Figur und das zeigten sie auch.

Zu den Fußballern kann man sagen, dass sie alle beliebt waren, einigermaßen gut aussahen und Sportskanonen. Greg war einer von ihnen und ziemlich okay. Einer der Wenigen, die bei dem Ruhm und der Aufmerksamkeit, die sie von den Anderen bekamen, normal geblieben war. Sie und die Cheerleader veranstalteten meistens Partys am Wochenende und eingeladen waren natürlich nur die Coolen. Das weiß ich, weil ich selbst einmal durch ihn hin geschleift wurde. Greg hatte mich und Coco gefragt und sie hatte für uns zugesagt. Ihre Überredungskunst hat es, dann tatsächlich geschafft mich zu überzeugen und wir waren auf diesem Fest der Irren. Als wir ankamen waren ein Drittel der Leute schon betrunken, es roch eklig nach Alkohol und Zigaretten und als ich auf die Toilette musste, habe ich es mir danach den ganzen Abend verkniffen, denn dort ging es gut zur Sache und ich war mir sicher, dass unsere Biolehrer mehr zu tun hatten, als geglaubt mit der Aufklärung und die Wissenschaftler vollkommen falsch damit lagen, dass die Menschheit zurück geht. Die Leutchen auf der Party waren fröhlich bei der Fortpflanzung dabei. Ich bin dort, ungelogen 5 Pärchen begegnet und ein Junge hatte mich gefragt, ob ich nicht mitmachen möchte. Man muss schon fast davon ausgehen, dass es noch mehr waren, denn die Party war total überfüllt und das alle die Coolsten unserer Schule waren musste ich in Frage stellen, schon allein, weil ich da war.

Ich habe mich sofort aus dem Staub gemacht und musste erst einmal frische Luft holen. Das war mir echt zu viel gewesen, ich hatte viel in meinem Leben gesehen und ich hatte nichts gegen das angeblich Schönste der Welt, aber dabei zuzusehen wollte ich allemal nicht.

Greg hatte mich, dann netterweise nach Hause gefahren, nach dieser Begegnung ging meine Gesundheit rapide den Bach runter und ich wollte einfach nur noch weg. Seitdem halte ich mich strickt von den Cheerleadern und den Fußballern fern. Auch, wenn ich Greg dadurch weniger sehe, das Opfer bringe ich, um diese Erinnerungen aus meinem Gedächtnis zu löschen.

Zu den Strebern ist nicht viel zu berichten. Mit ihren Brillen und den dicken Büchern, die sie täglich aus der Bibliothek holen, erkennt man sie sofort. Eigentlich möchte niemand so richtig mit ihnen zu tun haben, denn bei ihnen gibt es keinen Spaß und kein Erbarmen. Doch, wenn es darum geht die Mathehausaufgaben wenigstens ansatzweise zu verstehen oder den Nordpol zu finden, werden sie jedem gut genug. Das tut mir immer ziemlich Leid, aber ich habe nicht die Kraft ihnen zu helfen. Und ich kann nicht sehen, das ihnen ihr Leben missfällt, ob es ihnen gefällt ist zwar eine andere Frage aber...

Die Skateboarder, sie sind ziemlich laut und rüpelhaft. Im Mittelalter hätte man sie Pöbel geschimpft. Dauernd hört man Musik von ihnen und ihre Skateboards sind die perfekte Stolperfalle, trotzdem sind sie zuvorkommend und können auch ganz nett sein. Interesse an Schule zeigen sie wenig, dafür sind sie sehr kreativ und zu gebrauchen, wenn man wieder ein Theaterstück aufführt, ein Lied komponieren muss oder ein Thema in Kunst einfach nicht machbar zu sein scheint. Zu ihnen gehören nicht nur die Skater aller Art, auch Sprayer, Rapper und was sonst noch so alles kreativ in seinem Dasein ist. Außerdem sind sie für jeden Streich zu haben und haben, abwechselnd uns und unsere Lehrer schon oft in Schockzustände versetzt. Und mal abgesehen davon, dass sie alle ziemlich üble Kerle sind, sehen sie alle echt nicht schlecht aus. Sie sind fast Konkurrenz für unsere Fußballer, wollen aber nicht cool sein, sondern anders und hängen, deswegen oft im Hintergrund ab.

Als weitere, erwähnenswerte Gruppe gelten die Chemiker, genauso verklemmt, wie die Streber. Sie sitzen dauernd über ihren Büchern und erfinden blätterweise Formeln für eine Perfektion ihrer Mischung. In ihren weißen Kitteln hält man sie schnell für einen Arzt oder wirkliche Wissenschaftler. Ich habe einen von ihnen mal mit unserer Schulkrankenschwester verwechselt, das war mir ziemlich peinlich. Die Pseudo-Wissenschaftler streiten sich immer mit allen, sie müssen immer Recht behalten und werden wie die Streber eher gemieden.

Natürlich, kann man nicht alle unserer Schule in eine Gruppe fassen und so gibt es hier und da noch eine Gang oder einen Freundeskreis, der eher unbedeutend ist. Einen darf ich jedoch nicht vergessen.

Die Silver Wolfs.

Bei denen sitzen Coco und ich im Moment am Tisch mit noch drei anderen Mädchen und den sechs Jungs, die zu der Gang gehören. Ich hatte schon das seltsame Phänomen mit der Gang und der Klasse aufgeworfen. Sie sind seitdem ich an dieser Schule bin immer in einer Klasse gewesen und man erwischt nicht einen einmal allein. Sie sind wie ein Rudel und sehen auch so aus.

Breit und muskulös, schlau und unglaublich gutaussehend. Sie sind der Hingucker unserer Schule und in allem gut. Jeder von ihnen hat mindestens einen Durchschnitt von 1 in jedem Fach und wenn es um Teamwork und Wettkämpfe geht, hat keine Gruppe eine Chance, inner- und außerschulisch.

Einmal, einmal gab es eine Gruppe aus der Schule, in der angrenzenden Großstadt. Sie haben es tatsächlich geschafft unsere Silver Wolfs zu besiegen. Unglaublich aber wahr, nicht nur wir alle waren geschockt. Nachdem ich ein bisschen herum geforscht hatte, auf Befehl von Coco hin, habe ich herausbekommen, dass es ebenfalls eine Gang gewesen war. Sie heißen Green Bears und wirkten wie eine große Familie.

Ich hatte die beiden Gangs eine Weile beobachtet und bin der Meinung, dass die beiden sich kannten die Blicke schienen einerseits feindselig und nach dem Kampf freundschaftlich. In mir keimte die Idee, dass unsere Mannschaft mit Absicht verlor, aber das ist nur Spekulation.

Ich sitze also bei den heißesten und angesagtesten Typen unserer Schule und bekomme von anderen Mädchen böse Blicke zugeworfen. Warum, frage ich mich immer wieder, vielleicht liegt das an dem beliebtesten und begehrtesten Typen, der neben mir sitzt und Angebergeschichten vom Stapel lässt.

Genervt verdrehe ich die Augen, zwinker Coco zu, die sich schon wieder an Mael gehangen hat und verlasse den Tisch und somit den Beliebtenkreis. Als ich den Platz frei machte, stürmten bestimmt 50 Mädchen darauf zu und belagerten Ace. Sie flirteten, zeigten ihm zu viel und schürzten verführerisch ihre Lippen. Doch ihn ließ das alles kalt. Klar, er bekam jede die er wollte, nur mit mir ging das nicht. Ich hatte irgendwie ein Extragen, dieses bewilligte das ich gegen Angeber, Playboys und dergleichen immun war.

 

Die Pause war fast vorbei, als ich den Weg aus der Cafeteria in den Flur antrat und an meinem Schließfach stoppte. Müde tauschte ich die Bücher und meine Tasche wurde um einiges leichter. Lediglich zwei Stunden lagen vor mir, die ich auch irgendwie überleben würde, ganz gleich wie kreativ ich noch werden würde, um mir die Stunden zu vertreiben, danach war endlich Schluss und ich wusste, was ich an meinem freien Nachmittag machen würde.

Ich schlug die Tür zu, zog meinen Schlüssel ab und wanderte geradewegs ins zweite Stockwerk. Als ich schließlich um die Ecke bog, fand ich eine weitere Menschenmenge vor. Sie versperrten den Durchgang zu dem Raum, in dem ich nun Unterricht hatte und irgendwie musste ich mir etwas einfallen lassen, einen Weg durch die aufgebrachte Meute zu finden. Anfangs kämpfte ich mich gegen den Strom durch und ließ das, was die Leute angezogen hatte außer Acht, doch spätestens vor der Tür hielt ich an und drehte mich zu dem Ereignis um.

Erblicken konnte man jemanden, der auf dem Boden kniete und das Gesicht schmerzverzerrt gegen die Hände stemmte. Vor ihm stand ein großer Typ, breite Schultern und dunkle Haare. Er musterte ihn abfällig, lachte leise und hatte ein diabolisches Grinsen auf den sinnlichen Lippen. Bei näherer Betrachtung erkannte ich Rajk auf dem Boden, er war einer der Gangmitglieder von Ace und es wunderte mich, ihn abgespalten von seiner Gruppe auf dem Boden liegen zu sehen, obwohl ich mich schon gefragt hatte, wieso es nur sechs am Tisch gewesen waren. Ich dachte ich könnte nicht mehr zählen, weil die Jungs sich nicht auffällig verhalten hatten und das doch sehr merkwürdig ist, wenn man bedenkt, dass sie sich gegenseitig als Familie sehen und unzertrennlich sind.

Es erschien fast so, als flehe er um Gnade, obwohl er doch eigentlich sonst immer der Rowdy war, der alle anderen mit Füßen trat.

Meine Augen glitten zu seinem Bezwinger, nicht nur sein Haar war auffällig glänzend und geschmeidig, auch sein Körper wirkte anziehend und überaus Angst einflößend zugleich. Man sah ihm seine Kraft an und trotzdem wirkten seine Muskeln nicht übertrieben.

Jedoch irritierte mich sein überheblicher Ausdruck und die Hochnäsigkeit, die er an den Tag legte. Nach einer eingehenden Musterung, wagte ich mich in seine Augen zu sehen und erstarrte. Blau, stechende ozeanblaue Saphire, die mich interessiert betrachteten. Ich konnte mich nicht mehr bewegen, als er mich mit seinem Blick fixierte und fühlte mich auf einmal von seinen Augen gefangen. Sie schienen zu stürmen, wie das wilde Meer und wenn man zu lange in sie hinein blickte, versank man tiefer und tiefer in das Blau, ohne Erfolg auf Rettung.

Er wendete den Blick ab, zu seinem Opfer, lächelte noch einmal niederträchtig und trat mit ein paar eleganten Schritten auf mich zu. Ich hatte den Fehler begangen, nachdem er mich aus seinem Blick freigelassen hatte, mich wieder hinreißen zu lassen. Erneut konnte ich meine Augen nicht von seinen trennen und würde ich mir nicht ins Gedächtnis rufen, diesen Kerl zu hassen, wäre auch ich ihnen widerstandslos verfallen.

Ich kannte ihn, zweimal war er mir bis jetzt begegnet und jedes Mal verspürte ich ein wohliges Gefühl, er faszinierte mich und irgendwie zog er mich wie magisch an.

Sobald ich seine Augen sah, wünschte ich mir plötzlich sie würden nur mi... nein! Krieg dich wieder ein! Er ist blöd, ein kranker Primat, Volltrottel, Blödmann, Troll, Vampir...

Immer weiter näherte er sich mir, mit einem verschmitzten Grinsen und diesen funkelnden hellblauen Augen. Immer mehr zog er mich in seinen Bann, obwohl es für mich jetzt schon schien, als sei ich verloren.

Wieso musste ich ihm auch unbedingt begegnen?

„So trifft man sich wieder.“ flüsterte er nah in mein Ohr und streifte mit seiner Wange meine. Ein Kribbeln, zog sich auf der Haut immer weiter von dort durch meinen ganzen Körper.

„Und du musst nur Ärger machen...“ brummte ich.

„Ich hab ihn nur in seine Schranken gewiesen, glaub mir, ich bin unschuldig.“ verteidigte er sich und schritt wieder, wie das erste Mal, um mich herum wie ein Raubtier.

„Klar, es ist immer der Andere gewesen.“ gab ich zurück und sein Lächeln wurde breiter.

„Ich habe hier eine Menge Zeugen also...“ ich winkte ab.

„Nicht nötig. Würdest du jetzt bitte verschwinden und deine Fans mitnehmen?“ er stoppte vor mir und zog eine Augenbraue in die Höhe.

„Willst du nicht auch einer werden? Dich würde ich glatt mitnehmen und es gar nicht mal so schlimm finden, wenn du mir immer und überall hin folgen würdest!“

„Gehts noch? Ich bin doch keine unterbelichtete Tussi, die sich jedem an den Hals schmeißt. Und jetzt... auf Nimmer wiedersehen.“ ich drehte bereits meinen Körper in die Richtung des Raumes, nur mein Kopf war noch zu ihm gewendet. Ich grinste ihn jetzt blöd an, verengte meine Augen zu Schlitzen und gab ihm zu verstehen, dass er mich nicht so einfach beeindruckte.

Ich legte meine Sachen auf den Tisch, an meinen Platz und sah, wie aus Reflex zur Tür, ob er noch da war. Aber natürlich hatte er sich mit allen anderen verzogen, nachdem was ich ihm an den Kopf geschleudert hatte.

Er war beliebt, noch nicht einmal den ersten Tag hier und schon hatte er alle Herzen erobert. Wie schaffte er das bloß, dass ihm sämtliche Schüler und Lehrer verfielen. Ich wollte nicht so sein, ich wollte ihn unter allen Umständen nicht mögen. Doch, wenn ich jetzt daran denke, dass er mit anderen Mädchen irgendwo in der Schule herumläuft, verspüre ich ein unangenehmes ziehen in der Brust. Wieso nur, reagiere ich so stark auf ihn. Schon wenn ich ihn sehe, fange ich an zu zittern, dabei kenne ich ihn doch nicht einmal richtig.

Es regte mich ungemein auf, alles an ihm, wie er aussieht, dass er genauso ein Playboy ist, wie all die anderen Jungs, die so gut aussehen wie er. Wie er mit Mädchen umgeht, wie er mit mir umgeht und vor allem... hauptsächlich, dass ich die restlichen zwei Stunden über ihn nachdenke.

Ich schaffte es wirklich nicht, ihn aus meinem Kopf zu verbannen.

Egal was ich tat, ob ich nun auf meinem Block malte oder wirklich versuchte dem Unterricht zu folgen... nichts. Immer wieder endete alles bei ihm, seinen dunklen Haaren, die seine ozeanblauen Augen betonten und sie noch geheimnisvoller machten.

Es klingelte und endlich konnte ich all dem hier entfliehen. Selbst meinen Gedanken würde ich jetzt etwas Abwechslung verschaffen.

Ein letztes Mal an diesem Tag suchte ich mein Schließfach auf, holte meine Jacke heraus und machte mich auf dem Weg zum Bus. Coco wartete schon am Eingang auf mich, wir verabschiedeten uns und ich wies sie erneut darauf hin, sich nicht mit Flo einzulassen, da er schon wieder auf sie wartete. Sie sollte auch an Mael nicht so hängen, dass würde irgendwann nochmal wirklich böse enden. Von dem komischen Typen mit den tollen blauen Augen, erzählte ich ihr jedoch vorerst nichts. Wer weiß, was sie dann wieder aushecken würde und ihre Fragen erst. Als sie auch mich angewiesen hatte netter zu Ace zu sein, lachten wir und trennten uns am Schultor.

 

Ich hatte bereits meine Sachen abgelegt, mir einen Pfirsich geschnappt, meinem Dad Bescheid gesagt, dass ich nun ein wenig unterwegs war und war aus dem Haus gerannt. Ich brauchte jetzt Zeit für mich. Es war viel passiert in der letzten Zeit, die Schule hatte angefangen, Coco erzählte viel und die Lehrer forderten immer mehr. Wie sollte man da noch sich selbst und den Sinn des Lebens finden. Noch schlimmer wurde es durch das auftauchen dieses Tyrens und der Beharrlichkeit von Ace.

Ich war schon immer ein Mensch, der sich immer und gern Zeit für sich nahm, ich träume am Tag und beobachte Leute, lieber als manchmal mitten im Geschehen zu sitzen. Das heißt nicht, dass ich mich nicht gern mit ihnen unterhalte oder verrückte Dinge tu, einfach nur das ich naja... ein komplizierter Mensch bin.

Die Bäume und Häuser zogen an mir vorbei, ein Duft von frischen Backwaren und nassen Gräsern verfolgte mich durch einen Park. Später überquerte ich eine lärmende Hauptstraße und durchschnitt Massen von Menschen, die in ihrem Arbeitsstress an mir vorbei jagten. Auch Schüler kamen an mir vorbei und schienen genauso froh, wie ich, Schulschluss zu haben. Ich setzte meinen Weg weiter an der Einkaufsstraße fort, durch eine kleine Gasse über ein Stück Wiese und dann erreichte ich auch schon mein Ziel.

Den Nahe gelegenen Strand.

Zu dieser Zeit befanden sich kaum Leute hier, auch wenn ich extra an einen belebteren Platz gegangen war, tummelten sich nur vereinzelt Familien mit ihren Kindern im Wasser oder bauten davor Schlammburgen. Ich genoss die prickelnden Sonnenstrahlen auf meiner Haut, entledigte mich meiner Schuhe und spürte den feinen weichen Sand unter meinen Füßen und zwischen den Zehen. Der Wind wehte leicht durch mein Haar und das Wasser kräuselte sich, schillerte in den schönsten Farben und machten dem Himmel mit seiner Wolkenpracht große Konkurrenz. Hier zu sein und dieses Szenario zu genießen tat mir gut. Es schien, als würde mein Kopf frei von negativen Gedanken und es gab im Moment lediglich mich. Das war ein Augenblick nur für mich, so als würde die Zeit stoppen.

Ich watete ins Wasser und ließ meine Beine ein wenig von dem seichten Wasser umspülen. Es war der perfekte Anfang für etwas, was ich noch nicht kannte, aber wusste es würde kommen.

Was passiert als nächstes?

 

3. Ein Duft nur für mich - Der neue Lehrling

„Nora, los komm schon.“ quengelte meine beste Freundin.

„Jaja, bin schon auf dem Weg. Herr Callahan musste mir noch die Arbeitsblätter geben.“ beruhigte ich sie und ging auf sie zu.

„Jetzt beeil dich endlich oder willst du mich um meine Shopping- Tour mit anschließend großem Erdbeer Karamell Eis bringen?“ ich lachte und verschnellerte meine Schritte.

„Nein, natürlich nicht. Aber was man tun muss...“ genervt unterbrach sie mich und hakte sich bei mir unter.

„Is schon okay, ich habs verstanden. Also wo wollen wir zuerst hin? Ich hoffe du hast gute Laune, ein Haufen Geld und viel Ausdauer. Ich war so lange nicht mehr mit dir unterwegs. Ich werde dich heute etwas quälen.“

„Na, wenn es denn sein muss. Du darfst frei entscheiden, aber ich werde nichts außer einem großen Schokoladeneis mit viel Schokosoße kaufen.“ sie nickte und wir verließen die Schule.

Heute war fast Ende der Woche und Coco hatte es geschafft mich zu überreden mit ihr nach langem mal wieder Shoppen zu gehen. Wir hatten uns lange nicht mehr getroffen, durch die Ferien und wir hatten uns einiges zu erzählen, also sah ich keinen Grund abzulehnen und ließ mich durch die Geschäfte schleifen. Obwohl heute noch eine heiße Sommersonne brannte, war Coco ziemlich gut gelaunt und ließ nichts aus. Wir gingen in jeden erdenklichen Laden, in der kleinen Einkaufspassage, sahen uns Kleider, Shorts und schon die erste Herbstmode an.

Die Luft war in den Läden oft abgestanden und stickig, trotzdem lächelte jeder und die Leute waren freundlich. Auf der Straße roch es nach Blumen und eine salzige Brise vermengte sich mit den Abgasen des Feierabendstaus. Zumindest hatte man einen Vorteil, wenn man am Meer lebte, eine Abkühlung und frische Luft fand man schnell.

Nachdem sie zig Röcke probiert, Kleider getauscht und Schuhe gekauft hatte war sie zufrieden. Auch mir schaffte sie es, ein peppiges Partykleid anzudrehen und müde steuerten wir auf den letzten Laden zu.

Es war bereits Abend geworden, meine beste Freundin hatte ununterbrochen erzählt von ihrem Urlaub, Florian und natürlich auch Mael. Von ihren Eltern und ihrer kleinen Schwester, die sie tierisch nervte. Kaum wollte ich etwas dazu sagen, brabbelte sie vergnügt über das nächste Thema weiter. Ich fand es einfach nur süß und war froh, dass wir uns so gut verstanden. Ich merkte wie sie diesen Austausch brauchte und sie mich mit ihrer guten Laune ansteckte.

Todd, der Besitzer des Eisladens kannte uns und wir waren fast wie Stammkunden, nur besser. Als wir uns in zwei bequeme rote Ikeasessel fallen ließen, kam er mit einem Grinsen auf uns zu.

„Das Übliche?“ fragte er. Wir nickte und lächelten glücklich zurück.

„Scheint das ihr einen erfolgreichen Tag hattet.“ bemerkte er und fing ein kleines Gespräch mit uns an.

„Ja, und wie!“ Coco strahlte über das ganze Gesicht.

„Du siehst geschafft aus. War viel los?“ fragte ich und deutete auf Todds Augenringe und verwuschelte Haare. Er war Anfang, Mitte 30 und Single, wie unser großer Bruder und immer für Scherze zu haben. Diesen Eisladen hatte er von seinem Vater übernommen und die Rezepte verfeinert, seitdem galt er, als der beste und leckerste Laden überhaupt. Auch wenn es eher ein Café war.

Schon als man eintrat, begrüßte einen die angenehme Stimmung und ein wohliges Gefühl. Die Einrichtung und Wahl der Farben verstärkte die Atmosphäre und alles in allem, war es ein wirklich toller Ort, um nach der Schule zu entspannen und der brennenden Hitze zu entkommen.

„Ich habe doch diesen neuen Lehrling, er macht es mir ehrlich gesagt nicht leicht.“ erklärte er.

„Wir werden ihn mal unter die Lupe nehmen, lass ihn unser Eis bringen.“ Coco zwinkerte ihm zu. Das entlockte ihm ein entzücktes Lächeln und ließ sein braun gebranntes Gesicht gleich viel netter wirken. Die braunen Augen blitzten, als er sich umdrehte und zur Theke schritt.

„Na, den wollen wir uns doch mal ansehen.“ flüsterte Coco und sah sich neugierig im Laden um.

„Coco... du hast doch Flo oder Mael, wehe du fängst noch mit einem Dritten etwas an.“ verwirrt schüttelte sie den Kopf.

„Quatsch, ich rede doch von dir. Du könntest auch mal nen Freund vertragen.“ Jetzt war ich es, die verblüfft dreinschaute.

„Wieso? Ich bin vollends zufrieden und im Moment kotzen mich Jungs einfach nur an.“ sie zog eine Augenbraue hoch und hatte an meinem Ton erkannt, dass etwas nicht stimmte. Sofort beugte sie sich ein Stück zu mir und wartete geduldig. Zuerst musste ich überlegen, wie ich anfangen sollte.

„Naja, also gestern... nein es ist schon länger her. Vor ein paar Tagen muss es gewesen sein, da bin ich spazieren gegangen, im Wald, hinter unserem Haus.“ ihre Augen folgten meinen Lippen und gespannt lauschte sie.

„Ich war ziemlich müde und wollte ein bisschen entspannen und abschalten, also bin ich zu meinem Lieblingsbaum auf der kleinen Lichtung, mit dem weichen Moos gegangen. Dort hab ich mich hingelegt und wollte mich ausruhen, als plötzlich ein Typ vom Himmel herab fiel. Der sah irre aus, am Anfang hat es mir total die Sprache verschlagen. Groß, breite Schultern, pechschwarze Haare und Muskeln. Ein total attraktives Gesicht mit perfekter Nase, Augenbrauen und seine Lippen...“ schwärmte ich.

„Aber das, was mich am meisten faszinierte waren seine Augen, stechend blau, wie ein Ozean oder ein Saphir.“ sie staunte und ich sah es förmlich in ihrem kleinen Köpfchen rattern, er versuchte ein Bild zusammen zu setzten, was meiner Beschreibung nahe kam. Aber keine Phantasie der Welt würde das Original auch nur annähernd beschreiben.

„Wir sind irgendwie ins Gespräch gekommen, doch war er mir irgendwie nicht geheuer. Es war auch schon spät und ich wollte nicht mit so einem Kerl allein im Wald hocken, da bin ich weg gerannt. Er hat mich verfolgt und sogar versucht mich zu... ja zu... zu küssen. Doch kurz bevor, hat er von mir abgelassen und meinte ich soll lieber verschwinden. Das hab ich getan, ich konnte nur weitere Stimmen vernehmen und war froh ihm entkommen zu sein.“

„Wow...“ hauchte sie und ich bedeutete ihr, noch nicht fertig zu sein.

„Ich dachte, ich treffe ihn nie wieder, aber... du wirst es nicht glauben, er geht jetzt auf unsere Schule, er ist in Ace und Maels Jahrgang und ich musste ihn herum führen, weil der Direktor keine Zeit hatte. Tja und... naja gestern hab ich ihn nochmal getroffen. Aber es ist nie etwas passiert.“ nahm ich ihre Frage vorweg.

„Er ist auf unserer Schule? Hab ich ihn schon mal gesehen?“ ich konnte nur mit den Schultern zucken.

„Du musst ihn mir unbedingt mal zeigen.“ sie schien ganz aufgeregt und einerseits konnte ich es nachvollziehen, andererseits es war nur ein heißer Typ, mehr nicht.

Wir unterbrachen unser Gespräch, als der Lehrling kam, um uns das Eis zu bringen. Kritisch unterzogen wir ihn einer Begutachtung, als er uns die Becher auf den Tisch stellte und verlegen lächelte. Irgendwie traute er sich nicht etwas zu sagen oder wieder zu verschwinden, Todd eilte ihm zu Hilfe.

„Lasst es euch schmecken Mädels. Janus, du kannst weiter die Bestellungen entgegen nehmen.“ er schlug ihm kameradschaftlich auf die Schulter. Janus, der Lehrling, drehte sich schließlich um und verschwand zu einem Tisch mit einem Pärchen.

„Und?“ der Ladenbesitzer sah ihm schulterzuckend nach.

„Joa, nicht schlecht. Also er muss sich noch ein bisschen mehr Selbstbewusstsein von dir abschneiden, aber sonst ist er bestimmt ein tüchtiger Junge.“ gab ich als Urteil ab und Coco nickte zustimmend.

„Das freut mich, wenn meine Lieblingsstammkundinnen ihn mögen, bin ich zufrieden. Ach eine Frage noch... ihr seid beide noch nicht vergeben, oder?“

Überrascht blickten wir auf und antworteten im Chor:

„Nein, wieso fragst du?“ er lachte laut und tätschelte uns den Kopf. „Die Frage kam schon öfter von Lehrlingen wie Kunden. Nur damit ich euch nicht falsch vermittle oder so...“ ohne auf unsere Antwort zu warten, drehte er sich lachend um und lief wieder auf die Theke zu. Als wir die Türklingel hörten und sahen wer den Laden betrat, wussten wir sofort, wieso er sich so schnell verstecken wollte.

Die Silver Wolfs.

Sie betraten gerade das Café, als er hinten in der Küche verschwand.

„Immer wieder auf der Flucht.“ gluckste ich vergnügt und Coco sah sich suchend um, ich wusste genau wonach sie Ausschau hielt.

Ich wendete mich dem Fenster zu, da ich wusste das Mael definitiv unter ihnen war. Sie waren unzertrennlich, also war es ausgeschlossen, dass er nicht locker an Aces Seite, alle Blicke der Mädchen auf sich zog. Oder, naja fast alle... ALLE galten Ace, dem Clananführer und Oberlackaffen der Bande, nicht zu vergessen, der schlimmste Playboy schlechthin.

„Und?“ fragte ich, um mich sicherheitshalber zu erkundigen. Meine Antwort bekam ich nicht von ihr, sondern vom Chef persönlich.

„Was und? Und wieso schaust du aus dem Fenster, versuchst du im Spiegelbild unauffällig einen Blick zu erhaschen? Das ist doch nicht nötig.“ er zog sich einen Stuhl heran und ließ die Anderen um uns herumstehen. Erneut waren wir die Attraktion der ganzen Stadt. Anfangs schoss mir Röte ins Gesicht, die verriet wie verblüfft ich war und dafür hasste ich meine gute Durchblutung.

Doch genauso schnell hatte ich mich wieder gefangen, sah ihn aus kalten Augen an und erwiderte:

„Ich habe versucht zu fliehen vor deinem übergroßen Ego, schließlich ist es ein Wunder, dass es in diesen Raum passt und nicht alles und jeden zerquetscht, weil es zu kurz kommt.“ er ließ sich nicht beirren.

„Eigentlich liebst du mich, stimmts?“ fragte er und knuffte mir in die Seite.

„Eigentlich...“ ich bemerkte die durchbohrenden Blicke von Coco und verkniff mir ein weiteres Kommentar, stattdessen schob ich mir einen großen Löffel Schokoladeneis in den Mund.

„Was macht ihr, denn eigentlich hier?“ versuchte Coco die Stimmung aufzulockern.

Mael: „Wir waren in der Stadt und haben uns gelangweilt, da hatte Ace die grandiose Idee uns eine Abkühlung zu gönnen. Denn auch wenn die Sonne nicht mehr ganz so hoch am Himmel steht, hier ist es immer noch erstickend heiß.“ Ace lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sah uns zufrieden zu.

„Wie es mir scheint war es die richtige Entscheidung!“

„Wieso?“ murrte ich und mied jeglichen Augenkontakt.

„Weil wir euch getroffen haben.“ gab er entschlossen zurück.

Ich will hier raus, wirklich. Es gibt einen bestimmten Grad an Selbstgefälligkeit den ich noch durchstehen kann, aber bei ihm wird es mir zu viel. Ich kann mit ihm einfach nicht umgehen. Er ist der größte... zweitgrößte Idiot auf Erden und muss ausgerechnet jetzt, an diesem, doch so wundervollen Tag, mich zum Platzen bringen. Wieso nur? Was will er von uns?

Wütend suchte ich nach irgendeinem Weg, weiterer sinnloser Konversation zu entkommen und nutzte sie als Janus schüchtern hinter den breiten Typen auftauchte. Er wirkte ziemlich klein und zierlich, hatte braune Augen und hellblondes Haar, er war mehr Milchbubi, als Junge und im Vergleich zu den Jungs der Silver Wolf ein Zwerg. Trotzdem hatte er etwas an sich, dass ich nicht deuten konnte. Auch wenn er den Schüchternen spielte, unter seiner Haut verbarg sich sicher etwas ganz anderes.

Ich stand auf, nahm meiner besten Freundin, die ununterbrochen Mael anstarrte und versuchte mit ihm zu flirten, den Eisbecher weg und trat auf Janus zu.

„Ich helf dir diese Affen zu bedienen.“ flüsterte ich.

Er schüttelte den Kopf.

„Aber du bist eine Kundin, genieße deine freie Zeit, dafür bin ich schließlich da.“ ich warf ihm ein warmes Lächeln zu und stellte mich hinter ihn.

„Kein Problem, ich helfe immer gern.“ ohne noch einmal Widerspruch einzulegen nickte er.

Ein böses Knurren war zu hören und die spöttische Frage:

„Bist du hier, um unsere Bestellung aufzunehmen oder zu flirten?“ Ace funkelte ihn böse an und irgendwie verspürte ich ein Glücksgefühl, sei ruhig sauer... lieber bediene ich, als das ich mich mit euch Idioten abgebe.

„Ja, ähm... also... äh, was... was möchtet ihr... denn?“ stotterte der Lehrling unbeholfen.

„7 Mal Silver Wolf, das Übliche.“ immer noch war der Ärger aus Aces Stimme deutlich zu vernehmen.

Um ein Blutbad zu verhindern, zog ich Janus hinter mir auf den Tresen zu.

„Was hat er denn?“ fragte er eingeschüchtert.

„Weiß auch nicht. Und es ist mir ziemlich egal, beachte die Blödmänner einfach nicht und lass dich nicht unterkriegen.“ antwortete ich und stellte die Eisbecher in die Spülmaschine. Er wollte mir helfen, wusste aber nicht wie und fragte weiter:

„Wenn du sie nicht magst, wieso unterhaltet ihr euch dann mit ihnen?“ ich lief auf die Eistruhe zu und ließ mir von ihm 7 Eisbecher geben.

„Tja, es scheint das meine Freundin in einen der Typen verknallt ist und sie uns wie Kletten finden und verfolgen.“ er lachte.

„Du kannst sie wirklich nicht ausstehen, aber das du das trotzdem für deine Freundin machst...“ er half mir die Eisbestellung fertig zu machen.

„Was man nicht alles tut.“ ich lachte und sah ihm in die Augen. Er stoppte in seiner Bewegung und erwiderte den Blick.

„Aber, ich muss dich warnen. Leg dich nicht mit ihnen an, sie sind gefährlich und haben schon so einiges in ihrer Polizeiakte, eine Gang eben.“ ich wollte irgendwie nicht, dass er später vielleicht noch wegen mir oder weil er hier arbeitet, ärger mit ihnen bekam.

„Ich werds mir merken.“ seine Lippen umspielte ein Lächeln und er zog plötzlich die Augenbrauen in die Stirn und es bildeten sich Falten.

„Du solltest nicht arbeiten. Lass mich das machen.“ und ich ließ ihn. Ich lehnte mich gegen die massive Eichenholzplatte und atmete den Geruch von kaltem Eis und süßen Verzierungen ein. Er war netter, als ich gedacht hatte.

„Wie heißt du?“ riss Janus mich aus meinen Gedanken.

„Nora.“

„Schöner Name.“ endlich war er fertig mit den Eisbechern und versuchte sie alle auf einem Tablett zu unserem Tisch zu befördern.

„Warte ich helfe dir.“ ich nahm ihm drei Becher ab und trottete hinter ihm her. Er lächelte dankend und übergab sie 4 der Jungen.

Ich verteilte meine ebenfalls und hörte sofort wie Ace sich erkundigte:

„Welchen hast du gemacht Nora? Der gehört nämlich mir.“ ich verdrehte nur die Augen, schenkte Janus noch ein freundliches Nicken und wandte mich Coco zu.

„Hey... wir sollten los.“ so als hätte sie mich nicht gehört, starrte sie verlegen auf ihre Hände und spielte mit ihrer Kleidung. Ich konnte nichts mit ihr anfangen, wenn diese blöden Typen in der Nähe waren.

„Coco...“ rief ich und erschrocken blickte sie auf.

„Ja?“

„Wir sollten los.“ wiederholte ich ruhig und sie nickte.

Coco wollte gerade ihre Tüten packen, da wandte doch tatsächlich Mael ein:

„Wartet doch noch bis wir fertig sind, wir bringen euch nach Hause und helfen euch bei dem Schleppen eurer Einkäufe.“ wieso so zuvorkommend? Ich blickte zu Ace der vergnügt schmunzelte und mir einen herrischen Blick zuwarf.

Ich gab es auf und lehnte mich in dem gemütlichen Sessel zurück, er funkelte mich an, ich wusste: Einspruch wäre erfolglos. Wenn er diesen Blick aufsetzte und den konnten auch die Anderen, dann wurde selbst ich still und folgte ihren Anweisungen. Nach einiger Zeit waren sie endlich fertig und Janus kam, um alles abzuräumen, die Jungs bezahlten auch für uns. Es sollte zwar nett gemeint sein, aber sie hätten das nicht tun müssen, da unser Eis so ziemlich immer aufs Haus ging. Dafür halfen wir manchmal aus, wenn Todd wieder knapp bei Kasse war. Mich soll es nicht stören, das sie ihr Geld auf den Kopf hauen, Todd freut sich.

Wir waren gerade dabei den niedlichen Laden zu verlassen, da kam er aus der Küche, zwinkerte uns noch zu und kümmerte sich um die Anderen Gäste.

„Echt nervig das der Laden Todd gehört.“ Mahesh einer der Gangmitglieder.

„Ja, er ist sonst echt gut.“ Tjark noch so ein Vollidiot. Ich stemmte die Hände in die Hüften und sah sie mit mahnendem Blick an.

„Todd ist voll in Ordnung und durch ihn ist der Laden...“

„Ich glaub sie haben es verstanden. Wir haben ja auch gar nichts gegen ihn, nur scheint er uns nicht zu mögen. Wie du mir so ich dir, ist schließlich unser Motto.“ unterbrach mich Ace und zog mich weiter mit sich.

„Blödmann.“ fauchte ich so leise, das ich hoffte, er hörte es nicht.

„Na dann...“ Coco drehte sich zu mir um und blickte mich aus fröhlich blitzenden Augen an.

„Musst du wirklich schon gehen?“ quengelte ich. Sie nickte nur und wandte ihren Kopf Mael zu der sie nur abfällig musterte, aber das fiel ihr nicht auf, mit ihrer Rosa-Roten Brille.

„Ja, meine Eltern warten sicher schon. Es hat Spaß gemacht bis zum Schluss. Wir sehen uns ja dann morgen in der Schule.“ erklärte sie und drückte mich fest.

„Du kannst mich doch nicht mit diesen Blödmännern allein lassen.“ nuschelte ich in ihr Ohr und drückte sie fest an mich.

„Du wirst es schon überleben.“ gab sie nur lachend zurück und machte sich auf den Weg. Den Jungs nickte sie noch einmal zu und Ace gab sie eine freundschaftliche Umarmung, dann lief sie mit schnellem Schritt über die Kreuzung und war wenig später hinter einer Häuserreihe verschwunden.

Nervös blickte ich in die Runde und erhaschte einen Blick auf gelangweilte Gesichter, die sich in der Gegend umsahen.

„Sind wir sie also endlich los.“ prustete einer stöhnend hervor. Ich trat ihm auf den Fuß und tat so, als wäre es ein Versehen gewesen. Er revanchierte sich nicht, was ich Aces mahnendem Blick zu verdanken habe.

„Ich werde dann auch...“ wollte ich gerade beginnen und bewegte mich in Richtung Ampel, da packte der Anführer dieser Affen meinen Arm und zog mich zu sich.

„Nicht so schnell. Ich hab da noch eine Rechnung mit dir offen.“ nichts wissend blickte ich zu ihm auf und zog meine Augenbrauen unschuldig nach oben.

„Herr Farnsworth hat mich zum Direx geschleift und dort hab ich ordentlich Ärger bekommen. Das war echt nicht schlecht, was du abgezogen hast. Aber glaub nicht, ich lasse solch eine Demütigung auf mir sitzen.“

„Und was willst du jetzt machen? Mich versklaven?“ fragte ich ironisch. Er lachte leise und kam mir ganz nah, viel zu nah. Ich spürte seine Wärme, die sich wie automatisch auf meinen Körper übertrug. Sein Atem streifte sanft meine Wange und seine Hand schloss sich wie ein Schraubstock um meinen Arm.

„Keine schlechte Idee, aber mir fällt da sicher noch etwas besseres ein.“

„Als würde ich irgendetwas komisches mit mir machen lassen.“ zischte ich und stieß ihn weg. Das klappte glücklicherweise, weil ich den Überraschungseffekt genutzt hatte. Bevor er etwas antworten konnte versteifte sich sein Körper, sein Griff wurde fester und sein Blick wacher.

„Ace...“ brummte Younes.

„Ich weiß...“ murrte er und ließ mich schließlich unzufrieden los. Irgendetwas stimmte nicht selbst ich spürte, dass etwas in der Luft lag. Die Jungs fanden das alle nicht gerade prickelnd und sahen sich suchend um.

„Mistkerl.“ fauchte Tjark und sah hilflos zu Ace.

„Wir kümmern uns darum, Mahesh du begleitest Nora nach Hause.“

„Was, hey? Gehts noch? Ich bin groß, kann alleine Laufen und es ist noch nicht einmal dunkel. Ich lass mich doch nicht von einem, von euch Affen nach Hause bringen.“ protestierte ich, doch Mahesh verdrehte nur genervt die Augen und folgte Aces Befehl wortlos.

„Komm endlich.“ er packte meinen Arm und wir liefen in zügigem Gang in Richtung meines Hauses.

„Was ist überhaupt los?“ fragte ich verwirrt.

„Schwierigkeiten.“ ich stöhnte laut und ließ mich einfach mit ihm ziehen.

*

- Tyren -

„Und wie wars?“ fragte ich.

„Wie war was?“ knurrte der Anführer mit den smaragdgrünen Augen, ich konnte seinen hasserfüllten Blick förmlich hören.

„Das Eis essen... bei Todd.“ erwiderte ich und sah zu ihnen hinab.

„Du kennst ihn?“ fragte mich Vollidiot Zwei. Vollidiot Drei wechselte wütende Blicke mit dem Anführer.

„Nein, aber ihr riecht...“ ich stockte.

Noch immer saß ich in dem alten verlassenen Firmengebäude auf Stahlbalken, die das Dach hielten. Die Wände waren eigentlich grau, genauso wie das morsche Dach, doch sie waren verziert mit kunstvollem, verblasstem Graffiti. Ich hatte zwar schon besseres gesehen, aber das hier war schließlich ein altes Firmengelände und für so ziemlich jeden zugänglich.

Weil es Mitten in der Stadt lag, hatte es die perfekte Lage für mich. Umringt von Gestrüpp und Bäumen konnte ich alles gut erreichen, riechen und hören. Die Schule, den Strand, die kleine Einkaufspassage und die jeweiligen Straßen, die zu den Nahe gelegenen Dörfern führten. Ein wirklich gutes Versteck meiner Meinung nach, aber es war nicht das der Silver Wolfs, es war verlassen.

Noch immer saß ich lässig auf dem dicken Stahl und ließ ein Bein nach unten hängen. „Ihr riecht...“ wiederholte ich mich und zog die Luft durch die Nase ein. Sie hatten einen ganz eigenen Geruch. Das kalte Vanille Eis mit Waldbeeren konnte ich wahrnehmen und viele Menschen, Bücher und ein wenig Waldgeruch mischten sich mit ihrem männlichen Duft. Doch da war noch etwas, kaum unter diesen ganzen Gerüchen zu erkennen und trotzdem würde ich ihn immer riechen, egal wie oft sie sich duschen würden.

Sie hatten diesen einen süßen Duft, der, der mich in diese Stadt gelockt hatte. Das Beste was meine Nase je erreicht hatte, auch wenn es nur sehr schwach war.

„Ihr wart bei ihr...“ raunte ich. Für Menschen wäre es unmöglich gewesen, dass zu hören, bedenke man den Höhenunterschied und meine Lautstärke, doch ich war mir ganz sicher das sie es gehört hatten und ich konnte damit eine gewisse Spannung aufbauen.

„Wen meinst du?“ fragte Ace zitternd. Einerseits vor Wut, anderseits vor Spannung. Langsam richtete ich mich auf und baute noch mehr Höhe auf.

„Halt mich nicht für blöd. Diesen einen Duft hat nur sie...“ knurrte ich jetzt.

„Wenn du uns nicht sagst wen du meinst, können wir dir nicht helfen.“ warf Ace zurück. Er schien wirklich nicht zu wissen, wen ich meinte und beinahe musste ich über seine Dummheit lachen. Er musste es auch gemerkt haben, sonst würde er sich nicht in ihrer Nähe aufhalten. Es sei denn, er war nicht mal in der Lage zu erkennen, dass sie besonders war und sie hatte ihn mit ihrem menschlichen Charme bezaubert. Selbst das, konnte ich mir bei ihm vorstellen.

Nach dieser Stille wollte er gerade etwas sagen, da zog er seine Augenbrauen zusammen und knautschte sein Gesicht ärgerlich zusammen.

„Du meinst doch wohl nicht SIE?“ schrie er schon fast außer sich. Ich musste lachen, hatte er also endlich begriffen.

„Lass bloß die Finger von ihr, ich hab sie zuerst gefunden und lasse sie mir nicht wegnehmen.“

Vollidiot Nummer Zwei hielt ihn am Arm ein wenig zurück und starrte mich, wie der Rest, böse an.

„Was ist, wenn ich sage es ist schon zu spät?“ reizte ich ihn weiter und genoss es bis in die Haarspitzen.

„Ich bring dich ernsthaft um.“ ertönte erneut seine Stimme und hallte in dem ganzen Raum wieder.

„Weißt du...“ fing ich an und sah abschätzig auf sie herab.

„Mir geht es ähnlich... ich mochte dich vom ersten Moment an nicht, du hast immer schwach diesen süßen Duft von Zärtlichkeit, Liebe und Meeresbrise gehabt. Das gefällt mir ganz und gar nicht!“ ein Knurren war zu hören und ich gab eines zurück.

„Wieso?“ rief nun Vollidiot Nummer Drei.

„Wieso musst du ausgerechnet jetzt kommen?“ fragte Vollidiot Nummer Zwei.

„Weil es Zeit ist.“ antwortete ich kühl und sprang aus fünf Metern Höhe auf den Boden, um mit einem Erdbeben gleichen Rütteln aufzukommen.

„Weil die Zeit endlich gekommen ist!“

Die Vollidioten stellten sich alle in einen Kreis und fingen an mich einzurahmen. Obwohl sie wussten, dass das nicht das Geringste brachte, knurrten sie tief aus ihren Kehlen und ihre Augen wurden schwarz. Das Tier in ihnen wollte zum Vorschein kommen und nur mit Mühe hielten sie sich zurück.

Den Hass, den sie für mich empfanden, konnte ich nur zu gut verstehen. Mir ging es genauso, nur viel schlimmer. Ich hasste mich selbst mehr als alles und jeden anderen und mehr als irgendjemand in dieser Welt hassen könnte. Mein Leben, mein Aussehen, selbst meinen Charakter, einfach alles. Genau deswegen machte mir ihre Feindseligkeit nichts aus. Sie waren keine Gegner für mich und somit nur weitere Spielzeuge, um mich zu beschäftigen.

Im Moment hatte ich wirklich Lust auf einen Kampf, in mir brodelte es und ich hatte lange keine Gelegenheit gehabt meine Wut heraus zu lassen. Auch wenn ich mich zurücknehmen musste, konnte ich wenigstens ein bisschen Dampf ablassen und mein Herz erleichtern, selbst wenn dies mit Gewalt passierte.

„Wir werden dich fertig machen, also nimm dich nicht zurück, damit wir es nicht auch tun müssen.“ der Anführer holte mich aus meinen Gedanken und nahm eine Kampfposition ein.

Ich stöhnte.

„Ich habe euch gewarnt, sogar Zeit gelassen zu verschwinden. Also wie ihr wollt, aber heult später nicht herum.“ meinen Kopf in den Nacken legend, sah ich zum Himmel und begutachtete die Wolken, die am strahlend blauen Himmel, die phantasievollsten Formen bildeten und durch die kleinen Löcher im Dach schimmerten.

„Dir wird dein großes Ego schon noch zum Verhängnis werden.“ Vollidiot Nummer Vier.

„Wir werden uns nicht zurückhalten, also mach dich auf was gefasst.“ Vollidiot Nummer Fünf.

„Ihr seid nur Sechs.“ merkte ich immer noch gelangweilt an und drehte mich um meine eigene Achse, um meine Gegner zu studieren. Wie sagt man doch so schön: Probieren geht über studieren und kenne deine Freunde und mehr noch deine Feinde.

„Das ist keine große Einbuße, wir werden dich auch als Sechs fertig machen.“ Vollidiot Nummer Sechs.

„Natürlich... natürlich. Aber euer Stolz darf auch nie zu kurz kommen, richtig?“ scherzte ich und sah wie die ernsten Gesichter sich noch mehr verfinsterten. Gut so, je mehr Wut ihr verspürt, desto mehr werdet ihr kämpfen und desto länger habe ich meinen Spaß.

„Wir sind bereit. Was ist mit dir? Oder willst du vorher große Reden schwingen?“ ich schüttelte ruhig den Kopf und hockte mich hin.

„Ich warte nur auf euch.“ erwiderte ich und sah dem Silver Wolf Oberhaupt tief in die Augen. Er versuchte seine Angst zu überspielen, versteckte sie gut hinter anderen negativen Gefühlen. Bei den anderen konnte ich sie riechen und spüren.

„Fight.“ flüsterte er und seine Kameraden stürmten auf mich zu.

Immer noch hockte ich auf dem Boden, wartete darauf angegriffen zu werden.

Ace war der Erste, der mich erreichte, mit wutverzerrtem Gesicht und einem animalischen Knurren sprang er auf mich zu. Nun gab es zwei Möglichkeiten: entweder er wollte auf mich springen und mich am Boden festnageln, damit seine Kumpel mich ausschalten konnten, als geballte Kraft oder er wollte mich hoch prügeln und es allein mit mir aufnehmen.

Zu blöd nur, dass ich jede kleinste Bewegung von meinem Gegner kannte und wahrnahm, jeden zarten Windhauch spürte. Er war wirklich dümmer, als ich es gedacht hätte.

In einer unglaublichen Geschwindigkeit hechtete er zu mir und setzte an mich mit seinem Fuß vom Boden zu treten, sodass ich ihm gegenüber stand. Schade, dass er trotz seiner Hochleistungsgeschwindigkeit für mich zu langsam war. Mit einer Hand packte ich seinen Fuß, richtete mich auf und schleuderte ihn einmal im Kreis um meine eigene Achse. Somit erledigte ich auch seine auf uns zukommenden Freunde, er selbst riss sie in der Drehbewegung zu Boden. Später machte er ebenfalls die schmerzhafte Erfahrung auf dem harten, kalten Stein unsanft zu landen.

Schreie und Ächzen hallten durch die gestandene Luft, keine Sekunde später richtete ich mich vor dem liegenden Haufen auf und lachte leise.

„Ihr müsst euch echt nicht vor mir hin knien, es reicht schon, wenn ich euer Antlitz einfach nicht mehr ertragen muss.“ zischte ich und sah zu Ace.

„Das war einfach!“ merkte ich an und wollte ihnen gerade den Rücken zuwenden, da wehte mir ein neuer Geruch in die Nase. Er ähnelte dem der Mitglieder der Silver Wolf.

Männlichkeit, Waldluft und der süße Duft von Schokolade und Meeresbrise.

Ich rümpfte die Nase und zog scharf die Luft ein. Diese Kombination gefiel mir nicht, diesen Geruch durfte nur ich haben, riechen. Aus irgendeinem Grund wurde ich furchtbar launisch.

„Hey Leute...“ der Neuankömmling stoppte mitten im Satz und sah sich um.

„Wow. Was ist denn hier passiert? Anscheinend kommt ihr doch nicht ohne mich klar, was?“ scherzte er. Aber nicht mehr lange...

Ich sah ihm mit stählernem Blick in die Augen, direkt. Ich fixierte ihn, denn in mir stieg nun unergründliche Wut auf, wieso ärgerte es mich, das er nach ihr roch? Wieso beschäftigte mich dieses einfache Menschenmädchen so? Wegen ihr hatte ich des öfteren Streit mit der hier sesshaften Bande.

Langsam, geschmeidig und mit gefährlichem Ausdruck, schritt ich auf ihn zu.

„Ich bin mir sicher das deine Hilfe, nichts an dem hier vorliegendem Ergebnis geändert hätte.“ knurrte ich.

„Hey, jetzt bleib mal locker. Ich weiß, das ich keine Chance gegen dich hab.“ er hob beschwichtigend die Hände in die Höhe und sah hilflos zu seinen Kumpanen.

„Leute, ich werde definitiv sterben, wenn ihr euch nicht langsam mal einkriegt.“ Sie rappelten sich mühsam auf und wanderten mit ihren Blicken zwischen ihm und mir, hin und her.

Ich hatte mich inzwischen vor ihm aufgebaut. Irgendwie schien die Situation ein wenig zu eskalieren.

„Hey... Tyren!“ rief Ace. Ich behielt den Nachzügler im Auge und wartete auf seine Frage.

„Du riechst SIE... und du reagierst sehr stark auf SIE, wieso?“

Wollte er darauf wirklich eine Antwort? Sie war nur eine von vielen und trotzdem schien sie besonders, das spürte ich.

„Wieso interessierst du dich denn für SIE?“ fragte ich ohne auf ihn einzugehen. Immer darauf bedacht, dass es eine Ablenkung werden sollte und sie sich hinter mir formierten.

Ich entspannte mich etwas, als ich nochmal den schwachen Duft, der noch von IHR in der Luft lag, roch. Er verblasste langsam in der schwülen, stickigen Sauerstoffdecke.

„Sie ist süß, frech und hübsch. Das erste Mädchen, das nicht auf meine Flirtversuche anspringt, wieso also sollte ich kein Interesse zeigen?“ seine Kumpel staunten. Auch, wenn es sich nicht direkt so anhörte, war es doch ein Geständnis. Für seine Niederlage, gegenüber des weiblichen Geschlechts.

Ein Playboy wie er würde so etwas nie, nicht einmal im grausamsten Tod zugeben. Doch er hatte es sich eingestanden und damit eine verwundbare Schwäche entblößt. Normalerweise verlor man dadurch Respekt, er war der Anführer, ein Vorbild und durfte keine Schwächen zeigen. Und die Größte, die es gab waren Frauen, ob sie Menschlich oder von unserer Art waren.

Auch mir beweist diese Aussage, dass er sein Bestes gab und nicht so schnell aufgeben würde.

„Es geht dir genauso, richtig?“ hakte er nach.

„In der Tat, SIE ist ein faszinierendes Geschöpf. Dennoch werde ich nicht verlieren und mich von ihr unterwürfig machen lassen. Du magst glauben, sie irgendwann bändigen zu können, doch ich...“ ich führte den Satz nicht weiter zu Ende und ein Brummen war von Ace zu vernehmen. Er wollte mich mit ihm gleichstellen, mich von meinem Podest aus Respekt und Macht erniedrigen und auf gleiche Stufe mit ihm stellen, um seinen Freunden die Angst zu nehmen. Aber er hatte noch immer nicht begriffen in was für unterschiedlichen Klassen wir doch eigentlich spielten.

Plötzlich war ein Knacken zu hören und alle stürmten auf mich zu. Zwei auf jeweils meine Arme und Beine, sie klammerten sich mit ihrem kompletten Gewicht an mich und zogen mich zu Boden. Weitere Zwei verstärkten, indem sie sich ebenfalls in mich fest krallten oder auf mich setzten. Ace schnappte sich meinen Kopf.

Ohne mich zu wehren schafften sie es mich auf das kalte Gestein zu ringen.

„Na, du kleiner Prinz, jetzt kannst du nichts mehr unternehmen.“ Vollidiot Nummer Fünf, fühlte sich besonders cool und ein Lachen huschte über sein Gesicht, als er mich mit seinen schwarzen Augen, argwöhnisch musterte. Die Anderen konzentrierten sich immer noch krampfhaft auf meine Glieder und trauten der Situation nicht ganz über den Weg. Je länger ich von ihnen festgehalten wurde und mich nicht wehrte, desto mehr Mut bekamen sie.

„Wir werden dich nicht umbringen... trotzdem solltest du keine Gnade von uns erwarten! Schließlich haben wir mehr, als nur eine Rechnung mit dir offen...“ wies Ace mich und seine Kumpel an.

Mit einem ausdruckslosen Gesicht schloss ich die Augen. Was für unnötiges Gehabe was ich auf mich nehmen muss... aber was soll es schon? Mein Leben besitzt keinen Sinn, ganz das Gegenteil ist der Fall.

Lebe ich, wird die Welt untergehen.

Sie fingen an brutal auf jedes meiner Körperteile einzuschlagen. Quetschten meine Organe, durchbrachen Knochen, zogen und zerrten an meinen Muskeln, zerkratzen meine makellose Haut an allen möglichen Stellen. Solange bis ich bewusstlos zu sein schien.

Die Typen konnten zwar meinem Körper schaden, nicht jedoch meiner Seele und meinem Geist, der sich in das tiefe Schwarz in meinem „Leben“ verzogen hatte. Egal was sie taten, ich würde nicht sterben und diese Schmerzen waren nichts im Vergleich zu denen, die mein Herz erleiden musste. Obwohl ich spürte wie mein Körper auf ihre Schläge, Wutausbrüche und brutale Gewalt reagierte und es nicht angenehm war mit einer unermesslichen Kraft verprügelt zu werden, machte es mir nichts aus. Wäre ich ein Mensch gewesen hätte ich nicht einmal den ersten Schlag überlebt. Aber, ich war kein Mensch. Kein verletzliches Wesen, nicht zerbrechlich und schwach.

Meine Wenigkeit war eine unbesiegbare Bestie, die nicht zu stoppen war, wenn sie einmal aus der Fassung geriet. Niemand konnte mich zerstören, stoppen oder mir widerstehen. Kämpfe, so wie dieser, bedeuteten nichts in meiner Welt. Das hatten die Silver Wolfs noch nicht begriffen. An Schmerzen wie diese gewöhnte man sich, lernte mit ihnen umzugehen und sie zu verdrängen. Denn nach kurzer Zeit heilte alles wieder.

Das Herz und Schmerzen die in der Seele entstanden und den Geist schädigten waren für meine Art unüberwindbar. Sie zerrissen jeden von uns, wir konnten nicht mit ihnen umgehen, obwohl wir so viel Last zu tragen hatten. Unsere Art allein brachte uns im Leben viel Leid und Wunden, die nie heilen würden. Das war das Einzige in dem die Menschen uns voraus waren. Sie fanden immer einen Weg diese Gefühle zu bändigen, sie in den Griff zu bekommen und zu kontrollieren. Meine Art lernte nicht damit klar zu kommen, wir lernten nur den körperlichen Schmerz zu verbannen.

Sicherlich war das der Grund, warum wir uns oft um die Menschen stritten und jeder wie ein Hund auf sein Territorium aufpasste. Wenn man Menschen fand die einen akzeptierten, auch ohne zu wissen was wir waren, konnten sie uns helfen unser Herz zu erleichtern. Unsere Last zu lindern und die Wunden und tiefen Kerben in unserem alten Holz schienen zu verwachsen. Fand man auch nur einen der bereit war zu helfen konnte man ein beflügeltes Leben leben, einen Teil des Schmerzes vergessen und die Ewigkeit wurde ein Stück ertragbarer. Das war für uns das größte Glück.

Auch ich hatte es versucht, oft viel zu oft, war ich umher gestreift, um den Menschen zu finden, der mir half mit meinen Problemen klar zu kommen. Der mich sah und mir helfen konnte meine Wunden zu heilen. Leider sind meine Wunden zu tief, selbst für einen Menschen ist es unmöglich so viel Last auf sich zu nehmen, nur um mich zu erleichtern und mir dieses Glück zu schenken. Das wonach ich mich sehne, noch mehr als nach dem Tod.

Das ist der einzige Grund, der mir einen kleinen Hoffnungsschimmer gelassen hatte und mich noch nicht dazu gebracht hatte die Welt zu zerstören. In der Hoffnung irgendwann den Menschen zu treffen. Auch wenn ich schon lange aufgegeben hatte nach ihm zu suchen.

Plötzlich erinnerte ich mich an das Mädchen, ich bin mir sicher, dass sie viel zu zerbrechlich und zu schwach ist, um sich mir anzunehmen. Aber bis jetzt war ich noch nie so hypnotisiert von einem gewesen. Einen Versuch war es Wert und verlieren konnte ich nichts, denn ich hatte nichts.

Ein großer Vorteil, wenn man in die Schlacht zog, weil man nur gewinnen konnte. Auch wenn das Gefühl, dass man dabei hat nicht besonders schön ist. Es kämpft sich anders, wenn man etwas beschützt. So wie diese tollwütigen Jungen, die auf mir lagen und noch immer auf mich einschlugen.

Irgendwoher nahm ich neuen Mut, die Neugier zu erfahren, was es auf sich hatte mit diesem Mädchen. Es ließ mich die Augen öffnen und ich spürte einen stechenden Schmerz in meinen Rippen. Ebenso wie meine Beine fürchterlich stachen und ich sie kaum rühren konnte, wollten sich meine Arme nicht mehr bewegen vor Schmerz, mein Körper rebellierte. Mein Brustkorb hob sich schwer und es wollte die Luft nicht rein und nicht raus. Mein Kopf dröhnte und ich musste mir bewusst werden, zum ersten Mal in meinem kläglichen Leben, körperlichen Schmerz zu empfinden. So als wären Elefanten über mich gelaufen und riesige Felsbrocken hätten mich zerquetscht, fühlte sich mein Inneres an. Es tat so gut etwas zu fühlen, mehr als die innerlich zerreißende schwarze Tiefe die alles aufgesaugt und geschluckt hatte.

Ich schlug die Augen blitzschnell auf, blinzelte kurz, um meinen Blick zu klären und sah, wie sie auf mir lagen und verwirrt in ihren Bewegungen inne hielten. Erleichtert stieß ich die Luft aus und der Schmerz verschwand wieder, mein Körper gehorchte mir wieder und der Moment in dem ich fühlen konnte, wie tausend Stiche meine Haut durchbohrten war vorbei. Nun war ich wieder das wilde Tier, dass seine Angreifer nicht lebend davon kommen lassen konnte.

Ich zog alle Gliedmaßen an mich und schüttelte sie damit ab. Daraufhin streckte ich mich wieder und schleuderte einen in die Luft, er hatte nicht losgelassen wie die Anderen und nicht die Kraft sich weiter in mich zu klammern, als ich mich kraftvoll streckte. Irgendwie fühlte ich mich, wie aus einem langen Schlaf erwacht und stärker als je zuvor.

Obwohl meine Knochen und Organe, Haut und Haare, alles was zu mir gehört lange massakriert worden waren, fingen sie augenblicklich an zu heilen und verschmolzen wieder zu ihren ursprünglichen Formen. Nicht einmal Narben auf meiner Haut blieben zurück, als die tiefen Furchen ihrer Fingernägel sich wie selbstverständlich schlossen. Ich stemmte mich hoch und funkelte sie mit spiellustigen Augen an. Zwar hatte ich nicht bekommen was ich wollte, doch das konnte warten.

„Genug getobt.“ flüsterte ich.

Ace schien vollkommen aus der Fassung zu sein, er sank auf den Boden und schüttelte hilflos den Kopf.

„Was bist du? WER bist du?“ fragte er mit zittriger Stimme. Ohne ihm eine Antwort zu geben, rappelte ich mich hoch und lief zu ihm. So als wäre nichts gewesen packte ich seine Haare und zog sie streng nach hinten, sodass er mich ansehen musste.

Mit weit geöffneten Pupillen und schierer Angst im Blick, versuchte er eine Lösung zu finden.

„Hab ich nicht gesagt das, wenn ich euch meinen Namen sage, ich euch auch beweisen muss was er bedeutet?!“ spöttisch lächelnd zog ich ihn auf die Beine und schleuderte ihn gegen einen der grauen Betonpfeiler. Seine Kumpel verfolgten das Schauspiel und verengte ihre Augen zu Schlitzen, sie waren kurz davor das Tier in sich heraus zulassen. Dass das einerseits nichts bringen würde und sie mich sowieso nicht besiegen konnten und andererseits viel zu gefährlich war, wussten sie. Wenigstens etwas!

Brodelnd vor Wut bewegten sie sich langsam und geschmeidig auf ihren Anführer zu. Dieser lag am Boden, bewusstlos und schutzlos wie ein kleines Lamm.

„Verschwindet endlich...“ zischte ich.

Wenn sie sich nicht wirklich bald vom Acker machten, würde das hier definitiv noch ein böses Ende nehmen.

Fauchen, war ihre Antwort und Ace schien aus seinem Schönheitsschlaf erwacht. Er stemmte sich mühselig hoch und hielt sie zurück.

„Glaub nicht das wir gegen dich verloren haben, aber so wie es im Moment ist haben wir keine Chance.“

Die Anderen sahen ihn verwirrt an. Er hatte meine Botschaft also verstanden, womöglich musste ich seinen Kumpanen ebenfalls klar machen was Sache war, denn er würde sie sicherlich nicht zurück halten können.

„Anscheinend hast nur du das begriffen.“ er nickte lächelnd und stapfte schwerfällig auf den Ausgang zu. Er wandte mir den Rücken zu, was hieß ich hatte freie Bahn.

„Ich hab also deine Erlaubnis?!“ fragte ich mit ironietrotzender Stimme.

Ich schloss kurz die Augen, versuchte meine Kraft auf das Möglichste zu drosseln und rannte schließlich auf die verbleibenden sechs Typen, die noch nicht genug hatten, zu.

Einer bekam einen heftigen Schlag in den Bauch, einer ins Gesicht und ein Bein was ihn hart im Knie traf. Er fiel aufschreiend zu Boden und versuchte verzweifelt den Schmerz zu lindern und seinen Körper wieder unter Kontrolle zu bringen. Den Nächsten attackierte ich von hinten, ich legte eine Hand auf seine Augen und schränkte somit eine seiner wichtigsten Fähigkeiten ein. Ein Schlag zwischen die Schultern und auch er lag wie ein heulendes Baby auf dem dreckigen, grauen, kalten Beton. Bevor ich mir aussuchen konnte, wen ich als nächstes drangsalierte, nahmen mir zwei der verbleibenden vier die Entscheidung ab, sie kamen von rechts und links. Ich musste nichts weiter tun als nach hinten auszuweichen und sie knockten sich von allein aus. Ihre Köpfe schlugen mit einem lauten Knall aufeinander und brachte ihnen sicher eine Gehirnerschütterung. Doch so einfach wollte ich es ihnen nicht machen, ich schnappte mir jeweils ihre Arme und kugelte sie aus.

Ich weiß, nicht gerade nett, aber irgendwie musste ich ihnen doch eine Lektion erteilen. Auf ihren Gesichtern spiegelte sich der blanke Horror, obwohl ihre Schmerzen noch zu ertragen waren. Vor Schock fielen sie auf den Boden und hielten sich das verletzte Körperteil verkrampft fest. Immer mehr Schreie füllten die leere Halle und ließen sie lebhaft erscheinen.

Es waren nur noch zwei und mit ihnen wollte ich ein wenig Katz und Maus spielen. „Du Bastard!“

„Ich bring dich um!“ Vollidiot Fünf und Zwei waren noch im Spiel und ziemlich außer sich.

Wut würde ihre Stimmung nicht mal annähernd beschreiben, eher Verbitterung und Rage, Zorn und ein Tobsuchtanfall näherten sich dem an.

„Fangt mich doch, wenn ihr könnt!“ ich spazierte um die Pfeiler herum und warte das sie um die Ecke geschossen kamen. Sobald sie in Sichtweite waren, rammte ich ihnen Steine groß wie klein in alle möglichen Körperteile.

Knackend sackten ihnen die Gliedmaßen weg und ein Gebrüll geprägt durch Qual machte das Schmerzkonzert zu einem vollen Chor.

Ohne große Schwierigkeiten sprang ich wieder auf den hohen Stahlbalkon und sah mich um. Sie lagen noch immer, wo ich sie niedergeschlagen hatte und fast hätten sie mir Leid getan. Doch so etwas wie Mitleid gab es nicht für mich, nie hatte sich jemand um mich geschert und ich war in einer gefühllosen Welt aufgewachsen, warum also sollte ich jetzt anfangen für andere, die es nicht Wert waren, Gefühle zu entwickeln.

Sie wussten nicht was Schmerzen wirklich war. Leid und Qual gehörte dazu und Einsamkeit, die einen drohte zu erdrücken, wenn man das nicht mit dem Schmerz tat. Unsere Gattung konnte nur durch Schmerzen und deren Last lernen, deswegen war nichts falsch daran ihnen so meine Überlegenheit beizubringen. Sie kannten es nicht anders und wussten es nicht besser. Mitleid war überflüssig, Gefühle machten nur schwach und verletzlich.

Wie konnte man verstehen das unsere Welt kaputt und zerbrochen war, ausgelaugt und dem Tode geweiht, wenn wir so weiter machten wie bisher. Wenn man nichts anderes kannte und Gefühle für falsch hielt.

Es regierte allein der Verstand und der konnte nicht beurteilen, wie viel Hilfe wir brauchten, wie zerstört und zerstritten unsere Gattung war. Und wie stur und dumm wir uns doch eigentlich verhielten. Niemand der gerade hier lag hatte die Situation erkannt und ich war mir sicher, dass sie durch unsere kleine Auseinandersetzung auch nichts gelernt hatten.

Nur mich zu fürchten!

Sie machten sich aus dem Staub und Ruhe und Stille kehrten zurück in die verlassenen Hallen.

Jetzt war es an der Zeit zu fragen.

„Du kannst raus kommen. Ich nehme an du bist klüger, als sie und willst nicht kämpfen, sondern nur reden. Nicht wahr?“

Der heimliche Beobachter traute sich endlich aus seinem Versteck.

4. Fragen über Fragen - Tränen überwinden

 (Marionette - Your time is up, my time is now!)

 

Endlich zuhause.

Ich öffnete die Tür, hängte meine Jacke an den Kleiderhacken und ließ mich erschöpft auf dem Sofa fallen. Jetzt einfach nur schlafen, dass wäre schön. Aber das Abendbrot stand bevor, mein Vater würde bald nach Hause kommen. Heute war sein einziger Tag an dem er so lange Arbeiten musste.

Ich wollte vorher noch ein wenig frische Luft schnappen und verdauen was heute passiert war. Schließlich war das nicht wenig gewesen.

Erst die Shoppingtour mit Coco, dann das leckere Eis und der neue Lehrling, der nebenbei ziemlich nett war, Ace und seine Bande, die fast den Raum mit ihrem überdimensionalen Ego gesprengt hätten und dann der stürmische Aufbruch.

Ich stellte mich auf unsere kleine Veranda, doch nur für kurz. Aus irgendeinem eigenartigen Grund zog es mich in das kleine Wäldchen und zu meinen Lieblingsbaum.

Ohne darüber nachzudenken lief ich durch das rostige alte Tor am Ende unseres Gartens und direkt in die mittlerweile dunkle Baumreihe. Die Blätter wehten leise, die Vögel verstummten immer mehr mit jedem Schritt, den ich tiefer in das dichte Grün trat. Die Büsche raschelten leise und die orangefarbene Wolkendecke, die durch wenige Lücken in den Baumkronen noch schwaches Licht gaben, schimmerten hindurch und ließen mich müde werden, aber alles wirkte dadurch ruhig und idyllisch.

Langsam, vorsichtig setzte ich einen Fuß vor den anderen. Das weiche, duftende Moos knirschte unter meinen Schritten und der herbe Nadelgeruch stieg mir in die Nase.

Ich liebte Spaziergänge und würde ich nicht irgendwann müde werden oder hätte Verpflichtungen würde ich wahrscheinlich um die ganze Welt laufen und versuchen zu ergründen wieso etwas so war, wie es war. Ich würde auch durch die Natur des Menschen laufen, durch Massen und versuchen zu verstehen, wieso sie handelten wie sie handelten. Was der Grund war...

Unerwartet schnell erreichte ich den gewünschten Platz und war darüber erstaunt ohne nachzudenken hier gelangt zu sein. Ich schloss die Augen und zog tief die frische Waldluft in meine Lungen und füllte sie mit stärkendem Sauerstoff.

„Ich hab dich erwartet.“ sofort schlugen meine Lider zurück und ich suchte nach der Stimme, die mich so überrascht hatte, dass ich beinahe einen Herzinfarkt gehabt hätte.

„Musst du mich immer so erschrecken?“ zischte ich nur.

Wie ein Vogel kam er vom Baum gesprungen und schnitt durch die Luft, landen tat er jedoch wie eine Katze. samt und federleicht. Belustigt musterte er mich.

„Du wirst dich irgendwann daran gewöhnen.“

„Als ob...“ gab ich gespielt wütend zurück. Als würde ich ernsthaft in Erwägung ziehen mich öfter mit ihm abzugeben, auch wenn ich diesen unbändigen Drang in mir spürte.

„Wieso solltest du sonst herkommen, wenn nicht in der Hoffnung mich zu treffen?“ fragte er und wollte mich offensichtlich provozieren. Geschmeidig trat er auf mich zu und zog spöttisch eine Augenbraue in die Höhe.

„Das hier ist mein Lieblingsort, schon vergessen?“ erinnerte ich ihn und mich selbst, um mich von dem Gedanken abzulenken, dass er unglaublich gut aussah. Obwohl ich in diesem Licht kaum etwas erkennen konnte.

„Natürlich.“ war seine Antwort.

Was tat er hier?

Wieso war es dauernd er den ich traf?

Gab es einen besonderen Grund warum er ausgerechnet jetzt in unsere Schule gekommen war?

Hatte er nichts besseres zu tun, als sich im Wald auf Bäumen zu verkriechen?

Wieso reagierte ich so stark auf ihn und wollte meine Arme um ihn legen, seinen Duft einatmen und ihn an meinem Körper spüren?

Was war der Grund, warum meine Gefühle dermaßen aus den Fugen gerieten und nicht mehr kontrollierbar schienen?

„Was ist? Willst du etwas fragen?“ es schien, als hätte er meine Gedanken gelesen oder ein dickes Fragezeichen war plötzlich auf meiner Stirn gezeichnet. Es gab so viel das mir durch den Kopf schoss, das mich beschäftigte oder meine Neugier weckte und das alles lag einer Frage zu Grunde.

„Was willst du?“

Er lachte, dunkel und rau. Aber es war ein schönes Lachen, sanft und fast zu leise um gehört zu werden. Er übte seine Gewohnheit aus und lief um mich herum, nicht einen Moment ließ er mich aus den Augen und ich drehte mich mit ihm.

Wie ein Raubtier, das vor der Entscheidung stand mit seiner Beute zu spielen oder sie umzulegen.

„Das ist wirklich interessant. Anscheinend hast du mehrere Fragen, was nur verständlich ist. Aber diese eine stellst du! Wenn ich dir eine Antwort gebe, wirst du mir dann auch eine Frage beantworten?“ er verunsicherte mich, gewollt. Er will spielen, gut soll er machen. Ich spiele rein aus Prinzip nie, was nicht heißt das ich es nicht kann. (auch wenn ich es nicht besonders gut kann)

„Das hast du bereits!“ gab ich als Antwort und blieb auf der Stelle stehen.

Unbeirrt drehte er weiter seine Runden um mich, beäugte mich und ließ ein Lächeln über seine sinnlichen Lippen gleiten, als er meine Antwort vernahm.

„In der Tat, aber du weißt was ich meine...“ ich nickte nur und bestätigte damit beides. Was auch immer es war, es war nur eine Frage und die konnte mir nichts anhaben. Schließlich sollte ich nur antworten, die Konsequenz würde sich ergeben.

„Was ich will?“ wiederholte er und blieb hinter mir stehen. Die Versuchung mich umzudrehen war groß, von hinten konnte er mich leicht anfallen und vielleicht testete er mein Vertrauen oder meinen Mut, trotzdem schaffte ich es mich zusammen zu reißen und meine Feigheit in den hintersten Winkel meines Kopfes zu klemmen. Ich hatte im Gefühl, dass er mir nichts tun würde. Und wenn mein Gefühl das sagte, konnte ich diesem vertrauen.

„Deine Frage hätte lauten können: Wer bist du? Jemand vor dem man Respekt hat. Warum bist du gerade hier an diesem Ort? Ich hätte wahrscheinlich gesagt: Schicksal. Woher kennst du Ace und sein Rudel? Meine Antwort wäre: Kämpfe. Wieso bist du ausgerechnet jetzt gekommen? Es ist endlich Zeit. Aber all das... es scheint, als sei die Frage was ich will, wichtiger!“ ein diabolisches Grinsen zierte sein Gesicht und er stellte sich vor mich.

Wie er es so schnell von hinten nach vorn geschafft hatte weiß ich nicht, aber er nahm eine meiner Haarsträhnen in seine großen Hände und spielte mit seinen schönen langen Finger mit ihr.

„Du hast es auf den Punkt gebracht, dass ist die wichtigste Frage die sich jeder, der mir gegenüber steht, stellen sollte. Aber bist du bereit diese Antwort zu hören? Und das ist nicht die Frage, die ich vorhin angekündigt habe.“

Der Wald schien gänzlich zu verstummen, es war stockfinster geworden und nur noch unser Atem war wahrzunehmen. Es war als wäre die Zeit angehalten worden und nur wir bewegten uns weiter in einem Raum ohne diese Begrenzung. Er beugte sich zu mir und streifte mit einem warmen Hauch meine Wange. Ich musste wirklich überlegen, ob ich die Antwort hören wollte.

Ich kannte ihn nicht, eigentlich wollte ich nichts mit ihm zu tun haben, aber ich ahnte das die Antwort irgendetwas mit mir zu tun hatte. So absurd es auch war, Zufälle gab es für mich nicht. Alles hatte einen Grund, aber ob er nun würdig war darüber nachzudenken oder ihn zu ergründen, ist egal. Ich möchte eine Antwort, damit mein Leben nicht noch verwirrender wird. Denn je mehr ich mich mit ihm beschäftige, umso schlimmer wird alles. Wenn ich weiß was er will, kann ich ihm leichter aus dem Weg gehen und vermeiden in sein Revier zu gelangen.

„Ich denke schon.“ versuchte ich mit fester Stimme zu erwidern, doch sie hatte leider einen leichten zittrigen Unterton. Was meiner Meinung nach verständlich war. Ich stand einem fast Unbekannten - komischen, aber zu gut aussehenden Typen, der mir bis jetzt nur ein einziges Rätsel war - gegenüber. Er war jemand vor dem jeder Respekt hatte aus bestimmten Tatsachen, sogar die Silver Wolfs.

„Das reicht mir aber nicht.“ flüsterte er in mein Ohr und jagte mir Schauer über den Rücken, wie ich es hasse, wenn man mir etwas zuflüstert. Ich wurde dieses Kribbeln danach immer nur sehr schwer los und anscheinend hatte er gemerkt, dass ich es überhaupt nicht mochte, ein weiteres Indiz, das er spielte und ich war sein Spielball.

„Ich will die Antwort wissen, ich bin mir sicher, dass sie nicht schlimmer, als der Weltuntergang sein kann. Also rück schon raus mit der Sprache.“ versuchte ich die Stimmung aufzulockern. Außerdem machte ich wenige Schritte zurück, um Abstand zwischen uns wieder herzustellen, seine Nähe ließ mich noch mehr zittern und verunsicherte mich.

Er folgte mir bis ich mit dem Rücken gegen einen Baum stieß. Ende mit Flucht und darauf warten, dass er mich entweder umbringt oder mich laufen lässt. Aber so wie sein Gesicht und seine Augen im Moment funkeln wird er mich vielleicht nicht so schnell weglaufen lassen.

„Was ich will...“ wiederholte er erneut, betonte jedes einzelne Wort und setzte fort mit: „Dich!“

Plötzlich kam ich mir wie in einem schlechten Krimi vor, mein Kidnapper hatte mich geködert, gefangen und wartete nur noch auf den richtigen Moment mich in einen Sack zu verfrachten, in einen Jeep zu laden und in einem dunklen Zimmer, mit nur einem Bett einzusperren.

„Was soll das heißen?“ frage ich verwirrt. Doch er lächelt nur genügsam, legt mir zwei Finger sanft auf die Lippen und bringt mich somit zum Schweigen.

„Jetzt bin ich dran, bevor wir noch weitere Deals abschließen können.“ ich schüttelte den Kopf.

„Ich werde gewiss nicht weiter mit dir verhandeln.“

„Also gut. Meine Frage...“ er ließ sich Zeit. Seine Augen glitten erneut über mein Gesicht, zu meinen Haaren, meinen Schultern, blieben ein Stück zu lange an meinem Ausschnitt hängen, bis sie weiter zu meiner Taille und Hüfte wanderten, meinen Kurven und schlussendlich zu meinen Beinen.

„Vertraust du mir?“ in seinen Augen blitzte es und ich spürte wie er seine Hände um meine Hüfte legte, er presste mich noch weiter an den Baum und nahm mir vollständig die Luft zum Atmen. Mein Brustkorb senkte und hob sich schneller und schneller, mein Herz drohte aus mir herausspringen zu wollen und mein Kopf verwandelte sich zu Wackelpudding. Er roch unglaublich gut, seine Muskeln spannten sich unter seinem T-shirt und seinem Blick war nicht zu widerstehen. Da schaltete selbst mein Immunsystem ab. Wie sollte ich in dieser Situation darüber nachdenken, ob ich ihm vertraue.

Ich fühle mich sicher, mit seinen starken Arme die um mich geschlungen sind.

Aber wie konnten wir von Vertrauen sprechen, wenn wir uns doch erst drei Mal über den Weg gelaufen waren?

Ich senkte den Blick, irgendwie musste ich fliehen, seine Augen schienen tief in mich hinein zu schauen und mich zu durchbohren. Dem konnte ich nicht länger standhalten.

„Was soll das? Das ist keine Frage die ich beantworten kann...“ versuchte ich. Doch sein Drängen wurde deutlicher, er wollte eine richtige Antwort und würde nichts halbes dulden.

„Vertraust du mir?“ fragte er erneut. Er nahm mein Kinn in seine Hand und hob es leicht an. Zwang mich damit, ihm in die stechenden Augen zu sehen.

Ich wusste, würde ich nicht antworten, würde etwas passieren, dass mir wahrscheinlich nicht gefällt. Immer mehr Druck lastete plötzlich auf mir und drohte mich zu zerbrechen.

„Ja!“ gab ich nun als einfache Antwort. Ich konnte fühlen, dass er anders war als die Idioten, die ich bis jetzt getroffen hatte. Ich wusste nicht was es war, das mich zu ihm zog, noch konnte ich mich dagegen wehren. Der Drang ihn zu berühren und seinen Blick auf mir zu spüren wurde größer.

Als ich ihm geantwortet hatte schien er im ersten Moment überrascht, doch viel zu schnell machte ein weiterer unergründlicher Blick, diesen zu Nichte. Er wendete den Blick ab, entfernte sich jedoch nicht von mir.

„Ich hätte alles erwartet, nur nicht das.“ nuschelte er.

„War meine Antwort falsch?“ entgegnete ich.

Er lächelte und erwärmte mir das Herz, es schlug noch schneller, auch wenn ich mich frage ob das überhaupt geht.

„Das wirst du bald selbst wissen.“

„Was soll das heißen?“ wieso nur musste er immer in Rätseln sprechen.

„Wir können nur über Fragen kommunizieren, oder?“ jetzt musste ich auch lächeln. In der Tat, das Einzige was in dieser Unterhaltung gefallen war, waren Fragen und Antworten. Als ein vielfältiges Gespräch konnte man das allemal nicht bezeichnen.

„Anscheinend.“

Unsere Blicke trafen sich erneut, er fixierte mich mit seinen hellen blauen Augen, die im Dunkeln zu leuchten schienen. Eine seiner Hände packte meine, die Andere strich behutsam durch mein Haar. Er zog leicht daran und brachte mich so dazu den Kopf ein Stück in den Nacken zu legen. Bevor ich wusste wie mir geschah streiften seine Lippen die meinen. Wie ein Elektroschlag durchfuhr es meinen Körper und ich stieß ihn ein wenig von mir weg.

„Du hast gesagt, du vertraust mir!“ zischte er leise und rahmte mich erneut ein.

Der Baum nahm mir die Möglichkeit nach hinten zu weichen, seine Arme links und rechts von meinem Kopf hinderten mich zu den Seiten zu springen und seine muskulöse Brust versperrte mir den ganzen Rest.

Gefangen, geködert und nun... gefoltert?

„Das heißt aber nicht, dass dir das die Erlaubnis gibt, mit mir zu machen was du willst!“ gab ich mit zittriger Stimme zurück und verfluchte mich selbst für meine Unsicherheit.

„Das war deine Einwilligung dich auf mich einzulassen. Du hast mir jetzt eingeräumt alles mit dir zu machen was mir beliebt, schließlich vertraust du mir.“ Blödmann.

Ich hatte vielleicht nicht genug nachgedacht oder er nutzte dieses Eingeständnis schamlos aus. Jedenfalls war ich nun verloren. Vertrauen ist eines der wichtigsten Tugenden die man im Leben haben sollte, wenn jemand dem anderen Vertrauen entgegenbringt heißt das mehr als nur: ich vertraue dir das die Antworten im Biotest alle so ziemlich richtig waren.

„Nora...“ hauchte er in mein Ohr. Ein eiskalter Schauer lief über meinen Rücken und seine Hände, die nun an meinen Seiten hoch und runter streichelten, ließen mir ein Kribbeln durch den ganzen Körper fahren. Was sollte ich tun, um hier wieder lebend raus zu kommen?

„Ich muss nach Hause. Dad macht sich sicher schon sorgen.“ ein kläglicher Versuch ihn loszuwerden und das wusste er.

„Solange du bei mir bist wird dir nichts geschehen.“

„Angeber. Außerdem weiß mein Dad das nicht.“ er grinste.

„Nora...“

„Was?“ fragte ich genervt und stemmt meine Hände gegen seinen harten Bauch. Wenn ich nicht bald die Fliege machte, würde erstens mein Dad die Polizei rufen und zweitens ich total verrückt werden, wenn er mir weiterhin so Nahe stand und diesen anziehenden Geruch von Wald, Honig und tiefer Dunkelheit verströmte.

„Du gehörst mir, verstanden?“ mit weit aufgerissenen Augen starrte ich ihn an. Das war nicht sein ernst, er wollte Anspruch auf mich erheben? So weit kommt es noch.

Nur, dass wir das mal klarstellen: er ist ein Volltrottel, kranker Primat, zurückgebliebener Affe, Vampir und was weiß ich.

Ich kannte ihn nicht einmal – nur seinen Namen – wusste nichts über ihn, doch er betrachtete mich als sein Eigentum. Ich würde nie jemandem gehören, dafür war ich zu sehr ich. Ich konnte ihm unmöglich sagen was ich war, wer ich war und aus einem total bescheuerten Grund wollte ich noch weiter Zeit mit ihm verbringen. Wenn das so bleiben sollte, konnte ich ihm nichts von mir erzählen und er mich deshalb auch nicht besitzen. Er würde wie alle anderen weglaufen, Angst vor mir haben und mich vielleicht verraten. Ich hatte Angst noch mehr zu verlieren, mein Dad konnte mir nicht mehr helfen, sondern ich musste an seiner Seite stehen. Ein Grund warum ich nie einen Jungen an mich heran ließ. Ich habe zu viel zu verlieren, mein Dad braucht mich, vor allem im Moment. Er durchlebt eine schwierige Phase.

„Nein... nein... nei...!“ erneut lagen seine rauen Finger auf meinem Mund und er sah mich durch dringlich an.

„Doch! Du gehörst mir!“

„Du weißt nicht, was du da sagst...“ ich wurde langsam hysterisch. Ich musste hier weg, sofort.

„Lass mich gehen!“ er spielte erneut mit einer meiner Haarsträhnen und machte mich nervös.

Was sollte das alles hier? Ich zerbreche mir den Kopf über solche Dinge, ich will nicht das er in mich hineinschaut, mich kennt. Ich will ihn nicht verlieren?

Aber ich kenne ihn nicht, werde ihn nie kennenlernen und auch nie will ich etwas mit ihm zu tun haben, wenn es nicht vermeidbar ist. Er bringt mein ganzes Leben durcheinander.

„Wenn es sein muss.“ war seine Antwort, er drückte mir einen Kuss auf die Wange und entfernte sich ein Stück von mir.

Luft, ich konnte wieder normal atmen, denken, klare Gedanken fassen und mich ihm entgegenstellen. Ich verengte meine Augen zu Schlitzen und warf ihm einen bösen Blick zu. Was stellt er nur mit mir und meinem Körper an?

Leider interessiert es ihn nicht. Er nahm meine Hand, schenkt mir ein verschmitztes Lächeln und zog mich durch den düsteren und nun eher unheimlichen Wald.

Ein Uhu rief durch den Wald, Flügelschläge ertönten und die Büsche an den Seiten raschelten drohend. Jederzeit könnte etwas gefährliches aus den Büschen springen und das weiß ich, denn ich war noch nie gern allein in diesem Wald gewesen, wenn es dunkel war.

Jetzt war ich aber nicht allein. Tyren war da, er hatte meine Hand fest in seiner und zog mich vorsichtig auf die Lichtung zu, die nach ein paar Minuten vor uns erschien. Wir hatten es heil und unbeschadet aus dem Gestrüpp geschafft und ich begann mich zu wundern, wie er so genau wissen konnte wo wir lang mussten. Die Sonne war mittlerweile untergegangen und es war schwer selbst die Hand vor Augen zu sehen. Trotzdem waren wir nicht ein Mal über einen abgefallen Ast gefallen oder über eine Wurzel, die aus der braunen Erde ragte, gestolpert. Als wir mein Haus erreichten, drehte er sich zu mir um. Tyren strich mir sanft eine Strähne aus dem Gesicht, musterte mich noch einmal und drückte meine Hand.

„Hier muss ich dich wohl gehen lassen.“ seufzte er, fast schon schmollend streckte er das Kinn hervor. Er strich mit seinen großen Händen ein letztes Mal durch meine Haare, durchkämmte sie mit wehleidigem Gesicht und steckte unerwartet seine Nase in meine Haarsträhnen. Er roch an mir, zog meinen Duft wie Lebensenergie ein und sagte: „Naja, wir werden noch genug Zeit zusammen verbringen.“ doch ich schüttelte den Kopf.

„Auf Wiedersehen! Tyren.“ er ließ meine Hand los und als ich mich entschloss, mich noch einmal umzudrehen und zu sehen, ob er auch wirklich ging, war er verschwunden. Als hätte er sich in Luft aufgelöst, ich sah nur das dunkle Wäldchen, welches still vor unserem kleinen Haus lag.

 

Ich hatte das kleine Gebäude durch die Terrassentür betreten und sah mich um. Nur im Wohnzimmer brannte ein schwaches Licht. Ich steuerte durch den schwarzen Flur auf den flackernden Raum zu.

„Dad?“ rief ich und versuchte ihn in dem schwachen Licht auszumachen.

Er saß mit den Ellbogen auf die Knie gestützt auf dem kleinen gemütlichen Lieblingssofa meiner Mum und vor ihm stand ein Bild von ihr und eine Bierflasche.

„Dad... wie viel hast du getrunken?“ fragte ich besorgt.

Er sah nicht auf, registrierte mich nicht, sondern starrte auf das Bild vor ihm. Ich legte ihm behutsam einen Arm um die Schultern und sah das ihm eine dicke Träne über die Wangen rollte.

„Nora... es tut mir Leid. Ich...“ ich kniete mich hin, damit ich ihn ansehen konnte.

„Dad, ist schon okay. Das ist nicht leicht mit Mum, aber wir schaffen das. Es sind bereits fünf Jahre. Ich glaube nicht das sie gewollt hätte, dass wir so lange um sie trauern.“

„Ja. Du hast Recht, aber es ist so schwer. Ich vermisse sie so sehr...“ ich tätschelte ihm den Kopf.

„Ich doch auch! Wir schaffen das, Dad! Ich brauch dich jetzt, du darfst nicht in Trauer verfallen. Ich durchlebe grad eine schwierige Phase, ich weiß das es ungemein selbstsüchtig ist, aber ich versuche dich auch, so weit wie ich kann, zu unterstützen.“ er sah auf und mir endlich in die Augen, ein kleiner Hoffnungsschimmer.

„Nora, was würde ich nur ohne dich tun. Deine Mum ist zwar gegangen, dennoch hat sie mir dich gegeben. Ich bin eigentlich der glücklichste Mensch der Welt. Nora, ich bitte dich verlass mich nicht auch noch.“ wieder eine große Träne, die seine Bitte nur noch schmerzvoller machte.

Ich nickte und schluckte, schlang meine Arme um ihn und drückte ihn fest. „Ich hab dich lieb, Dad.“

 

Nach dem Abendbrot verschwand ich sofort in mein Zimmer und versank in Tränen. Als hätte mein Vater mich angesteckt, kullerten die Tränen ohne Aussicht auf ein nahendes Ende. Wieso jetzt... ausgerechnet jetzt.

Als wäre mein Leben nicht schon kompliziert genug. Da taucht Tyren auf, dieser verblödete Schnösel, der glaubt er ist der Coolste der Welt. Er stolziert in mein Leben wie ein Star, würfelt alles durcheinander und kommt dann im nächsten Moment, um mich wieder wie ein Puzzle zusammen zu setzen.

Meine Gefühle spielen verrückt und mein Verstand sagt mir ich muss mich von ihm fernhalten. Aber irgendetwas hat er an sich was mich anzieht und mich vollkommener macht. Ich fühle mich wohl, geborgen und sicher auch, wenn er immer unglaublich anzügliche Bemerkungen macht oder mich in den Wahnsinn treibt mit seiner drückenden Nähe.

Verzweifelt, verstreut, verblüfft, verärgert, verlegen, verdattert, verletzt, verloren, verlassen, verunsichert, verrückt, verliebt, verboten, versucht, verwirrt, verblödet, verwünscht, veralbert, verdreht, vergessen, verändert, verfangen, verängstigt, … verflixt!

So viel, dass ich fühle. Ich musste zwar schon immer mit ein paar Schwierigkeiten klar kommen, aber sobald es mehr werden verliere ich den Mut durchzuhalten. Meine Disziplin ist nicht ausgereift und ich habe einfach nicht den Anreiz alles auszuhalten.

Auch wenn mein Vater Grund genug wäre und ich die Kraft, diese Lasten zu tragen, habe. Dennoch will ich das alles nicht, ich will normal sein. So wie jeder andere ein schönes Leben mit zwei Elternteilen, einem netten Freund, der sich um mich sorgt, eine beste Freundin, die ich mein ganzes Leben lang kenne und der ich mich voll und ganz anvertrauen kann, Erinnerungen die sich lohnen, sich an sie zu erinnern. Ich möchte glauben das alles richtig ist, glauben das mein Leben einen Sinn hat und ich trotz der Probleme atmen und genießen kann.

Glauben, ist nicht wissen!

Aber Glauben kann manchmal mehr als Wissen bedeuten, mehr als nur Fakten und Informationen oder die stille Hoffnung. Glauben ist mehr als das... aber wie soll ich ihn besitzen, wenn mir ständig alles genommen wird, woran ich glaube. Wenn immer wieder Dinge passieren die mich aus der Bahn bringen und bevor ich überhaupt Glaube mich davon abbringen?

Im Augenblick ist mein Leben ein einziges Rätselbuch, nicht nur ich, das Haus, der alte Baum, die Leute um mich, alles was passiert. Ich bin diejenige die das lösen muss. Ich darf nicht aufgeben, egal was passiert und vor allem nicht jetzt. Wie komme ich bloß darauf mich von dem blöden Volltrottel so verunsichern zu lassen, in die Ecke gedrängt zu werden von einem Idioten, lasse ich mir nicht bieten. Ich werde stark sein, denn das wollte ich schon immer, wer will das nicht...

Ich muss selbst meine Schwächen nutzen und sie entweder zu meinen Stärken machen oder sie überwinden, damit kein anderer aus ihnen profitieren kann.

Egal was ich bis jetzt durchgemacht habe, es werden schlimmere Dinge auf mich zukommen und auch wenn ich sie vielleicht allein bewältigen muss werde ich das schaffen, schließlich habe ich dieses Leben nur einmal. Meine Eltern wären enttäuscht würde ich es wegwerfen, aufgeben oder ähnliches...

Aber jetzt, muss es mir gewährt sein schwach, müde und traurig zu sein, um Kraft zu schöpfen.

 

Das alles, alles, wirklich alles nur, weil ich anders bin. Ich sah in den Spiegel und ich musste mich nicht einmal anstrengen, um das was mich so besonders machte, zum Vorschein zu bringen. Meine braunen Augen fingen an zu glühen. Sie leuchteten in einem stechenden, strahlenden Violett auf.

 

 *

- Tyren -

Schule hatte mich noch nie interessiert. Sie ist furchtbar, langweilig und Zeitverschwendung. Nicht das ich davon zu wenig hätte...

Jedenfalls sitze ich hier höre Barrymore zu, wie er begeistert von der nigalischen Geschichte erzählt und frage mich was Nora wohl gerade macht. Sie wird sicherlich auch im Unterricht sein und Notizen machen. Wie gern würde ich ihr dabei zusehen wie sie konzentriert versucht dem Lehrer zu folgen. Ihre warmen Augen würden immer zwischen Tafel und Papier hin und her springen, ihre zarten Finger würden schreiben und ihre weichen Lippen...

„Tyren!“ genervt sah ich auf, es hatte gerade angefangen interessant zu werden in meinen Phantasien und er musste mich ausgerechnet jetzt unterbrechen.

„Ich hoffe du folgst meinem Unterricht und nicht irgendwelchen jugendlichen Spinnereien. Du schienst abwesend. Könntest du...?“ ich ließ ihn nicht ausreden. Was bildete er sich bloß ein. Er war anders, als die Anderen Lehrer, sie fragten nur selten hielten Abstand und respektierten mich, so als wäre ich einer von ihnen und nicht Teil der Schülerschaft. Barrymore legte es praktisch darauf an mich herauszufordern, was ziemlich dumm für einen schwachen Menschen ist.

„Sie haben von 1788 gesprochen und der schweren Krankheit, die zu dieser Zeit herrschte. Ich muss ergänzen, dass die Situation nicht nur wegen der Seuche außer Kontrolle geriet. Die Adeligen führten zu dieser Zeit viele politische Machtspiele unter denen die einfachen Bauern und all ihre Untertanen litten. Dieses Jahr war besonders, nicht nur aufgrund der Seuche, sie wurde von Schweinen und Kühen übertragen, die ihren Höhepunkt erreichte. Nein, auch weil ein fremder König das ganze System durcheinander brachte. Er half der Landwirtschaft wieder „auf die Beine“ und beendete die politischen Machenschaften des Adels. Ende 1790 war ein verheerender Kampf, der Ruin für alle bedeutete und die Menschen begriffen endlich was Zusammenhalt bedeutete. Sie fingen an wieder alles aufzubauen und sich gegenseitig mit ihren übrig gebliebenen Reserven zu unterstützen. Soll ich noch weiter ausführen oder möchten sie übernehmen?“ Barrymore warf mir einen grimmigen Blick zu, drehte sich zur Tafel und verkündete mit rauem Ton:

„Buch aufschlagen, lest die Seiten 355 bis 360 und macht die Aufgaben auf den darauf folgenden Seiten bis Stundenende.“ ich lehnte mich lässig zurück und genoss noch die letzten bewundernden Blicke meiner Mitschüler, bis sie anfingen zu arbeiten und ich weiter meinen Gedanken hinterher hing. Ich war zufällig zu dieser Zeit in Saramenti gewesen der Hauptstadt Nigalas und hatte miterlebt, was ich gerade noch erzählt hatte. Nicht unbedingt die spektakulärste Historie, aber besser als die der Inseln.

Alle anderen um mich herum erarbeiteten sich die weiteren Informationen und bearbeiteten die Aufgaben, während ich sie genug beobachten konnte und dummerweise feststellen musste, dass sie alle langweilige Kreaturen waren mit denen es sich nicht lohnte zu spielen. Nicht einmal Ace und sein Rudel waren in meinem Kurs, die ich in größter Not noch hätte necken können.

Ich merkte wie Barrymore auf mich zu kam, irgendetwas an ihm ließ mich immer achtsam bleiben. Er schien mich mit seinen grauen Augen fast zu durchschauen.

„Tyren... wenn dir mein Unterricht zu langweilig ist, dann musst du nicht hier sitzen. Du hast sicherlich besseres zu tun?!“ in der Tat. Ich hatte besseres zu tun. Aber wenn ich nicht eine bestimmte Stundenanzahl aufweisen konnte, wurde ich nicht für die Examen zugelassen, nicht das ich sie brauchen würde, aber diese waren mein Alibi hier zu bleiben und mit meinem neu entdeckten Spielzeug zu spielen.

„In der Tat. Würden sie mir diese Stunde bitte trotzdem eintragen? Dann verlasse ich auch schon den Raum.“ er schüttelte nachdenklich und leicht genervt den Kopf.

„Die letzten Minuten wirst du doch wohl noch aushalten, oder?“ ich funkelte ihn nur an.

„Sie waren der Meinung ich könnte ihren Unterricht verlassen, wenn ich vor Langeweile sterbe.“ und wie gern würde ich das wirklich. Vielleicht nicht aus Langeweile, aber ich wünsche mir nichts sehnlicher. Niemand weiß es, wird es je erfahren und nie wird mir dieser eine Wunsch gewährt.

„Nun gut.“ er wandte sich von mir ab.

Ich packte erleichtert meine sieben Sachen zusammen und wollte gerade aus dem Raum verschwinden, da hielt er mich am Arm fest.

„Eins noch, ich habe sie neulich mit einer meiner Schülerinnen gesehen. Nicht, dass das ein Verbrechen wäre, aber halten sie sich von ihr fern. Jede andere können sie verführen oder mit ihr machen was sie wollen, ich werde ihnen keine Vorschriften machen, da es mir sowieso unmöglich erscheint. Jedoch müssen sie eine Ausnahme bei Noralie Ann Lancaster machen, sie ist ein Tabu. Für sie und jeden anderen ebenfalls.“ eine höflich ausgedrückte Warnung, die mehr als nur eine leere Drohung darstellte. Er schien auch ein gewisses Maß an Interesse an ihr zu besitzen, wieso gerade er an ihr?

Wie konnte er es wagen mich zu Maßregeln.

„Sie können versuchen sie von mir fernzuhalten, aber wagen sie es nicht mich von ihr fernzuhalten. Ich werde ihrem freundlichen Hinweis nicht nachkommen können. Nora gehört mir! Ich hoffe sie mischen sich nicht weiter in ihre Angelegenheiten ein und ich kann ihnen nur empfehlen ihr ebenfalls nicht zu nahe zu kommen. … Lassen sie uns einen Deal abschließen, ich werde das Mädchen in Ruhe lassen, und Sie werden Nora nicht belästigen oder ihr zu Nahe kommen.“ zwischen uns baute sich eine nicht ertragbare Spannung auf, jedoch nicht für mich, sondern für ihn. Widerwillig nickte er und ließ mich endlich gehen.

Als ich in den Flur hinaustrat wehte mir ein angenehmer Duft entgegen, er war stark süß und unwiderstehlich. Ohne den Willen dazu, folgte ich ihm und gelangte an eine Reihe von roten, gestapelten Schließfächern. Ein leises Fluchen drang an mein Ohr und die bezaubernden Klänge verwöhnten mein Gehör, langsam schlich ich mich an sie heran und versuchte alles an ihr mit meinen Sinnen aufzusaugen. Aus unerklärlichen Gründen machte es mich süchtig sie zu riechen, zu hören, zu sehen und je mehr ich von ihr wahrnahm desto stärker wurde der Drang sie zu berühren, zu fühlen und sie zu besitzen.

Sie schlug die Tür zu, das Schloss knackte und ich packte im richtigen Augenblick zu. Gerade, als sie sich umdrehte presste ich ihre Arme an die kalte Schließfachfront und meinen Körper gegen den ihren. Immer stärker vernebelte sie meine Sinne und ließ mich beinahe die Kontrolle verlieren.

„Wahh... ha... Ty...“ stotterte sie und hielt den Atem an, als sich unsere Nasen berührten und ich genoss, nur ihren süßen Duft einzuatmen. Sie wurde immer mehr und mehr wie eine Droge für mich, so wie Vampire Blut brauchten, brauchte ich das... SIE.

„Ty...ren.“ flüsterte sie heiser und wand sich mit ihrem schön geformten Körper gegen mich. Mit der einen Hand hielt ich weiterhin ihre Arme über ihren Kopf mit der anderen glitt ich zu ihrem Mund und zog ihre weiche rosarote Unterlippe ein Stück nach unten.

Mein Knie wanderte zwischen ihre Schenkel und ich spürte überall ihre Kurven. Mein Körper lechzte danach ihre Haut zu berühren, weiter und weiter schwand meine Selbstbeherrschung.

„Wa... soll das... wer...?“ stammelte sie, versuchte erneut zu ergründen was ich wollte. Doch sie wusste es, diese Frage hatten wir bereits geklärt.

„Immer nur Fragen. Obwohl du die Antwort kennst.“ hauchte ich in ihr Ohr und knabberte an ihrem Ohrläppchen. Sie jammerte kurz, was mich mein Bein noch weiter nach oben schieben ließ. Ihr Versuch freizukommen war gescheitert und sie hatte es aufgegeben mich wegzudrücken, nun drückte sie sich an die Wand, doch der Abstand vergrößerte sich nicht. Unsere Körper verschmolzen fast, wären die nervigen Klamotten nicht im Weg.

„Ich will dich.“ flüsterte ich, streifte mit meinem Mund ihre Wangen und biss ihr in die Unterlippe, die ich jetzt von meinem Finger löste. Die freigewordene Hand wanderte weiter ihren Weg nach unten und legte sich an ihre Hüften, um sie noch mehr an mich zu ziehen, auch wenn das kaum noch möglich war. Ein leises Stöhnen entwich ihr und gab mir das Zeichen mich endlich zurück zu ziehen. Würde ich weitermachen, wäre ich nicht mehr zu stoppen, nicht einmal von ihr.

Ich wollte sie wirklich! Und trotzdem nicht so...

Ich zwang mich, folterte mich selbst, sie los zulassen.

Es war fast unmöglich, ich wollte sie besitzen, ich wollte das sie nur mir gehört, nur ich alles an ihr berühren, spüren, kosten darf. Erregt und enttäuscht stemmte ich meine Arme gegen die Schließfächer links und rechts von ihr. Den Kopf nach unten und schwer atmend versuchte ich Bilder von ihr aus meinem Kopf zu radieren, um nicht gleich wieder anfangen zu wollen, sie zu berühren.

„Tyren...“ eine kurze Pause, in der sie unsicher wirkte. Danach tat sie etwas das mich überraschte und tief in meinem Inneren etwas regte.

„Was ist los? Du bist sonst nicht so... ist etwas passiert?“ ihre Hand lag auf meiner Brust und versengte meine Haut unter dem T-shirt. Ihre Berührung ließ kleine Blitze durch meinen ganzen Körper schießen und mir wurde heiß und kalt zugleich.

„Tyren...“ wiederholte sie erneut in fragendem Ton. Ich ballte die Hände zu Fäusten und hob den Kopf.

„Es ist nichts. Alles okay!“ beteuerte ich. Darauf bedacht sie mit meinem Blick zu fixieren. Wenn ich das tat würde sie meine Antwort hinnehmen und nicht weiter nachfragen. Für kurze Zeit glaubte ich sogar, dass es funktioniert hätte und sie sich nun von mir abwenden würde. Doch das tat sie nicht.

Ihre Hand wanderte über meine Schulter zu meinem Nacken und dann strichen ihre zarten Finger durch mein zerzaustes Haar.

„Hör auf mir was vor zu spielen. Ich kenne dich zwar immer noch nicht besonders gut, aber ich bin mir sicher, dass etwas geschehen sein muss. Sonst reagierst du nicht so...“ schlussfolgerte sie und zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht. Sie war in der Tat anders, sie konnte meinem Blick entkommen, ihn erwidern und ihm standhalten. Es war als würde sie versuchen in meine Seele zu schauen, nur war es dort so dunkel und schwarz das nicht einmal ich selbst dort durch die labyrinthartigen Gänge finden konnte. Ihre Bemühungen waren zwecklos.

„Jemand anderes wollte mich von dir fernhalten.“ ich sagte ihr die Wahrheit, weil ich testen wollte wie sie reagiert. Ihre Mundwinkel zuckten nach oben und ihre besorgte Maske wandte sich zu einem verspielten, leicht kindischen Ausdruck.

„War es vielleicht Ace? Da hatte er doch einmal eine gute Idee. Unglaublich... ich denke ich sollte ihm danken. Du wirst doch seinen Rat befolgen, oder?“ sie war hart, aber ich wusste, was sie mir eigentlich sagen wollte.

„Hätte ich dich in die Ecke gedrängt, wäre ich dem Befehl dieser Person gefolgt?“ sie schüttelte den Kopf.

„Und egal, wer es mir sagt und wenn es der Schöpfer persönlich ist, ich werde alles aufgeben, aber dich nicht.“ ihre Augen weiteten sich und eine kurze niedliche Überraschung wurde vertrieben von Furcht und Unsicherheit.

„Ich hab dir doch klar und deutlich gesagt das...“ ich legte zwei Finger auf ihren Mund und brachte sie zum Schweigen.

„Das ist meiner Meinung nach die erste richtige Unterhaltung, die wir ungezwungen miteinander führen. Ein weiterer Schritt, tief in unsere starke unzerstörbare, unendliche Beziehung.“ ein Faustschlag auf den Oberarm zeigte mir das sie verstanden hatte, dass ich sie aufzog.

„Blödmann... ich weiß nicht mal mehr was du von deinen Aussagen ernst gemeint hast und was nur dummes Geschwätz war. Du bist so ein Idiot, lass mich bloß in Ruhe.“ sie drehte sich weg, konnte jedoch nicht flüchten, da ich sie immer noch zwischen den Schließfächern und meinen Armen einrahmte. Was für ein schönes Gefühl zu Wissen, dass sie mir nicht entkommen konnte. 

5. Störenfried - Heiße Küsse

Am liebsten würde ich sie für immer festhalten und nicht gehen lassen. Ich fühlte mich so wohl und entspannt bei ihr. Die Probleme und die Dunkelheit schienen vor ihrem hellen Erscheinen und der leuchtenden Anmut zu fliehen. Wie könnte ich das einzige Wesen das mir Frieden bringt wieder gehen lassen?

Ich konnte meine Gliedmaßen nicht mehr unter Kontrolle bringen und meine Arme schlossen sich immer enger um ihren zarten Oberkörper zusammen. Da kam plötzlich Mister Störenfried um die Ecke und blähte sich wutentbrannt auf.

„Wie können Sie es wagen? Auseinander! Sofort!“ schrie er und trennte uns.

Nora blickte ganz verwundert was ich darauf zurückführe das nicht nur Herr Barrymore sie verwirrte, sondern auch die Umarmung oder was auch immer gerade zwischen uns gefunkt hatte. Etwas hilflos blickte sie zu mir, doch ich konnte nur mit den Schultern zucken und Barrymore böse anstarren.

Als er zwischen uns einen „gewaltigen“ Abstand gebracht hatte wandte er sich mir zu.

„Wir hatten eine Vereinbarung!“

„Die ich gehalten habe!“ antwortete ich mit breitem Grinsen.

Er zog verärgert die Augenbraue hoch und schüttelte den Kopf.

„Sie sollten sich...“

„von ihr fernhalten.“ fiel ich ihm kess ins Wort.

„Ich habe nicht gesagt wer ihr ist, somit habe ich unseren Deal nicht vergessen und nicht gebrochen. Richtig?“

Beleidigt wandte er sich nun Nora zu die sich ein belustigtes Grinsen fast nicht mehr verkneifen konnte.

„Noralie Ann Lancaster sie haben noch Kunst, bitte begeben Sie sich sofort in ihren Kurs.“

Nora verdrehte die Augen, nickte mir zu und verließ das Geschehen. Jetzt gab es nur noch mich und den lebensmüden Lehrer der immer noch aufgeblasen vor Wut vor mir Stand und mich mit kalten grauen Augen musterte.

„Sie sind nicht dumm, aber denken Sie nicht sie wären eine große Nummer.“ fauchte er.

Ich näherte mich ihm und baute mich vor ihm auf. Das war nicht schwer, da er fast einen Kopf kleiner war als ich und schon von einiger Entfernung zu mir aufschauen musste. Zwischen uns waren nur wenige Zentimeter und ich funkelte ihn mit meinen tiefen blauen Augen an. Doch er schien nicht beeindruckt zu sein und hielt standhaft das Blickeduell. Irgendetwas an diesem Mann war höchst eigenartig doch ich konnte beim besten Willen nicht sagen voran das lag.

„Passen Sie auf das ich ihnen nicht beweise, dass ich eine große Nummer bin.“ raunte ich gelangweilt und ließ ihn einfach stehen.

 

 

 

*

- Nora -

 

Was auch immer soeben passiert ist, es war äußerst merkwürdig. Tyren hatte sich so seltsam verhalten und danach auch noch die peinliche Situation mit Mr. Barrymore. Warum hatte er nur so extrem reagiert. Er war vollkommen gegen uns.

 

Mr. Barrymore kam mir sowieso komisch vor. Er hatte irgendetwas unerklärklich seltsames an sich. Und er schien den Aufpasser zu spielen. Ob das nur bei mir so war oder bei allen kann ich nicht sagen, aber es kommt mir vor als würde er mich verfolgen.

Wie dem auch sei, nach der ganzen Sache war ich zügig zum Kunstunterricht geeilt, sonst wäre ich zu spät gekommen. Am Anfang der Stunde erzählte uns die Lehrerin etwas über Abstraktheit und berühmte Künstler die sich dieser Kunstrichtung verschrieben hatten. Nach einer guten Viertelstunde waren wir an der Reihe und sollten uns abstrakt ausprobieren. Geistesabwesend malte ich, war mit den Gedanken aber ganz woanders. Ich war bei Tyren und Mr. Barrymore. Die Neugier in mir wollte wissen wie diese Unterhaltung weitergegangen war. Meine Fantasie sponn sich einiges zusammen.

Wie sie sich immer mehr mit Argumenten hochschaukelten, die Diskussion ein Streit wurde und sogar ein Kampf. Es war klar wer diesen Gewann, aber trotz meiner Grübelei konnte ich den Grund dieser Auseinandersetzung nicht ergründen.

Kurz vor Ende riss mich meine Lehrerin aus meinen Gedanken und fragte verblüfft: „Oh, Nora. Es scheint mir das dir ein Junge im Kopf die Gedanken durcheinander bringt. Oder soll das ein fantastisch gemalter Ochse sein?“ erschrocken fuhr ich hoch und starrte erst sie und dann mein Blatt Papier an. Wirklich abstrakt war es nicht. Man konnte deutlich einen Jungen auf meinem Bild erkennen. Und das herausstechendste waren seine Augen. „Tyren“ schoss es mir durch den Sinn.

Meine Lehrerin räusperte sich. Ich wandte mich noch in Gedanken zu ihr um und antwortete: „Beides.“ ich grinste und packte meine Sachen zusammen. Denn in diesem Moment klingelte es. Meine Lehrerin grinste ebenfalls nahm das Blatt an sich und wandte sich den anderen zu. „Halt!“ schrie sie, bevor alle nach Hause fliehen konnten. „Eure Mitschülerin hat mich auf eine Idee gebracht! Jeder von euch sucht sich in der nächsten Woche einen Mitschüler aus und wird diesen porträtieren. Die Ergebnisse werden dann auf dem Schulfest präsentiert und das Paar welches die meisten Stimmen von unserer Jury bekommt wird sogar einen Preis erhalten. Nur um euch zu motivieren. Also sucht euch jemanden speziellen, außergewöhnlichen oder macht eure Muse zu etwas, was uns alle beeindruckt. Auf Wiedersehen!“

Das war eine interessante Entwicklung für mich. Ich musste mir also jemanden suchen den ich malen sollte, na toll. Das war schwieriger als gedacht. Dieser Jemand sollte außergewöhnlich sein. Ich wusste wen ich schon mal nicht nahm und wo jeder aus meinem Kunstkurs Schlange stehen würde. Weder Tyren noch Ace würden auf mein Blatt Papier kommen. Die beiden würden sowieso von meinen Mitschülern belagert, da hatte ich keine Chance. Ich könnte mir Noak vorstellen. Er hat nicht nur einen ungewöhnlichen Namen, sondern auch wunderschöne außergewöhnliche Augen. Er ist ebenfalls relativ neu. Er kam vor ein paar Wochen zu uns in den Jahrgang und hat sich immer so durch geschummelt. Manch einer kennt ihn gar nicht. Er ist sehr unauffällig, obwohl sein Aussehen alles andere als das ist. Seine Augen haben einen sehr hellen Braunton, fast orange könnte man sagen. Er hat blonde Haare und ist zwar klein, aber nicht weniger gut gebaut als die Silver Wolfs. Wenn ich mich recht erinnere, dann hat er sogar ein, zwei Mal versucht bei ihnen einzutreten. Aber da kommt keiner rein, der nicht rein geboren wird. Deswegen ist er jetzt unter anderem als der Neuling abgestempelt und wird nicht beachtet. Aber er ist gut geeignet für das was Misses Bloomfield von uns wollte. Ich werde ihn fragen!

Aber jetzt geht es erst Mal nach Hause. Darauf freue ich mich schon.

Coco wird schon weg sein, sie hatte eine Stunde früher Schluss als ich, also werde ich mich gleich auf den Weg machen können.

 

Als ich zuhause angekommen war sah ich nach, ob Töpfe auf dem Herd zu finden waren. Denn das hieß das Dad etwas gekocht hätte. Aber er war noch nicht einmal zuhause. Also musste ich mir selbst etwas zusammen suchen. Dies tat ich auch schnell, da ich nicht übel Lust hatte zu verhungern.

Nach dem Essen ging ich in mein Zimmer machte Hausaufgaben, räumte auf, hörte Musik, tanzte zur Musik, malte etwas und genoss in Ruhe nachdenken zu können.

Als ich nicht mehr wusste wie ich mich beschäftigen sollte, überlegte ich raus zu gehen. Aber ich wusste nicht wohin. In den Eisladen wollte ich nicht, sobald ich dort war witterte es Ace sofort, der Strand war schön, um diese Zeit aber leider sehr voll, ich würde dort keine Ruhe haben. Einen Stadtspaziergang schloss ich ebenfalls aus, also blieb nur der Wald und die Hoffnung nicht auf Tyren zu treffen.

Ich entschied mich für den Wald, denn nach einigem hin und her wurde ich mir bewusst, dass ich Tyren eigentlich sehr mochte. Ich redete mir nur immer ein das er doof war und ich ihn nicht leiden konnte, aber in meinem Inneren wusste ich von Anfang an das er mir gefiel und er mich auf eine Art und Weise faszinierte, wie es noch kein anderer Mann tat. Nach meinem Entschluss hatte ich Dad eine kurze Notiz in der Küche dagelassen und war guten Mutes in den Wald spaziert.

Ich lief erst einen großen Bogen um meinen Lieblingsort, da ich noch ein wenig Ruhe wollte. Ich genoss die Sonnenstrahlen die durch die Bäume ihr Licht schlängelten und die letzte Wärme die sie noch versprühten. Da es schon dämmerte konnte ich keinen allzu großen Spaziergang machen. Als ich nun so zwischen den Bäumen umher lief und den bekannten Duft von Holz, Moos, und frischen Blumen in mich hineinzog, kam ich plötzlich automatisch zu meinem Lieblingsbaum. Ich blieb einige Meter vor ihm stehen und begutachtete ihn. Er hatte viel Platz zu allen Seiten da er eine breite Baumkrone und weitreichende Wurzeln hatte, kein anderer konnte sich in seiner Nähe durchsetzen. Deswegen waren die anderen vor ihm gewichen und er hatte wie eine grüne kleine Wiese um sich herum wachsen lassen. Seine Blätter waren dicht und seine Äste verzweigt. Man konnte selbst wenn man unter ihm stand nicht den höchsten Ast ausmachen. Deswegen hatte ich Tyren auch nie bemerken können. Heute schaute ich genauer hin, aber natürlich konnte ich wieder nichts entdecken.

Ein wenig erleichtert aber auch ein wenig auf der Hut setzte ich mich ins weiche grüne Moos vor seinem dicken knorrigen Stamm. Ich lehnte mich an und begrüßte ihn mit einem entspannten Seufzen. Ich war auf alles gefasst, ich bereitete mich wieder auf eine Attacke von Tyren vor, aber ich zog auch die Möglichkeit in Betracht ihn heute nicht anzutreffen. Beides war möglich und beides war schön. In Gedanken konnte ich gar nicht fassen das ich so schnell nachgab und es schön fand ihn zu treffen!?

Hatte ich wirklich schon verloren gegen ihn und war ihm verfallen? Ich hatte mir doch geschworen nie, niemals mich zu verlieben und mich zu einem Jungen hingezogen zu fühlen. Ich verlor mich schnell in diesen Gedanken und sann ihnen eine Zeit lang nach.

Plötzlich hörte ich es knacken. Ich schreckte hoch und ging in Angriffsstellung, was auch immer jetzt kommen sollte ich war darauf gefasst. Ich hatte richtig gehört es war jemand da, denn ein weiteres knacken erfüllte die Stille und hallte noch ein wenig durch den verlassenen Wald. Sollte ich Tyren rufen? Sollte ich gelassen tun, als hätte ich es erwartet? Ich suchte nach einer Lösung. Doch nicht schnell genug, schneller als erwartet kam jemand um die Ecke.

Er war groß, gut gebaut und dunkel gekleidet. Er bewegte sich geschmeidig und so als wäre er schon immer in diesem Wald gewesen. So als würde er hier leben. Ich wollte schon aufatmen, als ich jedoch seine Stimme hörte rutschte mir das Herz in die Hose.

„Hallo Nora.“ ein schelmisches Grinsen zeichnete sich auf seinem Gesicht ab.

Ich dachte scharf nach, versuchte etwas zu erwidern wenigstens ein Hallo. Doch in meinem Kopf herrschte Leere, gähnende Leere. Seine Augen funkelten mich belustigt an und er fragte verschmitzt: „Na, habe ich dir mal wieder die Sprache verschlagen?“

Noch immer konnte ich nicht antworten, ich fühlte mich sogar schon unterbelichtet. Das konnte doch nicht sein. Jetzt hör endlich auf ihn anzustarren!

Er packte grob mein Handgelenk und zog mich aufs weiche Moos. Ich lag plötzlich auf dem Rücken und er direkt über mir. Meine linke Hand hielt er über meinem Kopf fest. Seine andere stützte er neben mir ab und eines seiner Beine schob sich gekonnt und frech zwischen meine. Als ich immer noch nicht reagierte beugte er sich ganz dicht an mein Ohr und flüsterte: „Süße, jetzt sag doch was...“

Wie ein Blitz zuckte es durch meinen Körper und endlich gewann ich die Kontrolle zurück. Meine Trance schwand im Nu und ein Kraftimpuls ließ mich hoch schrecken. Allerdings war ich nicht stark genug Tyren von mir weg zu drücken, also passierte nichts außer das wir ein paar Zentimeter nach oben rutschten.

„Ähm... hi“ stammelte ich. Doch bevor er etwas erwidern konnte redete ich weiter. „Du kannst jetzt wieder von mir runter. Ich hab den Schock überwunden, dass du so ein Idiot bist kannst du ja nicht ändern.“ versuchte ich mich aus dieser misslichen Lage raus zu reden. Leider vergeblich, denn Tyren bemerkte meine Unsicherheit. Das ihm auch nichts entging.

„Netter Versuch.“ wieder huschte ein schelmisches Grinsen über seine sinnlichen Lippen. „Du brauchst mir nichts vor zu machen. Nicht mir! Ich habe mittlerweile geschnitten das du ziemlich in mich verknallt bist, also versuch es nicht zu verbergen.“

„Jetzt hör aber auf. Ich bin doch nicht verknallt.“ protestierte ich.

„Süße“

„Nenn mich nicht immer Süße“ fauchte ich nun und versuchte mich aus seinem Griff zu befreien.

„Ich nenne dich wie ich will! Du hast es anscheinend noch nicht ganz verstanden, aber du bist meins! Und ich mache was ich will! Und ich will dich jetzt verdammt nochmal endlich...“ er machte eine kurze Pause. „...küssen!“ knurrte er dann und seine Direktheit überraschte mich. Er wollte mich küssen?

Empfand er etwa auch etwas für mich? Warte... auch?

Bevor ich weiter über seine Worte nachdenken konnte, zum Beispiel darüber das er erneut versucht hatte mich als sein Besitztum zu deklarieren, spürte ich eine ungeheure Hitze auf meiner Haut.

Er legte eine Hand an meine Wange und zwang mich in seine tosenden und stürmischen Augen zu sehen. Wenn ich sie so sah, dann musste ich unweigerlich davon ausgehen das er mich wirklich wollte. Ob nun rein körperlich oder auch mit Gefühlen sei dahin gestellt. Aber diese Lust die er ausstrahlte und diese Anspannung die sich durch seinen muskulösen Körper zog fiel mir jetzt auf. Er schien sich schon die ganze Zeit zurück zu halten und zu beherrschen. Seine Augen zeigten trotzdem ganz deutlich was eigentlich in ihm vorging.

Tyren gab dem was ihn antrieb nach und ich konnte mich nicht zur Wehr setzen. Und auf eine gewisse Weise wollte ich das auch nicht.

Er beugte sich mit einem dunklen Knurren über mich und raunte noch: „Ich will dich endlich nur für mich! Bitte... sei mein!“ bevor er seine Lippen sanft auf meine presste.

Weder hart noch aufdringlich, ganz sanft und zärtlich berührte er mit seinen meine Lippen. Und wieder überraschte er mich, denn ich hatte eigentlich etwas anderes erwartet. Seine Wärme zog sich über meine Wangen zu meinen Ohren und dann den Hals hinunter zu meinem Herzen und von da aus in meinen ganzen Körper.

Ich gab nach und ich genoss es ihn an mich zu drücken. Meine Arme umschlangen seine Schultern und zogen ihn dichter zu mir. Auch er presste nun seinen Oberkörper fest auf meinen, aber er erdrückte mich nicht. Tyren achtete darauf der er keinen Druck auf mich ausübte, sondern sein ganzes Gewicht auf seinen Beinen und seiner Hand lastete.

Wir fingen an mit unseren heißen Lippen zu spielen und auszuprobieren. Ich fühlte mich unbeholfen, da es mein erster Kuss war. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Wie sollte ich ihn küssen, dass es ihm gefiel? Sollte ich meinen Kopf lieber schräg nehmen?

Sollte ich ihn mit meiner Zunge reizen?

Ich merkte schnell, dass ich nichts tun musste, Tyren übernahm die vollkommene Kontrolle. Er zeigte mir genau was er wollte und wie er es wollte. Zwar wurde er stürmischer und gieriger, aber trotzdem bedacht. Ich wusste kaum wie mir geschah, als er seine wunderschönen Lippen von meinen trennte und sich ein Stück von mir entfernte. Ein kühler Luftzug ließ mich wünschen das er mir wieder so nahe kam.

„Ty... ich versteh das nicht. Ich...“ stotterte ich um zu versuchen in Worte zu fassen was passiert war. „Ich... also... ich... also ja wirklich ich... du musst es mir erklären.“ ich brachte kaum einen anständigen Satz zu Stande.

„Nora...“ fing er an doch bevor er ausreden konnte küsste ich ihn.

Es war einfach so ein berauschendes Gefühl gewesen und ich wollte wissen, ob es nur daran lag das ich das zum ersten Mal fühlte oder ob es an Tyren lag.

Als sich unsere Lippen berührten breitete sich erneut ein wohliges Gefühl in mir aus. Erstaunt und überrascht sah er mich an, doch dann schloss er die Augen und genoss einfach nur. Bis ich ihm auf die Lippen biss, eigentlich aus versehen, aber es reizte ihn. Er wurde wie seine Augen stürmisch und voller Leidenschaft. Unsere Küsse vertieften sich und die Welt um uns herum schwand mehr und mehr. Es gab nur noch uns. Diesen gut aussehenden geheimnisvollen Typen und mich das unschuldige Mädchen, dass sich geschworen hatte sich niemals zu verlieben, geschweige denn einen Jungen an sich heran zu lassen.

Na der Plan hatte ja prima funktioniert.

 

 

 

*

- Tyren -

 

Nora küsste mich überraschend von sich aus und ich wusste im ersten Moment nicht wie ich damit umgehen sollte. Sie war so berauschend das ich fast die Kontrolle verlor.

In mir trieb mich etwas, etwas das sie so unbedingt wollte das es ihm egal war ob es mit Gewalt war oder gegen ihren Willen. Der Drang sie nur für mich zu haben und mich mit ihr zu paaren wurde stärker und drohte überhand zu nehmen.

Doch ich wollte ihr Zeit lassen, es ein bisschen interessanter gestalten und ein wenig spielen. Ich wollte das sie zu mir kam und darum bettelte für immer an meiner Seite sein zu können, so wie all die anderen Mädchen. Allerdings würde es genau andersherum verlaufen, wenn es so weiter ging.

Sie wickelte mich um ihren kleinen Finger und das wusste sie nicht einmal.

Als sie mir auf die Lippe biss war es um mich geschehen, das innere Tier in mir überwältigte mich mit einer Kraft und Leidenschaft die ich nicht mehr im Zaum halten konnte.

Ich stöhnte leise und meine Hände fuhren besitzergreifend ihren hübschen kurvigen Körper entlang. Ich legte eine Hand an ihren Po und mit der anderen drückte ich ihren Kopf noch mehr an meinen. Unsere Lippen tanzten nun nicht mehr Walzer, sondern Salsa. Und mein Bein schob sich gefährlich nahe an ihre untere Mitte.

Wenn sie es so herausforderte, wie konnte ich sie da enttäuschen.

Auch ihr entwich ein leises süßes Stöhnen was mich nur noch mehr anheizte.

Doch, ich wusste ich musste aufhören. Wenn ich es nicht tat dann würde das hier ein böses Ende nehmen.

Ein Kampf in meinem inneren entfachte und ich wusste nicht, ob ich oder mein Tier es gewinnen würden.

Die Entscheidung brachten ihre Hände, denn sie versuchte, wenn auch vergebens, meinen Oberkörper von sich zu drücken und Abstand zu gewinnen. Das half mir mich wieder daran zu erinnern, dass ich ihr nicht weh tun wollte. Ich war daran interessiert, dass sie mich wirklich mochte.

Ganz außer Atem und mit geschwollenen Lippen trennten wir uns voneinander. Ich sah wie ihre Augen glitzerten. Es hatte ihr gefallen, sogar sehr. Sie so aufgewühlt und durcheinander zu sehen weckte den inneren Wunsch all ihre süßen Seiten kenne zu lernen.

„Na, habe ich dich durcheinander gebracht?“ fragte ich kess.

Doch sie hielt sich nur die Hand vor den Mund und schüttelte den Kopf.

Ich warf ihr ein schelmisches Grinsen zu und zog sie zu mir hoch. Dann flüsterte ich: „Hey Süße, das war ziemlich heiß. Sag Bescheid wenn du eine nächste Runde möchtest.“

Sie sah mich genervt an und antwortete mit fester Stimme: „Du solltest dich schämen ein unschuldiges Mädchen mitten im Wald einfach so zu küssen, obwohl ihr nicht mal ein Pärchen seid.“

„Oh, das kann man ändern.“ sagte ich grinsend.

Verstohlen sah sie weg. Das schmerzte, wollte sie es etwa nicht? Hatte es ihr doch nicht gefallen? Das sie sich nun von mir abwandte machte mich unruhig.

„Ty... ähm... ich finde es zwar nicht gut, dass du das einfach gemacht hast. Aber... ich bereue es nicht meinen ersten Kuss mit dir gehabt zu habe. Es war...“

Plötzlich ging mein Herz auf. Sie war so süß, unschuldig und trotzdem hatte sie es faustdick hinter den Ohren.

Ich lachte nur mit tiefer Stimme und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

Ich musste sie einfach für mich gewinnen!

 

Impressum

Texte: Von mir, frei erfunden und es gibt keine Verbindung zur Realität. Ich verbiete es jedem meine Texte zu kopieren oder sie zu verkaufen.
Bildmaterialien: Alle Rechte vorbehalten!
Cover: von mir erstellt
Tag der Veröffentlichung: 20.06.2015

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für alle, die mal eine mitreißende Romanze lesen und in die Tiefen meines Kopfes - und damit auch in meine Ideen- tauchen wollen.

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