UND ANDERE KLEINIGKEITEN
von Martina Hoblitz
Inhaltsangabe:
Kurzgeschichte: Liebe mit Nebenwirkungen
Kurzgeschichte: Der falsche Fuffziger
Essay: Es war einmal ...
Gedicht: Vorbei
Essay: Mahnende Erinnerung
Kurzgeschichte: Sein größtes Werk
Essay (in Reimen) : Der Weihnachtsverweigerer
Kurzgeschichte: Eine Entscheidung
Gedicht: Nie
Kurzgeschichte: Fremder, warum?
von Martina Hoblitz
Der junge Apotheker, der das Geschäft vom alten Savarius übernommen hatte, gefiel mir außerordentlich gut. Aber ich hatte da so meinen eigenen Geschmack! Für mich war er äußerst attraktiv mit seinen karottenroten Haaren, den Sommersprossen und den himmelblauen Augen hinter einer niedlichen runden Nickelbrille. – Überhaupt, Männer mit Brille! Ich fand, die hatten so etwas Sensibles, Verletzliches. –
Sein Anblick und sein freundliches Lächeln retteten mir jedenfalls den Tag, denn gerade heute war Mama mal wieder unausstehlich. Er reichte mir sogar die Hand und stellte sich höflich vor: „Mein Name ist Günther Keller, und ich bin der neue Pächter der Apotheke.“
Vor Staunen vergaß ich mich vorzustellen. „Ach, Sie haben nur gepachtet? Ich dachte, der alte Herr Savarius hat sie verkauft.“
Immer noch lächelnd klärte Herr Keller mich auf: „Herr Savarius war auch nur Pächter. Diese Apotheke ist Teil einer Ladenkette.“
Inzwischen hatte er meine Hand los gelassen – und sie brannte! Diese harmlose Berührung hatte in mir eine Hitze entfacht, die mir unerklärlich schien. Und sie stieg mir zu Kopf; ich wurde rot. Was dieser Herr Keller mit einem leichten Schmunzeln quittierte.
Welches jedoch schnell verschwand, als eine weitere Kundin die Apotheke betrat. Rasch wurde er geschäftsmäßig. „Was kann ich für Sie tun, Frau ... ?“
Ach Gott, ich hatte mich ja noch gar nicht vorgestellt! Hastig holte ich das nach. „Spandau. Barbara Spandau!“ und ich reichte ihm das Rezept.
Er suchte eilfertig die Medikamente zusammen, stapelte die Tablettenpackungen vor mir auf den Tresen und schaute in den Computer.
„Ich sehe, Frau Spandau, Sie sind von der Zuzahlung befreit.“
Plötzlich blickte er auf den Tablettenstapel und musterte mich eindringlich. Ich konnte seine Gedanken erraten. Es war aber auch ein Kreuz, dass meine Mutter und ich denselben Vornamen hatten! Auf das Geburtsdatum hatte er wohl nicht geschaut. So versicherte ich schnell: „Die Medikamente sind für meine Mutter! – In diesem Zusammenhang können Sie mir vielleicht raten?“ – „Inwiefern?“ – „Nun, bisher bekamen wir die Medikamente, die der Doktor aufgeschrieben hat. Aber plötzlich verlangt die Krankenkasse, dass wir nur die billigen, angeblich gleichwertigen, Tabletten kriegen. Natürlich sieht die Packung anders aus! Jetzt sagt meine Mutter, das sind nicht ihre Tabletten und weigert sich, sie zu nehmen. Was kann ich da tun?“
Günther Keller grinste spitzbübisch – und ich hätte ihn auf der Stelle küssen können!
„Haben Sie vielleicht noch die alten Packungen? Dann tauschen sie die doch einfach aus!“ schlug er vor.
Bedauernd zuckte ich die Achseln. „Pech, die hab ich schon weg geschmissen! – Und helfen würd das auch nicht sehr, denn die Tabletten selbst haben auch ´ne andre Farbe.“
Nun war er ebenfalls ratlos. Doch dann meinte er: „Können Sie denn Ihrer Mutter nicht erklären, dass es die gleichen Tabletten sind und sie nur anders aussehn?“
Ich schnaubte verächtlich. „Als ob meine Mutter je auf mich gehört hat!“
Er zog die Augenbrauen hoch. „Würd es denn was bringen, wenn ich, sozusagen als Fachmann, mit Ihrer Mutter rede?“
Ich lächelte zaghaft. „Da müssten Sie sich schon zu uns bemühen. Meine Mutter sitzt im Rollstuhl und verlässt so gut wie nie das Haus.“
Sofort sah er auf den Computerbildschirm und bemerkte: „Ach, Sie wohnen ja nicht hier in der Stadt, sondern 20 km außerhalb.“
Ich nickte seufzend. „Ja, wir bewohnen das alte Forsthaus. Mein verstorbener Vater war der Förster. Wir dürfen da wohnen bleiben, denn der neue Förster hat ein eigenes Haus bauen lassen.“
Er lächelte mich warm an. „Naja, das ist auch kein Problem! Wenn es Ihnen recht ist, komm ich heut Abend nach Ladenschluss zu Ihnen und versuche, Ihre Mutter von der Wirksamkeit der Tabletten zu überzeugen? Schließlich sind es nötige Medikamente, die sie unbedingt einnehmen muss.“
Während er das sagte, hatte er die Packungen in eine Papiertüte gesteckt und reichte mir diese. Ich nahm sie lächelnd entgegen, hauchte mit Frosch im Hals: „Dann bis heut Abend!“ und verließ beinah fluchtartig das Geschäft. –
Als ich mit meinem kleinen Autochen aus der Stadt hinaus fuhr, klopfte mein Herz noch immer bis zum Hals hinauf, und ich konnte mich vor Freude kaum fassen, dass ich ihn schon am Abend wiedersehen sollte. ---
--- Um Punkt 18.30 Uhr läutete es an der Haustür. Ich hatte seinen Besuch nicht angekündigt, so wunderte sich Mama: „Wer kann das denn sein?“
Ihre Frage ignorierend, ging ich öffnen, und seine Erscheinung brachte mich dazu, ihn hingerissen anzustarren. Ohne den blöden weißen Apothekerkittel sah er noch attraktiver aus. Er trug dunkelblaue Jeans und darüber ein Seidenhemd in genau dem Himmelblau seiner Augen, dessen Kragen bis zum zweiten Knopf offen stand, und die eigentlich langen Ärmel hatte er leger auf ¾ hoch gekrempelt. Zwanglos sagte er: „Da bin ich also!“
Schließlich riss ich meinen unverschämt starrenden Blick von ihm los und ließ ihn mit den Worten: „Meine Mutter ist im Wohnzimmer!“ eintreten.
Der Fernseher hatte mehr als Zimmerlautstärke. Neben allen sonstigen Gebrechen konnte meine Mutter auch nicht mehr gut hören, aber ein Hörgerät kam für die eitle Frau nicht infrage.
Entschlossen schaltete ich den Apparat ab und stellte den jungen Mann mit ziemlich lauter Stimme meiner Mutter vor: „Mama, das ist unser neuer Apotheker Herr Keller! Er möchte sich mit dir über deine Tabletten unterhalten und dir erklären, was es mit der neuen Aufmachung auf sich hat.“
Ich reichte ihm die Dosierungsliste vom Arzt und wies auf das mit Verpackungen bestückte Körbchen auf dem Tisch. Dann meinte ich lächelnd: „Und nach dem Gespräch dürfen Sie gern mit uns zu Abend essen,
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: eigene Texte verfasst von 1976 - 2016
Bildmaterialien: eigene selbst gezeichnete Bilder (2016)
Tag der Veröffentlichung: 03.02.2017
ISBN: 978-3-7396-9662-1
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für alle meine treuen Leser