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GEGENSÄTZE

 

(ZIEHEN SICH AN?)

 

 

von Martina Hoblitz

 

Kapitel 1

 

 

 

Der Umzug vom beschaulichen kleinen Heimatdorf in die laute, betriebsame Großstadt war für Olaf Brügge wie ein Sprung in eiskaltes Wasser. – Schon allein die Hektik bei seiner Ankunft im Hauptbahnhof raubte ihm schier den Atem. So viele Menschen auf einem Haufen hatte er noch nicht erlebt. Und alle schienen es irgendwie eilig zu haben.

 

Olaf stand ziemlich hilflos mitten in diesem Gewühl und hielt sich krampfhaft am Griff seines wuchtigen Rollkoffers fest. Außerdem trug er noch einen prall gefüllten Rucksack.

 

Sein Freund Bertram Wollner, der ihn eigentlich abholen wollte, tauchte auch nicht auf. Ob er ihn wohl vergessen hatte?

 

Mit einem tiefen Seufzer entschloss sich Olaf, erst einmal irgendwo einen Platz zu suchen, wo er in Ruhe über weitere Schritte nachdenken konnte. – Bei einer Tasse Tee in einer Bahnhofsgaststätte überschlug er im Kopf seine Finanzen, ob er sich wohl ein Taxi leisten konnte, welches ihn zum Studentenwohnheim brachte. Dort sollte er sich ein Zimmer mit Bertram teilen. –

 

Die beiden jungen Männer kannten sich aus der Grundschule und hatten ihre Freundschaft durch Briefe fortgesetzt, als Bertram mit seinen Eltern in eine größere Stadt zog. – Doch es handelte sich dabei nicht um die Großstadt, in der die Freunde sich nun wieder trafen.

 

Durch Zufall hatten sich die beiden Jungen zum selben Studium (Kunstgeschichte) entschlossen, und so war es selbstverständlich, dass sie zusammen ein Zimmer im Wohnheim nahe der Universität bezogen. – Allerdings beschlich Olaf im Hinblick auf das Wiedersehen ein etwas mulmiges Gefühl, denn Bertrams letzte Briefe waren nicht mehr so ausführlich wie früher; als hätte er die paar Worte mal eben pflichtschuldig nur so nebenbei hin gekritzelt. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, nach all den Jahren der Trennung einfach so zusammen zu ziehen? –

 

Mit einem Blick auf die Uhr stellte Olaf fest, dass Bertram bereits eine ¾ Stunde überfällig war. Er hatte ihm die genaue Ankunftszeit mitgeteilt, und der Zug war pünktlich, ohne die geringste Verspätung, eingetroffen.

 

Nun gut, er wollte ihm noch eine ¼ Stunde geben. Er bestellte sich ein Mineralwasser und dachte versonnen an den Abschied von zuhause, von seiner Familie auf dem großen Bauernhof, wo er geboren und aufgewachsen war. – Eigentlich sollte er ja, als der Ältere mal den Hof übernehmen, aber die Landwirtschaft hatte ihn nie wirklich interessiert. Im Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder Xaver, der mit Leib und Seele Bauer war.

 

Olaf liebte mehr die schönen Künste und deren Geschichte. Sein Vater, und auch sein Bruder, lachten ihn immer aus, wenn er die Kühe, statt sie zu melken lieber zeichnete. – Anders seine Mutter, die auch einen großen Kunstverstand besaß. Sie hatte damals seinem Vater zuliebe ihr Kunststudium abgebrochen, um ihm auf dem Hof zur Hand zu gehen. – Ob sie diesen Schritt je bereute, wusste Olaf nicht, denn seine Mutter ließ sich nichts anmerken und war immer sehr zurückhaltend in ihren Gefühlen. Doch als sie das Malinteresse ihres älteren Sohnes bemerkte, versuchte sie, es unauffällig zu fördern. Schon als kleiner Junge bekam Olaf von ihr Block und Buntstifte, mit denen er sich eifrig beschäftigte, während sein Bruder mit den anderen Dorfjungen draußen Fußball spielte. –

 

Die Freundschaft zu Bertram entwickelte sich bereits am 1.Schultag, weil die Eltern sich gut kannten und bei der Einschulungsfeier beisammen standen. Vor allem die beiden Väter hatten regen Kontakt durch Kegelclub und Schützenverein.

 

Bertram war handwerklich schon früh sehr begabt; er schnitzte mit großem Eifer kleine Holzfiguren. An das Holz kam er durch Abfälle aus der Schreinerei seines Vaters. –

 

Ganz in Gedanken versunken holte Olaf ein kleines Holzschweinchen aus seiner Hosentasche; ein Glücksbringer als Abschiedsgeschenk von Bertram, als sie damals fort gezogen waren. Ob er wohl noch das Miniaturbild von ihm besaß? Es war eine von Olaf gezeichnete Landschaftsidylle von der Stelle am Bach, wo sie immer zusammen gespielt hatten. –

 

Versonnen drehte er das hölzerne Tierchen in seinen Händen, steckte es wieder ein und sah erneut auf die Uhr. – Gerade beschloss er zu zahlen und sich tatsächlich ein Taxi zu rufen, da stürmte ein junger Mann mit langen dunklen Locken und Vollbart an seinen Tisch und rief atemlos: „Mensch, Olly! Endlich hab ich dich gefunden! Sorry, dass ich zu spät bin! Fast hätt ich dich vergessen.“

 

Olaf erhob sich zögernd und musterte den aufgeregten Jüngling misstrauisch. „Berti? Kann das möglich sein? Ich hätt dich nie im Leben wieder erkannt!“

 

Dann schüttelten sich die 2 herzlich die Hand, und Bertram meinte: „Dich hab ich sofort erkannt. Du hast dich ja kaum verändert. Nur die Brille hattest du damals noch nicht. Siehst richtig gelehrt aus.“ – „Und du ganz verwegen. Mit dem wilden Haar und Bart!“ grinste Olaf. „Keine Zeit für Frisör und Rasur?“ – „Nö, keine Lust! Nun komm endlich! Ich hab nachher noch ´ne Verabredung. Ich bring dich nur eben ins Quartier und bin dann gleich wieder weg.“

 

Bertram schnappte sich einfach den Rollkoffer und eilte voraus, während Olaf seine Zeche bezahlte, seinen Rucksack schulterte und ihm rasch folgte. –

 

Mit Straßenbahn und Bus fuhren die 2 hinaus auf das Universitätsgelände. In der Straße vor dem Campus befanden sich die alten Mietshäuser mit den Studentenwohnungen. Es waren 3, und Bertram betrat das mittlere über 4 ausgetretene Steinstufen. Unverdrossen ignorierte er den Fahrstuhl und stieg die alte Holztreppe hinauf, Olafs Koffer hinter sich herziehend, wobei er bemerkte: „Sind nur 2 Stockwerke und das Ding ist sowieso meist kaputt.“

 

Olaf folgte ihm verdutzt schweigend.

 

Zur selben Zeit holte Hannelore Nordstetter ihre Nichte Gunhild Bachmeier am Bahnhof ab. Das Mädchen kam ebenfalls von einem Dorf in die Stadt, um zu studieren. Doch sie wohnte bei der Schwester ihres Vaters und deren Mann in einem geräumigen Eigentumsappartement.

 

Auch sie hatte ihr Elternhaus traurig verlassen; allerdings im Streit. Die Mutter und vor allem der Vater als Inhaber einer traditionsreichen Familienmetzgerei konnten den Berufswunsch der einzigen Tochter nicht verstehen. Gunhild wollte unbedingt Kunst studieren und sich später auf Grafikdesign spezialisieren, um dann als Werbegrafikerin zu arbeiten.

 

Ohne die Eltern zu informieren, schrieb sich das Mädchen einfach an der Universität ein und setzte sich mit ihrer Patentante Hannelore in Verbindung, ob sie eine Unterkunft für sie hätte. Natürlich konnte sie bei dem kinderlosen Paar bleiben. Und auch das Geschimpfe der Eltern brachte sie nicht von ihrem Vorhaben ab. –

 

So hatte sie bis zu diesem Tag Koffer und Reisetasche gepackt, sich eine Bahnfahrkarte besorgt und der Tante ihre Ankunft mitgeteilt. –

 

Die beiden betraten das Appartement in sehr gedrückter Stimmung, denn Gunhild hatte ihrer Tante auf der Fahrt im Taxi von dem heftigen Streit beim Abschied erzählt. Sie setzten sich erstmal ins Wohnzimmer und besprachen die Lage bei einer Tasse Kaffee.

 

„Ich glaub ja nicht, dass Erwin deinen endgültigen Rauswurf wirklich ernst meint.“ war Frau Nordstetter überzeugt, nachdem Gunhild erzählte, mit welcher Drohung der Vater sie verabschiedet hatte.

 

„Damals als ich, seine Schwester, einen Gartenbauarchitekten geheiratet hab, statt einen Metzger oder wenigstens einen Schweinezüchter, da hat er genauso überreagiert. Er denkt doch nur an die Weiterführung der Familientradition.“ – „Aber ich lass mir das blöde Geschäft nicht aufs Auge drücken! Und ich heirate auch keinen Mann nach Papas Wunsch! Wir sind doch nicht mehr im Mittelalter!“ begehrte Gunhild auf.

 

„Keiner kann dich zu irgendwas zwingen! Auch dein Vater nicht. Schließlich bist du volljährig.“ – „Aber finanziell abhängig!“ gab die Nichte zu bedenken.

 

Worauf die Tante abwinkte und erklärte: „Zur Not bin ich als Patentante ja auch noch da. Und Willi mag dich fast wie eine Tochter. Wenn deine Eltern sich stur stellen, bleibst du einfach bei uns!“

 

Darauf umarmte Gunhild sie dankbar. – Dann brachten sie gemeinsam das Gepäck ins geräumige Gästezimmer und packten aus.

 

 

Das Zimmer der Freunde war reichlich spartanisch eingerichtet. Nur 2 Betten, 2 Schränke, ein Schreibtisch und ein kleiner Tisch mit 2 Stühlen. Toilette und Bad befanden sich am Ende des Flurs. Es gab einen Benutzerplan für die 4 Zimmerparteien zu je 2 Bewohnern.

 

„Fast wie im Knast!“ wollte Bertram behaupten.

 

Worauf Olaf Stirn runzelnd fragte: „Woher willst du das wissen? Warst du schon mal drin?“

 

Da lachte Bertram schallend. „Bis jetzt noch nicht. Aber man weiß ja nie.“

 

Diese Bemerkung machte Olaf stutzig und er fragte vorsichtig: „Drehst du etwa krumme Dinger?“

 

Doch Bertram winkte beinah verächtlich ab. „Jeder hier hat doch Dreck am Stecken. Und wenn’s nur das Kiffen ist.“

 

Da war Olaf total betroffen. „Du etwa auch?“ – „Klar wird auf Partys Hasch geraucht und Schnaps getrunken! Das sind doch keine Kinderfeten! – Und wenn du dazu gehören willst, musst du schon mitmachen.“

 

Sofort schüttelte Olaf empört den Kopf. „Auf gar keinen Fall! Da bleib ich lieber Außenseiter. Das bin ich ja gewohnt.“ – „Red keinen Stuss! Natürlich führ ich dich in die maßgeblichen Kreise ein! – So, jetzt pack erstmal aus und mach’s dir gemütlich! Ich muss noch mal weg. Könnte ziemlich spät werden. Aber ich werd leise sein.“

 

Und schon war er verschwunden wie ein Spuk. – Olaf schaute ihm Kopf schüttelnd nach und dachte: ‚Ich hab ja einiges befürchtet, aber so schlimm hab ich’s mir nicht vorgestellt. Der Knabe ist ja ganz schön versumpft!’

 

 

 

 

 

 

Kapitel 2

 

 

 

Als Bertram seinem Freund anderntags half, sich im Unigebäude zu orientieren, konnte Olaf nur staunen. Binnen kurzer Zeit hatte er den Stundenplan für die Vorlesungen und wusste auch, wo die entsprechenden Hörsäle lagen. – Auf dem Weg in die Mensa meinte Olaf verwundert: „Du fängst doch auch grad erst an. Wieso kennst du dich hier schon so gut aus?“

 

Sein Freund erwiderte grinsend: „Ich bin aber auch schon 14 Tage hier und hab mich gründlich umgeschaut.“ – „Naja, danke für deine Hilfe! Wenn ich dich nicht hätte, würd ich mich rettungslos verlaufen.“ –

 

Dann saßen sie in der Mensa zusammen, um ihre Stundenpläne zu vergleichen; Bertram mit Kaffee, doch Olaf mit Tee. Was den Freund zu der besorgten Frage veranlasste: „Wie kein Kaffee? Hast du was am Magen?“

 

Olaf lächelte verlegen. „Ich mag Kaffee nicht so gern. – Übrigens, ich esse auch kein Fleisch.“ – „Seit wann das denn? Wenn ich da an die herrlichen leckeren Wurstplatten beim Schlachtfest auf eurem Hof denke, läuft mir jetzt noch das Wasser im Mund zusammen.“ – „Ich bin seit ein paar Jahren Vegetarier. Es schmeckte mir irgendwann nicht mehr.“ – „Na, mich wirst du nicht bekehren! Ich bin überzeugter Fleischesser!“ – „Ich will niemanden bekehren! Von mir aus kann jeder essen, was er mag. – Mal was Andres. Was sagen denn deine Eltern zum Studium?“ – „Papa sieht’s ganz locker. Er meint, ich könnte ja damit Kunstschreiner werden. Und Brüderchen Günther macht ´ne Tischlerlehre. Und dann werden wir als Familienunternehmen Antiquitäten restaurieren.“

 

Bertram lachte herzlich, und Olaf stimmte mit ein. Doch er wurde schnell wieder ernst. „Mein Vater träumt auch von einem Familienbetrieb. Aber ich klink mich da aus. Er hat ja Xaver. Vielleicht arbeite ich später mal in einer Galerie oder einem Museum?“ –

 

Plötzlich betrat ein hübsches junges Mädchen die Mensa und sah sich unsicher suchend um. Sofort sprang Bertram auf und eilte ihr hilfsbereit entgegen. Leider wurde er gleich vertraulich, indem er sagte: „Na, schönes Kind! Kann ich dir helfen? Suchst du was Bestimmtes?“

 

Diese plumpe Anmache stieß Gunhild regelrecht ab und sie entgegnete ziemlich unwirsch: „Danke, ich brauch Ihre Hilfe nicht! Ich find mich schon allein zurecht.“ – „Du scheinst mir aber neu zu sein. Und ich kenn mich hier gut aus.“ – „Wie schön für Sie!“ schnaubte Gunhild verächtlich und drehte ihm den Rücken zu, um die Mensa wieder zu verlassen.

 

Doch Bertram wollte die Abweisung nicht akzeptieren, fasste sie entschlossen am Arm und sagte: „Ach, komm, stell dich nicht so an! Ich weiß hier wirklich bescheid und kann dir alles zeigen.“

 

Ehe Gunhild reagieren konnte, stand plötzlich Olaf neben ihm, packte ihn an den Arm, der Gunhild festhielt und sagte mit drohendem Unterton: „Beherrsch dich, Kumpel! Lass die junge Dame in Ruhe! Du siehst doch, sie will nix mit dir zu tun haben.“

 

Verblüfft ließ Bertram Gunhilds Arm los. Sie lächelte Olaf dankbar an und lief davon. – Da fuhr Bertram ihn zornig an: „He, was sollte das denn? Ich hätt sie schon noch rum gekriegt.“

 

Vollkommen gelassen erwiderte Olaf: „Das bezweifle ich stark. – Aber hast du’s so nötig, jedes weibliche Wesen anzubaggern?“

 

Da lachte Bertram, klopfte ihm kumpelhaft auf die Schulter und meinte: „Ein Versuch ist’s doch immer wert. – Zugegeben, die Kleine war schon ziemlich spröde.“ – „Aber auch sehr hübsch!“ fügte Olaf verträumt lächelnd hinzu.

 

Worauf sein Freund ihn neckisch in die Rippen stieß und sagte: „Nicht gleich die Erste, alter Junge! Hier laufen noch genug hübsche Mädchen rum, die nur darauf warten, erobert zu werden.“

 

Da lachte Olaf auch. „Schon gut, du Casanova! – Beschäftigen wir uns lieber wieder mit den Stundenplänen!“ ---

 

Gunhild war verwirrt! Einerseits war sie empört über die Dreistigkeit des einen jungen Mannes, andererseits hatte sie der ritterliche Einsatz seines Freundes schwer beeindruckt. Unterschiedlicher konnten 2 Freunde wohl kaum sein, sowohl vom Aussehen her, als auch allem Anschein nach im Wesen. – Dieser aufdringliche Neandertaler war ja wohl das Letzte! Sein Freund hingegen, der sehr gepflegt und kultiviert wirkte, könnte ihr schon gefallen, wenn sie sich unter anderen Umständen kennen gelernt hätten.

 

Na, vielleicht liefen sie sich ja doch noch einmal irgendwann über den Weg? –

 

Sie konnte ja nicht ahnen, wie bald das geschehen würde!

 

 

Zur 1.Vorlesung in Kunstgeschichte fand sich Gunhild als eine der Letzten ein. Das Interesse der Stundenten an diesem Fach schien gering, denn es gab noch jede Menge freie Plätze im Hörsaal, und Gunhild konnte auswählen. Sie entschied sich für die goldene Mitte und nahm in einer fast leeren Reihe Platz. Schnell packte sie Stift und Block aus ihrer Mappe auf das Pult und sah sich interessiert um.

 

Da entdeckte sie 3 Reihen vor ihr die beiden jungen Männer aus der Mensa, nebeneinander und in ein eifriges Gespräch vertieft.

 

‚Oh Gott! Hoffentlich entdecken die mich nicht!’ betete sie inbrünstig und machte sich in ihrem Sitz möglichst klein.

 

Doch aus einem Gefühl heraus blickte Olaf sich um, erkannte sie und schenkte ihr ein freudiges Lächeln. Prompt wurde auch Bertram aufmerksam, schaute nach hinten und begrüßte Gunhild mit Winken und Augenzwinkern. Wofür er von Olaf glatt einen warnenden Stoß in die Rippen erhielt.

 

Gunhild schlug verlegen die Augen nieder und spürte, wie ihr die Hitze zu Kopf stieg; sie war knallrot geworden. – In dem Moment als der Dozent das Auditorium betrat, setzte sich ein junger Mann neben sie, wortlos und ohne sie eines Blickes zu würdigen. Gunhild wunderte sich, dass er sich ausgerechnet zu ihr setzte, wo es doch noch so viel andere freie Plätze gab.

 

Während der Professor mit seinem Vortrag begann, musterte sie ihn unauffällig aus den Augenwinkeln. Sie amüsierte sich über sein Aussehen, denn er trug trotz der Wärme im Saal einen dicken Norwegerpulli und ein Fransentuch um den Hals. – Doch schließlich konzentrierte sie sich auf die Rede des Professors und machte sich eifrig Notizen. ---

 

Nach der Vorlesung, als die Studenten sich fast gleichzeitig erhoben, um den Saal zu verlassen, wandte sich Gunhilds Sitznachbar unverhofft an sie und sagte mit angenehm warmer, tiefer Stimme: „Hallo! Ich hoffe, du hast nix dagegen, wenn ich in diesem Semester neben dir sitze? Ich heiße Ewald.“

 

Er streckte ihr ungeniert seine Hand entgegen, in die Gunhild nach einem kurzen Zögern einschlug und zaghaft lächelnd erwiderte: „Wieso sollte ich? Ich heiß Gunhild!“

 

Bei diesem Mann fiel es ihr gar nicht schwer, sofort auf das Du einzugehen. Sie erkundigte sich sogar: „Haben wir vielleicht noch weitere Vorlesungen zusammen? Dann können wir ja immer nebeneinander sitzen.“

 

Und während sie den Hörsaal verließen, verglichen sie ihre Stundenpläne. –

 

Olaf machte seinen Freund beim Hinausgehen auf das Paar aufmerksam.

 

„Da siehst du’s, Berti! Deswegen kannst du nicht bei ihr landen. Sie hat schon ´nen Freund.“

 

Bertram blickte Olaf eindringlich an und meinte: „Mir scheint, die Enttäuschung liegt eher bei dir. Dein waidwunder Blick spricht Bände.“

 

Olaf fühlte sich ertappt und schaute verlegen zur Seite, und Bertram lachte ihn herzlich aus.

 

Dann sagte er: „Ich weiß ´ne prima Ablenkung. Heut Abend steigt ´ne Party im Haus nebenan. Da wohnen die höheren Semester, und da geht’s bestimmt richtig ab. Ich

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: eigene Texte verfasst Juli 2016
Bildmaterialien: eigene selbst gezeichnete Bilder
Tag der Veröffentlichung: 08.10.2016
ISBN: 978-3-7396-8116-0

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Diesen Roman widme ich, wie könnte es auch anders sein, allen Vegetariern. Meine Tochter ist nämlich von einer überzeugten Fleischesserin zur Vegetarierin geworden.

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