Prolog: Mein Weg zu dir
Es war kalt an diesem Tag im November. Der Himmel war verhangen und er konnte den ersten Schnee in diesem Jahr bereits unterschwellig in der Luft riechen.
An und für sich herrschte das perfekte Wetter für die Jagd, dachte er bei sich mit leisem Bedauern. Es waren wenige Passanten unterwegs, es würde nicht groß jemanden auffallen wenn einer in eine dunkle Gassen gehen und nie wieder herauskommen würde. Er wäre weit weg bevor jemand auf den brennenden Leichnam aufmerksam werden würde.
Es wäre so einfach und er selbst würde dieses bohrende Gefühl des Durstes abgeschüttelt haben, die Schwäche seiner Muskeln hätte sich schnell verflüchtigt und er würde strotzen vor Energie.
Der Wind frischte auf, zerrte an dem verschlissenen Mantel, den er trug und peitschte durch seine blonden Haare. Mit einer fahrigen Geste strich er seine langen Strähnen nach hinten, was der Wind jedoch fast sofort wieder änderte. Jasper zuckte nur mit den Schultern und blickte auf die Straße, die nun fast menschenleer vor ihm lag.
Die Passanten hatten sich vor dem aufziehenden Sturm hinter die Mauern und Türen ihre Häuser geflüchtet, und damit auch vor dem Zugriff des Raubtier das durch ihre Straße wandelte und dessen Seele nach Nahrung lechzte.
Er nahm es fast erleichtert zur Kenntnis.
Gut es mochte nichts ändern, während der Jagd hielten ihn solche Banalitäten wie geschlossene Türen bei Weitem nicht auf. Aber es verführte ihn nicht so stark, wie es Nahrung tat, die auf den Straßen wandelte. Er tat sich selbst vermutlich keinen Gefallen, wenn er an Menschen immer nur als Nahrung dachte. Aber nach gut 80 Jahren als Vampir war es schwer bis unmöglich anderes als so an sie zu denken.
Das Töten als solches störte ihn nicht, wenn es das je getan hatte. Sein Problem damit war viel eher, dass sich seine Opfer, nun ja, wehrten. Nicht körperlich, dass war gegen die Art von Raubtier, das er symbolisierte, nahezu unmöglich, selbst wenn er nicht so ein geschickter und erfahrener Jäger gewesen wäre.
Nein seine Nahrung bombardierte ihn in ihren letzten Sekunden mit einer Unzahl von Gefühlen: Angst, Schmerz, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Wut, Fassungslosigkeit, Trauer und Sorge. Jedes Mal aufs Neue.
In diesen Momenten teilte er diese Ängste, diese Verzweiflung und ihren Schmerz. Jedes Mal wenn sein Körper Nahrung einforderte starb ein Teil von ihm mit seinem Opfer.
Anfangs war es ihm in seiner blinden Gier einerlei gewesen, das waren nur kurze Augenblicke, die schneller verschwanden als sie denn gekommen waren. Der Beachtung einfach nicht wert.
Aber je mehr Jahre und Jahrzehnte ins Land zogen, desto langsamer verschwanden diese fremden Gefühle aus seinem Verstand.
Diese emotionalen Todeserfahrungen schlugen ihm aufs Gemüt, ließen ihn melancholisch und depressiv werden. Mittlerweile fühlte er sich innerlich bereits tot, so dass er sich manchmal selbst fragte warum er immer noch umherwanderte. Wußte er doch untrüglich, dass es nur noch eine Frage von fünf, sechs, oder zehn Opfern war, bis er sich in diesem Chaos selbst verlieren und unrettbar ertrinken würde.
Aber gab es denn ernsthaft Alternativen zu diesem sehr unschönen Schicksal?
Er versuchte seinen Durst zu unterdrücken, aber wie könnte der Hai gegen den Reflex zu Schwimmen ankämpfen, wenn er es stets ohne zu zögern getan hatte? Wenn er genau wußte das er nur so am Leben bleiben konnte und er sich mit dem eigenen Tod einfach nicht abfinden wollte?
Letztendlich endete es immer auf dieselbe Art und Weise: Der Durst gewann früher oder später. Er verwandelte einen im tiefsten Innern sehr ruhigen Jasper Whitlock in eine reißende Bestie, die vollkommen die Kontrolle über sich verlor und mehr Menschen niederriss als erforderlich gewesen wäre.
In seinen Augen war das kein wirklich zumutbarer Weg in seiner Situation, weder für ihn noch für sonst jemanden.
Also versuchte er es anders. Er hielt sich so gut es ging von Nahrung fern, wählte Wege und Passagen, die ihn durchweg in unwirtliche, öde Gegenden verschlug, fernab der Städte und Straßen.
Seine Nahrung bestand aus armen, verwirrten Seelen, die schon mehr tot als lebendig waren, wenn er sie fand. In gewisser Weise empfanden es diese Leute als Erleichterung endlich von ihren Qualen erlöst zu werden.
Aber wie oft fand er auf seinen Pfaden schon so jemanden?
Vielleicht wäre es leichter gewesen, wenn er jemanden an seiner Seite gehabt hätte. Jemanden dem er sich anvertrauen konnte und der bereit war ihn zu unterstützen. Er hatte es an Peter und Charlotte gesehen, einem befreundeten Vampirpaar, mit dem er eine Zeit lang unterwegs gewesen war.
Es hatte ihm vor Augen geführt, dass er sich einsam fühlte, als hätte er nicht ohne das schon genug Probleme gehabt. Ein Grund warum er seiner eigenen Wege gegangen war.
Eine Gefährtin zu finden hielt er bei sich für äußerst unwahrscheinlich. Ein Vampir der nicht töten konnte oder vielmehr wollte, wer wollte sich schon damit belasten?!
Abgesehen davon war es hier, fernab der Schlachtfelder unwahrscheinlich dass eine Frau etwas anderes in ihm sehen konnte als ein vernarbtes und somit entstelltes Monster.
Er seufzte leise, doch seine angenehme Stimme ging im Heulen des Windes gnadenlos unter. Verwundert blickte er sich um. Um ihn herum toste ein Sturm, der hier und da bereits Schindeln von den Dächern riss.
Diese Entwicklung war ihm bei seinen Gedankengängen ganz entgangen gewesen und stellte ihn nun vor ein ziemliches Problem.
Er konnte unmöglich länger so unbeeindruckt auf der Straße stehen und gelassen das wütende Wetter über sich ergehen lassen.
Aus der Seitenstraße rechts von ihm, hörte er ein Holzschild gegen die Mauer klappern. Das Schild verwies darauf, dass diese Tür der Einganz zu einer Bar war. Jasper zögerte nur kurz. Das Wetter störte ihn nicht, aber es wäre zu auffällig nicht Schutz zu suchen wie jeder andere Mansch es getan hatte. Allerdings hieß das für ihn mindestens eine Stunde mit jeder Menge Nahrung in einem engen Raum eingepfercht zu sein, ohne Chance dem lockenden Geruch zu entrinnen. Er war durstig, seit Tagen schon, daher würde es eine Zerreißprobe werden, dort kein Massaker anzurichten.
Er hatte wie schon so oft in seinem Leben keine Wahl, also trat er in diese Seitenstraße und atmete tief durch, ermahnte sich eindringlich dort drinnen alles zu tun, aber nicht zu atmen. Was er nicht roch, konnte er schlecht anfallen. Soweit zumindest die Theorie.
Die Tür der Bar war noch nicht wieder ins Schloss gefallen, da stellten sich bei ihm schon sämtliche Nackenhaare auf.
Ein anderer Jäger hatte dieses Jagdrevier für sich beansprucht, das spürte er. Er atmete zögerlich ein und fand seinen Verdacht bestätigt. Alles hier drin, die Luft, das Mobiliar und sogar der Raum selbst rochen nach einem anderen Vampir. Und das in einer Intensität, die nur heißen konnte dass der andere sehr oft hier war.
Jasper war geradewegs in fremdes Territorium marschiert. Daheim in Houston wäre das sein sicheres Todesurteil gewesen. Gut er war erfahren ja, aber durstig und dadurch geschwächt. Im Kampf gegen einen satten und gestärkten Vampir sahen seine Chancen nicht so rosig aus wie er es gewohnt war.
Aber sie waren nicht in Texas, hier war man angeblich zivilisierter.
Er hatte den Feind schnell ausgemacht, begünstig dadurch dass sie – es handelte sich um eine kleine, zierliche Frau – geradewegs auf ihn zukam.
Das war schlecht wie er fand.
Hier drin würde sie ihn nicht angreifen, viel zu viele Zeugen.
Aber wenn doch? Dann hatte er ein Problem. Ein Großes um genau zu sein.
Er war schon lange kein Mensch mehr, aber nichtsdestotrotz war in ihm immer noch viel zu tief verankert wie man sich als Mann einer Frau gegenüber zu benehmen hatte.
Ja in einem Kampf hätte sie trotz ihrer Größe durchaus eine reelle Chance.
Sie schien sich dessen voll bewusst zu sein, wie sonst sollte er ihr herzliches Lächeln und die aufgeregte Freude verstehen, die sie verbreitete wie Feuer das Licht?
Direkt vor ihm blieb sie stehen, sah ihm mit goldenen Augen – eine derartige Farbe hatte er bei einem Vampir noch nie zuvor gesehen - ins Gesicht.
So nah wie sie nun stand schlugen ihre Emotionen wie Hammerschläge auf ihn ein. Nicht Wut, Bedrohung oder Abneigung wie er es erwartete hätte, ganz ihm Gegenteil.
Sie verströmte Freude, Aufregung wie erwähnt und so vieles mehr.
Da war Erleichterung [i]gut vermutlich erkannte sie, dass er geschwächt war[/i]
Begeisterung [i] nun ja, das kam vermutlich auch von dieser Geschwächt-Sache[/i]
Leidenschaft [i]gut sie würde es schnell machen[/i]
Begehren [i] oh, klar, sie hatte sein Gesicht noch nicht in dem düsteren Raum genau erkannt. Ohne seine Narben hatte er durchaus auf seines Gleichen fast ebenso anziehend gewirkt wie auf seine Opfer.[/i]
Vertrauen [i] sie verwechselte ihn zweifellos[/i]
Liebe [i]...Liebe? Sie konnte ihn nur verwechseln![/i]
Aber das Mädchen strahlte ihn weiter unvermittelt an blieb vor ihm stehen. Sie musste den Kopf etwas in den Nacken legen um ihn ins Gesicht sehen zu können. Jasper wartete auf das Zurückweichen, wenn sie ihn nun klar erkannte. Aber nichts dergleichen geschah. Das Gefühl von Liebe schien sich eher zu vertiefen.
„Du hast mich lange warten lassen.“ stellte die kleine Frau vor ihm fest.
Er dachte nicht groß darüber nach, warum er es tat, aber er neigte entschuldigend den Kopf und murmelte ein: „Das tut mir leid Ma'am.“
Er wußte nicht, warum er sich für etwas entschuldigte, an dem er sich keiner Schuld bewusst war.
Das Lächeln der Frau schien eine Spur wärmer zu werden als sie die Hand zu ihm ausstreckte. Er blickte auf die Hand und dann ihn ihre Augen, ehe er zugriff.
Vielleicht war es eine Falle, vielleicht spielten ihm seine Sinne einen Streich. Und vielleicht war es das Risiko wert. Er war in der dankbaren Position nichts zu verlieren zu haben und nur gewinnen oder untergehen zu können.
Vielleicht war es das auf das er gehoffte hatte die letzten Jahre hindurch. Ein wenig Hoffnung und sei es nur für diesen einen Abend in dem in Philadelphia der schlimmste Sturm seit 30 Jahren wütete
Kapitel 1: Mein Prinz
Sie wußte es in dem Moment als sich die Tür zur Bar öffnete. Was genau dieses Erkennen ausgelöst hatte konnte Alice nicht mal sagen. Gut ihre Visionen hatten sie an diesen Ort geführt. Aber sie war seit fast vier Jahren hier, immer wenn der Himmel sich zuzog und schlechtes Wetter anstand. Sie saß hier und wartete Tag um Tag, einfach weil sie wußte, dass der Himmel hinter ihm dunkelgrau sein, und der Wind heftig an den geschlossenen Fensterläden der Bar rütteln würde. Das Problem war nur immer gewesen, dass es sehr viele solche Tage hier in Philadelphia gab.
Und ihr Prinz kam und kam nicht.
Alice hatte so unzählig viele Visionen von ihm gehabt, sei es alleine oder mit ihr zusammen. Gesprochen hatte er so gut wie nie. Sie wußte nicht wie er hieß, oder wie seine Stimme klang. Nun das stimmte nicht, sie wußte wie er klang wenn er ihren Namen aussprach: Alice.
Alice schloss die Augen und lauschte der Stimme in ihrer Erinnerung. Als sie vor Jahren völlig orientierungslos und durstig in einem Waldstück erwacht war, war er es gewesen den sie vor sich gesehen hatte.
Einen großen, blonden Mann, der sanft zu ihr sah, die Hand ausstreckte und liebevoll „Alice“ flüsterte.
Diese Szene war die erste, ursprünglichste Erinnerung die sie hatte. ER war die erste Erinnerung, nur durch ihn hatte sie ihren Namen erfahren. Zumindest hoffte sie, dass es auch ihr Name war. Er hatte es so liebevoll gesagt, so liebevoll, dass es ihr egal war ob sie nun so hieß oder nicht. Solange er sie so nennen wollte, würde sie so heißen, es war ganz simpel.
Aber sie hatte keinen Namen für ihn. Alle die ihr später in Büchern begegnet waren hatten einfach nicht zu ihm gepasst. Daher nannte sie ihn Prinz, bis sie es besser wissen würde. Alice hatte einfach einen Namen gebraucht, den sie ihm geben konnte wenn sie an ihn dachte. Und sie hatte oft an ihn gedacht und war so schnell das ewige „Er“ leid gewesen.
In Büchern hatte sie von Prinzen gelesen gehabt die loszogen um ihre Prinzessin von einem Bann zu befreien, der sie hundert Jahre schlafen ließ.
Er sah sie, küsste sie und danach waren sie glücklich und in Liebe vereint.
Alice war überzeugt davon dass es fast genau so auch zwischen ihr und ihm sein würde. Er musste nur endlich mal zu ihr kommen!
Alice hatte damals unmerklich begonnen für ihren Prinzen, den sie weder kannte, noch jemals nach der Vision im Wald wirklich klar gesehen hatte Gefühle zu entwickeln. Es war langsam geschehen. Aber jede Vision von ihm ging mit Glück, Freude und Geborgenheit einher und mit etwas anderem. Alice hatte lange gebraucht bis sie dieses neue Gefühl hatte identifizieren können. Es waren anfangs Tagträume von ihrem Prinzen gewesen, die nichts mit einer Vision zu tun hatten.
Aus diesen Träumen war irgendwann eine zarte Liebe gewachsen. Immer wenn ihr junge Paare begegneten, die sich verliebt ansahen, oder gar küssten, war sie stehen geblieben und hatte sie angesehen.
Nicht neidisch, sondern voller Vorfreude. Bald ja bald hätte sie auch jemanden der ihr so tief in die Augen sehen würde, dessen Hand sie in der ihren spüren würde. Jemanden, der sie küssen und sie diese anderen so geheimnisvollen Dinge lehren würde über die man nie laut sprach.
Er würde wissen was es damit auf sich hatte, davon war Alice überzeugt. Doch selbst wenn sie sich in dem Punkt irren sollte war es unwichtig, dann würden sie zusammen versuchen hinter dieses Geheimnis zu kommen. Alles was sie von dieser rosigen Zukunft noch trennte war die Zeit. Aber Zeit verging und mit jedem Tag kam er näher zu ihr. Es war ein tröstlicher Gedanke gewesen.
Vermutlich kam es ihr deswegen fast unwirklich vor, als sich dann an einem
Novembertag die Baartür öffnete und ein Mann eintrat und einen Schwall klarer Luft mit in den Raum ließ.
[i]Da ist er. Großer Gott er ist endlich hier![/i] war ihr durch den Kopf geschossen. Hätte ihr Herz noch geschlagen wäre es vermutlich vor Schock stehen geblieben. Nach all der Zeit, nach all dieser ewig langen Zeit, war er nun tatsächlich hier.
Ein erfreutes Strahlen erhellte ihr herzförmiges Gesicht und die Gefühle überschlugen sich. Alice konnte beobachten wie sein Körper sich plötzlich anspannte. Sie erkannte wie sich unter seiner Kleidung die Muskeln bewegten. Vermutlich hatte er sie gewittert. Suchend blickte er sich um ohne sie genau zu finden, was sie etwas erstaunte.
Aber als sie sein Gesicht sah verschwand dieser Gedanke aus ihrem Kopf. Er sah perfekter aus als in ihrer Erinnerung, selbst diese unzähligen, kleinen Narben änderten nichts daran. Verwuschelte blonde Haare, ein markantes Profil und pechschwarze Augen waren das Erste, das sie genau an ihm erkannte. [i]Ganz und gar ein Prinz[/i]
Ein unbekanntes Ziehen in ihrem Unterleib durchfuhr sie während ihre Augen seine große - er war fast unverschämt groß – und schlanke Gestalt bewunderte.
Dabei fiel ihr auf, dass sich sein Brustkorb nicht bewegte, offenkundig atmete er nicht, deswegen hatte er sie noch nicht gefunden.
Da konnte sie hier noch so lange sitzen und ihn voller Vorfreude anstrahlen, er würde sie nicht erkennen.
Gut an der Stelle hatte sich ihr romantisches Gemüt diese Szene etwas anders ausgemalt, mehr so in Richtung: 'Liebe auf den ersten Blick'. Aber es war unwichtig, würde Alice eben den ersten Schritt auf ihn zugehen.
Sie tänzelte fast schwerelos durch die Massen und merkte genau wann seine schwarzen Augen auf ihr ruhten. Unter seinem intensiven Blick wurde sie ganz nervös. Direkt vor ihm kam sie zum Stehen, immer noch lächelte sie ihn glücklich an. So aus der Nähe wirkte er noch um ein vielfaches Attraktiver als er ihr ohnehin schon erschienen war, und er roch einfach wundervoll. Groß war er, sie musste den Kopf ziemlich in den Nacken legen um ihn ansehen zu können.
Die ersten Worte die sie wechseln würde, würden etwas ganz besonderes sein, sie hatte sich im Vorfeld sehr viele Gedanken gemacht. Aber als sie nun vor ihm stand waren all die schönen, poetischen Phrasen vergessen.
„Du hast mich lange warten lassen.“ stellte sie mit ihrer engelsgleichen Stimme fest.
Als er darauf nur schuldbewusst den Kopf neigte und sich entschuldigte wurde ihr Strahlen nur noch breiter.
Er war wahrlich ein Prinz, besser als in jedem ihrer Träume!
Sie reichte ihm die Hand, ähnlich wie er es damals in ihrer Vision getan hatte und wartete darauf, dass er sie nahm.
Als er es ohne wirklich zu zögern tat, war sich Alice sicher. Über ihr Schicksal, egal was die Zukunft bringen mochte, für diesen Moment würde sie dankbar sein bis in alle Ewigkeit.
„Komm.“ forderte sie ihn sanft auf und zog ihn zu einem der freien Tische am hinteren Ende des Raumes. Sie wollte sich gerade setzen als er ihre Hand losließ. Erschrocken blickte sie zu ihm, er wollte doch nicht etwa gehen?!
Aber nein, er schob ihr den Stuhl zu Recht damit sie sich setzen konnte. Alice lachte in sich hinein, überrascht von ihrer eigenen Reaktion.
Als er ihr gegenüber Platz genommen hatte griff sie über den Tisch nach seiner Hand. Sie musste ihn einfach anfassen, seine Haut unter der ihren fühlen um sicher zu sein, dass sie das hier nicht nur träumte.
„Ich bin so froh dass du endlich hier bist. Ich hab so viele Fragen an dich.“ meinte sie leise, den Blick nicht von seinen Augen lösen wollend.
„Ja Ma'am, Fragen hätte ich auch einige.“ erwiderte er. Er blickte sie verwirrt an, aber hatte er nicht eine wundervolle Stimme? Alice hätte ihm tagelang zuhören mögen.
„Wie heißt du?“ fragte Alice neugierig nach. Sie wollte endlich einen Namen für den Mann mit dem sie ihr Leben teilen würde.
Er zögerte einen Moment ehe er ihr antwortete: „Ich heiße Jasper.“ viel mehr musste sie seiner Ansicht nach im Moment noch nicht wissen. Er beobachtete wie ihre so seltsam goldenen Augen leuchteten, während sie seinen Namen wiederholte, ihn vielmehr sanft hauchte. Dieser Ton wirkte auf Jasper fast wie ein Schlag in den Unterleib. Er war jetzt schon eine ganze Weile auf dieser Welt, aber noch nie hatte eine Frau seinen Namen auf diese Art und Weise ausgesprochen. Vor seinen geistigen Augen entstanden Bilder von Leibern, die sich in einer schwülen Nacht in Leidenschaft aneinander schmiegten, miteinander verschmolzen.
Er räusperte sich und versuchte seine Gedanken nicht weiter in diese Richtung wandern zu lassen. Wie lange war es eigentlich her, dass er zuletzt...?
Jasper riss sich zusammen und sah wieder zu diesem elfenhaften Geschöpf, das ihm gegenüber saß. Sie hatte weiter geredet gehabt, aber er hatte kein Wort davon gehört.
„Und ihr Name Ma'am?“ unterbrach er ihren Wortfluss schließlich.
Sie lachte hell auf: „Natürlich entschuldige Jasper. Ich bin Alice.“ stellte sie sich dann vor.
„Hallo.“ meinte er leise.
Alice lächelte ihn beschwingt an, ehe sie antwortete: „Hallo Jasper. Schön dich endlich zu sehen.“
Also das es 'Schön' war ihn zu sehen, bezweifelte er doch stark, aber er sagte nichts dazu. Man widersprach einer Frau nicht in solchen Dingen. Am besten war es seiner Erfahrung nach, überhaupt keine Widerworte zu geben wenn es nicht um etwas essentiell Wichtiges ging.
Es war schwer die Augen von diesem Gesicht abzuwenden, die Freude und Heiterkeit die sie verströmte, sah er in ihrem Gesicht. Reine ungetrübte Lebensfreude. Er empfand es als angenehm, da diese Emotionen sich so grundlegend von seinen Eigenen unterschieden. Fast wie ein sonniger Tag, nachdem jahrzehntelang Regen geherrscht hatte.
„Sie sagten, sie hätten Fragen Ma'am?“ erinnerte er sie dann als es eine Weile ruhig zwischen ihnen gewesen war. Hatte sie ihn wohl ebenso verwundert betrachtet wie er sie? Er konnte es nicht sagen.
„Alice.“
„Ja Ma'am, das habe ich verstanden.“
Sie schüttelte leicht den Kopf:„Natürlich habe ich Fragen an dich Jasper.“ Offensichtlich gefiel ihr der Name, warum sonst benutzte sie ihn in jedem Satz? Ahnte sie was sie damit in ihm auslöste? Jedes Mal wenn sie seinen Namen auf [b]diese[/b] Art dahin hauchte? Es war nicht zu ignorieren, dass sie wohl keine Ahnung hatte das sie ihm damit jedes Mal sozusagen die Faust in die Eingeweide rammte.
Ihn an Bedürfnisse erinnerte, die er schon fast vergessen hatte. Aber einen positiven Effekt hatte es trotz allem: Er dachte mal nicht nur ans Essen!
[i]Eine seltsame, kleine Person.[/i]
Aber Jasper hatte keine Chance noch länger drüber nachzusinnen warum so etwas Banales, wie ihre Art seinen Namen auszusprechen ihn erregen konnte.
„Stimmt etwas nicht?“ erkundigte sie sich, Besorgnis vernebelte ihr sonst so freudiges Gefühlsbild.
„Nein“, er schüttelte den Kopf, „Ich bin lediglich verwirrt.“ Das fasste die Situation recht gut zusammen wie er fand. Verwirrung war fast sein aktuell vorherrschendes Gefühl.
Sie wartete noch höflich einen Moment, damit er das noch etwas ausführen konnte, was er aber nicht tat.
Es schien fast so als wäre ihr Liebster nicht gerade der Gesprächigste, aber das störte Alice nicht. Würde sie halt den Großteil des Gesprächs übernehmen. Nachdem sie so lange allein gewesen war, quoll sie geradezu über von Worten, die ausgesprochen werden wollten.
„Ich habe seit Jahren schon Visionen von dir Jasper.“ begann sie dann zu erklären. Sie erzählte ihm von ihrer Gabe, davon dass sie ihn an ihrer Seite gesehen hatte und seither auf der Suche nach ihm war.
Von der Familie, die sie ebenfalls gesehen hatte erwähnte sie nichts. Dazu wäre es zu früh, wie sie fand. Erst wollte sie ihn kennen lernen, richtig kennen lernen. Sie war noch nicht bereit ihn zu teilen, nicht so bald schon.
Ihr stand etwas Zweisamkeit zu, davon war sie überzeugt. Zeit um mit ihm Händchen haltend die Straßen entlang zu wandern. Zeit in der sie einfach nur sein wollte, ihn sehend und hörend. Das war nicht zu viel verlangt.
„Ich verstehe Ma'am.“ meinte er nachdem sie geendet hatte.
„Ich heiße Alice.“ erinnerte sie ihn nochmals.
„Ja Ma'am.“ erwiderte er eilfertig. „Ich fürchte nur, dass sie mich ganz offenbar mit jemandem verwechseln.“
Schock, Empörung und tiefe Traurigkeit schwappten zu ihm hinüber, bis sich letztendlich Trotz und Wut dazugesellten. Kurz nur, kürzer als er erwartete hatte.
„Warum sagst du so was Jasper?“ ihn ihrer Stimme klang eine plötzliche Trauer mit, die auch in ihren Gefühlen plötzlich vorherrschte. Sie war enttäuscht.
In Jasper regte sich Jahrzehnten zum ersten Mal etwas, das man wohl als den letzten Rest eines schlechten Gewissens bezeichnen konnte. Dennoch würde er unter keinen Umständen nachgeben.
Er wußte nicht auf wenn dieses kleinen Geschöpf hier wartete, aber er war es mit Sicherheit nicht. Besser es jetzt sofort klar zustellen, ehe er sie mit seinem Schweigen willentlich verletzte. Er kannte sie nicht, würde sie nachdem er gegangen war auch nie wieder sehen, aber er wünschte ihr das sie fand, was sie so beharrlich zu suchen schien.
„Weil es wahr ist.“ [i]Weil es für dich nur schlimmer wird, je länger diese Verwechslung andauert.[/i]
Ihr plötzliches Lächeln überraschte ihn, aber die Verunsicherung war aus ihr gewichen, schneller noch als sie gekommen war.
„Nein,“ meinte sie, „und du weißt das es das nicht ist.“ Mit einem Kopfnicken deutete sie auf ihre Hand, die immer noch in der Jaspers ruhte. Ohne es zu merkten hatte er angefangen tröstend mit dem Daumen über ihren glatten Handrücken zu streicheln. Natürlich hörte das schlagartig auf als ihm das bewusst wurde.
„Nicht.“ meinte sie leise als er seine Hand zurückziehen wollte.
„Bitte Jasper.“ Sie wußte nicht was sie jetzt am besten tun oder sagen sollte. Er glaubte ihr nicht, dass war eine Wendung, mit der sie niemals gerechnet hatte. Wenn er jetzt ginge, was um alles in der Welt sollte sie anfangen mit sich?
„Es ist ein Irrtum, eine Verwechslung.“ murmelte er fast schon beschwörend. Warum sah sie es denn nicht?
Er war ein Wrack, mehr tot als lebend. Ein Monster innen fast noch mehr als außen. Wie konnte sie ihn überhaupt ansehen?
Gerade sie ein zartes, wundervolles Geschöpf? Was wollte sie denn mit dem Biest?
Alice wurde immer verzweifelter. Warum nur wollte er sie nicht?
„Nenn mir einen guten Grund, warum du meinst ich würde mich irren, nur einen wirklich guten.“ Wüsste sie was ihm durch den Kopf ging, konnte sie ihm beweisen, dass nicht sie es war die sich gerade ganz gewaltig irrte.
Jasper sah sie an, spürte ihren Entschluss zu kämpfen. So seltsam es auch schien, aber sie war fest entschlossen um [b]ihn – Jasper Whitlock[/b] zu kämpfen bis zum bitterer Ende.
Nun musste er seine Worte sehr gut abwägen, damit sie erst gar keine Chance hatte dagegen anzukommen. Doch welchen Grund sollte er ihr nennen?
Seinen vernarbten Leib? Nein, das nicht nur sein Gesicht entstellt war konnte sie sich wohl denken.
Das er ihre Gefühle nicht erwiderte? Das war gerade bei ihm schwer zu sagen, da es durchaus sein konnte das ihre starken Gefühle ihn kurzzeitig anstecken konnten.
Das sie ihn nicht kannte? Nein dann würde sie vermutlich nur darauf bestehen dass er ihr von sich erzählte. Auf diese Art dachten Frauen.
Das er nicht töten konnte? Auch nicht gut, sie würde vermutlich auch noch anbieten dass sie ihm das gerne abnehmen könnte. Unwahrscheinlich, das sah er ein, aber diese Alice wäre dazu fähig.
Was also blieb ihm zu sagen außer: „Ich verliere den Verstand.“
Kapitel 2: Meine Alternative
Alice war wieder einmal tief in seine Betrachtung versunken. Es war ihm anzusehen wie die Gedanken in ihm rasten bis er sich für eine Antwort entschieden hatte. Sie lächelte nur, im festen Bewusstsein das es ohnehin egal war. ER war ihr Schicksal – keine Begründung, keine Ausrede würde daran etwas ändern können. Er gehörte zu ihr, und das nicht länger weil sie es so gesehen hatte. Nein sie wollte ihn, genau so wie er hier vor ihr saß. Die Haare noch feucht vom Regen, die Kleidung verschlissen und verschmutzt, was jedoch nichts an dem eleganten Eindruck änderte, den er erzeugte. Soviel hatte sie sich erträumt und soviel mehr saß ihr gegenüber.
Ein lieber Mann, daran zweifelte sie nicht, er würde bei ihr glücklich werden. So glücklich, das von diesem traurigen und hoffnungslosen Blick, den er hatte, nichts mehr übrig bleiben würde. Sie freute sich schon darauf dafür zu sorgen.
„Ich verliere den Verstand.“ Dieser Satz unterbrach ihre Gedanken recht unerwartet, so dass sie nicht weiter nachdachte als sie meinte: „Ja das ist vermutlich auch besser so.“ sie kannte sich und ihre Art. Sie war energiegeladen, sprunghaft und voller Tatendrang. Es konnte ihm nur nützen nicht ganz bei Sinnen zu sein um mit ihrem Wahnsinn leben zu können. Es hatte sie ohnehin gewundert dass er die Tatsache, dass sie Zukunftsvisionen hatte so gelassen aufgenommen hatte. Gut, er zweifelte noch, aber an der Tatsache das sie es konnte hatte ihr Jasper nicht gezweifelt, nur daran das sie den Richtigen erwischt hatte. Welch banaler Gedanke, wer könnte den richtiger für sie sein, wenn nicht er?!
Er blickte sie nur verwundert an, versuchte ihre Antwort zu interpretieren. Was bei allen Göttern sollte daran 'besser' sein? Er würde sich in ein blutrünstiges und brutales Ding verwandeln, in seinem Tun und Handeln gefährlicher und unberechenbarer als es drei Dutzend Neugeborener sein konnten.
Er hatte schon genug Neugeborene erzogen um das beurteilen zu können.
Konnte es sein das [i]sie[/i] verrückt war? Waren goldene Augen gar ein Anzeichen von Irrsinn bei ihresgleichen? Aber nein das konnte nicht sein, dafür waren seine eigenen Augen zu 'normal', glaubte er zumindest. Er hatte schon lange in keinen Spiegel mehr gesehen um es mit Sicherheit sagen zu können.
Sie lachte ihn heiter und unbekümmert an, während ihre schmalen Finger fast schon zärtlich über seine Hand strichen.
Es war ein schönes Gefühl, ein warmes und schützendes Gefühl. Es war dennoch vor allem ein verräterisches Gefühl. Ein Gefühl das ihn wachsam werden ließ.
„Sie verstehen offenbar nicht Ma'am.“ meinte er gepresst.
„Ich verstehe genug Jasper. Ich werde auf dich aufpassen. Ich habe gesehen was aus dir werden kann und ich habe auch gesehen was aus dir werden wird, wenn du mir vertraust.“ flüsterte sie ihm zu.
„Tatsächlich?“ fragte Jasper, den sarkastischen Unterton hätte nicht mal ein Mensch überhören können. Dieses kleine Wesen vor ihm sollte auf ihn aufpassen können? Er wagte es nicht mal sich nur im Ansatz vorzustellen, wie sie das wohl anstellen wollte. Es wäre lächerlich gewesen.
„Es gibt einen anderen Weg Jasper. Eine Art zu Leben ohne zu dem zu werden, vor dem du auf der Flucht bist.“ Jetzt hatte sie seine volle Aufmerksamkeit, das spürte Alice überdeutlich. Sein Entschluss ohne sie zu gehen, eine Zukunft die drohend über ihr geschwebt hatte, verblasste langsam.
„Ich hatte auch Visionen von einer Familie zu der ich mit dir möchte, die einen ganz anderen Weg gefunden hat. Ich wünsche mir, dass du mit mir kommst und bei mir bleibst Jasper. Du hast doch nichts mehr zu verlieren, nicht wahr?“
„Was für einen Weg?“ hakte er nach. Eine Möglichkeit zu Leben ohne...?
Sie hatte Recht, für Jasper gab es nichts zu verlieren. Gewinnen oder untergehen, waren das nicht seine Gedanken gewesen als er die Hand genommen hatte die sie ihm anbot? Wenn auch nur die winzigste, ja minimalste Chance bestand eine Alternative zu finden, die ihm den Hunger nahm, und den Wahnsinn fern hielt...
Wenn es diese Chance gab, was täte er nicht dafür?
„Wirst du mit mir zu dieser Familie gehen Jasper?“ eindringlich sah sie in seine schwarzen Augen und hoffte.
In Grunde war es Erpressung fand er: 'Komm mit mir oder stirb', darauf lief es doch im Endeffekt hinaus. Aber es war akzeptabel, ein fairer Handel in gewissem Sinne. Fair weil sie über das Leben verfügen wollte, das sie im Begriff war zu retten. Unter der Voraussetzung natürlich das es diese Alternative wirklich gab.
Er glaubte immer noch nicht dass ihre Gefühle, ihre Liebe, ihm galt. Aber er begann zu ahnen, warum sie so verbissen daran festhielt.
[i]Sie ist einsam[/i]
Er hatte die tiefe Sehnsucht gespürt als sie das Wort Familie benutzt hatte. Und kein Wort davon dass es hier jemanden gab für sie. Sie war alleine und sehnte sich offenbar nach Gesellschaft. Jemanden der da war, real war - warum sonst klammerte sie sich an seine Hand wie an einen Rettungsring?
Er war der Erstbeste gewesen, ein Paradebeispiel für perfektes Timing.
Aber war das denn andererseits was Unangenehmes oder schlechtes?
Jasper gefiel Alice Lachen, stellte er für sich fest. Es gefiel ihm, dass sie überhaupt noch lachen konnte, ihn etwas von ihrer Fröhlichkeit und Wärme spüren ließ.
Er konnte es sich vorstellen wie es wäre mit ihr zu reisen, bei ihr zu sein. Ob sie immerzu so voller Energie war? Er hoffte es ernsthaft.
Ein Nicken würde reichen und er würde es herausfinden können. Ein Nicken und sie wäre glücklich, seinetwegen. Welch absonderliche Vorstellung das doch war. Dennoch es war verlockend. Einmal der Grund zu sein für etwas anderes als Angst und Abscheu.
„Wenn dieser andere Weg eine ernsthafte Alternative ist...“ begann er.
„Ist er!“ unterbrach sie ihn. Soviel stand gerade auf dem Spiel für sie selbst, für sie als Paar.
„Wenn er das ist,“ wiederholte er, „wenn er das wirklich ist, werde ich bei Ihnen bleiben, bis sie diese Familie und einen Platz darin gefunden haben, Ma'am.“
Das wäre der richtige und beste Weg wie er fand. Jetzt mochte sie ihn brauchen, was gut war. Das Leben war soviel einfacher, wenn man eine feste Aufgabe hatte. Er hatte als Mensch gelernt für seinen Auftrag alles zu geben und zu ignorieren was ihn ablenken konnte. Als Vampir hatte er diese Pflichttreue noch weiter vertieft. Es würde ihm nun helfen.
Helfen dabei sich ihr gegenüber weiter als Ehrenmann zu verhalten. Egal wie sie seinen Namen hauchte oder auf was für andere Ideen sie ihn mit ihrer Gegenwart noch bringen mochte. Mit einer festen Aufgabe würde er sich zu benehmen wissen, darauf musste er sich einfach verlassen können.
Sie sicher nach Hause zu bringen, ja das wäre eine gute Methode um ihr seine Dankbarkeit zu zeigen und ein wenig von seiner Schuld wieder gut zu machen.
Sie war klein und zierlich. Er schätzte sie als schnell ein, aber das würde nicht viel helfen, wenn sie von einem oder zwei erfahrenen Vampire angegriffen würde. Immerhin wer wußte schon wo diese Familie zu finden war?
Später jedoch würde sie ihn nicht mehr brauchen. Und es war leichter für ihn sich bis zu diesem Moment zu beschränken. Er wollte nicht an sie gebunden sein, wenn sie ihn womöglich dann nicht mehr um sich haben wollte. Ja, so wäre es die beste aller Möglichkeiten, da war sich Jasper sicher.
Es war nicht gerade die Antwort auf die Alice gehofft hatte.
Aber er würde mit ihr kommen, das war doch schon mal etwas. Ein erster Schritt auf einem langen Weg, länger als sie gedacht hätte. Er hielt wohl nichts von ihren Vorstellungen, nach der alles rosig und perfekt sein sollte.
Sie lächelte, kam sich bei dem Gedanken nun selbst ungeheuer naiv vor. Ihr Jasper war immerhin nicht abgeneigt, im Gegenteil er bot ihr einen Kompromiss an.
„Nun gut Jasper, wir werden zusammen zu dieser Familie gehen und wenn wir da sind, dann werden wir über die Frage ob du gehst oder nicht nochmals reden. Einverstanden?“ Mit Erleichterung sah sie sein Nicken und spürte wie ihr Strahlen wieder auf ihr Gesicht zurückkehrte.
Im Grunde gab es keine Veranlassung zur Sorge, sie hatte gesehen wie sie [b]beide[/b] bei dieser Familie eine Heimat finden würden. Aber ihre Visionen waren sehr subjektiv, eine Entscheidung konnte alles verändern, das war ihr klar.
Aber sie vertraute darauf, dass sie sturer war als jede Entscheidung die er treffen würde. Sollte sich ihr Prinz, nein ihr Jasper, dazu entschließen nicht bei der Familie bleiben zu wollen – nun gut. Dann würde sie mit ihm weiterreisen, zu Nomaden werden, wie so viele andere Vampire es auch waren. Sie würde nicht zulassen dass er ohne sie ging!
„Was ist das nun für ein Weg?!“ forderte Jasper nun ruhig zu erfahren. Alice sah ihn verzückt an, an seiner Stelle wäre sie bei weitem nicht so geduldig gewesen. Sie stand auf und zog ihn an der Hand mit Richtung Tür.
„Der Sturm lässt nach und du hast Durst Jasper.“ fasste sie das offenkundige zusammen. „Es wird am einfachsten sein, ich zeige dir die Alternative, anstatt sie dir umständlich erklären zu müssen.“
Ein Vorschlag mit dem er einverstanden war, schlussfolgerte Alice aus der Tatsache dass er sich vom Fleck rührte. Denn dass sie ihn irgendwohin zerren konnte, wohin er nicht wollte glaubte sie nicht. Er war ein gutes Stück größer als sie, zwar kannte sie sich mit anderen Vampiren nicht aus, aber sie dachte sich das es ähnlich wie bei Menschen war. Es gab Kleinere oder Größere wie ihn, Stärkere und Schwächere und so weiter.
Sie hatten schnell die noch leeren Straßen hinter sich gelassen, einige nasse Wiesen überquert bis sie schließlich ein Waldstück erreichten. Hier blieb sie stehen und schaute Jasper an. „Wir sind da.“
„Aha“ brummte er lediglich und brachte sie damit zum Lachen, was ihm selbst ein unmerkliches Lächeln entlockte. Es entging ihr nicht, wie könnte es auch? Ihrem Jasper stand ein Lächeln viel besser zu Gesicht als sein sonstiger desinteressierter Ausdruck.
Alice ließ ihn kurz los ehe sie sich einmal langsam und selbst für einen Vampir anmutig um die eigene Achse drehte, die Arme ausgestreckt und immer noch sanft lachend.
Ihre Stimme hatte einen angenehmen samtigen Klang wie er fand. Im Gegensatz zu seiner Schöpferin deren Stimme ihm immer schriller erschienen war, je länger er bei ihr gewesen war.
Oberflächlich betrachtet hatte sie Ähnlichkeit mit seiner Schöpferin Maria, dachte er bei sich. Beide waren schmal und zierlich, hatten schwarzes Haar und einen festen Willen. Doch wenn er ihre Gefühle verglich war es, als würde er die Sonne mit einem Staubkorn vergleichen.
„Riechst du das Jasper?“ fragte sie ihn.
Seit er in die Bar gekommen war und einen Artgenossen gewittert hatte, hatte er es tunlichst unterlassen, das zu wiederholen solange potenzielle Nahrung anwesend war. Aber hier draußen war es natürlich eine gänzlich andere Situation. Also holte er Luft, bereitete sich darauf vor die einzelnen Gerüche sauber zu entschlüsseln, wie ein Vampir es stets unbewusst tat.
Jasper roch Alice, sein Blick ruhte auf ihr. Hatte er sie vorher schon als schön angesehen, so war sie doch ungleich bezaubernder. Hatte er sich beklagt wie sie seinen Namen ständig hauchen musste und ihn damit lockte? All das war ein Witz jetzt wo er ihren Geruch in der Nase hatte.
Sie lächelte nur als ahnte sie was er gerade durchlebte. Begehren schoss seine Adern entlang, gepaart mit einer Gier die ihn verwunderte. Jasper riss sich zusammen um dem Trieb über sie herzufallen nicht nachzugeben, es war ein harter Kampf. Er trat einen Schritt zurück, suchte sich einen anderen willkürlichen Geruch, nur um nicht dem Ihren weiter so gnadenlos ausgeliefert zu sein. Es wäre ein schlechter Schutz den er ihr geben wollte, wenn er selbst die mit Abstand größte Bedrohung für sie werden konnte.
„Ich rieche... Hirsche.“ antwortete er schließlich.
Es fiel ihr nicht auf das seine Stimme kurz stockte. „Hirsche richtig. Diese werden wir jagen Jasper.“ fügte sie schnell hinzu. „Dieser andere Weg Jasper, ist Tierblut. Ich gebe zu im Vergleich ist der Geschmack nicht gerade so besonders. Aber wir können davon gut leben. Ich selbst ernähre mich seit knapp 10 Jahren ausschließlich von Tieren.“
„T-I-E-R-B-L-U-T?“ wiederholte er langsam und betont. War das ein schlechter Witz?
„Ja ich weiß wie es klingt, ich war auch sehr skeptisch anfangs. Aber bitte Jasper“, sie trat näher an ihn heran, griff nach seiner Hand und umhüllte ihn mit ihrem Duft. Jasper schluckte schwer. „Versuch es. Du wirst sehen es stillt den schlimmsten Durst.“
„Hirsche jagen.“ wiederholte er monoton. Hirsche, Eichhörnchen, Eidechsen..., im Moment würde er so ziemlich alles jagen was sie ihm vorschlug. Besser als etwas zu tun, dass er sich nicht würde verzeihen können. Besser als ihr etwas anzutun, denn genau das verlangte gerade so ziemliche jede Faser seines Selbst. Sich in ihren Duft, sich in ihre Wärme hüllen, in ihr zu versinken bis er sich selbst in ihr verlor. Jasper schloss gepeinigt die Augen, bohrte seine Nägel so fest er konnte in seine freie Hand.
Er ließ Alice Hand los und nickte. „Gut Hirsche.“
Das würde er hinbekommen, dass stand außer Frage. Er erwischte Menschen, da war doch Rotwild ein Klacks
Kapitel 3: Mein Sonnenschein
Etwas enttäuscht blieb sie alleine auf der Lichtung stehen. Er hatte ihr zu verstehen gegeben, dass er nicht wollte das sie jetzt mitkam. Alice war so verdutzt gewesen, dass sie auch tatsächlich stehen geblieben war und zusah wie Jasper hinter Bäumen und Farnen verschwand.
Seine erste vegetarische Mahlzeit und sie durfte nicht dabei sein, irgendwo war das schon fies. Damit brachte er schon wieder ihre Pläne durcheinander. Alice ließ sich ins nasse Gras sinken ohne einen Gedanken an die Flecken zu verschwenden, die auf ihrem Kleid zurück bleiben würden.
[i]Vielleicht hilft es ja, wenn ich ihn künftig vorher erzähle, was ich vorhabe. Dann hört er womöglich auf, alles über den Haufen zu werfen.[/i] dachte sie schmunzelnd.
Sie zog ihre schmalen Schultern etwas hoch als sie glücklich seufzte. Sie war so glücklich, dass sie am liebsten getanzt hätte, aber damit würde sie warten bis er wieder hier war.
Das würde er tun, da war sie sich absolut sicher. Alice hatte sein Wort und vertraute darauf, dass er es halten würde. Und wenn er wollte dass sie hier wartete, war es eine schöne Gelegenheit ihm zu zeigen, dass er auch ihr vertrauen konnte und das sie auch bereit war sich etwas von ihm sagen zu lassen.
Alice hatte sich ja vorbereitet, dachte sie voller Stolz. Sie wußte genau was ein Mann von einer Frau erwartete: Sie hatte sich um das Heim und die Familie zu kümmern, ihrem Mann den Rücken frei zu halten und ihm gegenüber ihre ehelichen Pflichten zu erfüllen. Zu ihrem Bedauern hatte Alice nicht klären können was genau das bedeutete, aber offenbar legte ein Mann darauf großen Wert.
Etwas größere Probleme erwartete sie, wenn überhaupt, bei der Tatsache, dass ein Mann eine gehorsame Frau wollte. Am Besten wäre es mit ihm zu klären wie wichtig ihm dieser spezielle Punkt war, der Rest würde ihr keine Probleme bereiten.
Familie versorgen war eine Kleinigkeit, da er von nun an ihre Familie war und sich Alice nichts Schöneres vorstellen konnte als sich um ihn zu kümmern. Das mit den genauen ehelichen Pflichten musste allerdings auch noch geklärt werden, aber sie glaubte nicht, dass es etwas war, das ihr unangenehm sein könnte.
Nein, sie war fest entschlossen ihm die perfekteste Gefährtin überhaupt zu sein. Jasper würde keine Wahl haben und sich rettungslos in sie verlieben.
Alice lächelte selig.
So viel Glück, dachte sie verträumt, so viel Glück war doch fast schon zu schön um wahr zu sein. Aber es war wahr, es war wirklich und wahrhaftig wahr. Welch wundervoller Tag es doch war.
Etwa eine Meile weiter hatte ein anderer Vampir mit seinem nicht ganz so rosigen Schicksal zu hadern. Jasper verharrte nun bereits etwa eine Viertelstunde im Dickicht und beobachte eine kleine Herde von Ricken und Hirschen, die sich nach dem Unwetter wieder langsam an ihre Weideplätze trauten. Alles in ihm sträubte sich dagegen seine Zähne da rein zu treiben, ihr Blut zu trinken. Alleine bei dem Geruch wurde ihm anders. Hatte sich seine Art etwa an die Spitze der Nahrungskette gekämpft um jetzt auf Ungeziefer zurück zu greifen?
Mit Sicherheit nicht!
Er hatte allerdings keine große Wahl, was es nur schlimmer machte. Der Durst stach bohrend in der seiner Kehle, zwang und trieb ihn zum Handeln. Er erwischte sich, wie er überlegte wie schnell er wieder in der Stadt sein konnte. Wie schnell er dort Nahrung finden könnte. Es war verlockend und anziehend. Sein Blick schweifte zurück auf den Weg, den er gekommen war. Der ihn würde zurück unter Menschen führen, sobald er an diesem Mädchen vorbei gekommen war.
[i]Stimmt ja, dort auf der Lichtung wartete sie vermutlich noch auf ihn, diese Alice[/i].
Er strich sich durch die blonden Locken, massierte dabei seine Schläfen. So jemandem war er noch nie begegnet, dachte er. Niemand hatte je so auf ihn gewirkt, emotional wie körperlich. Verheerend und befreiend gleichermaßen.
Sein Blick traf wieder auf die Hirsche, er seufzte leise.
Keiner konnte erwarten dass ihm das hier gefiel, aber wie hatte seine Mutter ihm vor Ewigkeiten mal erklärt? Medizin die schmeckte würde nicht helfen. Er erinnerte sich so gut wie überhaupt nicht mehr an seine Eltern oder seine Geschwister, die er einst gehabt haben mochte. Aber dieser Satz war ihm in Erinnerung geblieben. Medizin musste ekelhaft sein, damit sie wirken konnte.
Mit diesem Gedanken stürzte er auf seine Beute los.
Es war... unerfreulich gewesen, um es mal liebevoll zu formulieren. Sein Magen revoltierte gegen eine Nahrung, die vom Aussehen und der Konsistenz her durchaus als Nahrung bezeichnet werden konnte, aber in den Bereichen Geruch, Geschmack und Nährwert deutlich an Boden verloren hatte. Und das Schlimmste war, selbst nach drei ausgewachsenen Hirschen hatte er noch Durst, während er zeitgleich nichts mehr runter bekommen konnte.
Aber sein Geist war zum ersten Mal seit sehr, sehr langer Zeit nicht unter emotionalem Ballast begraben, wie es sonst der Fall war, wenn er seinen Durst gestillt hatte.
Langsam machte er sich auf den Rückweg, sobald er sicher war das Tierblut nicht sofort wieder ausspucken zu müssen. Als er an die Lichtung trat blieb er einen Moment verzaubert im Schatten stehen, das Bild das sich ihm bot war unbeschreiblich.
Der Himmel war immer noch grau, aber da und dort drangen Lichtstrahlen durch die Wolkendecke, und ließen das Grün der Gräser leuchten. Einzelne Wassertropfen funkelten wie kleine Diamanten in dem hellen Licht. Ein schöner Anblick, für Vampiraugen noch mehr als für die der Menschen, aber das registrierte er nur am Rande. Etwas anderes war um soviel faszinierender.
Dort war sie, mit geschlossenen Augen tänzelte sie durch das feuchte Gras, zu einer Melodie die er nicht wahrnahm. Anmutig und leicht bewegte sie sich, er war sich nicht mal sicher ob ihre Füße den Boden überhaupt berührten, nur das feine Rascheln des Laubes verriet sie.
Eine kleine Elfe, die ihrem Reich entflohen war. Leichter Nebel lag noch in der Luft, zog sich hinter ihren Schritten her wie ein fein gesponnener Silberschleier. Lieblich schwebte sie umher, das leichte Kleid, das sie trug schwang bei jeder ihrer Drehungen sacht um ihre graziösen Beine, offenbarte fast mehr unbedeckte Haut als schicklich sein mochte.
Jedes Mal, wenn ihre Haut in Kontakt mit dem direkten Sonnenschein kam, glitzerte sie wie mit Feenstaub gesprenkelt. Feiner und schöner, als er es je bei einem anderen Vampir gesehen hatte. Fast so als gehörte sie nicht in diese Welt und schon gar nicht in seine unmittelbare Nähe.
Der Wind drehte, wehte seinen Geruch auf die Lichtung und zerschlug den Zauber den Alice um sich gewirkt hatte. Es war fast als würde ihr silberner Schleier vor seiner Schwärze Reißaus nehmen. Etwas, dass Jasper ihm nicht einmal verdenken konnte.
Er war etwas enttäuscht, stellte er überrascht fest, er hätte sie gerne noch länger beobachtet, wie sie unbeschwert ihre Bahnen zog.
Alice wartete nun schon eine Weile, aber gut irgendwie war sie das ja von Jasper schon gewohnt, dachte sie belustigt. Aber je länger sie hier saß, desto stärker wurde ihr Bedürfnis nach Bewegung. So stand sie summend auf und begann durch das feuchte Gras zu tänzeln bis sie mit einem Mal Jaspers Geruch wahrnahm.
Eine sanfte Wärme erfüllte sie, als sie mit einem glücklichen Lächeln kurz zum stehen kam und sich zu ihm umdrehte.
Kurz versank sie erneut in seinem Anblick. Alice staunte immer wieder maßlos darüber wie attraktiv er doch war. Diese gerade Haltung die er hatte, als wäre er nicht so schon groß genug gewesen, und diese nun glutroten Augen.
Es ließ ihn gefährlich erscheinen, sann Alice, gefährlich, geheimnisvoll und anziehend. Kein Wunder, dass ihr Schicksal gerade ihn ihr zugewiesen hatte. Romantische Mädchen, und dazu zählte sich Alice, verloren ihr Herz meist an die gefährlichen Männer, das belegte fast jedes Buch, das sie bis dato gelesen hatte. Aber da war noch so unendlich viel mehr. Ihre Visionen hatten es ihr so oft gezeigt: sein Lachen, sein sanfter Blick und dieses tiefe Gefühl geliebt zu sein.
Sie hätte gerne gewusst woher er nur diese unzähligen Narben hatte, die über sein Gesicht und seinem Hals verteilt waren. Und nicht nur dort, da war sie sich relativ sicher. Aber sie würde geduldig mit ihm sein, es erschien ihr wichtig, dass Jasper ihr seine Geschichte von sich aus erzählen wollte. Dann wenn er ihr genug Vertrauen entgegenbrachte und wollen würde, dass sie wüsste er und was er war. Darauf freute sie sich jetzt schon.
„Nun?“ fragte sie ihn grinsend. „Wie war das erste, vegetarische Mahl?“
„Ekelhaft.“ antwortete er ihr kurz angebunden und erntete ein munteres Lachen von ihr.
Er wehrte sich nicht wirklich als ihre Emotionen nun langsam auf ihn abzufärben begannen. Jetzt wo sein Durst nicht mehr alles überschattete war seine ganz eigene Gabe raffinierter. Wo er sonst fremde Gefühle spürte und manipulieren konnte, wurde er nun von den Ihren beeinflusst.
Es war für ihn schwer in Worte zu fassen.
Am meisten überraschte es ihn wohl, dass er im Laufe der vergangenen Jahrzehnte schlicht vergessen hatte, wie sich so grundlegende Dinge wie Glück und Freude anfühlten.
Dieses heitere und sanfte Licht, dass es für eine kleine Weile vermochte die Fesseln, die seine Seele in einem festen Würgegriff umklammert hielten, zu lockern.
Natürlich wusste Jasper genau [i]wie[/i] diese Gefühle gefärbt waren, konnte sie mühelos aus einer Masse von unzähligen Emotionen treffsicher herauspicken, unterdrücken oder verstärken, ganz wie er es wollte. Aber es selbst zu spüren, dass war doch etwas so vollkommen anderes.
Alice erschien Jasper wunderbarerweise wie ein überschäumender Quell an Glückseligkeit, so viel positive Emotionen, dagegen kamen seine Depressionen im Moment einfach nicht an.
Als Alice nach seiner Hand griff und ihn hinter sich her in das Sonnenlicht zog folgte er ihr bereitwillig.
Kapitel 4: Mein Gentleman
Er war Texaner, und er war stets stolz darauf gewesen Texaner zu sein. Er war als naiver Junge, der er war, in die Armee eingetreten, weil er an die Werte und Ideale seiner Welt geglaubt hatte und sie mit allen Mitteln zu verteidigen gewillt war. Seine Familie, seine Freunde und Bekannte.
Er wollte eine Lebensphilosophie schützen und für seine Kinder bewahren. Er wollte seinen Vater stolz machen. Einmal hören dass er, Jasper, etwas richtig gemacht hatte.
Sklaverei hin oder her, dass war damals in seinen Augen nebensächlich. Er war erst siebzehn Jahre alt gewesen, hatte das Leid und das Elend dieser Menschen einfach nicht erkannt. War in dem Glauben erzogen worden, dass es sich so gehörte, dass es so sein musste. Heute sah er es anders.
Damals jedoch hatte es nur den bösen Feind aus dem Norden gegeben, der seine Familie bedrohte, raubte, mordete und schändete. Jasper hatte Schwestern gehabt, und ihm war der Gedanke unerträglich gewesen irgendjemand könnte auf diese Weise Hand an seine Schwestern legen, an irgendjemandes Schwestern und Töchter.
Soldat sein, dass hatte bedeutet ein Kämpfer zu sein, ein Krieger und ein Held. Ruhm und Ehre sollten die Schlachtfelder bringen, etwas worauf die Eltern Stolz sein konnten.
Ihm hatte dieses Leben gefallen, selbst als er merkte das es wenig Ruhm zu ernten gab, dafür Blut, Schweiß und Tod.
Klare Regeln, feste Hierarchien und keine Fragen, dass war die Armee und nichts anderes. Jasper hatte sich in diese Welt sehr schnell eingefügt, seinen Charme benutzt, mit zuverlässiger Befehlserfüllung geglänzt und war dabei stets ein Gentleman geblieben. Er half gerne, hatte sich wohlgefühlt damit Verantwortung zu übernehmen, zu schützen und zu verteidigen. In diesen Dingen war er gut.
Das war auch seinen Vorgesetzten aufgefallen und so wurde er von ihnen gefördert, bis er knapp zwei Jahre später, Anfang des Jahres 1863, zum Major ernannt wurde.
Sein Kommandeur hatte damals gerne betont, dass Jasper, der jüngste Offizier sei, der diesen Rang erreicht hatte. Dabei wußte dieser nicht, dass Jasper zu der Zeit sogar nochmals drei Jahre jünger war als in seiner Akte vermerkt war.
Das Mindestalter, für den Eintritt in die Armee, betrug zu jener Zeit zwanzig Jahre, also musste der siebzehnjährige Jasper etwas lügen um sein Vorhaben zu erreichen. Aber gut, er maß zu der Zeit bereits 1,88 Meter, da hatte man ihm leicht jedes Alter abgenommen.
Als er schließlich Major wurde, hatte er sogar die 1,92 Metermarke erreicht.
Mit der neuen Position hatten neue Aufgaben auf den jungen Offizier gewartet. Zivilisten sollte er mit seiner Abteilung Geleitschutz gewähren, wenn diese aus gefährdeten Gebieten evakuiert werden sollten.
Oh, diese Aufgabe hatte ihm gefallen! Es war vielleicht nicht so ruhmträchtig wie an der Front zu sein, aber es erschien Jasper ehrenhafter Frauen und Kinder zu schützen anstatt Männer zu töten.
Er war gerade zwanzig geworden, als sich sein so, für seine Begriffe, perfektes Leben änderte. Es war eine heiße Sommernacht gewesen in der er starb. Von seinem Regiment in dieser mondlosen Nacht vergessen, wurde er in den Tod und schließlich unter unerträglichen Schmerzen neu geboren.
Er hatte helfen wollen, als er drei Frauen alleine mitten im nirgendwo stehen sah. Schutzlos, während am Horizont bereits die Trommeln des Feindes zu hören waren. Natürlich hatte er nicht weiter reiten können unter diesen Umständen und so war er näher herangekommen, hatte seine Begleitung angeboten, bis sicheres Terrain erreicht wäre.
Ungewöhnlich schön waren die Frauen gewesen. Eine entzückender als die andere, selten hatte er soviel Anmut und Schönheit gesehen. Ihre Stimmen klirrten in der Stille der Nacht ungewöhnlich klar wie Kristall. Ihre Haut war bleich gewesen, zu bleich für jemanden der unter der Sonne Texas lebte. Das hätte ihn warnen sollen, aber wovor?
Wie hätte von Frauen für ihn, gestandenem und erfahrenem Offizier der er war, Gefahr ausgehen sollen?
Jasper hatte weder gehen noch den Blick abwenden können, selbst als er ihrem sonderbaren Gespräch zu folgen versuchte.
Er hatte ihnen gefallen, gut wem würde das nicht schmeicheln? Jasper hatte zu spät erkannt, dass er es hier nicht mit normalen Frauen zu tun hatte, sein Schicksal war besiegelt gewesen.
Als der Schmerz schließlich nachließ, war der Durst gekommen, brutal und verzerrend. Der Durst, der immer noch sein Dasein bestimmte. All die Ideale und Träume zerstörte, die ein junger Major des Staates Texas, gut erzogen, von ruhiger Natur und aufrechtem Herzens einmal gehabt haben mochte.
Es war eine traurige Ironie, dass er wieder in einen anderen, brutaleren Krieg mitwirkte, dessen Beweggründe ihm heute genauso suspekt waren. In dieser neuen Armee aus Untoten fand er wieder schnell einen Platz, wurde vom einfachen Kämpfer schnell Befehlshaber, Ausbilder und Vollstrecker.
So hatte er fast 70 Jahre zugebracht. Dort gab es keinen Ruhm, keine ehrenhaften Aufgaben, auch wenn seine Schöpferin ihn davon sehr lange überzeugt hatte. Ihn betört, umgarnt und umschmeichelt hatte.
Und Jasper?
Er hatte sich wichtig gefühlt, gebraucht und war dieser Frau mit Leib und Seele ergeben gewesen. Hatte alles für sie getan, egal was sie von ihm gewollt hatte – ohne es ein einziges Mal zu hinterfragen.
Bis, ja bis sie ihn hinterging.
Er hatte angefangen seine Nahrung nicht mehr zu vertragen, war krank geworden davon. Er verglich es gerne mit einer Allergie, die er entwickelt hatte. Seine Stärke hatte nachgelassen, nicht soweit das es für ihn bedrohlich gewesen wäre, aber ihr hatte es zu denken gegeben.
Ihr bester Kämpfer schien müde zu werden. Niemand fürchtete den alten, zahnlosen Löwen, der der Grundpfeiler ihrer Stärke, ihres Reviers gewesen war.
Als er ihr schließlich zum ersten Mal nicht vollkommen gehorcht hatte, einen nutzlosen Neugeborenen entkommen ließ, hatte sich ihr Verhältnis endgültig geändert.
Ihr Bett hatte ihn schon lange nicht mehr gelockt, vermutlich weil er sie, als Mann, nicht mehr gereizt hatte. Von dem jungen, hübschen, blond gelockten Offizier war nur ein groteskes Abziehbild seiner selbst geblieben.
Jasper hatte ihr diese Ablehnung nie zum Vorwurf gemacht, aber als er gespürt hatte, dass sie ihn loswerden wollte war er gegangen. Gegangen bevor er sie vernichten konnte. Warum er es nicht getan hatte, konnte er nicht sagen. Vielleicht weil er sich an die Zeit erinnerte in der ihr Verhältnis besser gewesen war, als sie einander Vergnügen gebracht hatte. Vielleicht war es auch nur die Tatsache dass sie eine Frau war. Man tat Frauen nicht weh...
Vielleicht war es auch nur ein bisschen was von Beidem, Jasper wusste es damals nicht, als er ihr den Rücken kehrte, und er wusste es heute immer noch nicht. Er wusste nur, dass der Abschied fast schon erschreckend leicht für ihn gewesen war und er begann sich zu fragen, warum er nicht schon soviel früher gegangen war. Zu einer Zeit als sein eigener Anblick im Spiegel ihn noch nicht geekelt hatte. Zu einer Zeit als seine Seele noch nicht krank und vergiftet gewesen war.
„..per. Jasper.“ eine helle, besorgte Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.
„Verzeihung, ich hatte nicht zugehört Ma'am.“ meinte er schuldbewusst an Alice gewandt.
Alice legte den Kopf etwas schief, er konnte eine kleine Sorgenfalte in diesem jungen, lieblichen Gesicht erkennen. „Ist alles in Ordnung?“ wollte sie besorgt von ihm wissen.
Er sah in ihre goldenen Augen und dachte über diese Frage nach, ehe er antwortete: „Nein Ma'am, aber ich bin recht zuversichtlich, dass es irgendwann mal wieder in Ordnung sein könnte.“
„Das wird es Jasper“, nickte sie leicht, „du wirst es sehen.“
Ihre Zuversicht berührte ihn, fast noch tiefer als es wenige Augenblicke zuvor ihr Anblick getan hatte.
[i]Alice – edles Wesen[/i]
Ja, ihre Eltern hatten einen guten und wahren Namen für ihr Kind gefunden, dachte sich Jasper in diesem Moment.
Von edlem Wesen war sie zweifellos, dass sah man ihr fast schon an. Zu gut für jemanden wie ihn. Bei Weitem viel zu gut für ihn.
„Diese Familie, wo ist sie?“ wechselte er dann das Thema.
Seine kleine Begleiterin hatte sich ganz selbstverständlich bei ihm untergehakt und tänzelte neben ihm her, während sie langsam zurück Richtung Stadt gingen.
Sie lachte leise, sprang leichtfüßig auf den Stamm eines umgestürzten Baumes und war damit das erste Mal wirklich auf Augenhöhe mit Jasper, während sie auf dem Holz entlang schritt.
Ihr gefiel diese neue Perspektive außerordentlich gut. „Ich weiß es nicht.“
„Das wird die Suche etwas erschweren.“ mutmaßte er.
Alice zuckte nur leicht mit den Schultern: „Ich habe es nicht wirklich eilig, weißt du? Ungeduldig war ich nur als ich auf dich warten musste.“ Sie grinste ihn frech an. „Du bist nicht gerade der Schnellste.“
Er brummte nur, was ihr heiteres Lachen nur noch vertiefte: „Keine Widerworte Jasper?“
Sie war fair genug einzuräumen, dass er sich mit der Aussage: Nicht gewusst zu haben, dass er erwartet wurde, durchaus sinnvoll hätte verteidigen können.
„Nein Ma'am“
„Warum nicht?“
„Weil ich die Erfahrung gemacht habe, das es NIE gut ausgeht, als Mann einer Frau zu widersprechen – besonders wenn man im Recht ist.“
Ihr Lachen war fröhlich, hüllte ihn sanft ein, während sie über die Baumwurzeln zurück auf den Boden sprang.
Sie strahlte ihn an: „Du bist kein schneller, aber ein cleverer Mann Jasper.“
„Stets zu Diensten Ma'am.“ meinte er auf dieses zweifelhafte Kompliment hin mit einer leichten Verbeugung, wie er es als Junge beigebracht bekommen hatte.
„Ich mag diesen Akzent in deiner Stimme. Woher kommst du?“ Es gab immer noch so viel das sie nicht wusste, und dieser Spaziergang war perfekt um einige der Fragen zu beantworten.
„Texas.“
„Und wie alt bist du?“ bohrte sie weiter.
„Welches Jahr haben wir genau?“ wollte er nachdenklich wissen.
„1948.“ erwiderte sie verwundert. Konnte man als Vampir sein Gefühl für Zeit verlieren? Diese Vorstellung verblüffte sie.
„Hm~ ich bin demnach... 105 Jahre.“
„Oh, so alt bereits.“ das hatte sie nicht erwartet. Er hatte bereits ein ganzes Jahrhundert ohne sie zugebracht, der Ärmste, und ihr waren die vergangen 28 Jahre bereits lang vorgekommen. „Man kann also sagen, dass du ein richtiger texanischer Gentleman bist?“ fasste sie zusammen.
„Sozusagen.“ Gab er ihr recht, immerhin war er das wirklich mal gewesen. Damals in einem anderen Leben, bevor er...
[i]Ja bevor...[/i]
„Hast du auch einen Nachnamen Jasper?“ Ihre glockenklare Stimme unterbrach seine Gedanken, noch bevor er sich erneut in Grübeleien verstricken konnte.
Er nickte und stellte sich dann mit einer leichten Verbeugung, ganz so wie es sich nun mal gehörte, seiner elfenhaften Begleiterin standesgemäß vor: „Natürlich Ma'am: Whitlock. Jasper Whitlock, stets zu Diensten.“
„Whitlock also.“ murmelte sie leise.
[i]Mrs Alice Whitlock.[/i] wiederholte sie in Gedanken freudig, der Name gefiel ihr. Zu gerne hätte sie ihn laut ausgesprochen, aber damit würde sie Jasper mit Sicherheit verscheuchen, immerhin kannte er sie noch nicht mal einen ganzen Tag.
Er konnte nicht wissen, was sie gesehen, wovon sie bereits geträumt hatte: ein Versprechen für den Rest der Zeit. Ein gemeinsames Versprechen, dass aus der herkunftslosen Alice eine Mrs Alice Whitlock machen würde. Jemanden der einen Platz in Leben hatte, einen Ort wohin er gehörte, einen Menschen zu dem er gehörte.
„Und Sie Ma'am?“ er sah sie fragend an. Er hatte diese Seligkeit gespürt die sie nun erfüllte und dessen Grund der nicht verstand.
„Oh ich weiß es nicht sicher, ich erinnere mich an mein menschliches Leben überhaupt nicht. Aber ich glaube... ich komme aus Mississippi.
Oh und ich bin zarte 47 Jahre, schätze ich. Zumindest nicht über 50, dass ist sicher!“ berichtete sie stolz.
„Ihr Nachname?“
„Den hast du mir nicht verraten.“ entgegnete sie leise, mehr für sich.
„Bitte?“ Hatte er das gerade richtig verstanden?
Aber Alice schüttelte nur lachend den Kopf. „Ist nicht wichtig Jasper. Den alten Namen kenne ich selbst nicht.“
[i]Ich werde irgendwann deinen Namen tragen. Das wird wichtig sein und nur das![/i]
Kapitel 5: Mein Gepäck
Alice hatte Jasper mit nach Hause genommen, in das kleine Appartement das sie in der Innenstadt angemietet hatte. Sie wollte ihre Sachen zusammen packen und dann mit ihm Philadelphia noch in dieser Nacht verlassen. Er würde nicht widerstehen, wenn er unter Menschen blieb, da war sich Alice sicher.
Er war ein Vampir und Tierblut war nicht das was man als richtige Vampirnahrung bezeichnen konnte, darüber war sich Alice voll und ganz im Klaren. Sie erinnerte sich ja genau wie schwer ihr die ersten Monate gefallen waren. Hätte sie nicht ihre Visionen von Carlisle und der tiefen Trauer der Menschen gehabt, die ihre Opfer gekannt und geliebt hatten, hätte sie es selbst nicht durchgehalten. Aber sie war jung gewesen, hatte sich so gut an die karge Kost gewöhnt, einfach weil sie es nicht viel anders kannte. Sie mochte sich nicht vorstellen wie schwer sich Jasper hingegen damit tun würde.
Aber ihre Visionen zeigten es ihr und eben deshalb war es wichtig und unerlässlich ihn so schnell wie möglich wegzubringen von allem was ihn verführen konnte.
Sicher wäre die erste Zeit leichter, wenn er außer Tieren schlicht keine andere Nahrungsquelle in Reichweite hätte. Sie würde ihn in dieser Zeit mit Lob überhäufen und ihm in den schwachen Momenten eine Stütze sein, ganz so wie eine Frau es tun sollte. Und einfach auf das Beste hoffen.
Jasper nutzte die Zeit, in der Alice damit beschäftigt war unzählige Kleidungsstücke aus einem kleinen Eichenschrank in einen großen, braunen Koffer zu zwängen, um sich derweil etwas in diesem Zimmer umzusehen. Alice hatte ihm erzählt sie hätte die letzten Jahre hier gelebt und auf ihn so lange gewartet.
Irgendwie hatte er das sichere Gefühl diesen Vorwurf noch öfters von ihr zu hören.
Während sie es schaffte immer mehr Stoffe in diesem Koffer verschwinden zu lassen, ging er etwas umher.
Es gab wenig Persönliches. Keine Bilder an den Wänden, die Regale waren leer bis auf eines, auf dem einige abgegriffene Bücher lagen. Mit etwas geneigten Kopf, um die Titel richtig lesen zu können, trat er an dieses Regelbrett und war milde Erstaunt bei dieser Sammlung.
[i]Samt und sonders Märchenbücher.[/i]
Der geheime Garten von F.H. Burnett, die Schneekönigin von einem Mann namens Anderson, eine Erstausgabe des kleinen Prinzen von Antoine de Saint-Exupéry und dann noch etwas, dass er sogar kannte: Eine Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens.
Diesen Band zog er aus dem Regal und schlug ihn auf. Diese Geschichte war ebenso alt wie er, ein befremdlicher Gedanke für Jasper, auch wenn er ihn nicht erklären konnte.
Lautlos hatte sie sich ihm genähert und schmiegte nun die Wange an seinen Arm, blickte nun mit ihm auf die aufgeschlagenen Seiten.
Alice hatte sich diese Bücher mit einem gewissen Hintergedanken gekauft und schließlich auch behalten. Dieser Gedanke galt, wie könnte es auch anders sein, natürlich ihrem Jasper.
Sie hatte an die langen Tage gedacht in denen sie sich vor der Sonnen würden verbergen müssen um nicht aufzufallen. Mit irgendwas musste diese Zeit gefüllt werden und warum dann nicht damit das sie ihm etwas vorlas? Jetzt jedoch, nachdem sie wusste was für eine wundervolle Stimme ihr Jasper hatte, tief und voll wie die Stimme eines Mannes klingen sollte, stellte es sich Alice noch schöner vor, wenn er derjenige wäre der las. Sie selbst diejenige mit dem Glück ihm lauschen zu durfte.
„Sag mal Jasper,“ meinte Alice wenig später an den Blonden gewandt, nachdem das Wichtigste ihre Garderobe und die Bücher sicher verstaut waren, „wo hast du dein Gepäck eigentlich? Ich kann mich nicht erinnern, dass du welches dabei hattest in der Bar.“
„Ich reise ohne Gepäck Ma'am.“ erwiderte er ruhig.
Alice sah ihn an, als würden ihm gerade Hörner wachsen. Ihre Augen waren aufgerissen und er meinte, dass sie womöglich noch einen Hauch blasser geworden war, sofern so was bei einem Vampir möglich war.
„Stimmt etwas nicht Ma'am?“ erkundigte er sich besorgt.
Ihre Gefühle glichen einem undefinierbaren Wirrwarr, aus dem er nicht schlau wurde. Aber so nach und nach kristallisierte sich ehrliche Empörung heraus... weshalb auch immer. Jasper verstand es ehrlich gesagt nicht.
„Das... das war ein Scherz hoffe ich.“ murmelte sie tonlos und sah fast schon durch ihn hindurch bei diesen Worten. Ihre Gedanken überschlugen sich. Was um alles sollte es heißen er hätte kein Gepäck? Wie konnte jemand kein Gepäck haben, das war doch ein Unding! Ach was, das war ein Skandal ohnegleichen!
Er brauchte doch Kleidung zum wechseln, einen Kamm ihretwegen und mindestens ein Paar Ersatzschuhe! Wo waren seine persönlichen Dinge? Jasper konnte doch wohl kaum mit so gar nichts quer durch die Gegend reisen. Das konnte niemand!
Ihr Blick fiel mit einem Mal in höchster Unbill auf seine Kleidung. Alice war über Jaspers Erscheinen so glücklich gewesen, dass ihr der desolate Zustand seiner Sachen schlicht entgangen war. Ein grauenhaftes Versäumnis wie ihr nun bewusst wurde. Ihr Jasper sah... herunter gekommen aus.
Sie wagte nicht abzuschätzen wie alt die Stiefel sein mochten die er trug. Das Leder war abgewetzt und die Sohlen sahen für ihre Begriffe durchgelaufen aus. Die Spitzen waren abgeschlagen und rissig. Schuhe in diesem Zustand hätte sie vor Ewigkeiten weggeworfen.
Aber mit Sicherheit hatten die armen Dinger Zeit ihres Lebens nie in den Genuss kommen dürfen gereinigt und poliert zu werden, damit sie glänzten. So oder so, ein klarer Fall für die Mülltonne!
Die Hosen, die Jasper trug waren einmal... blau gewesen, vermutete Alice mit einem strengen Blick. Eine dieser grauenhaften Jeanshosen. Arbeiterhosen deren Farbe ausgeblichen, der Stoff selbst durchgewetzt und an den Beinen fleckig war. Jasper musste damit querfeldein gelaufen sein, anders war der Grad der Verschmutzung durch Dreck und Erde kaum zu erklären. Und dieser Riss auf Höhe seines rechten Knies fiel ihr jetzt erst auf. Alice holte tief Luft und versuchte ihm nicht auf der Stelle das Ding runterzureißen. Wie konnte er so nur auf die Straße? Es war einfach unfassbar!
Das helle Hemd mochte auch schon bessere Zeiten gesehen haben, der Schnitt war vor fünf, sechs Jahren mal modern gewesen. Zwei Knöpfe fehlten, einer am Kragen, aber gut das war noch zu verschmerzen. Das jedoch der vierte von unten fehlte stach ihr wie ein Dorn ins Auge.
Das Einzige, was in ihren Augen noch toleriert werden konnte, war der braune Ledermantel, der ihm etwa eine Handbreit über den Knöchel reichte. Auch dieser war schon älter, aber diese Art von Alt, der man ansah dass sie bequem sein mochte. Das Leder war durch das viele Tragen weich und anschmiegsam geworden, das hatte sie während ihrem Spaziergang hierher gespürt, als sie sich bei Jasper untergehakt hatte. Die Witterungen hatten dem Mantel auch zugesetzt, die Farbe ausgewaschen, aber er war unbeschädigt, nur am Saum etwas dreckig, aber das ließe sich mit einem feuchten Tuch und etwas Seife säubern.
Der ganze Rest hingegen war nur noch zum Verbrennen gut.
„Es wird höchste Zeit, dass sich eine Frau um dich kümmert Jasper. Du rennst herum wie ein Landstreicher!“ lautete dann ihr abschließendes Urteil.
Jasper hob nur eine Braue und sah an sich herab. Er wusste jetzt wirklich nicht was genau sie meinte. Gut seine Kleidung war nicht die Neuste, aber durchweg noch funktional. Es sprach seiner Meinung nach nichts dagegen, diese noch so zwei Jahre lang zu behalten.
„Dieser Vergleich erscheint mir nun doch etwas übertrieben Ma'am.“
„Eher untertrieben!“ erklärte Alice kalt. „Wie alt sind die Sachen?“
Jasper überlegte kurz. Wen kümmerte denn das Alter, solange die Kleidung noch so gut wie an einem Stück war?
Vampire schwitzten nicht, daher stank der Stoff nicht wie bei Menschen. Dort war es verständlich, dass darauf geachtet wurde Kleidung zu wechseln. Nach gerade mal zwei, drei Tagen stanken Menschen teilweise so ekelhaft nach Schweiß und anderen Ausdünstungen, dass einem da der Durst vergehen konnte. Aber das galt halt eben für Menschen!
Er zuckte also leicht mit den Schultern, ehe er schätzte: „Ich weiß es nicht genau, vielleicht fünf Jahre?“
Alice war stolz auf sich, bei dieser Aussage nicht in Ohnmacht gefallen zu sein. Gut sie wusste nicht, ob sie als Vampir überhaupt in Ohnmacht fallen konnte. Wenn ja, wäre das eben die Gelegenheit gewesen.
Aber ihr Stolz rührte hauptsächlich daher, dass sie dieses weibliche Klischee nicht mochte und daher noch weniger erfüllen wollte. Sie war gerne bereit sich den Erwartungen an eine Frau, oder einer Ehefrau im besonderen anzupassen. Sie würde es sogar gerne tun, besonders in Anbetracht der Tatsache, dass es Jasper offenkundig mehr als nötig hatte!
Dennoch ihr gefiel nicht, dass sie als Frau auch automatisch schwach sein sollte. In Ohnmacht zu fallen, war für sie das Symbol eines rückgratlosen Frauenbildes, dem sie sich nicht anpassen wollte.
Ihr Schweigen ließ ihn aufhorchen. Eine Frau, die am Meckern und Schimpfen war, war gefährlich. Eine Frau, die jedoch mit solch einem anklagenden Blick schwieg war eine nicht zu unterschätzende, tödliche Gefahr.
Gerade als er ihr Gemüt etwas besänftigen, die Wut, Empörung und diesen seltsamen Stolz in Gelassenheit wandeln wollte, waren sie weg.
Als hätte man einen Lichtschalter in den Emotionen der zierlichen Frau umgelegt.
Der strenge Blick war gewichen und jetzt strahlte sie dafür umso sonniger. Er gab es nicht gerne zu, aber diese radikale Wandlung machte ihm Sorgen.
Es bedurfte keiner besonderen Gabe, sondern schlichtem Verstand um zu ahnen, dass [i]dies[/i] ihm mehr Warnung als denn Beruhigung sein sollte.
Alice war immer noch über diese fünf Jahre empört! Bis, ja bis ihr bewusst wurde was das genau hieß: Er brauchte einfach nur neue Kleidung!
Der ausschlaggebende Gedanke, der sie nun so fröhlich werden ließ, lag in der Tatsache, dass es nun erforderlich war einzukaufen.
Die Vision kam zeitgleich mit dieser Erkenntnis. Sie sah schon wie sie mit ihm in einem Bekleidungsgeschäft stand, Verkäufer hin und her scheuchte und es aus tiefer Seele genoss.
Kurz überlegte sie wie gefährlich es sein mochte mit Jasper zusammen derart unter Menschen zu gehen. Tierblut war keine vollwertige Nahrung, Menschen schon!
Alice seufzte kurz. Wenn sie der Vision glauben konnte, würde ihr Jasper das durchhalten. Und Alice vertraute dem was sie sah, schließlich verdankte sie diesen Vision, nun ja, ihn – Jasper Whitlock. Gab es eine bessere Referenz als das?!
Es war wie so oft, Jasper hatte mit seiner Ahnung mehr recht gehabt als er haben wollte. Zumindest schoss ihm das als erstes durch den Kopf als sich Alice, immer noch strahlend, an ihn wandte und es aussprach.
„Wir werden einkaufen gehen Jasper, du brauchst dringend neue Sachen. So werde ich dich nicht mitnehmen!“
Es war ihr ernst, das spürte Jasper zu deutlich.
„Ich brauche nichts Ma'am.“ meinte er im schwachen Versuch es ihr auszureden. Es gab wenig, das er mit weniger Begeisterung tat als einzukaufen. Nun gut, er tat nichts mehr mit wirklicher Begeisterung, aber dennoch so was hatte er nicht verdient!
„Wir werden einkaufen gehen Jasper!“ wiederholte sie mit einem immer noch zuckersüßen Tonfall, der ihm aber dieses Mal nicht an Unanständiges denken ließ.
„Aye, Ma'am.“ entgegnete er dann geschlagen.
Warum er den Widerstand erst gar nicht gewagt hatte war ihm selbst schleierhaft. Vermutlich hatte er die tiefste Wahrheit schon erkannt ohne es bewusst wahrzunehmen.
Nichts und niemand hielt diesen kleinen, schwarzhaarigen Kobold davon ab einzukaufen, wenn es sich diese erstmal in den Kopf gesetzt hatte.
Und Jasper Whitlock war ein Mann, der schon genug Schlachten geschlagen hatte um genau zu wissen, dass es sich nicht lohnt Kräfte und Ressourcen in etwas zu stecken, dass man einfach nicht gewinnen konnte.
Er seufzte leicht, vielleicht wäre es ja nicht so schlimm.
„Na ja, ein Oberhemd vielleicht.“ murmelte er leise, kompromissbereit.
„EIN Oberhemd?“ Alice lachte nur heiter mit einem Kopfschütteln auf. Ihre goldenen Augen lagen glücklich auf ihm. Mit einem Hemd würde sie nicht einmal anfangen.
Ein paar rote Augen sahen auf sie und erkannten eiserne Entschlossenheit. Jasper hatte einen General vor sich, der nicht bereit wäre die Waffen zu Strecken, ehe er den Feind nicht restlos vernichtet hatte.
Nur die Tatsache, das er im diesem Beispiel der Feind war, behagte Jasper nicht so wirklich.
Aber was ertrug ein Mann nicht alles, damit seine Frau glücklich war...
Kaitel 6: Meine Einkaufstour – möge es die Letzte ihrer Art gewesen sein
„Ich weiß nicht“, seufzte Alice und drehte sich vor dem mannshohen Spiegel langsam hin und her, „irgendwie ist das Kleid zu blau.“
Das Kleid war zu blau, sinnierte Jasper Whitlock, der rittlings auf einem schmalen Stuhl saß, die Arme auf der Rücklehne verschränkt und den Kopf auf selbigen abstützte. Er befand sich nun schon geschlagene drei Stunden mit Alice in diesem Kaufhaus und er verstand es immer noch nicht. Er war nicht gerade begeistert mit hierher gekommen zu sein, aber hatte realistisch gesehen keine Wahl gehabt. Missmutig war er ihr hintergestampft, tja und nun saß er hier.
Seit Stunden, die Herrenabteilung hatte er noch nicht mal von weitem erspäht und versuchte immer noch aus dem Verhalten seiner Begleitung schlau zu werden.
Kaum waren sie hier herein gekommen, hatten ihre Augen angefangen zu glänzen, der Kopf war hin und her geruckt als gäbe es etwas zu verpassen. Sie hatte sich lächelnd zu ihm gedreht und gemeint: „Jasper, es stört dich doch nicht wenn ich mich kurz hier in der Damenabteilung umsehe?“
Natürlich hatte er verneint, warum sollte es ihn auch stören? Tänzelnd hatte sich Alice letztendlich ins Getümmel gestürzt, war energisch nach links marschiert, dann nach rechts, wieder nach links, der Berg an Stoff auf ihren Armen war stetig angewachsen und hatte kurz danach geradezu beängstigende Ausmaße erreicht. Aber das schien den kleinen Kobold nicht zu stören, sie schnappte sich eine Verkäuferin, ein süßes blondes Mädchen, das nicht viel älter aussah wie Alice selbst. Dieser hatte sie ihre Beute gereicht und lud immer mehr und mehr auf.
Bevor er auch noch zum Packesel degradiert werden konnte, hatte sich Jasper für einen taktischen Rückzug entschieden. Sich einen Stuhl gegriffen und eine vermeintlich ruhige Ecke gesucht und alles getan um nicht aufzufallen. Die Wand, die er im Rücken hatte wirkte beruhigend, hier konnte er nur angegriffen werden, wenn der Feind auch in sein Blickfeld rückte. Jasper sah, von seiner sicheren Ecke aus, nur noch Stoffe fliegen, und hätte jeden Eid geschworen das sie dabei war sich eigene Gänge durch den Laden zu pflügen.
Jasper konnte nicht wissen, dass die eigentliche Schlacht noch ausstand. Der Startschuss zur selbigen fiel leise, harmlos beinahe, als Alice sich auf den Weg zur Anprobe machte.
Im Gegenteil, unwissend wie er war, rechnete er damit, dass sie sich einige Sachen aussuchen würde und sie dann weiter konnten. Wie erwähnt, Jasper Whitlock wusste es einfach nicht besser in diesem Moment.
Alice kam umgezogen aus der Kabine, drehte sich vor dem Spiegel und musterte sich kritisch. Fragte sogar dann und wann nach seiner Meinung. Bei den ersten drei Kleidern, hatte er noch versucht sich Alice, das Kleid und die Kombination aus beidem ernstlich anzusehen. Jedoch war ihm schnell aufgefallen, dass seine Meinung ohnehin irrelevant war.
Sagte er hübsch meinte sie, es mache sie fett. Wie das bei einer Frau gehen sollte die aussah, als würde ein unbedachtes Ausatmen seinerseits sie schon aus den Schuhen werfen können, war ihm schleierhaft. Aber gut, wenn sie meinte...
Sagte er nach kritischem Blick schließlich: "nicht so gut", sie nickte nur und verkündete ihr gefalle es dennoch.
Also hielt er sich raus.
Nicht, dass das in irgendeiner, wie auch immer gearteten Form, etwas ändern mochte.
Was ihn wieder zu dem aktuellen Geschehen brachte: das zu blaue Kleid. Dazu sollte vorangeschickt sein, dass es das Dritte war das sie anhatte.
Ihren Äußerungen hatte er im Laufe der vergangenen Stunden entnommen, dass sie noch unbedingt ein Kleid in blau haben wollte. Das Erste war eines dieser mysteriösen Fett-mach-Kleider. Das Zweite sei, laut Alice, ein Kartoffelsack gewesen. Nun diese hatte Jasper anders in Erinnerung, aber gut, er räumte gerne ein, dass er in Bezug auf Nachtschattengewächse nicht mehr ganz auf dem Laufenden war.
Tja und dieses hier war nun zu blau, etwas das blauen Kleidern ja eigen war, aber heldenhaft äußerte er sich nicht dazu. Ihm persönlich gefiel es außerordentlich gut, wenn er die Yankeefarbe mal außen vorließ, dachte er bei sich. Es war fast schon unanständig tief dekolletiert.
Der kleine Kobold hatte nicht das, was man als üppige Kurven bezeichnen konnte, aber die, die sie hatte, wurden gerade äußerst schmackhaft präsentiert. Vermutlich war es ganz gut, dass er sich raushielt.
Das Kleid war an und für sich ganz nett, dachte Alice, etwas gewagt vielleicht aber die Farbe, nein die gefiel ihr nicht. Sie warf einen letzten Blick in den Spiegel und merkte nur noch wie das Bild vor ihren Augen verschwamm.
~Es war eine dunkle, tiefschwarze Nacht in der sie sich wieder fand. Sie stand vor einem niedrigen Geländer, einem Balkon vermutlich. Entspannt und ruhig sah sie in die sternenklare Nacht hinaus, im Hintergrund vernahm sie sanfte Musik, Chopin, wenn sie raten würde. Sie konnte hören wie sich ihr leise Schritte näherten und sich kurz darauf zwei starke Arme um ihre Taille legten, sie sanft an einen muskulösen Oberkörper zogen, an den sie sich sofort schmiegte. Glücklich und vertrauensvoll.
Als sie ihren Kopf etwas neigte, wurde ihre Wange von seinen wilden, blonden Locken gekitzelt, als er ihr einen Kuss auf den Hals hauchte. Ihren Körper sanft für sich einnahm. Während ihre Lungen seinen Geruch, den sie so sehr liebte, tief einsogen und sie darin genießend schwelgen ließ. Diese Aura der Gefahr, die ihm eigen war, regte ihre Sinne an, sorgte dafür dass ihre Haut zu prickeln schien sobald er sie auch nur ansah. War er zärtlich wie jetzt hatte Alice das Gefühl zu schweben.
Es war so unendlich leicht und schon selbstverständlich sich bei ihm zu entspannen und den Dingen einfach ihren Lauf zu lassen. Sollte sie je fallen, würde er da sein um sie aufzufangen, es gab nichts dessen sich Alice je so sicher war wie der Tatsache, dass sie bei Jasper sicher sein konnte. Egal wie gefährlich er sein mochte, sie trug er mit liebevoller Fürsorge auf Händen. Sinngemäß und wortwörtlich. Er wäre da und würde da bleiben, nie mehr alleine, nie mehr Einsamkeit, in der sie selbst ihre einzige Gesellschaft sein musste. Diese Zeiten waren vorbei, jetzt lebte sie ihre Gegenwart und hungerte regelrecht ihrer Zukunft entgegen, denn egal wie diese Zukunft auch aussehen mochte, eines war sicher: sie gehörte genau hierher in seine Arme. Dem wundervollsten Ort auf der Welt.
„Bist du glücklich Alice?“ Wie Samt strich nun seine Stimme über ihre Seele. Tief und dunkel wie schwerer Wein, angereichert mit dem leichten Akzent, den sie so gerne an ihm hörte.
Ein kleines, sehnsuchtsvolles Seufzen glitt über ihre Lippen, als er einen Arm anhob und mit dem Zeigefinger sacht am Ausschnitt ihres dunkelgrauen Kleides entlang wanderte. Die darunter liegende Haut sanft liebkoste und ihren Körper so liebevoll an einen Rausch, ein Verlangen erinnerte, vor dem es kein Entkommen gab. Dem sie nicht entkommen wollte, weshalb auch? Etwas Gold funkelte schwach an seiner linken Hand, die sie in dem trüben Licht erkannte. Alice schloss voller Glück die Augen als sie leise und aus ehrlichem Herzen erwiderte: „Ja sehr.“~
Als Alice die Augen wieder öffnete stand sie in einem blauen Kleid vor einem Spiegel, in einem kleinen Kaufhaus und grinste ihr Spiegelbild überglücklich an. Darauf hatte sie gewartet, seit sie Jasper in der Bar angesprochen hatte. Eine Zukunftsvision, die sie bestärkte und ihr Sicherheit gab.
Sie wandte sich die Verkäuferin und meinte: „Haben Sie das auch in Grau?“
Als sie letztendlich weitere drei Stunden später, mit einem zweiter Koffer die Tür zu Alices Appartement betraten war diese bestens gelaunt. Welch ein wundervoller Tag es doch war, dachte sie fröhlich.
Sie selbst hatte reiche Beute gemacht, während Jasper sich wirklich auf das, in ihren Augen, Nötigste beschränkt hatte. Aber gut, die Auswahl war sehr dürftig gewesen fand sie. Als sie ihm nun zusah wie er den kleineren Koffer abstellte war sie mehr als Zufrieden.
Neue Stiefel, eine schwarze Hose aus festen Cord, der seine kräftigen Beine schön betonte und wie Alice fand, seinen Hintern sehr gut zur Geltung brachte. Als sie diesen Gedanken im Laden hatte wäre sie wohl verschämt errötet, wenn das denn noch möglich gewesen wäre. Sie hatte noch nie vorher irgendeinem Hintern, außer ihrem eigenen, einen zweiten Blick gegönnt, aber jetzt bei Jasper hatte ihr der Anblick schlicht und ergreifend gefallen. Sehr gefallen wenn sie ehrlich war.
Und das war nicht der einzige Anblick gewesen, den sie in den knappen zwölf Minuten in der Herrenabteilung hatte genießen dürfen. Er war gerade dabei gewesen sich in der Umkleidekabine ein rotes Oberhemd anzuziehen, als Alice mehr durch Zufall einen wundervoll weichen, grauen Rollkragenpullover entdeckt hatte, der farblich exakt zu ihren neuen Kleid passte. Allein deswegen war er ihr aufgefallen, aber als sie ihn angefasst hatte und diese dünne, feine Wolle zwischen ihren Finger gespürt hatte war sie begeistert gewesen und hatte zwei Stück genommen und war damit strahlend zu der Umkleidekabine gekommen. Sie hatte noch kein Gespür dafür was ihm passen konnte und was nicht, daher hatte sie sich die zwei Größten gegriffen, einer davon sollte sicher passen.
Als sie zu ihm in die großzügig angelegte Kabine geschlüpft war – die wesentlich mehr Platz bot als unten in der Damenabteilung – war ihr die Luft weggeblieben. Ein Glück das sie nicht auf sie angewiesen war.
Jasper hatte dort gestanden, in der Cordhose und mit freiem Oberkörper und hatte finster sein Spiegelbild angestarrt. Nicht musternd oder bewertend wie sie selbst es als Beispiel immer tat, nein. Er hatte dagestanden und zum Fürchten ausgesehen. Seine roten Augen starrten so fest auf einen Fleck, dass sie schon halb erwartete, der Spiegel vor ihm würde unter dem Blick nachgeben und verschwinden.
Sie hatte die Situation genutzt, natürlich hatte sie es, neugierig wie sie nun mal war. Wann bekam sie auch schon mal einen halb nackten Mann zu Gesicht?
Er hatte einen schönen Körper, dachte sie bei sich. Kräftige, breite Schultern, die zu starken Armen führten. Sie erinnerte sich an das Gefühl in ihrer Vision, an das Gefühl von diesen Armen umarmt und gehalten zu sein. An diese Schwindelerregende Balance zwischen Aufregung und tiefer Geborgenheit. Ihr Blick ruhte schließlich auf seinen Händen, die er zu Fäusten geballt hatte. Männliche Hände, mit einem breiten Handrücken zu dem wundervoll lange, elegante Finger gehörten, dafür geschaffen zu streicheln und zu verwöhnen, dachte sie verträumt.
Ihr Blick streifte noch mal kurz Jaspers Hintern, es bot sich einfach an und Alice sah nicht ein, weshalb sie sich dieses Vergnügen nicht gönnen sollte. Schließlich fanden ihre Augen einen wohlproportionierten Oberkörper vor. Helle Haut lag straff über den ausgeprägten Muskeln. Es war schwer einen treffenden Vergleich zu finden, aber irgendwie erinnerte er sie an eine Raubkatze.
Vor einigen Jahren hatte sie sich eines abends, auf der Suche nach Beute, in den Zoo gewagt und war vor dem Gehege eines Tigerpaares stehen geblieben. Fasziniert hatte sie die kraftvollen Bewegungen dieser Tiere beobachtet, das Muskelspiel, dass schon beim bloßen hinsehen Kraft und Gefahr verriet. So gerne hätte sie damals die Hand ausgestreckt um sie anzufassen. Sich selbst von dem zu überzeugen was sie nur sah. Sie hatte in dieser Nacht zwei Ziegen gerissen, aber war das Bild der Tiger nie losgeworden.
Natürlich ließe sich ihr Jasper nicht mit solch einem Tier vergleichen, aber er erreichte den gleichen Effekt bei ihr. Sie wollte ihn anfassen, über seine Haut streicheln, jeden einzelnen Muskel mit den Fingerspitzen nachzeichnen und an ihrer Haut spüren.
Sie hatte schon die Hand gehoben und verharrte kurz bevor ihre Haut auf die seine traf. Das es sich nicht gehörte, kam ihr nicht in den Sinn und selbst wenn wäre es ihr egal gewesen. Immerhin war das ihr Jasper und nicht ein unwichtiger Fremder, dennoch berührte sie ihn nicht.
Während ihre Augen über diese unzähligen Narben auf seinem Rücken glitten hatte sie innegehalten. Kaum einpaar Quadratzentimeter beieinander, die unverletzte Haut offenbarten, seine Arme, seine Schultern, seine Brust, der Bauch, der Hals und letztendlich das Gesicht waren über und über bedeckt von Narben.
Alice hatte sich einmal mehr oder minder versehentlich selbst gebissen und hatte seither selbst solch eine Narbe zwischen Daumen und Zeigefinger ihrer linken Hand. Es war eine leichte Wunde gewesen von der nur eine sehr, sehr feine Spur zurückgeblieben war und selbst diese hatte lange wehgetan. Aber Jasper?
Alice wagte es nicht mal sich auszumalen wie viel Schmerzen ihr Prinz schon gehabt haben mochte. Er war noch nicht übermäßig alt, doch wenn sie sich jetzt das Ausmaß seiner Male ansah, fragte sie sich ernsthaft ob er überhaupt einmal gelebt hatte ohne dass irgendwo in seinem Körper fremdes Gift zirkulierte. Sie schluckte als sie daran dachte, dass dies hier sicher nicht alles war. Unter Garantie sahen seine Schenkel und Waden auch nicht besser aus. Ein Gedanke der ihr Herz schwer werden ließ.
Er war zusammengezuckt als sie ihn schließlich angesprochen hatte, so tief in seinen Gedanken versunken, dass er sie schlicht nicht bemerkt hatte. Ein unentschuldbarer Fehler, haderte er mit sich selbst und zog hastig sein Hemd über. Drehte sich schließlich weg vom Spiegel und sah Alice nur kalt an als er meinte: „Raus!“
Mit einem frechen Grinsen im Gesicht huschte sie auch raus und ließ ihn alleine zurück. Jasper ließ sich mit geschlossenen Augen gegen eine der Seitenwände sinken, rutschte daran langsam zu Boden und presste sich die Handballen fest auf die Schläfen um das Dröhnen dahinter zu vertreiben.
Aber es hörte nicht auf, er hörte die Trommeln viel zu laut, die zum Kampf riefen. Hörte die Schreie, spürte den Hass, die Mordlust und die Skrupellosigkeit die schwer durch seinen Geist zogen und eine breite Schneise des Abscheus hinterließen.
Jasper wußte genau warum er Spiegel beharrlich mied, sein eigener Anblick ekelte ihn und führte ihm nur zu deutlich vor Augen was für ein Scheusal aus ihm geworden war.
Der Blick in den Spiegel brachte die Trommeln und die Schreie zurück, die er so dringend zu vergessen suchte.
Als Jasper wenig später an die Kasse gekommen war um zu zahlen, war Alice enttäuscht, dass er nur wirklich drei Teile ausgesucht hatte. Er meinte nur einsilbig, dass er sich aktuell mehr nicht leisten könne und hatte aus den Taschen seines Mantels einige Dollarmünzen gefischt und war an ihr vorbei gegangen. Alice lachte nur etwas verblüfft, daran hatte sie nicht gedacht und ihm angeboten, seine Sachen gerne zu bezahlen. Seit sie vor knapp drei Jahren die Börse für sich entdeckt hatte, verschwendete sie keinen Gedanken mehr an Preise.
Doch er hatte nur mit einem brüsken Nein abgelehnt und es selbst gekauft. Alice blieb keine Wahl als das zu akzeptieren, so ungern sie es auch tat. Gut das sie den Pulli schon gezahlt hatte als Jasper noch in der Kabine geblieben war, nachdem er sie aus selbiger rausgeworfen hatte. Sicherlich hätte er nichts dagegen wenn sie ihm diesen schenken würde. Gut er würde verwundert sein, aber sich dann sicher freuen.
Ob er das wohl zeigen würde, fragte Alice sich nachdenklich nachdem sie ihre Einkäufe in dem hübschen Koffer, den sie entdeckt und natürlich auch sofort gekauft hatte, verstaute. Nachdenklich sah sie Jasper an, der wortlos den Koffer ergriffen hatte und ihr nun abwartend die Eingangstüre aufhielt.
Nein, dachte sie sich. Er würde es nicht offen zeigen. Er würde sich höflich bedanken, weil das der Anstand erforderte und ihr versichern dass dies nicht nötig gewesen wäre. Aber hundertprozentig würde er sich über die Geste von ihr freuen, tief drinnen, so ein ganz klein wenig.
Und das war ihr im Moment genug.
Kapitel 7: Mein bittersüßer Traum
Jasper Whitlock lebte in einer Welt voller Farben. Strahlende und düstere, kalte und warme Farben. Alle Nuancen, alle denkbare Schattierungen umgaben ihn, fein und kaum wahrnehmbar meistens oder doch so grell, dass es ihn fast blenden konnte. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da war er im gewissen Sinne ein Künstler gewesen, hatte diese Farben vermischt, neu komponiert und arrangiert mit einer nahezu selbstverständlichen Leichtigkeit. Aber er arbeitete nicht mit Öl-, Aquarellfarbe oder Kreide, nein, er vollführte seine Art von Kunst mit Emotionen der Menschen oder Vampiren um ihn herum.
Gefühle nahm er so war, wie andere Licht und Farbe wahrnahmen, daher war es für ihn am Einfachsten seine Gabe so zu erklären. Nicht dass er sich veranlasst sah, eben dies auch zu tun.
Ja, auf seine Art war er ein Künstler, der selbst bestimmen konnte was seine Umgebung zu fühlen hatte. Jedes Gefühl hatte seine ganz eigene Färbung und er war der Mann, der die Farbpalette in der einen und den Pinsel in der anderen Hand hielt. Früher hatte er sich so Respekt, Furcht und Begehren erschlichen ohne eine Spur von Reue oder Gewissen. Es war so leicht andere Wesen zu manipulieren, wenn man ihre Gefühle in der Hand hatte.
Leider waren seine eigenen Emotionen für ihn nicht so beeinflussbar, diesen war er ebenso ausgesetzt wie jedes andere Wesen auch. Wenn gleich mit dem Zusatz, dass fremde Gefühle die seinen manipulieren konnten, wenn er nicht auf der Hut war. In Jaspers Augen eine deprimierende Tatsache.
Er kam nicht gegen die erdrückende Schwärze an, die in seiner Seele hauste. Die Tristesse seiner Gedanken verstrickte ihn nur noch tiefer in dieses Loch der Hoffnungslosigkeit, die seinen Alltag allgegenwärtig überschattete.
Jaspers Blick blieb an der kleinen Alice hängen, die durch die Räume tänzelte und sich nun endlich zum Aufbruch fertig machte, und er musste sich gedanklich korrigieren: Sie hatte etwas verändert bei ihm.
[i]Hoffnung[/i] gab es nun, auch wenn er noch nicht in der Lage war, dieses Gefühl zu begründen. Aber erkannte diesen zarten, schwachen und kaum erkennbaren Hauch von Violett ganz genau. Hoffnung, ganz zweifelsfrei!
Vielleicht war es diese neue, schale Nahrung, die ihm eine bisher unbedachte Alternative anbot im Leben. Obwohl, selbst bei der Erinnerung daran, verzog Jasper angewidert die Lippen, wenn dies ihm Hoffnung brachte, war er wohl noch verzweifelter gewesen als ihm selbst bewusst gewesen war.
Da war der Gedanke doch angenehmer zu glauben, dass diese Änderung einfach daher kam, dass er nun eine Frau um sich hatte. Eine Frau die lachte, Optimismus ausstrahlte und mit so unendlich viel Leben angefüllt war, dass sie nicht in der Lage war stillzustehen. Goldenes Glück, silberne Freude und der warme Glanz der Kombination kam in seinen Augen einer Sonne gleich, die auf ihn hernieder schien. Es erlaubte, dass er die Augen schloss und sein Gesicht dieser wohltuenden Wärme entgegen hob, die etwas Licht in seine Seele brachte.
Jasper folgte ihr so wortlos aus dem Appartement wie er es betreten hatte. Nur das er nun anstatt einem, zwei Koffer trug. Der kleinere Koffer hatte einen Tragegurt, so das Jasper diesen schultern konnte während des Laufens. Das Gewicht spürte er nicht einmal, aber er gab zu es lief sich so bequemer. Seine freie Hand hatte er in seiner Manteltasche vergraben während er in einem menschlichen Tempo durch die spärlich beleuchten Straßen marschierte. Alice war wie immer dabei ihm irgendwas zu erzählen, aber er hörte wie so oft nur mit halbem Ohr zu. Viel deutlicher nahm er den glockenhellen Klang ihrer Stimme war, ihre beschwingte Art Wörter auszusprechen, die bei ihm selbst träger klangen.
Der Wind wehte ihm ihren Geruch lockend um die Nase und verleitete ihn dazu seinen Blick immer wieder mal heimlich ihre Gestalt entlang wandern zu lassen.
Wie wundervoll wäre es doch, wäre sie die Seine.
Die Finger würde er über ihre ebene Haut wandern lassen, das Gesicht in diesem schwarzen Haar betten, oder mit den Lippen langsam und genüsslich ihren Körper erkunden, bis er diesen besser kennen würde als Alice selbst. Jasper würde sie im Arm halten und von ihrem süßen Begehren kosten. Und wie viel schöner mochte es dann erst sein, zu spüren wie sich diese zierliche Frau an ihn schmiegte, ihre Finger durch seine Haare streichen ließe. Bis er letztendlich den kleinen Lauten lauschen durfte, welche die Leidenschaft ihr wohl entlocken mochten. Ein kleiner Traum, schloss Jasper dann für sich selbst, etwas anderes würde es niemals sein.
Er vergaß schließlich nicht was er war, und der Blick in den Spiegel hatte dafür gesorgt, dass er nicht Gefahr lief, es dennoch zu tun. Wäre Alice ihm vor vierzig Jahren begegnet, oder gar vor Fünfzig, ja dann hätte es anders ausgesehen – er hätte noch anders ausgesehen. Aber nun?
Natürlich wusste er wie es um ihre Gefühle stand. Sie war dabei sich zu verlieben, aber Jasper war genug Realist in dieser Beziehung. Wenn der kleine Kobold sich in etwas verliebt hatte, dann in ihre Visionen, von denen sie ihm ja bereits berichtet hatte. Ihre Sehnsucht galt nicht ihm, sondern dem Bild, welches sie schon vor Augen gehabt hatte, lange bevor er Philadelphia erreichte.
Alles was darüber hinaus ginge wäre sein Werk! Sein Werk erschaffen aus reiner, egoistischer Manipulation heraus. Gewisslich war er in der Lage ihr Begehren zu suggerieren, Sehnsucht gepaart mit Gier und ja sogar Liebe mit all ihren Facetten konnte er ihr geben, ob sie diese wollte oder nicht war einerlei.
Doch er war nicht dazu in der Lage dafür zu sorgen, dass ihr Lachen dann immer noch so klang, dass man meinen könnte einen kleinen Engel vor sich zu haben. Nein, ihr Lachen würde verschwinden! Und mit diesem Lachen verlöre er auch die Wärme seiner Sonne.
Glück konnte ihr nicht von ihm eingeflüstert werden, wie beispielsweise Gelassenheit. Natürlich würde er sich bemühen ihr Glück mit normalen Mitteln gesichert zu wissen. Er würde sie auf Händen tragen wenn sie ihn ließe, aber Jasper wusste selbst, dass dies von ihm nichts anderes als Heuchelei wäre in diesem speziellen Fall. Alice' Glück, nur damit er sein ohnehin arg geschundenes Gewissen beruhigt wusste, während er sie zwang ihn zu lieben. Das war doch keine wirkliche Option für einen Mann, der noch einen Funken Selbstachtung hatte. So verzweifelt wollte Jasper nicht sein, auch wenn es verlockend war, sehr verlockend, verlockender als es sein sollte. Sehr viel verlockender und gleichermaßen frustrierend bis ins Mark!
Das einzige, wahrnehmbare Geräusch war das Hallen ihrer Schritte auf dem Straßenpflaster. Der Mond stand am Firmament, vereinzelt brannten Straßenlaternen, welche zum Teil noch mit Öl, anstatt mit Elektrizität betrieben wurden und das letzte Automobil, das an ihnen vorbeigesaust war, war schon lange nicht mehr zu sehen. Nur Jasper und sie, die nun mit zwei Koffern dabei waren dem nächtlichen Philadelphia den Rücken zu kehren. Etwas das Alice gleichermaßen traurig und glücklich stimmte. Sie hatte hier lange ausgeharrt, die Stadt lieben und schätzen gelernt während sie auf Jasper gewartet hatte. Das Warten war nun vorbei, es war an der Zeit Weiterzuziehen und doch... doch würde die Stadt ihr fehlen, schloss Alice mit einem leichten Seufzen. Ihr Blick glitt an der hohen Gestalt ihres Begleiters entlang. Jasper hatte nicht reagiert als sie ihm vorschlug einen der Koffer zu tragen und er reagierte auch nicht als sie schweigend neben ihm herlief. Seine Laune machte ihr zum ersten Mal seit sie ihn getroffen hatte ernsthafte Sorgen.
Mit Sicherheit war er wütend, mutmaßte sie. Gut, der Einkauf hatte sich etwas in die Länge gezogen, aber was hätte sie dagegen machen sollen? Immerhin hatte sie sich schon beeilt und sich auf die wichtigsten Sachen beschränkt.
Nachdenklich biss sich Alice auf die Unterlippe. Was wenn er einen anderen Grund hatte um ihr Böse zu sein? Aber was nur? Das Einfachste wäre es ja gewesen ihn zu fragen. Würde er antworten, wäre schnell geklärt wo das Problem lag, aber er zog es ja vor zu Schweigen.
Ein mehr als unbefriedigender Zustand befand die Schwarzhaarige. Aber sie wäre nicht sie selbst, wenn sie das einfach kampflos hinnehmen würde. Nein, dass kam nicht mal ansatzweise in Betracht!
Entschlossenen Schrittes schloss sie zu dem groß gewachsenen Jasper auf, streifte einen ihrer weißen Stoffhandschuhe ab und ließ ihre Hand zu der ihres Begleiters in dessen Manteltasche gleiten. Dort verhakte sie ihre Finger zwischen den Seinen, genoss das Gefühl seine Haut zu spüren und die Geborgenheit, die sie nun wieder erfüllte. Mit einem glücklichen Lächeln auf dem Gesicht schmiegte sie sich beim Gehen etwas näher an ihn heran. Das war doch fast wie Händchen haltend mit seinem Liebsten spazieren zu gehen. Seinen verwunderten Blick spürte sie mehr als das sie ihn wirklich sah, aber Alice war sich recht sicher, dass er sie nun zumindest nicht mehr ignorieren würde. So waren ihre Aussichten ein Gespräch mit ihrem Mann zu führen, doch ungleich erfolgreicher.
„Jasper?“ fragte sie dann leise und bekam wie meistens ein Brummen von ihm als Erwiderung. Schmunzelnd strich sie sich eine Haarsträhne hinter das Ohr ehe sie weitersprach. „Weshalb bist du wütend auf mich?“
Es war einen Moment ruhig bis er leise murrte: „Nicht auf sie, Ma'am.“
Da sein Tonfall jedoch seine Worte irgendwie Lügen strafte, bohrte Alice nach: „Auf wen dann?“
„Einen dummen Träumer.“ meinte Jasper dazu nur leise und irgendwie traurig wie sie fand.
„Ich träume gerne,“ trällerte sie dann fröhlich, „aber auch nur weil meine Tage bisher furchtbar trostlos waren. Jetzt bin ich entschlossen, die Träume in die Tat umzusetzen.“
„Das glaube ich gerne~“ brummte er nur. Immerhin hatte er schon erlebt dass diese Frau, eine offenbar sehr, sehr sture Frau sein konnte. Gnade denen, die den Fehler beginnen ihr im Wege zu stehen.
Leise lachend drückte sie seine Hand kurz fester und rempelte etwas gegen seinen Arm. Höflich wie er war, tat Jasper auch kurz so, als hätte er es gespürt.
„Du, Jasper?“
„Hm?“
„Ich wollte eigentlich nichts sagen und warten, ob du es mir so erzählen würdest, aber... Die Neugier macht mich noch wahnsinnig.“ seufzte Alice dann.
Und da Jasper Whitlock nach wie vor ein Mann war, der Höflichkeit hoch schätzte, sagte er nichts dazu, brummte nur erneut kurz auf. Seine Art ihr mitzuteilen, dass er sie durchaus akustisch gehört und auch zugehört hatte – was ja leider nicht der Regelfall war.
„Diese Narben stammen von Vampirbissen.“ Sie fragte nicht, sondern stellte lediglich fest, wie Jasper bemerkte. Also nickte er leicht und meinte: „Ja.“
An dieser Tatsache ließ sich nun wirklich nichts leugnen oder bestreiten. Bisse eines anderen Vampirs hinterließen derartige, fast schon zu deutliche Spuren zurück.
Er konnte nicht entscheiden was jetzt bitterer war, dieser Blick mit dem sie ihn anschaute oder diese Woge aus Mitleid. Die Kombination aus Beidem jedoch war schon fast widerlich.
„Was ist mit dir passiert Jasper?“ wollte Alice wissen. Tieferes Mitleid, Mitgefühl und Bedauern prasselte auf ihn hernieder wie ein Regenschauer im Februar. Nass, schwer und, trotz der ersten Blüten in den Gärten, eisig kalt.
„Das geht sie nichts an Ma'am.“ erwiderte er daher gefühllos, während es in seinem Inneren langsam wieder zu brodeln begann. Er wollte dieses Mitleid nicht haben, nicht spüren – gar nichts dergleichen.
Er war ein erwachsener Mann, flucht noch mal! Er hatte schon mehr erlebt, gesehen, getan und überlebt, als sie wohl je selbst sehen würde. Unzählige seiner Art hatte Major Jasper Whitlock vernichtet und dieses kleine Frauenzimmer wagte es ernsthaft ihn zu bemitleiden?!
Ihn?!
Er hatte ihren Blick gesehen in diesem Kaufhaus, als sie ihn gemustert hatte. Gemustert wie ein Ausstellungsstück. Der bloße Gedanke schürte eine plötzliche Wut in ihm, die ihm zu entgleiten drohte.
Hatte sie etwa einen Schwächling vor sich gehabt, dass sie auch noch die Dreistigkeit besessen hatte, seine Einkäufe bezahlen zu wollen!? Das hatte das Fass schon dort fast zum Überlaufen gebracht! Er war durchaus in der Lage selbst für sich zu sorgen und musste nicht Ausgehalten werden!
Sie konnte deutlich an seiner Hand spüren wie sich Jasper immer mehr verkrampfte. Als sie den Kopf hob, taumelte sie erschrocken einen halben Schritt nach hinten. Diesen durchdringenden, hasserfüllten Blick hatte sie erst wenige Stunden zuvor an ihm gesehen. Aber jetzt da er ihr galt, war er umso grausamer zu ertragen.
Und zum ersten Mal verspürte sie in seiner Nähe Angst. Angst vor diesem großen, wütenden Mann, der gerade vor ihr stand. Eine nahezu panische Angst, dass sie einen Fehler gemacht haben könnte und er jetzt gehen würde. Ihretwegen konnte er schreien, fluchen und seine Wut an ihr auslassen. All das wäre absolut nicht schlimm, aber er durfte nur nicht gehen. Nicht deshalb, weil sie ihre neugierige Zunge, nicht im Zaum hatte halten können. Immerhin hatte sie es doch gesehen. Ihre glückliche, liebevolle Zukunft an seiner Seite. Sie hatte doch sogar das blöde, passende Kleid dazu gekauft.
Ihre Finger schlossen sich krampfartig fest um seine, fast so als befürchtete sie er könne ihr weglaufen, wenn sie ihn losließ. Dieser plötzliche Stimmungsumschwung war so unvermittelt erfolgt, davor hatte sie nicht einmal eine Vision warnen können. Und jetzt standen sie hier, kurz davor ihre Reise richtig anzutreten. Kurz davor ein neues, besseres und gemeinsames Leben zu beginnen.
Alice haderte mit sich und ihrer dummen Neugierde in Gedanken. Sie hatte ihm doch angemerkt, dass er wütend war. Wieso hatte sie dann nur ausgerechnet das Thema angeschnitten, von dem sie sich doch hätte denken können, dass es ihm nicht gerade gefallen würde.
Die Antwort war so schlicht wie klar: Weil sie für ihn da sein wollte. Weil sie das untrügliche Gefühl hatte ihm helfen, eine Stütze sein zu können. Wenn sie die Last kannte, die er mit sich herumschleppte, dann würde sie erst wissen was er genau von ihr brauchte um glücklich sein zu können.
Alice sehnte sich so sehr danach, dass sie von Jasper gebraucht wurde, ihm damit näher kam, dass sie ihre Vorsätze kurz vergessen hatte. Er hätte mit diesem Thema anfangen müssen, nicht sie. Natürlich war er jetzt sauer. Natürlich nicht bereit einer, für ihn immer noch, Fremden, seine Seele zu offenbaren. Wie sollte sie das jetzt nur wieder gerade rücken?
In ihrer Verzweiflung tat sie wohl genau das Falsche oder das einzig Richtige, das war schwer zu sagen.
Kapitel 8: Mein Gestern
[i]~ Die Stille hier drinnen war nun so seltsam trügerisch, verhöhnend und verlogen, angesichts des Kraches, der noch vor wenigen Minuten von den steinernen Wänden dieses alten Gewölbes widergehallt war. Er hörte es noch deutlich, die Flüche, das Schreien und letztendlich das schmerzhafte Kreischen. Am Ende war es immer ein ohrenbetäubendes Kreischen, wenn die Einjährigen verstanden weshalb sie in dieser unterirdischen Höhle waren, aus der es nur einen einzigen Ausweg gab. Einen Ausweg und der wurde ausgerechnet von demjenigen versperrt, der über ein Jahr lang immer bei ihnen gewesen war. Sie unterrichtet hatte und geführt.
Er spürte genau wenn die erste Verwirrung der Einjährigen langsam in Verstehen umschlug, dieses Verstehen dann zu Trotz wurde und letztendlich, wenn sie sahen wie ihre Kameraden in den Flammen verzerrt wurden, in nackter Panik mündete.
Dann begann das Gekreische, dass er so abgrundtief hasste. In manchen Nächten erschien es Jasper, dass diese Schreie noch tagelang hier unten zu hören waren. In seinem Kopf blieben sie noch länger.
Jetzt war das sanfte Schattenspiel der Flammen, die langsam und friedlich herunterbrannten, alles was an das Gemetzel erinnerte. Nun das stimmte so nicht ganz. Wenn er bedachte wie ihm das Gesicht schmerzte, ja regelrecht brannte, als sei es mit Säure eingerieben worden, stand es außer Frage, dass er von der heutigen Nacht wieder einige neue Narben davon getragen hatte. Eine bleibende Erinnerung daran was heute geschehen war, wie viele er vernichtet hatte, jetzt wo sie ihren Nutzen eingebüßt hatten. Nicht mehr so stark, nicht mehr so schnell waren und ersetzt wurden.
Er hatte auf dem Weg hier herunter die Neuen gesehen, deren Verwandlung noch im Gange war und die, sollten sie es schaffen zu überleben, in spätestens einem Jahr auch hier unten landen würden bei ihm.
Dann wenn er sie gelehrt haben würde, wie man die Schlacht als Sieger verließ und dann würde es wieder er selbst sein, der am eigenen Leib spürte wie gut er sie doch letztendlich unterrichtet hatte. Aber Jasper selbst hatte schon so viele Kämpfe, so viele Schlachten und Gegner hinter sich, dass alle Mühe doch so sinnlos erschien, gegen ihn bestehen zu wollen.
In dem was er tat, war er der Beste, aber das was er tat, fraß ihn innerlich immer mehr auf.
Schnelle Schritte näherten sich ihm, dass hörte er in der alten Krypta, in der Geräusche scheinbar endlos widerhallten sehr genau. Jasper musste nicht mal aufsehen um zu wissen, wer ihn da wohl besuchen kam. Im nächsten Moment schon hallte eine helle, fast schrille Stimme, die seinen Namen rief, durch die Stille die ihn so eingehüllt hatte. Er reagierte nicht, zog die langen Beine an, nachdem er an einer der Wände langsam und müde zu Boden gesunken war. Seine Stirn lag schwer auf seinen Armen, mit denen er seine Knie umfasst hatte, so dass nur seine blonden Locken im Licht der Flammen fast golden aufschimmerten.
„Jasper!“ jetzt war die Stimme näher und eindeutig aggressiver, wie er feststellte. Um die Besitzerin nicht noch mehr zu reizen, was im Endeffekt nicht mal einen Unterschied bringen durfte, antwortete er schließlich leise.
„Was ist?“
Energisch kamen die Schritte näher und er spürte förmlich die Frustration und den blanken Hass der damit einherging. Er musste daran denken wie sich manche Dinge doch wandeln konnten. Früher, ja früher hatte er in der Frau, die nun auf ihn zustürmte, Begehren gefunden, Stolz und Achtung. Nun empfand sie nur noch Verachtung und Abscheu wann immer sie ihn ansah. Was letztendlich dazu geführt hatte, dass sie ihn nur noch dann aufzusuchen pflegte, wenn es sich wirklich nicht mehr vermeiden ließ.
Jasper wusste um seinen Nutzen, war dieser es doch, dem er es verdanken hatte nicht auch schon längst beseitigt worden zu sein, wie die Einjährigen, die er selbst vor wenigen Minuten vernichtet hatte.
Etwa drei Meter vor ihm kam die Frau zum Stehen und sah verachtend auf den Mann hinab, der am Boden kauerte.
„Ist das dein Dank dafür, dass ich dir dieses Leben geschenkt haben?“ forderte sie zu erfahren. Zutiefst enttäuscht und erzürnt über das, was sie vor wenigen Minuten hatte erfahren müssen.
„Dank?“ fragte Jasper leise nach, ehe er den Kopf hob und mit dem verächtlichen Blick seiner Schöpferin Maria konfrontiert wurde. Neue Wunden klafften in seinem ehemals schönen Gesicht. Das Gift, das in diesen Wunden wütete hatte sein Gesicht anschwellen lassen. Die Schwellung ging bald vorbei, die dadurch entstehenden Schmerzen würden noch einige Tage zu spüren sein, aber die Narben, ja diese würden auf ewig bleiben. Vampirbisse, das Einzige, was ihm noch wirklichen körperlichen Schmerz bereiten konnte.
„Ich denke wir sind uns einig, das ich jegliche, etwaige Schuld mehr als beglichen habe, nicht wahr?!“ fügte er kalt an.
Maria wich bei seinem Anblick nicht zurück, dieses Mal zumindest nicht. Auch wenn sie kurz davor gewesen war. Er war einst ein schöner menschlicher Mann gewesen, damals als sie ihn gefunden hatte. Nach seiner Verwandlung jedoch, hatte sie sich nicht satt sehen können an ihm. Die blonden Engelslocken und der glutrote Blick hatten ihm etwas Erotisches und Dämonisches verliehen. Als sich letztendlich gezeigt hatte, dass ihr Jasper nicht nur ein mehr als brauchbarer und ehrgeiziger Krieger war, sondern auch einer der wenigen ihrer Art, die mit einem besonderen Talent bedacht waren, war sie entzückt gewesen. Hatte ihn gehegt, gelobt und mehr als großzügig belohnt.
Nach und nach waren die ersten Spuren des Kampfes an ihm zu sehen gewesen, die vereinzelten Narben hatte in ihren Augen seine Erscheinung abgerundet, die erregende Gefahr, die von diesem Mann ausging unterstrichen.
Heute jedoch war davon nichts mehr zu erkennen. Er war entstellt und unansehnlich geworden. Und schwach, was am Schlimmsten war. Nichts mehr mit dem stolzen Krieger, nein vor ihr kauerte ein geschlagener Hund, der nur noch dazu zu gebrauchen war, hinter ihr aufzuräumen. Doch war er nichtsdestotrotz ihr gegenüber loyal geblieben, deswegen hatte sie davon abgesehen ihn zu vernichten. Zumindest hatte sie bisher gedacht er stünde hinter ihr und ihren Worten.
„Du hast es lediglich geschafft“, erwiderte Maria herablassend und unbeeindruckt, „dich auch äußerlich in ein Monstrum zu verwandeln Jasper. Doch das ist ausschließlich dein Problem und nicht das meine.“
Ein kalter Glanz war in ihren Augen zu erkennen, als sie fort fuhr: „Jammere soviel du willst, aber glaube mir, niemanden interessiert sich dafür was mit dir ist.“
Sie ging vor ihm in die Hocke und strich fast liebevoll mit den Fingerspitzen über die Narbe an seiner linken Braue, die Erste, mit der er aus einem Kampf Heim gekommen war.
„Damals hatte das meinen Soldaten sehr verwegen aussehen lassen.“ erinnerte sich Maria mit lieblicher Stimme und strich über einige der anderen Narben in seinem Gesicht langsam seine Wange hinab. „Ich habe dich damals sehr gerne angesehen und berührt, aber nun ist es kaum zu ertragen, ohne das es mich schaudert.“ Ihre kalten Finger ruhten nun auf den neuen, pochenden Wunden an seinem Jochbein.
„Wo ist Peter, Jasper?“
Die Antwort auf diese Frage kannte sie bereits, dass wusste er nur zu gut. Sie war aus keinem anderen Grund hier unten als dem.
Peter, ein anderer Vampir, der Jasper im Laufe der Jahre ein sehr guter Freund geworden war. Freundschaft war in dieser Welt etwas sehr kostbares und so war der braunhaarige Vampir für Jasper eine sehr wichtige Stütze gewesen. Als sich dieser verliebt hatte, hatte sich Jasper für ihn gefreut.
Es war schön gewesen zu beobachten wie glücklich und fröhlich der Andere gewesen war, wenn diese Neugeborene bei ihm war. Es war bestürzend gewesen zu sehen, wie er sich gegen Jasper gestellt hatte, als jene Frau mit in die Krypta sollte um vernichtet zu werden.
Peter war ein Freund, der ihn zuvor nie um etwas gebeten hatte. Und nun flehte er verzweifelte um das Leben einer Frau und war bereit sich dafür gegen ihn zu stellen, wohl wissend, dass dies seinem Todesurteil gleich käme. Aber es war anders gekommen.
„Ich habe ihn gehen lassen – zusammen mit der Frau.“ beantwortete Jasper die Frage ehrlich und innerlich bereit die ihm dafür zugedachte Strafe klaglos über sich ergehen zu lassen. Jasper fühlte sich müde und geschlaucht, das Gift zerrte an seinem Geist und brannte lichterloh in seinem Leib, die Qualen der Vernichteten fand in seiner dunklen Seele ein bitteres Echo, als es sich zu dem Wehgesang all der Anderen, die er bisher getötet hatte, gesellte. Ihm fehlte die Energie sich gegen das zu wehren, was in seinem Inneren vorging und ebenso gegen das, was nun kommen mochte. Etwas, dass Maria wusste, sah sie ihn immerhin nicht zum ersten Mal in dieser wenig ruhmvollen Verfassung.
Jasper beobachtete nun wie Maria wutentbrannt die Augen verengte, ehe sie ihm mit ihren Nägeln tief über die frischen Narben fuhr, die Wunden vergrößerte und dem Gift mehr Platz gab zu wüten und zu quälen. Vor Pein gebeutelt schrie er auf.
Aber damit war Maria nicht zufrieden. Diese Frau war nie wirklich mit dem Erreichten zufrieden. Diesen Ungehorsam würde Jasper ihr noch teuer zu stehen bekommen.
Ein kleiner Fingerzeig von ihr genügte damit sich drei kräftige Männer aus den Schatten zu lösen schienen und sich ihnen langsam näherten. Jasper kannte diese drei, seine talentiertesten Schüler, alle darauf ausgebildet Schmerzen zu bereiten, bis man die eigene Vernichtung herbei sehnte. Die Drei, die sich um die Beseitigung kümmerten wenn er selbst nicht zugegen war, oder – in den Augen seiner Schöpferin - nicht brutal genug vorging.
Jasper sah den Männer entgegen und schloss nur kurz, einen winzigen Moment, die Augen. Ihm würden sehr, sehr lange Stunden bevorstehen, soviel war sicher. Da einer der Männer im Laufe der Zeit gegen Jaspers Talent unempfindlich geworden war, bestand auch keine Chance für den blonden Vampir, es sich in welcher Form auch immer leichter zu machen.
„Ich werde dich lehren meinen Befehlen zuwider zu handeln und mich der Lächerlichkeit preiszugeben. In den kommenden fünf Tagen wirst du genug Gelegenheit haben darüber nachzudenken.“ verkündete Maria dann hoheitsvoll, ohne ein Anzeichen eines Gefühls und strich sich beim Aufstehen den roten Seidenrock glatt den sie trug.
Ohne noch einen Blick auf Jasper zu verschwenden, drehte sie ihm den Rücken zu und wandte sich dann noch, ehe sie ging, an einen der Männer: „Sorg dafür das ich seine Schreie in meinen Räumen noch hören kann.“ ~[/i]
Kapitel 9: Mein Heute
Glutrote Augen starrten sie hasserfüllt an, und doch wurde Alice das Gefühl nicht los, dass er durch sie hindurch sah. Als sie ihre zierliche Hand hob und ihm mit den Fingerspitzen zärtlich über diese eine so neckende Narbe an seiner Braue strich, knurrte er drohend. Die Schwarzhaarige schluckte kurz, ehe sie wieder lächelte und sanft seine Wange hinab strich. Ihre Fingerkuppen prickelten regelrecht, während sie über seine Haut fuhr. Straffe Haut, die an den Narben kratzig rau wurde und sonst doch weicher war.
Alice vergaß in diesem Moment alles um sich herum, folgte mit ihrem Blick ganz fasziniert ihren Fingern, die neugierig weiter dabei waren sein Gesicht zu erkunden.
Die geschwungenen Brauen, die gerade Nase und die festen Lippen seines Mundes, all diese Dinge waren für Alice so wunderbar neu und aufregend. Sie hatte ihn beruhigen wollen, etwas besänftigen mit ihrem Streicheln, doch dieser ach so edel anmutende Gedanke war vollkommen vergessen. Weggewaschen von dem Prickeln ihrer Finger und diesem seltsamen Gefühl in ihrem Magen, dass alles war so unfassbar faszinierend.
Jasper spürte wie eine seltsame Ruhe begann die Wut in seinem Inneren zu besänftigen. Stattdessen machten sich Neugierde und romantische Anwandlungen breit. Ein Blick in die Augen der kleinen Frau, klärte diese Veränderung recht schnell.
Sie war es!
Ihre Emotionen, die durch den erzeugten Körperkontakt leicht und ungehindert in sein Bewusstsein sickerten. Dort vertrieben sie die Schatten der Vergangenheit in den hintersten Winkel seines Geistes, als er mit Wärme und Hoffnung erfüllt wurde. Hoffnung, mit diesem so schwachen Schein in dem Farbkasten der Gefühle. Es war doch unfassbar was für einen Unterschied es machte, ob es diesen Schein gab oder nicht.
Aber nun, als er nicht mehr alles durch den Schleier der Wut wahrnahm, bekam er noch einiges mehr mit.
Angst. Da war soviel Angst in ihr. Jasper war verblüfft wie tief dieses so lähmende Gefühl in dieser lebensfrohen Person verankert sein konnte. Hatte er sie so erschreckt?
Gut, er bestritt ja nicht, dass man vor ihm berechtigte Angst haben konnte. Bei Weitem nicht, aber das es fast schon in offener Panik mündete? Nein er war gut, aber ohne mentale Nachhilfe konnte er nicht [i]so[/i] einschüchternd sein. Es musste einen anderen Ursprung dafür geben.
Er neigte seinen Kopf ein wenig zur Seite und drang behutsam tiefer in ihre wirbelten Emotionen vor. Im Kern ihres Wesens traf er wieder diese Angst, fest umschlungen von einem der hässlichsten Gefühle überhaupt: Einsamkeit.
Dieses Gefühl war Jasper sehr gut bekannt. Doch er fürchtete die Einsamkeit nicht, haderte dann und wann mal mit ihr, aber nahm sie sonst klaglos an. Dieser kleine Kobold jedoch nicht, sie litt darunter. Das hatte er der Bar schon bemerkt, aber nun verstand er erst, wie tief das wirklich ging.
Ihre Angst war nicht die Angst vor ihm, sondern wohl eher davor, was ohne ihn wäre.
„Ich werde nicht gehen.“ hörte er sich selbst sagen.
Alice, die ganz in ihrem Streicheln und erkunden versunken war, hatte gar nicht mitbekommen, dass Jasper schon seit einer Weile aufgehört hatte zu knurren. Als sie nun in seine Augen sah, war der hasserfüllte Ausdruck in ihnen verschwunden.
„Was?“ fragte sie verwirrt nach.
„Ich habe Ihnen mein Wort gegeben.“ fuhr er leise fort. „Es gibt keinen Grund zu befürchten, dass ich Sie ohne weiteres im Stich lasse. Ich werde bleiben, egal was ist, bis ich Sie bei Ihrer Familie weiß, Ma'am. Das hatte ich versprochen und daran halte ich mich. Es sei denn, Sie schicken mich eher weg!“
Große, goldene Augen sahen ihn an. Ungläubig erst und dann, wenn er es mit einem Wort hätte beschreiben müssen, dankbar. Im nächsten Moment hatte sie schon ihre Arme um ihn geschlungen, hielt ihn fest, während sie den Kopf an seiner Brust vergraben hatte. Nach Geborgenheit suchte und dabei schamlos die Gelegenheit nutzte, seinen Geruch tief in die eigenen Lungen einzusaugen.
„Niemals.“ wisperte sie leise in das Leder.
Jasper meinte ein leichtes Beben im Körper des Mädchens zu spüren, aber war sich nicht vollkommen sicher. Er hatte unerwartete mit einem ganz anderen Problem zu kämpfen.
Etwas unbeholfen und sichtlich überfordert tätschelte er Alice die Schulter. Als wäre es nicht schon schlimm genug ihren Geruch in der Nase zu haben, ihre Stimme zu hören, hatte er nun auch noch einen eindeutig weiblichen Körper so nah an dem Seinen, wie schon seit Jahren nicht mehr.
„Du bist also nicht mehr böse?“ nuschelte es leise aus seinem Mantel.
Er schloss kurz die Augen ehe er antwortete: „Nein Ma'am. Das war ich auch nicht, nicht direkt zumindest. Ich verliere nur zu schnell die Beherrschung, wenn ich an Dinge erinnert werde, die ich mühsam zu vergessen versuche.“
Er war nicht wütend auf sie gewesen, wie könnte er auch? Nein auf sich, aber das war schon ein derartiger Dauerzustand, dass Jasper selbst ihm keine Beachtung mehr schenkte. Es war so schon schwer genug, seiner Ansicht nach.
Jasper spürte das Nicken mehr, als das er es sehen konnte. Ihr Griff wurde eine Spur lockerer, aber sie machte keinerlei Anstalten loszulassen. „Ja“, schniefte es leise von unten, „ich verliere auch gerne die Beherrschung. Besonders bei Schuhen.“
Nein, er war Mann genug um erst gar nicht zu versuchen, das jetzt verstehen zu wollen. „A-ha.“
„Du Jasper? Kannst du mich in den Arm nehmen? Nur zwei Minuten lang, bitte.“
Eine Antwort bekam sie auf ihre Bitte nicht, aber nur einpaar kurze Momente später, spürte sie, wie zwei kräftige Arme sich behutsam um ihre Schultern legten.
Alice musste lächeln als sie spürte, dass Jasper alles andere als entspannt war dabei. Kerzengerader Rücken, starre Haltung, aber das war ihr einerlei. Er tat ihr den Gefallen, dass war das Entscheidende, auch wenn es ein wenig liebevoller hätte sein können. Kleine Schritte, mahnte sie sich, es würden kleine Schritte sein, die sie zueinander führten. Das eben war ihr eine Warnung gewesen, nicht zu viel von ihm zu verlangen.
Dankbar zu sein, für das was er zuließ.
„Jasper?“ meinte sie nach einer Weile. Die zwei Minuten waren schon vor einer Weile verstrichen, aber er rührte sich nicht. Alice wäre schön blöd, wenn sie ihn, von sich aus, darauf aufmerksam machen würde, also ließ sie es. Kuschelte sich viel lieber in die warme Umarmung, die er ihr schenkte.
„Ja?“ meinte er als sie nicht fort fuhr.
„Würde es dich stören, wenn ich dich Jazz nenne?“ wollte sie wissen.
„Ich wüsste nicht, was mich daran stören sollte.“ meinte er dann langsam.
„Nennst du mich im Gegenzug dann Alice?“ hakte sie nach.
„Nein.“
„Bist du sicher?“
„Oh ja.“
Überrascht blickte sie auf, als sie einen noch unbekannten Tonfall an ihm hörte. Sie sah ihn forschend ins Gesicht und bemerkte die Ursache dafür: Er lächelte sie an. Leicht und schmal, aber eindeutig ein Lächeln.
Jasper konnte regelrecht dabei zusehen, wie sie nun anfing zu strahlen. Es begann an den Augen, deren goldener Farbton eine Nuance dunkler wurde. Fächerte sich langsam über ihr ganzes Gesicht aus, am deutlichsten an den gehobenen Mundwinkeln zu erkennen. Je mehr ihre Mundwinkel nach oben wanderten, desto intensiver wurde das Sonnenlicht, das sie aussandte. Er konnte sich nicht daran satt sehen.
„Du bist ganz schön stur, Jazz.“ meinte Alice sanft.
„Ich bin Texaner Ma'am.“
Ein leises Lachen erklang in seinen Ohren. „Sind alle Texaner stur?“ wollte sie, neugierig wie sie war, von ihm wissen.
„Das wird uns zumindest nachgesagt ja.“ gab er zu.
Er war zufrieden mit sich. Er hatte die Angst aus ihrem Geist vertrieben, Ruhe und Unbeschwertheit zurück gebracht und bekam ganz selbstverständlich seine wärmende Sonne von ihr zurück, gepaart mit diesem liebevollen Lachen, dass ihr eigen war.
Später irgendwann würde er darüber nachdenken, weshalb ihm das so wichtig gewesen war. Weshalb es ihm so wichtig war, dass er darüber seine eigene Wut vergessen hatte.
„Jasper?“ begann sie dann erneut.
Er konnte nicht anders, er musste einfach schmunzeln. „Ja?“
„Woher wusstest du es?“ wollte sie dann leise wissen. Kuschelte sich wieder an ihn, damit er sich im Zweifelsfall nicht so schnell von ihr würde losreißen können.
„Es?“
„Das ich Angst hatte, du würdest ohne mich weiterziehen.“ präzisierte sie leise.
„Ich... hab gut geraten?“ schlug er dann vor.
„Jasper.“
Er seufzte kurz. „Es ist kompliziert zu erklären.“
„Es wäre sehr, sehr lieb, wenn du es dennoch versuchen würdest.“ bat sie ihn.
Das Seufzen, das darauf folgte, war etwas länger als das davor, wie ihr nicht entging.
Er löste seine Arme von ihr, um sich damit durch die Haare zu fahren, während er nach den richtigen Worten suchte.
„Nun gut.“ meinte er und begann etwas auf und ab zu gehen.
Alice setzte sich auf den größeren Koffer, die Hände artig im Schoß gefaltet. und wartete.
„Es ist...“, setzte er dann vorsichtig an, „im Grunde wie ein zusätzlicher Sinn. Man nimmt Formen und Farben über die Augen war, Gerüche und Geschmäcker über Nase und Zunge und Töne über die Ohren. Tja und ich nehme auf ähnliche Art und Weise Emotionen über - was auch immer – wahr.“ Er sah zögerlich auf Alice und beobachtete ihre Reaktion. Das diese nicht so ausfiel wie erwartet, war für diese Frau sicher charakteristisch. Denn es war nur Begeisterung erkennbar.
„Dann weißt du immer wann ich was und weshalb fühle?“ fasste Alice zusammen.
„Nein.“
„Nein?“
„Nein, dieses 'weshalb' ist subjektive Spekulation meinerseits. Ich nehme wahr was Sie fühlen, spüre wie das Gefühl sich ändert. Aber ich habe keine Ahnung woher genau das kommt, wer oder was Auslöser ist dafür. Aber es ist nicht nur ein Gefühl, dass jemand in einem Moment hat. Es ist meist eine bunte Mischung, aus der ich versuche meine Schlüsse zu ziehen. Mal mehr, mal weniger erfolgreich.“
„So eine Gabe ist faszinierend.“ meinte Alice beeindruckt.
„Nein.“
„Schon wieder nein?“ schmunzelte die schwarzhaarige Frau.
„Für sich genommen vielleicht.“ schränkte er sein Nein etwas ein. „Aber jetzt wird das Ganze kompliziert.“
„A-ha“ brummte sie neugierig. Das sie ihn etwas imitierte bemerkte er nicht einmal.
„Ja. Gefühle die mir nicht passen, kann ich ändern.“ So jetzt war es raus. Jetzt konnte sie in Panik verfallen wenn sie wollte.
„Und?“ hakte sie nach.
„Was und?“ Er teilte ihr gerade mit, dass er sie quasi zu allem bringen konnte wenn er wollte, und alles was sie dazu sagte war ein 'und'?
„Und wo ist das Komplizierte daran? Du kannst Emotionen beeinflussen. Ich habe davon mal gelesen. Sehr charismatische Menschen sind angeblich jene, mit einer emphatischen Neigung. In deinem Fall einer sehr ausgeprägten Neigung.“
Tja und wenn er diese Neigung jetzt mal an sich selbst nutzte, konnte er feststellen, dass er beleidigt war.
Er hatte mit allem gerechnet. Das sie verschreckt wäre, beeindruckt oder sprachlos. Aber das sie seine Gabe regelrecht mit einem Schulterzucken abtat, traf ihn dann doch schon ein wenig.
„Oh.“ meinte Alice dann und sah ihm forschend ins Gesicht.
„Was oh?“ Immer diese einsilbigen Aussagen, dachte er trotzig.
„Das funktioniert in beide Richtungen, nicht wahr?“ fragte sie leise. Erntete dafür einen fassungslosen Blick von ihm. Gut, dass schaffte sie selten bei ihm.
„Ich habe dich einmal in einer Vision nach der Jagd gesehen Jasper. Miterleben müssen wie es dir danach ging.“
Sie stand auf und trat zu ihm, nahm seine Hände in die Ihren.
„Deine Gabe ist der Grund, weswegen du auf diese Art auf Menschenblut reagierst, hab ich Recht. Es ist nicht das Blut selbst wie ich dachte, es ist der Mensch dazu.“
„Nein.“ meinte er unbehaglich. „Es ist das Sterben des Menschen. Ich werde ihren Tod immer schwerer los
Kapitel 10: Mein Versprechen
„Fühle alles, was sie fühlen. Jedes Mal wieder.“ ergänzte der blonde Vampir leise. Ehe er beschämt den Blick abwandte und ohne ein weiteres Wort nach dem Koffer greifen wollte. Es war nicht nur erbärmlich, nein, es war einfach lächerlich, sich derart die Blöße zu geben, genauer solch eine Blöße zu besitzen. Als Vampir, als Raubtier, welches er doch eigentlich war und sein sollte. Ja, er, befand Jasper für sich, er war lächerlich.
Es war einer dieser besonderen Momente, in denen mit einem Mal alles völlig klar erschein, was zuvor noch im Nebel gelegen hatte. Klar, unverfälscht und so offensichtlich, dass Alice sich fragen musste, warum ihr das nicht schon soviel früher aufgefallen war.
Sie hatte in ihren Visionen ihre Zukunft an seiner Seite gesehen, gemeint zu verstehen, dass sie von ihm gebraucht wurde, so wie sie wusste, ihn zu brauchen. Aber sie hatte ja keine Vorstellung gehabt, wie sehr dieser Mann vor ihr, sie nötig hatte.
Was sie ihm alles geben konnte und wie gerne sie das täte.
Er konnte das alles natürlich noch nicht wissen, aber das sie es nicht gesehen, nicht sofort verstanden hatte, war einfach eine unnötige Zeitverschwendung. Aber gut, dass konnte sie wieder gut machen.
Mit zwei schnellen Schritten stand Alice vor Jasper und legte behutsam ihre Hände an seine vernarbten Wangen, um ihm fest und überzeugt in die Augen blicken zu können.
„Jasper,“ begann sie dann sanft, „so musst du niemals wieder sein.“
Sanft strich sie mit ihren Daumen über seine Haut, als sie in seinen Augen erkannte, dass er wieder wütend zu werden begann. Aber dieses Mal ließe sie sich nicht einschüchtern. Niemals mehr wieder.
Voller Selbstvertrauen redete sie weiter, ehe er sie davon abhalten konnte, stellte sie sich auf ihre Zehenspitzen, so dass sie nah an seinen Lippen hauchen konnte: „Heute ist der erste Tag eines neuen Lebens Jasper. Ein neuer Weg, ein besserer Weg, dass verspreche ich dir.“
Und da sie ihm schon so nahe war, konnte sie nicht widerstehen und hauchte ihm einen leichten Kuss auf den Mund.
Was tat sie da, was in aller Welt [i]tat sie da nur[/i]?
Regungslos und irritiert sah er fragend auf das kleine Frauenzimmer hinab. Sie hatte ihn geküsst. Ihn!
Er ballte seine Hände fest zu Fäusten, als er den Drang niederkämpfte, den kleinen Kobold zu packen, und sich zu holen, was sein Körper schmerzlich zu wollen begann. Mit einem leidenschaftlichen Kuss würde es beginnen, und mit noch sehr viel mehr enden, wenn er jetzt die Beherrschung verlor. Das war ihm klar.
Ihr weh zu tun, wie sollte er das erlauben können?
„Was soll das?“ murmelte er nur.
Alice lachte ihn sanft an und biss sich, von der eigenen Forschheit etwas überrascht, auf die Unterlippe.
„Ich möchte das du mir zuhörst, richtig zuhörst.“ bat sie lächelnd.
„Du willst mir noch nicht erzählen, wer du bist, was du alles durchgestanden hast bisher. Das ist in Ordnung, ich kann warten, Jasper.“
„Warum?“
„Warum?“ wiederholte die leise. „Weil ich es schon gewohnt bin mit dir. Ich hab sehr oft in dieser Bar gesessen, die Türe angestarrt und so viele Tage vergeblich gewartet, dass du endlich da hindurch zu mir kommen würdest. Das mein Leben endlich losgehen würde. Immer mit der Furcht im Hinterkopf, dass dieser Tag niemals käme.
Doch jetzt...
Jetzt kann ich mit dir reden. Weißt du eigentlich wie glücklich mich alleine schon diese Tatsache schon macht?!“
Er wusste es, was nicht gerade dazu führte, dass er es verstand.
„Was, wenn Sie sich irren, was mich betrifft?!“
„Was, wenn ich das nicht tue?“ hielt sie lächelnd dagegen.
Vergnügt drückte sie ihm den Koffer wieder in die Hand, ehe sie sich unterhakte. Ach, daran würde sie sich liebend gerne gewöhnen, so mit ihm durch die Gegend zu flanieren. Wie schön.
„Du musst mir nur eine Chance geben Jasper. Eine Chance, um dir zu beweisen, dass ich Recht habe.“
Texte: Dieses Buch wurde von Donna auf www.fanfiktion.de veröffentlicht. (Hier gehrs zu Original: http://www.fanfiktion.de/s/4a6c4b7c0000f5ea06705dc0)
Tag der Veröffentlichung: 10.11.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich habe diese Geschichte auf einer Internetseite enddeckt und dachte mir das sie so gut sei, dass man sie dam Rest der Welt nicht vorenthalten durfte.