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Falsche Spiele

In Wiede, einem kleinen Ort zwischen dem Wiede-See und dem Wiede-Wald gab es einen großen Schlosspark. Er begann unmittelbar hinter der Alten Försterei und reichte in nördlicher Richtung bis zum Mühlgraben. In diesem Park lebten viele Waldtiere meistens friedlich nebeneinander. Nur die Marderbande störte hin und wieder die Idylle. Ihr Hauptmann "Klette" war ein Tunichtgut, der es besonders auf Eichhörnchen abgesehen hatte. Die Bande plünderte nachts ihre Kobel sowie ihre Verstecke und fraßen alles, was die Eichhörnchen im Herbst an verschiedenen Orten als Wintervorrat versteckten. Das waren vor allem Hasel- und Walnüsse, Fichtensamen, Bucheckern und Sonnenblumenkerne. Leider vergaßen die Eichhörnchen oft, wo sie den Vorrat versteckt hatten. Ihr Hauptmann hieß "Buschel". Das war ein cleveres Kerlchen. Er notierte sich die Stellen.

 

Klette hatte allerdings einmal Buschels Karte aus seinem Kobel gestohlen, auf der die Verstecke eingezeichnet waren. Buschel wäre über den Winter fast verhungert, hätten nicht alle Eichhörnchen von ihren Wintervorräten ihm etwas abgegeben. Der weise Uhu regte daraufhin einen olympischen Weitsprung-Wettbewerb zwischen den Eichhörnchen und den Mardern an. Er war der Meinung, dass der sportliche Wettkampf alle Bewohner des Parkes besser vereinen würde. Als Preis sollten die Gewinner ein ganzes Jahr in Ruhe gelassen werden. Alle stimmten zu, auch die Marder, obwohl sie bei der Abstimmung nur zögernd ihre Pfoten hoben. Die Eichhörnchen aber waren sich ihres Sieges sicher, denn sie konnten von Natur aus weiter springen, als ihre dickeren Kontrahenten. Aber sie verloren letztes Jahr trotzdem den Weitsprung-Wettkampf, weil die schlitzohrigen Marder sie betrogen hatten. Sie klopften sich bei der Siegerehrung lachend auf ihre Schenkel. Der Betrug kam erst ein paar Tage später heraus. Die Marder hatten die offizielle, vom Uhu bestätigte, Messlatte gegen eine kürzere heimlich ausgetauscht, auf dem die Maß-Striche viel enger zusammenstanden und damit eine größere Weite vorgetäuscht werden konnte.

 

Nachdem der Betrug entdeckt wurde, freuten sich natürlich die Eichhörnchen und alle anderen Tiere. Den Mardern wurde der 1. Platz aberkannt. Sie standen da, wie begossene Pudel, während die Taube Tapsi den Freudengesang der Vögel dirigierte. Die Marder hörten zerknirscht zu. Sie hielten sich aber an die Regeln. Im Park zog Ruhe ein, die bis jetzt gehalten hatte. Die Eichhörnchen brauchten ein ganzes Jahr keine Angst vor ihren größten Widersachern zu haben. Freunde wurden sie zwar nicht, aber man ging sich aus dem Weg.

 

Inzwischen kamen Grauhörnchen aus Übersee und zogen im Park ein. Warum sie aus ihrem Land hierher kamen, wusste niemand so genau. Eines Tages waren sie einfach da und machten sich im Park breit. Sie brachten allerdings nichts Gutes mit, sondern schlimme Viren, die den Eichhörnchen schaden konnten. Kamen die Eichhörnchen ihnen zu nah, steckten sie sich an und wurden schwerkrank. Den Grauhörnchen selbst und den Mardern konnten die Viren aber nichts anhaben. Nun war es aber so, dass die Eichhörnchen und die Grauhörnchen von den Mardern gleichermaßen gejagt wurden. Sie mussten aber nun die Eichhörnchen verschonen, weil diese den letzten Wettkampf gewonnen hatten. Die Grauhörnchen konnten allerdings auch so weit springen, wie die Eichhörnchen, nämlich bis zu 5 Metern. Die Marder hingegen schafften nur 2 Meter.

 

Doch nun war das Jahr vorbei und Klette mit seiner Bande wieder zu Schandtaten bereit. Dazu mussten sie aber den neuen Wettkampf gewinnen, den der Uhu in Abstimmung mit seinem Olympia-Komitee bereits wieder ausgerufen hatte. Die Plakate dazu hingen schon seit 4 Wochen an den dicksten Baumstämmen. Neben dem Weitspringen sollte eventuell der Kunstsegelflug als zweite Disziplin eingeführt werden.

 

Seit vier Wochen trainierten bereits alle Teams an geheimen Orten und versuchten, die Trainings-Orte und Methoden der anderen zu erkunden. Besonders intensiv trainierte das Team der Marder unter dem unerbittlichen Klette. Der Mardermannschaft stand der Schweiß auf der Stirn. Nur mühsam kam der Beste unter ihnen an die 3 Metermarke heran. Die anderen maulten wegen der Anstrengung und des fehlenden Trainings-Erfolges. Der Druck, den Klette ausübte, war ihnen auch zuviel. Zudem drängte die Zeit. Eines stand fest: Sie mussten dieses Mal gewinnen, wiederholte Klette gebetsmäßig. Beim Ansehen der Grauhörnchen lief ihm schon das Wasser im Maul zusammen. Nicht auszudenken, wenn die gewinnen würden.

 

Die grauen Hörnchen trainierten dagegen nicht so intensiv. Sie waren von ihrem Sieg überzeugt und sich sicher, dass die Marder ihnen bis zur nächsten „Olympiade" nichts antun würden. Ihre Viren würden zudem die Eichhörnchen in die Bedeutungslosigkeit treiben. Von denen würde also keine Gefahr drohen.

 

Marder Klette hatte ganz andere Sorgen. Es gelang ihm zwar, die Trainingsorte der anderen herauszufinden, dort zu spionieren und sich Notizen zu machen. Jedoch gelang es ihm nicht, damit die Sprungweiten seiner Mannschaft maßgeblich zu erhöhen. Tag und Nacht grübelte er darüber nach, wie sie den Wettkampf mit den Eichhörnchen trotzdem gewinnen konnten. Und dann kam ihm die rettende Idee. Er brach das Training seines Teams ab und machte es mit seinem Plan bekannt. Dessen Umsetzung erforderte absolutes Stillschweigen und ein schnelles Handeln.

 

Die Mannschaft war von Klettes Plan begeistert. Der musste noch verfeinert und absolut sicher gemacht werden, wobei die Marder zunächst ihre "Frauen" überzeugen mussten, das Wichtigste schnell und gut zu machen. Klette nahm inzwischen Kontakt mit den Grauhörnchen auf und konnte drei für seinen Plan gewinnen, indem er ihnen versprach, im Falle eines Sieges der Marder über die Eichhörnchen, auch die Grauhörnchen für ein Jahr zu verschonen. Sie müssten eben nur den Mardern beim Wettkampf zum Siege verhelfen.

 

Nachdem Marder Klette das alles eingefädelt hatte, begann tags darauf ein emsiges Treiben der Marderfrauen gemeinsam mit den drei gewonnenen Grauhörnchen an einem geheimen Ort. Das Treiben setzte sich an den weiteren Tagen bis zum Wettkampf unbemerkt fort.

 

Die anderen Parkbewohner hatten inzwischen die Sprungwiese abgesteckt, den Startblock in die Erde gerammt, die Girlanden gezogen und die Zuschauerbereiche markiert. Die Taube Tapsi hatte für den Vogelchor einen günstigen Baum an einem akustisch günstigen Ort ausgesucht. Die Katze Christa aus dem Schloss führte nichts Gutes im Schild. Sie schlich neugierig umher, wurde aber vom Uhu des Platzes verwiesen. Frau Elster flog aufgeregt schnatternd von Baum zu Baum, weil sie nicht eingeweiht wurde. Sie stritt sich lauthals mit dem Fuchs, der die Wettkampf-Vorbereitungen und später den Wettkampf fotografieren wollte. Der Iltis Sägebrecht hatte mit wichtigen Hinweisschildern zu tun. Er stellte sie an den betreffenden Stellen auf oder steckte sie fest in die Erde. Ordnung musste sein!

 

Am Tage des Wettkampfes verscheuchte die aufgehende Sonne die dunklen Nachtwolken. Der blanke Himmel versprach einen guten Tag. Gegen 9 Uhr schlenderten, flogen, hüpften, tapsten oder krochen die ersten Zuschauer zur geschmückten Wettkampf-Wiese.

 

Eine halbe Stunde später hob Taube Tapsi ihren Dirigenten-Stab vor dem Konzertbaum, auf dem alle Mitwirkenden und einige andere Baumbewohner wohlgeordnet nach Stimmenlage Platz genommen hatten. Das Eröffnungskonzert der Parkspiele begann. Drei Mannschaften hatten sich für den Weitsprung eintragen lassen. Jede Mannschaft bestand aus einem Leiter und drei Sportlern. Die Mannschaften kämpften nacheinander. Jeder Sportler hatte drei Sprünge. Am Schluss wurden innerhalb der Mannschaft alle erreichten Weiten zusammengezählt und damit die Plätze ermittelt. Die Mardermannschaft wurde von Klette angeführt. Klops, Kuno und Kalle traten an. Die Eichhörnchen führte Buschel an. Seine Kämpfer waren Bernd, Bruno und Bogomil. Der Mannschaftsleiter der Grauhörnchen hieß Gary. Die anderen, Gore, Gregory und Gabe waren die Springer.

 

Im Augenblick fehlte die Mannschaft der Grauhörnchen aber noch. Niemand kannte den Grund für diese Verzögerung. Darum legte der Uhu fest, dass die Eichhörnchen zuerst springen sollten. Das wurde von allen Zuschauern freudig begrüßt. Zuerst sprang Bernd. Er lief locker zum Startblock, machte noch eine Dehnungsübung, hockte sich konzentriert hin und sprang beim Startschuss weit vor. Bis zum Absprung erhöhte sich sein Lauf-Tempo erheblich. Dann schnellte er hoch, brachte in der Luft die Hinterpfoten nach vorn und landete nach genau 5 Metern. Sein zweiter Sprung war ebenfalls soweit und beim dritten erreichte er 4,50 Meter und damit 14,5 Wertungspunkte ohne Abzüge.

 

Der zweite Springer, Bruno, kam auf 14 Punkte und der dritte, Bogomil, auf 15,5. Damit hatten die Eichhörnchen 44 Punkte vorgelegt. Ein langanhaltender Beifall mit freudigen Zurufen belohnten die Leistungen der Eichhörnchen.

 

Da die Mannschaft der Grauhörnchen immer noch fehlte, wurde nun die Mannschaft der Marder an den Start gerufen. Klette führte die drei Springer zum Startblock. Die Zuschauer klatschten höflich-dezent, wussten sie doch, dass Marder trotz intensivstem Training kaum Chancen hatten, ähnliche Weiten zu erreichen. Aber ihr Trainer Klette musste wohl besondere Methoden angewandt haben, denn seine Mannschaft kam überraschenderweise auf 44,5 Punkte. Die Bekanntgabe des Ergebnisses wirkte auf die Zuschauer wie ein Hammer. In den Gesichtern der Eichhörnchen sah man Enttäuschung und Tränen. Wie war das möglich? Die Marder sonnten sich in ihrem Erfolg und führten Freudentänze aus. Dann verschwand die Mannschaft, um sich angeblich zu erfrischen, in den nahen Büschen.

 

Endlich ließ sich auch die Mannschaft der Grauhörnchen auf dem Platz sehen. Ihr Trainer Gary erklärte die Verspätung mit einem notwendigen Zusatztraining vor dem Start. Die drei Springer Gore, Gregory und Gabe sahen tatsächlich sehr verschwitzt aus. Gary gratulierte noch höflich den bisherigen Sieger des Wettkampfes und sagte ihm den Kampf an. Dann absolvierten die Grauhörnchen ihre Sprünge. Vermutlich war ihr Training zuvor doch etwas zu anstrengend. Sie machten einen müden Eindruck und kamen in Summe nur auf 39 Punkte. Die Zuschauer winkten enttäuscht ab.

 

Die stolzen Marder standen nun auf dem Siegertreppchen, klopften sich an die geschwellte Brust und grinsten, weil sie nun von allen Bewohnern des Parkes für ein Jahr in Ruhe gelassen werden mussten. Welch ein Hohn, waren sie es doch jene, die stets andere verärgerten. Langsam leerte sich der Wettkampfplatz. Die Enttäuschung der Tiere breitete sich wie ein graues Tuch über den gesamten Schlosspark aus. Der Uhu erwog, die Satzung der sportlichen Spiele zu ändern. Sie waren für dieses Jahr Geschichte. Man erwartete im Park ein aufregendes Jahr, ein rücksichtsloses Verhalten der Sieger.

 

Der weise Uhu kam die ganze Nacht nicht zur Ruhe. Er hatte sich auf seinem geschützten Schlaf-Ast inmitten dichter Blätter festgekrallt. Seine Gedanken kreisten immer wieder um den unglücklichen Ausgang der Spiele, die er in guter Absicht angeregt und eingeführt hatte. Allerdings zog er seinen Hut vor den Leistungen der drei Marder: Klops, Kuno und Kalle. Sie mussten demnach sehr hart trainiert haben. Schließlich hatten sie ihre natürliche Sprungweite quasi verdoppelt. Das grenzte an ein Wunder. Wahrscheinlich spiegelten sich die Kraftanstrengungen auch in ihren Gesichtern wider. Sie wirkten etwas verändert. Man kannte sich ja. Möglicherweise hatten sie auch etwas abgenommen, denn ihr hundeartiges Fell hatte ein paar Falten dazubekommen. Der alte Uhu drehte seinen Kopf nach hinten. Sei es, wie es sei, dachte er sich. Die Marder hatten den Kampf dieses Mal ehrlich gewonnen.

 

Der Uhu musste etwas später doch eingeschlafen sein. Ein Albtraum machte ihn zu schaffen. Er hatte sich in einer verzweigten Höhle verflogen, fand nicht mehr hinaus und flatterte aufgeregt durch die wirren Gänge, die nach hinten immer enger wurden und dann abrupt an einer Felsenwand endeten, so dass er jedes Mal mühsam wenden musste. In solchen Situationen wacht ein Träumer meistens schweißnass auf. So nicht der Uhu. Er irrte weiter in dieser Höhle umher bis er auf eine raumartige Erweiterung stieß, aus der ein eigenartiges Stimmengewirr kam. Vorsichtshalber landete er kurz vor diesem "Raum" und begab sich, an der Wand entlang tastend, in eine Nische, von wo er das Geschehen beobachten konnte. Ein schwachblaues Licht, dessen Quelle nicht auszumachen war, ließ eigentlich nur schemenhaft etwas erkennen. Aber Uhu-Augen können auch nachts gut sehen. Sie sahen Marder, die mit Grauhörnchen um einen großen runden Stein hockten, der wohl als Tisch diente. In dessen Mitte lag eine Art Stoff- oder Fellbündel. Die Marder und die Grauhörnchen redeten laut durcheinander. Sie verstanden sich offenbar gut, denn hin und wieder lachten sie ausgelassen.

 

Dann geschah etwas Seltsames. Der Uhu rieb sich die Augen. Drei Grauhörnchen sprangen auf den Steintisch und machten sich an dem Bündel zu schaffen. Sie zogen den Haufen auseinander, besahen sich ein Teil und zogen es sich wie ein Kostüm an. Das erkannte der Uhu an ihren Verrenkungen. Zudem machten sie sich gegenseitig die Knöpfe zu. Nun sahen sie wie Marder aus. Dann begannen sie einen ausgelassenen Freudentanz und hüpften unter dem Beifall der richtigen Marder auf dem Tisch herum. Das alles wirkte auf den Uhu sehr gespenstisch. Er wachte schließlich auf und musste sich erst einmal schütteln. Sein Alptraum lief noch einmal wie ein Film vor seinen Augen ab. Er grübelte, was das alles zu bedeuten hat. Dabei kam er auf die Idee, dass es sich vielleicht um ein Zeichen oder Hinweis gehandelt haben könnte. Haben die Marder beim Wettkampf etwa wieder betrogen? Der Uhu hatte nämlich immer noch Zweifel an ihrem überraschenden Sieg. Die für Marder außergewöhnlichen Weitsprünge waren zu gewaltig und damit verdächtig.

 

Hatten sich die Grauhörnchen ein Kostüm oder etwa ein nachgemachtes Marderfell angezogen, um den Sieg für die Marder zu erschleichen? Zutrauen konnte man es ihnen schon. Wer hat aber dann die Kostüme angefertigt? Waren es vielleicht die Marder-Frauen? Der Uhu beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen und ahnte nicht, wie nahe er an der Wahrheit war. Er würde den Olympia-Rat, ohne Marder und Grauhörnchen, gleich morgen zu einer dringlichen und geheimen Beratung einberufen und ihnen seinen Verdacht vortragen. Damit die Verdächtigen nicht misstrauisch werden konnten, wollte er als Grund für diese Beratung die Vorbereitung eines "Dank-Festes" für die Sieger angeben. Das würde den Mardern und sicher auch den Grauhörnchen schmeicheln und ihnen auch plausibel erklären, warum sie nicht an der morgendlichen Beratung teilnehmen durften. In Wirklichkeit wollte der Uhu sie aber mit seinem Verdacht so konfrontieren, dass sie nicht ausweichen konnten. Er war zuversichtlich, dass sein Plan gelingen würde. Mit Hilfe aller ehrlichen Wettkämpfer würden sie die Missetäter überführen, falls sie sich schuldig gemacht hatten und die wahren Sieger feiern. Wie sie das bewerkstelligen müssen, wollte er morgen mit den anderen beraten. Das mit dem "Überraschungs-Dank-Fest" wäre also nicht einmal gelogen.

 

Am nächsten Morgen gelang es dem Uhu, mit Hilfe der flinken Eichhörnchen, die dringliche Beratung des Olympia-Komitees kurzfristig einzuberufen. Die Teilnehmer eilten um 12 Uhr zur Festwiese, setzten sich im Kreis um den Uhu und hörten sich an, was er zu sagen hatte. Seine Darstellung wirkte auf alle Anwesenden wie ein Befreiungsschlag, denn jeder hatte die gleichen Bedenken hinsichtlich des richtigen Ausganges der Spiele. Wie sollte man aber die Marder dazu bringen, ihre Schandtat einzugestehen? Vom Fuchs kam der listige Vorschlag, sie um eine nochmalige Demonstration ihrer außerordentlichen Weitsprung-Leistungen zu bitten, weil davon noch Fotos gemacht werden sollten. Der Vorschlag stieß auf Zustimmung.

 

Am späten Nachmittag hingen bereits überall Plakate an den Bäumen, die jedermann und besonders die „Sieger“ zum „Überraschungs-Dank-Fest“ am nächsten Tag um 10 Uhr einluden. Wie man sich später erzählte, freuten sich die Marder besonders über ihren gelungenen Clou und nun auch noch über diese besondere Ehrung, wie sie meinten. Die Grauhörnchen waren stolz darauf, dass sie den Mardern geholfen hatten, war es ihnen doch eine Garantie, dass die Marder sie aus Dankbarkeit eine Weile verschonten. Sie konnten sich ja zum Ausgleich ein „Gütchen“ mit den Eichhörnchen verschaffen.

 

Eine Stunde vor dem Fest strömten die Parkbewohner aus allen Richtungen zur Festwiese und nahmen vor der Bühne Platz, von dem der Uhu die Dankesrede halten sollte. Hinter ihm hatte der Vogelchor auf der Balustrade Platz genommen. Nach der kurzen Begrüßung veranstalteten die größeren Raubvögel eine beeindruckende Kunstflugshow. Dann sang der Vogelchor wie immer unter der Leitung der Taube Tapsi. Über den Sängern flogen Schmetterlinge alle Art Pirouetten und neuartige Kunstfiguren. Dann sprach der Uhu. Er lobte die Idee der olympischen Spiele und ehrte mit berührenden Worten die Teilnehmer, besonders die Leistungen der Sieger, ohne deren Namen zu nennen. Neben der Bühne nahmen Frau und Herr Fuchs mit ihrer Fotoausrüstung Aufstellung. Und dann kam der entscheidende Augenblick. Der Uhu bat die angeblichen Weitsprungsieger Klette, Klops, Kuno und Kalle auf die Bühne. In Erwartung einer besonderen Ehrung, eilten die vier aufgeregt und ungeduldig zur Treppe. Jeder wollte der Erste sein. Klette ermahnte sie, Haltung zu zeigen. Dann ging er stolz voran nach oben. Die anderen trottelten hinterher. Sie nahmen hinter dem Uhu Aufstellung und erwarteten einen grandiosen Beifall. Der kam aber nicht. Nur ganz hinten klatschten ein paar andere Marder, was aber kaum zu hören war. Unten machten sich die zwei Fotografen an ihren Apparaten zu schaffen.

 

Dann bat der Uhu die drei Springer um die nochmalige Demonstration ihrer Sprungkraft für die Ehrenfotos. Ein Sprung von jedem würde genügen. Klops, Kuno und Kalle erblassten. Ihre stolzgeschwellte Brust fiel zusammen. Ihr Anführer Klette aber hatte kein Mitleid. Heftig gestikulierend dirigierte er Klops an die aufgemalte Startmarke. Auch die Absprungmarke war aufgemalt. Fünf Meter Anlauf und fünf Meter Sprungweite standen insgesamt zur Verfügung. Die Zuschauer hielten den Atem an. Eine Anzahl von Grauhörnchen verdrückte sich, Unheil ahnend, in die Büsche. Der große Bussard Balduin betätigte die Startklappe, indem er die Flügel weit ausbreitete und dann kräftig zusammenschlug.

 

Klops sprang auf, rannte bis zum Absprung, sprang mit aller Kraft genau 2,20 Meter und erntete Buh-Rufe. Er zog den Schwanz ein und rannte fort. Klette diskutierte mit Kuno, dem zweiten Springer. Der hielt sich wie schmerzhaft sein Fußgelenk und weigerte sich, zu starten. Dann humpelte er zur Treppe, sprang hinunter und rannte plötzlich Hals über Kopf weg. Oben schien Klette vor Wut zu explodieren. Er zog zum Gaudi der Zuschauer Kalle, der sich sträubte, am Schwanz zur Startmarke. Bussard Balduin schlug die Flügel zusammen, Kalle rannte und rannte und kam erst am Ende der Sprungstrecke zum Stehen und sprang gleich von dort hinunter auf die Wiese. Dann verschwand er. Trainer Klette wollte sich ebenso verdrücken, wurde aber vom Uhu und vom Bussard aufgehalten und zum Mikrofon geschleppt. Nachdem sich die Massen beruhigt hatten, gab er zögernd und kleinlaut zu, dass sie beim Wettkampf betrogen hatten.

 

Tatsächlich hatten sich die Grauhörnchen Marder-Kostüme angezogen, die die Frauen der Marder zuvor genäht hatten, und sind dann für die Marder gesprungen. Es hatte sich also genauso zugetragen, wie es der Uhu vermutet und geträumt hatte. Er bekam nun den größten Beifall, den er je bekommen hatte. Den Mardern wurde der Sieg aberkannt und die drei Eichhörnchen bestiegen unter dem Jubel aller Parkbewohner das Siegertreppchen. Natürlich hatten die Füchse von den verpatzten Sprüngen der Marder Aufnahmen gemacht. Sie sollten gemeinsam mit den Kostümen in einem noch aufzubauenden Museum ihren mahnenden Platz finden.

 

Ende

 

Impressum

Texte: Wolf Rebelow
Bildmaterialien: Coverbild Microsoft Designer
Cover: Wolf Rebelow
Tag der Veröffentlichung: 12.08.2024

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