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Prolog

 

Pfingstmontag, am 24. Mai 2010, tobten nachmittags mehrere Tornados in der Region nördlich von Dresden. Sie rissen eine Schneise von 80 bis 100 km Länge von Belgern über Mühlberg, Großenhain, Radeburg und Radeberg bis zur Massenei, einem Waldgebiet. Auf ihrer „Reise“ richteten sie Schäden in Millionenhöhe an. Tausende Häuser wurden beschädigt. Ein Wunder, dass nur ein Mensch sein Leben lassen musste. Kurz nach 16 Uhr erreichte ein Tornado auch mit voller Wucht die Hüttermühle im Hüttertal bei Radeberg. Zum Mühlentag hatten sich dort viele Ausflügler eingefunden. So auch der Schreiber dieser Verse mit Familie, der hiermit versucht, die Eindrücke und Stimmungen der Menschen inmitten eines solchen Infernos zu beschreiben und mögliche Ursachen anzudeuten. Möge die Skulptur des „Tornadomannes“ oben am Hang des Tales eine Mahnung bleiben. Die Nähe zur Betonbrücke, die das schöne Tal zerschneidet, wird der Bildhauer sicher bewusst gewählt haben.

 

Kapitel 1

 

Es war im Jahr Zweitausendzehn,

Pfingsten war die Zeit,

da wollte man ins Grüne geh'n,

der Lenz war auch soweit.

 

Außerdem war Mühlentag,

man schloss die alten auf.

Und wo sich eine auch verbarg,

man stürmte sie zu Hauf.

 

Das mit Wasser oder Wind

sich eine Mühle dreht,

zeigt der Müller jedem Kind,

er weiß noch, wie das geht.

 

Sauber war die Antriebsart,

mit etwas Mühe nur,

kam die Mühle schnell in Fahrt.

Das schonte die Natur.

 

Die Mühle dort im Hüttertal

dreht sich noch zum Schein.

Mühsam mahlen, war einmal,

das geht jetzt fast allein.

 

Kapitel 2

 

Auf einem Zettel kann man lesen:

"Volkstanz ist ab 14 Uhr!

Es tanzen heute Irokesen,

(Bier, zwei Euro nur)."

 

Wigwams stehen auf der Wiese,

Hüpfburg nebenan.

Es ist warm und keine Brise

kommt im Tale an.

 

Tänzer stampfen mit den Füßen,

bitten Gott um Regen,

lassen alle Weißen grüßen,

wünschen ihnen Segen.

 

Rechts am alten Mühlenhaus

zäunt ein Gatter Ziegen.

Menschen sehen fröhlich aus,

die sich im Takte wiegen.

 

Sie feiern ihre alte Mühle,

damals war die Welt gesund.

Schöne Sommer gab es viele,

Natur war noch nicht wund.

 

Enten auf dem Mühlenteich,

Vögel in den Bäumen,

Blumenteppich bunt und reich,

man darf es nicht versäumen.

 

Der Platz ist schön in diesem Tal,

die Luft ist mild und rein.

Der Pfingstausflug war gute Wahl,

man kann zufrieden sein.

 

Die Waldsitzgruppe, überdacht,

die Bretter gut geeicht,

hat Beleuchtung für die Nacht,

wenn der Tag nicht reicht.

 

Sorglos sitzen Gäste da,

trinken, lachen, scherzen.

Man kommt sich näher oder nah,

offen sind die Herzen.

 

Kapitel 3

 

"Spürt ihr nicht den kalten Wind,

es war nur mehr ein Hauch?",

fragte laut ein Nachbar-Kind.

Alle merkten auf.

 

Ein dunkler Mann, den niemand sah,

erscheint in dieser Runde.

Ganz plötzlich ist er einfach da,

man hört des Müllers Hunde.

 

Stumm vor Schrecken schweigen Gäste,

der Mann blickt schaurig, kalt,

sieht sich um beim Mühlenfeste,

verschwindet dann im Wald.

 

Ein altes Mütterchen spricht leis:

"Ein Unglück kommt heran.

Das eben war, soviel ich weiß,

der Tornado-Mann."

 

Das sein Geist nun hier erschien,

war sicherlich ein Zeichen,

eilig aus dem Tal zu geh'n,

der Hölle auszuweichen."

 

Die Leute glauben ihr kein Wort,

sehen sie nur an,

laufen darum auch nicht fort,

das Fest fängt doch erst heran.

 

Kapitel 4

 

Sie achten nicht, der Vögel Schweigen,

verlassen liegt der Teich,

beendet ist der Zicklein Reigen.

Das Mütterchen wird bleich.

 

Indianer sind schon weg,

ihr Regentanz zu Ende.

Wigwams stehen leer am Fleck,

Still wird's im Gelände.

 

Die Freiluftschule gleich am Wald,

hat Tische, Dächer, Sitze.

Lautes Lachen da erschallt,

ein Mann erzählt noch Witze.

 

Schon sieht man dunkle Wolken zieh‘n,

man greift nach Schirm und Mütze.

Niemand denkt daran zu flieh‘n

und wie man sich nun schütze.

 

Kapitel 5

 

Ringsherum und riesengroß

steht eine schwarze Wand.

Ein fürchterlicher Sturm bricht los,

ganz außer Rand und Band.

 

Entfesselte Naturgewalt

beendet Mühlenträume.

beiderseits vom Fluss im Wald

brechen starke Bäume.

 

Sie knicken im Sekundentakt,

fast alle auf einmal,

werden wie von Wut gepackt

und sterben voller Qual.

 

Krachend fallen tausend um,

mit Wurzeln und Geflecht,

Steine fliegen scharf herum,

gefährlich waagerecht.

 

Der Tornado bläst enthemmt,

wild und mörderisch.

Eng zusammen eingeklemmt

sind Menschen unterm Tisch.

 

Die Eltern decken Kinder ab,

die Körper fest im Arm,

es fällt der Wald auf sie herab,

sie rufen: "Gott, Erbarm'!"

 

Das kann doch nur der Teufel sein,

ein Baum fällt auf das Dach,

schlägt Ziegel, Wände, Scheiben ein,

es ist ein Höllenkrach.

 

Es ist wie zur Walpurgisnacht

auf dem fernen Brocken.

Dort und hier das Böse lacht,

wenn böse Geister locken.

 

Kapitel 6

 

Versteckt, weit oben, dort am Hang,

wo man das Tal zerstört,

steht nur der Tornado-Mann,

der alles dirigiert.

 

Schon wendet er sein Notenblatt,

Blitz und Donner toben.

Der Sound, er klingt ihm noch nicht satt,

es hagelt drum von oben.

 

Mit dem Taktstock in der Hand,

wirbelt er die Arme schnell.

Es schaut auf das zerstörte Land,

der wilde Sturmgesell.

 

Die Viertelstunde ist beendet,

nur Regen fällt herab.

Der Himmel sich zum Guten wendet,

die Brücke steht noch knapp.

 

Der Dirigent den Taktstock erhebt,

er kommt damit zum Schluss.

Noch einmal laut das Tal erbebt,

bevor er gehen muss.

 

Kapitel 7

 

Dort, wo jetzt das Denkmal steht,

verschwindet er im Hang.

Die fürchterliche Angst vergeht,

man betet: "Gott sei Dank!"

 

Die Menschen sind verstört, entsetzt,

was nunmehr sie da sehen.

Das Hüttertal hat er zerfetzt,

ließ keine Blume stehen.

 

Das Ziegengatter steht noch gleich,

den Tieren geht es gut,

die Enten sind schon auf dem Teich,

die Vögel fassen Mut.

 

Jedoch die Wege sind blockiert,

niemand kann entkommen.

Viele Menschen sind schockiert,

manche auch benommen.

 

Die Mühlenfrau winkt sie herbei,

es dauert noch drei Stunden,

danach ist erst die Straße frei,

man geht, sieht viele Wunden.

 

Doch irgendwann kommt er zurück,

er wird es uns beweisen.

Ein jedermann hofft auf sein Glück,

geht er erneut auf Reisen.

 

Epilog

 

Ein Albtraum quält mich dann und wann:

ich liege nachts im Bett,

im Rücken der Tornadomann

berührt mich gar nicht nett.

 

Ich weiß dann zwar, es ist ein Traum,

und wenn ich mich nicht rühre,

dann macht er nichts und schadet kaum,

mir ist nur kalt, ich friere.

Impressum

Texte: Wolf Rebelow
Bildmaterialien: pixabay.com
Cover: Wolf Rebelow
Lektorat: Wolf Rebelow
Tag der Veröffentlichung: 23.02.2024

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