»Dort sind Leute! Denkt euch, die schlafen nicht!«
»Und warum denn nicht?«
»Weil sie nicht müde werden.«
»Und warum denn nicht?«
»Weil sie Narren sind.«
»Werden denn Narren nicht müde?«
»Wie könnten Narren müde werden!«
Franz Kafka („Kinder auf der Landstraße“)
Die Personen und die Handlung dieser Erzählung sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.
Am Anfang war der Alkohol. Damit fing alles an. Zuvor war ich ein normaler Jugendlicher, wie jeder andere auch. Wüst und leer, doch voller Tatendrang. Ich hatte keinen Plan vom Leben, keine Vision, keine Clique, keine Freundin; in diesen Tagen nicht einmal eine funktionierende Familie. Meine Mutter war… Fort. Und Vater hatte kein Interesse an… Und wenn er es doch gehabt hatte, besaß er nicht die Kraft davon Gebrauch zu machen.
Was man vielleicht dazu sagen muss um mich zu verstehen ist die Tatsache, dass ich vom Land komme - immer weit entfernt war vom Puls der Zeit, aufgewachsen in einem Ort, in dem es keine Umbrüche gab, sondern nur gesellschaftliche Regeln. Alkohol wurde in diesem Regelwerk zwar als Problem angesehen – jedoch auch als die Lösung. Das Trinken war normal, so normal sogar, dass man schief angesehen wurde, wenn man als Erwachsener nicht trank. Daran ist zu erkennen:
Meine Geschichte zur Nacht beginnt in der Mitte der Neunziger Jahre.
Während in Berlin durch eine merkwürdige Musik namens „Techno“ das Land emotional wiedervereint wurde, herrschte bei uns noch immer die langhaarige Musik der Rockbands vor. „Techno“, das war etwas Fremdartiges für uns. Drogenmusik. Affenmusik. Musik für Dumme. Kalt. Urban. Sinnlos. Und dass ausgerechnet Scooter in den Massenmedien als großer Techno-Hype verkauft wurden, half uns auch nicht gerade um mit der neuen Bewegung warm zu werden. Warum auch? Wir hatten doch uns. Die Rockmusik um mit zu grölen. Und den Alkohol um uns selbst zu definieren.
Ich kann mich nicht mehr an mein erstes Bier erinnern. Auch nicht an meine erste Zigarette. Oder meine erste Ecstasy-Tablette… Vielleicht bin ich einfach nicht gut darin mich an überhaupt etwas zu erinnern. Doch wenn ich die Augen schließe. Ganz still werde. Habe ich das Gefühl die Luft der Vergangenheit atmen zu können.
In der Zeit, in der meine Geschichte beginnt, gab es bei uns auf dem Land keine wirklichen Jugendzentren. Schließlich gab es auch keinen Vandalismus oder eine andere Form von Jugendgewalt, wieso also hätte man sich groß um uns kümmern sollen? Denn wer nicht auffällt, dem geht es gut, oder? In meiner Jugendzeit gab es Bauwagen und selbstgezimmerte Buden, in denen sich die Jugendlichen abseits der Kleinstadt trafen um zusammenzusitzen – und zu saufen. „Saufbuden“, anders kann man das nicht bezeichnen, die mit einem ratternden Aggregat versorgt wurden, das fast genauso oft nachgefüllt werden musste, wie unsere Gläser.
Da hockten dann sechs bis sieben Kerle zwischen 15 und 18 Jahren zusammen (an besonderen Abenden waren ein oder zwei Mädchen dabei), hörten Musik, spielten mit Karten oder Würfeln die für sie noch nicht tristen, sondern aufregenden Kneipenspiele ihrer Väter und großen Brüder, und soffen. Auf eine gewisse Art machten sie das, was kleine Kinder auch machen: Sie spielten die Gewohnheiten der Erwachsenen nach, ihrer Eltern, die Vorbilder waren, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein. Man beginnt mit Bier und es endet immer mit Schnaps, so wie bei jeder anständigen Beerdigung. So wie bei den richtigen, echten Erwachsenen, gestandenen Männern, die mit beiden Beinen fest im Leben stehen. „Alkohol macht einen Mann aus dir“, ein Credo, was man nicht wirklich aussprechen musste. Es war mehr so eine Art Konsens. Denn es stimmt ja auch - so wie ein betrunkener Erwachsener wieder zum Kind wird, wird ein betrunkenes Kind auch zu einem Erwachsenen: Im Rausch gibt es keine Unterschiede. Wir lernten das recht schnell. Und es gab uns Halt die Schablonen unserer „Vorbilder“ zu benutzen.
Der Alkohol machte einen locker und fröhlich, half einem die unermesslichen Schmerzen zu vergessen, die nur die Pubertierenden erleiden. Und Alkohol macht gesellig. Aus schlechten Witzen Gute. Er hat sogar die Fähigkeit aus völlig Fremden gute Zuhörer, ja, sogar eine Form von Freundschaft zu destillieren. Was davon mit „Wahrheit“ zu tun hat, hängt von jedem Einzelnen ab. „Wahrheit“ ist ohnehin ein großes Thema für Betrunkene, besonders für Betrunkene, die sich gerade erst zu rasieren lernen. Logisch, dass der Alkohol einem das Gefühl gibt im unklarsten Zustand über die wichtigsten Dinge des Lebens philosophieren zu können, nicht weil man dann klüger wäre, sondern da man weniger Angst und Scham davor hat, seine Meinung zu sagen. Vielleicht half es auch mit der Wahrheitsfindung, dass damals kaum Mädchen da waren. Ich weiß nicht… Ich weiß nur, dass ich damals so um die 15 Jahre alt war, natürlich noch nicht wusste wer ich bin, doch umso inständiger darauf pochte zu wissen, wer ich sei (dabei aber nicht einmal den Ansatz einer Vorstellung hatte, wer ich einmal sein wollte). Im Prinzip plapperte ich wie jeder 15-Jährige mehr oder weniger das nach, was mein Umfeld mir vorgab. Das Einzige, was meinen Charakter auszeichnete, war die Auswahl des Nachgeplapperten. Und dass ich gut saufen konnte.
Meine Einstiegsdroge war der Alkohol – und zu meiner Zeit gab es auch keine anderen. Kiffen war noch keine Selbstverständlichkeit. Damals, wo man im Supermarkt neben Ravioli-Dosen und Shampoo-Flaschen ganz selbstverständlich und ohne schiefe Blicke zu kassieren als 15-Jähriger eine billige Flasche 0,75 Liter Wodka auf das Förderband stellen konnte; die Verkäuferin sah einen nur müde an und zählte das Wechselgeld ab. Draußen war man dann doch jedes Mal wieder überraschend erleichtert, die Flasche bekommen zu haben (so wie man später erleichtert war, in den Club hineingelassen zu werden). Es war eine tolle Zeit. Niemand sprach von „Gefahren“. Von Sucht. Von Schäden. Drogen dagegen waren eine Form von bösem Geheimnis, die nur schlechtes mit dir anstellen, ein Chamäleon, wie böse Figuren in den verschiedensten Märchen, deren Rolle und Auftreten klar definiert sind, von denen man aber nicht weiß, was sie genau antreibt und wie sie funktionieren. Nein. Drogen sind böse, sie machen dich kaputt. Christiane F.-Elend. Vorprogrammiete Aussätzigkeit. Alkohol dagegen ist gut! Wie könnten wir sonst so viel Spaß zusammen haben? Wie sollte etwas, was uns so viel Spaß bereitete, schädlich für uns sein? Nur alleine durfte man nicht trinken, denn dann hatte man ein GROßES Problem… So einfach war das.
Ich sah mich nicht als ein Teil dieser Clique. Als typischer Jugendlicher fühlte ich mich von der gesellschaftlichen Außenwelt ausgeschlossen. Ich fühlte mich so alleine, ich wäre auch in `ne Jugendgang eingetreten oder hätte Penner angezündet, nur um irgendwo dazuzugehören – und ich bin mir sicher, ganz egal wo ich hingekommen wäre: Es hätte sich alleine durch die Beachtung und Zuneigung von anderen RICHTIG angefühlt. Dagegen war es mit diesen Jungs zu trinken das kleinere Übel. Ich hing damals mit richtigen Bauern herum. Echten Kindern von Landwirten, die ungebildet und roh waren, wenn auch nicht arm. Diese ganze eigene Art von dörflicher Dummheit, die damals von Eltern an Kinder weitergegeben wurde, als man noch über Ausländer lachte und über BMWs philosophierte.
Doch dieser ganze Unsinn störte mich nicht. Das waren im Prinzip auch keine „schlechten Typen“. Das waren einfach nur Franze und Tom und Ge-Ge und wie wir uns damals nannten. Und auch wenn wir nichts miteinander gemein hatten bis auf das Klirren der Gläser wenn wir anstießen, so reichte uns das. Wir waren gewöhnlich und waren uns dessen bewusst, dass das nichts Falsches ist.
Selbstverständlich kamen wir uns extrem männlich vor und hörten die Musik unserer großen Brüder (und Schwestern) - hörten Metallica, Guns and Roses oder ACDC – und natürlich die Böhsen Onkelz. Vielleicht noch die Stones oder wenn wir es melancholisch wollten Joe Cocker oder Westernhagen. Nur männlich musste es sein. So als wären wir Gefäße, in welche wir uns gegenseitig das Testosteron kippten.
Die Welt schien klar definiert. Und wir tranken nicht gegen sie an. Wir tranken mit ihr.
Bis Westbam eines Tages sagte: „Es werde Licht.“
„Sonic Empire“ kam aus den Boxen. Irgendwer hatte es mitgebracht.
„Was ischn dees?“ Dieses DING hörte sich komisch an.
In diesem einen Moment hatte es funktioniert, dieses Pro-Kommerz-Ding, das Doktor Motte und Westbam sich für Deutschland erträumt hatten, diese mir fremden Protagonisten und Magier einer mir ebenso fremden, neuen Hauptstadt. Während beim Thema „Kommerz“ die meisten Vordenker, Vortänzer und amateurhaften Organisatoren dieser Bewegung, so genannte „Raver, der Neunziger und frühen Nuller Jahre Ekelgefühle und Brechreiz bekamen, funktionierte es in diesem Moment auf seine bestgemeinte Weise. Hier. Bei mir. In einem umgerüsteten Bauwagen. Am Waldrand. Unter roten, aufgedunsenen Köpfen, ebenso wie mein eigener. Es machte „Klick“ in meinem Kopf; und: „Was ist das?“
Der „Schall“ aus dem besungenen „Sonic Empire“ war, erzeugt in Düsseldorf, definiert in Detroit und reflektiert von Berlin, hier bei uns gelandet. In dieser „Saufbude“. In der bayrischen Provinz. Bei mir. Dem Typen, der gerade beim „Mäxle“ Spielen die letzten drei Runden verloren und sich draußen beim Pinkeln versehentlich über die Schuhe gepisst hatte. Nicht dass sich jetzt „mit einem Schlag“ (mit einem: Beat) alles verändert hätte. Unsinn. Man wird nicht durch einen Song zu jemand anderem. Vergangenheit lässt sich nicht abschütteln, sie ist wie ein Akzent, der in bestimmten Situationen wieder aufkommt. Doch langsam bekam man eine Ahnung von… Von was eigentlich?
Am ehesten von der Möglichkeit einer… Möglichkeit… Dass es da noch andere Sachen gibt. Als Freiheit und Ehrlichkeit durch Alkohol. Und den unausgesprochenen und gerade dadurch heiligen Gesetzen der Dorfkultur.
Das Fernsehen machte schon damals genau das Gleiche wie jetzt: Assi-TV. Nur war damals die Popularität des Asozialen noch nicht so weit vorangeschritten, denn der Asoziale galt noch nicht als Prophet, als ein sündiges Versprechen des Hedonismus, oder anders gesagt einer Freiheit, die sich der gebildete und höfliche Mensch nicht erlauben würde. Und unter diesem Blickwinkel – der damals seiner Zeit voraus war - sah man auf dem Bildschirm zu den Themen „Love Parade“ und „Tekkno“ fast immer nur die aufreizenden halbnackten Tänzerinnen und Tänzer, nicht nur schöne, perfekte Menschen, die wie Könige auf schnaufenden Maschinen durch ein Meer von kleinen, unwichtigen Menschen pflügte, die mit ihren Armen den Beat voran zu treiben versuchten. Die Nackten und das stille Versprechen auf Sex waren es somit, die Techno für einen 15-Jährigen ein Gesicht gaben, viel mehr und eindeutiger als jeder hochgelobte DJ oder normale Club- oder Parade-Besucher, die nur Randfiguren waren für die Augen der Kameras, die schöne Leute dabei filmten, sie voyeuristisch dabei begafften, wie sie etwas Schönes erlebte: „Sex und Drogen“, so hieß die Botschaft von RTL 2, „Das IST Techno“. Dieses Bild war zumindest das Einzige, was ich bis dato von elektronischer Musik hatte…
Doch dieses Lied? Ist das überhaupt ein Lied? „Sonic Empire“? Dieses BummBumm… In unserer Welt, draußen auf dem Feld war das weder ein Song noch richtige Musik… Dieses… DING. Vermittelte aber selbst an den Rändern der Gesellschaft ein Gefühl dafür, wie Techno sich anfühlen konnte. So ganz ohne „Sex und Drogen“ konnte man Teil des „Reich des Schalls“ sein… Man bekam eine Ahnung, von…
Darüber kann man vielleicht gar nicht sprechen.
Man kann es nur deuten; wie in einem Bauwagen es ein paar junge Kerle taten, die keine Ahnung von gar nichts hatten - nicht von einem geteilten und durch Techno emotional wiedervereinigten Deutschland, einer offenen, hedonistischen Club-Kultur, einer queeren Bewegung, von Ecstasy und diesem Schub, diesem Druck der chemischen und doch echten Liebe – wie diese pubertären Nachplapperer mit Mofa-Führerschein also ganz einfach damit anfingen, unwillkürlich und unterbewusst mit dem Kopf mit zu nicken, etwas zu bejahen, abzunicken, was sie gar nicht kannten – und doch sofort verstanden. Dieses Mitnicken zum Beat von gänzlich unerfahrenen, doch angetrunkenen Kindsköpfen sagt mehr über Techno aus, als hundert nackte Tänzer auf einem LKW, die krampfhaft und ein wenig gezwungen versuchen ein Lebensgefühl über ihre Körpersprache zu transportieren.
„Kommerz“ (wie die Gründer der Berliner Szene „Sonic Empire“ nannten) war in diesem Moment für mich mehr als der Ausverkauf von moralischen Werten irgendeiner Underground-Bewegung. Er war meine Eintrittskarte in ein neues Leben. Ein Aufstieg auf einen hohen Berg. Den ich überqueren musste um zu mir selbst zu gelangen. Nur wenn man einmal auf dem Gipfel gestanden ist, auf dem höchsten Hoch deiner Entwicklung, deiner Gefühle, deines subjektiven Daseins, muss man doch auf der anderen Seite wieder herabsteigen um voran zu kommen. Niemand kann immer auf dem Gipfel bleiben, ganz gleich wie sehr man sich daran auch klammert.
Hiermit beginnt Paul Flemings Untergang. Dies ist meine Geschichte.
„Ich meine, lass uns das Ganze einmal aus der richtigen Perspektive sehen“, er hält kurz inne, fuchtelt etwas theatralisch mit seinen Händen herum und fängt wieder an zu sprechen. Es ist spät genug für so eine Scheiße. „Nehmen wir zum Beispiel – gutes Beispiel (er lacht und sieht mich an, direkt in die Augen, die Menschen machen das heutzutage nur noch, wenn sie wirklich von einer Sache überzeugt sind) – Christian Bale. Kennst du doch, oder?“
Nicken und Kauen von meiner Seite.
„Da gibt es doch diese Tonspur, dieses Audiofile, wo er auf dem Set von „Terminator Salvation“ einen Kameramann zusammenscheißt. Du weißt schon (er sagt das mit seinem Körper und seinen Händen): FUCKfuckFUCK.“ Dann lacht er. Ich nicht. Ich nehme lieber einen Schluck aus meinem Pappbecher. „Als ich das auf Youtube sah, dachte ich mir - und das war eine dieser elementaren Erkenntnisse (es ist spät genug für elementare Erkenntnisse), dass die Menschen doch alle gleich sind. Ich meine, dieser Bale ist der verdammte Batman! Der verdient Millionen und kann bestimmt jede Frau haben, die er will. Scheiße, der sieht nicht nur geil aus, der ist auch noch reich und talentiert. Hast du „Equilibrium“ gesehen? Ja? Egal. Worauf ich eigentlich hinaus will: Als ich das gehört habe, wurde mir klar, dass das auch ich in der Arbeit hätte sein können. Ich meine, irgendwas läuft nicht, und man scheißt sich gegenseitig an. Das ist doch ganz normal. Da kracht es halt mal, und dann geht es wieder weiter. Der ist halt Batman, und deswegen glaubt die ganze Welt jetzt, dass er ein arrogantes Arschloch ist. Aber eigentlich ist es ganz normal. Der wäre doch ein Roboter, wenn er immer nur politisch korrekt wäre. Niemand ist immer politisch korrekt.“
„Und das willst du mir erzählen? Dass niemand immer politisch korrekt ist?“ Neben uns rüttelt der Sicherheitsdienst ein Pärchen Punker wach. Verschlafen und motzend lassen sie sich wecken. Handhaltung: Ist ja gut.
Was für ein Land.
Wirf deinen Müll nicht auf den Boden. Trinke nicht in der Öffentlichkeit. Und wenn du um fünf Uhr morgens an einem öffentlichen Platz einnickst, dann ist das schon eine Art von Ruhestörung.
Das muss wohl Freiheit sein.
Es besitzt einen gewisser Grad an Ironie, dass gerade die Punker eingenickt sind, und nicht die rotköpfigen Junggesellenabschiedstypen, oder die Jungs einen Tisch weiter vorn, in ihren Tommy Hilfiger- und Benetton-Hemden. Überhaupt: Fast nur Männer hier. Im Burger King am Münchner Hauptbahnhof, um 6:04 Uhr morgens.
Dafür ist der Fast-Food-Laden fast bis zum letzten Platz gefüllt. Nur dort, wo sich die Tabletts und die Papierverpackungen türmen, sitzt niemand. Die Burger King Mitarbeiter denken nicht im Traum daran das aufzuräumen. Sie stehen, wie in einem Western verschanzt, hinter ihrer Theke.
Wo man auch hinsieht: Gläserne Männeraugen. Eingeschlossen in aufgequollene Alkoholvisagen. Die der aufreizenden südländischen Bedienung hinter dem Tresen hinterher gaffen. Keine gute Uhrzeit für eine Frau in Uniform.
Der Sicherheitsdienst hat die Schlafenden geweckt, und damit seine Pflicht getan. Hohle böse Blicke folgen ihm.
„Das auch“, fährt er fort. „Das auch. Aber im Grunde geht es mir darum, dass wir doch alle aus demselben Holz geschnitzt sind.“
„Wir sind alle nur Menschen.“
Er zeigt auf mich: „Wir sind alle nur Menschen! Richtig. Und wir funktionieren alle nach dem gleichen Schema: Wir wollen immer mehr. Oder warum denkst du, wieso ein Typ wie der Bale, der millionenschwer ist, trotzdem noch arbeitet? Der will einfach nur mehr.“
„Dem geht es wahrscheinlich nicht mehr nur um Geld, sondern um Bestätigung.“
„Genauso ist es. Der will immer nur mehr. Es ist wie in Lammbock: Der Kleine „Ich-bin-nicht-zufrieden“-Mann sitzt in seinem Kopf und hämmert gegen seine Schädeldecke.“
Selbstzufrieden lehnt er sich zurück und saugt an seinem Strohhalm.
Es vergehen einige Augenblicke. Ich denke an die letzte Nacht zurück. Wie viel Geld ich verschleuderte. Welche Anzahl von Gläsern ich geleert habe, und welche Größen die hatten…
An das Geschrei, als diese und jene besondere Platte gespielt wurde. Diese „New Rave“-Momente, die Techno früher auch hatte. Doch das ist nur Hintergrundrauschen. Tatsächlich denke ich an Freunde, die keine mehr sind. Und an eine Liebe, die sich kälter anfühlt als der Tod. Und ob ich nun der Gewinner dieser Nacht bin. Oder nur der Verlierer, als der ich mich fühle. Meinen neuen Freund interessiert das nicht. Viel zu verliebt ist er in sein eigenes Gerede.
„Und deswegen gehen wir jedes Wochenende in die Clubs“, fängt er wieder an. Diesmal ruhiger. Fast besinnlich. „Weil wir nie zufrieden sind. Wir sagen nicht „Hey, geile Party“ und lassen es dann gut sein. Sondern wir wollen immer mehr davon. Immer mehr und mehr… Mehr Drogen. Mehr Weiber. Mehr Sound. Mehr Emotionen. Mehr Leben…“
„So ist der Mensch.“
„Mag schon sein… Kann schon sein…“ Pause. „Aber vielleicht sind wir anders. Wir haben keinen Krieg erlebt, keine große Krise. Und die Krise, über die sie jetzt reden (er breitet die Arme aus) kann ich nicht sehen… Der Mensch ist das Tier, das auch trinkt und isst, wenn es keinen Durst oder Hunger hat.“
„Amen.“ Wir stoßen mit unseren Burger-King-Pappbechern an.
Ein Junggeselle kotzt geräuschvoll unter den Tisch.
Seine besoffenen Kollegen springen erschrocken auf. Die Köpfe der Anwesenden wenden sich synchron, wie bei einem Tennisspiel, zu dem Schauspiel um. Lachen und Gejohle. Dann folgt der Spruch, der immer kommt, wenn gekotzt wird: „Speien ist ein Anzeichen für eine Alkoholvergiftung.“
Im Alkohol kann der Mann noch Mann sein.
Und schon taucht der Bahnhofssicherheitsdienst auf, worauf augenblicklich das Gerede beginnt; dieses furchtbar lallende Geschwafel, das der betrunkene Mann von sich gibt, wenn er etwas erklären und gleichzeitig beschwichtigen will, obwohl er dazu überhaupt nicht in der Lage ist. Ein Trauerspiel.
„Können die sich nicht einmal gepflegt betrinken?“
„Gepflegt betrinken? Das ist doch ein Oxymoron…“, murmle ich.
„Du meinst diesen Jazz-Club in Berlin?“
Fangen wir die Geschichte doch etwas früher an...
Es ist der vergangene Freitagmittag. Ich komme von der Arbeit nach Hause.
Dabei spielt es keine Rolle, was ich für ein Typ bin. Ob ich in einem Büro arbeite, ob ich ein Handwerker bin. Diese Tatsachen sollen in diesem Moment keine Rolle spielen. Betrachten wir die Geschichte wie eine rückwärtslaufende Videoaufnahme eines Autoreifens, der demzufolge mit der Zeit nicht an Profil verliert, sondern zunimmt. Markanterweise werde ich mich zu Beginn besser präsentieren als ich bin. Hier bitte ich um Verständnis, doch wenn man jemanden kennen lernt, ist es irgendwo ja auch normal, dass man Eindruck schinden will - sich besser darstellt, als dass man eigentlich ist. Verzeihen Sie mir diese arrogante Leichtfertigkeit und geben Sie mir das, was wir heutzutage am wenigsten zu besitzen glauben: Zeit…
Fünf Minuten später klingelt es an der Tür. Draußen steht ein grinsender Kerl. Dünn wie ein Brett. Unrasiert. Mit nacktem Oberkörper. Einer meiner „verlorenen Jungs“, wie ich sie nenne. Jene Männer, die nie erwachsen geworden sind und es auch nie sein wollten.
„Hey, hast´n Bier da?“ fragt er mich, in meiner Küche herum streunend.
Jeder von uns ist einer der „verlorenen Jungs“. Doch keiner ist Peter Pan.
Genervt: „Nein.“
Er motzt zurück: „Aber einen Wodka wirst du doch wohl dahaben?“
Denn Peter Pan hat das Mädchen bekommen. Die „verlorenen Jungs“ nur die ewige Jugend. Und
somit viel zu viel Zeit.
„Ich bin gerade erst selbst zur Türe rein. Kannst du nicht vorher anrufen? Und ist es nicht noch ein bisschen früh für… (Pause) Im Gefrierfach.“
„Danke.“ Er öffnet das Gefrierfach mit dem ekligen schabenden Geräusch, das entsteht wenn Plastik auf gefrorenes Eis trifft. „Ja scheiße, hab mein Handy verloren.“ Er benutzt immer meine Espressotassen zum Wodkatrinken. Da es Gott egal ist, weiß er allein warum.
„Schon wieder?“
Bobby hat langes, blondes, gewelltes Haar. Dazu sein gebräunter Körper – wäre er nicht so dürr, hätte man ihn für einen Surfertypen halten können. Wenn Surfer ursprünglich aus der Ukraine kommen und in Wahrheit nicht „Bobby“ sondern „Boris“ heißen würden.
„Ach du weißt doch wie das ist. Bin auf Tour gewesen, da habe ich es verschmissen.“ Bobby arbeitet als Pizzalieferant. Ihm reicht das zum Leben, wofür ich ehrlichen Respekt habe. Auf seine Art ist er nicht auf die üblichen Wohlstandsklischees hineingefallen. Wenigstens nicht auf die Meisten; wer könnte sich schon dem Gesamtpaket entziehen?
Er geht auf meinen Balkon hinaus um zu rauchen. Ihm wird ein ausladender Blick auf einen ehemaligen Kinderspielplatz geboten, nur dass die Spielgeräte längst zerstört und von den Stadtarbeitern wegen der Verletzungsgefahr abgebaut wurden. Übrig blieb eine grüne Parkanlage, die von keinem genutzt wird. Eine grüne Oase der Nutzlosigkeit.
„Und quatsch nicht wieder meine Nachbarn voll“, raune ich nach draußen, während ich ein Fertiggericht in die ungepflegte, raunende Mikrowelle werfe.
Mit einem Kaffee ausgerüstet gehe ich zu Bobby hinaus und setze mich auf meinen Gartenstuhl. Wir sind keine harten Jungs. Wir sind kein Abschaum. Oder asozial. Wir sind einfach nur Durchschnitt. Glauben wir zumindest.
Bobby meint: „Ich geh mal was rotzen.“
„Hau rein.“
Er trinkt keinen Kaffee, von dem bekommt er angeblich Herzrasen.
Während mir heißer Kaffeedampf in die Nase steigt, höre ich von innerhalb meiner Wohnung ein saugendes, nasales Geräusch. Die Mikrowelle macht „Ping!“
Wir sitzen draußen auf dem Balkon.
Ich: Schaufle das Chop Suey aus der Kunststoffform in mich hinein, die Tasse Kaffee steht auf dem Boden.
Er: Pep in der Nase. Seine Tasse Wodka in der Hand.
„Pep“ ist das, was unter dem Begriff „Speed“ landläufig bekannt ist.
Wir spielen „Deutsche zählen“ – wer kein Ausländer ist und vom jeweiligen Spieler als Erster gesehen und erkannt wird, ergibt einen Punkt. Dazu beobachten wir den gekiesten Fußweg, der an dem ehemaligen Kinderspielplatz vor meinem Balkon vorbeiführt. Nach 10 Minuten steht es noch immer Null zu Null.
Drinnen, aus den PC-Lautsprecherboxen: Monika Kruse mit einem aufgezeichneten Techno-Set von sonst wo her.
Wippende Füße und Köpfe.
„Ich kann das nicht bei mir kleinmachen“, erzähle ich mit theatralischer Stimme, „Die Bullen sind bestimmt hinter mir her! (Restschluck Kaffee) Dann holt er aus seiner Handtasche ein halbes Kilo Pep raus, und knallt mir das auf den Glastisch. Ja, ja, jetzt lachst du, aber da hättest du auch blöd geguckt, wenn der dieses… Monstrum Chemie rausholt, was von Bullen erzählt, meinen Korkenzieher nimmt und auf den Pep-Stein einschlägt, um ihn KLEIN zu machen – das Pep ist nur noch so in der Gegend herumgespritzt. Und ich: Hey! Und er bloß total durch und fokussiert: Geht ganz schnell, geht ganz schnell!“
Lachen.
„Was für ´ne Handtasche hatte er denn? Ah, da vorne, Eins zu Null für…“
„Ne, die kenne ich, die ist Albanerin… Dieses Ding, was er von einem Onlineshop gratis bekommen hat, weil er dort doch immer diese Weiberhosen kauft.“ Die besagte Person ist zu dünn für Männerhosen, deswegen die Frauenmode. Einmal, als er noch eine Brille trug, war er nach einer durchgefeierten chemischen Woche so abgemagert und ausgetrocknet, dass ihm die Sehhilfe immer wieder vom Kopf fiel.
Ich gehe hinein und genehmige mir ein Glas Lidl-Whiskey mit Cola-Zero. Auf meiner Küchenablage liegen unbeachtete weiße Brösel und eine Telefonkarte, bei der die Farbe durch den Konsum verlaufen ist. Ich glaube Lösungsmittel zu riechen, doch das ist Einbildung. Im Vorbeigehen klicke ich im PC eines meiner Lieblingslieder an, in dem LCD Soundsystem fragen: „Wo sind meine Freunde heute?“
Draußen: Wippende Füße und Köpfe.
Ich nippe an meiner Mördermischung und siehe da: „Eins zu Null. Ach nein, das ist wieder diese Albanerin… Mein Gott, ist die dürr… Gib dir das mal. Wenn Du DIE fickst, dann hast du danach blaue Flecken.“
Bobby macht mit seinen Fingerspitzen eine kleine Präsentationsgeste über seinem dünnem Oberkörper, lacht und spricht: „Sie aber auch.“
Buzzzz! Es „klingelt“ an meiner Türe. „Das ist Mucki“, meint er grinsend. Dieses Grinsen spricht Bände; es ist eindeutig wie ein Brockhaus…
„Hey, werde ich überhaupt noch GEFRAGT wer bei mir auftaucht?“ rufe ich hinterher, und bekomme ein „Ja, ja“ zu hören.
„Katapultieren?!“
„Jupp.“
„Katapultieren“ ist mein Ausdruck für Drogen nehmen; die Simpsons-Folge mit dem Bierbaron: Der Verstoß gegen die Prohibition wird mit „Katapultieren“ bestraft. Dazu kommt natürlich der Kultstreifen „Fear and Loathing in Las Vegas“. „Bis an die Zähne bewaffnet“ mit Drogen, heißt es da am Anfang. Und ich denke mal, dass Mucki es auch ist. „Bis an die Zähne bewaffnet.“ Also ein paar Gramm irgendwas. Mindestens ein paar Teile (wie Ecstasy landläufig bezeichnet wird).
Kein Grund für mich, um rein zu gehen. Das sind keine besonderen Ereignisse für mich, auch wenn sie in meiner Wohnung geschehen. Drogen sind nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich ist es eher, wenn nichts im Haus ist.
„Kuckuck“, frohlockt Mucki kurz durch die Balkontüre, schiebt seinen Kopf nach draußen, und zieht sich sofort wieder in die sichere Wohnung zurück: „Komme gleich!“
„Wie auch immer“, meinen der fade Whisky und ich. Ich brauche gar nicht hineinlinsen um die Beiden zu beobachten: Das Szenario spielt sich vor meinem geistigen Auge ab. Mathias Feldbakken hat in seinem Zweitwerk „Macht und Rebell“ davon erzählt, dass Männer selten so zärtlich und intim miteinander sind, wie beim gemeinsamen Drogenkonsum; so ähnlich sieht es da drinnen momentan aus. Sie freuen sich ins Gesicht und funkeln sich zusätzlich mit ihren Augen an. Teilen sich weiße, bröselige Linien und einen Geldschein. Dazu den Zustand, und das Geheimnis - welcher Narr würde bei dem coolen Konsumprozedere an die Spätfolgen wie Impotenz, Größenwahn oder Herzkreislauf-Probleme denken? Drogenkonsum ist ein Gesellschaftsakt. Der überall und nirgends vollzogen wird. Momentan von zwei dürren Typen mit nacktem Oberkörper in meiner Wohnung. Mucki würde in der gleichen Gewichtsklasse wie Bobby boxen, wenn nicht gar darunter: Im Mückengewicht. Wäre ich gezwungen Mucki zu beschreiben, würde ich den Vergleich der lustigen, kinderfreundlichen Comic-Figur verwenden. Dieser Liebenswerte, der ein wenig einen Schlag weg hat.
Von drinnen das „HACKhackHACK“ der Scheckkarten.
Ich: „Hey! Nicht auf dem Glastisch!“
Von drinnen: „Reg dich ab. Der steht gut. Neulich haben die Bullen Kumpels von mir via Baukran ausgespäht und eingebuchtet. Das ist sicherer.“
„Schön für euch, aber ihr versaut mir den ganzen Tisch.“ Pep macht Flecken auf Glas. Zwar können die abgewischt werden, aber: „Ich mag das nicht. Das wisst ihr ganz genau!!“
„Wofür hast du denn einen Glastisch?“
Pause.
Hm.
Dann.
„Arschlöcher!“
Gefolgt von Gejammer von drinnen: „Gott brennt das Zeug…“ Der erwähnte tolle und coole Prozess des Drogennehmens. „Ich brauch was zum Runterspülen!! Das brennt mir ALLES zusammen!!“
Der Andere: „Haha, du weinst ja gleich!“
„Sehr interessant“, murmle ich meinem Fake-Tennessee-Whiskey für 5,99 ins Ohr.
„Macht wenigstens mal den Sound an da drinnen!“
Sie wählen „Drogenkontrolle“ von Glove. In der auf Cocoon-Records erschienen Platte ist ein Dialog enthalten, in dem zwei Freunde noch schnell ihre Drogen nehmen, bevor der Club, in dem sie sich befinden, durchsucht wird.
„Klischeehafter geht es wohl nicht!” kichere ich in meine Wohnung hinein, und warte auf die „Ich gehe jetzt Tanzen“-Stelle. Wie der Beat da einsetzt, genial…
„Jetzt kommt mal wieder raus, ihr Druffköppe!!“
Als Erster kommt Bobby auf den Balkon. Mit panisch entspannten Augen und seiner Espressotasse in der Hand. Er setzt sich auf seinen Platz neben mich – unsere Ordnung heißt „Gewohnheit“.
Mucki streckt wieder seinen Kopf zu mir hinaus und quakt mich in einem infantilen Tonfall an (als ob das irgendwas ändern würde): „Kann ich auch ´n Wodka ham?“
Ich: „Nein.“ Oh, habe ich schon erwähnt, dass ich ein selbstverliebtes, launisches und unfaires Arschloch bin?
„Ach, komm schon“, wimmert der Kinderstimmenimitator. „Bitte!“
„Arbeit gefunden?“
„Nein, aber gesucht! Und dein Geld bekommst du bestimmt auch bald.“ Er lacht mir ins Gesicht wie ein Hund, der das Stöckchen präsentiert. Wuff! Hehe!
„Verdammt, dann nimm dir Einen.“ Oh, habe ich erwähnt, dass ich zudem nicht gerade konsequent in meiner Unfairness bin?
Mucki kommt mit einem Glas Wodka, ein „richtiges“ Glas (Füllmenge 0,33 Liter), nach draußen – da zeigen sich die moralischen Unterschiede… Dann quakt er Bobby an:
„Hast du mal `ne Kippe für mich?“
„Nein! Du Schnorrerzecke.“ Und zu mir gewandt. „So macht man das.“
Daraufhin pult Mucki im Aschenbecher herum, fischt sich eine fast ganz abgebrannte, aufgeweichte
Tschick heraus, und versucht sie sich anzuzünden.
Mucki: „Alter, was machst du da?“
Ich: „Ach, der raucht immer die Kippen, die du weggeworfen hast. Sonst bist du nur nie dabei.“
„Du rauchst meine weggeworfenen Kippen??!“
„Klar, sind doch noch gut.“
Ich: „Sogar nachdem der Aschenbecher im Regen stand…“
„Alter… Hier: Nimm Eine.“
Ich: „Siehst du. So macht man das.“
Mucki wohnt „momentan“ wieder bei seinen Eltern. Er musste erneut seinen Führerschein abgeben (wie er den zwei Mal nach zwei MPUs wiederbekommen hat, ist mir bis heute unbegreiflich - ein drittes Mal scheiterte bisher am Geld). Und wurde aus seiner Arbeitsstelle entlassen. Zudem strich ihm die Arbeitsagentur das Arbeitslosengeld, da er einen Alkoholentzug machen sollte, was er aber ablehnt. Der Grund für all das ist derselbe wie für seine Frohnatur: Der Väth würde vielleicht sagen: „Ihm schmeckt es auch. Sehr sogar.“
Dabei ist bekannt: Einseitige Ernährung ist schädlich.
Würde er sich als „Opfer“ bezeichnen, würde ich ihm den Hals umdrehen…
Mitleid ist ein Verbrauchsgegenstand.
Ich zu Mucki: „Und, wieder verprügelt und in ein Maisfeld geworfen worden?“ Wie bei der Bundeswehr: Der Blick frei geradeaus.
Mucki zu mir: „Du erzählst die Geschichte falsch. Ich bin an einem Maisfeld vorbeigelaufen, und da saßen ein paar Russen drin. Mit denen habe ich dann eine Flasche Wodka getrunken. Später hat mir einer aufs Maul gehauen. Einfach so. Und dann sind wir in die Kneipe.“
Bobby: „Scheiße. Du hast dir aufs Maul hauen lassen, und bist dann mit denen mit? Ich weiß gar nicht, wen ich schlimmer finden soll. Die ungebildeten Deutschrussen oder dich…“
„Ja klar. Was ist denn dabei? (Pause) Kommt. Lasst und spazieren gehen!“
Bobby und Ich: „Nein.“
Bobby: „Warum du immer in der Gegend herumrennen musst…“ Er mustert Mucki von oben bis unten und nickt mir dann grinsend zu: „Eins zu Eins.“
Mucki: „Hab halt Bewegungsdrang.“
„Dann tanz.“
„Ok.“ Wir trinken. Und neben uns tanzt einer. Die Mittagspause ist vorbei. Doch der Ernst des Lebens lässt auf sich warten.
Mucki hört auf zu tanzen, greift nach vorne, als würde er den dünnen Hintern einer Unsichtbaren umfassen (bei dieser Handhaltung scheiden erwachsene und nicht asiatische Frauen zwangsläufig aus) und schwingt dazu in einem imaginären Penetrationsrhythmus seine kaum vorhandene Hüfte. Dazu johlt/stöhnt/lacht er: „Yeah! Woh! Muahaha! Du geile Sau!“
Ich gucke mir das so an. Meine Gesichtszüge sind wie aus Stein gemeißelt. Plötzlich bin ich ungeheuer neidisch auf das Fantasie- und Fabelwesen Mucki. Sich einfach gehen und treiben lassen, das lebt er mir immer wieder vor. Konventionen brechen, sei es auch nur im Kleinsten. Und das Leben als das nehmen, was es ist: Unerschöpflich.
„Uahaaha! Oh Baby! Fühlt sich das gut an?“ Er haut der Unsichtbaren während der Kopulation auf ihren Hintern, erst mit der Innen-, dann mit der Außenseite seiner rechten Hand.
Einfach mal tagelang durchsaufen und feiern wie er, um dann bei irgendwelchen Leuten aufzuwachen, die man gerade erst eine Nacht oder zwei Stunden zuvor kennen gelernt hat: In der Kneipe. Am See. Bei Freunden. Und Feinden. Oder auf der Straße. In Telefonzellen. Oder Bahnunterführungen… In den Tag hinein leben. Mit der Sonne im Herzen. Und auf das ganze Kastensystem Deutschlands scheißen. Toleranz bis zur Selbstaufgabe – Kategorisierer müssen draußen bleiben.
Ein Typ, der nie konservativ ist.
Einmal hat er mich mit der Aussage überrascht, dass man, wenn man konservative Züge annimmt, nicht erst in dem Moment und Zeitraum konservativ wird, sondern es in Wirklichkeit die ganze Zeit über und sein Leben lang war, auch wenn es tief drinnen in einem versteckt geblieben ist, bis jetzt; möglicherweise sogar vor einem selbst verborgen:
Wie hätte ich mich dadurch nicht angesprochen, getadelt und entblößt fühlen sollen?
Und da der Mann psychisch so gebaut ist, verbalisiert er seine Hochachtung, seinen Respekt und
seine Anerkennung mit den (im gegenwärtigen Moment) einzig richtigen und ehrlichen Worten:
„Du bist echt der König der Homosexuellen.“
Mucki lacht und meint: „Anderen Sound rein tun.“
„Ja, mach mal Boys Noize rein.“
„Nein. Ach Mensch. Lass uns doch ein wenig KlickerDiKlacker hören…“
„Nein, nicht diesen Mnml-Dreck.“
„Komm schon.“
„Ich bin schon da. Und zwar bei MIR zu Hause.“
„Ja, ja…“ Und natürlich klickt er doch ein Minimalgeklacker-Set von Ellen Alien an…
Von drinnen:
„Yeah!“
Pause. Dann die Kinderstimme: „Kann ich noch mal´n Wodka ham?“
„Nein.“
Bobby und ich stoßen grinsend an.
„Wusstet ihr, dass dieses Anstoßen auf die alten Germanen zurückgeht? Wenn die mit einem Feind Bruderschaft getrunken haben, wurde extra so derb angestoßen, dass von deinem Trinkhorn in das des vermeintlichen Feindes der Met übergeschwappt ist, so dass das Gift aus deinem Horn, wenn denn eines drin war, auch im Horn des Anderen gelandet ist, und der dann auch vergiftet wäre. Da hat man dann gemerkt, ob man gefahrlos bechern kann.“
Mucki zu mir: „Du steckst echt voller unnützer Informationen. Jetzt lass mich auch Wodka trinken, damit ich weiß, ob du mein Freund bist.“ Zwinkern.
„Nein.“
Und dann lehne ich mich zurück und schalte einfach ab. Lass die Beiden miteinander quasseln wie zwei „Furbys“; der Dialog ähnelt auch dem Gespräch zweier Aliens aus „Mars Attacks!!“ (ACK!ACK!ACK!)…
Heute Abend dann also wieder ab in den Club…
Wir sind die Zweitgeborenen des Techno. Als wir die Sachen entdeckten, war alles schon da:
Die Musik. Die überteuerten Clubs, mit ihrer menschenverachtenden Türsteherpolitik. Die überbezahlten „Super“-DJs (die Gilde der Topplayer hat sich in den letzten 10 Jahren so gut wie überhaupt nicht gewandelt). Und die kirmesartigen Megafestivals. Das alles ist nicht auf unserem Mist gewachsen. Sondern, um bei der Redewendung zu bleiben, wir bestellen nur den uns vorgegebenen Acker. Von einer Vorreiterrolle können wir nicht sprechen. Unser Tun weist keine Form von Kreativität auf (ich spreche vom normalen Partybesucher, nicht von den paar Prozent, die wirklich etwas mit der Musik und deren Gestaltung zu tun haben). Dennoch haben wir uns die Sache einverleibt. Viele von uns haben selber begonnen Platten aufzulegen, Musik zu produzieren (dem idiotensicheren „Abelton“ sei Dank), oder kennen sich mindestens mit der Musik und deren Gesetzen aus (es gibt ziemlich rigide Regeln im Themenbereich Techno, doch das Schöne ist, dass diese nur eine begrenzte Zeit anhalten und dann verworfen werden). Wir haben uns in das Gefüge integriert und es akzeptiert. Der normale Dancefloor-Besucher ist kein besonders großer Kritiker…
Dabei gibt es schon eine dritte Technogeneration, die die Zeiten des von mir so geliebten progressiven Technos gar nicht mehr kennen, und auf eine bestimmte Art gar nicht mehr verstehen kann - oder will.
Doch ganz egal welcher Generation, welcher Kategorisierung Du auch angehörst: Wir suchen alle dasselbe. Nicht die beste Party. Das beste Set. Oder der geilste Track zur richtigen Zeit. Was wir suchen ist nicht weniger als die große Liebe. Die erste einzige, größte, doch verlorene Liebe…
Denn das, wonach wir uns sehnen, liegt nicht in der Zukunft, sondern in der Vergangenheit. Wir suchen diesen einmaligen Moment in unserem Leben, jenen, der uns verändert hat: Als es da und da, mit dem und dem, beim so und so, im hier und da, auf diesem und jenem, so unglaublich absolut dermaßen nicht verbalisierbar geil gewesen war, dass wir uns in diesen Moment, diesen Augenblick unsterblich verliebten. So böse und schlimm sogar, dass wir auf jeder Party immer wieder – sei es auch nur unbewusst – ihn immer wieder suchen. Diesen geliebten Moment. Diesen Höhepunkt unseres Partydaseins. Unseren Ursprung.
So ziehen wir wie die Kreuzritter von Party zu Party. Wir durchforsten die Clubs und die Festivals. Stadt für Stadt. Nacht für Nacht... Doch wie in einer Parodie der Geschichte des Hasen und des Igels, ist der geliebte Augenblick immer nur flüchtig zu erahnen, jedenfalls nie lange genug, um unseren Liebesdrang zu befriedigen. Er ist verflogen, bevor wir ihn greifen und fassen können. Doch haben wir ihn einmal gefunden, laben wir uns umso mehr an ihm…
Kein Wunder, dass in meinen Regalen einige Dokumentationen über Techno stehen.
Echte, gekaufte DVDs. Unzähligen Dokumentationen über Techno - meistens geht es darum, wie alles begann. Die Idee ist: Da man das Gefühl von Techno nicht beschreiben kann, erzählen die Protagonisten von damals und heute (meistens die DJs oder Club-Betreiber), wie sie alles erlebt haben, diese außergewöhnliche Zeit, in der die Jugend Deutschlands und natürlich vornehmlich Berlins den Traum von einer besseren Gesellschaft träumte; in diesen Zusammenschnitten wird immer wieder die gleiche Wahrheit ein wenig anders vertont und bebildert, dieses „Damals-war-ALLES-besser“ und am Ende klopfen sich alle Musiker und Aktiven gegenseitig etwas auf die Schultern; fein haben wir das gemacht. Selten kommt da Kritik auf und dann geht es auch nur um dieses olle Kommerz vs. Underground-Gedöns. Ich besitze einige von den Dingern. Nur. Mit mir hat das nichts zu tun.
Als ich dazukam, da gab es diesen ganzen Wahnsinn schon. Die Clubs, die DJs und den Sound. Deswegen gehen diese Geschichtsstunden an mir und meiner Persönlichkeit vorbei. Trotzdem guckt man das gern, da es FAST das ist, was man ist und selbst gerne macht…
Dann sind da auch noch Dokumentationen über gewisse „Kult“-Clubs, die ebenfalls in weiten Teilen nur Selbstbeweihräucherung sind, da man mit Worten diese Schönheit, die man sich dort erlebt und ertanzt hat, nicht greifen kann – das klingt dann nur für diejenigen geil, die wirklich in diesem Club waren und dann erfüllt das Ganze im Prinzip auch nur den Zweck eines Nostalgie-Pornos.
Apropos Porno: Von Ibiza mit ihren „unglaublichen“ Partys schwappen jedes Jahr immer mehr gefilmte DJ-Gigs ins Netz. Einmal von der Kommerzialisierung des alljährlichen ibizenkischen Sommers abgesehen und dass dort ohnehin nur die „Schönen und Betuchten“ feiern gehen, transportieren die Bilder aus den dortigen „besten Clubs der Welt“ nur die Message des Sexes. Es werden fast immer nur hübsche Frauen beim Tanzen gezeigt – und natürlich Superstar-DJs wie z.B. Carl Cox. Der Carl ist zwar ein göttlicher DJ, doch diese Mitschnitte sind im Prinzip nicht mehr als Onaniervorlagen für die druffen Daheimgebliebenen, die die geilen Weiber in den Clubs anglotzen, während die Jungs es selbst nicht vom Sofa geschafft haben. Bobby, Mucki und ich wären in solchen Produktionen niemals zu sehen, da ich einfach nicht fotogen genug für diesen Blick auf die Szene bin. Schönheit gehört zu den Dingen, die wir alle gerne sehen. Nur. Nur hat Schönheit nicht besonders viel mit der Wahrheit zu tun. Zwar ist sie ein Teil der Wahrheit. Doch wenn die Hässlichkeit der Normalität, wenn die Wildheit der Durchschnittlichkeit draußen bleiben muss, dann hat das nichts mit Techno und seinem Freiheitsgefühl zu tun.
Wahr ist: Wer die Macht über die Bilder hat, hat auch die Deutungshoheit. Nur ist Feiern mehr als Sex. Es ist besser als Sex. Es ist reiner. Die transportierten Bilder sind also ein Missverständnis. Eine Teilwahrheit. In der wir nicht vorkommen. Auch nicht vorkommen WOLLEN. Unsere Wahrheit ist nicht vorzeigbar und kann auch nicht abgefilmt werden.
Über uns gibt es keine Dokumentationen. Niemand will unsere Fressen sehen. Unsere Aussagen sind viel zu banal und tausend Mal schon gehört. Doch wir sind es, die dem ganzen Scheiß seit über 10 Jahren, Wochenende für Wochenende, die Stange halten. Ohne uns gäbe es das Ganze nicht. In den Dokumentationen hingegen geht es nie um uns. Wir sind Underground im Underground im Underground. Da wir eben nicht wie Sven Väth um die Welt jetten und vor den schönsten Kulissen der Welt tanzen, sondern im grauen Ruhrgebiet oder im biederen Baden Württemberg. Das ist nicht schön genug, ganz gleich wie wahr und elementar es für die Szene auch sein mag.
Bobbys Handy spielt seinen Klingelton ab: Daft Punks „Human After All“.
Er lacht in dieses winzig kleine technische Meisterwerk und spricht: „Ja klar. Is‘ ja heftig. Du bist so fertig. Bis dann, Dicker.“
Mucki: „Der Fettsack?“
Bobby: „Jupp. Der braucht nächste Woche Hilfe beim Umziehen. (Pause, dann Lachen.) Der hat mit dem Kiffen aufgehört, und weil ihm so langweilig war, hat er den Waffenschein gemacht (ahmt die Stimme eines bekifften Typen nach) Und jetzt kauf ich mir die Wumme von Hitmän! Hähähä!“
Mucki: „Gott, ist der kaputt.
“Nein“, Bobby nippt an seiner Tasse. „Der ist super. Wenn es den nicht geben würde, müsste man ihn erfinden.“
„Wenn der jetzt nicht mehr lötet, was macht der dann mit dem Vaporizer?“
Typisch. Der Godfather, der Kifferkönig ist tot, und sofort streitet sich die Nachkommenschaft um sein Erbe.
Vor meinem geistigen Auge sehe ich schon meine Enkel und Kinder, wie sie mir Tabletten in den Mund schieben, damit ich schneller abkratze, und sie endlich mein Vermögen unter sich aufteilen können. „Nein, nicht immer halbieren“, höre ich die Krankenschwester jammern…
Ein Vaporizer ist ein Gerät zur Inhalation von Kräutern. Das zu rauchende „Kraut“ wird auf kleinen Schalen erhitzt, und der dadurch gewonnene Rauchextrakt wird in Plastiktüten gespeichert, aus denen er dann inhaliert wird.
Der Fettsack hatte seine Schalen mit den verbrannten Resten immer einfach auf dem Boden herumliegen lassen, woraufhin seine Katzen die verbrannten Reste fraßen, was wiederum zur Folge hatte, dass die Tiere immer stoned in der Wohnung herumlagen. Die lagen nur noch vor dem Fernseher – blinzelten nicht einmal mehr – und standen nur auf um zu scheißen, zu fressen und etwas verbranntes Gras zu futtern – dem Fettsack in gewisser Hinsicht nicht unähnlich. Der Fettsack ist auch einer der wenigen Menschen, die ich kenne, die nachts aufstehen, einen Topf rauchen und weiterschlafen. Eine Droge ist eine Droge. Synthetisch oder nicht. Auch wenn viele Ignoranten (ist doch „natürlich“) das nicht verstanden haben; es geht nicht um Legalität.
Bobby: „Kein Plan. (Nachdenklich) Normalerweise Lachen wir immer ziemlich viel zusammen, der Fettsack und ich, aber als ich das letzte Mal bei ihm war, kam gar keine Stimmung auf. Vielleicht bin ich auch gar nicht witzig – und nur die Kifferei hat für ihn aus meinen schlechten Witzen gute
gemacht. Und jetzt wo er aufgehört hat…“
Ich: „So ein Quatsch. Der wird halt Entzugserscheinungen gehabt haben.“
Mucki, ungläubig: „Wie jetzt?“ Ganz fassungslos beäugt er mich. Als könnte man von Drogen Entzugserscheinungen bekommen... So ein Unsinn…
Passt etwas nicht ins Muckis Weltbild, reagiert er mit Entgeisterung. Als er mich einmal anrief, und mich fragte, was ich denn so mache, meinte ich: „Lesen.“ Worauf er das Wort wiederholte und dabei schier unendlich in die Länge zog: „Leeeeeeeeeeeeeeeseeeeeeeeeen?“ Als wäre es das Dümmste und Überflüssigste, was man machen kann. Lesen? So ein Blödsinn…
Bobby, noch immer nachdenklich: „Ob DER eine Waffe haben sollte?“
Mucki: „Der erschießt bestimmt nur die Bösen.“
Bobby: „ Mucki, WIR sind für die meisten konservativen Spinner die Bösen.“
„Hm…“ Hand ans Kinn, Kinderstimme. „Kann ich noch´n Wodka ham?“
„HerrGottverdammtnochmal!!!... Ja…“
Er: Auf und rein. Wir hören das schnelle „GLUPglupGLUP“ wie sich der Wodka in das Glas erbricht.
Bobby: „Du konditionierst den vollkommen falsch.“
Schulterzucken. „Mag sein.“
Blick aufs Handy, um die Uhrzeit zu checken. Der Tag kommt nicht in Gang… Es ist Zeit, schwere Ideen aufzufahren: „Sollen wir irgendwo in einen Biergarten oder Café gehen?“
Beide: „Später. Gerne.“
Richtig. Noch müssen sie sich in ihren richtigen Zustand katapultieren, noch muss gezogen werden
und das geht in einem öffentlichen Biergarten eher schlecht.
Aber ich sollte etwas langsam mit dem Alkohol machen… Wäre ich wie Bobby und Mucki auf Amphetaminen, könnte ich eine Flasche Wodka in zwei Zügen leeren, nur um danach die Nächste zu ordern. Das Einzige, was mich bremsen könnte, wäre Geldmangel – wie in ihrem Fall.
Und dann dieses Ding mit den Frauen-Schrägstrich-Mädchen. Das würde nur anstrengend werden. Die Droge regt die Libido an und ich wage zu behaupten, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht einmal das Aussehen der anwesenden Damen eine wirkliche Rolle mehr spielt, wenn genug Amphetamine im Spiel sind. Wie bereits oben erwähnt, führt der Konsum von Speed zu Wahnvorstellungen, d.h. zu Realitätsverlust. Der Faktor „Frau“ wirkt sich in diesem speziellen Fall wie ein Katalysator auf den männlichen Probanden aus; die natürliche Chemie eines Männergehirns wird von Natur aus gestört, wenn eine (hübsche) Frau, oder besser, ein (hübsches) Mädchen anwesend ist. Auf Pep führt der Faktor „Frau“ oft zu Größenwahn. Alle möglichen Indizien und Indikatoren, alle Impulse und Reize, die die „Frau“ aussendet (bewusst oder nicht), können dann ziemlich schnell fehl gedeutet und interpretiert werden. Mann sieht dann das, was Mann sehen will... Dieses Verhalten ist kein Muss, aber ich kenne meine Pappenheimer… Vielleicht, weil ich den Zustand selbst nur allzu gut kenne.
Dazu natürlich die offensichtliche Drogensucht der Beiden. Wobei es immer wieder erstaunlich ist, wie wenige Leute sie im Endeffekt durchschauen. Zwar tragen sie dieses offensichtliche Geheimnis wie ein riesengroßes Zeichen mitten im Gesicht (in den Augen, in der Gestik, in der nasalen Tätigkeit), doch nur wenige haben die Fähigkeit (oder den Willen) es zu deuten. Unwichtig zu ergänzen, dass sie sich nicht besonders intelligent anstellen…
Aber sie sind meine Freunde. Und ich stehe zu ihnen. Auch wenn es nicht immer leicht ist. Ich weiß, woher ich komme. Doch selbst das Universum scheint seine Grenzen zu besitzen.
Klar. Wir sitzen hier locker-flockig auf meinem Balkon, amüsieren uns, wippen leicht vor uns hin, zu den Rhythmen des Sounds, der Drogen und des Alkohols; drei verlorene Jungs Ende Zwanzig: Dies ist der sichtbare Bereich.
Der unsichtbare Bereich ist der Private. Die ganzen Spätfolgen und die soziale Kaputtness - der Preis, den ein Amphetamin-Junkie an der Bar des Lebens zu zahlen hat. Und ob er will oder nicht: Er gibt immer reichlich Trinkgeld.
Sei es in den schlaflosen Nächten, wo man nicht „runterkommt“, in der Angst vor dem folgenden Tag in der Arbeit, der wieder einmal ein Meisterstück des Versagens werden wird: Versprochen (schön dargestellt im genialen Chemical Brothers Video „Let forever be“) , denn irgendeinen Blödsinn wird der Restverstrahlte in seiner Doofness gepaart mit Schlafentzug garantiert fabrizieren.
Dazu natürlich die Depressionen, die Paranoia und der Wahnsinn - das Gehirn verkraftet es einfach nicht, ewig wach zu sein - Dehydrierung, Gewichtsverlust und die Lügen: Am Ende des Tages hat man sich selbst meistens mehr belogen, als alle die man lieb hat – nur fällt es einem bei den anderen mehr auf.
Über einen längeren Zeitraum wird das Suchtverhalten immer extrem, dabei: Es gibt niemanden, der nach einer guten Drogenerfahrung nicht ein zweites Mal die Nase in den Honigtopf gesteckt hätte.
Speed ist wie ein Schwamm, der dich über kurz oder lang aussaugt. Dieser Schwamm, dieser Blutegel, dieser… PARASIT frisst einen mit der Zeit von innen her auf. Bei lebendigem Leib. Und wie bei den meisten Parasiten spürt der Wirt davon wenig bis nichts. Bis der Bastard sich vorstellt.
Bastard: „Grüß Gott.“
Du: „Grüß Gott.“
Bastard: „Sie, entschuldigen Sie, aber Ich bin schon vor geraumer Zeit bei Ihnen eingezogen, und Ich muss sagen: Mir gefällt es hier. Ich werde wohl noch eine Weile länger hier bleiben. Nur, ein wenig eng haben wir es hier, wir zwei Hübschen... Könnten wir nicht ein bisschen näher zusammenrücken? Oder Sie einfach etwas weiter weg? Nach da hinten? Ich weiß, da ist es kalt und einsam, aber in dieser Persönlichkeit ist kaum Platz für zwei. Das müssen Sie verstehen. Da muss man Kompromisse machen. (Pause) Aber unter uns: Ich denke nicht, dass wir uns noch lange in die Quere kommen.“ Augenzwinkern.
Dann folgt der lange Ringelreigentanz des Aufhörens.
Heute ist das letzte Mal. Jetzt ist genug. Nie wieder. Na eine noch. Nur ein bisschen. Eine ist keine. Auch wenn es nie bei „einer“ bleibt. Aber was soll‘s?
So kann das dann weiter gehen. Jede Woche. Am Montagmorgen ist der verstrahlte Depp noch voller Motivation („Das war‘s jetzt. Genug ist genug.“), doch schon am Mittwoch beginnt das Selbstsicherheitsgebäude zu bröckeln und Donnerstagabend, spätestens Freitagmittag ist man wieder volldruff – wie ist denn das wieder passiert?
So vergehen dann die Wochen, Tage und Jahre. Die Zähne fallen einem aus und der alte Kumpel Verstand arrangiert sich immer mehr mit dem Bastard, der langsam die komplette Kontrolle übernimmt. Langsam und schleichend. Irgendwie erinnert man sich nicht mehr so richtig an… Irgendwas, und eigentlich besteht das ganze Leben nur noch aus „mit den Drogen aufhören“: „Guten Tag. Ich bin der Paul, und ich höre seit 10 Jahren mit den Drogen auf.“
Oh, schön. Klappt‘s?
Das Suchtgefühl ist vergleichbar mit dem Sprung von einem Hochhaus: Für die Person auf dem Dach spielt der Zeitraum keine Rolle, wie lange sie mit sich kämpft und zögert, bevor sie in den Tod springt. Man kann dort Stunden oder Tage lang stehen. Es ist egal. Relevant und wichtig ist der Moment, die Sekunde der Überzeugung, in der sie sich abstößt. Auch wenn sie im Fallen denkt: „Scheiße, ich will doch leben!“. Es gibt kein Zurück.
Mit den Drogen ist es dasselbe: Die ganzen Überzeugungen, guten Absichten und Kräfte waren ab dem Moment umsonst, in der man eine Sekunde lang nachgibt. Und es gibt viele dieser Sekunden.
Dies ist der unsichtbare Bereich, den die anderen nicht nur nicht sehen können, sondern den man auch selbst gerne übersieht… Er hat mich meine Freundin gekostet.
Ich klicke ein Lied an und gehe wieder auf den Balkon.
„Das Geilste an der Feierszene ist doch, dass es da keine fetten Weiber gibt“, doziert Bobby. „Das ist das Gute an den Drogen.“
„Ja! Bumsi! Bumsi!“ Lacht Mucki und macht mit seiner Hüfte anzügliche Stoßbewegungen.
Ich: „Bumsi? Bumsi? Sag mal hast du sie noch…“
Nach der Stille. Sehen sich Mucki und Bobby wie auf Kommando wie zwei Erdmännchen an.
Dann nicken sie und gehen ohne ein Wort zu verlieren in meine Wohnung. Schon klappern die Scheckkarten auf meinem Glastisch herum. Auch ich gehe hinein. Zum Tanz der Karten. Da wird gedrückt, geschabt und gehakt. Die Brösel in Position gebracht. Gerollt, gelacht und gezogen. Wenn man so darüber nachdenkt, ist es schon ein sehr außergewöhnlicher Akt des Konsums: Eine Substanz einatmen. Wo gibt es denn so etwas bitte schön? Und: Wer hat sich denn das ausgedacht? Muss bestimmt ein Junkie gewesen sein. Natürlich, natürlich.
Was für ein kaputter Akt der Selbstzerstörung. Mit den Jahren habe ich viele Fehler begangen, denke ich mir, während Bobby seinen Schein noch mal neu rollt („Da bleibt ja die Hälfte drin hängen!“), denn ich war nicht anders als meine beiden besten Freunde. Ich tat viele Dinge, auf die ich nicht stolz bin, für die ich mich sogar schäme, auch wenn ich es mir nicht gern eingestehe. Oft habe ich mich aus Selbstsucht wie ein „schlechter Mensch“ verhalten, wohl wissend was ich mache, und was ich mir und anderen damit antue. Ich war ein richtiges Arschloch. Aber ich habe Dinge gesehen und gefühlt, die sich kein „normaler Mensch“ vorstellen kann. Ich habe die Dinge atmen gesehen. Habe leblose Gestände betrachtet und dennoch das Leben in ihnen gesehen. Habe Wahrheiten begriffen und vergessen, die mich an den Rand des Wahnsinns gebracht haben – und doch war es wunderschön. Ich habe die Schönheit gesehen. Die wirkliche Schönheit. In und hinter den Dingen. Habe ekstatische Emotionen durchlebt, die wahrscheinlich für die Götter reserviert waren. Wie hätte ich danach kein Arschloch werden sollen? Der Mensch ist für so etwas nicht gemacht. Kein Wunder, dass wir immer mehr davon wollen und uns damit zugrunde richten.
„Die Kerze, die doppelt so hell leuchtet wie die anderen, brennt nur halb so lang.“
Ausreden und Entschuldigungen gibt es leider keine. Ich schenk mir doch noch mal ein. Auch schon egal.
Die Frau ist weg. Und ich bin noch da. Leider war ich nie bei mir, wenn sie da war. Und jetzt. Wo sie weg ist. Da bin ich bei mir. Nüchtern, so wie sie mich immer haben wollte. Die Sache mit dem Alkohol, die zählt doch gar nicht… Wieso begreift man die Umstände immer erst dann, wenn es zu spät ist? Und weshalb versuche ich durch meine Nüchternheit mir (oder vielleicht doch eher ihr) etwas zu beweisen? Kein Beweis dreht die Zeit zurück… Keine Veränderung macht deine Taten rückgängig.
„Hey! Das ist meine Nase! Du hast doch genug auf deinem Haufen!“ blökt Bobby Mucki an.
„Ja, ich dachte nur wir teilen uns ´ne Line. Ich mach die Nächste…“
„Was geht denn mit dir ab? Du hast doch genug. Wir sind doch hier nicht in einem dieser scheißamerikanischen Filme, in denen eine ganze Schulklasse an einem Dübel zieht, und dann megabekifft ist… Wir machen hier schön Häufchen-Trennung.“ (Grinst und nickt) „Du willst mir doch
nur dein Edelweiß-Scheiß unterschieben.“ (Edelweiß: Wird zum Strecken benutzt).
Zu dem Gepolter und Geboxe des Technosounds aus meinen kümmerlichen PC-Boxen schalte ich meinen Fernseher ein – ohne Ton. Etwas herum geswitcht, dann bei den Nachrichten hängen geblieben. Stumm blicken wir in den Verblödungsapparat, wo gerade der Sport-Teil abgespult wird.
Wir erleben einen Zen-Moment.
Der Fernseher blinkt vor sich hin. Der Sound stampft. Wir gaffen. Die reine Leere in unseren Köpfen.
Und nun, das Wetter.
Die Türklingel: „BUZZZZZZZZZZZ!“
Bobby mit panisch aufgerissenen Augen: „Erwartest du Jemanden?“
Ich: „Äh, nein…“
Wir sehen uns an. Alle drei auf einmal. Gleichzeitig. Keine Ahnung wie das möglich ist, aber es geht. Einen kurzen Moment haben wir wohl alle drei die gleichen Schlagwörter im Kopf: Baukran. Bullen. Hochnehmen. Da-hat-bestimmt-einer-sein-Maul-nicht-halten-können.
Dann bricht diese Schreckensruhe mit einem Schlag in Panik zusammen: Das Gegenteil von „Tischlein-deck-dich“ wird inszeniert. Flinke, wirre Hände kratzen das „Zeug“ zusammen, das jetzt blöderweise halt doch auf meinem Glastisch klebt (Bobbys in ein Briefchen, Muckis in ein leeres, gelbes Überraschungsei), zerknittern die gerollten Scheine, stopfen diese mit den Scheckkarten in die Brieftaschen und ich komme schon mit einem nassen Lappen angesprungen und putze den Tisch ab.
„BUZZZZZZZZZZZZZ!“
Mucki stopft seine Waage in einen Briefumschlag, klebt ihn zu und schreibt eine Adresse darauf.
Bobby: „Was wird das denn?“
Mucki: „BRIEFGEHEIMNIS!“
Ein kurzer Moment ungläubiger Fassungslosigkeit…
Ich: „Gut. Alle auf ihre Plätze? Wehe ihr schiebt mir was unter…“
Beide: Kopfschütteln. Auf dem Weg zu meiner Gegensprechanlage nehme ich mir 5 Sekunden Zeit um mich zu wundern, weshalb sie das Pep nicht die Toilette runterspülen oder sich wenigstens darauf gefasst machen es u tun, anstatt es am Körper zu verstecken – aber so schnell geben sie ihren Stoff wohl nicht auf…
Gegensprechanlage.
Ich: „Hallo?“
Stimme: „Post.“
Ich: „Alles klar.“
Zu den Jungs: „Post.“
Sie: „Puh.“
Und sofort: Tischleindeckdich.
Alles schmeckt gleich noch besser, nachdem man denkt, es verloren zu haben. Vor meiner Türe nehme ich das Paket an, und komme grinsend damit wieder hinein: „Meine Soulwax-DVD ist da!“
Rein ins HD-DVD-Laufwerk.
Wir sehen uns das Intro der Doku-DVD an, das „So Me“ von Ed Bangers Records gestaltet hat, doch dann entscheide ich mich für das Live-Konzert. Für einen Film sind wir jetzt nicht aufnahmefähig genug. Meine Kriminellen und ich. Auch wenn es um die Miterfinder des in diesen Tagen so genannten Electro geht. Während wir plaudern und die verschwitzten, weiß gekleideten, alten Männer und ihre jungen Fans betrachten, driften meine Gedanken ab.
Der Mensch ist noch nicht bereit für den Weltraum. Auch nicht für die moderne, technologische Welt. Wir Menschen sind Neandertaler in Nadelstreifen. Unser Verstand kann nicht mit der Entwicklung mithalten. Alles geschieht viel zu schnell. Es überfordert uns. Durch die Globalisierung, sowie durch die multimediale Vernetzung wird der Mensch zu einer Karikatur seiner selbst.
Gerade noch saßen wir in Höhlen und Dörfern. Bestellten die Felder, jagten und hüteten das Vieh. Begannen das Feuer zu beherrschen und die Sterne zu deuten. Dann wurden schon die Pyramiden gebaut und das World Trade Center dem Erdboden gleich gemacht. Eben noch saßen wir um ein Feuer herum, teilten Fleisch und Brot. Unser Hab und Gut. Wir waren Menschen unter Menschen, die ihre Rolle kannten. Wir waren unter Unseresgleichen. Natürlich gab es auch die Hübschen, die Fähigen, die Reichen, sowie den ganzen Rest. Aber bis zu einem gewissen Punkt war das normal. Es war das gewohnte Gefüge. Eine selbstverständliche Hack- und Rangordnung. Da waren keine Superstars. Keine Bonzen und Oligarchen. Auch keine Toppmodels. Keine synthetischen Superdrogen. Nicht einmal hochkonzentriertes Cannabis… Das Leben war normal. Das Dasein war gewöhnlich. Bis vor ein paar hundert Jahren.
Der Adel war schon seit seiner Erfindung dekadent. Es ist das, was ihn auszeichnet. Doch für den normalen Bürger war dieser Zustand, diese Daseinsform nicht greifbar. Der Bürger konnte sich danach sehnen, ihn aber nicht erreichen. So war es kein Wunder, dass unter dem Adel die ersten zu finden waren, die sich der ausufernden Trink- und Drogensucht hingeben konnten.
Alkohol und Drogen gab es schon vor dem Adel, und dem System der Herrschaft der Wenigen über Viele. Und natürlich hat sich auch der Pöbel besinnungslos gesoffen. Doch erst durch den Adel entstanden die wahren Ausschweifungen. Sei es im alten Griechenland. In Rom. Oder im Vatikanstaat. Sie konnten es sich leisten UND mussten nicht arbeiten – dass sind zwei sehr wichtige Komponenten.
Unser gegenwärtiger „neuer Adel“ ist von der Art, wie der Pöbel ihn sich geschaffen hat: Diese Rock- und Filmstars. Die ganzen Fernsehsternchen, Models und Fabrikanten. Durch ihre oftmals abartige und dekadente Lebensweise, durch ihre Ausschweifungen, leb(t)en sie uns unsere Träume und Möglichkeiten vor. Wie Keith Richards, der ab einem gewissen Punkt unantastbar war. Kein Wunder dass die Leute genauso sein wollten. Der Adel muss nicht mehr reinen Blutes sein. Er entspringt den normalen Gesellschaftsstrukturen, vom Pöbel über dem Mittelstand wurde alles möglich, wenn man nur gut aussah und ein paar Zeilen in eine Kamera wiederholen oder eine Gitarre halten konnte. Das waren die Vorbilder. Das waren die neuen Helden.
Und was unterschied uns denn schon großartig von denen? Könnten wir nicht alle Rockstars sein? Zwar stehen wir auf keiner Bühne. Schreiben keine Songs. Und ganz sicher werden wir nicht von Groupies gejagt. Jedoch ist unser Lebensstandard, unser Vermögen und Konsumverhalten auf einem Level angelangt, der dem früherer Popstars gleicht: Wir können unser Leben ohne große Sorgen und Nöte leben. Ohne eines Gefühls der Angst vor dem Morgen. Das korrumpiert uns. Denn während einstmals der Müßiggang und der Rausch einer Elite vorbehalten waren, hat sich die Verdoppel- und Verdreifachung unseres Lebensstandards daraufhin ausgewirkt, dass diese dekadenten Elemente des Lebens für fast alle Menschen in unserer modernen (ersten) Welt zugänglich geworden sind:
Sage mir wie fortschrittlich deine Epoche ist und ich antworte dir, wie sehr die Menschen in jener Zeit dem Rausch verfallen sind.
Wir sind Rockstars, aber wir erkennen es nicht. Wir leben eine elitäre Existenz. Ohne einer greifbaren Angst vor dem Morgen.
Da liegen wir also. Auf meinem 2000 Euro teuren Ledersofa. Sehen auf einem Flachbildfernseher mit einem Meter Bilddiagonale verschwitzten Jugendlichen zu, wie sie „durchdrehen“. Wir chillen. Und knallen uns zu. Wir sind Junkies. Wir sind Rockstars. Und uns ist langweilig.
Ich sage in die Stille unserer Köpfe, in den Lärm der Band: „Dieser Raum ist zu klein für uns.“ (Bobby: „Ähm“) „Lasst uns rausgehen. Ich geb Einen aus. Gehen wir in den Biergarten.“
Nicken. Gute Idee.
Mucki: „Ich geh noch schnell kacken wie ein Bär. Scheiß Pep.“ Reibt sich seinen dünnen Bauch.
Ich: Abgewandtes Gesicht und Wegscheuch-Geste.
Der Fernseher erlischt. Bobby kratzt sein Zeug zusammen.
3
2
1
Und ab.
Schuhe. Schlüssel. Geld. Handy. Drogen - wir drei stehen nebeneinander und machen den
Vollständigkeitsbodycheck.
Dann. Raus.
Das Krankheitsbild im Treppenhaus: Zweimal Grippeerscheinungen und einmal
Gleichgewichtsstörungen.
Mucki stößt die Türe auf, draußen haut uns die Sonne volle Hand ins Gesicht.
Ich fühle mich wie eine panische Kellerassel, die sich sofort wieder verkriechen will. Ich hab es nicht so mit der Sonne.
Mucki und Bobby, beide mit nacktem, dünnen, gebräunten Oberkörper, kommen besser mit der Situation klar. Mucki: „Juchu!! Spazierengehen!“ Sieht einen Vogel und macht: „Kraaaa! Kraaaa!!“
Vogelschwingenbewegungen und -laute. „AHHH! AHHH!“
Ein paar Meter vor uns ist mein türkischstämmiger Hausmeister gerade dabei, den Rasenmäher in Gang zu setzen. Er steht breitbeinig auf einer kleinen Rasenfläche zwischen Nachbarhaus und Gehweg, die meiner Meinung nach keiner neuerlichen Rasur bedürfen würde, doch wie sollte er sonst die ganze Nachbarschaft nerven UND seiner Frau entkommen, wenn er nicht jeden Tag den Rasen mähen würde (nie den GANZEN Rasen auf
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Bildmaterialien: Paul Fleming
Tag der Veröffentlichung: 13.10.2018
ISBN: 978-3-7438-8352-9
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