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Prolog

Sie waren nun schon seit Wochen unterwegs und so langsam machten sich seine alten Knochen bemerkbar. Müde rieb sich Ruan durchs Gesicht um den Staub und den Dreck davon herunter zu wischen.

„So langsam kann ich diese mickrigen Wesen nicht mehr sehen!“, knurrte sein unfreundlicher Begleiter und zerrte grob an den Zügeln seines Pferdes.

Wieso nur hatte sein Lord entschieden, dass diese Ausgeburt einer Schlange mit ihm reiten könne. Von wegen! Ruan hätte schon lange einen neuen Stallmeister gefunden! Aber mit diesem verweichlichten Spinner im Schlepptau, der von seinem eigenen Lord ebenfalls auf die Suche geschickt worden war, kam nur Gejammer, Genörgel und Aufforderungen zu Pausen.

Und so etwas sollte ein Krieger sein?! Selbst der schwächlichste Stallbursche auf ihrer Burg hielt mehr aus als dieses Aas.

Schnaubend stieß der alte Mann die Luft aus. Vielleicht hätte er doch den einarmigen Greis aus dem letzten Dorf mitnehmen sollen. Schließlich hatte der schon einmal gewusst, wo bei einem Pferd hinten und vorne war. Ein freudloses Lächeln erschien auf Ruans Lippen. Nein, sein Lord hätte ihm Feuer unter seinem knorrigen Hintern gemacht, wäre er mit so einer Gestalt aufgetaucht. Nur das Beste war gut genug für Lord Ragnos. Und ein einfacher Mensch war nicht das Beste, aber diese Rasse verstand sich merkwürdigerweise am besten mit den hübschen Rössern. So musste sein Lord wohl oder übel in den sauren Apfel beißen und, nachdem der alte Stallmeister den Jahren erlegen war, einen neuen Menschen finden, der sich um die Pferdeherden kümmerte. Und da kam er, Ruan, ins Spiel. Der alte Drache mochte die Menschenrasse und beobachtete gerne deren Treiben. Außerdem gehörte er mit zu den engsten Verbündeten seines Lords und genoss daher dessen Vertrauen. Würde Ruan niemanden finden, dann würde auch kein anderer Drache dies tun.

„Lass uns endlich eine Pause machen!“, knurrte Shindra, sein Begleiter. Der blonde junge Mann gehörte zu Lord Kahndris Gefolge. Kahndris war ein Cousin von Lord Ragnos, wobei sich die beiden nicht sonderlich gut leiden konnten. Der andere Lord war brutal, rachsüchtig und erfreute sich an den Qualen anderer, kurz um: Ruan hasste den Typen aus tiefstem Herzen. Anders als sein eigener Lord, fand Kahndris Gefallen an den Menschen, oder vielmehr an ihrer körperlichen Schwäche.

Shindra war von dem Monster beauftragt worden ein neues Weib für die Küche zu finden, da eine der Mägde durch unerklärliche Weise umgekommen war. Ruan rümpfte die Nase, wohl eher durch einen unerklärlichen Wutausbruch des Lords.

„Nein.“, erwiderte Ruan nach einer Ewigkeit auf die Frage und sah endlich in der Ferne ein kleines Dorf auftauchen.

„Das kann nicht dein Ernst sein! Wir haben seit Tagen keine richtige Pause mehr gemacht!“ Shindra fuchtelte wild mit den Armen in der Luft herum, deutete auf seine vor dreckstarrende Kleidung, auf seine wirren Haare und ihre Umgebung.

„Ich brauche ein Bad!“, donnerte er weiter.

„Wenn du nicht gleich deine sabbernde, speichelleckende Zunge ruhig hältst, dann reiß ich sie dir raus.“, knurrte Ruan genervt und sah mit Genugtuung, wie sein Begleiter erschrocken zusammen zuckte. Ohja, Ruan war zwar nicht mehr so wendig, aber dennoch stärker und erfahrener als dieses Würmchen von einem Drachen.

„Dahinten ist ein Dorf, da machen wir Rast.“, erklärte er und trieb sein Pferd zur Eile an. Hoffentlich würde er dort endlich seinen Stallmeister finden! Noch viel länger und er sähe sich gezwungen, die Welt von diesem Winzling zu befreien.

Der Stallmeister

Gähnend schulterte ich meinen Bogen, ergriff die Zügel von Andros und machte mich auf den Heimweg. Die Jagd war heute mehr als gut verlaufen. Zwei Hasen, drei Rebhühner und sogar einen Kumrani, einen Fisch so groß wie ein Ferkel, hatte ich heute erbeutet.

Ich war nun schon seit dem Anbruch der Dämmerung unterwegs, mittlerweile stand die Sonne jedoch schon weit oben am Himmel. Uh, dass würde Ärger geben. Mein Vater wollte nicht, dass ich alleine Jagen ging. Weshalb auch immer.

Als ich endlich den Wald hinter mir gelassen hatte, zog ich mich in den Sattel des kleinen Schimmelhengstes und trieb ihn zu einem ruhig Galopp an. Schnaubend schüttelte Andros den Kopf und machte einen kleinen Bocksprung. Lachend klopfte ich ihm den Hals.

„Nicht so stürmisch, sonst verlieren wir noch unsere Beute.“

Als wir über einen schmalen Hügel ritten erstreckten sich unter mir die Felder und Wiesen meines Vaters. Der kleine Hof lag mitten in die Idylle eingebettet. Mein Zuhause.

„MO!“, in einem waghalsigen Tempo donnerte ein Reiter auf mich zu und hielt seine wild zappelnde Stute knapp vor mir an.

„Verdammt wo warst du? Wir haben uns Sorgen gemacht!“ Leroy, mein jüngster Bruder, er war nur vier Sommer älter als ich, schob sich fahrig eine seiner braunen langen Strähnen hinters Ohr.

„Ich war jagen.“, erklärte ich ihm und deutete auf meine Beute. Seine Augen wurden groß, dann schüttelte er lachend den Kopf.

„Ein guter Fang, wird Vater aber nicht beruhigen. Na komm, bevor er und Jerry sich noch an die Kehle gehen.“

Jerry war mein ältester Bruder, er war 27, hatte ebenfalls die braunen Haare meines Vaters, trug sie jedoch in einem Zopf und neigte dazu sich mit unserem alten Herren zu streiten. Neben den beiden Schwachköpfen hatte ich noch einen Bruder, 25, Ian. Er hatte, genau wie ich, die blonden Haare meiner Mutter geerbt, wobei seine jedoch sehr kurz geschnitten waren.

Ich war die einzige Frau in dieser Familie, da meine Mutter starb als ich 5 Jahre alt war. Seitdem wurde ich von Männern groß gezogen, welche es sich zur Aufgabe gemacht hatten, mich vor allem und jedem zu beschützen. Ich lernte reiten, jagen, fischen, kämpfen und noch allerlei andere nicht frauentypische Dinge. Meine blonden Haare gingen mir knapp bis über die Ohren und standen wirr in alle Richtungen. Da ich kleiner war als meine Brüder und dank meines zierlichen Frauenkörpers, dachten die Meisten ich wäre nur ein Stallbursche, gerade mal 15 Sommer alt. Wenn überhaupt. Meinen Körper versteckte ich in schlabbrigen Hosen und weiten Hemden. Das einzige was mich wirklich zu dieser Familie gehören ließ, waren die dunklen blauen Augen, die wir alle besaßen.

„Wer ist das?“, zischte Leroy und bremste seine Stute in einen ruhigen Trab. Ich folgte seinem Blick und sah meinen Vater, Jerry und Ian auf dem Hof stehen und sich mit zwei großen Männern unterhalten. Kopfschüttelnd deutete mein Vater auf meine Brüder und fuchtelte dann empört mit den Händen in der Luft herum. Er war aufgebracht.

Als wir näher kamen richtete sich der Blick der Fremden auf Jerry und mich und ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.

„Drachen.“, knurrte mein Bruder.

Weshalb sie sich in Menschenform verwandeln konnten wusste keiner, dennoch konnten Drachen uns nicht täuschen. Sie waren meist sehr groß, oft sehr hübsch und strahlten fast immer eine unnatürliche Kälte aus. Das was sie jedoch sofort verriet, waren ihre Augen. Drachenaugen besaßen keine runde Pupille, sonder Schlitze, außerdem war die Farbe ihrer Augen entweder unnatürlich hell, oder grauenhaft dunkel.

Der kleinere der Drachen, er war trotzdem so groß wie mein Vater, besaß schulterlange blonde Haare, feine Gesichtszüge, die uns jedoch eiskalt entgegenblickten. Seine Augen waren von einem leuchtenden Grün und starrten uns mit einer Kälte an, dass ich mir am liebsten einen Mantel umgehängt hätte. Im Vergleich zu seinem Begleiter war er schmal und wirkte jung.

Der andere Drache war gut einen halben Kopf größer, hatte schwarze, von grauen Strähnen durchsetzte wuschelige Haare, kantige Gesichtszüge und eine Haut, die von der Sonne braun gebrannt war. Er hätte als Mensch durch gehen können, vielleicht als Söldner, wären seine Augen nicht so dunkel blau gewesen, wie ein See im spärlichen Mondschein. Auf seinen Lippen bildete sich ein freundliches Lächeln, was ihn irgendwie noch unheimlicher wirken ließ. Drachen waren nicht freundlich!

„Weitere Söhne?“, fragte der ältere Drache mit rauchiger Stimme. Mein Vater starrte die beiden fremden Wesen jedoch nur missmutig an, brachte dann jedoch ein knappes Nicken zustande. Diese kurze Bewegung war so steif, dass es mich wirklich wunderte, dass ihm nicht das Genick brach.

„Ich bin Ruan.“, stellte sich der große Mann vor, ignorierte das abfällige Schnauben des Anderen.

„Ich suche nach einem neuen Stallmeister für meinen Lord. Man sagte mir, dass man hier die besten Pferde in der Umgebung bekäme.“

Schweigend ließ ich mich von Andros rutschen, band meinen Fang los und drückte ihn Ian in die Hand, dann zog ich den kleinen Schimmelhengst hinter mir her zu den Stallungen. Leroy folgte mir.

Und zu meinem Bedauern auch der Drache.

„Eure Pferde sehen wirklich gut aus. Verstehen sich alle eure Söhne mit dem Umgang der Tiere?“, wollte er von meinem Vater wissen und blieb in dem Torbogen zur Stallung stehen.

„Nein, mein Jüngster lernt es gerade erst.“, brummte mein Vater. Pah, dass ich nicht lachte! Ich kannte mich sehr wohl mit Pferden aus. Sehr gut sogar. Leroy starrte mich über den Rücken des kleinen Schimmels hinweg an. Halt den Mund!

„Ein kleiner Bursche.“, stellt Ruan fest und musterte mich mit seinen Drachenaugen.

„Nun gut. Wenn er nur etwas von dem Talent seines Vaters besitzt, dann wird mein Lord zufrieden sein.“ Damit wand sich der Krieger an meinen Vater.

„Lord Ragnos hätte gerne deinen jüngsten Sohn als Stallmeister in seiner Burg.“ Mit einem Schlag herrschte atemlose Stille, selbst der kleine Hengst schien den Atem anzuhalten, dann donnerte mein Vater los.

„WAS GLAUBT IHR WER IHR SEID! SUCHT EUCH WEN ANDERES! IHR BEKOMMT KEINES MEINER KINDER!!!!“ Im nächsten Moment baumelten die Füße meines Vaters über dem Boden und die Faust des blonden Drachen schloss sich um seine Kehle. Mit einem wütenden Knurren wollten wir uns gerade auf ihn stürzen, als die Stimme des alten Drachen durch die Luft peitschte.

Lass ihn los!“

„Er hat uns beleidigt.“

„Du verdienst weitaus schlimmere Beleidigungen!“, knurrte Ruan. Ebenfalls knurrend ließ der grünäugige Drache von meinem Vater ab, welcher hustend zurück taumelte.

„Jetzt nimm den Burschen und wir hauen ab. Ich will endlich nachhause! Das nächste Mädchen das wir treffen kriegt Lord Kahndris und gut ist.“ Einen Moment lang erstarrte mein Vater und blickte mich an. Ich wusste was in seinem Kopf vorging.

Entweder ging ich freiwillig mit dem alten Drachen, oder wurde einfach mitgeschleppt. Würden wir jedoch sagen, dass ich eigentlich eine Frau war, dann würde der Alte von mir ablassen, dafür würde mich der blonde Teufel mitnehmen. Wofür auch immer ich mich entschied, ich würde mit den Beiden mitgehen müssen. Seufzend ergab ich mich und wählte die angenehmere Version.

„Gut ich komme mit.“, nuschelte ich geknickt. „Ich pack nur noch meine Sachen.“

 

„Schnell beeilt euch.“, drängte Jerry.

„Und vergiss nicht, falls jemand fragt -“

„Ich bin vom Pferd gefallen.“, wiederholte ich.

Um auch den letzten Rest Weiblichkeit zu verstecken, hatte ich meinen Oberkörper in Mullbinden gewickelt, was meine Brust sehr viel flacher wirken ließ.

„Verdammt, wir holen dich da wieder raus.“, knurrte mein Vater und zog mich in eine rüde Umarmung. Soviel zu starken Männern!

„Bitte pass auf dich auf!“, flüsterte mir Ian in die Haare und Jerry und Leroy klopften mir beherzt auf die Schulter.

„Mit deinem Charme wird dich niemand als Frau erkennen.“, gluckste Jerry, erntete dafür jedoch einen Tritt von mir. Ich wusste, dass er mich nur aufmuntern wollte.

„Los jetzt.“

Die Drachen warteten draußen und schienen gerade eine hitzige Diskussion zu führen. Als wir aus dem Haus kamen unterbrachen sie ihr Gespräch und Ruan reichte mir die Zügel von Andros.

„Ich passe gut auf ihn auf.“, versprach er meinem Vater.

„Wehe wenn nicht.“, erwiderte dieser nur und verschränkte die Arme vor der Brust.

Auf dem kleinen Hügel zügelte ich mein Pferd noch einmal und blickte zurück zu meiner Familie.

In Reih und Glied standen die vier Männer da und starrten uns hinter her. Hoffentlich würden sie nichts Dummes unternehmen.

 

Die Sonne hatte schon seit einer geraumen Zeit den Platz mit dem Mond getauscht, doch wie es schien, wollten die Herren die Nacht durchreiten. Ich genoss das Schweigen und lauschte den Geräuschen des Waldes. Endlich hatte der blonde Tyrann, Shindra, mit seinem Gezeter und Genörgel aufgehört. Wie es Ruan auch nur einen Tag mit dem Kerl aushielt verstand ich nicht. Nach einer halben Stunde hätte ich das Monster am liebsten in einer Pfütze ertränkt.

Ich war müde und der Stress der letzten paar Stunden machte sich nun auch langsam bemerkbar, außerdem hatte ich seit dem Morgen nichts mehr gegessen. Tolle Reisebegleiter waren das. Keinen Herzschlag später machte sich mein Magen mit einem lauten Knurren bemerkbar, was in der Stille des Waldes eher einem Bärenknurren glich.

Zwei paar Augenpaare richteten sich auf mich.

„Wie unhöflich von mir! Entschuldige bitte, ich vergaß, dass ihr öfter essen müsst als wir.“, meinte Ruan, während er in seiner Satteltasche herumkramte und sein Pferd neben meines lenkte.

Die Pferde der Drachen waren auch so eine Sache. Unsere Pferde waren schmale, schnelle Tiere, gemacht für lange Distanzen.

Diese Pferde jedoch waren groß und schwer. Eindeutig Schlachtrösser. Unter dem ganzen Schmutz und Schweiß waren bestimmt schöne Tiere versteckt, doch im Moment glichen sie mehr Ungeheuern als allem anderen. Passend zu ihren Reitern.

Mein kleiner weißer Hengst wirkte mehr als fehl am Platz, was er ebenfalls mit einem Schnauben zu bemerken schien.

„Hier.“ Der Drache hielt mir einen Brotlaib unter die Nase und reichte mir ebenfalls noch seinen Wasserschlauch.

„Keine Angst, ich habe auch nicht rein gespuckt.“, lachte er und scheuchte ein paar Tiere in der Dunkelheit auf.

„Danke.“, erwiderte ich nur leise und nahm einen tiefen Schluck von dem Wasser. Dann brach ich zwei Stücke von dem Brot und gab ihm den Rest zurück. Skeptisch musterte Ruan mich.

„Nicht das du mir hier von den Knochen fällst!“ Kopfschüttelnd reichte ich Andros das eine Stück Brot, er liebte Brot. Dann verputze ich langsam kauend meins.

Als schleichend Nebelschwaden aus den Gebüschen zogen, kramte ich aus meiner Tasche meinen Mantel um mich vor der Kälte zu schützen. Den anderen beiden schien das Sinken der Temperatur nicht einmal aufzufallen.

„Da wird Lord Ragnos sich aber freuen, dass du so einen starken Stallmeister gefunden hast.“, frotzelte Shindra. Der Typ konnte auch nicht länger als zehn Herzschläge die Klappe halten!

„Das braucht nicht deine Sorge zu sein.“, er widerte der alte Mann nur, was eindeutig nicht genug für das nervende Ungeheuer war.

„Oh die Anderen werden das Bürschlein in Stücke reißen. Wenn er nicht vorher schon von euren Pferden platt getrampelt wird.“, ein hysterisches Lachen drang aus seiner und ein genervtes Knurren aus meiner Kehle.

„Ein Wunder, dass dein Pferd nicht in der Mitte durchbricht. Bei der Last von Arroganz die es tragen muss.“, zischte ich böse und wurde im nächsten Moment feindselig angestarrt.

„Was hast du gesagt Mensch?!

„Sogar Schwerhörig ist er.“, bohrte ich nach und wurde im nächsten Moment von Andros geschmissen.

Die Luft wurde aus meiner Lunge gepresst, als ich dumpf auf dem Boden aufschlug, den Drachen auf mir sitzend.

Du unwürdiges Stück Dreck!“, presste der Blonde durch seine Nase und wollte mir gerade seine Faust ins Gesicht schlage, als er von mir herunter gerissen wurde.

„Es reicht jetzt!“, donnerte Ruan und schubste den kleineren Drachen zurück zu seinem Pferd, dann zog er mich an meinem Arm unsanft auf die Füße.

„Das war unklug.“ Seine stechenden Augen fixierten mich und entgegen seiner Worte huschte um seine Mundwinkel ein amüsiertes Zucken.

„Rührst du ihn noch einmal an, dann sehe ich das als Angriff auf Lord Ragnos an.“, versprach der alte Drache Shindra, welcher mich zähneknirschend anfunkelte.

„Er hat mich beleidigt. Das wird meinem Lord genauso wenig gefallen.“, entgegnete dieser.

„Es wird nicht wieder vorkommen.“, versicherte Ruan.

„Von wegen, als würde der Wurm mir so einfach davon kommen! Ich fordere Gerechtigkeit!“ Als wüsste ein Drache was Gerechtigkeit ist!

Schnaubend fuhr der alte Drache sich durch seine Haare, dann blickte er auf mich hinunter.

„Ein Schlag und wehe du brichst ihm etwas!“, knurrte er dann und trat zu Seite.

Na ganz toll, jetzt wurde ich schon wieder einem Monster ausgeliefert. Doch noch bevor ich etwas erwidern konnte, landete eine steinharte Faust in meinem Gesicht und pustete mir die Lichter aus.

 

Eine ganze Pferdeherde, gefolgt von Schweinen und Kühen, samt Schafen schien über meinen Kopf hinweg getrampelt zu sein.

Schnaufend öffnete ich vorsichtig meine Augen.

„Na Kleiner, wieder unter den Lebenden?“, grollte es in meinem Rücken und erschreckte mich fast zu Tode.

Verwirrt betastete ich mein Gesicht und musste feststellen, dass ich mir meine einseitige Blindheit wirklich nicht einbildete. Mein linkes Auge war zu geschwollen und tat höllisch weh.

„Tatsch nicht so viel daran herum, das macht es nicht besser. Dieser Vollidiot hat wirklich übertrieben!“ Ach ja, Shindra hatte mich geschlagen! Arschloch!

Den Wald hatten wir schon hinter uns gelassen und ritten nun über eine weite Steppe. Die Sonne war schon aufgegangen, wurde jedoch von einer dicken, grauen Wolkenwand verhangen. Andros trappelte munter neben uns her, während mich der alte Drache vor sich auf dem Sattel drapiert hatte.

Von dem blonden Monster war nirgends eine Spur.

„Er ist in ein Dorf geritten um sich da ein Mädchen zu holen. Die Arme tut mir jetzt schon leid.“, nuschelte es in meinem Rücken. Verblüfft stellte ich fest, dass es beinahe so klang, als würde der alte Drache Mitleid mit einem Menschen empfinden. Dann jedoch bewegte ich leicht meinen Kopf und eine Explosion dröhnte durch meine Nerven. Nein, zu Mitleid waren diese Wesen nicht fähig.

Drachenhort

Wenn dieser Esel nicht bald verschwinden würde, dann würde er ihn in Stücke reißen. Vollkommen egal ob dann ein Krieg ausbräche oder nicht, das wäre es ihm wert.

„Na mein lieber Cousin, wieso so mürrisch? Schau doch das schöne Wetter, das gute Essen und die gute Vorstellung.“ Lord Kahndris deutete mit einem Hühnerschenkel auf das blutige Specktakel im Burghof. Ein schwacher Mensch versuchte sich gegen einen tollwütigen Wolf zu wehren, ein aussichtsloser Kampf.

Der Lord war der Meinung, dass der Bursche Lebensmittel von ihm gestohlen hatte, was natürlich frei erfunden war. Kahndris fand einfach Gefallen an dem Leiden anderer, bevorzugt das der Menschen.

Ragnos selbst konnte solch einem Kamp nichts abgewinnen. Menschen waren ihm zuwider. Schwach, klein und sollte man sie nur zu stark anfassen, brachen ihre Knochen gleich denen eines Vogels.

Genau aus diesem Grund fand man in seiner Burg keine Menschen, nur Drachen und Krieger. Außer natürlich dem Stallmeister, welcher zu seinem Bedauern verstorben war. Den Alten Hank hatte er beinahe gemocht, dessen ruhige und ruppige Art.

Noch etwas was er an Menschen nicht mochte: deren Kurzlebigkeit! Da hatte man endlich einen verlässigen Menschen gefunden und dann starb er ein paar Jahre später schon dahin.

Ein Gurgeln und das letzte Zucken des Menschen beendeten den ungleichen Kampf und ließ den Lord die Nase rümpfen. Genervt schob er sich seine Kapuze vom Kopf und starrte Kahndris quer über den Tisch hinweg an.

„Das war das Erste und letzte Mal, dass du hier so ein Massaker veranstaltest. Und jetzt bereinige den Dreck!“, grollte der Krieger und wand sich an seine linke Hand, En’chan.

„Ruan ist mit einem neuen Stallmeister zurück gekommen.“, erklärte der Drache.

En’chan war Ragnos bester Freund, ein braunhaariger Berg von einem Drachen, mit kurzen Haaren und einer Narbe an seinem Hals.

„Aber?“, wollte der Lord wissen und stampfte zu den Stallungen.

Endlich ein neuer Stallmeister! Sie hatten schon drei Fohlen verloren seit der alte Hank gestorben war. Weshalb konnte ihm keiner seiner Leute sagen und das störte den Lord ungemein!

„Ich bin mir nicht sicher was ich von dem Menschen halten soll. Er ist so klein.“, antworte En’chan schulterzuckend.

„Klein sind sie doch alle.“

„Aber nicht so.“

Als sie um die Ecke bogen wusste Ragnos was sein Freund damit meinte.

Der Mensch der neben seinem alten Freund stand war klein, schmal, eine halbe Portion von einem Schaf.

Knurrend stampfte der Lord auf die beiden zu und sah zu seiner Genugtuung, dass der kleine Mensch einen Schritt rückwärts machte.

„Lord Ragnos!“, setzte Ruan an, wurde jedoch mit einer Handbewegung zum Schweigen gebracht.

„Was soll das?“, wollte er stattdessen wissen.

„Das mein Lord, ist euer neuer Stallmeister.“ „Diese halbe Portion?“ Schnaubend baute er sich vor dem Menschlein auf, welches ihm nicht mal ganz bis zur Schulter reichte. Es war wirklich nicht sein Tag, stellte er grummelnd fest.

„Glaubt mir, sein Vater züchtet die besten Pferde im Westen.“

„Und warum bringst du nicht seinen Vater?“, knurrte der Lord und musterte das Bürschlein genauer.

Klein und schmächtig, in dreckigen Sachen und Schmutz im Gesicht, starrte der Mensch zurück. Sein linkes Auge war buntverfärbt und zu geschwollen, doch das andere starrte ihn hasserfüllt an.

Na das konnte noch lustig werden.

„Weil-“

„Was ist mit seinem Auge?“

„Shindra.“, war das einzige Wort, feuerte die Wut in dem Lord jedoch weiter an. Niemand vergriff sich an seinen Männern, auch wenn es nur ein Mensch war. Das Lachen von Ruan lenkte Ragnos von dem kleinen Wesen ab und er richtete seinen Blick auf den alten Drachen.

„Der Bursche hier hat ihn beleidigt. Er meinte, dass es ein Wunder wäre, dass Shindras Pferd unter ihm nicht zusammen bräche, wegen dessen Arroganz.“ En’chans Augen weiteten sich ein Stück, dann brach auch er ebenfalls in Gelächter aus.

„Da hat das Bürschlein vollkommen recht mit.“, donnerte der große Krieger, wollte dem Kleinen auf die Schulter klopfen, doch dieser machte einen Satz zurück und stierte ihn nur böse an.

„Fass mich nicht an!“, knurrte das schwache Stimmlein und erntete dafür überraschte Blicke.

„Er ist noch jung, hat aber jetzt schon Feingefühl wenn es um Pferde geht. Seht euch nur seinen Hengst an, der Bursche hat ihn selbst ausgebildet.“, versuchte Ruan abzulenken und deutete auf einen kleine Schimmelhengst, welcher mit wachem Blick seine Umgebung musterte.

Nun gut, sie würden es wohl erst einmal eine Weile mit den Bürschchen versuchen, eine andere Wahl hatten sie eh nicht.

„Wie heißt du?“, wollte Ragnos wissen und durchbohrte den Menschen mit seinen schwarzen Augen. Der kleine Mensch starrte jedoch nur schweigend zurück und schürte somit die angestaute Wut in dem Drachen. Niemand ignorierte ihn!

„Antworte wenn man mit dir redet!“, donnerte er da auch schon los.

„Sonst was? Bringt ihr mich um? Bitte tut euch keinen Zwang an!“, keifte der Mensch zurück. Entweder war er von allen guten Sinnen verlassen, oder aber er war mutig.

Bevor der Lord auch nur mit der Wimper zucken konnte, klopfte Ruan dem Burschen lachend auf den Kopf und zog ihn dann aus Ragnos Nähe.

„Sein Name ist Mo. Ein kleiner Wildfang wie mir scheint.“ Mit glühenden Augen starrte der Lord das kleine Menschlein an, dann wand er sich um und stapfte in Richtung Burg.

„Du bürgst für ihn! Und wehe er taugt nichts!“

En’chan folgte seinem Freund glucksend, wofür er einen kräftigen Hieb gegen seine Schulter erntete.

„Benimm dich nicht wie ein Waschweib! Überleg lieber, wie wir diese Plage von Schleimechsen wieder los werden.“ Bei seinem Geknurre wurde der Riese wieder ernst und kratzte sich an seiner Narbe.

„Anscheinend sind die beiden ohne Shindra eingetroffen, was heißt, dass Lord Kahndris uns noch eine Weile mit seiner Anwesenheit beehren wird.“, überlegte der Krieger und stieß einen tiefen Seufzer aus.

„Sollte er noch einmal mein Grund und Boden so besudeln, dann reiß ich ihm langsam und genüsslich sämtliche Glieder einzeln raus. Qualvoll!“, zischte Ragnos.

 

 

Hatte ich vorher gedacht, dass Ruan ein beeindruckender Drache sei, dann war ich jetzt eines besseren belehrt worden.

Der Lord und sein Kumpane waren um einiges jünger, strotzen nur so vor Kraft und Muskeln und hatten eindeutig das Erscheinungsbild von Schlächtern. Der Krieger mit der Narbe am Hals sah schon alleine furchteinflößend aus, weil selbst ein Berg neben ihm mickerig ausgesehen hätte. Breite Schulter, Arme wie Baumstämme und grell grüne Augen. Sein Lachen ließ beinahe den Boden unter meinen Füßen erbeben und ich stellte fest, dass ich nicht sein Kriegsgebrüll hören wollte.

Lord Ragnos war kühler, erinnerte mich an einen zugefrorenen Fluss. Oben eisig und glitschig, unter der Eisdecke eine reißende, todbringende Strömung. Der Drache war etwas kleiner als sein Begleiter, wobei seine Arme immer noch dicker waren als meine Oberschenkel. Seine Haare waren etwas länger als die des Anderen, dennoch waren sie recht kurz im Vergleich zu denen meiner Brüder.

„Leg dich nicht mit Lord Ragnos an. Wenn du deine Arbeit gut machst, dann wird dir hier an nichts fehlen.“, wollte der alte Drache mich trösten.

„Nur an Freiheit.“, erwiderte ich kühl und ignorierte seinen gekränkten Blick. Eigentlich sollte ich dem alten Mann dankbar sein, schließlich hatte er mir gerade meinen Hals gerettet, aber ich traute ihnen einfach nicht. Drachen waren alle gleich! Mordende, blutrünstige Monster.

„Na komm, ich zeig dir erst mal deinen Arbeitsplatz.“ Kopfschüttelnd, wahrscheinlich über meine harschen Worte, stapfte Ruan voraus.

Die Stallungen der Drachen waren natürlich viel stabiler und schöner als die meines Vaters. Ein großes Gebäude, welches aus Stein gemauert war mit einem dicken Strohdach. Hinter den Mauern befand sich ein langer Gang, zu beiden Seiten mit Boxen gespickt. Das leise Rascheln und Schnauben der Pferde ließ eine Vertrautheit in mir aufsteigen, die beinahe schmerzlich war.

„In den ersten beiden Boxen stehen jeweils Gastpferde. Sollte eine von den edlen Damen ihr braves Pferde vergessen haben.“, gluckste der Drache, schien sich sehr über seine Gedanken zu amüsieren.

„Die restlichen Boxen gehören den Pferden der Krieger.“ Am Ende des Ganges angekommen, führte er mich in eine große Kammer, welche vollgepackt war mit Sattelzeug und Decken.

„Das Futter findest du oben auf den Boden.“, erklärte er mir und deutete auf die Decke über uns.

„Was willst du denn mit dem Winzling?“, lachte eine helle Stimme und eine große schlanke Frau, gehüllt in schwarzem Leder, betrat ebenfalls die Kammer. Sie hatte harte Gesichtszüge, lange feuerrote Haare und einen schlanken Körper. Den Körper eines Jägers.

„Das ist unser neuer Stallmeister, Mo.“, stellte Ruan mich vor und deutete dann auf die Frau, die mich aus strahlend blauen Augen, Drachenaugen, anstarrte.

„Das ist Sofenia.“ Zerknirscht starrte ich sie abwartend an. Wieso auch mussten alle Drachen so unverschämt gut aussehen?

„Na sonderlich gesprächig ist der kleine Snack aber nicht.“, lachte die Drachendame und erntete dafür einen düsteren Blick von dem Krieger.

„Mo ist kein Snack! Er ist unser Stallmeister!

„Und?“

„Er gehört somit zur Familie.“, erklärte Ruan.

„Wie der alte Mann? Das ich nicht lache! Ein Mensch kann niemals zu unserer Familie gehören!“, zischte die Rothaarige und starrte mich aus funkensprühenden Augen an.

„Er steht ebenfalls unter dem Schutz des Lords!“, erwiderte der Drachenkrieger genauso kalt.

Schnaubend drehte die Frau sich um und rauschte davon. Na wenn das mal kein Auftritt gewesen war, dann jagten Schweine Drachen!

„Geh ihr besser aus dem Weg. Sie hat nicht sonderlich viel übrig für Menschen.“

„Nein sowas.“, murmelte ich nur und ließ mir den Rest meines neuen Zuhause, einen Drachenhorst, zeigen.

 

Nach zwei Wochen hatte ich mich so langsam an meine neue Umgebung gewöhnt.

Oder vielmehr an die geschlitzten Pupillen, welche mich von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang verfolgten.

Viele der Drachen ignorierten mich und sprachen nur mit mir, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Natürlich gab es auch welche, die sich einen Spaß daraus machten einen jungen Menschen zu erschrecken: Aus dem Nichts auftauchen, vom Dach fallen, im Dunkeln dem kleinen Menschen auf die Schulter klopfen… ganz witzige Sachen.

Nach dem ich jedoch fast einen der Drachen mit einer Gabel, vor Schreck natürlich, erstochen hätte, da brüllte Ruan herum und stauchte die anderen Krieger wutschnaubend zusammen. Seitdem hielten sich ihre Spielchen in einem aushaltbaren Rahmen.

Außer den Lord selbst und den rothaarigen Teufel, schien es hier niemanden groß zu stören, dass ich ein Mensch war.

Manche der Krieger waren sogar regelrecht nett zu mir. Ruan vorne weg natürlich, dann noch der Schmied dessen Namen ich nicht aussprechen konnte, daher nannte ich ihn nur Schmied. Ein, in Drachenverhältnissen, kleiner Krieger namens Knirsa und dann noch der kräftige Krieger Schwefel. Ja, der Drache hieß wirklich Schwefel.

Als kleiner Wurm bin ich mal in eine Schwefelgrube gefallen, ich habe Monate danach noch gestunken! Hatte er mir lachend erzählt. Daher stammte dann auch sein Name.

Merkwürdigerweise hatten die Pferde mich schon nach dem ersten Tag in ihren Reihen aufgenommen und wieherten mittlerweile freudig wenn ich mich dem Stall näherte.

„Kriegspferde sind etwas Besonderes. Sie stammen aus den Höhen des Nagrahongebirges und sind anders als anderer ihrer Art.“, hatte mir Knirsa beim Putzen des Leders erklärt. Am Anfang hatte ich nicht genau verstanden was er mit anders gemeint hatte, doch nach ein paar Tagen hatte ich es verstanden.

Diese Pferde waren nicht nur in ihrem Körperbau wie die Drachen, größer, muskelbepackter und kräftiger, nein die Nagrahonpferde lernten schneller, sie wuchsen schneller und besaßen eine merkwürdige Intelligenz. Manchmal schien es mir fast so, als würden sie verstehen was ich erzählte, oder lachten schnaubend, wenn ich fluchend vor einer Ratte wegsprang.

Mein kleiner weißer Hengst hatte sich ebenfalls eingelebt, rannte fröhlich mit den jungen Hengsten über die Wiese und begrüßte mich mit Bocksprüngen wenn ich mal endlich Zeit für ihn hatte.

„Ich muss schon sagen, die Pferde lieben dich.“ Erschrocken zuckte ich zusammen als Knirsa neben mir erschien und sich an den Zaun lehnte.

„Nachdem der alte Hank gestorben war schienen die Pferde beinahe lustlos. Komischerweise hatten einige der Stute sogar Fehlgeburten. Ich vermute ja, dass sie einen Ausgleich zwischen den ganzen Drachenauren brauchen.“

„Jemanden wie mich.“, witzelte ich und beobachtete zwei kleine Stutfohlen, wie sie sich gegenseitig über die Wiese jagten, die Mütter besorgt grummelnd auf ihren Fersen.

„Jemanden wie dich, genau. Eine ruhige Aura, nicht so voller Magie wie unsere.“, schmunzelte der Krieger und legte den Kopf in den Nacken, blickte hinauf in den Himmel.

„Du sollst den kleinen Kerl nicht ständig von der Arbeit abhalten!“, donnerte da eine dunkle Stimme und Ruan trat aus den Ställen auf uns zu.

„Als ob ich ihn von irgendetwas abhalten würde! Obwohl mein toller Körper schon eine große Ablenkung ist.“, lachte der kleine Krieger und deutete seinen Körper hinunter. Wieso nur mussten die Drachen so gut aussehen? Und wieso um Himmelswillen, mussten diese Biester das auch noch wissen?

„Nicht wirklich.“, erwiderte ich und warf Knirsa einen kühlen Blick zu.

„HEY!“, entfuhr es diesem entrüstet, stemmte seine Hände in die Hüfte und funkelte mich beleidigt an.

Bei diesem Anblick musste ich mir wirklich ein Lachen verkneifen. Ein beleidigter Drache war wirklich sehenswert.

Dennoch sollte man nicht alle Drachen reizen.

Ruan und Knirsa sahen es nicht sonderlich eng, wenn ich unhöflich oder vorlaut war. Bei den anderen Drachen musste man da jedoch aufpassen.

Mein blaues Auge war endlich wieder verschwunden und auf ein Neues war ich nun wirklich nicht aus.

„Was wolltest du eigentlich alter Mann? Bestimmt nicht zusehen, wie ich meine Nase in die Sonne halte.“, merkte nun der junge Krieger an.

Knirsa gehörte in der Burg zu den jüngeren Kriegern, obwohl er sehr talentiert zu sein schien. Seine blonden Haare trug er immer in einem Zopf zusammen gebunden und er neigte dazu, seine Hemden weit aufgeknöpft zu haben – wenn er denn mal welche trug.

Über seine breite Brust zog sich vier kleine Narben, von einem Monster zugefügt, wie er immer behauptete. Wobei ich mich fragte, was schlimmer als ein Drache sein sollte? Zwei Drachen!?

„Die Späher haben zwei Reiter entdeckt. Sie werden uns mit der Dämmerung erreichen.“, wand sich Ruan an mich und lehnte sich neben Knirsa an den Zaun.

„Vermutlich Shindra.“, fügte er noch hinzu.

„Endlich. Noch viel länger halten wir diesen Abschaum hier nicht aus.“, knurrte der kleine Krieger und erhielt dafür einen deftigen Schlag des anderen.

„Sprich nicht so über den Lord und sein Gefolge.“

„Aber es ist doch wahr!“

„Was wahr ist und was nicht, hat hier nichts zu suche! Also zügle deine Zunge.“, knurrte der alte Krieger und betrachtete mich.

„Mach zwei Boxen frei. Die Pferde von den beiden werden wahrscheinlich vom Tod begleitet.“

Ein ungutes Kribbeln zog über meine Haut.

Der blonde Dämon kam wieder.

Beschützer

Ruan hatte Recht behalten.

Die beiden Pferde waren mehr tot, als lebendig.

Ihre Nüstern waren gebläht, die Augen rot unterlaufen und der Schweiß tropfte von ihren Körpern. Ihre Flanke hob und senkte sich beinahe wie die Flügel eines kleinen Vogels beim Flug.

„EIN BAD!“, brüllte Shindra und ließ das schnaufende Tier einfach stehen, schoss auf die Burg zu und bedeutete ein paar von Kahndris Dienern ihm zu folgen.

Die Frau, die wankend auf ihren Füßen landete war größer als ich und besaß eindeutig weibliche Rundungen. Ihre Haare hatten die Farbe von getrocknetem Blut und waren in einem dicken Zopf zusammen gebunden. Ihr Gesicht zierte ein großer blauer Fleck.

Da hatte wohl jemand dem Drachen nicht gehorchen wollen.

„Stallmeister.“, flüsterte mir eine Stimme zu und ich fuhr zusammen. Shindra war anscheinend aufgefallen, dass die Frau ihm nicht folgte und war umgekehrt. Nun jedoch waren seine kalten Augen auf mich gerichtet.

Entschlossen richtete ich mich zu meiner wenig beeindruckenden Größe auf und starrte zurück.

„Ich werde mich um eure Pferde kümmern. Sie sind mehr tot als lebendig!“, fügte ich hinzu und bereute es im nächsten Moment schon wieder. Die Augen des Drachen waren zu Schlitzen geworden und er trat bedrohlich einen Schritt auf mich zu.

„Soll das etwa eine Maßregelung sein?“, zischte er.

„Seht es so an, denn er hat Recht.“, grollte eine rauchige Stimme und ließ den blonden Dämon zusammen zucken.

Hinter ihm schritt der Lord der Burg auf den Platz und starrte ihn aus seinen dunklen Augen an.

„Lord Ragnos.“, nuschelte der Drache und deutete eine Verbeugung an, seine kalten Augen huschten jedoch kurz zurück zu mir.

„Wolltet Ihr nicht gerade ein Bad nehmen gehen?“, fragte der Lord.

„Ich wollte nur das faule Menschnweib holen.“, erklärte der Blondhaarige und packte die Frau am Oberarm, schien ihr jedoch damit beinahe den Arm abzureißen.

„Könntet Ihr mir sagen, wo ich Lord Kahndris finde?“, fragte Shindra.

„Im Burgsaal.“

Eine weitere Verbeugung andeutend eilte der Krieger davon und zog die sich windende Frau hinter sich her.

„Du solltest ihm aus dem Weg gehen.“

Verwirrt blickte ich den breitschultrigen Krieger an.

„Du hast ihn in seiner Ehre gekränkt, oder wenigstens in etwas, dass er als Ehre sieht.“, erklärte der Lord mir, behielt die Beiden jedoch weiterhin im Auge.

Vorsichtig schnappte ich mir die Zügel der beiden Pferde, welche sich nicht einen Federwurf weit bewegt hatten und stieß dann empört die Luft aus.

Die schwarzen Augen des Lords richteten sich nun auf mich, dann huschte sein Blick zu den Pferden.

„Kannst du sie wieder aufpäppeln?“, wollte er wissen und trat einen Schritt auf die Tiere zu.

„Ich werde es versuchen.“, erwiderte ich zähneknirschend.

Drachen waren so arrogant. Erst ein Wesen an den Rand des Todes treiben, um es dann wieder zu heilen. Vielleicht sollte ich die Beiden einfach sterben lassen. Doch ein Blick in die unruhigen Augen sagte mir, dass ich dies niemals tun könnte.

So schlecht ging es ihnen auch wieder nicht.

„Hank hätte es geschafft.“, unterbrach der Drache meine Gedanken und ließ mich wütend nach Luft schnappen.

„Damit das ein für alle Mal klar ist: Ich bin nicht Hank! Ich wollte nicht hier sein, aber ihr wolltet es! Lebt damit oder lasst mich gehen!“, knurrte ich sauer und zog die beiden Pferde hinter mir her in die Stallung. Ließ den überraschten Lord einfach zurück.

 

 

Genervt fuhr der Lord sich durch seine Haare und stieß dann die angehaltene Luft aus. Dieser Stallmeister riss gefährlich an seinem Nervenkostüm.

Ragnos hätte ihn schon am ersten Tag wieder davon gejagt, wenn der Bursche nicht so geschickt im Umgang mit den Pferden wäre. Natürlich hätte es ihn nicht wundern dürfen, schließlich hatte Ruan für den Winzling gebürgt, dennoch war er überrascht gewesen, als nach einer Woche gesunde Fohlen zur Welt kamen. Damit hatte der kleine Mensch wohl seine Daseinsberechtigung.

Dennoch gefiel es dem Lord nicht, wie dieser kleine Piepmatz mit ihm redete. Er war schließlich der Lord!

„Spielt das Menschlein wieder mit seinem Leben?“, gluckste es neben ihm und sein Freund trat aus den Schatten neben ihn.

„Wieso ist dieser Mensch so …. lebensmüde?“, wollte Ragnos wissen und blickte seinem Stallmeister nach, wie dieser die beiden Pferde in die Stallung führte.

Die Rösser sahen wirklich schlecht aus, was ihn noch wütender machte, schließlich gehörten sie ihm und waren an diesen nichtsnutzigen Handlanger seines Cousins nur als kurze Leihgabe gegeben worden.

„Das wüsste ich auch gerne. Mit Ruan und Knirsa scheint er recht gut zu Recht zu kommen und vor dem grummeligen Schmied scheint er auch keine Angst zu haben. Aber merkwürdig ist es schon. Die meisten Menschen mögen, oder fürchten uns Drachen, schon alleine, weil wir so attraktiv sind. Aber so eine Abneigung habe ich selten gesehen. Außerdem besitzt der Stallmeister bei den umliegenden Dörfern ein hohes Ansehen, er sollte uns somit dankbar sein, ihn aus seinen ärmlichen Verhältnissen geholt zu haben.“, rätselte En’chan.

„Für ihn waren die Verhältnisse nicht ärmlich.“, erwiderte Ruan und gesellte sich zu den beiden Kriegern.

„Ihr habt ein falsches Bild von den Menschen.“

„Nicht wirklich.“, schnaubte Ragnos und bedeutete den anderen beiden ihm in die Burg zu folgen.

„Mo lebte mit seinem Vater und seinen drei Brüdern auf einer sehr hübschen Farm. Weite grüne Wiesen, Pferde und Wälder. Der Bursche kam gerade von der Jagd und wenn mir die Anmerkung erlaubt ist, für einen Winzling wie ihn, hatte er eine sehr gute Beute gemacht.“

Nachdenklich kratze sich Ragnos an seinem Kinn und schritt den langen steinernen Gang entlang. An den Wänden hingen Teppiche, die Drachen in verschiedenen Posen und Farben zeigten. Gemälde von Drachen in Menschenform und von weiten Landschaften.

„Und was soll uns das nun sagen?“, wollte der Lord wissen und betrat durch einen hohen Rundbogen den Burgsaal.

In einem großen Kamin an der gegenüberliegenden Wand prasselte ein leuchtendes Feuer, während in Halterungen an der Wand Fackeln angebracht waren und so den Raum hell erleuchteten.

An dem großen runden Steintisch in der Mitte des Raumes saßen seine Krieger und schwängerten die Luft mit ihren Stimmen.

Ragnos hatte sich für einen massiven Stein entschieden, da Auseinandersetzungen oder Meinungsverschiedenheiten bei Drachen schnell mit geballter Kraft beendet wurden. Holz hielt diesen Kräften selten stand, massiver Stein jedoch eher.

Die Rundeform fand der Lord am passendsten, denn anders als bei anderen Lords, lebte hier eine Art Familie.

Wer innerhalb dieser Burg unter Ragnos Schutz stand, der gehörter hier zur Familie.

Die anderen Lords suchten sich ihre Krieger nach deren Stärke, dem Können oder der Herkunft. Bei Lord Ragnos war jeder willkommen, solange er sich nützlich machte und loyal war.

Seine Männer waren genau dies, auch wenn sie ein bunt zusammen gewürfelter Haufen waren. Der kleine Menschenjunge passte eigentlich sehr gut hierher, dachte sich der Lord. Dennoch würde sein mickriger Hals brechen, sollte er einmal in die Streitereien seiner Krieger geraten.

Zu Ragnos Erleichterung konnte er seinen Cousin, oder einen von dessen Handlangern nicht unter den Anwesenden ausmachen. Die Wahrscheinlichkeit für einen ruhigen Abend stieg damit gewaltig.

„Lord Ragnos! Ich müsste später etwas mit Euch besprechen.“, rief eine krächzende Stimme und machte mit einer knochigen Hand auf sich aufmerksam.

Der alte Joelpa war ein alter Kriegsveteran, hatte in einer Schlacht sein linkes Bein und ein paar seiner Finger eingebüßt, was ihn zu einer witzigen Gestalt werden ließ.

Ragnos profitierte von dessen Erfahrung und Kenntnissen.

„Nach dem Essen.“, erwiderte der Lord und setzte sich auf einen freien Stuhl.

„Lord, der Bursche ist noch jung, war wahrscheinlich noch nie fern der Heimat und nun seht euch um.“, setzte Ruan das Gespräch fort und machte eine allumfassende Geste.

„Ein kleiner Mensch unter riesengroßen, vor Kraft strotzenden Drachen. Und dann wird er sich sicherlich auch noch bewusst sein, dass, egal wie viel er je trainieren sollte, niemals unsere Statur kriegen wird.“

„Niemals so gut aussehen wird.“, fügte En’chan breit grinsend hinzu und langte nach einem Stück Fleisch. Der alte Krieger verdrehte nur die Augen, erwiderte darauf aber nichts weiter.

„Deshalb kann er trotzdem Respekt zeigen.“, knurrte Ragnos.

„Habt Ihr Respekt vor ihm?“, wollte Ruan wissen.

„Vielleicht solltet Ihr versuchen höflicher mit ihm umzugehen. Wie man in die Höhle brüllt, so brüllt es zurück.“, zitierte der alte Drache und nahm einen vollen Weinkelch entgegen.

„Ich bin der Lord, ich muss zu niemandem höflich sein.“, knurrte der dunkelhaarige Krieger.

„Nein, müssen vielleicht nicht, aber ihr solltet!“

 

 

Es hatte mich viele Mühen gekostet die armen Pferde langsam zu beruhigen und den Schlamm und den Schweiß von ihren Körpern zu waschen.

Nun standen die Beiden in ihren Boxen, mümmelten zufrieden an dem Heu und schienen mit sich und der Welt zufrieden zu sein.

„Nein sowas, die Biester leben ja noch.“, säuselte es höhnisch vom Eingang des Stalles und ich fuhr erschrocken herum.

Eine große Gestalt stand im Torbogen und warf einen langen Schatten auf den Gang.

„Stallmeister.“, spuckte der Drache mir entgegen und schlich gefährlich langsam auf mich zu. Der Schein einer Lampe warf sein Licht auf die Gestalt und schälte Shindra aus den Schatten. Der blonde Mann hatte sein Gesicht zu einer bösartigen Maske verzogen und langsam bildete sich ein kaltes Lächeln auf seinen Lippen.

„Das ich dich hier treffe ist wirklich ein glücklicher Zufall. Dabei bin ich auf der Suche nach dem alten Drachenskelett.“, säuselte er.

Mein Herz begann zu rasen und ich machte vorsichtig einen Schritt nach hinten.

„Falls du Ruan meinst, der ist in der Burg.“, erwiderte ich mit kühler Stimmer. Auch wenn mein Körper sich fürchtete, meine Stimme tat es nicht.

„Und du bist hier ganz alleine?“, fragte er und suchte mit seinen geschlitzten Pupillen den Stall ab. Ich erwiderte darauf nichts. Was hätte ich auch sagen sollen? Knirsa spielt verstecken mit mir?

„Wie …. überraschend einfach.“, lachte er da und hatte im nächsten Moment schon die kurze Distanz zwischen uns überwunden.

Als er hämisch grinsend nach mir greifen wollte, tauchte ich flink unter seinem Arm hindurch und rannte auf den großen Torbogen zu.

Natürlich hätte ich auch auf die Wiesen flüchten können, aber mal im Ernst: Einen Drachen auf offener Fläche zu entkommen und dann noch ohne Pferd, war so gut wie unmöglich. Außer vielleicht er war blind, hatte einen Flügel gebrochen, oder aber er litt unter einer sehr starken Grasallergie.

„So macht das doch noch viel mehr Spaß.“, grollte es in meinem Rücken und noch bevor ich den Torbogen erreicht hatte legte sich eine große Hand auf meinen Mund.

„Du bist aber keine sehr schnelle Beute.“, murrte er beinahe schon enttäuscht.

„Sollen wir es noch einmal versuchen? Solltest du jedoch schreien, drehe ich dir sofort deinen kleinen schwachen Hals um.“, grollte er da und schubste mich von seinem Körper fort.

Wahrscheinlich hätte ich einfach stehen bleiben und mich von dem Monster umbringen lasse sollen, doch mein Verstand hatte ausgesetzt und so hechtete ich weiter auf den Torbogen zu.

„Lauf, lauf kleiner Mensch.“, summte Shindra in meinem Rücken und ich konnte beinahe spüren, wie er sich in Bewegung setzte.

„Aber wir wollen doch nicht, dass Lord Ragnos uns Beide erwischt, nicht wahr?“, zischte er und als ich einen kurzen Blick über meine Schulter warf, sah ich seine Hand nach meinem Hemd greifen.

In dem Moment, in dem seine Finger sich um den Stoff schlossen hatte ich den Torbogen erreicht und knallte hart gegen eine Wand.

Erschrocken keuchte ich auf und prallte zurück gegen den blonden Drachen, wurde jedoch im nächsten Moment schon wieder durch die Luft geschleudert und hing nun wie ein Sack über einer breiten Schulter, welche sich unangenehm in meinen Magen bohrte.

Fass ihn nicht an.“, knurrte es da auch schon unter mir.

„Ich hab ihm doch nichts getan, wir wollten uns nur etwas amüsieren.“, erwiderte der blonde Drache schulterzuckend.

Grollend fuhr mein Retter herum und stapfte in Richtung Burg, mich immer noch über der Schulter hängend. Ein beißender Geruch stieg mir in die Nase.

Schweiß, Stahl und Rauch.

Der typische Geruch des Schmiedes.

„Hey, ich habe auch Füße!“, murrte ich und kämpfte gegen die Übelkeit an. Der große Drache erwiderte jedoch nichts, sondern stieß eine Tür auf, stapfte einen dunklen Gang entlang, welcher seine Schritte laut von den Wänden zurück warf.

Die erst leisen Stimmen wurden immer lauter, dann wurde das Schwarz der Steinplatten zu einem hellen Grau und der Schatten des Schmiedes wurde immer länger.

Wir liefen jetzt eindeutig auf das Stimmengewirr zu und ich konnte sogar die ein oder anderen belustigten Sprüche hören.

„Hast dir was zu essen gefangen?“

„Davon wird ja nicht mal ein kleiner Welpe satt!“

„Ein neues Schmusetier?“

Der große Drache unter mir reagierte jedoch nicht, sondern stapfte einfach an den anderen Drachen vorbei, welche an einem großen Tisch saßen wie ich endlich erkennen konnte.

Mit einem genervten Knurren packten seine riesigen Hände meine Hüfte und hoben mich mühelos von seiner Schulter, setzten mich auf dem Steinboden wieder ab.

Ohne seine Hand auf meiner Schulter wäre ich wahrscheinlich sofort umgekippt, so sehr schwankte der Boden unter meinen Füßen.

„Mo?“, fragte da auch schon eine bekannte Stimme und langsam wurden aus drei verschwommenen Ruans ein einzelner scharfer. Seine Augen musterten mich überrascht und leicht besorgt.

„Wieso bist du so blass?“, wollte der alte Drache wissen und rutschte auf seinem Platz zur Seite damit ich mich setzten konnte.

Ich bevorzugte es jedoch mich überhaupt nicht zu bewegen.

„Shindra hat mit ihm gespielt.“, knurrte da auch schon der Schmied in meine Rücken. Seine Sprache ließ wirklich zu wünschen übrig! Nur mit Mühe konnte man aus dem Knurren einzelne Wörter verstehen.

Was?“

Ein eisiger Schauer lief mir bei dem gezischten Wort den Rücken runter. Jetzt erst bemerkte ich den Krieger mit der Narbe und den Lord. Beide starrten mich aus zusammengekniffenen Augen an. Zwei Herzschläge später bemerkte ich dann, dass das Lachen verstummt war und die komplette Aufmerksamkeit des Saales auf mir lag.

„Was ist passiert?“, wollte der Krieger mit der Narbe, Entchen oder so ähnlich, wissen.

Ruhig versuchte ich ein- und auszuatmen, die Übelkeit und den Schwindel zu ignorieren. Da ich nicht antwortete übernahm das der große Drache in meinem Rücken für mich.

„Hab nochn paar Schwerter geschmiedet, die Rüstung von Langro is kaputt, Stück an der Ecke abgebrochen und die Seite rostet langsam-“ Das leise Knurren des Lords unterbrach den Schmied in seiner Ausführung, machte deutlich, dass er endlich zum Punkt kommen sollte.

„Jedenfalls war ich grad fertig, wollte was Essen gehen, da hab ich Stimmen ausm Stall gehört. Wollte gucken gehen wer so spät noch da is. Da hab ich Shindras Stimme gehört, hat irgendwas von wegen Lord Ragnos gefaselt. Tja und als ich um die Ecke bin, da krachte auch schon der kleine Kerl in mich hinein, muss verdammt viel Schwung drauf gehabt haben, jedenfalls hing der Schleimbolzen in seinem Hemd. Tja, da braucht man nicht viel nachdenken, was der wohl von unserem Stallmeister wollte.“, beendete der Schmied seine Ausführung und klopfte mir auf die Schulter, was mich vollkommen aus dem Gleichgewicht brachte und beinahe umgeschmissen hätte.

„Hoppla!“, meinte da auch schon der Drache und zog mich hastig an meinem Hemd zurück auf die Beine.

„Ist wusste nicht, dass Menschen ihre Farbe wechseln können.“, stellte einer der Anwesenden fest und wurde ruppig von Ruan unterbrochen, welcher nun aufgestanden war.

„Das können sie auch nicht.“, meinte er und beugte sich zu mir herunter, sodass unsere Augen auf einer Höhe waren.

„Mo? Vielleicht solltest du erst mal etwas Essen.“

„Das kotz ich dir gleich wieder vor die Füße.“, würgte ich heraus.

„Na gut. Dann setzt dich erst mal hin.“, erwiderte er und schob mich zu seinem Platz.

Die Drachen auf der Bank rutschten alle ein Stück weiter zusammen, sodass ich zwischen dem großen kurzhaarigen Krieger und Ruan Platz fand.

„Erst blass wie der Mond, dann leicht grünlich und jetzt eher wieder blass. Und du meinst, Menschen könnten nicht die Hautfarbe verändern?“, lachte der Krieger neben mir und schob mir einen Krug zu.

„Trink, dann wechselt dein Gesicht vielleicht noch ins rötliche.“, lachte er und kippte somit die drückende Stimmung zurück in heitere Gefilde.

„Ich habe dich vor Shindra gewarnt.“, meinte der alte Drachen und ließ sich einen vollen Teller geben, welchen er vor mir abstellte.

Der süßliche Geruch von Brot, Fleisch und sogar etwas Gemüse stieg mir in die Nase und ließ meinen Magen sich zusammen ziehen. Energisch schob ich den Teller etwas von mir weg. Vielleicht würde die Übelkeit gleich nachlassen.

„Ich bin ihm ja auch nicht schreiend hinter her gerannt und habe um seine Aufmerksamkeit gebettelt.“, stellte ich klar und funkelte den großen Drachen an.

„Und was hatte er dann in den Stallungen zu suchen? Wenn nicht dich?“, grollte es zu mir herüber. Schwarze Augen starrten mich abwartend an und verliehen dem kantigen Gesicht des Lords einen noch härteren Ausdruck. Dennoch starrte ich zurück und zuckte mit den Schultern.

„Er hat Ruan gesucht.“, erklärte ich.

„Und ist zufällig auf dich gestoßen.“, vollendete er meinen Satz.

„Meine Aufgabe ist es, mich um die Pferde zu kümmern, falls ihr das vergessen haben solltet, natürlich bin ich dann in den Stallungen zu finden.“, zischte ich genervt zurück. Die aufsteigende Wut vertrieb langsam den Schrecken in meinen Knochen und ich fühlte, wie die Luft, die in meine Lungen drang, die Übelkeit verringerte.

Einen Moment schien es mir so, als würde der Lord die Luft anhalten, dann stieß er sie mit einem Seufzer aus und fuhr sich kopfschüttelnd durch die Haare.

„Du hast Recht. Es ist deine Aufgabe. Dennoch sollte so etwas nicht wieder vorkommen.“ Sein Blick legte sich auf den Krieger neben mir.

„Da bin ich ganz deiner Meinung. Ich hätte auch wirklich nichts dagegen, wenn wir diese Schlange am Schwanz baumelnd die Burgmauer hinaufzögen.“ Ich verdrängte die aufsteigenden Bilder, schließlich war ich mir momentan nicht wirklich sicher, welches Köperglied der Drache gerade meinte. „Dennoch ist er ein enger Vertrauter deines Cousins, welcher das Ganze höchst wahrscheinlich nicht mit größter Freude betrachten würde.“

„Er liebt doch sämtliche blutigen Veranstaltungen, dann wird er an dieser wohl auch seinen Gefallen finden.“, murrte der Lord.

„Vielleicht würde er es sogar genießen, wenn dadurch nicht seine Autorität untergraben werden würde.“, warf Ruan ein und schob mir den Teller wieder direkt unter die Nase.

„Das ist mir bewusst. Dennoch kann ich mir ja trotzdem die Alternativen vorlegen lassen.“, erwiderte Lord Ragnos und nahm einen tiefen Schluck aus seinem Krug.

Meine Wut war schon wieder abgeflaut und ließ nur einen leeren Magen zurück. Vorsichtig pickte ich mir etwas Brot vom Teller und schob es in meinen Mund. Gut schmecken tat es wenigstens, genau wie das Fleisch und das Gemüse, wie ich feststellte.

„So gerne ich ihm auch die Schuppen abziehen würde, und verdient hätte er es, hat er unserem Stallmeister jedoch nichts angetan, oder?“, fragte der dunkle Krieger mich. Hastig schüttelte ich den Kopf.

„Nun gut, ich möchte, dass bis Lord Kahndris abreist immer jemand ein Auge auf den Stallmeister hat.“ Erschrocken hielt ich beim Kauen inne und starrte ihn aus großen Augen an. Meinen überraschten Blick erwidernd, starrte er mich an.

„Was?“, wollte er nun wissen und ich schluckte hastig das Stück Gemüse herunter.

„Ihr könnt mich doch nicht überwachen lassen!“, empörte ich mich. „Oder bin ich jetzt doch ein Gefangener?“

„Das ist nur zu deiner Sicherheit!“, erklärte Ruan schnell.

„Ich brauche keinen Babysitter!“, knurrte ich sauer und griff nach dem Krug, trank einen großen Schluck. Das Gebräu war süßlich und erinnerte mich stark an den Geschmack von Himbeeren und Honig.

Seufzend fuhr sich der Lord durch seine Haare, dann blickte er mich mit zusammen gekniffenen Augen an.

„Gib mir deine Hand.“

„Wieso?“

„Damit ich sie dir abbeißen kann.“, knurrte er, dann fuhr er in milderem Tonfall fort. „Ich werde sie dir nicht zerquetschen. Wer würde sich dann schließlich um die Pferde kümmern?“, fragte er und so gab ich ihm zögernd meine Hand. Der große Krieger neben mir rutschte ein Stück zurück, sodass ich den Lord besser sehen konnte, oder eben er mich.

Meine Hand wirkte wie eine Kinderhand in seiner großen Pranke.

Kleine Narben zierten sein Handgelenk und die Haut seiner Hand war rau und sehr warm. Dann schloss er seine Hand um meine, welche komplett verschwand.

„Ich weiß ja nicht wie viel du schon mit Drachen zu tun hattest, aber wir sind um einiges stärker als ihr, schneller und auch beweglicher. Unsere Stärke ist unserer Natur, selbst in Menschengestalt tragen wir noch sehr viel davon in uns, was schnell zu …. Unglücken führen kann. Sollten wir auch nur einmal vergessen, was wir sind und was ihr seid, dann könnten wir euch mit einer einfachen Handbewegung die Knochen brechen.“ Um seine Erklärung zu unterstreichen schloss er seine Hand um meine etwas fester, ich kam mir vor, als wäre meine Hand in einem Schraubstock gefangen. Obwohl ich jetzt versuchte meine Hand aus seiner heraus zu ziehen, bewegte sich seine Hand keinen Millimeter, nicht einmal sein Arm ruckt ein bisschen nach vorne, obwohl ich ziemlich stark zog.

Dann hörte der Druck abrupt auf und einen Moment später gab er mich frei.

„Sicherlich brauchst du keinen Babysitter, aber einen Beschützer vor Drachen.“, endete er und wand sich dem Krieger zwischen uns zu.

„Du kümmerst dich darum.“, befahl er, dann erhob er sich und steuerte auf einen knochigen alten Mann zu.

„Alles ok?“, wollte der Krieger neben mir wissen und betrachtete meine Hand, welche durch das ganze Gezerre und Gedrücke rot geworden war. Vorsichtig bewegte ich meine Finger und ballte meine Hand dann zu einer Faust. Vielleicht hatte der Lord sogar doch etwas Recht. Ein Beschützer in dieser Burg wäre wohl nicht ganz so übel. Solange er nicht heraus fand wer ich war.

„Alles in Ordnung.“, erwiderte ich.

Während ich schweigend das Essen vor mir verputze beobachtete ich den Lord, wie dieser etwas abseits von allem mit dem alten Mann redete, oder vielmehr diesem zuhörte.

„Trink nicht zu viel davon.“, nuschelte mir da Ruan zu und schob den Krug fort von mir.

„Ich bezweifle, dass dein Vater dir viel Alkohol zu trinken gegeben hat. Außerdem vertragen Menschen nicht viel vom Drachenwein.“, erklärter er mir und schob mir ein anderen Krug zu, gefüllt mit Wasser.

Ich wollte eigentlich protestieren, schließlich war das andere Getränk viel leckerer und wärmte mich von innen, doch nach einem Blick in das wettergegerbte Gesicht des Mannes entschied ich mich dagegen. Ruan hatte mir bisher schon das ein oder andere Mal geholfen, dann sollte ich wohl seinen Rat dieses eine Mal beherzigen.

Paronda

Müde rieb er sich die Stirn und lenkte seine Konzentration zurück zu den Ausführungen des alten Drachen. Joelpa neigte leider zu Ausschweifungen und verlor schon mal den ein oder anderen Faden, bis man ihn daran erinnerte, was er eigentlich hatte erzählen wollen.

„Der Wein war nicht so gut wie bei uns-“

„Du wolltest mir irgendetwas von den Menschen erzählen.“, unterbrach Ragnos ihn. Der alte Mann starrte ihn einen Moment an, dann nickte er.

„Ach ja, genau. Ich war vor ein paar Tagen in den Wäldern unterwegs und habe dort eine Gruppe Jäger getroffen. Sie stammten aus einem Dorf ein paar Tagesritte gen Osten.“ Geduldig wartete Ragnos darauf, dass Joelpa endlich zur Sache kam, würde er jemals so werden, schwor er sich, dann dürfte En’chan ihm den Kopf abreißen.

„Sie waren schwer bewaffnet und hätten mich beinahe aufgespießt, so schreckhaft waren sie.“, lachte der alte Drache.

„Als sie sich jedoch beruhigt hatten erzählten sie mir eine abstruse Geschichte!“ Seufzend schloss Ragnos einen kurzen Augenblick die Augen. Da war er wieder. Der Geschichtenerzähler Joelpa. Die Stimme des Alten senkte sich zu einem leisen Brummen, versuchte Spannung aufzubauen.

„Vor ein paar Nächten, in einer besonders finsteren und nebeligen Nacht, hörten sie einen markerschütternden Schrei, dann herrschte Stille. Die Dorfbewohner bewaffneten sich und stoben aus, um den Besitzer des Schreies zu finden, doch bei dem Nebel konnten sie niemanden finden. Einer der Männer erzählte, er habe ein leises Rasseln gehört, als würde man Ketten über den Boden schleifen, wo sich jedoch alle einig waren war, dass sie eindeutig nicht alleine in dem Nebel umher streiften.

Am nächsten Morgen fanden sie dann die älteste Tochter des Bäckers auf einer Wiese. Die Kleider waren ihr vom Leib gerissen, an ihrem Körper waren Kratzspuren zu finden, ihre Finger waren ihr gebrochen worden, sowie die Knöchel, vermutlich um sie am Fliehen zu hindern. Bevor das Monster sie jedoch umbrachte, schändete es ihren Körper und schlitze ihr dann die Kehle auf.“ Joelpa hielt einen Moment die Luft an, dann spuckte er sie Ragnos förmlich entgegen.

„Ein paar Tage später fanden sie die Tochter des Metzgers mit denselben Spuren. Die Menschen sind auf der Jagd nach dem Monster und baten mich, Euch davon zu berichten.“, endete der alte Mann und knete nun seine Hände.

Der junge Lord starrte ihn einen Moment an, dann seufzte er schwer.

„Es läuft hier also irgendein Irrer herum, der Menschenfrauen abschlachtet?“, fasst er zusammen.

„Ja.“

Einen Moment musste Ragnos an seinen Cousin denken, dem würde so etwas bestimmt gut gefallen, doch selbst Kahndris war sich der Konsequenzen bewusst, sollte er in dem Gebiet von Ragnos blutrünstig wildern.

„Vor ein paar Jahren gab es schon mal ähnliche Vorfälle. Ein Sklave hatte sich von seiner adligen Herrin befreit und übte eine krankhafte Rache an allen rothaarigen Frauen. Die Menschen haben ihn dann eines Nachts gestellt und kurzerhand hungrigen Wölfen zum Fraß vorgeworfen.“

„Danke Joelpa.“, erwiderte Ragnos und wand sich um.

„Lord? Werdet ihr das Schwein jagen?“, wollte der alte Drache wissen.

„Vielleicht.“ Erst einmal musste er sich jedoch um die Schlächter in seiner Burg kümmern.

Als er seinen Blick über seine Krieger schweifen ließ, blieb dieser an der schmächtigen Gestalt des Menschen hängen.

Neben den Drachen wirkte er geradezu mickerig, wie ein Kleinkind, selbst einer der schwächsten Drachen könnte ihm locker ein paar Knochen brechen und der Stallmeister hätte dem nichts entgegen zu setzten.

Dennoch stach das kleine Wesen aus der Menge hervor, wie der Mond in einer sternenklaren Nacht. Seine strubbligen blonden Haare standen ihm wirr vom Kopf, seine Haltung war angespannt und seine Hautfarbe hatte mittlerweile wieder eine gesündere Farbe angenommen. Vorhin hatte er wirklich einen Moment wie ein Geist ausgesehen, dann eher wie eine Kröte.

Neben all diesen kleinen Schwächen strahlte er jedoch eine angenehme Ruhe aus, obwohl er zynisch und respektlos war. Ragnos konnte gut verstehen, warum die Pferde sich in seiner Nähe wohlfühlten, selbst der brummige Schmied schien die Nähe des Kleinen ab und an zu suchen. Und auch die Drachen, die mit Menschen genauso viel anfangen konnten wie er selbst, schienen öfter an den Stallungen vorbei zu schleichen als sonst.

Was für einen Menschen hatte Ruan ihm da nur angeschleppt?

Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er den Menschen anstarrte und dieser seinen Blick erwiderte. Der Drachenkrieger erinnerte sich an Ruans Worte.Er sollte wirklich versuchen netter zu seinem Stallmeister sein, schließlich müsste er es eine Weile mit ihm aushalten. In dem Versuch etwas freundlicher zu sein, nickte er dem Menschen kurz zu, welcher die Augenbrauen verwirrt zusammen zog und die Nase leicht kräuselte. Ein wirklich merkwürdiger Gesichtsausdruck, wie Ragnos fand.

Dennoch erwiderte er nach einem Moment die kurze Kopfbewegung und zuckte dann leicht zusammen, als En’chan ihm leicht auf den Rücken klopfte.

 

Die Sonne dämmerte bereits, als Ragnos sich auf den Weg zu den Stallungen machte. Der Geruch von feuchter Erde und feuchtem Heu stieg ihm in die Nase und eine leichte Kühle legte sich auf seine Haut.

Heute würde es ein schöner Tag werden, wahrscheinlich sogar recht warm.

„Guten Morgen.“, begrüßte er den Stallmeister, welcher gerade dabei war den Pferden ihr Essen zu geben. Erschrocken zuckte dieser zusammen.

„Morgen.“, erwiderte er dann kurz und warf einen Arm voll Heu in eine Boxe.

„Was machen die beiden Pferde von gestern?“, wollte der Drachenkrieger wissen und lehnte sich mit einer Schulte an eine Holztür.

„Stallmeister?!“, fügte er noch hinzu. Seufzend fuhr der Mensch herum und schob sich ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. Er sah müde aus, stellte der Lord fest.

„Ich heiße nicht Mensch, Zwerg, Winzling, oder Stallmeister. Ich heiße Mo! M - O ! Mo! Und den Pferden geht es gut. Heute Nacht hatte der Kleinere von den Beiden starke Bauchschmerzen, aber jetzt geht es ihm wieder gut.“ Prüfend musterte der Lord den Menschen, dann stieß er sich von der Boxe ab und folgte dem Burschen aus der Burg hinaus zu den außerhalb der Mauer gelegenen Wiesen.

Innerhalb der Burg befanden sich die Kriegsrösser und Gastpferde, das junge Gemüse und die alten Pferde tobten auf den großen Wiesen auf der anderen Seite der Mauer herum.

„Du hast dich die ganze Nacht um ihn gekümmert?“, wollte er wissen, erhielt jedoch nur ein kurzes Kopfrucken als Antwort.

„Ich muss gestehen, die Pferde sehen wirklich gut aus.“, meinte der Lord und betrachtete die Herde dunkler Leiber, die sich gegen die aufgehende Sonne abhoben.

Kleine Fohlen lagen hier und da auf der Wiese, schienen den Morgen noch ignorieren zu wollen.

„Darf ich etwas fragen, Lord?“, fragte der Mensch nach einem kurzen Gähnen. Zerknirscht stellte Ragnos fest, dass der Blondschopf es schafft das Wort Lord wie eine Beleidigung klingen zu lassen.

„Tust du das nicht schon?!“, erwiderte er nur und schluckte den aufkommenden Reiz hinunter, dieses Wesen einmal kräftig durchzuschütteln.

„Wieso haben Drachen Pferde? Ihr könnt doch fliegen.“ Das Lachen des Drachen scheuchte die kleinen Fohlen erschrocken auf ihre Beine.

„Natürlich können wir fliegen. Aber wir versuchen in einer Art Harmonie mit den Menschen zu leben und da ihr euch vor unserer wahren Gestalt fürchtet, leben wir einen großen Teil unserer Zeit in dieser Form. Die wenigsten Menschen sehen es gerne, wenn ein Drache vor ihrem Dorf landet, oder gar auf dem Marktplatz und da wir nicht gerne zu Fuß unterwegs sind, boten sich Pferde auch für uns an. Außerdem sind es mit die schönsten Wesen, nach uns natürlich.“, erklärte er weiter und beobachtete, wie die Ohren der Stuten hin und her wankten, immer nach Gefahr lauschend.

„Drachen sind überhaupt nicht selbstverliebt.“, knurrte der Stallmeister und erntete dafür einen amüsierten Blick des Lords.

„Nein, wir sehen die Dinge einfach nur so wie sie sind.“

Ein lautes Brüllen fegte über die Herde hinweg und ließ diese panisch davon galoppieren. Der kleine Mensch zuckte zusammen und ließ seinen Blick über den Himmel schweifen.

Ein großer Schatten fegte über die Wiese hinweg, drehte eine große Schleife und schoss dann auf Mo und Ragnos hinunter.

Erschrocken warf der Menschenjunge einen Blick zu den Pferden und als das große Wesen nicht auf die Tiere, sondern auf die Gestalten am Zaun zu hielt, trat Mo einen Schritt zurück und prallte prompt gegen den Lord.

Ohne ein Wort schob der Krieger den Menschen hinter sich und behielt den immer näher kommenden Drachen im Auge.

Mit einem weiteren Brüllen, wobei Mo eine lange Reihe spitzer Zähne sehen konnte, ließ der Drache sich elegant auf seinen Hinterläufen nieder, schlug noch zwei Mal mit den mächtigen Schwingen und ließ sich dann auf die Vorderpranken fallen.

„Was für ein dramatischer Auftritt.“, knurrte der Lord nur.

Vorsichtig lugte der kleine Mensch an der Masse an Mann vorbei.

Der Drache war riesig, sein Rücken lag auf Kopfhöhe mit Mo. Hellgrüne Schuppen kleideten den massigen Leib, ein langer Schwanz peitschte hin und her und auf dem langen schlanken Hals thronte ein schmaler Kopf mit einer langen Schnauze. Kluge grünleuchtende Augen starrten den Stallmeister und den Lord an, dann stieß der Drache einen kehligen Laut aus.

Er lachte.

Dann verschwamm das Wesen vor ihren Augen, die Konturen wurden unschärfer, verwischten und zogen sich zusammen, dann stand an der Stelle des Drachen eine große schlanke Frau. Einen Wimpernschlag hatte dieses Schauspiel nur gedauert.

„Ich freue mich auch dich zu sehen.“, lachte die Frau und kam auf den Lord zu geschlendert. Schnaubend fuhr sich Ragnos durch die Haare. Paronda hatte ihm gerade noch gefehlt. Die langen schwarzen Harre schimmerten leicht grün und wirkten seidig weich. Der Drachenkrieger wusste, dass sie sich auch genauso anfühlten.

Als Paronda ihn erreicht hatte schielte sie ihn einen Moment von unten her an, dann warf sie sich um seinen Hals.

„Ich habe dich vermisst, Bruderherz!“, lachte sie und kopfschüttelnd legte er seine Arme um die schmale Gestalt seiner Schwester.

Paronda war nur ein paar Jahrzehnte jünger als er und lebte noch in der Burg ihrer Eltern. Meistens kam sie zu ihm, wenn sie etwas ausgefressen hatte, oder die Langeweile allzu groß wurde.

„Was willst du hier?“, wollte er deshalb auch gleich wissen. Schmollend löste sie sich von ihm.

„Darf ich meinen großen Bruder nicht einfach mal so besuchen?“, wollte sie wissen.

„Du darfst, tust es aber nicht.“, erwiderte er. Achselzuckend wollte seine Schwester etwas erwidern, als sie den kleinen Menschen in Ragnos Rücken bemerkte.

„Oh, wer bist du denn?“, wollte sie auch gleich wissen und schob den großen Drachenkrieger rüde zur Seite, um sich den Menschen genaue betrachten zu können.

Selbst neben seiner Schwester wirkte der junge Stallmeister zerbrechlich, stellte Ragnos fest und beobachtete, wie die blauen Augen seine Schwester skeptisch musterten.

„Ich bin Paronda! Die Schwester von diesem Holzkopf.“, zwinkerte die Drachendame und hielt dem Burschen eine Hand hin.

„Mo, der Stallmeister.“, erwiderte er, ignorierte jedoch die Hand. Seufzend ließ Paronda ihre Hand wieder sinken.

„Entschuldige bitte, falls ich dich erschreckt haben sollte. Ich wusste nicht, dass Ragnos einen Menschen bei sich hatte.“

„Was dir aufgefallen wäre, wenn du nicht wie eine betrunkene Taube durch die Luft geflattert wärest.“, knurrte der Lord.

Betrunkene Taube?“, zischte da auch schon die Schwarzhaarige.

„Ich habe schon mal einen Drachen gesehen. In seiner richtigen Gestalt, also hast du mich nicht so sehr erschreckt.“, unterbrach Mo das Geschwisterpaar. Überrascht wand sich Paronda an den Stallmeister und ignorierte ihren Bruder wieder.

„Ja? Das ist aber ungewöhnlich, eigentlich vermeiden wir es euch unsere wahre Gestalt zu zeigen.“

„Tja, dem war es wohl egal.“, meinte der Stallmeister und deutete auf die Burg.

„Ich geh dann mal weiter arbeiten.“ Ohne auf eine Antwort zu warten wand der Bursche sich um und stapfte zurück.

„Einen interessanten Jungen hast du da!“, meinte Paronda und hackte sich bei ihrem Bruder ein.

„Lass ihn ja in Ruhe! Ich will keinen liebeskranken Stallmeister auf meiner Burg haben!“, ermahnte er sie.

„Keine Angst, das Bürschchen ist mir viel zu klein.“, lachte sie und zwinkerte dem Lord frech zu.

 

 

Die Stimmung innerhalb der Mauern war rapide gestiegen, seid Paronda diese betreten hatte. Die Drachendame schien sehr beliebt, lachte und scherzte mit den anderen und war zu jedem freundlich. Zu jedem, außer dem Gefolge von Kahndris.

Leider klebte En’chan wie ein Schatten an mir, was selbst die freudige Stimmung der anderen nicht wettmachen konnte.

„Kleiner Kerl, du strahlst wirklich schlechte Schwingungen aus!“, grummelte der Schmied, als ich auf die Reparatur eines Eimers wartete.

„Wie das wohl kommt.“, erwiderte ich nur und warf dem Krieger mit der Narbe einen vernichtenden Blick zu. Abwehrend hob er seine mächtigen Hände in die Luft und grinste mich schief an.

„Ragnos hat es befohlen! Ich kann nichts dafür!“, versuchte er sich zu verteidigen.

„Du kannst für alles was!“, lachte da Paronda und zwinkerte mir amüsiert zu.

„Was hast du dies mal getan?“, wollte sie auch gleich wissen und lehnte sich an die Gebäudewand.

„Ich habe gar nichts getan! Das ist es ja gerade. Dein lieber Bruder hat mich abkommandiert um auf den kleinen Stallmeister aufzupassen. Entschuldige,“, korrigierte er sich mit einem Blick auf mich. „beschützen, nicht aufpassen.“

Selbst eine hochgezogene Augenbraue sah an dieser Frau verboten gut, was ich mehr als ungerecht fand.

„Wieso das denn?“, wand sie sich an mich.

„Wegen Shindra.“, antwortete ich nach einem Moment. Es brachte mir schließlich Nichts sie zu ignorieren, außerdem wirkte sie wirklich freundlich.

„Shindra? Der blonde Schönling von Kahndris? Hast du ihm sein Badezuber geklaut, oder etwa seine herrlichen Haare angefasst?“, wollte sie interessiert wissen und schaffte es mir mit ihrem verwirrten Blick ein Lachen abzuringen.

„Oh je, die Welt geht unter! Unser Stallmeister hat gelacht!“, grölte da auch schon der Krieger über den Platz und warf in einer verzweifelten Geste die Hände in die Luft.

„Sei nicht albern En’chan!“, lachte nun auch Paronda.

„Ich habe ihn wohl ein wenig gekränkt.“, erwiderte ich nun auf ihre Frage.

„Ein wenig? Ruan hat erzählt, du hättest gemeint, dass es ein Wunder wäre, dass das Pferd unter seiner Arroganz nicht zusammen bräche.“, lachte der Riese und zwinkerte mir vergnügt zu.

„Womit er vollkommen Recht hat.“, grummelte der Schmied und unterstütze seine Aussage durch wildes Kopfnicken.

„Ob es nun wahr ist oder nicht, jetzt hat der Schleimling ihn jedenfalls im Auge. Daher hat Ragnos beschlossen, dass wir etwas mehr auf ihn aufpassen sollten. Wir wollen unserer Stallmeister ja nicht irgendwann morgens verteilt auf der Wiese vorfinden.“

„Hier.“, knurrte der Schmied und reichte mir einen wie neu aussehenden Eimer.

„Danke.“

Als ich zurück zu den Stallungen lief folgten mir der Krieger und die schwarzhaarige Schönheit, wild diskutierend.

„Mensch!“, brüllte eine dunkle Stimme über den Hof, selbst die Drachen wanden den Kopf zu der Stimme.

Ein großer sehniger Mann, mit zurückgekämmten roten Haaren und feiner Kleidung stampfte über den Platz auf mich zu.

Lord Kahndris.

Ich hatte ihn ein paar Mal aus der Entfernung gesehen, zum Glück!

Diesen Drachen mochte ich fast noch weniger als Shindra, obwohl ich mit dem Lord bisher kein einziges Wort gewechselt hatte. Daher wunderte es mich umso mehr, dass er nun zielsicher auf mich zu stürmte, seine kalten grauen Augen auf mich gerichtet.

„Mach sofort Pferde für uns bereit!“, donnerte er los, als sich auch schon En’chan schützend vor mir aufbaute.

„Wollt Ihr etwa schon abreisen, Lord?“, fragte der Krieger mit kaum zu überhörender Freude. Der Lord warf dem Krieger einen abschätzenden Blick zu, dann schüttelte er den Kopf, als würde er mit einem dummen Kind reden.

„Natürlich nicht. Wir gehen auf die Jagd.“

„Weiß Lord Ragnos davon?“, wollte der große Krieger wissen. Neben mir schob sich Paronda an meine Seite und zwinkerte mir erwartungsvoll zu. Sie schien das ganze Theater kalt zu lassen.

„Es war seine Idee.“, zischte der Rothaarige, anscheinend erzürnt über die Infragestellung seiner Autorität.

„Es wäre ja nicht das erste Mal, dass du einfach irgendwo jagen gehst. Am liebsten Menschen.“, warf nun die Schwarzhaarige ein und verschränkte die Arme vor der Brust. Die grauen Augen des Lords richteten sich auf die Drachendame, dann zuckten seine Mundwinkel leicht nach oben.

„Paronda, meine Liebe. Ich wusste gar nicht dass du ebenfalls hier bist.“

„Ich bin gerade erst angekommen. Hätte ich jedoch gewusst, dass du hier bist, dann wäre ich gar nicht erst gelandet.“ Das Lächeln auf seinen Lippen erlosch und Wut flackerte in den Augen Kahndris auf, vorsichtig verlagerte ich mein Gewicht von einem Fuß auf den anderen, was die Aufmerksamkeit des Drachen zurück auf mich lenkte.

Mensch! Du sollst die Pferde fertig machen!“, knurrte er nun bösartig.

„Sprich nicht so mit meinem Stallmeister.“, durchschnitt die Stimme von Lord Ragnos die Luft. Mit einem kalten Blick auf den anderen Lord schob der Krieger sich an diesem vorbei und warf En’chan einen warnenden Blick zu, dann richteten sich seine Augen auf mich.

„Wir wollen in einer Stunde aufbrechen. Mach neun Pferde fertig.“ Einen kurzen Moment zögerte er dann fügte er stumpf „Bitte“ hinzu.

„Warte ich helfe dir.“, rief mir Paronda hinter her, als ich endlich die Stallung erreicht hatte.

Wenn � �td�� ��grollte es zu mir herüber. Schwarze Augen starrten mich abwartend an und verliehen dem kantigen Gesicht des Lords einen noch härteren Ausdruck. Dennoch starrte ich zurück und zuckte mit den Schultern.

 

„Er hat Ruan gesucht.“, erklärte ich.

„Und ist zufällig auf dich gestoßen.“, vollendete er meinen Satz.

„Meine Aufgabe ist es, mich um die Pferde zu kümmern, falls ihr das vergessen haben solltet, natürlich bin ich dann in den Stallungen zu finden.“, zischte ich genervt zurück. Die aufsteigende Wut vertrieb langsam den Schrecken in meinen Knochen und ich fühlte, wie die Luft, die in meine Lungen drang, die Übelkeit verringerte.

Einen Moment schien es mir so, als würde der Lord die Luft anhalten, dann stieß er sie mit einem Seufzer aus und fuhr sich kopfschüttelnd durch die Haare.

„Du hast Recht. Es ist deine Aufgabe. Dennoch sollte so etwas nicht wieder vorkommen.“ Sein Blick legte sich auf den Krieger neben mir.

„Da bin ich ganz deiner Meinung. Ich hätte auch wirklich nichts dagegen, wenn wir diese Schlange am Schwanz baumelnd die Burgmauer hinaufzögen.“ Ich verdrängte die aufsteigenden Bilder, schließlich war ich mir momentan nicht wirklich sicher, welches Köperglied der Drache gerade meinte. „Dennoch ist er ein enger Vertrauter deines Cousins, welcher das Ganze höchst wahrscheinlich nicht mit größter Freude betrachten würde.“

„Er liebt doch sämtliche blutigen Veranstaltungen, dann wird er an dieser wohl auch seinen Gefallen finden.“, murrte der Lord.

„Vielleicht würde er es sogar genießen, wenn dadurch nicht seine Autorität untergraben werden würde.“, warf Ruan ein und schob mir den Teller wieder direkt unter die Nase.

„Das ist mir bewusst. Dennoch kann ich mir ja trotzdem die Alternativen vorlegen lassen.“, erwiderte Lord Ragnos und nahm einen tiefen Schluck aus seinem Krug.

Meine Wut war schon wieder abgeflaut und ließ nur einen leeren Magen zurück. Vorsichtig pickte ich mir etwas Brot vom Teller und schob es in meinen Mund. Gut schmecken tat es wenigstens, genau wie das Fleisch und das Gemüse, wie ich feststellte.

„So gerne ich ihm auch die Schuppen abziehen würde, und verdient hätte er es, hat er unserem Stallmeister jedoch nichts angetan, oder?“, fragte der dunkle Krieger mich. Hastig schüttelte ich den Kopf.

„Nun gut, ich möchte, dass bis Lord Kahndris abreist immer jemand ein Auge auf den Stallmeister hat.“ Erschrocken hielt ich beim Kauen inne und starrte ihn aus großen Augen an. Meinen überraschten Blick erwidernd, starrte er mich an.

„Was?“, wollte er nun wissen und ich schluckte hastig das Stück Gemüse herunter.

„Ihr könnt mich doch nicht überwachen lassen!“, empörte ich mich. „Oder bin ich jetzt doch ein Gefangener?“

„Das ist nur zu deiner Sicherheit!“, erklärte Ruan schnell.

„Ich brauche keinen Babysitter!“, knurrte ich sauer und griff nach dem Krug, trank einen großen Schluck. Das Gebräu war süßlich und erinnerte mich stark an den Geschmack von Himbeeren und Honig.

Seufzend fuhr sich der Lord durch seine Haare, dann blickte er mich mit zusammen gekniffenen Augen an.

„Gib mir deine Hand.“

„Wieso?“

„Damit ich sie dir abbeißen kann.“, knurrte er, dann fuhr er in milderem Tonfall fort. „Ich werde sie dir nicht zerquetschen. Wer würde sich dann schließlich um die Pferde kümmern?“, fragte er und so gab ich ihm zögernd meine Hand. Der große Krieger neben mir rutschte ein Stück zurück, sodass ich den Lord besser sehen konnte, oder eben er mich.

Meine Hand wirkte wie eine Kinderhand in seiner großen Pranke.

Kleine Narben zierten sein Handgelenk und die Haut seiner Hand war rau und sehr warm. Dann schloss er seine Hand um meine, welche komplett verschwand.

„Ich weiß ja nicht wie viel du schon mit Drachen zu tun hattest, aber wir sind um einiges stärker als ihr, schneller und auch beweglicher. Unsere Stärke ist unserer Natur, selbst in Menschengestalt tragen wir noch sehr viel davon in uns, was schnell zu …. Unglücken führen kann. Sollten wir auch nur einmal vergessen, was wir sind und was ihr seid, dann könnten wir euch mit einer einfachen Handbewegung die Knochen brechen.“ Um seine Erklärung zu unterstreichen schloss er seine Hand um meine etwas fester, ich kam mir vor, als wäre meine Hand in einem Schraubstock gefangen. Obwohl ich jetzt versuchte meine Hand aus seiner heraus zu ziehen, bewegte sich seine Hand keinen Millimeter, nicht einmal sein Arm ruckt ein bisschen nach vorne, obwohl ich ziemlich stark zog.

Dann hörte der Druck abrupt auf und einen Moment später gab er mich frei.

„Sicherlich brauchst du keinen Babysitter, aber einen Beschützer vor Drachen.“, endete er und wand sich dem Krieger zwischen uns zu.

„Du kümmerst dich darum.“, befahl er, dann erhob er sich und steuerte auf einen knochigen alten Mann zu.

„Alles ok?“, wollte der Krieger neben mir wissen und betrachtete meine Hand, welche durch das ganze Gezerre und Gedrücke rot geworden war. Vorsichtig bewegte ich meine Finger und ballte meine Hand dann zu einer Faust. Vielleicht hatte der Lord sogar doch etwas Recht. Ein Beschützer in dieser Burg wäre wohl nicht ganz so übel. Solange er nicht heraus fand wer ich war.

„Alles in Ordnung.“, erwiderte ich.

Während ich schweigend das Essen vor mir verputze beobachtete ich den Lord, wie dieser etwas abseits von allem mit dem alten Mann redete, oder vielmehr diesem zuhörte.

„Trink nicht zu viel davon.“, nuschelte mir da Ruan zu und schob den Krug fort von mir.

„Ich bezweifle, dass dein Vater dir viel Alkohol zu trinken gegeben hat. Außerdem vertragen Menschen nicht viel vom Drachenwein.“, erklärter er mir und schob mir ein anderen Krug zu, gefüllt mit Wasser.

Ich wollte eigentlich protestieren, schließlich war das andere Getränk viel leckerer und wärmte mich von innen, doch nach einem Blick in das wettergegerbte Gesicht des Mannes entschied ich mich dagegen. Ruan hatte mir bisher schon das ein oder andere Mal geholfen, dann sollte ich wohl seinen Rat dieses eine Mal beherzigen.

Die Jagd

Paronda hatte ebenfalls ein Pferd gesattelt und nach einer kurzen Auseinandersetzung mit ihrem Bruder saß sie nun fröhlich grinsend auf einem schwarzen Hengst. Lord Ragnos warf ihr einen letzten vernichtenden Blick zu, dann huschte dieser zu Andros, welcher mit seinem weißen Fell und seiner kleinen Körpergröße unter den Rappen auffiel, wie ein Drache unter Adlern.

Ich wusste immer noch nicht, warum ich die Drachen begleiten sollte und im Moment war es mir auch egal. Ich genoss das Gefühl des pulsierenden Körpers unter mir und das ungeduldige Scharren der Hufe.

Neben Ragnos, Paronda, Kahndris und mir, begleiteten uns noch Shindra, En’chan, Ruan, Knirsa, ein Krieger des blutrünstigen Lords und ein Mann, welcher eindeutig zu klein und schmächtig für einen Drachen war.

„Wo reiten wir denn hin?“, wollte die Frau nun wissen und warf ihrem Bruder einen fragenden Blick zu.

„Allem Anschein nach versteckt sich ein entlaufener Sklave in den Wäldern.“, erwiderte er und trieb sein Pferd an, die anderen folgten in einer lockeren Formation.

„Und seit wann jagt ihr Sklaven?“, ließ Paronda nicht locker.

„Der Sklave hinterlässt eine sehr blutige Spur. Ich bin heute Morgen die Dörfer in der Umgebung abgeritten und habe von weiteren Fällen gehört, bei denen Frauen brutal ermordet vorgefunden wurden.“, erklärte Ruan und warf der Drachendame einen warnenden Blick zu.

„Ich pass schon auf mich auf!“, erwiderte diese.

„Außerdem kann ein Mensch kaum etwas gegen einen Drachen ausrichten.“, fügte sie noch hinzu. Lord Kahndris und sein Gefolge hatten sich leicht von unserer Gruppe abgekapselt und diskutierten leise miteinander.

„Lord Kahndris hat leider davon Wind bekommen und veranstaltet nun einen Wettkampf daraus.“, erklärte der Lord und warf mir einen nachdenklichen Blick zu.

„Von einem Wettkampf wusste ich nichts.“, entrüstete sich der alte Ruan und zog die Augenbrauen zusammen, was sein Gesicht finsterer aussehen ließ.

„Der schmale Kerl bei ihnen heißt Langros und ist ein Mensch, er ist Kahndris Sammler.“, erklärte der dunkelhaarige Krieger.

„Was ist ein Sammler?“, wollte ich wissen und warf Paronda einen fragenden Blick zu.

Sammler nennen wir Menschen, die für uns entlaufene Sklaven wieder einfangen. Auf äußerst brutale Weise.“, fügte sie hinzu.

„Die wenigsten Drachen haben noch Sammler in ihren Reihen.“, schmunzelte Knirsa und kratzte sich nachdenklich am Kinn.

„Wenn Kahndris einen Sammler, einen Menschen, nach dem Sklaven suchen lässt, dann heißt das…“, sinnierte er laut und warf mir dann einen finsteren Blick zu.

„Da ich nur einen Menschen auf meiner Burg habe, muss unser Stallmeister den Mörder finden.“, beendete Ragnos den Satz.

Ich? Wieso das denn? Ihr Drachen habt doch die viel besseren Sinne!“

„Das haben wir, aber merkwürdigerweise konnten wir keine Spuren des Täters an den verschiedenen Orten finden. Es scheint fast, als wäre er nie dagewesen. Wir sind auch nicht sonderlich gut im Aufspüren von Dingen, musst du wissen.“, erklärte Knirsa.

„Und wie du vielleicht schon bemerkt hast, sind wir auch nicht immer sonderlich leise. Wozu auch?“, fügte Ruan hinzu.

„Als ich dich das erst Mal gesehen habe, da hattest du dein kleines Pferd mit jeder Menge schwer zu fangender Tiere beladen.“, meinte Ruan und warf mir einen aufmunternden Blick zu.

„Die Dorfbewohner haben die Spur des Sklaven dort vorne am Waldrand verloren. Eine Spur, die ich nicht sehen konnte.“, sagte der alte Drache und deutete auf eine Stelle am Wald direkt vor uns.

Nachdenklich streichelte ich Andros den Hals.

Ich würde endlich den Tag außerhalb der Burg und dazu noch im Wald verbringen können. Ob ich jetzt einen Sklaven, welcher Frauen ermordete, aufspüren sollte, oder ein paar Hasen machte keinen großen Unterschied, endlich eine Abwechslung. Außerdem würde sich mir vielleicht eine Chance zur Flucht bieten.

„Ok, ich mache es.“, sagte ich dann mit neuem Enthusiasmus.

„Du musst ihn aber vor Langros finden.“, entschied Ragnos.

„Und wenn nicht?“

„Dann muss ich mir eine Strafe einfallen lassen.“, knurrte Ragnos und erntete ein entrüstetes Schnauben von Paronda.

„Eine kleine.“, meinte er daraufhin. Ob das jedoch besser war, wusste ich nicht und wollte es auch gar nicht erfahren.

 

Der Wald roch und fühlte sich genauso an wie der bei mir zu Hause. Die Bäume waren hoch und standen dicht beieinander. Büsche und Farn erschwerten das Vorankommen und boten perfide Verstecke für Hasen und Hühner, nicht jedoch für einen ausgewachsenen Mann.

Kaum das wir das Dickicht betreten hatten trennte sich Lord Kahndris Gruppe vor der unseren, was alle mit einem erleichterten Seufzer wahrnahmen.

Bisher hatte ich noch keine ungewöhnliche Spur entdecken können, nur ein paar Wildwege.

Wenn ich auf der Flucht wäre, würde ich bestimmt nicht so umsichtig durch den Wald schleichen. Ich könnte wahrscheinlich noch nicht einmal meine Spuren ausreichend verstecken.

„Es ist komisch, dass hier keine Spur ist.“, dachte ich laut und ließ mich vorsichtig von Andros fallen.

„Wieso?“, wollte Ruan neugierig wissen und nahm die Zügel des Schimmels entgegen, während ich mich bückte und den Boden betastete.

„Jeder hinterlässt Spuren. Gerade in einem so dichten Wald.“ Die Erde unter meinen Fingern war weich und feucht, perfekt für Fußabdrücke. Nachdenklich betrachtete ich den Boden unter den Pferden. Ihre Hufabdrücke hatten sich in das Erdreich gedrückt und würden erst bei dem nächsten kräftigen Regenschauer weggespült.

„Wir irren jetzt schon seit Stunden herum und du hast immer noch nichts gefunden.“, meinte Ragnos kühl und fuhr sich genervt durch die Haare. Ich ignorierte ihn einfach und lehnte mich nachdenklich an einen Baum.

Bisher hatte ich immer gewusst was ich suchte, wen ich jagte, kannte die Verhaltensweisen und Lieblingsorte. Diesen Menschen kannte ich jedoch nicht, außerdem hatte ihn bisher niemand zu Gesicht bekommen. Einzig und alleine eine paar Fußabdrücke hatten sie finden können.

„Anscheinend ist er doch nicht so gut wie du meintest Ruan.“, murmelte Ragnos und erntete einen finsteren Blick von dem alten Mann, grummelnd und knurrend fauchten sich die Drachen nun gegenseitig an. Anscheinend fühlten sie sich nicht wohl unter einem Laub-, anstatt Sternendach.

Laubdach…. Das war es!

Hektisch schnallte ich das Schwert, das mir sowieso viel zu schwer war, ich aber tragen musste, ab und warf es achtlos auf den Boden, dann suchte ich nach einem tief hängenden Ast und hangelte mich geschickt daran hinauf.

„Eine Flucht ist sinnlos!“, rief mir da auch schon Ragnos hinterher und lenkte sein Pferd unter den Baum, auf welchem ich gerade hockte.

„Wenn Ihr endlich mal fertig seid den ganzen Wald von Eurer Anwesenheit in Kenntnis zu setzten, dann würde ich Euch vielleicht auch mal sagen was ich gefunden habe.“, grinste ich den Lord frech an. Seine Augenbrauen zogen sich mürrisch zusammen, doch die Anderen schienen hellauf begeistert.

„Du hast etwas gefunden?“

„Was?“

„Habe ich euch nicht gesagt, dass der Bursche es kann!“

Kopfschüttelnd deutete ich in eine Richtung.

„Er ist dort lang, wahrscheinlich hat er ein paar Stunden Vorsprung.“, erklärte ich und richtete mich vorsichtig auf.

Die Bäume standen an einigen Stellen so dicht beieinander, dass man sich mit etwas Geschick von einem zum anderen hinüber hangeln konnte. Deshalb hatte ich auch keine Spuren auf dem Boden finden können.

Vorsichtig balancierte ich auf den Ästen weiter und lotste die Drachen so durch den Wald. An einigen Stellen schien unser Opfer abgerutscht zu sein und hatte tiefe Furchen im Holz hinterlassen.

„Fall ja nicht runter! Ich will nicht schon wieder einen neuen Stallmeister suchen!“, ermahnte mich Ruan nun schon zum dritten Mal und beobachtete mich mit Argusaugen.

Leider musste ich mir eingestehen, dass das Klettern anstrengender war als es bei Eichhörnchen aussah, außerdem machten die schlechter werdenden Lichtverhältnisse es auch nicht viel einfacher.

Nachdem ich nun schon zum wiederholten Male schwankend nach meiner Balance suchte beschloss Ragnos, dass wir unser Nachtlager aufschlagen sollten.

Da es für ein großes Lagerfeuer zu gefährlich war, blieben wir unter dem Baum und sattelten die Pferde ab.

„Bitte sag mir, dass du was zu essen mit hast!“, stöhnte Knirsa und rieb sich seinen Hintern.

„Jeder gute Jäger hat Proviant dabei.“, erwiderte Ruan nur und reichte dem maulenden Krieger ein Stück Brot und Trockenfleisch.

„Also ich finde das alles sehr aufregend.“, lachte Paronda und ließ sich auf den Boden plumpsen, fegte eine großräumige Stelle frei, dann häufte sie einen kleinen Haufen Äste übereinander und im nächsten Moment flackerte ein sehr kleines Feuer in unserer Mitte.

Es verströmte mehr Licht, als das es Wärme ausstrahlte.

Dunkelheit hatte sich zwischen den Bäumen ausgedehnt und langsam schlichen die Nachtjäger aus ihren Verstecken.

„Hier.“, meinte Ruan und reichte mir eine Decke.

„Menschen sind viel empfindlicher als wir.“, erklärte er den anderen.

„Der Knirps hat ja auch kein Fleisch auf den Rippen! Da sind ja nur sehen Sehnen, Muskeln und Knochen, am wenigsten Muskeln.“, stellte En’chan fest und biss in sein Brot.

Müde lehnte ich mich gegen den Baum und schlang die Decke eng um meinen Körper. Die Drachen saßen schweigend am Feuer. Das flackernde Licht zauberte dunkle Schatten in ihre Augen und ließ sie wie die Monster wirken, die sie auch eigentlich waren.

 

Mein Körper fühlte sich an wie in einen Wintersee getaucht und zum trocknen in einen Schneesturm gehangen.

Vorsichtig löste ich meine Finger von der Decke und hievte mich langsam vom Boden hoch. Schwach warf eine kleine Flamme ihren Schein auf die schlafenden Gestalten der Drachen, denen die Kälte eindeutig nichts ausmachte. Ich jedoch musste mich etwas bewegen, sonst würde ich den nächsten Morgen, wenn überhaupt, krank erleben.

Vorsichtig schüttelte ich meine Arme aus und schlich mich leise von den anderen fort. Das leise Rascheln im Gestrüpp ließ mich inne halten. Vielleicht gab es hier gefährlichere Tiere als Bären, außerdem lief hier irgendwo ein wahnsinniger Frauenmörder herum. Ich sollte mich also erst einmal nicht zu weit von den Drachen entfernen, vielleicht bot sich mir noch eine andere Fluchtmöglichkeit, eine, bei der ich nicht schon von vorneherein komplett durchgefroren war.

Ein leises Knacken in meinem Rücken ließ mich zusammen zucken und instinktiv warf ich mich hinter den nächsten Baum.

„Ich habe dich gesehen, du brauchst dich also nicht verstecken.“, grollte es auf der anderen Seite und vorsichtig warf ich einen Blick um den Stamm herum.

Ein großer Schatten stand zwischen den Büschen und schien für einen Moment wie ein auf den Hinterbeinen stehender Bär.

„Ich habe dich gewarnt. Keine Fluchtversuche!“ Ein Bär wäre mir sogar lieber gewesen, als das tiefe Brummen des Lords.

„Ich wollte nicht fliehen. Ich musste mich nur bewegen.“, erklärte ich ihm und stapfte auf ihn zu, während ich meinen kalten Hände aneinander rieb.

„Wieso?“, wollte er wissen.

„Weil ich halb erfroren bin.“, zischte ich und wollte mich an ihm zurück zum Lager schieben, fand mich jedoch einen Wimpernschlag später zwischen dem Baum und ihm eingepfercht.

„Wag es nicht mich anzulügen!“, knurrte er säuerlich und brachte sein Gesicht mit dem meinen auf eine Höhe. Sein warmer Atem strich über meine Haut und jagte mir einen Schauer über den Rücken. Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen, nur einen schwarzen Schatten.

Erschrocken zuckte ich zusammen, als er seine Hand hob und sie an meine Wange legte, dann spürte ich, wie er mit seinem Daumen über meine Lippen fuhr.

„Deine Haut ist wirklich ganz kalt und deine Lippen leicht blau.“, stellte er überrascht fest und ich notierte mir im Geiste, dass Drachenaugen wohl auch in ziemlicher Dunkelheit gut sehen konnten. Einen Moment schien er mich noch anzustarren, dann richtete er sich wieder auf und schob mich zurück auf das kleine Feuer zu.

„Wenn du frierst, dann sag nächstes Mal einfach einem von uns Bescheid.“, befahl er mir mit seiner knurrenden Stimme, hob meine Decke vom Boden auf und wickelte sie um mich herum, dann ließ er sich zurück auf seinen Platz sinken. Die anderen Drachen schienen noch zu schlafen, ihr Atem ging leise und regelmäßig.

„Komm her, oder ich überlege es mir anders.“, brummte Ragnos und klopfte auf den Boden neben sich. Ich warf noch einen unsicheren Blick auf meinen alten Platz, dann stapfte ich zu dem Drachen. Ich hatte schon dicht gedrängt an meine Brüder im Wald geschlafen. Meist dann, wenn wir einen Hirsch verfolgt hatten und da es besser war als zufrieren, hatten wir uns beinahe zu einem einzigen Ball zusammen gedrängt.

Dies hier war jedoch anders.

Ragnos war nicht mein Bruder, er war ja nicht einmal ein Mensch!

Dennoch ließ ich mich neben ihm auf den Boden plumpsen und ließ es zu, dass er mich mit seinem kräftigen Arm näher an sich heran zog.

Sofort drang eine angenehme Wärme an meine Wange.

„Und jetzt schlaf! Morgen will ich den Mistkerl finden, der in meinem Gebiet ungefragt mordet!“, grollte er und das Beben drang weit in meinen Körper.

 

 

Zerknirscht beobachtete Ragnos seinen Stallmeister beim schlafen. Er musste sich wirklich eingestehen, dass er von den Menschen kaum etwas wusste. Der kleine Kerl war eisigkalt gewesen und er hatte vermutet, dass der Mensch flüchten wollte. Lächerlich so ein Gedanke! Wer versuchte schon vor fünf Drachen zu fliehen? Dummköpfe vielleicht und das schien sein Stallmeister nicht zu sein.

Es hatte eine ganze Weile gedauert bis das Beben nachgelassen hatte und der Bursche in einen ruhigen Schlaf gedriftet war. Er, Ragnos, konnte nun nicht mehr schlafen. Einmal wach und unter Strom, steckte sein Körper in Alarmbereitschaft fest, das Einzige was ihn die anderen nicht sofort wecken und weiterreisen ließ, war der kleine Mensch in seinem Arm, der sich dicht an ihn gekuschelt hatte um noch mehr von seiner Körperwärme abzubekommen.

Ruan hatte mal wieder Recht behalten, der Lord sollte wirklich freundlicher mit diesem schwächlichen Wesen umgehen, schließlich könnte der Lord das kleine Wesen in seinem Arm ohne große Anstrengung zerquetschen.

Wenn der kleine Mensch so schlief, dachte er, dann wirkte er noch zerbrechlicher. Seine Gesichtszüge waren entspannt und ließen ihn noch jünger, noch weicher wirken.

Seufzend nahm der Lord eine widerspenstige Strähne des blonden Haares, welche Mo im Gesicht zu kitzeln schien, zwischen die Finger und drapierte sie um. Verblüfft stellte der Drachenkrieger dabei fest, dass sich dieses strubblige Haar zwischen seinen Finger überraschend weich anfühlte.

Leise murmelnd zog das zierliche Wesen die Decke enger um sich und versuchte sich noch näher an die Wärmequelle Drache zu schieben, welcher ergebend schnaubend den Menschen auf seinen Schoß zog und ihn dann in einer warmen Umarmung umfing.

Sollte er später auch nur einen blöden Augenaufschlag sehen, schwor er sich finster, dann würde derjenige die nächsten Monate nackt herum rennen müssen!

Mit rosa Schleifen im Haar und einem Glöckchen um den Hals!

Das Bündel in seinen Armen stieß einen zufriedenen Seufzer aus.

 

Ragnos hatte es nach ein paar Stunden geschafft seinen Körper etwas zu beruhigen und wartete sogar bis zum ersten Sonnenstrahl, dann weckte er seine Truppe unsanft.

Nun liefen sie schon seit drei Stunden zwischen Büschen, Bäumen und Sträuchern hindurch und folgten dem kleinen Wesen, das flink von einem Ast zum nächsten kletterte.

Die Pferde hatten sie zurücklassen müssen, da der Weg für sie unpassierbar geworden war. Die dunklen Rösser würden sie am Rande des Waldes empfangen und der kleine Schimmel, hatte der Stallmeister behauptet, würde seinen eigenen Weg finden.

„Mo? Wie sieht es aus?“, rief Knirsa nach oben und legte den Kopf in den Nacken.

„Seine Spur ist noch recht frisch, wird aber immer schwerer zu lesen. Anscheinend ist das hier oben eine sehr beliebte Strecke.“, erklärte der Mensch und deutete auf die vielen Kratzspuren an den Bäumen.

Sie hatten schon den einen oder anderen Baumbewohner aufgeschreckt und je tiefer sie in den Wald eindrangen, je größer wurden diese Wesen. Bald würde der Mensch dort oben nicht mehr sicher sein, was er jetzt schon nur noch zu einem geringen Teil war.

„Komm runter, ich will dich da oben nicht mehr sehen!“, maulte Ruan nun schon zum dritten Mal und erhielt nur ein energisches Kopfschütteln.

„Die Spur ist hier oben. Wie sollen wir ihr folgen, wenn ich da unten bin?“ Leider hatte er Recht damit und das missfiel selbst dem Lord.

Das kleine Wiesel, der Mensch mit seinen blonden wuscheligen Haaren, erinnerte Ruan einfach an eines, führte sie mittlerweile gen Südosten, wieder hinaus aus dem Wald.

„Er flüchtet ins Androngebirge.“, überlegte Paronda und pflückte sich ein Blatt aus ihren Haaren.

„Was will er dort? Für Menschen sind die Wände zu steil und die Kanten zu scharf. Selbst Nahrung ist dort schwer zu beschaffen.“, knurrte En’chan und warf Ragnos einen nachdenklichen Blick zu.

„Vermutlich Bergsterne suchen.“, warf der Lord ein.

„Das könnte allerdings sein. Auch wenn sie verdammt schwer zu finden sind.“, stimmte ihm Knirsa zu.

„Was sind Bergsterne?“, wollte Mo von oben wissen und blickte die Krieger neugierig an.

„Verdammt schau wo du hintrittst!“, fauchte Ruan sofort und erntete nur ein amüsiertes Zucken der Mundwinkel, dann jedoch blickte der Mensch wieder nach vorne und hangelte sich weiter.

„Bergsterne sehen ein bisschen aus wie Diamanten, oder Juwelen.“, erklärte Paronda nach oben.

„In ihrer rohen Form sind sie schwer zu finden, da sie fast aussehen wie normale Steine, aber wenn man sie in sehr heißes Feuer legt, dann beginne sie zu leuchten und funkeln.“

„Warum dann der ganze Aufwand für ein paar Steine, die man erst in Feuer legen muss bevor sie hübsch sind?“, wollte der kleine Mensch wissen.

„Sie schlucken Licht.“, warf Ragnos ein und betrachtete die Baumwipfel.

„Bergsterne können das Licht von Flammen speichern und geben es bei Dunkelheit wieder ab. Besonders wertvolle nehmen sogar die Wärme auf und geben sie wieder ab.“

„Das ist praktisch.“

„Und sehr schön anzusehen. Ich kann dich ja mal zu einem kleinen Rundflug mitnehmen, dann zeig ich sie dir bei Nacht.“, bot Paronda an und erntete böse Blicke von den Kriegern.

„Du kannst keinen Menschen mitnehmen!“, warf En’chan ein.

„Weshalb? Weil sich das nicht geziemt? Unsinn! Ich kann tragen wen ich will!“, erwiderte sie spöttisch und stapfte erhobenen Hauptes an die Spitze.

„Frauen!“, knurrte En’chan.

Aus dem Augenwinkel bemerkte Ragnos eine schwache Bewegung, dann hörte er leise Atemzüge.

„Komm runter.“, befahl er seinem Stallmeister leise und beobachtete die Schatten in den Baumwipfeln. Die anderen Drachen hatten es ebenfalls bemerkt, der Mensch mit seinen weniger guten Sinnen jedoch nicht.

„Runter.“, widerholter Ragnos etwas lauter und warf dem Kletternden einen kurzen Blick zu, welcher diesen überrascht erwiderte, dann etwas in den schwarzen Augen des Drachen sah und sich vorsichtig an den Abstieg machte.

Ein kurzes Rascheln lenkte die Aufmerksamkeit des Lords zurück auf die Baumwipfel, aus welchen sich jetzt langsam pelzige Leiber schoben.

„Oris.“, flüsterte Knirsa und packte den Griff seines Schwertes fester.

Oris waren mittelgroße klobige Wesen, die anstatt Füßen Hände mit vier dicken Fingern besaßen und Flügel mit krallenbewehrten Klauen, welche nur zum Gleiten geeignet waren. Auf ihrem Torso saß der Kopf einer Eule mit kleinen Hörnern.

Mit einem Geräusch, als würde man Feuersteine aneinander hauen, klapperten sie mit ihren Schnäbeln, dann hörte Ragnos ein gurgelndes Geräusch.

Ein Oris hatte sich den Stallmeister gefangen und hielt ihn nun mit seinen Krallenflügeln auf Abstand, betrachtete ihn aus großen Augen.

„Mach was!“, knurrte Ragnos Schwester und fixierte den keuchenden Menschen, welchem die Luft langsam immer enger wurde.

„Du könntest ihn treffen!“, zischte En’chan und zog ebenfalls langsam sein Schwert.

„Das weiß ich selbst!“, zischte der Lord zurück.

Die Entscheidung wurde Rangos abgenommen, als der Mensch seine Beine anzog und seine Füße in den Leib des Oris schlug, welcher aufkreischend seine Krallen lockerte. Nach einem weiteren Tritt hatte sich der Mensch aus der Umklammerung katapultiert und fiel nun wie ein Stein zu Boden.

Die Reaktion der Drachen schien beinahe wie ein Tanz einstudiert worden zu sein.

Paronda zog eine Peitsche und köpfte eines der Tiere, Knirsa und En’chan warfen ihre Schwerter, welche mit den aufgespießten Oris zu Boden fielen und Ruan holte ein paar Wesen mit seinen Dolchen von den Bäumen, währenddessen fing Ragnos elegant den Menschen auf und schob ihn dann mit einer schnellen Bewegung zwischen sich und einen Baum.

Dies alles geschah in dem Bruchteil eines Augenaufschlages.

Ein Fauchen, Klackern und Rascheln brandete über ihnen zusammen, schwoll an und entfernten sich dann, es kehrte wieder Stille ein.

Angespannt warteten die Drachen und hielten ihre Umgebung im Auge, immer auf einen neuen Angriff gefasst.

Der Lord spürte, wie die kleinen Finger des Menschen sich in sein Hemd schlugen um sich bebend an Ragnos festzuhalten. Das Herz, welches hinter ihm wie das eines Vogels schlug, ließ das Blut in seinen Adern noch schneller rausche.

Er hasste es, wenn seinem Eigentum etwas angetan wurde – ob Pferd, Schwein oder Mensch war einerlei!

„Ich glaube, wir haben sie vertrieben.“, durchbrach Knirsa das Schweigen und zog sein Schwert aus dem toten Wesen.

„Was wollten sie? Eigentlich greifen sie doch keine Drachen an.“, knurrte En’chan.

Seufzend fuhr sich Ragnos durchs Haar, wollt einen Schritt auf die Anderen zumachen, wurde jedoch von den kleinen Händen daran gehindert.

„Was …… waren das für Viecher?“, wollte die schwache Stimme in seinem Rücken wissen.

„Oris.“, erklärte Ruan und sammelte ebenfalls seine Dolche ein.

„Ich vermute, dass sie auf der Jagd waren, als sie seinen Geruch in die Schnäbel bekamen.“, äußerte der alte Drache seine Meinung und warf Mo einen kurzen Blick zu.

Langsam löste der Stallmeister seine Finger aus dem Stoff und schob sich aufgewühlt die Haare aus dem Gesicht.

Aus vier tiefen Kratzern an seinem Hals quoll Blut und sickerte in seinen Kragen.

„Er ist verletzt.“, stellte Ragnos zerknirscht fest und wurde im nächsten Moment unsanft zur Seite geschoben.

„Lass mich mal sehen.“, meinte die Schwarzhaarige und betrachtete die Schnitte.

„Mh …. mit ein bisschen Salbe und einem Verband wird das wieder.“, urteilte sie und wühlte in ihrer Tasche herum, aus welcher sie ein kleines Döschen mit einer bläulichen Paste zog, welche bestialisch stank.

„Es riecht nur ein wenig streng.“, erwiderte sie auf den Blick des Stallmeisters und machte sich an die Versorgung der Wunde.

 

Nachdem sie den Verletzten versorgt und dieser sich etwas von dem Schrecken erholt hatte, versuchten sie nun der Spur vom Boden aus zu folgen.

„Ich verstehe immer noch nicht, warum die Oris uns angegriffen haben.“, murmelte Knirsa zum wiederholten Male.

„Sie haben nicht uns angegriffen.“, korrigierte Ruan und schob einen tiefhängenden Ast zur Seite.

„Mo ist nun mal ein Mensch.“

„Aber auch die greifen sie eigentlich sehr selten an.“

„Eben: eigentlich! Zwischendurch passiert es dennoch.“, belehrte der alte Drache die Gruppe.

„Es ist jetzt auch vollkommen egal warum sie uns angegriffen haben, solange sie es nicht noch einmal wagen! Zudem sind wir aus einem anderen Grund hier!“, erinnerte sie Ragnos an ihre Aufgabe.

Für den kleinen Menschen war das Vorankommen noch schwieriger, da er dichte am Boden und somit auch dichter an den Pflanzen war. Dornen hatten sich in die weiche Haut gebohrt und rote Striemen an den Händen und im Gesicht hinterlassen. Blätter und kleine Äste hingen in seinem Hemd und verfingen sich ständig in seinen Ärmeln. Den Menschen schien dies jedoch nicht zu stören, stoisch folgte er einem, Ragnos nicht sichtbaren, Weg.

„Wir kommen näher.“, flüsterte der Stallmeister und begann eine andere Rute einzuschlagen. Das Gestrüpp um sie herum wurde lichter und der Weg passierbarer.

Mit einer Handbewegung bedeutete er den Drachen leiser zu sein und Ragnos stellte fest, dass der kleine Mensch mittlerweile kein Geräusch mehr erzeugte.

Für Drachen war dieses Unterfangen jedoch schwieriger. Sie besaßen einfach mehr Masse und waren es nicht gewohnt in einem Wald herum zu irren.

Sie konnten leise sein!

In der Luft, in einer Burg, auf festem Untergrund und nicht umgeben von Blättern, die bei jeder Berührung ein leises Rascheln vernehmen ließen.

Zerknirscht sehnte sich der große Krieger nach einer offenen Steppe, oder nach einem Schlachtfeld.

Nur Ärger

Es war nicht schwer gewesen die Oris in die Richtung des blonden Burschen zu locken, dass sie ihn nicht umbringen würden hatte er jedoch nicht erwartet.

Angesäuert kauerte er sich gegen den Baum und beobachtete die kleine Truppe unter ihm.

Sechs Feinde.

Sechs zu viel!

Wenigstens konnten sie seine Fährte nicht weiter lesen, dass alleine war das Chaos schon wert gewesen!

Als die schwarzhaarige Frau erneut einen Blick in die Baumwipfel warf verschmolz er mit den Schatten, entging ihrem prüfenden Blick. Die fünf Großen würden für ihn keine Gefahr darstellen, die hörte er schon fünf Meilen gegen den Wind, der kleine Blonde könnte ihm jedoch gefährlich werden!

Ihm war beinahe das Herz stehen geblieben, als er den schmächtigen Burschen in den Bäumen gesehen hatte, seiner Spur folgend! Dabei war er so geschickt vorgegangen, hatte keine Hinweise hinterlassen.

Seufzend kratzte er sich an der Wange. Da hatte sich das Bürschchen wohl den falschen zum Katz und Maus spielen ausgesucht.

In einiger Entfernung hörte er das Rauschen des Wasserfalls. Perfekt!

Einen besseren Ort für einen schnellen Überfall gab es beinahe nicht, danach konnte er entweder im Fluss, oder im Wald untertauchen.

Vorsichtig entfernte er sich von der Gruppe und bahnte sich dann einen zügigen Weg über die Äste, immer auf das Rauschen zu.

Seine Mundwinkel hoben sich und schnitten eine wilde Grimasse in das dunkle Gesicht, Blut rauschte voller Vorfreude durch seine Adern.

 

Ein ungutes Gefühl beschlich mich und zu meinem Leidwesen, hatte es sich bisher sehr selten getäuscht.

Die Drachen stellten auch keine sonderlich große Hilfe dar, eher Ballast!

Langsam fragte ich mich wirklich, wie diese Trampeltiere jemals irgendeine Beute fangen sollten. Sämtliche Waldbewohner im näheren Umkreis hatten schon die Flucht ergriffen und wenn der Kerl, den wir jagten, nicht sehr dumm war, dann würde er es ihnen gleich tun.

„Mo.“, flüsterte Knirsa, was mich leicht amüsierte. Er lief wie ein Trampeltier, flüsterte aber wie eine Maus. Er hätte auch Brüllen können, der Effekt wäre der Selbe geblieben.

„Ja?“, flüsterte ich dennoch zurück.

„Da vorne ist Wasser.“, murmelte er und deutete an mir vorbei.

„Ich weiß.“

„Woher?“, wollte Paronda überrascht wissen. „Ich dachte, dass Menschen nicht besonders gut hören.“

„Hören tue ich es auch nicht, aber die Pflanzen verraten es.“, erklärte ich ihr leise und deutete auf eine hellblaue trichterförmige Blume, welche nur in der Nähe von viel Wasser wuchs.

Als die Drachendame noch etwas erwidern wollte, erntete sie einen bösen Blick des Lords und verstummte wieder.

Gerne hätte ich gewusst, wo die Gruppe von Kahndris gelandet war. Wo hatte sie wohl der Sammler hingeführt?

Leise drang nun das Rauschen des Wassers auch an meine Ohren und nach zwei weiteren Büschen roch ich den vertrauten Geruch eines Wasserfalls.

Die Luft wurde etwas klarer, kühler und trug einen leichten Lehmbodengeruch mit sich. Durch das Gestrüpp vor uns konnte ich die glitzernde Wasseroberfläche ausmachen und erblickte sie nach ein paar Minuten Fußmarsch in ihrer vollen Pracht.

Vor uns lag eine kleine Lichtung, sehr grün, wenig Blumen und geteilt durch einen breiten Fluss, welcher weiter links seinen Ursprung in einem Wasserfall fand.

Die Ufer des Flusses waren schlammig und gespickt mit Wildspuren, der perfekte Startpunkt für eine Jagt. Entweder wartete man versteckt in einem der Bäume mit Pfeil und Bogen, oder aber verfolgte die frischen Abdrücke tiefer in das grüne Waldmeer.

„Und jetzt?“, knurrte der Drachenlord und schob sich an mir vorbei auf die Lichtung. Seinen missbilligenden Blick ließ er über das Gras und die Bäume schweifen, schien sie beinahe aufzufordern den Mörder einfach auszuspucken.

„Den Fluss wird er am Boden überqueren müssen, also werden wir am Ufer Spuren finden müssen.“, erklärte ich und betrat ebenfalls die Lichtung.

Die Sonne stand an ihrem höchsten Punkt und wärmte mit ihren Sonnenstrahlen meine Haut auf eine angenehme Weise.

„Ah“, seufzte Paronda und hielt ihr Gesicht mit geschlossenen Augen in das Licht.

„Können wir hier nicht eine Pause machen?“, wollte sie auch gleich wissen.

„Nein!“, erwiderten der Lord und ich gleichzeitig.

„Der Vorsprung könnte zu groß werden.“, erklärte ich auf ihren gekränkten Blick.

„Aber da hoch klettern müssen wir jetzt nicht, oder? Ich habe mir die Fingernägel gestern erst schön gemacht!“, wollte sie mit einem vernichtenden Blick auf den Wasserfall wissen.

„Das Nagrahongebirge liegt Flussabwärts, also nein, wir müssen nicht da hoch.“, setze Knirsa sie in Kenntnis und schien selber mehr als erleichtert über diese Feststellung.

„Ihr könntet doch hoch fliegen.“, murmelte ich Ruan zu.

„Prinzipiell schon, aber die Lichtung ist sehr klein, durch den Wasserfall sind die Winde auch nicht die Optimalsten und wir wissen nicht, ob wir oberhalb überhaupt landen könnten.“, erklärte er mir. Mit so viel Kompliziertheit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Das Drachen nicht alles tun konnten was sie wollten gefiel mir jedoch sehr.

Sollte ich die Flucht schaffen, dann müsste ich unbedingt einen Wald wie diesen hier erreichen.

„Los jetzt.“, knurrte der Lord und bedeutete mir, ich solle dem Fluss folgen.

Das Gefühl beobachtet zu werden stieg wieder in mir auf und so behielt ich meine Umgebung wachsam im Auge.

„Ist er eigentlich bewaffnet?“

„Wer?“

„Der Mörder?“, wollte ich nach ein paar Minuten wissen.

„Wahrscheinlich hat er ein Messer, oder ein Schwert.“, meinte En’chan.

„Wieso können Männer nicht einfach damit leben, dass wir Frauen besser sind?“, seufzte die Schwarzhaarige und warf theatralisch die Hände in die Luft.

„Meine Liebe, du bist hier in der Unterzahl.“, lachte En’chan und zwinkerte ihr frech zu.

„Wie war das mit seid ruhig?!“, knurrte der Lord und es kehrte wieder Stille ein.

Das Rauschen des Wasserfalls wurde langsam leiser und die Bäume rückten wieder näher an den Fluss heran.

Aus dem Augenwinkel sah ich eine Bewegung in den Baumwipfeln, dann stieß ein schwarzer Leib mit lautem Getöse aus ihm hervor.

Erschrocken trat ich einen Schritt zurück und hielt meine Arme schützend vor mein Gesicht um dieses vor den umherfliegenden Aststücken zu schützen. Die Drachen drehten ihre Körper dem Wald zu und ein tiefes Knurren drang einheitlich aus ihnen hervor.

„Irgendetwas stimmt hier nicht.“, brüllte Knirsa über den Lärm und ich stimmte ihm innerlich zu.

Der Astregen ebbte ab und nun sah ich, dass über uns eine Schar Vögel wild kreischend einen Kreis zog.

„Da.“, rief Paronda über das Gezeter hinweg und zeigte auf einen großen dunklen Umriss, welcher sich zwischen zwei Büschen hindurch wälzte. Mit einer fließenden Bewegung zogen die Drachen ihre Waffen und Schritten langsam auf den Wald zu.

„Bist du derjenige, der die Frauen ermordet hat?“, wollte Ruan wissen.

Vorsichtig schob ich mich hinter den Drachen her, ein wenig Abstand zu ihnen würde jedoch nicht schaden, schließlich waren sie hier die Krieger und ich nur der Stallmeister!

„Niemand wildert ungefragt in meinem Gebiet!“, knurrte der Lord böse und richtete seine Schwertspitze auf die Gestalt.

Das Gekreische über uns schwoll noch eine Nuance weiter an und fuhr mir unangenehm durch den Körper.

Dann legte sich eine kalte, nasse Hand auf meinen Mund und eine raue Zunge fuhr über meine Wange.

„Betöhrrrenderrrr Duft.“, gurrte es in mein Ohr und im nächsten Moment umspülte kaltes Wasser meinen Körper, raubte mir den Atem.

 

Die Hand war von meinem Mund verschwunden, nun hielt sie meine Hand fest umklammert und zog mich quer durch das Nass.

Meine Lungen begannen zu brennen und wild strampelnd versuchte ich mich aus der Umklammerung zu befreien, mit wenig Erfolg.

Kurz bevor meine Lungen barsten brach mein Kopf durch die Wasseroberflache und kühle Luft drang in meinen Körper.

„RRRRRRRRRiecht gut.“, gurrte es vor mir und dann wurde ich wieder gezogen, dieses Mal auf das Ufer zu. Meine Hand wurde losgelassen und wild schnaufend brach ich im Schlamm zusammen, versuchte meine Welt zu sortieren.

„Mhhhhhh“, summte es da neben meinem Kopf und ich fuhr erschrocken hoch, versuchte fort von dem Wesen zu robben.

Vor mir saß ein Mann.

Ein nackter Mann.

Und auch wieder kein Mann.

„Frrrrrrrrrrrrrrrrrau.“, gurrte der Mann und legte den Kopf schief. „Sieht nicht aus wie Frrrrrrrau, rrrrrrrrriecht aberrrrrrrrrr wie Frrrrrrrau.“

Schwankend hievte ich mich auf meine Füße und schob mir meine Haare aus dem Gesicht.

Der Mann war eindeutig größer als ich, hatte dunkle, fast schwarze Haut, schmale braune Augen und keine Haare, nirgendwo am Körper!

Als er sich aufrichtete und auf mich herunter sah lief mir ein kalter Schauder über den Rücken, der nichts mit der Nässe meiner Kleidung zu tun hatte.

„Was bist du?“, hauchte ich und betrachtete ihn entsetzt.

Ruan hatte sich geirrt. Es war weder ein Schwert, noch ein Dolch gewesen. Mittig aus seinem Rücken drang ein langer Schwanz, gleich dem einer Katze, nur ohne Fell. Aus der Spitze dieses Körperteils ragte ein Unterarm langer, geschärfter Knochen.

Die Fingernägel dieses Wesens waren scharf und selbst für Adelsdamen viel zu lang. Als er seine Finger kurz spreizte und wieder schloss, meinte ich Schwimmhäute zwischen ihnen zu sehen.

„Frrrau?“

„RUAN!“, rief ich in den Wald hinein und trat einen Schritt zurück. Das war wirklich eine brillante Idee von mir gewesen das Schwert abzugeben.

Vorsichtig blickte ich mich um und schob mich immer weiter weg von ihm. Das Wesen schien uns weit den Fluss hinab gebracht zu haben und zu allem Überfluss auch noch auf die andere Seite. Von den Drachen konnte ich weder etwas sehen, noch hören.

„Hast du die Frauen umgebracht?“, wollte ich nun wissen, versuchte etwas Zeit zu schinden. Der Mann, das Wesen, die Gestalt, wie auch immer, legte den Kopf schief und schien einen Moment meine Worte zu entschlüsseln. „Frrrrauen gut!“, seufzte er.

„Frrrauen weich, rrrrrriechen leckerrrrrr! Feine Haut, herrrrrliches Schrrrrrreien.“, flötete es weiter und jagte mir einen nachdem anderen Schauer über den Rücken.

„Wieso hast du sie umgebracht?“, spie ich ihm entgegen.

„Umgebrrrracht?“

„Getötet? Die Kehlen durchgeschnitten!“ Demonstrativ fuhr ich mir mit dem Finger quer über den Hals.

„RRRRRRRRRRRiechen noch besserrrrrrr!“

Fassundlos starrte ich das Monster vor mir an, dann wand ich mich um und rannte los. So schnell ich konnte.

„RUAN! KNIRSA!!!“, schrie ich, wusste im selben Moment wie panisch ich klang, was mir aber gerade äußerst egal war.

Hinter mir hörte ich wieder dieses Gurren, dann folgte es mir.

Nach nur ein paar Metern fiel mir das Atmen schwer, vermutlich wegen des vorherigen Luftmangels, vielleicht auch wegen meiner Panik.

„Frrrrau.“, gurrte das Wesen in meinem Rücken, dann schlug etwas hart gegen meinen Oberarm und bohrte sich dort hinein. Aus dem Gleichgewicht gerissen geriet ich ins Stolpern und verschluckte meinen Schrei. Als ich auf dem Bodenaufschlug zog das Wesen seinen Knochendolch aus meinem Arm heraus, der stechende Schmerz wurde von dem Adrenalin einfach weggespült.

„RRRRRRRiechst wie sie.“, säuselte das Wesen und ließ seinen Schwanz aufgeregt durch die Luft peitschen.

Es roch meine Angst und schien sich daran zu ergötzen, was mir ein kurzer Blick in seine Körpermitte verdeutlichte, mein Glück war, dass es mein Geschlecht nicht einordnen konnte.

„Was machen?“, überlegte es und strich sich genüsslich über den Schritt, schien diese ganze Situation keineswegs ekelig zu finden, eher im Gegenteil.

„RRRRRiecht zu gut!“, gurrte es und hatte sich wohl entschieden. Der Knochenschwanz peitschte nun noch aufgeregter durch die Luft als die dunkelhäutige Kreatur auf mich zu schlich, ergötze sich an meiner Angst.

Ich musste hier weg! Und zwar ganz dringend!

Hecktisch robbte ich los, versuchte wieder auf die Beine zukommen. Der Fluss zu meiner Rechten war keine gute Alternative, das Wesen war dort eindeutig schneller. Mir blieb nur der Wald zu meiner Linken.

„Leckerrrrrrrrr.“, stöhnte es und machte zwei große Schritte auf mich zu. Den Schrei konnte ich, selbst wenn ich es gewollt hätte, nicht unterdrücken. Panisch zerschnitt er die Luft um mich herum und wurde dann von einem lauten Brüllen verschluckt.

Ein großer Schatten glitt über mich hinweg und bedeckte meine nähere Umgebung, eingeschlossen das Monster vor mir, dann war der Schatten verschwunden und vor mir landete eine große Gestalt, die sich mit einer fließenden Bewegung abfing und geschmeidig wieder aufrichtete.

Der Drachenlord warf mir über die Schulter einen kurzen Blick zu.

„Alles ok?“, knurrte er und ließ seine schwarzen Augen über meinen Körper gleiten. Ein leises Schluchzen huschte aus meiner Kehle und ich schaffte es nur noch den Kopf zu schütteln.

„RRRiecht nicht gut.“, stellte das Monster fest und knirschte ekelerregend mit den Zähnen. Unschlüssig verlagerte es sein Gewicht von einem Bein auf das andere.

„Keine Frrrrrau.“, stellte es fest und fletschte die Zähne.

„Nein, keine Frau.“, erwiderte der Krieger ruhig und zog sein Schwert. „Und du wirst in diesem Leben keine mehr zu Gesicht bekommen!“

Mit einer Präzision, die mich überraschte, stürzte der Lord auf das Wesen zu, welches völlig überrumpelt dem ersten Schlag auswich um dann seinen Schwanz als Waffe zu nutzen.

Das Wesen parierte die Hiebe des Lords, welcher den Kampf zu genießen schien.

Mit einer gekonnten Finte wich das dunkelhäutige Wesen dem Schwert aus, striff den Lord am Oberschenkel und stürzte sich dann in die Fluten. Wütend knurrend beobachteten die schwarzen Augen die Wellen, dann huschten sie zu mir herüber.

„Komm her! Schnell!“, brüllte er mir entgegen und lief großen Schrittes auf mich zu. Hastig versuchte ich auf meine Füße zu kommen, ich wollte nur noch zurück in die Burg, zurück in den Stall zu dem ruhigen Schnauben der Pferde und dem leicht staubigen Geruch des Heus.

Als ich es auf dem schlammigen Untergrund endlich geschafft hatte zu stehen, schoss neben mir eine Fontäne aus dem Fluss, aus welcher sich das Wesen auf mich stürzte.

„So leckerrrrrrrrrrrrr.“, gurrte es und landete mit einem dumpfen Umpf auf mir, riss mich wieder von den Füßen. Das wütende Brüllen des Lords ging in dem Rauschen meines Blutes unter, als ich den Knochendolch unter dem linken Arm des Monsters hervorschnellen und die Gier in seinen Augen sah.

Ein erregtes Stöhnen glitt über seine Lippen, dann wurde es von mir herunter gerissen, das Stöhnen wurde durch ein Gurgeln ersetzt und Blut sickerte aus seinem Mundwinkel.

Hektisch setzte ich mich auf und starrte das Wesen an. Tief in seiner Seite, aus welcher das Blut strömte, steckte das Schwert des Lords.

Als sich eine Hand auf meine Schulter legte zuckte ich zusammen und wollte panisch davon robben, wurde jedoch mit brutaler Gewalt festgehalten.

„Ganz ruhig.“, drang nach einem Moment die Stimme des Lords durch meine Panik. Erst jetzt bemerkte ich, dass er sich zu mir auf den Boden gehockte hatte und ich mit meinen Fäusten gegen seine Brust getrommelt hatte.

„Es ist tot.“, sagte er zu mir und ich spürte, wie mir Tränen in die Augen stiegen, welche ich versuchte wegzublinzeln.

„Mit dir hat man wirklich nur Ärger.“, knurrte der muskelbepackte Krieger und zog mich an seine steinharte Brust, was mir den Rest gab. Schluchzend klammerte ich mich an seinem Hemd fest und weinte wie ein kleines Mädchen. Meine Brüder wären in diesem Moment wahrscheinlich nicht sehr stolz auf mich.

Konfrontation

Seufzend starrte Ragnos in den Himmel und tätschelte unbeholfen den Rücken des kleinen Menschen. Wäre er auch nur etwas später gekommen, dann hätte er sich jetzt wahrscheinlich schon wieder einen neuen Stallmeister suchen müssen und obwohl dieser hier Ärger anzuziehen schien wollte der Lord sich diesen Stress nicht erneut antun.

Das bebende Etwas in seinen Armen beruhigte sich langsam, sodass er ihn vorsichtig von sich wegschob und dem kleinen Menschen in das dreckige Gesicht sah. Die Tränen hatten zwei helle Spuren hinterlassen, die Augen waren leicht gerötet und schniefend zog er die Nase hoch. Keine sonderlich hübscher Anblick, eher eine bemitleidenswerter.

„Was war das für ein Ding?“, wollte Mo nach einem kurzen Räuspern wissen und warf einen Blick über seine Schulter, Ragnos Augen hefteten sich ebenfalls wieder auf den Kadaver.

„Das weiß ich nicht.“, erwiderte der Lord und half dem kleinen Etwas auf die Füße, dann stapfte er zu dem toten Wesen und zog sein Schwert aus dessen Leib. Eine Blutlache hatte sich unter dem leblosen Körper gebildet und lief als dünnes Rinnsal in den Fluss, wo es fortgespült wurde.

„Es ist hässlich.“, stellte der Drache fest und stupste den Körper mit seiner Stiefelspitze an, dann wand er sich wieder dem Stallmeister zu und betrachtete diesen.

Die Kleidung des Menschen war aufgeweicht, triefte vor Schlamm und war an der Schulter zerrissen, erst jetzt fiel dem Krieger die Stichwunde in dem Oberarm auf.

„Das sollten wir verbinden. Außerdem musst du aus den nassen Sachen raus.“

„Nein. Das Einzige was ich brauche sind viele Meilen zwischen mir und dem Ding da!“ So schlimm konnte die Verletzung nicht sein, wenn der Stallmeister schon wieder zetern konnte, stellte der Lord fest.

„Die Anderen werden wir Flussaufwärts treffen.“, erklärte der Dunkelhaarige und zog sich in einer fließenden Bewegung das schwarze Wollhemd über den Kopf. „Was wird das?“, zischte der Stallmeister und behielt den Lord skeptisch im Auge.

„Du musst etwas anderes anziehen, sonst wirst du krank und ein kranker Stallmeister nutzt mir nichts!“, erwiderte der Lord und hielt dem kleinen Menschen sein Hemd hin. Seine blauen Augen huschten von dem Kleidungsstück zurück zum Gesicht des Drachen.

„Nein. Es geht auch so. Die Sonne trocknet meine Kleidung.“

„Entweder“, knurrte der dunkelhaarige Krieger und baute sich bedrohlich vor dem kleinen Menschen auf. „Du ziehst das jetzt von alleine an, oder ich werde es dir anziehen!“ Auffordernd hielt er dem blonden Burschen den Stoff unter die Nase. Wütend schnappte dieser nach Luft, riss ihm dann grob das Hemd aus der Hand und stapfte in Richtung der Bäume.

„Wo willst du hin?“, knurrte der Lord.

„Umziehen.“, erwiderte Mo ebenfalls knurrend.

„Das kannst du hier machen! Ich habe keine Lust, dass sich noch ein Bär auf dich stürzt.“

Mit funkensprühenden Augen wand sich der kleine Mensch zu ihm um.

„Ich werde mich nicht vor Euch ausziehen.“

„Entweder du tust es, oder ich.“, entschied der Lord und stieß genervt die Luft aus. Dieser Mensch war wirklich äußerst kompliziert.

„Ich bin doch nicht weit weg!“, erwiderte Mo resigniert.

„Und falls noch eines von diesen Viecher hier herumlungert?“, bedachte Ragnos und deutete auf die tote Gestalt. Ein leichtes Zittern lief durch den Körper des Stallmeisters, dann fuhr er sich durch die dreckigen Haare.

„Na gut, aber Ihr dreht Euch um!“, seufzte er.

„Weshalb? Du hast nichts was ich nicht auch habe!“, erwiderte der Lord mit einem süffisanten Grinsen. Der Mund des Menschen öffnete sich und schloss sich wieder, ohne dass ein Ton hinaus drang. Dann stöhnte er genervt auf und grummelte irgendetwas Unverständliches. Anscheinend hatte er eingesehen, dass Ragnos keinen Widerspruch dulden würde.

„Jetzt beeil dich endlich. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit! Vor Sonnenuntergang will ich wieder in der Burg sein.“ Das Fluchen des Burschen wurde noch eine Nuance derber, dann wand er dem Drachen den Rücken zu und stapfte ein paar Schritte von ihm weg.

Mit einem letzten vernichtenden Blick über seine Schulter zog sich der Bursche ungelenk sein dreckstarrendes Hemd über den Kopf und ließ es achtlos auf den Boden fallen.

Verwirrt runzelte der Lord die Stirn und musterte das Bürschchen vor sich.

„Was hast du gemacht?“, wollte er auch gleich wissen.

Der halbe Oberkörper des Jungen war bandagiert, doch was dem Lord viel mehr ins Auge stach, waren die hellen Linien auf dem viel zu schmalen Körper. Drei breite Narben verliefen von der Rückenmitte quer über die helle Haute bis hinein in die Wollhose, vermutlich begannen die Narben noch höher, wurden dort jedoch von dem Verband verdeckt. Die schwarzen Augen wollten erneut über den Körper gleiten und nach mehr Narben suchen, doch dann wurde der viel zu schmale Körper von schwarzem Stoff verhüllt.

Das Hemd des Lords ging dem Burschen bis zu den Knien und mit ein bisschen gezupfe hatte er es so drapiert, dass es nicht sofort von seiner Schulter rutschte.

„Was ist passiert?“, wollte der Drache abermals wissen und trat einen Schritt auf den Jungen zu.

„Ich bin von einem der Pferde gefallen und habe mir die Rippen leicht geprellt.“, erwider der Stallmeister und wand sich dem Lord zu.

„Das meinte ich nicht. Die Narben.“

Die blauen Augen schienen sich zu verdunkeln, dann hob er sein eigenes Hemd auf.

„Das war ein Drache.“, erklärte er und lief an dem Lord vorbei in die Richtung, in der die Anderen waren.

„Weshalb?“, wollte der Lord wissen und schloss zu dem Burschen auf. Seine dunklen Augen glitten über die kleine Gestalt neben sich. In seinem Hemd sah der Bursche noch viel kleiner, schmächtiger und auf eine abstruse Weise anziehend aus.

Mit sturer Miene lief der Stallmeister neben ihm her und würdigte ihn keines Blickes, ignorierte den Drachen einfach, was diesen langsam zur Weißglut trieb.

Knurrend packte Ragnos ihn an der Schulter, wobei das dunkle Hemd leicht an der schmalen Schulter hinunter rutschte und weiche Haut freilegte. Mit einem kurzen Zischen versuchte sich der Mensch los zu machen, während er das Hemd bis zum Hals hochzog.

„Ich habe dich etwas gefragt.“, knurrte der Drache aufgebracht und schloss seine Finger fest um die warme Haut. Ein erstickter Schmerzenslaut drang aus der Kehle des Burschen und sämtliche Farbe wich aus seinem Gesicht, dann erst fiel Ragnos die Armverletzung wieder ein.

„Ich habe doch gesagt wir müssen sie verbinden.“, knurrte er aufgebracht und zerrte grob an dem Stück Stoff.

„FASS MICH NICHT AN!“

Mit einem kräftigen Ruck riss sich der blonde Bursche los und stolperte mehrere Schritte weg von dem Lord. Weit aufgerissene blaue Augen starrten den vor Wut brodelnden Drachen panisch an während er mit einer zitternden Hand das zerrissene Hemd zusammen hielt.

„Widerspenstiger Mensch.“, stieß der dunkelhaarige Mann zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

„Grobschlächtiger, arroganter, brutaler Drache.“, erwiderte der Stallmeister und wich noch ein paar Schritte mehr zurück.

Einen Moment huschte ein kleiner Funken Bewunderung durch den Drachen, schließlich war der Bursche verletzt und reizte gerade einen angesäuerten Drachen. Selbst seine tapfersten Krieger mieden ihren Lord, wenn dieser schlecht gelaunt war.

Seufzend fuhr der Lord sich durch seine Haare und stieß knurrend warme Luft aus seinen Lungen, dann starrte er seinen Untergebenen aus schmalen Augen an.

„So kommen wir nicht weiter und dein Arm muss verbunden werden, sonst kommt Dreck in die Wunde.“ Als er einen weiteren Schritt auf Mo zumachte, wich dieser zurück.

„Ich verbinde deinen Arm und dann fasse ich dich nicht mehr an, ok? Dafür musst du mir aber erzählen, was es mit den Narben auf sich hat.“, verlangte er und wartete auf eine Reaktion des Blondschopfes. Gott war er schon weit gesunken, er, ein Drache, verhandelte mit einem Menschen!

„Ok.“, antwortete dieser und trat einen Schritt auf den Lord zu, welcher erleichtert nach dem Saum des schwarzen Hemdes griff.

„Ich reiße ein Stück hier unten ab um deinen Arm zu verbinden.“, erklärte er als in den blauen Augen ein kurzes ängstliches Flackern aufflammte.

Beinahe krampfhaft hielt der Mensch das Hemd an seine Brust gedrückt, während Ragnos ein langes Stück Stoff aus dem Saum riss und die Wunde vorsichtig verband.

„Fertig.“

Langsam trat er einen Schritt zurück und betrachtete das Bürschchen vor sich.

In den wilden blonden Haaren hatte sich Dreck eingenistet und ließ es nun beinahe wie ein Vogelnest aussehen. Die Haut in dem schmalen Gesicht wirkte durch die paar Schlammspritzer noch blasser und das schwarze Hemd, das den Namen Lumpen nun eher verdiente, hing wie ein Sack an ihm herab. Sein Stallmeister sah aus wie ein Bettler, oder wie ein Dieb.

„RAGNOS?“

„MO?“

Aus seinen Gedanken gerissen wand der Lord sich zu den anderen Drachen um, welche den Fluss entlang liefen.

„Na endlich.“, murrte Ragnos und schritt auf das Wasser zu.

„DU HAST IHN!“, rief seine Schwester erleichtert über das Wasser hinweg, wurde im nächsten Moment aber von Ruan unterbrochen, welcher seine Dolche wurfbereit in den Händen hielt.

„WO IST ER?“

Deshalb mochte Ragnos den alten Drachen, egal an welchen Ort er kam, er überblickte die Situation und suchte sofort den Feind.

Ragnos wartete bis sie näher herangekommen waren, dann erzählte er ihnen grob was passiert war.

„Weiter Flussabwärts gibt es eine Brücke. Außerdem sollten wir das Vieh nicht hier lassen.“, meinte En’chan.

„Und unser Stallmeister muss unbedingt ordentlich verarztet werden!“, warf Knirsa ein und erntete einen kalten Blick von Ragnos.

„Ist mein Verband etwa nicht gut genug?“

„Sei kein törichter Welpe! Du kannst gerade mal ein Stück Stoff um einen Schnitt binden, verbluten würde man jedoch trotzdem!“, warf ihm die Schwarzhaarige über den Fluss hinweg zu.

Bevor es zwischen den beiden Geschwistern eskalieren konnte schob Knirsa die Drachendame bestimmt in die Richtung der Brücke.

„Am besten wartet ihr beiden dort drüben. Knirsa und En’chan werden schon einmal vorlaufen und die Pferde holen, wir beiden kommen sofort zu euch rüber.“, erklärte Ruan und wies die beiden Drachenkrieger an, schon einmal vor zugehen.

Schnaubend wand sich der Lord um und folgte der Strömung ebenfalls.

„Lord! Ihr solltet dort einfach warten.“, erinnerte der alte Drachen ihn.

„Weshalb? Den Kadaver kann ich bis zur Brücke tragen, je schneller wir aus diesem verdammten Wald sind, umso besser.“, knurrte Ragnos.

„Wegen Mo! Verdammt Junge, schau dir den Burschen einmal an. Er ist nur ein Mensch!“

„ICH WIEß!“, brüllte der Drachenlord und fuhr aufgebracht zu seinem Stallmeister herum.

„Schaffst du es bis zur Brücke?“, wollte er mehr knurrend als sprechend wissen.

Der blonde Bursche wurde noch eine Nuance blasser im Gesicht, versteifte sich dann aber und reckte das Kinn tapfer in die Höhe. Seine blauen Augen sprühten glühende Funken, während er dem Blick des Drachen standhielt.

„Ja.“

Mit einem Nicken nahm Ragnos dies zur Kenntnis und lief dann den Weg zurück, den sie gerade erst gekommen waren.

 

„Trödel nicht so.“, knurrte der Drache.

„Falls es Euch noch nicht aufgefallen sein sollte, meine Beine sind gerade Mal halb so lang wie Eure! Und Ihr RENNT!“, zischte ich zurück und schloss zu dem wartenden Ungetüm auf.

Der Hüne hatte sich den Kadaver des Monsters wie einen Sack über die Schulter geworfen und störte sich noch nicht einmal daran, dass das Blut aus dem Vieh über seinen nackten Rücken lief.

Mir war erst im Nachhinein aufgefallen, dass er unter seinem Hemd, welches ich nun trug, keine weitere Kleidung getragen hatte. Ob ich das jetzt gut oder schlecht finden sollte wusste ich nicht.

Momentan wusste ich eigentlich kaum noch etwas. Mein Körper schien das Gewicht des Schmiedes zu tragen und meine Füße fühlten sich an, als wären sie mit dem Boden verwurzelt, während mein Kopf in den Himmel schweben wollte.

Die Wunde an meinem Arm pochte dumpf und hatte den provisorischen Verband schon durchtränkt.

Der stechende Blick des Mannes riss mich aus meiner Lethargie, dann umfasste seine riesige Pranke meine Hand.

„Eine kurze Ausnahme mit dem Anfassen. Nicht dass du einfach umkippst und ich wieder zurück laufen muss.“, erklärte er mir und zog mich dann mit einem sanften Ruck näher an sich heran.

Ich war schon so müde, dass ich keinen Protest erhob und so trottete ich einfach neben ihm her.

Seine Hand schien beinahe zu glühen, was vielleicht auch daher kam, dass meine eigene eisigkalt war.

„Die anderen müssten uns bald entgegen kommen.“, brach er das Schweigen und warf mir einen kurzen Blick zu.

„Du siehst nicht gut aus.“, stellte der Krieger fest und schob den Kadaver auf seiner Schulter zu Recht. Nein, ich fühlte mich auch nicht gut. Als ich kurz danach über einen Stein stolperte zog der Lord mich unsanft an meinem Arm wieder hoch.

„Reiß dich zusammen, du bist ein Mann!“, knurrte er, wobei sich ein sarkastischer Unterton in seine Stimme schlich.

Langsam hatte ich es wirklich satt als Mann gesehen zu werden, sollten die Drachen mich doch töten wenn sie herausfanden wer ich wirklich war!

„Mo!“, unterbrach die Stimme von Ruan meinen Entschluss und verhinderte, dass ich dem ungehobelten Drachenlord meine Meinung sagte.

Mit großen Schritten stürmte der Krieger auf uns zu, die schlanke Gestalt der Drachendame auf seinen Fersen.

„Ohje, von Nahem siehst du noch viel schlimmer aus.“, stellte Paronda fest und ließ ihren Blick über mein Erscheinungsbild gleiten.

„Jetzt lass den armen Jungen doch endlich los, du zerquetscht ihm noch die Hand!“, fuhr sie ihren Bruder an und bedeute mir ihr zu einem umgefallenen Baumstamm zu folgen.

„Lass mich deinen Arm einmal sehen.“

„Er will von uns nicht angefasst werden.“, warf Ragnos zähneknirschend ein und ließ den Kadaver vor Ruans Füße fallen, welcher diesen mit angewidertem Blick betrachtete.

„Von dir würde ich mich auch nicht verarzten lassen wollen.“, zischte die Frau und löste mit vorsichtigen Fingern den Verband.

Als ich einen Blick zu den beiden Drachenkriegern warf stellte ich fest, dass die schwarzen Augen des Lords, zu schmalen Schlitzen gekniffen, auf uns gerichtet waren. Ihm schien zu missfallen, dass ich vor Paronda nicht zurückzuckte. Vor ihr fürchtete ich mich auch nicht so sehr wie vor dem Lord, würde er mein wahres Ich herausfinden, dann wäre mein Kopf die längste Zeit auf meinem Torso gewesen. Die Drachendame schien mir jedoch freundlicher, mit weniger Vorbehalten Menschen gegenüber.

„Das sollten wir nähen.“, flüsterte sie mehr zu sich selbst als zu mir, dann riss sie ein Stück Stoff von ihrem Oberteil ab und verband meinen Arm abermals.

„Das kann ich erst in der Burg versorgen.“ Warf sie ihrem Bruder entgegen und half mir auf die Füße.

„En’chan und Knirsa müssten uns weiter unten auf Höhe der Brücke entgegenkommen. Dann brauchst du nicht mehr laufen.“, erklärte mir Paronda und ich folgte ihr zurück zu den anderen Beiden.

„Was ist das denn bitte für ein widerliches Ding?“, pikierte sich die Frau und rümpfte angewidert die Nase.

„Das meine liebe Schwester, ist das Wesen das wir die ganze Zeit gejagt haben.“

„Wenig menschlich.“, klang es da aus dem Wald und drei Gestalten schälten sich unter lautem Knacken aus dem Dickicht.

Der blonde Lord betrachtete uns aus kalten Augen, während Shindra gelangweilt schien und der Sucher die Hände zu Fäusten geballt hatte. In seinem Gesicht prangte ein großer blauer Fleck, anscheinend hatte dem Lord nicht gefallen, wie der Mensch gearbeitet hatte. Der kalte Blick, den der Drache seinem Sucher zuwarf sprach eindeutig die Sprache der noch bevorstehenden Strafe für dessen Versagen.

Der große dunkelhaarige Krieger warf den Neuankömmlingen nur einen kurzen Blick zu, dann wand er sich an uns.

„Ich habe keine Lust noch länger in diesem Dickicht gefangen zu sein.“, damit warf er uns einen letzten auffordernden Blick zu und marschierte geradewegs an Lord Kahndris vorbei.

Seufzend schulterte Ruan den Kadaver und folgte seinem Lord, Paronda schüttelte nur seufzend den Kopf, griff nach meiner Hand und zog mich hinter den Drachen hinter her.

„Paronda.“, säuselte der blonde Lord und passte sich ihren Schritten an, mich ignorierte er vollkommen.

„Wie geht es dir meine Liebe?“ „Sehr gut, bis du aufgetaucht bist.“, erwiderte sie zuckersüß.

„Weshalb sträubst du dich? Dir würde es an meiner Seite an nichts fehlen!“

„Kahndris, hör endlich auf meine Schwester zu belästigen!“, knurrte ihr Bruder und durchbohrte den blonden Drachen mit seinem dunklen Blick.

„Ach Ragnos, ich weiß nicht was du für ein Problem hast.“

Bevor der Lord etwas erwidern konnte hatte Ruan ihm eine Hand auf die Schulter gelegt und schüttelte den Kopf.

Zähneknirschend atmete Ragnos einmal tief durch, dann deutete er auf den Kadaver des Monsters.

„Wie du siehst hat mein Mensch das Biest gefunden, somit habe ich die Wette gewonnen. Ich will, dass ihr noch vor dem nächsten Morgengrauen abreist.“

Erleichterung strömte durch meine Adern, wurde jedoch jäh eingefroren, als sich Parondas Hand fester um meine schloss.

„Nunja,“, flötete Shindra „Verzeiht bitte, aber besagte die Wette nicht, dass der Mensch das Wesen erlegen sollte? Nicht nur ausfindig machen?“

Die kalten Augen Kahndris legten sich auf seinen Untertanen und ich meinte, einen leichten Freudenschimmer darin zu erblicken.

„Da hast du allerdings vollkommen Recht. Mensch!“, wand er sich plötzlich an mich und durchbohrte mich mit seinem Blick.

„Hast du das Wesen gefunden?“ Ein eisiger Schauer lief mir über den Rücken, als das Monster seinen kalten Blick über mich gleiten ließ. Anstatt zu Antworten brachte ich nur ein knappes Kopfnicken zustande.

„Hast du es denn auch getötet?“, fauchte Shindra und erntete dafür einen stechenden Blick von der Drachendame.

„Nein.“, flüsterte ich und spürte das stätige Pochen meiner Verletzung ansteigen.

„Seht ihr, somit ist der Wettstreit unentschieden.“, frohlockte der Lord.

„Unsinn!“, donnerte Ragnos und bedeutete Paronda Ruan zu folgen, welcher vor sich hin murmelnd weiter schritt.

„Komm, lass die Idioten das unter sich austragen.“, flüsterte sie mir zu und zog mich behutsam weiter, weg von der hitzigen Diskussion die hinter uns ausbrach.

„Solange die Beiden nicht den kompletten Wald zerlegen soll es mir egal sein.“, knurrte Ruan und schob den Kadaver auf seiner Schulter zu Recht.

Seufzend strich ich mir eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht und betrachtete Parondas Profil.

„Sag mal,“, fiel mir auf einmal ein. „Hattet ihr nicht vorhin noch gesagt, dass es auf der Lichtung schwierig wäre für euch als Drachen loszufliegen?“

„Ja, wieso?“ Ihre dunklen Augen blickten mich verwirrt an, dann schien sie meine Frage zu verstehen.

„Du meinst, weil Ragnos in seiner wahren Gestalt war?“

„Ja.“

„Ich würde ja gerne sagen, dass er das nur geschafft hat, weil wir ihm geholfen haben.“ Ein breites Lächeln legte sich auf ihre Gesichtszüge und sie warf einen kurzen Blick zurück über ihre Schulter, als wolle sie überprüfen, ob ihr Bruder auch nicht in Hörweite war.

„Aber er ist nicht umsonst ein Lord. Manchmal mag er dir vielleicht ein wenig …“

„Kalt? Unhöflich? Eingebildet?“, half ich ihr auf die Sprünge.

„Besserwisserisch, übellaunig, besitzergreifend vorkommen.“, ergänzte Paronda und brach in Gelächter aus, während sie mich erfreut anfunkelte.

Langsam wurde mir diese Drachendame wirklich sympathisch.

„Lasst das nicht den Lord hören! Auch wenn ihr vielleicht Recht habt, obwohl in eurer Aufzählung noch jung, unerfahren und unbesonnen fehlt.“, unterbrach Ruan uns.

Langsam verwirrte dieser Drachenhaufen mich mit ihrer Art. Sie gehorchten ihrem Lord, taten alles für ihn, aber sobald er fort war, zogen sie über ihn her?

Meine Skepsis hatte sich wohl auf meinem Gesicht wieder gespiegelt, denn Ruan ließ sich zu uns zurückfallen und schnaufte kurz empört.

„Du darfst das nicht missverstehen, wir schätzen unseren Lord über alles, aber auch er ist nicht unfehlbar, dennoch könnte ich mir keinen besseren Lord vorstellen. Er ist ein hervorragender Kämpfer, behält in brenzligen Situationen einen kühlen Kopf und ist auch nicht zu eitel um sich die Ratschläge erfahrener Krieger anzuhören und sie auch einzusetzen.

Du musst wissen, dass er ein wirklich feiner Drache ist und ein sehr starker noch dazu, deshalb hatte er auch keine Schwierigkeiten von der Lichtung herunter zu kommen. Ich mit meinen alten Knochen wäre wahrscheinlich gegen einen Baum geflogen, oder an der Felswand hängen geblieben.“, lachte Ruan nun rau und klopfte mir belustigt auf die Schulter, zum Glück auf die Gesunde.

Das Bild des mürrischen Drachenlords verschob sich vor meine inneren Auge und an dessen Stelle schob sich ein großer, finster drein blickender Ragnos, welcher sich schützend vor seine Kameraden stellte und mit wehendem Umhang jedem zu trotzen schien, der es auch nur in Betracht zog, sich mit ihm anzulegen. Seine imposante Gestalt warf einen großen Schatten auf seine Untergebenen und erst nach einem kurzen Moment, fiel mir auf, dass der Schatten keine menschliche Form besaß, sondern Klauen, einen langen Schwanz, sowie einen langen Hals und ein riesiges aufgerissenes Maul – ein Drache.

„Lass ihn das nur nicht wissen, er hält sich sowieso schon für den stärksten Drachen der Lüfte.“, riss mich die dunkelhaarige Frau aus meinen Gedanken.

„RUAN!“, wehte eine Stimme zu uns herüber, dann schoben sich hinter einem Baumstamm En’chan und Knirsa hervor, auf zwei großen Pferden, die anderen im Schlepptau.

Ein paar Meter hinter ihnen konnte ich eine helle Gestalt erkennen und ohne darüber nachzudenken beschleunigte ich meine Schritte.

„ANDROS!“, rief ich nach dem kleinen Hengst, welcher ein leises Wiehern von sich gab und mit angelegten Ohren an den anderen vorbei preschte.

Ein paar Meter vor mir wurde er langsamer und schüttelte den Kopf als ich mein Gesicht in seinem Fell vergrub.

Der Geruch von Wald, frischer Luft und Pferd stieg mir in die Nase und seine Körper erwärmte leicht mein Gesicht. Ich konnte das Pulsieren in seinem Leib spüren und die Vibration, als er schnaubend den Kopf zu mir wandte und auffordernd an meiner Kleidung zog.

„Tut mir leid, ich habe nichts zu Essen für dich.“, erwiderte ich und strich ihm behutsam mit meinen Fingerspitzen über die Nase. Genießerisch schloss ich kurz die Augen, es gab wirklich nichts Weicheres als eine warme Pferdenase und auch nichts besser Riechendes.

„Das müsst ihr alle bezeugen!! Ich habe unseren Stallmeister gefunden!“, lachte Ruan und warf mir einen amüsierten Blick zu.

„Soll das das Monster sein, dass uns so lange auf Trab gehalten hat?“, wollte En’Chan wissen und bedachte den Kadaver mit einem angewiderten Blick.

„Ich dachte, dass wir einen Menschen gesucht haben.“, warf Knirsa ein und reichte Paronda die Zügel ihres Pferdes.

„Das dachten wir auch.“, erwiderte die schwarzhaarige Dame den Männern und warf einen Blick über ihre Schulter.

Ragnos näherte sich unserer Gruppe wie ein Adler im Sturzflug, nur mit dem Unterschied, dass er vor Wut zu kochen schien.

„Kahndris.“, erklärte Ruan kurz, warf den Kadaver auf sein Pferd und schwang sich dann in einer flüssigen Bewegung auf den breiten Rücken des Tiers.

„Lasst uns endlich aufbrechen, noch eine weitere Minute in diesem Gestrüpp und ich hacke es kurz und klein.“, knurrte Ragnos, als er uns erreicht hatte.

Die Konfrontation mit den anderen Drachen schien nicht so verlaufen zu sein, wie er es geplant hatte.

Mit einer groben Bewegung packte er mich an der Hüfte und warf mich unsanft auf Andros Rücken, wobei mir ein gequältes Stöhnen entschlüpfte.

Ohne mich jedoch weiter zu beachten schwang der vor wutschnaubende Krieger sich auf sein Pferd und trieb dieses mit einem kräftigen Schenkeldruck in einen halsbrecherischen Galopp.

„Geht es Mo?“, fragte mich die Drachendame mitfühlend und ließ ihren Blick über meinen zusammengekrümmten Körper gleiten.

Mit einem kurzen Kopfrucken antwortete ich ihr und lenkte meinen kleinen Schimmelhengst vorsichtig hinter dem Drachenlord hinterher.

Wundern würde es mich nicht, sollten wir den Drachen mit gebrochenem Hals an einem Baum aufgespießt vorfinden.

Drachenehrenschwur

Ein brodelnder Vulkan kam seinem Gemütszustand gerade am nächsten, wahrscheinlich wäre das Momentan sogar der einzige Ort, an dem er sich wohl fühlen würde.

Keine nervenden Drachen, keine nervenden missgebildete Wesen, keine Menschen und vor allem kein nerviger Cousin!

Wild schnaubend pumpte der Hengst zwischen Ragnos Schenkeln hastig Luft in seine Lungen, immer darauf bedacht das zügige Tempo, welches der Lord angeschlagen hatte, nicht zu verlangsamen.

Der Drache war für einen kurzen Moment froh, dass ihre Rösser so gut ausgebildet waren, sodass sie mühelos auch bei hohem Tempo die Übersicht behielten und immer sicheren Halt unter ihren Hufen fanden.

Als das grüne Gestrüpp sich endlich vor ihnen zu lichten begann legte der Hengst seine Ohren an und sprang leichtfüßig über einen umgefallenen Baumstamm hinaus auf die freie Steppe.

In dem Moment, in dem sich das gedämpfte Trommeln der Hufe auf feuchtem Waldboden, in ein dumpfes Dröhnen auf Steppenboden veränderte, verließ Ragnos endlich dieses beklemmende Gefühl, welches ihn befangen hatte, seit sie diesen vermaledeiten Wald betreten hatten.

Wälder waren nicht gut! Außer vielleicht um ein paar Hirsche zuschießen.

Dennoch, die hohen Bäumen, das verwucherte Gestrüpp und allem voran der fehlende freie Himmel beraubten die Drachen ihrer Bewegungsfreiheit. Den kleinen Menschen hatte dies wenig gestört, er hatte sich oben auf den Ästen pudel wohl gefühlt, während der Krieger sich zu Untätigkeit gezwungen sah. Dann noch dieses merkwürdige Wesen, das den Blondschopf beinahe getötet hätte und die Auseinandersetzung mit seinem Cousin.

Nein, Ragnos mochte Wälder nicht, es sprach einfach zu viel gegen sie.

„Hoooo.“, beruhigte er den schnaufenden Hengst und verlangsamte das Tempo in einen gemächlichen Schritt.

Ein Blick über seine Schulter zeigte ihm, dass die anderen den Wald noch nicht verlassen hatten.

Für einen kurzen Moment überlegte der Lord, ob er auf sie warten sollte, schließlich war einer seiner Männer, ausgerechnet der kleine Stallbursche, verletzt. Hoffentlich würde er arbeiten können, wofür war der Bursche sonst in seine Burg gekommen?

Seufzend fuhr Ragnos sich durch sein schwarzes Haar und lenkte den Hengst zurück Richtung Wald.

Er konnte weder seine Männer, noch einen verletzten Mann, geschweige denn seine Schwester in dem gleichen Wald zurücklassen, in welchem sich Kahndris ebenfalls aufhielt.

Vielleicht würde sich dadurch noch zusätzlich die Möglichkeit bieten seinen vorlauten Cousin die Flügel auszureißen. Einzeln und langsam.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der das Pferd genüsslich am Gras gemümmelt hatte, erschien die kleine Gruppe endlich am Waldrand.

„Das wurde auch Zeit.“, knurrte der Lord zur Begrüßung und warf En’chan einen finsteren Blick zu.

„Hey, ich kann nichts für unser Tempo, aber die Dame hat darauf bestanden!“, versuchte dieser sich zu rechtfertigen und deutet auf Paronda, welche ihren Bruder mit hochgezogenen Augenbrauen anstarrte.

„Wir haben einen Verletzen.“, erinnerte sie ihn und deutete auf den Stallmeister, welcher ihn aus zusammengekniffenen Augen anfunkelte.

„Scheint ihm doch gut zu gehen.“, knurrte der Lord und lenkte sein Pferd gen Heimat.

Freiwillig würde er keinen Menschen mehr mit auf die Jagd nehmen, zu mindestens keinen seiner Menschen und auf gar keinen Fall seinen Stallmeister. Es reichte ja schon, dass er sich alle paar Jahre diesen Stress antun musste, um den verstorbenen zu ersetzen, oder ersetzen zulassen, da brauchte er nicht noch einen auf der Jagd erdolchten menschlichen Untertanen.

 

Als sie endlich die Burg erreichten brach ein leichtes Chaos aus, als die Drachen erkannten, dass der Stallmeister verletzt war.

Der Schmied eilte aus seiner Schmiede und schob sich an den anderen vorbei, ungeachtet der Beschimpfungen und Flüchen die ihm hinter her geworfen wurden.

Selbst als Ragnos brüllend erklärte, dass der Bursche nur einen Kratzer abbekommen hatte, musste sich der bullige Drache selber vergewissern, was vielleicht auch an der Definition eines Kratzers bei dem Lord lag.

Solange der Arm nicht ab war, war es nur ein Kratzer.

Paronda hatte die anderen Drachen jedoch beruhigen können und den leicht überforderten Stallmeister bestimmt in die Burg geschoben und die Tür mit einem lauten Knall hinter sich zu gezogen.

„Diese Frau hat wirklich Feuer.“, lachte En’chan und drückte einem der Drachen die Zügel der Pferde in die Hand.

„Ich sterbe vor Hunger!“, mischte sich Knirsa ein und folgte Paronda in die Burg.

„Was machen wir mit dem Kadaver?“

Nachdenklich ließ sich Ragnos neben Ruan auf die Bank fallen und trank in einem Zug seinen Krug leer.

„Hat einer von euch schon einmal von einem ähnlichen Vorfall gehört?“, wollte er dann wissen und betrachtete seine Krieger einen nach dem anderen.

Kopfschüttelnd erwiderten sie seinen Blick und reichten das Essen herum.

„Vielleicht weiß der alte Joelpa ja etwas?“, überlegte Ruan und erntete einstimmiges Gemurmel.

„Ich werde ihn nachher fragen, jetzt brauche ich erst mal etwas zu Essen und danach ein ausgiebiges Bad! Ich stinke nach Waldboden.“, schnaufte der Lord angewidert und erntete dafür nur ein brüllendes Lachen von En’chan.

„Ja, du stinkst wirklich nach Hasenscheiße und –“Der Drache lehnte sich leicht zu dem Lord herüber, schnupperte und lehnte sich dann, mit einer vor dem Gesicht wedelnden Hand, zurück. „eindeutig nach widerlichem verwesendem Vergewaltigungsmonster.“

Glucksend versuchten die anderen ihr Lachen zu unterdrücken, was Ragnos nur genervt mit den Zähnen knirschen ließ und seinen Appetit vertrieb.

Knurrend erhob er sich und verließ die Halle, aus welcher nun lautes Gelächter drang.

Die Krieger die ihm entgegen kamen verschwanden schnell in einem der anderen Gänge, drehten sich auf ihren Fersen herum und flohen den Gang wieder hinunter, oder erstarrten an der Wand zu einer Salzsäule, immer darauf bedacht den Blick gesenkt zu halten um nicht Ragnos Aufmerksamkeit zu erregen.

Keiner hatte Lust sich mit einem schlecht gelaunten Lord anzulegen, wer wusste schon was ihn sonst erwarten würde.

„Du!“, knurrte der Drachenkrieger einen zusammenzuckenden jungen Burschen an.

„Ich brauche ein Bad!“, presste Ragnos zwischen seinen Zähnen hindurch, während der Junge sich schon umwand und beinahe davon rannte.

Wenigstens fürchtete sich ein kleiner Welpe vor ihm! Das hätte ihm jetzt auch noch gefehlt, neben aufmüpfigen Kriegern und einem aufmüpfigen Stallmeister noch ein aufmüpfiger Welpe!

Seine Schritte verlangsamten sich und an einem Treppenaufgang kam er schließlich gänzlich zu stehen.

Der Stallmeister, er sollte vielleicht einmal nach dem Burschen sehen, wer wusste schon, ob seine Schwester nicht doch versuchte ihm sein Herz zu klauen. Sie war schließlich auch nur ein Drache.

Mit polternden Schritten erklomm er die Steinstufen und folgte dem langen Teppich den breiten Flur hinunter.

Zu seiner rechten erstreckten sich Türen, während die linke Mauer von Fenstern gespickt war und so den Flur mit Licht versorgte.

Schwungvoll ließ er seine Faust gegen das Holz der Tür krachen und lauschte dem hallenden Ton, welcher den Flur entlang rollte.

Das Holz vor seiner Nase verschwand und funkelnde Augen starrten ihn an.

„Musst du hier so einen Lärm veranstalten?“, wollte seine Schwester auch gleich von ihm wissen und bedachte ihn mit einem tadelnden Blick.

„Wie geht es dem Menschen?“, erwiderte Ragnos darauf nur und ließ seinen Blick über den Kopf der Frau in den Raum gleiten.

Das Flackern des Feuers im Kamin verwandelte das Zimmer in eine wabernde Masse und ließ dunkle Schatten in den Ecken entstehen.

Das große Bett an der gegenüberliegenden Wand war leer, nur die Kissen lagen quer verteilt über dem Lacken.

„Sei gefälligst etwas leiser, Mo schläft endlich.“, wies Paronda ihn zurecht und deutete auf die Bettdecke, welche über einem Sessel drapiert lag. Erst auf den zweiten Blick erspähte Ragnos einen blonden Schopf, welcher darunter hervor blitze. Ein umgefallener Kelch lag auf dem Boden neben dem Sessel und ergoss seinen rötlichen Inhalt auf den Teppich.

Mit zusammengekniffenen Augen musterte er das Szenario und zog dann die Luft mit einem leisen Knurren tief in seine Lungen.

„Jetzt reg dich nicht auf! Er wollte gleich wieder arbeiten gehen!“, versuchte die Schwarzhaarige ihr Unterfangen zu rechtfertigen und ließ den Krieger in den kleinen Raum.

„Und deshalb verabreichst du ihm Schafskraut?“

Schulterzuckend blickte sie zu dem schlafenden Menschen und richtete ihren Blick dann auf den Kelch. Mit einem Seufzer hob sie den Becher auf und stellte ihn auf einen kleinen Tisch.

„Er wollte sich kaum verarzten lassen und als ich meinte, dass er erst mal ein paar Tage Ruhe bräuchte wollte er gleich fliehen! Ich musste doch etwas tun, stell dir vor, er bekäme dieses Fieber was Menschen so schnell bekommen!“

„Du weißt aber schon, dass sie bei zu viel Schafskraut nicht mehr aufwachen?“, wollte der Lord wissen und durchbohrte die Frau mit seinen dunklen Augen.

„Natürlich weiß ich das! Es war nur ganz wenig.“ Mit einem kurzen Blick auf den Stallmeister fügte sie jedoch etwas leiser hinzu: „Aber er ist trotzdem viel zu schnell eingeschlafen.“

Mit einem Seufzer griff der Lord nach der Decke und schob sie ruppig etwas tiefer, sodass er das Gesicht des Menschen sehen konnte.

Friedlich.

Das war das Einzige was ihm dazu einfiel.

Das Gesicht des Menschenjungen sah friedlich und weich aus, keine Spur mehr von seiner Angespanntheit oder den Schmerzen.

Vorsichtig fühlte er an dem schmalen Hals nach dem stätigen Pochen, welches den Stallmeister als noch lebend auswies.

Erleichterte fühlte er das ruhige und stätiger pulsieren des Blutes unter seinen Fingern.

„Ich will nicht, dass du ihm noch einmal etwas von dem Zeug gibst!“, durchschnitt seine Stimme den Raum wie ein kalter Wind.

„Das hatte ich auch nicht vor.“, erwiderte Paronda dennoch und verschränkte die Arme vor der Brust.

Seufzend ließ er von dem Menschen ab und richtete seinen Blick auf seine Schwester.

„Wieso sind heute nur alle so aufmüpfig?“, wollte er wissen und fuhr sich mit einer Hand müde über sein Gesicht.

Die letzten Tage forderten langsam ihren Tribut und ließen die Knochen des Drachen das Gewicht von einem Berg annehmen, seine Muskeln waren verspannt und seine Konzentration ließ ebenfalls zu wünschen übrig.

„Du siehst müde aus.“, stellte die Schwarzhaarige fest und berührte ihn vorsichtig an seinem Arm.

„Du solltest schlafen gehen und vielleicht nimmst du vorher noch ein Bad.“, schlug sie vor und strapazierte somit unbewusst seine Nerven.

„Ich geh ja schon.“, grollte er und schob sich ruppig an der Frau vorbei.

Im Türrahmen drehte er sich noch einmal zu ihr herum und ließ seinen Blick kurz über den Stallmeister gleiten.

„Einen Tag. Er kann einen Tag frei machen.“ Damit wand er sich um und ignorierte das empörte Schnauben.

 

 

Müde rieb ich mir die Augen und versuchte mich auf den Becher in meiner Hand zu konzentrieren.

Dieses blöde Kraut, wie auch immer es hieß, hatte mich vollkommen ausgeschaltet. Ich wusste nur noch, dass Paronda meinen Arm versorgt hatte und ich ihr mit all meinem schauspielerischen Talent versuchte hatte begreiflich zu machen, dass der Verband um meinen Brustkorb, welche unter dem Oberteil hervor lugte, keiner weiteren Behandlung oder Begutachtung bedürfte.

Schnippisch hatte sie irgendwann nachgegeben und mir irgendein Getränk in die Hand gedrückt und gesagt, dass ich das noch trinken müsse, sonst würde sie mich nicht gehen lassen.

Ab dem Zeitpunkt wusste ich gar nichts mehr.

Nun saß ich hier in dem kleinen Zimmer auf einem Stuhl, Paronda mir gegenüber und schlürfte Tee, welcher nach Beeren schmeckte.

„Also.“, begann die Drachendame endlich und beugte sich leicht zu mir herüber.

„Wie lange dachtest du, dass du es geheim halten könntest?“, wollte sie wissen und musterte mich interessiert. Mein Herz setzte ein paar Schläge aus, dann nahm es seinen Rhythmus um einiges schneller wieder auf.

„Was meinst du?“, erwiderte ich jedoch ruhig und versuchte das Zittern meiner Hände zu unterdrücken.

„Jetzt tu nicht so, du bist gar kein Menschenjunge, sondern eine Frau!“, echauffierte sie sich und durchbohrte mich mit ihrem Blick.

„Ich musste schließlich nachsehen, ob deine Verletzung in Ordnung ist. Bei den Bewohnern dieser Burg weiß man schließlich nie, ob unter einem Verband nicht doch der halbe Brustkorb fehlt.“

Schweigend starrte ich sie an, was hätte ich auch erwidern sollen?

„Ich habe nicht vor dich zu verraten.“, unterbrach sie meinen Gedankengang und lehnte sich wieder zurück in ihren Sessel.

„Ich möchte es nur verstehen.“

„Was gibt es da groß zu verstehen? Ich konnte mich zwischen Ruan als Mann und Shindra als Frau entscheiden, da fiel mir die Entscheidung wirklich nicht schwer.“

„Stimmt, der war ja auf der Suche nach einer Menschenfrau.“, grübelte sie und trank einen Schluck aus ihrem Becher, ihr Augen ruhten immer noch nachdenklich auf mir.

„Aber wieso hast du dich nicht jetzt zu erkennen gegeben?“, wollte sie nach einer gefühlten Ewigkeit wissen.

„Und dann? Dann hätte mich euer feiner Lord in der Luft zerrissen und zum Abendbrot verspeist.“ Ihr Schweigen bestätigte mich in meiner Annahme, dass der kräftige Krieger seine Beherrschung verlieren würde, wenn ich ihm mein wahres Geschlecht präsentieren würde.

Er sähe es höchstwahrscheinlich noch als Beleidigung und Verspottung seiner großen Drachenherrlichkeit an!

„Selbst ich habe nicht erkannt, dass du eigentlich … anders bist.“, gab sie zu und musterte mich nun von oben bis unten.

„Obwohl deine Gesichtszüge viel zu fein sind für die eines Mannes.“, gestand sie.

„Man sieht nur das, was man sehen will. Außerdem bin ich unter Männern aufgewachsen, ich bin sozusagen mehr Mann als Frau.“, erklärte ich ihr und langsam beruhigte sich mein Herz.

„Unter Männern aufgewachsen? Was ist mit deiner Mutter?“, wollte sie interessiert wissen.

„Tot.“, erwiderte ich nur und war ihr dankbar, dass sie nicht weiter darauf einging.

„Na gut. Dann haben wir beide jetzt ein Geheimnis. Oh ich liebe Geheimnisse, besonders wenn sie Ragnos in den Wahnsinn treiben würden.“, kicherte sie und erinnerte mich stark an ein kleines Mädchen aus meinem Dorf.

„Das ist kein Spiel, mein Leben hängt davon ab.“, fauchte ich sie an und sprang auf meine Füße, unterdrückte das Schwindelgefühl welches mich sofort erfasste und knallte den Becher auf den Tisch.

„Oh nein Mo. So meinte ich das doch gar nicht, ich will dir wirklich helfen! Ich verrate es niemandem! Hochheiliger Drachenehrenschwur!“

Mit einer schnellen Bewegung war sie ebenfalls aufgesprungen und legte ihre rechte Hand auf ihr Herz, danach führte sie ihren Zeige- und Mittelfinger an ihre Lippen.

„Was soll das?“

„Das ist der Drachenehrenschwur! Für Drachen ist er bindend! Manche halten uns vielleicht für skrupellose Monster, was auch ein paar der Drachen wirklich sind, aber das ist eine Art Ehrenkodex. Den darf kein Drache brechen, das verbietet uns unsere Natur.“

„Also schwörst du mir gerade mit deinem Leben, dass du mich nicht verrätst?“, wollte ich genauer wissen.

Kopfschüttelnd nahm sie ihre Hände runter und starrte mich aus ihren Drachenaugen eindringlich an.

„Ich schwöre nicht auf mein Leben, ich verbürge meine Seele dafür!“

Ich kniff die Augen leicht zusammen und starrte sie aus den Schlitzen heraus an. Seele verpfänden, dass klang für mich genau wie auf sein Leben schwören, aber Drachen neigten ja anscheinend zu dramatischen Ausführungen.

„Ok.“ Eine andere Wahl blieb mir sowieso nicht, ich konnte nur hoffen, dass sie ihren Schwur wirklich ernst nahm.

Ein Lächeln bildete sich auf ihren Lippen und sie seufzte erleichtert.

„Oh ich habe so viele Frage! Wie lebst du unter den Männern? Baden? Waschen? Arbeiten? Woher kommst du überhaupt und wie heißt du?“

„Mo.“

„Mo?“

„Einfach nur Mo.“

„Einfach nur Mo.“, echote sie und ließ ihren Blick abermals über mich gleiten.

„Aber das klingt so ….“

„Männlich?“, half ich ihr.

Nickend ließ sie sich wieder in ihren Sessel gleiten und bedeutete mir, mich ebenfalls zu setzten.

„Meine Mutter kam aus einem kleinen Dorf sehr weit entfernt, für sie hatte der Name Mo eine andere Bedeutung. Mein Vater weiß bis heute nicht, weshalb sie mich unbedingt so nennen wollte, manchmal scherzte er, dass sie in die Zukunft geblickt habe und mich so schützen wollte.“ Ich zuckte mit den Schultern und sank zurück auf den Sessel.

„Jedenfalls starb sie, bevor ich nachfragen konnte und gestört hat mich mein Name nie. Weshalb auch?“

„Aber willst du für immer als Mann gesehen werden? Schöne Kleider, Schmuck, umgarnt werden, fehlt dir das nicht?“, wollte die Drachendame verständnislos wissen.

„Wie soll mir etwas fehlen, dass ich gar nicht kenne? Außerdem brauche ich keine schönen Kleider und auch keinen Schmuck. Mir reicht es, wenn ich meine Familie habe und ein paar Pferde um mich sind.“

Kurz verzog sich Parondas Gesicht, als hätte sie in etwas Ekeliges gebissen.

„Das mein Bruder dich aus deiner Familie gerissen hat tut mir wirklich leid.“, nuschelte sie leise und knetete nervös ihre Hände.

Diese einfach Geste brachte mich zum lächeln. Sie war das erste Wesen, dass sich für meinen Umstand entschuldigte, dass rechnete ich ihr hoch an.

„Danke, aber du bist dafür nicht verantwortlich. Außerdem hätte es mich wohl schlimmer treffen können.“

Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen und ein amüsiertes Funkeln trat in ihre Augen.

„Da hast du Recht. Vergessen wir es einfach. Zurück zu meinen Fragen! Waschen!“, wollte sie auch gleich wissen und entlockte mir einen tiefen Seufzer.

„Ist nicht so einfach. Andauernd taucht irgendeiner von den Kriegern auf, aber weiter hinten auf der Wiese ist ein kleiner Teich, dort kann man ganz gut baden. Dank der flachen Wiese hat man seine Umgebung gut im Blick und sollte sich doch mal einer der anderen dorthin verirren sieht man ihn schon von weitem.“

Ihre Augen waren groß geworden und starrten mich ungläubig an.

„Ist der Teich nicht kalt?“, fragte sie skeptisch.

„Es kommt drauf an. Morgens ist es oft etwas kühl, aber abends, wenn den ganzen Tag die Sonne darauf geschien hat, dann ist es wirklich angenehm.“

„Das wäre eindeutig nichts für mich! Ich brauche ein ordentliches Bad, mit angenehm temperiertem Wasser!“ Alleine bei der Vorstellung durchlief sie ein Schauer, dann erschien ein Strahlen auf ihrem Gesicht.

„Du badest!“, rief sie aus und sprang übermütig aus ihrem Sessel.

„Was?“ So ganz konnte ich ihr gerade nicht folgen und sah ihr nur fragend hinter her, als die Drachendame auch schon zu der Eingangstür stürzte.

„Du badest!“, wiederholte sie mir zugewandt und verschwand dann durch die geöffnete Tür.

Nach einem kurzen Moment erschien sie, immer noch strahlend, im Türrahmen und bedeutete mir ihr zu folgen.

„In meinem Zimmer kannst du baden, so ein richtiges Bad!“, fügte sie hinzu und zwinkerte mir vielsagend zu.

„Stinke ich?“, wollte ich jedoch nur wissen und schnüffelte an dem grauen Hemd das ich nun trug.

„Nunja, nach dem kleinen Zwischenfall hast du dich noch nicht richtig gewaschen und nein, diese Katzenwäsche vorhin zählt nicht. Um genau zu sein riechst du eher nach einer Schweine-, als nach einer Blumenwiese.“

Nachdenklich runzelte ich die Stirn und fuhr mir durch meine Haare. Missmutig musste ich feststellen, dass mir Staub in die Augen rieselte und Paronda somit wohl Recht hatte. Ein richtiges Bad würde meinem zerschundenen Körper nicht schaden.

„Ich habe schon mal das Wasser erhitzen lassen.“, meinte sie, als sie mich den Flur weiter hinunter führte und dann eine schmale Treppe hinauf lotste.

Der Flur der sich vor uns erstreckte war schmaler als der vorherige, dafür war dieser mit Gemälden und Teppichen verziert. Fackeln an den Wänden erhellten den Gang und machten mir deutlich, dass es schon später Abend sein musste.

„Die Pferde brauchen ihr Futter!“, fiel es mir plötzlich ein und noch bevor ich mich umdrehen konnte hatte die Drachendame ihre Hand beruhigend auf meine Schulter gelegt.

„Darum kümmern sich die Männer. Heute und morgen kannst du dich noch ausruhen! Und das wirst du auch gefälligst tun!“, erklärte sie mir mit einer samtweichen Stimme, die jedoch keinen Widerspruch duldete.

Ich warf einen zweifelnden Blick aus einem der Fenster und erspähte einen kurzen Blick auf die Stallungen, dann schielte ich unauffällig zu der Frau neben mir. Sie würde mich wahrscheinlich einfach hinter sich her schleifen, sollte ich versuchen meiner Arbeit nachzugehen. Seufzend gab ich nach und folgte der Schwarzhaarigen weiter den Gang hinunter. Ich hoffte nur, dass die Pferde einen weiteren Tag gut überstehen würden und sich keines verletzte.

Kopfschüttelnd schob ich diese Gedanken fort von mir, schließlich hatten die großen Rösser auch überlebt, bevor man mich hier her verfrachtet hatte!

„Da wären wir!“, riss meine Begleiterin mich aus meinen Gedanken und öffnete eine hübsch verzierte Holztür vor uns.

Das Zimmer dahinter war viel größer als das, in welchem ich aufgewacht war.

Große Fenster spickten die gegenüberliegende Wand und ließen das Licht der untergehenden Sonne hinein. Ein großer flauschiger Teppich war in der Mitte des Raums drapiert und schützte einen somit vor der Kälte des Fußbodens, wenn man aus dem großen Bett stieg.

Eine kleine Sitzecke vor dem Kamin, in welchem ein Feuer brannte, ein kleiner Tisch, ein schmaler hoher Spiegel und eine große Kommode waren die einzigen Einrichtungsgegenstände.

Erst jetzt fiel mir ein schwacher Blumenduft auf, welcher durch den Raum waberte.

„Komm.“ Mit einem freudigen Lächeln zog mich Paronda quer durch den Raum und durch einen Torbogen, welcher uns in einen kleineren Raum führte, hier bestand fast der komplette Boden aus einer Wanne.

Schmale Treppenstufen führten einen in das dampfende Wasser, von welchem der Blumenduft ausging.

„In der Zeit in der du badest besorge ich dir mal ein paar Sachen zum anziehen.“

„Paronda.“, hielt ich sie auf und warf ihr einen strengen Blick zu.

„Keine Frauensachen!“

Ein schwaches Funkeln erschien in ihren Augen, welches jedoch gleich wieder erlosch.

„Natürlich nicht.“ Ihre Stimme klang beinahe etwas enttäuscht, dann jedoch lächelte sie mir zu und verließ den Raum.

Seufzend betrachtete ich skeptisch das Wasser und ging in die Hocke um meine Finger in das Nass zu halten.

Es war warm.

Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal in duftendem warmem Wasser gebadet hatte.

Baldurs Schriften

Mürrisch betrachtete der Lord seine Krieger, welche lachend und scherzend an dem großen Tisch saßen.

„Nein mein Lord, ich habe noch nie etwas von so einem Wesen gehört.“, kam Joelpa endlich zum Punkt und beantwortete nach zu vielen überflüssigen Sätzen seine Frage.

„Hast du vielleicht eine Ahnung, wer so ein Wesen schon mal gesehen haben könnte?“, wollte der Schwarzhaarige noch wissen und lenkt seine dunklen Augen wieder zurück auf den alten Drachen.

Nachdenklich rieb dieser sich das Kinn und kniff ein Auge zu.

„Ich könnte meinen alten Kriegskameraden aus jüngerer Zeit kontaktieren. Er lebt weiter im Norden, in der Nähe der Iktariwüsten. Er hatte immer ein sehr hohes Interesse an den skurrilsten Dingen.“

„Dann kontaktiere ihn noch heute!“

Nickend wand der einbeinige Drache sich ab und humpelte davon.

Schnaubend gesellte sich Ragnos zu den anderen Kriegern und warf dem Stallmeister, welcher es sich neben Paronda und Knirsa gemütlich gemacht hatte, einen prüfenden Blick zu.

Anscheinend hatte auch er ein Bad genommen, denn seine Haut und seine Haare hatten wieder ihre helle Farbe angenommen und ließen ihn zwischen den sonnengegerbten Kriegern strahlen.

„Wusste Joelpa etwas?“, wollte En’chan wissen und machte dem Lord neben sich Platz.

Kopfschüttelnd ließ dieser sich nieder und nahm den Becher, den Ruan ihm reichte, dankend entgegen.

„Nein, er wollte einen alten Bekannten kontaktieren, vielleicht weiß der etwas.“, erklärte er und nahm einen großen Schluck des Drachenweins.

„Vielleicht steckt Kahndris dahinter?“, brummte Ruan leise und warf dem rothaarigen Lord, welcher weiter zu ihrer rechten saß, einen bösen Blick zu.

„Das glaube ich kaum.“, erwiderte der Lord ebenso leise und warf seinem Cousin einen nachdenklichen Blick zu.

Der rothaarige Drache unterhielt sich angeregt mit einem seiner Untertanen, während er aufgebracht mit einem Messer in seinem Essen herumstocherte.

Shindra fehlte, was wahrscheinlich mit der Abwesenheit ihres Sammlers zu tun hatte. Der Mensch hatte seine Aufgabe nicht erfüllt, verdiente somit eine Strafe. Auch Ragnos mochte es nicht, wenn sich seine Männer nicht an die Regeln hielten, dennoch würde er keinen von ihnen so hart bestrafen, wie es Kahndris tat, oder tun ließ.

„Hey Stallmeister!“, grölte einer von Ragnos Kriegern und lenkte somit die Aufmerksamkeit des dunkelhaarigen Kriegers zurück an den Tisch.

Memphos war ein, in Drachenmaßstäben, kleiner bulliger Mann, mit den Muskeln eines Stieres und der Zunge einer Ziege. Er konnte selbst den hartgesottensten Krieger in die Flucht reden.

Seine etwas längeren braunen Haare trug er bevorzugt in einem tiefen Zopf im Nacken und starrte den kleinen Menschen nun aus seinen hellgrünen Augen, aus welchen der reine Schalk sprach, an.

„Wie wäre es, wenn du uns ein Lied aus deiner Heimat spielst?“, schlug er vor und erntete das zustimmende Grölen der anderen Krieger.

Verunsichert blickte der Blondschopf von dem stämmigen Krieger hinüber zu Paronda, welche lediglich mit den Schultern zuckte und ihm etwas zu flüsterte.

„Nun komm schon! Wir kennen nur unsere Lieder, etwas Neues wäre nicht schlecht!“, versuchte Memphos den Menschen zu überzeugen.

„Und wir Drachen lieben Musik!“, fügte er noch hinzu und wackelte amüsiert mit seinen Augenbrauen.

Kopfschüttelnd schob Ragnos sich ein Stück Fleisch in den Mund und beobachtete das Szenario vor sich.

Der Stallmeister schien unschlüssig zu sein und sich unwohl unter den vielen Drachenaugen zu fühlen, da er immer kleiner zu werden schien.

Natürlich mochten Drachen Musik, Drachen mochten fast alles hübsche und dazu gehörten auch schöne Töne.

„An Instrumenten soll es dir auch nicht fehlen.“, warf En’chan lachend ein und deutete auf eine Ecke des Raumes, in welcher die Krieger Musikgegenstände aufbewahrten. Die wenigstens davon waren jedoch mit Münzen erworben worden.

„Sie werden nicht aufhören.“, gab Ragnos dem blonden Burschen schließlich zu bedenken und begegneten dessen Blick mit einem kurzen Nicken.

Seufzend ließ der Stallmeister seine Schultern hängen und trottete unmotiviert zu der Musikecke und wühlte zischen den Holzinstrumenten herum.

Schließlich griff er sich eine Laute und ließ sich angespannt auf den Stuhl sinken, welchen einer der Drachen ihm vor den Kamin gestellt hatte.

Alle Augen waren auf den kleinen Menschen gerichtet und diese Tatsache schien ihm gar nicht zu behagen.

„Was wollt ihr denn hören?“, wollte der Bursche leise wissen und ließ seine blauen Augen über die Reihen gleiten, blieb hilfesuchend an Paronda hängen, welche ihm nur ein aufmunterndes Lächeln schenkte.

„Ein Liebeslied!“, warf die Drachendame dann auch gleich ein und erntete dafür nur aufgebrachtes Stöhnen von den anderen Drachen.

„Bloß nicht!“

„Nicht so ein Weiberkram!“

„Ein Lied über Drachen!“, übertönte die brummige Stimme des Schmiedes die der anderen und wurde im nächsten Moment mit zustimmendem Gemurmel begrüßt.

„Ein Drachenlied!“, stimmte ihm Memphos zu und klatschte freudig in seine großen Hände.

Der Stallmeister atmete einmal tief ein und schien einen Moment zu überlegen, dann schob er seinen Stuhl so, dass er quer zu dem Tisch und dem Feuer saß und blickte nachdenklich in die Flammen.

Einen Moment herrschte Stille, dann begannen die schmalen Finger eine leise Melodie auf der Laute an zustimmten. Nach ein paar Herzschlägen wuchs der Ton an und hallte gespenstisch durch die große Halle.

 

„Schatten in des Wolken‘s Schutz,

hindern die Sicht auf des Menschen Schmutz.

Sei wachsam und bleib gespannt,

sonst wird dein Heim niedergebrannt.

 

Des schuppigen Monsters strahlende Augen,

werden niemals seines Schutzes taugen,

menschliche Haut ihre Leiber bedecken,

sollen nur den Schein erwecken.

 

Fürchtet Euch bei Tag und Nacht,

denn das große Monster wacht!

Scheuet nicht die Angst davor,

denn Euer Tod steht kurz bevor!

 

Städte verschlungen von ihrem Feuer,

Frauen geraubt von diesem Ungeheuer,

liebliche Versprechen säuselt der Wind,

doch meide die Schatten des Himmels, mein Kind!

 

Verliere dich nicht in der Ewigkeit,

denn der Weg dorthin ist viel zu weit.

Hebt sich die Dunkelheit empor,

fliehe und versteck dich davor!

 

Fürchte dich bei Tag und Nacht,

denn das große Monster wacht!

Scheue nicht die Angst davor,

denn dein Tod steht kurz bevor!“

 

Mit einer letzten Bewegung glitten die Finger über die Saiten, dann schwebte der letzte Ton durch den Saal bis dieser verstummte.

Es herrschte Stille in der Halle und den meisten Drachen war ihr Unbehagen ins Gesicht geschrieben.

„Solche Lieder singt ihr über uns?“, brach Knirsa die Stille und sprach den Gedanken aller aus.

Die Flammen warfen Schatten auf das Gesicht des Stallmeisters als dieser seine Aufmerksamkeit auf den Krieger richtete.

„Die alten Lieder, ja.“, erwiderte er und wurde sich nun den starrenden Blicken bewusste. Unruhig rutschte der Bursche auf seinem Sitz hin und her und stellte die Laute auf den Boden neben sich.

„Das sind aber keine schönen Lieder.“, stellte Paronda fest und sah den kleinen Menschen aus traurigen Augen an, was den Stallmeister dazu brachte den Blick abzuwenden.

„Sing doch noch ein schönes Lied. Eines, dass ihr Menschen bei Feiern singt!“, schlug Ruan, in dem Bemühen die Stimmung wieder zukitten, vor.

Nach einem kurzen Moment sprang Knirsa von der Bank, griff sich eine Trommel und stellte sich breit grinsend neben den Stallmeister. Verwirrt blickte dieser zu ihm auf.

„Zwei Instrumente sind viel schöner, als nur eins.“, erklärte dieser und klopfte zur Bestätigung auf das Leder.

Kopfschüttelnd überging der Blondschopf das Gesagte und hob die Laute wieder hoch.

„Also ein fröhliches Lied?“, wollte er noch mal wissen und erhielt ein wildes Kopfnicken aus den Reihen der Drachen, alles war ihnen lieber als so ein grässliches Lied über sie.

Ohne weiter zu überlegen zupfte der Stallmeister an den Saiten und begann eine schnelle Melodie anzustimmen.

 

„Aus der Ferne komm ich her,

bringe euch Kundschaft näher,

höret meine Worte an,

und ergötzet euch daran.

 

Mit dem Einhorn tanzte ich,

die Nypmhen verführten mich,

der Kobold stahl mein Geld,

nun bereise ich die Welt!

 

Tanze Frau, oh tanze Kind,

singet bis die Wolken Sterne sind,

dreh dich, hüpfe stimme ein,

in mein schönes Liedelein.

 

Oh wo bist du schöne Frau?

Erscheinst mir erst im Morgentau,

sehne dich so sehr herbei,

bitte Mondschein gib sie frei!

 

Feiert, tanzet, esset, trinkt,

lacht, hüpft, schwebt und singt.

Frei von Angst und Zwang,

verspüre ich den Lebensdrang.

 

Tanze Frau, oh tanze Kind,

singet bis die Wolken Sterne sind,

dreh dich, hüpfe stimme ein,

in mein schönes Liedelein.“

 

Mitgerissen durch die fröhliche Melodie wippten die Krieger mit ihren Köpfen oder trommelten den Takt auf dem Holztisch mit. Vielleicht bildete sich Ragnos das nur ein, jedoch schienen seine Männer gerade alles um sich herum zu vergessen und in die Welt des Stallmeisters einzutauchen.

Als der dunkelhaarige Lord seinen Blick schweifen ließ blieb dieser an seinem Cousin hängen, welcher den kleinen Menschen aus gierigen Augen anstarrte.

Kaum das die Stimme des Blondschopfes verstummte brüllten die Drachen lauthals los und klopften mit ihren Fäusten auf den Tisch.

„Wir wollen noch ein Lied!“, brüllte einer der Krieger.

„Ja, wir wollen noch viele mehr Lieder!“, stimmte eine andere Stimme zu und erhielt zustimmende Rufe.

„Er ist für die Pferde hier, nicht um euer musikalisches Verlangen zu stillen!“, unterbrach der dunkelhaarige Lord den Aufruhe und lenkte so rasch die Aufmerksamkeit auf sich.

„Aber Lord, etwas Abwechslung ist doch auch mal ganz schön!“, erwiderte Memphos.

„Ihr hattet eure Abwechslung! Jetzt ist es genug mit dem Lärm.“, endschied Ragnos und erhielt nur beleidigtes Gemurmel.

Mo ließ sich leise wieder neben Paronda nieder, welche ihm ein strahlendes Lächeln schenkte. Es dauerte noch einen Moment bis sich die Drachen damit abgefunden hatten, dass der Stallmeister kein weiteres Lied anstimmen würde, dann fanden sie endlich zu ihren Gesprächen zurück und die Steinhalle wurde wieder erfüllt von dunklem Stimmengewirr.

„Weshalb sollte er wirklich aufhören?“, wollte En‘chan wissen und musterte den Lord nachdenklich von der Seite. Der breite Krieger kannte den Lord gut genug um zu wissen, dass dieser seinen Männern so eine einfache Freude nicht ohne Grund versagte.

„Kahndris scheint Gefallen daran gefunden zu haben.“, klärte Ragnos ihn auf und warf dem rothaarigen Drachen einen prüfenden Blick zu.

Immer noch waren die kalten Augen des anderen auf den Stallmeister gerichtet.

„Das ist gar nicht gut.“, stellte Ruan neben ihm fest, welcher Ragnos Blick gefolgt war.

„Wir brauchen nicht noch mehr Ärger! Seid der Lord hier ist, herrscht nur noch Chaos und Unglück.“

„Ich weiß, aber ich kann ihn nicht einfach so wegschicken. Er würde es nur als Beleidigung auffassen und wieder irgendeinen Rachefeldzug heraufbeschwören.“ Fahrig fuhr Ragnos sich über sein Gesicht und dachte angestrengt über die Situation nach.

„Eine liebliche Stimme habt ihr. Für einen Menschen natürlich.“, schwebte die schneidende Stimme des rothaarigen Drachen über den Tisch.

Der Stallmeister starrte Kahndris über den Tisch hinweg an, entgegnete jedoch nichts auf das Gesagte.

„Wie mir scheint, hat der Mensch seine Stimme verloren, dabei war sie doch so hübsch wie die einer Sirene.“, säuselte der Lord und schenkte dem Blondschopf ein scheinheiliges Lächeln.

„Lass ihn in Ruhe Kahndris! Und es gibt viele Menschen die solch eine Stimme haben! Du suchst dir nur entweder die falschen aus, oder aber du tötest sie zu schnell!“, fauchte die Drachendame ihn an und durchbohrte ihn mit einem wilden Blick.

„Meine liebste Paronda, die Menschen sind so kurzlebig! Und bei der leichtesten Berührung brechen ihre Knochen. Dafür, dass ihre Körper so schwach gebaut sind, kannst du mich nicht Verantwortlich machen.“, lächelte der Drache und zuckte unbekümmert mit den Schultern.

Bevor seine Schwester sich noch auf ihren Cousin stürzte erhob Ragnos sich und sah von einem zum anderen.

„Tragt eure Streitigkeiten außerhalb meiner Burg aus! Am besten noch außerhalb meines Landes! Und du“, meinte der Drachenkrieger und richtete seine dunklen Augen auf den kleinen Menschen. „kommst jetzt mit mir mit.“

Ragnos entging nicht, dass der Stallmeister kurz die Hände zu Fäusten ballte und die Zähne fest zusammen biss, anscheinend versuchte er keine patzige Erwiderung zu geben.

Mit großen Schritten verließ der Lord die Halle und wartete einen Augenblick am Ausgang auf den Burschen, welcher leise hinter ihm her gelaufen kam.

Missmutig beobachtete der Lord, wie der Bursche ihm einen vernichtenden Blick zu warf und dann die Hände tief in den Hosentaschen vergrub.

Wie man in die Höhle brüllt, so brüllt es zurück, dass hatte ihm Ruan gesagt, doch ausnahmsweise hatte Ragnos mal nicht gebrüllt.

Dennoch schien der Menschenjunge ihm sämtliche Dinge anzulasten, die nicht Ragnos Schuld waren.

Wieso nur hatte Hank so schnell sterben müssen?

Seid der Mann tot schwirrte das Chaos durch das Land des Drachenlords und der kleine Stallmeister neben ihm trug einen großen Teil zu dem Unheil bei.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 27.08.2013

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