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Mein Vater, der Tyrann


Ich denke nicht gern an meine Kindheit zurück. Sie war für mich eine einzige Katastrophe. Bis zu meinem zwölften Lebensjahr wuchs ich bei meiner Großmutter väterlicherseits auf. Meine Eltern waren beide berufstätig. Mein Vater arbeitete in einer Metallwarenfabrik als Hilfsarbeiter. Meine Mutter in einer Fabrik am Fließband, wo Fernseher hergestellt wurden. In den Jahren, in denen ich bei meiner Großmutter aufwuchs, sah ich meine Mutter nicht sehr oft. Sie hatte sich damals schon nicht für mich interessiert. Sie ging lieber arbeiten, als bei mir zu hause zu sein. Mein Vater hatte zu seiner Mutter eine sehr enge Beziehung. Er kam jeden Tag nach der Arbeit auf einen Kaffee zu uns. Später hielt ihm das meine Mutter sehr oft vor. Meine Oma und meine Mutter verstanden sich nicht sehr gut. Sie redeten zwar miteinander, aber sie gingen sehr kühl miteinander um. Jahre später, kurz bevor meine Oma starb sollte ich den Grund dafür erfahren. Für mich jedoch war meine Großmutter meine Mutter.

Sie hatte nur eine kleine Wohnung, eine Küche und ein Kabinett ohne Dusche in einem alten Mietshaus. Als ich noch nicht zur Schule ging, ging sie mit mir öfters in den Park oder auch ins Kinderfreibad. Aber die meiste Zeit war mein Spielplatz der Gehsteig vor unserem Haus. An den Wochenenden kam mein Vater nicht zu Besuch. Er besaß zu dieser Zeit ein Moped und meine Eltern verbrachten die Wochenenden dann stets irgendwo in Niederösterreich zur Erholung. Mich aber, nahmen sie nie mit. Damals machte mir das auch nichts aus, denn ich war sowieso lieber bei Oma. Dann wurde ich eingeschult. Die Schule befand sich schräg gegenüber unseres Wohnhauses. Ich musste also nur eine Gasse überqueren. Die ersten drei Tage brachte mich meine Oma hin und holte mich auch wieder ab, dann aber erledigte ich das schon alleine. In der Schule war ich nicht die Beste. Überhaupt in Mathe hatte ich so meine Probleme. Wenn ich etwas nicht verstand, konnte mir zu Hause niemand helfen. Oma war damals schon ende siebzig und sagte dann immer zur mir:“ Das habe ich in der Schule nicht gelernt“. Also war ich auf mich selbst gestellt. Meine Lehrerin traute ich mich auch nicht zu fragen, da ich in der Schule ein etwas ängstlicher Typ war. Doch irgendwie schaffte ich es immer wieder nicht sitzen zu bleiben. Wenn ich eine schlechte Note nach Hause brachte, erfuhr es natürlich mein Vater wenn er auf Besuch kam. Dann setzte es regelmäßig Ohrfeigen. Mein Vater war der Meinung, dass man nur so ein Kind erziehen kann. Er selbst hatte diese Erziehungsmaßnahme von seinem Vater übernommen. Ich kannte meinen Großvater nicht. Er starb schon viele Jahre vor meiner Geburt. Nach den Erzählungen meines Vaters aber, muss er ein sehr herrschsüchtiger Mann gewesen sein. Mit der Zeit entwickelte ich Angst vor meinem Vater. Wenn er zur Tür hereinkam, zuckte ich regelmäßig zusammen.

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Dann kam die Zeit, als Oma gebrechlich wurde. Sie konnte nun nur mehr am Stock gehen und hatte immer offene Wunden am Knöchel die eiterten. Der Arzt verschrieb ihr immer Salben und sie musste jeden Tag damit die Wunden schmieren und dann selbst verbinden. Nach der Schule ging ich für sie einkaufen, oder ich musste mit ihr zum Arzt gehen. Sie hängte sich dann immer bei meinem Arm ein. Ich weiß noch, dass ich mich immer genierte so mit ihr auf der Straße zu gehen. Ich hatte Angst von Mitschülern gesehen zu werden, die mich dann vielleicht auslachen würden. Oma hatte auch einen kleinen Hund, einen Zwerg-spitz. Vor und nach der Schule musste ich immer mit ihm Gassi gehen. Wenn die anderen Kinder Freizeit hatten, musste ich meiner Oma helfen. Da war ich circa zehn Jahre alt. Ich war Omas Liebling. Sie eröffnete mir auch ein Sparbuch. Einmal im Monat ging sie mit mir damit zur Bank und zahlte immer darauf ein. Sie sagte dann immer:“ Wenn du Großjährig bist oder einmal heiratest bekommst du es“. Sie hatte nur eine kleine Pension. Anfang der siebziger Jahre bekam sie monatlich tausend Schilling. Wenn ich heute so darüber nachdenke ist mir schleierhaft, wie sie das alles schaffte. Mit dieser kleinen Pension ihre Wohnung, das Leben und auch noch für mich zu sorgen. Als sie dann starb war auf diesem Sparbuch die beachtliche Summe von fünfzehntausend Schilling verbucht. Als meine Oma dann immer mehr kränkelte, sagte mein Vater eines Tages zu mir:“ Du musst jetzt zu uns ziehen“. Für mich brach damals eine Welt zusammen. Ich wollte nicht zu meinen Eltern ziehen. Ich empfand auch nicht das Geringste für sie. Widerwillig ging ich jedoch dann mit meinem Vater mit. Meine Eltern wohnten nur eine Straßenbahnstation entfernt. Die Wohnung hatte auch nur ein Zimmer und eine Küche und lag im zweiten Stock eines Altbauhauses. Meistens ging ich zu Fuß zur Schule, außer es kam gerade eine Straßenbahn, dann sprang ich schnell hinein. Vor und nach der Schule ging ich nach wie vor mit dem Hund meiner Oma Gassi, ging nach der Schule ging ich für für Oma einkaufen und wenn ich das erledigt hatte ging ich wieder nach Hause. Daheim angekommen wartete schon der Einkaufszettel meiner Mutter auf mich. Zwischendurch machte ich meine Hausaufgaben. Am Abend musste ich meiner Mutter bei der Hausarbeit helfen.

Mein Vater meinte immer:“ Du bist ein Mädchen. Wenn du nicht kochen kannst wird kein Mann lange bei dir bleiben“. Wenn Mutter irgendetwas nicht passte und das kam häufig vor, schwärzte sie mich bei meinem Vater an und ich bekam dann immer von ihm Prügel. Das Schlimmste für mich aber waren die Wochenenden. Vormittags ging mein Vater immer ins Gasthaus. Inzwischen ging ich mit Mutter einkaufen und half ihr beim Kochen. Meistens kam mein Vater irgendwann am Nachmittag betrunken nach Hause. Gegessen wurde erst, wenn er da war. Ich musste beim Essen immer neben ihm sitzen. Wenn er betrunken war, war er noch zorniger als sonst. So kam es des öfteren vor, dass mich beim Essen völlig Grundlos sein Handrücken im Gesicht traf. Manchmal fiel ich dabei sogar vom Stuhl. Mutter sagte nie etwas dazu. Ich kann mich nicht ein einziges Mal daran erinnern, dass sie mir geholfen hätte. Die Ehe meiner Eltern war von täglichen lautstarken Streitereien geprägt. Wenn man das Wohnhaus betrat hörte man sie schon. Dass sich damals niemand wegen der ständigen Lärmbelästigung aufregte, wundert mich heute noch. Es ging bei diesen Streitereien immer nur um eines „Geld“. Manchmal endeten diese Streitereien in tätlichen Auseinandersetzungen. Aber solange ich nicht dabei herhalten musste war mir das egal. Ich hatte auch kein Mitleid mit meiner Mutter, denn schließlich war sie es, die immer zu Sticheln begann. Das ging solange bis Vater schließlich explodierte. Es gab einfach nichts, was man ihr recht machen konnte. Wahrscheinlich war das für meinen Vater auch ein Grund warum er trank.

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Eines Tages sagte mir meine Mutter:“ Du bekommst ein Geschwisterchen“. Ich freute mich wahnsinnig. Endlich würde ich nicht mehr allein sein. Ich wünschte mir so sehr eine völlig normale Familie zu haben, da wo auch Kinder geliebt wurden. Vielleicht würde sich durch das neue Kind etwas ändern. Ob es ein Bruder oder eine Schwester werden würde das war mir egal. Hauptsache ich war nicht mehr allein. Mutter wurde nun immer dicker und dicker und endlich am 11.11..1973 erblickte mein Bruder Herbert das Licht der Welt. Ich weiß noch wie aufgeregt ich war, als meine Mutter vom Krankenhaus nach Hause kam. Mit doppelter Geschwindigkeit als sonst eilte ich von der Schule nach Hause. Und da, da

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 02.05.2016
ISBN: 978-3-7396-5171-2

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Buch widme ich meiner Mutter, die heute 76 Jahre alt ist. Nach meiner unschönen Kindheit haben wir doch noch guten Kontakt zueinander. Mama ich verzeihe dir und ich liebe dich.

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