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Prolog

 

Devon

 

»Wie konntest du nur eine illegale Einwanderin beschäftigen?«, poltert mein Vater durchs Telefon.

»Jemand muss mich angezeigt haben, ich kann mir das sonst gar nicht erklären«, verteidige ich mich entsetzt. Aufgeregt tigere ich beim Telefonieren hin und her, es gelingt mir nicht, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Dieses Mal bin ich dran – wenn mir nicht schnell eine gute Ausrede einfällt. Ich frage mich nicht nur, wer mich angezeigt hat, sondern auch, wer das meinem Vater brühwarm weitergegeben hat. Das können eigentlich nur die Nachbarn gewesen sein, denen konnte ich noch nie etwas recht machen. Leider bin ich in dieser exponierten Lage der einzige junge Mensch unter lauter Geldsäcken hier, die mit schöner Aussicht eigentlich nur auf den Tod warten wollen. Ansonsten werden die Strandhäuser vor allem als Wochenendhäuser genutzt, wie unseres früher auch.

»Wenn du keinen Mist anstellst, wirst du auch nicht angezeigt«, schimpft es unaufhörlich weiter aus dem Telefon.

»Erzähl mir nichts. Das Geld der Superreichen kommt nicht von ungefähr. Selbst Leute, die sich eigentlich eine reguläre Hausangestellte leisten können, haben doch illegale angestellt«, erwidere ich bissig.

»Wer Senator werden will, so wie ich, tut besser daran, sich nicht mit so etwas angreifbar zu machen«, knurrt mein Vater im gewohnt herrischen Ton. »Durch deine schwachsinnige Aktion bin ich in echten Schwierigkeiten. Ich konnte gerade noch verhindern, dass es publik wird, und musste dafür kostspielige Zusagen machen. Das finde ich ganz und gar nicht witzig.«

»Du hast Leute bestochen?«, entfährt es mir unumwunden.

Ich kann hören, wie Dad am anderen Ende der Leitung schwer atmet. »Was sollte ich sonst tun, um Schaden abzuwenden? Aber ich sag dir, das ist das letzte Mal, dass ich dir aus der Patsche helfe. Wenn die Sache auffliegt, komme ich in Teufels Küche.«

»Typisch. Du behauptest, dass du mir aus der Patsche hilfst, dabei ziehst du dich vor allem selbst aus dem Sumpf.«

Mein Vater schnappt hörbar nach Luft. »Unverschämtheit hat einen Namen: Devon. Hast du mal darüber nachgedacht, wer dir dein Leben finanziert?«

»Hast du mal darüber nachgedacht, dass es nur deine Erwartungen sind, die ich erfüllen soll?«, gebe ich zurück. Dass ich längst meinen eigenen Weg gehe, verrate ich besser nicht – nicht jetzt, sonst dreht er mir auf den letzten Metern noch den Geldhahn zu. Dad ist so ein zäher Knochen und so konsequent konservativ, dass es mich immer abgeschreckt hat. Ich will nicht so werden wie er, der sein ganzes Leben auf ein einziges Ziel abgestimmt hat. Ich bin noch auf der Suche und lasse mir Optionen offen. Deshalb finde ich es nicht lustig, von ihm unter Druck gesetzt zu werden.

»Entspann dich mal.«

»Ich bin ganz entspannt, aber so was von!«, faucht er entrüstet.

»Der Weg ist das Ziel«, ärgere ich ihn.

»Dann geh doch deinen Weg! Aber leg einen Zahn zu«, brummt er ungnädig.

»Gerne. Aber dann musst du mir mehr Geld geben und ich stelle regulär jemanden ein. Wie soll ich bitteschön von dem bisschen Kohle auch noch eine Hausangestellte bezahlen?«

»So weit kommt es noch! Du hast mich schon genug gekostet, jetzt will ich Ergebnisse sehen. Lerne einfach, deinen Dreck selbst wegzumachen, das hat noch nie jemandem geschadet. Diese dumme Aktion war definitiv die letzte. Sieh lieber zu, dass du endlich dein Studium beendest! Du hättest schon lange fertig sein können. Ich finanziere doch nicht dein Leben als Partylöwe!«

»Die richtigen Kontakte zu knüpfen ist eben nicht immer billig«, versuche ich, ihn mit den eigenen Argumenten zu schlagen.

»Ich glaube nicht, dass du die richtigen Kontakte in der Partyszene findest.«

»Wenn du dich da mal nicht täuschst. Außerdem, wie kommst du überhaupt darauf, dass ich nicht ernsthaft studiere?«, echauffiere ich mich zwar, aber wahrscheinlich wirkt es unglaubwürdig. Ich habe es in letzter Zeit tatsächlich etwas mit der Feierlaune übertrieben. Möglicherweise, weil ich keinen Bock auf den Ernst des Lebens im Geschäft meines Vaters habe. Es ist schwierig, ihm da etwas vorzumachen. Wenn ich ehrlich bin, kann ich sogar verstehen, dass er ungeduldig wird. »Woher willst du wissen, dass ich so viel feiere? Haben dir das auch die Nachbarn verraten?«, spekuliere ich.

Dad schnaubt verächtlich. »Wenn du dich schon auf so vielen Partys herumtreibst, pass auf, dass du nicht so einfach in den sozialen Medien zu finden bist.«

»Du stalkst mich? Ich poste doch nichts«, verteidige ich mich entsetzt.

»Dafür die anderen umso mehr. Besonders die leichtlebigen Damen schmücken sich gerne mit dir als Beute. Jetzt sag bloß, das ist dir noch nicht aufgefallen.«

Verdammt! Ich hätte wirklich vorsichtiger sein müssen. Aber ab einem gewissen Alkoholpegel wird mir so manches egal, gerade jetzt, gegen Ende des Studiums, hat dieser Effekt noch einmal zugenommen. »Diese Schlampen, das ist armselig«, krächze ich.

»Du bist armselig, von diesen Damen ist nichts anderes zu erwarten«, erwidert mein Vater streng.

»Was soll das denn wieder heißen? Ich bin doch kein Playboy.«

»Bist du dir da sicher? Eins steht auf jeden Fall fest: Es wird Zeit, dass du erwachsen wirst, Junge. Ich werde dein Geld kürzen, nicht erhöhen.«

Verzweifelt raufe ich mir die Haare. »Was soll das schon wieder heißen?«, keuche ich.

»Du kannst das Haus selber putzen und bekommst ab jetzt nur noch hundert Dollar in der Woche, für Essen. Damit kann man auskommen«, verkündet Dad triumphierend.

»Das ist viel zu wenig! Weißt du, wie teuer hier die Lebenshaltungskosten sind?«

»Natürlich weiß ich das. Es reicht für bescheidenes Essen, das du selbst kochst.«

Ich höre meine Zähne mahlen und lockere eilig den Kiefer. »Das kann ich doch gar nicht!«

»Dann wirst du es lernen. Genauso wie das Putzen.«

Ich schließe genervt die Augen und kann sein süffisantes Grinsen vor mir sehen. »Damit schadest du dir nur selbst. Das kostet Zeit und geht von meinem Studium ab, dann brauche ich wieder länger«, krächze ich heiser.

»Mag sein, aber nur dadurch lernst du endlich, auf eigenen Füßen zu stehen. Das ist etwas, das dich bisher nicht interessiert hat. Außerdem möchte ich nicht, dass du von meinem Geld Alkohol kaufst oder weiter deine Partys finanzierst. Ich habe sogar überlegt, das Strandhaus zu verkaufen, ich werde es sowieso nicht mehr nutzen. Aber das wäre womöglich wirklich kontraproduktiv, so kurz vor dem Ziel. Wenn du mit dem Geld nicht hinkommst, musst du dir etwas dazuverdienen, das sollte als erzieherische Maßnahme reichen – zumindest vorerst.«

»Es waren doch nicht meine Partys.« Jedenfalls nicht nur.

»Wie auch immer, wenn du mit dem Geld nicht hinkommst, musst du dir was einfallen lassen. Du könntest ja dein Studium zügig beenden, der Welpenschutz ist vorbei.«

Dieses Gespräch zermürbt mich. Zugegeben, irgendetwas in meinem tiefsten Inneren hat blockiert, dass ich mit dem Studium fertig werde. Vielleicht, weil ich immer noch auf der Suche nach dem Sinn in meinem Leben bin, aber darüber kann ich doch nicht mit Dad reden.

»Ich glaube nicht, dass du damit das erreichst, was du willst«, hauche ich schwach.

»Ich schon. Wenn du mehr willst, kannst du dafür arbeiten, wie jeder anständige Amerikaner.«

»Ich werde nicht mehr genug Zeit fürs Studium haben«, mahne ich noch einmal und krame verzweifelt nach weiteren Argumenten.

»Dann muss ich womöglich doch ernsthaft über den Verkauf des Hauses nachdenken. Da kommt mir aber noch eine andere Idee. Such dir eine anständige Freundin, die zu dir ziehen will. Dann könnt ihr die Arbeit und die Lebenshaltungskosten teilen.«

Der Gedanke, ein Leben nach den Vorstellungen meines Vaters zu führen, lässt mich innerlich erstarren. Gut, dass Dad mein Augenrollen nicht mitbekommt. Gott bewahre mich vor »anständigen« Frauen! Die sind nicht nur anstrengend, sondern stellen Forderungen, die denen meines Vaters viel zu ähnlich sind. Das Ergebnis sehe ich ja bei meinen Studienkollegen. Es ist Schluss mit lustig, sobald man erst einmal unter der Haube ist. Und wenn es richtig ernst wird, sind Hochzeit und Kinderkriegen nicht weit. Dann bin ich in einer Falle, aus der ich mich nur schwer wieder befreien kann. Nein, nein, so weit lasse ich es nicht kommen.

»Du bist gemein«, antworte ich resigniert.

»Aber nicht doch. Du wirst mir noch einmal dankbar sein.«

»Bullshit.«

»Und komm bloß nicht auf die Idee, ein Zimmer zu vermieten. Das bekomme ich raus! Bei meinem Haus gehört die Miete mir. Ich akzeptiere nur eine Freundin, mehr nicht«, mahnt er und legt auf.

Ich verkneife mir ein Fuck und lasse das Telefon sinken.

Was mache ich jetzt bloß?

 

 

Kapitel 1


Lynn


Ungläubig starre ich auf den kleinen Zettel, der an einer Pinnwand unserer Uni hängt:

»Reinigungskraft für Strandhaus gesucht – Logis frei.«

Darunter steht eine Telefonnummer. Das gibt es doch nicht!

Vor Verblüffung fällt mir meine Mappe aus der Hand und landet mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden. Dieses Angebot muss mir der Himmel geschickt haben! Wie elektrisiert hole ich mein Handy aus der Hosentasche und speichere die Nummer ein. Hier ist es zu laut, ich werde sofort dort anrufen, sobald ich draußen bin.

Nachdenklich gehe ich weiter. Wie groß wohl meine Chancen sind? Eine Unterkunft am Strand, das wäre einfach genial. Seit ich weiß, dass ich aus meiner Studentenbude ausziehen muss, weil das Haus abgerissen wird, suche ich verzweifelt nach einem neuen, bezahlbaren Dach über meinem Kopf.

Doch das ist hier in Santa Barbara nicht so einfach, es ist eine der teuersten Wohngegenden der USA. Der durchschnittliche Hauspreis liegt bei über einer Million Dollar. Gelegen an der »American Riviera«, zwischen Los Angeles und San Francisco, zieht es natürlich jede Menge Prominente und anderweitig Reiche und Schöne an. Das Meer, der Strand, das milde Klima und die Berge wirken wie ein Magnet. Und mit seinen knapp neunzigtausend eher wohlhabenden Einwohnern ist das Städtchen ruhig, aber nicht zu klein.

Eine Gegend mit diesem Flair ist beliebt, leider nicht nur bei mir. Außerdem hat unsere Uni einen hervorragenden Ruf. Meine Eltern, die aus dem mittleren Westen kommen und ein Autohaus besitzen, sind zwar nicht arm, aber bei solch astronomischen Summen müssen sie passen. Kein Wunder, dass meine Suche nach einer neuen Unterkunft schon so lange erfolglos ist.

Mittlerweile ist nicht mehr viel Zeit, um eine neue Wohnung zu finden, die in der Nähe der Uni liegt. Zumal sie mit dem Fahrrad erreichbar sein muss. Dass ich auf ein Auto verzichte, war der Tribut, den ich für die exquisite Uni bezahlt habe.

Und nun hängt hier dieses Angebot, einfach so. Und dann auch noch direkt am Strand …

Das wäre ein Traum! Dieses Zimmer – eine Wohnung wird es kaum sein – ist eine Chance, die ich mir nicht entgehen lassen darf. Spontan beschließe ich, ausnahmsweise die Vorlesung zu schwänzen. Das Zimmer hat jetzt Vorrang.

Es steht noch nicht einmal Putzfrau oder irgendein anderer geschlechterdiskriminierender Begriff da. Das heißt allerdings im Gegenzug, es können sich auch Männer auf diese Stelle bewerben. Verdammt, da ist die Konkurrenz ja noch größer! Okay, kommt natürlich darauf an, wer die Anzeige geschaltet hat. Könnte ja ein Pärchen sein, da ist eine Frau eher im Vorteil – oder auch nicht, wenn die Ehefrau zur Eifersucht neigt. Bei einem Mann ist vielleicht auch ein Buddy willkommen, mit dem er Bier trinkt, und der trotzdem alles managt – oder auch nicht, wenn der Kandidat eine Klobürstenallergie hat. So wie die Bewohner meiner WG, die mit ihrem üppigen Klopapierverbrauch zudem schon öfter die Toilette verstopft haben.

Wieso denke ich überhaupt, dass es ein Mann ist? Es könnte genauso gut eine Frau sein, die nimmt sicher keinen Putzmann. Oder vielleicht doch? So einen sexy Kerl mit dicken Muskeln, der was Besseres zu bieten hat, als eine blitzsaubere Wohnung. Vielleicht eignet sich für solche Zwecke aber ein Gärtner besser, der schweißglänzend seine Muskeln in der Sonne präsentiert. Wie auch immer, da rückt die Qualität der anderen Arbeit möglicherweise in den Hintergrund.

In meinem Kopf rotieren die Gedanken wie ein Kreisel. Vielleicht soll ich ja auch nackt putzen? Bei der Vorstellung muss ich schlucken.

Ja, es könnte sein, dass ein Wermutstropfen dabei ist. Hoffentlich ist es nur ein Tropfen, damit käme ich klar. Keine Rose ohne Dornen. Tatsache ist, mein Budget ist begrenzt. Irgendwo muss ich Abstriche machen. Und damit werde ich nicht die Einzige sein.

Der Zettel kann noch nicht lange dort hängen, denn ich sehe dreimal am Tag nach, ob dort neue Angebote ausgeschrieben sind. Plötzlich wird mir klar, wie viel Konkurrenz es geben wird, falls er dort noch länger hängt. Eilig kehre ich um und reiße ihn von der Wand. Nur kurz meldet sich mein schlechtes Gewissen. Doch ich bin die Beste für diesen Job, ganz sicher. Jetzt kann ich mir auch mit dem Anruf etwas mehr Zeit lassen.

Draußen empfangen mich einundzwanzig Grad und ein leichter Wind von der See. Sicher, es gibt viele Unis im kalifornischen Verbund, die mit einem Strand punkten, aber hier ist es für mich einfach unübertroffen. Genießerisch atme ich durch. Ich bilde mir ein, bis hierher das Meer riechen zu können. Die Strandnähe der Uni ist einer der Hauptgründe, warum ich unbedingt hier studieren wollte. Ebenso wie dieses spezielle Lebensgefühl, das ich dort am leichtesten bekomme. Der kalifornische Traum, easy-going, die schönen Seiten des Lebens genießen. Selbst mein Dad fand das gut. Seiner Meinung nach nehme ich vieles, wenn nicht sogar alles im Leben, zu ernst. Angst, dass ich mein Leben auf einmal zu leicht nehmen könnte, hat er anscheinend nicht. Muss er auch nicht.

Beschwingt setze ich mich mit meinem Fahrrad in Bewegung. Von wo aus soll ich den schicksalsträchtigen Anruf nur machen? Ohne lange darüber nachzudenken, habe ich schon den Weg zum Strand eingeschlagen. Von dort aus wäre ich auch schnell beim Vermieter.

Kurze Zeit später habe ich den Campus Point Beach erreicht. Ein eher schmales, teilweise steiniges und doch himmlisches Stück Strand, das durch eine steile Felskante begrenzt ist. Trotz des vielen Sonnenscheins ist der Pazifik hier eiskalt. Das liegt an den Meeresströmungen. Nur wenige Badegäste trauen sich hinein. Hier sind hauptsächlich Surfer in Neoprenanzügen zu finden.

Sehnsüchtig werfe ich einen Blick auf das lässige Treiben der Surfer. Wie gern würde ich da mitmischen, für mich würde ein Traum in Erfüllung gehen. Doch das Surfen kostet Geld, nicht nur für das Equipment, sondern auch für den Kurs, zumindest wenn man es über die Schnupperstunde hinaus betreiben will. Ein Board zu mieten ist natürlich auch teuer; und ein günstig gekauftes auf dem Fahrrad zu transportieren, stelle ich mir nicht so toll vor. Aber vielleicht wird dieser Sport kein Traum bleiben, wenn ich am Strand wohnen kann.

Ich setze mich leise seufzend an eine windgeschützte Stelle und wähle die Nummer des Strandhausbewohners. Mein Herz klopft bis zum Hals, als das Klingelzeichen ertönt.

»Ja?«, knurrt die Stimme an der anderen Seite der Leitung, sie klingt nach einem jungen Mann.

»Lynn Mayer, mein Name. Ich rufe an wegen der Stelle, die am schwarzen Brett in der Uni hing. Mit wem spreche ich?«, melde ich mich mit heiserer Stimme und räuspere mich anschließend vor Aufregung.

»Devon.«

Ich krause die Stirn. Was ist das denn für eine Antwort? Einen kurzen Moment bin ich sprachlos und verkneife mir ein Nachfragen. Eine peinliche Pause entsteht.

»Devon Greenberg«, rückt er schließlich seinen ganzen Namen heraus.

Ich schlucke, denn ich habe ihn gut in Erinnerung. Devon ist der heißeste Typ bei uns an der Uni – und der größte Playboy. Er zieht die Blicke der Frauen an wie ein Magnet. Seine Exzesse sind so legendär wie sein Frauenverschleiß. Jeder weiß, dass er sich mit seinen Eroberungen höchstens auf ein kurzes Abenteuer einlässt. Ich wurde gleich bei der ersten Studentenparty von mehreren Seiten vor ihm gewarnt. Na ja, den »Damen« lief natürlich bei seinem Anblick selber der Sabber aus dem Mund und er hat mich überhaupt nicht beachtet. Dennoch, für mich gehört er zu den Typen, mit denen man besser nichts zu tun hat. Sie lenken vom Wesentlichen ab. Es ist allgemein bekannt, dass Devon im Strandhaus seiner stinkreichen Eltern wohnt. Sein Vater hat mit App-Entwicklungen ein riesiges Vermögen gemacht. Das vermehrt sich wie von selbst, denn er gehört zu den bekanntesten Großinvestoren für Hightech-Produkte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sein Sohn bisher ohne Putzfrau gelebt hat.

»Können Sie für ein Vorstellungsgespräch vorbeikommen?«, werde ich knurrig aus meinen Gedanken geholt. Devon klingt fast so, als ob er gar keine Hilfe wollte.

Was mache ich nur? Soll ich mich wirklich darauf einlassen? Wenn ich nicht in einer Notsituation wäre, würde ich die Finger davon lassen. Aber ein Gespräch ist ja noch kein Vertrag. Ich sollte mir die Bedingungen zumindest anhören. Mit Unbehagen entscheide ich mich für die Vorstellung, ist ja erstmal unverbindlich.

»Wann soll ich kommen?«

»Wann können Sie?«

»Ich könnte schon heute Nachmittag.«

»Okay, wie wär’s mit gleich?«

Warum hat er es so eilig? Na ja, muss ja nichts zu bedeuten haben, beruhige ich mich selbst. Schließlich gehört er nicht zu den strebsamen Studenten, dafür ist er schon zu lange hier.

»Wo muss ich hin?«, frage ich. Ich kenne zwar die Straße, aber wem genau welches Haus gehört, wird natürlich möglichst geheim gehalten.

Devon nennt mir die Nummer.

»Ist das von der Uni gesehen am Anfang oder Ende der Straße?«

»Am Anfang«, brummt er mürrisch.

»Okay, ich bin circa in einer halben Stunde da«, antworte ich irritiert.

Sofort kommen mir Zweifel. Warum habe ich da gerade so schnell zugesagt? Ich bin doch noch nicht mal für ein Vorstellungsgespräch angezogen, trage nur Jeans und T-Shirt. Was zieht man zu solch einem Gespräch an? Sicher nichts Piekfeines, das wäre bei einer Bewerbung für eine Reinigungskraft sicher übertrieben. Wird schon schiefgehen, die Konkurrenz habe ich ja auf Abstand gehalten. Und wenn die Bedingungen nicht akzeptabel sind, kann ich den Zettel ja wieder hinhängen.




Kapitel 2


Lynn


»Kommen Sie durch«, fordert Devon mich auf, als ich einige Zeit später vor der Tür der Villa stehe.

Er trägt Badeshorts, Flipflops und ... sonst nichts. Beim Anblick seiner breiten Schultern muss ich mich zwingen, ruhig weiter zu atmen. Seine tiefgrünen Augen mustern mich unverhohlen, sie scheinen mich zu durchdringen. Ich fühle mich nackt und möchte meinen Körper am liebsten mit den Händen bedecken. Ein freches Grinsen erscheint auf seinem Gesicht, doch ich halte seinem Blick stand und lächle tapfer zurück.

Er sieht einfach verboten gut aus, mit diesen Drei-Tage-Stoppeln an seinem kantigen Kinn. Nachdenklich streicht er sich durch die dunkelblonden Locken, die mit von der Sonne gebleichten Strähnen durchsetzt sind. Er ist der Prototyp des verwegenen Surferboys, für die meisten Frauen unwiderstehlich.

Doch für mich nicht! Ganz und gar nicht! Niemals!

»Kennen wir uns?«, fragt er plötzlich.

Was wird das? Ist eine Masche? Was erwartet er für eine Antwort von mir? »Ich hoffe, das ist keine plumpe Anmache«, gebe ich spröde zurück.

Devons Augen weiten sich, er hebt abwehrend die Hände. »Nein! Nein, nein, Sie kamen mir gerade wirklich bekannt vor.«

Ich beäuge ihn skeptisch, er wirkt glaubwürdig erschrocken. Gerade noch mal die Kurve gekriegt.

»Vielleicht haben wir uns schon mal auf dem Unigelände gesehen«, antworte ich, obwohl ich das für mehr als unwahrscheinlich halte. Doch mit Studentenpartys soll er mich nicht in Verbindung bringen.

»Ach ja?«, fragt er grinsend.

Ich ziehe einen Mundwinkel hoch, mehr als dieses skeptische Lächeln gelingt nicht.

Devon lächelt verlegen zurück. Offensichtlich merkt er, dass dieses überhebliche Gehabe bei mir nicht ankommt.

Ich atme heimlich durch und folge ihm. Dabei kann ich mich nicht entscheiden, ob ich mir zuerst das atemberaubende Haus, den großartigen Ausblick oder seinen sexy Hintern ansehen soll, dessen aufregendes Muskelspiel hinter den Badeshorts zu ahnen ist. Ich entscheide mich für die Wohnung und die Aussicht. Das ist sicherer. An Devon kann ich mir nur die Finger verbrennen. Hoffentlich hat er beim Personal seine Prinzipien, das muss ich unbedingt rausbekommen, denn wenn dieser heiße Typ in die Offensive geht, könnte meine Abwehr nicht ausreichen.

Der Grundriss ist relativ schmal, aber dafür tief, wie bei den anderen Strandhäusern auch. Klar, dadurch haben mehr Villen den begehrten Meerblick. Über mehrere Ebenen passt es sich an den abfallenden Felsen an. Dadurch wirkt das Gebäude trotzdem großzügig und relativ offen.

Nur eine Tür führt zu einem abgetrennten Raum. Ich wage einen Blick durch den offenen Spalt. Es ist die Küche. Als Devon bemerkt, dass ich stehengeblieben bin, öffnet er sie ganz. In der Spüle und drumherum stapelt sich das Geschirr. Doch ich bin eher vom Arbeitsbereich fasziniert, der eine hübsche Aussicht ins Grün des Nachbarsgartens ermöglicht. Die tiefer stehende Morgensonne verrät die dreckigen Scheiben, die die Sicht leider trüben. Große Spinnweben glänzen in einer Ecke. Auch meine Nase weist mich darauf hin, dass hier schon länger nicht sauber gemacht wurde. Nun gut, er sucht ja auch eine Putzfrau.

Wir gehen weiter, durch einen Essbereich mit einem kleineren Fenster und einer Anrichte darunter. Es wirkt dadurch schön heimelig. Ich male mir aus, wie gemütlich es sein muss, hier abends bei Kerzenschein zu essen.

Weiter geht es an einem Schreibtisch mit genialem Ausblick vorbei. Puh, der würde mich wahrscheinlich von der Arbeit abhalten. Die polierte Platte des Möbelstücks ist komplett leer, wenn man von der Staubschicht einmal absieht. Ich lasse den Blick weiter schweifen. Der traurige Anblick lässt es mich in den Fingern jucken. Wahrscheinlich ist das hier das einzige Möbelstück, das dieser Bude nicht zugemüllt ist.

Der großzügige Wohnbereich bietet freie Sicht auf das Meer, dessen Wasser in der Sonne glitzert. Ein paar niedrige Lavendelbüsche bieten Sichtschutz und halten Wind ab. Die Blüten trösten darüber hinweg, dass vom Strand nichts zu sehen ist. Der Raum wird nur durch Schiebetüren begrenzt, die je nach Bedarf die frische Brise vom Meer hereinlassen oder vor ihr schützen. Durch den großen Dachüberstand fällt keine hochstehende Sonne auf die Scheiben. In diesem Zimmer herrscht ein geniales Licht. Es ist so, als ob man auf einer überdachten Schattenterrasse sitzt.

Gerade sind die Schiebetüren geöffnet, die würzig duftende Luft kommt herein. Sie riecht nicht nur berauschend, sie kühlt auch angenehm meine vom Fahrradfahren verschwitzte Haut. Die Streben zwischen den großen Glasflächen sind weiß, ebenso wie die Decke und der marmorumbaute Kamin. Die Heizquelle ist definitiv nötig, denn im Winter kann es durchaus kühl werden.

Der Frontbereich gibt den Blick auf einen kleinen verwilderten Garten frei. Das Gras wuchert hoch, was die Mittagsblumen im Steinbeet allerdings nicht stört, die in der Sonne ihre bunte Pracht entfaltet haben. Eine Palme an der Seite rundet das Bild ab und spendet lichten Schatten. Die westseitige Terrasse befindet sich daneben, deren teilweise Holzüberdachung wird von dicken Stämmen entrindeter Bäume getragen. Darunter stehen elegante Sitzmöbel aus Korbgeflecht und ein passender Glastisch davor. Zwischen zwei Dachstützen befindet sich eine hölzerne Bank, auf der extra dicke Polster liegen. Eine Bougainvillea rankt im üppigen Pink auf der weißen Sichtschutzmauer. Sofort träume ich davon, mich auf den Polstern herumzulümmeln und zu lesen. Die Blätter der Palme rascheln und scheinen mich einladen zu wollen.

Ostseitig ist eine kleine Terrasse mit einem mosaikgekachelten Tisch auf geschnörkelten Metallbeinen und dazu passenden, filigranen Stühlen, die aussehen, als stammen sie aus einem Pariser Café. Der Freisitz wirkt romantisch, fast ein bisschen aus der Zeit gefallen. Er wird von der goldenen Morgensonne beschienen, hier kann man sicherlich wunderbar frühstücken. Umrahmt ist das Ganze von blühendem Lavendel. Die Pflanzen sind zwar relativ resistent gegen Trockenheit, scheinen aber trotzdem gerade einen Überlebenskampf zu führen. Spontan halte ich nach einer Gießkanne Ausschau, kann aber keine erblicken. Eine grüne Hecke begrenzt das kleine Rasenstück davor, hoch genug, um Sichtschutz zum Nachbarn zu bieten und niedrig genug, um noch einen Ausblick auf die Küstenfelsen zu ermöglichen.

»Wow!«, entfährt es mir.

Devon nickt lediglich, wahrscheinlich ist er diese Bewunderung gewohnt. »Setz dich.«

Jetzt erst lenke ich meinen Blick auf die beige Ledercouch im Raum, die mit einem Glastisch und zwei passenden Sesseln normalerweise dazu einlädt, die Aussicht zu genießen. Doch es ist praktisch unmöglich, seiner Aufforderung unmittelbar Folge zu leisten. Die Sitzflächen und Lehnen sind mit Pizzaschachteln, Snacktüten, Zeitschriften und allerlei anderem Müll zugepflastert. Ich sehe Devon ratlos an.

»Ja, ich brauch nicht umsonst eine Putze«, brummt er und schiebt mir ein kleines Eckchen zum Hinsetzen frei.

Putze? Ich schnappe nach Luft. Was ist das für ein Ausdruck?

Skeptisch beäuge ich sein Sitzangebot. Ich will mich schließlich nicht in einen undefinierbaren Sumpf setzen. Als ich mich zögernd niederlasse, übertönt die Ausdünstung von abgestandenem Bier und kaltem Pizzageruch den frischen Meeresduft. Nervös scanne ich den Müllberg. Wo kommt der Gestank bloß her? Ekel verschafft mir eine Gänsehaut.

Die Mitbewohner meiner WG behaupten, ich leide unter einem Putzfimmel. Zugegeben, Hygiene ist mir wichtig, aber über diesen Dreckhaufen hier lässt sich nicht streiten. Pikiert ergreife ich eine besonders stinkende Pizzaschachtel mit möglichst wenig Fingern und befördere sie noch ein Stückchen weiter weg. Will ich mir das wirklich antun?

Doch ein kurzer Blick nach draußen bestätigt mir wieder, dass es lohnenswert ist, sich nach den genauen Konditionen zu erkundigen.

»Also, wie sehen die Anforderungen genau aus?«, frage ich tapfer.

»Du putzt und ich stelle dir dafür ein Zimmer.«

»Schon klar, aber geht’s vielleicht etwas genauer.«

Devon sieht mich durchdringend an. »Was gibt’s da groß zu besprechen? Machst du es?«

Seine Stimme hat ein aufregendes Timbre, bei der sicher vielen Frauen die Höschen feucht werden und die dann bereitwillig tun, was er verlangt. Ich muss das Kribbeln unbedingt ignorieren, das er auch bei mir auslöst.

»Wo werde ich untergebracht? Ich möchte die ganze Fläche sehen, die ich sauberhalten soll. Wie viele Quadratmeter hat das Haus?«, hake ich nach.

»Keine Ahnung, siehst du doch. Oben sind nur noch die Schlafzimmer«, knurrt Devon.

Was denkt er sich? »Aber ich muss nicht nackt putzen, oder so was in der Art?«

Er schüttelt entsetzt den Kopf. »Sag mal, geht’s noch?! Für wen hältst du mich?«

Ich stehe auf und sehe ihn erwartungsvoll an. »Und? Zeigst du mir jetzt bitte das ganze Haus?«

Devon erhebt sich mit beleidigtem Gesichtsausdruck und schiebt sich an mir vorbei. Offensichtlich ist die Dusche nicht zugemüllt. Er riecht verführerisch nach einer Mischung aus Sandelholz und einer herb-männlichen Note – auf jeden Fall verdammt aufregend, mein Atem stockt. Wenn ich hier einziehe, sollte ich mich besser nicht in seiner Nähe aufhalten. Er ist und bleibt ein extrem heißer Typ, von dem Frau besser die Finger lässt, wenn sie ihr Herz behalten will.

Ich folge ihm mit etwas Abstand, damit ich möglichst wenig von der verstandvernebelnden Wolke einatmen muss. Es geht über eine massive Betontreppe hinauf in das Obergeschoss.

»Hier gibt es vier Schlafzimmer und drei Badezimmer«, erklärt er und öffnet eine Tür. Dahinter befindet sich ein verdächtig aufgeräumter Raum. Das sandfarben gestrichene Zimmer hat durch ein mittelgroßes Fenster eine hübsche Aussicht. Die Einrichtung besteht aus einem Doppelbett und einer Kommode, ein gemütlicher Schaukelstuhl lädt zum Lesen ein.

»Ist das hier ein Gästezimmer?«, erkundige ich mich.

Devon zieht die Augenbrauen hoch. »Ja, woher weißt du das?«

»Weil die Ordnung nicht zum Rest des Hauses passt.«

Er nickt eifrig. »Genau. Siehst du, so viel Arbeit ist es nicht, dieser Raum macht fast keine.«

»Das sehe ich nicht so. Allein unten aufzuräumen und sauberzumachen wird viel Zeit benötigen. Ist das hier mein Zimmer?«

»Nein.«

Das nächste Zimmer ist in Weiß gehalten. Es hat einen marmorverkleideten Kamin und einen Zugang zu einem Balkon, auf dem sich eine riesige Matratzenlandschaft zum Rumlümmeln befindet. Die dicken Polster sind mit einer Decke belegt, die aussieht, als wäre sie aus Tausendundeiner Nacht. Zum Schutz vor Regen und Schmutz befindet sich eine durchsichtige Plastikplane darüber. Es muss wunderbar sein, hier zu lesen. Hatte ich die Aussicht schon vorher fabelhaft gefunden, fällt mir jetzt nur noch das Wort überwältigend ein, denn im ersten Stock hat man einen noch schöneren Rundumblick. Bedauerlicherweise ist es unverkennbar Devons Schlafraum. Ohne Bergsteigerdiplom kann man sich kaum einen Weg bis zum Bett bahnen. Ich wette, die Wäsche muss dringend gewaschen werden, denn es riecht nicht gerade frisch.

»Bevor ich hier saubermachen kann, muss aber die Wäsche gewaschen werden«, verlange ich.

»Ich dachte, das gehört mit zu deinem Aufgabenbereich.«

»Ich soll auch deine Wäsche putzen?«, frage ich mit Gänsefüßchenfingern in der Luft. »Frage: Was machst du eigentlich selbst?«

»Das geht dich nichts an. Du putzt und kannst hier dafür wohnen. Punkt.«

Empört stemme ich die Hände in die Hüfte. »Natürlich geht es mich was an.«

»Friss oder stirb, ich habe genug Auswahl. Es gibt jede Menge Frauen, die so ein Angebot mit Kusshand nehmen.«

Ungläubig sehe ich in seine … wunderschönen grünen Augen … sie bezaubern mich, ich versinke in ihnen. Devon grinst, als wüsste er, was in mir vorgeht. Als mir bewusst wird, dass ich ihn anstarre, stockt mir der Atem. Schlagartig schießt Blut in meinen Kopf.

»Du bluffst doch. Wer tut sich diese Unordnung ohne Not an?«, frage ich, um von meinem peinlichen Verhalten abzulenken. Eigentlich kann es nicht so viele Bewerber geben, schließlich habe ich den Zettel gleich entfernt. Ob er auch im Internet eine Anzeige aufgegeben hat? Ich habe nichts gefunden, denn auch da suche ich täglich nach bezahlbarem Wohnraum.

Devon setzt ein Pokerface auf. »Wie du meinst, du brauchst es ja nicht zu glauben«, murmelt er gelangweilt, zuckt mit den Schultern und verschränkt die Unterarme.

»Zeig mir jetzt zumindest die anderen beiden Zimmer«, verlange ich, denn ich möchte zumindest den Überblick haben, bevor ich mich entscheide.

Er sieht mich erstaunt an und nickt.

»Hier ist noch ein Schlafzimmer, auch nicht viel Arbeit«, sagt er und öffnet die Tür.

In diesem Raum befindet sich nur ein zerwühltes Bett. Ob er seine Betthäschen hierhin entführt? Wahrscheinlich, denn wenn die sein Schlafzimmer sehen würden, würden sie sicher schreiend wieder weglaufen. Gut möglich, dass er ohnehin zu den Männern gehört, die keine Frau in das eigene Bett lassen. Da ist so ein Zimmer natürlich praktisch. Dieser Raum hat einen großen Vorteil gegenüber dem anderen Gästezimmer, denn es hat auch einen Zugang zum grandiosen Balkon.

Das wäre das ideale Zimmer für mich. Platz für einen Schreibtisch ist auch noch. Zum Vögeln dürfte Devon doch auch das einfache Gästezimmer reichen. Auf einmal bin ich Feuer und Flamme für diesen Raum und bereit, alles dafür zu tun, um hier einzuziehen – na ja, jedenfalls fast alles. Tatsache ist, ich muss jetzt klug verhandeln, um nicht von ihm über den Tisch gezogen zu werden.

»Das soll ich beziehen?«

Devon sieht mich überrascht an. »Wie kommst du darauf? Das, ähm, wird anderweitig genutzt.«

»Aha, dann gehört es mit zur Fläche, die ich putzen darf«, spotte ich.

»Ganz schön pfiffig«, bemerkt er herablassend.

»Und das letzte Zimmer ist für mich?«, vermute ich.

»Genau.«

»Da bin ich mal gespannt.«

Ich muss schlucken, als er die Tür öffnet. Die Bude ist schmal, eng und hat nur ein kleines Fenster zur Straßenseite. Der Autolärm dringt sicher durch die hochgeschobene Scheibe, doch mit geschlossenem Fenster wird es nachts sehr stickig sein.

»Das ist nicht dein Ernst!«, entfährt es mir. »Der Raum ist viel zu klein!«

»Deiner Vorgängerin hat er gereicht«, knurrt Devon.

»Ach, und warum ist sie dann weg?«, frage ich spöttisch.

»Familiäre Gründe.«

»Soso. Aber ich werde hier nicht wohnen, das kannst du vergessen. Ich kann ja nicht einmal einen Schreibtisch reinstellen.«

Devon legt den Kopf schief. »Wozu brauchst du einen Schreibtisch?«

»Ich studiere. Wo erledigst du denn deine Schreibsachen?«

Er zuckt mit den Schultern. »Auf dem Bett, wie jeder normale Mensch.«

»Wenn ich das machen würde, bekäme ich schnell Rückenschmerzen, dann kann ich nicht mehr putzen. Willst du das?«

Devon schüttelt hastig den Kopf. Zu hastig, um ihm abzukaufen, dass er noch viele Alternativen zu mir hat.

»Ich lass mich doch nicht in so eine Butze abschieben.«

»Was hast du für Ansprüche? Kennst du nicht die Mietpreise?«, bemerkt er süffisant.

»Vergiss es. Für mich gibt es nur einen akzeptablen Raum, das große Gästezimmer.«

»Das kannst du so was von vergessen. Ich geb doch nicht meine Privatsphäre auf.«

Ich entlasse ein verächtliches Geräusch. »Privatsphäre hat man mit einer Putzfrau doch sowieso nicht, da musst du schon selber putzen.«

»Willst du mir zusehen, wie ich auf dem Balkon einer Nummer schiebe? Oder sogar mitmachen?«

»Du treibst es auf dem Balkon?«, entfährt es mir entsetzt. »Echt jetzt?«

Devon grinst triumphierend. »Das interessiert dich, was? Tja, das ist genau das, was dich nichts angeht.«

Ich schüttle den Kopf. »Sorry, aber das ist nun wirklich zu viel. Ich fürchte, du musst dir eine andere Putzsklavin suchen.«

Mein Gegenüber wackelt mit den Augenbrauen, bevor er wieder sein Pokerface aufsetzt. »Sklavin? Klingt spannend. Aber offensichtlich bist du dafür nicht geeignet. Ich denke, ich sehe mir erst mal ein paar andere Kandidatinnen an.«

Ich schlucke. »Ja, mach das«, antworte ich enttäuscht.


Kapitel 3


Devon


Es gibt zwei Arten von unscheinbaren Frauen. Einmal die, die unscheinbar bleiben, egal, was sie tun. Und dann sind da noch die, die unsichtbar bleiben wollen, aber es eigentlich nicht nötig hätten. Diese Lynn gehört zur zweiten Gruppe. Sie will ihr Potenzial nicht nutzen. Unter normalen Umständen würde mich das kolossal reizen, deshalb kann ich die Umstände nicht normal werden lassen.

Ihr Duft ist einzigartig, nicht ihr Parfüm, denn sie benutzt keins, sondern ihr Duft nach Frau. Der dezente Geruch ihrer Kosmetik unterstreicht das nur. Ich kann mich an keine Frau erinnern, die so gut gerochen hat. Sehr berauschend, sehr gefährlich. Sie war fast ungeschminkt. Ihre reine Haut braucht auch kein Make-up. Die vollen Lippen haben keinen Lippenstift nötig und die langen dunklen Wimpern haben keine Tusche nötig, um die großen bernsteinfarbenen Augen zu betonen. Selbst hinter der Brille ist die Schönheit ihrer Augen nicht zu verbergen. Sie hat die langen braunen Haare zu einem öden Pferdeschwanz gebunden. Es sieht sicher heiß aus, wenn sie frei und glänzend über die schmalen Schultern fallen. Überhaupt, die langweilige Kleidung kann ihre heißen Kurven nicht verbergen.

Auch wenn sie spießig daherkommt, in ihr brodelt ein Vulkan. Mein Instinkt sagt: Finger weg. Mit solch einer Frau vor der Nase wäre meine Freiheit arg in Gefahr. Sie würde mich verrückt machen, zermürben, verändern. Und überhaupt, dass ich meine Wäsche selber wasche, wäre da nur der Anfang vom Ende. Das geht gar nicht. Nein, sie kann nicht für mich den Haushalt machen.

Warum reagiert bloß niemand auf den Zettel am schwarzen Brett der Uni? Na ja, die Antwort kann ich mir selber geben. Wer sieht heutzutage noch da drauf? Das ist doch völlig retro. Doch im Internet kann ich nicht suchen, da würde mein Vater mich finden. Dem traue ich alles zu. Sogar, dass er die Nachbarn zur Kontrolle auf mich ansetzt.

Ich dachte, auf die Anzeige vom schwarzen Brett antworten nur Kandidaten, die meiner Juanita halbwegs das Wasser reichen können, eben weil es so eine altmodische Methode ist, etwas zu suchen.

Juanita war zwar illegal in den USA, aber für mich ein Glücksfall. Niemand wird sie je ersetzen können. Mit ihren vierzig Jahren, dem üppigen Busen und dem mexikanischen Akzent erinnerte sie mich an die Nanny meiner frühesten Kindheit. Bei ihr fühlte ich mich wohl. Sie sorgte sich rührend um mich und machte keinen Hehl daraus, dass sie mich mochte. Ich mochte sie auch, sie war eine ehrliche Haut.

Ich hasse diejenigen dafür, dass sie es angezeigt haben – wer auch immer das war. Warum können die mich nicht in Ruhe lassen? Nur gut, dass Juanita nicht angezeigt wurde. Sie wurde einfach von den Spießgesellen meines Vaters abgeholt und ist jetzt wieder bei ihrer Familie. Es war ein tränenreicher Abschied, gleich danach rief mein Vater mich an. Nie habe ich ihn mehr gehasst. In mir sträubt sich immer noch alles, wenn ich daran denke, nach dem Studium in seiner Firma zu arbeiten. Ich glaube nicht, dass das jemals besser wird.

Seinen Wunsch, dass ich solide werde, und womöglich noch eine Familie gründe, kann er sich an den Hut stecken. Niemals! Jetzt erst recht nicht. Wenn es nicht so unwahrscheinlich wäre, würde ich glauben, dass diese Lynn von ihm geschickt worden ist.

Juanita verlangte keinen Schreibtisch und war auch sonst in jeder Hinsicht anspruchslos. Vor allem wollte sie auf keinen Fall gesehen werden und verkroch sich freiwillig in ihr Kämmerlein, wenn Freunde im Haus waren. Ihr genügten der Fernseher, mit dem sie ihre geliebten mexikanischen Seifenopern sehen konnte, und eine Möglichkeit, mit ihrer Familie irgendwie in Kontakt zu bleiben. Ich brauchte nur einzukaufen, sie zauberte dafür ihr leckeres mexikanisches Essen. Klaglos erledigte sie alles und war mit wenig Lohn zufrieden.

Damals hatte ich das Geld. Jetzt stehe ich vor dem Nichts, dem Abgrund der Spießigkeit. Eine Welt, in der so getan wird, als ob harte Arbeit das größte Glück auf Erden bedeutet. Scheiß drauf! Ich spiele nicht den braven Hampelmann für meinen Vater, der bei dieser Show so gerne mitmacht. Für mein Alter ist es doch nicht so ungewöhnlich, dass mir immer noch nicht klar ist, wie mein Leben nun genau aussehen soll. Wer will schon so weit in die Zukunft planen? Und ich lasse sie mir schon gar nicht vorschreiben. Aber eins weiß ich bestimmt, Wahlhelfer für meinen Vater will ich nicht werden.

Ich hätte diese Party nicht geben dürfen, um mich von meiner Situation abzulenken. Das war kontraproduktiv, denn damit war umgehend das ganze Haus zugemüllt. Blöd, wenn man weder je die Spülmaschine noch die Waschmaschine bedient hat. Das sind wirklich Sachen, mit denen ich mich nicht belasten wollte. Jetzt fällt es auf mich zurück und ich brauche Hilfe, um diesen ganzen Müll zu beseitigen.

Aber wenn sich niemand von der Uni meldet, wie soll ich Kandidatinnen finden? Auf einer Party

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Mia Benton/Alica H. White Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. Dieses Buch ist rein fiktiv. Ähnlichkeiten zu lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Bildmaterialien: freepik: Hintergrund Vektor erstellt von freepik - de.freepik.com Rest: Pixabay,
Cover: Kooky Rooster
Lektorat: Christine Hann
Korrektorat: Christine Hann
Tag der Veröffentlichung: 19.07.2022
ISBN: 978-3-7554-1761-3

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